ISSN 18695205
Tanzkunst Das Lackballett im Theater- und Konzerthaus Solingen Ausstellung Oskar Schlemmer im Von der Heydt-Museum Jubiläum 50 Jahre Kunst in der Sparkasse Ehrung Bilderbuchmuseum Troisdorf zeichnet Wuppertalerinnen aus Porträt Dietrich Rauschtenberger zum 80. Geburtstag
0 4 / 2 019 O k t o b e r - D e z e m b e r / 5. 8 0 €
SCHAUSPIEL
DER KLEINE LORD nach Motiven von Frances Hodgson Burnett,
SINFONIEORCHESTER
Fassung von Henner Kallmeyer ab Sa. 16. November 2019 Theater am Engelsgarten
3. SINFONIEKONZERT: ® MEMORY BERNSTEIN, MOZART & BARTÓK
HIGHLIGHTS HERBST/WINTER
So. 17. / Mo. 18. November 2019 Historische Stadthalle Wuppertal
OPER
LA BOHÈME von Giacomo Puccini ab Sa. 2. November 2019 Opernhaus
Ticket- und Abo-Hotline: Tel. 0202 563 7666
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VON DER HEYDT- MUSEUM WUPPERTAL
SKULPTURENPARK WALDFRIEDEN WUPPERTAL
JOAN MIRÓ
3.11 . 2019 23. 2. 2020
OSKAR SCHLEM MER Oskar Schlemmer, Zwölfergruppe mit Interieur, 1930, (Ausschnitt), Von der Heydt-Museum
© Successió Miró/VG Bild-Kunst, Bonn 2019
SKULPTUREN 24.8. – 24.11.2019
Komposition und Experiment
DAS WUPPERTALER MALTECHNIKUM Successió Miró
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Ermöglicht durch: Kunst- und Museumsverein Wuppertal
Editorial Liebe Leserinnen und Leser Es war der heute fast vergessene Wuppertaler Lackfabrikant Dr. Kurt Herberts, der 1936/37 von den Nazis verfemte Künstler in seinem Unternehmen als künstlerische Berater beschäftigte. Einer von ihnen war der ehemalige Bauhauslehrer Oskar Schlemmer, dem eine große Ausstellung von November 2019 bis Februar 2020 im Von der Heydt-Museum gewidmet ist. Sie beleuchtet unter anderem Schlemmers Zeit in Wuppertal, in der einige bedeutende Spätwerke entstanden. Auch „Das Totale Tanz Theater“ präsentiert von der Initiative Tanzrauschen, verneigt sich vor Schlemmer und der hundertjährigen BauhausTradition: Im Rahmen des „dancescreen 2019 + Tanzrauschen Festival Wuppertal“ vom 21. bis zum 24. November zeigt die Initiative eine von Schlemmer und Walter Gropius inspirierte Choreografie von Richard Siegal zu Musik von Einstürzende Neubauten. Das Wirken des Lackfabrikanten Herberts reicht bis in die Gegenwart, beherbergen seine Villa und sein Park doch jetzt den Skulpturenpark Waldfrieden, in dem zurzeit eine große Ausstellung mit Plastiken von Mirò zu sehen ist. Wuppertal ist reich an kulturellen Highlights wie diesen. Gleich zwei hochrangige Illustratorinnen, Christiane Pieper und Ulrike Möltgen, erhielten den Troisdorfer Bilderbuchpreis, zusammen mit dem ebenso renommierten Peter Hammer Verlag. In Wuppertal wurde der Free Jazz erfunden, dessen Protagonistinnen und Protagonisten den Ruf der Stadt bis heute in die Welt tragen. Wie lebendig die Szene immer noch ist, zeigt ein Glückwunsch zu Dietrich Rauschtenbergers 80. Geburtstag. Über diese Themen und noch vieles mehr berichten wir in diesem Heft.
fertig sein wird. Ein anderes Beispiel ist der neue Döppersberg, der, einst als Touristenmagnet und Jobmotor gepriesen, nun vor allem mit leer stehenden Geschäftsflächen, Billigläden und etlichen Bäckereien auf sich aufmerksam macht. Viele dieser Vorgänge lassen sich unter der Rubrik Pleiten, Pech und Pannen subsumieren. Weit darüber hinaus gehen allerdings die Vorgänge um das Aushängeschild Tanztheater. Da kam ein PR-Berater ins Spiel, der im Vorfeld der geplanten fristlosen Kündigung der Intendantin Adolphe Binder Einzelheiten über Vorfälle im Tanztheater an die Presse lancieren sollte. Die Kündigung selbst scheiterte in zwei Instanzen und veranlasste das Landesarbeitsgericht, Mutmaßungen über eine gewisse Geheimdiplomatie in der Wuppertaler Stadtspitze anzustellen. Auch wurde ein Arbeitsvertrag mit Binder geschlossen, der quasi unkündbar war. Der Oberbürgermeister will von allem nichts gewusst haben und nun, nachdem das einzigartige kulturelle Erbe der Stadt beschädigt wurde, die ganze Sache untersuchen. Man darf gespannt sein, was dabei herauskommt. Ist es Zufall, dass der OB ausgerechnet jetzt zwei zusätzliche Personalstellen verlangt, die die Positionen der Stadt in die sozialen Netzwerke transportieren sollen? Die Gemengelage ist so haarsträubend, dass sich die Frage stellt, ob nicht Konsequenzen folgen müssten – zum Wohl der Stadt und ihrer Bürgerinnen und Bürger, zum Wohl des Tanztheaters, das der Stadt Glanz verleiht und ihren Namen in die ganze Welt trägt. Christiane Gibiec
Zurzeit muss man allerdings fragen, ob die kulturellen Schätze dieser Stadt noch in guten Händen sind. Eines der renommiertesten Museen der Republik muss sich ohne Führung durchschlagen, niemand weiß, wie lange noch. Auch gibt es ein Historisches Zentrum, das ausgerechnet im Jahr von Friedrich Engels‘ 200. Geburtstag renoviert wird und zum Stichtag 28. November 2020 wohl noch nicht Foto: Ella von Aster
Inhalt 18
Das Theater der Klänge setzt sich mit dem Vermächtnis der Bauhausbühne auseinander
Ein Requiem für Oskar Schlemmer
Oskar Schlemmer im Von der Heydt-Museum
Von Weimar nach Wuppertal
Fahnen des Künstlerpaares Grit und Wil Sensen am Verkehrskreisel in Radevormwald
Spiel mit dem Wind. Visuelle Poesie
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Kunstmuseum Solingen, 73. Bergischer Kunstpreis
Kunst soll politisch sein
Projektreihe der Kulturwerkstatt Ins Blaue e.V. verbindet bergische Künstler
Gemischte Gefühle
Ausstellung im Skulpturenpark Waldfrieden
Miró, der Bildhauer
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18 22
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50 Jahre Kunst in der Sparkasse
Kunst in Wuppertal – welch ein Reichtum!
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„Community-Oper“ und Strawinskys „Oedipus Rex“
Sternstunden für die Wuppertaler Oper 38 Else Lasker-Schülers schwieriges Altersstück „IchundIch“ als theatrale Installation
Über die Wupper, direkt in die Hölle Petrichor – eine Kolumne von MC Graeff
Wo es nichts zu lachen gab ...
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Für Kinder und Jugendliche
Kulturtipps und Buchvorstellung
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Überraschendes und Urkomisches im Bilderbuchmuseum Troisdorf
Trink einen Eimer Wasser, danach mach ‘nen Knicks.
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Ein Gespräch mit dem Opernintendanten Berthold Schneider und dem Präsidenten des Wuppertal Instituts Uwe Schneidewind über ihren Ämtertausch
Wechselwirkung auf hoher See
Ein persönlicher Blick Eugen Egners auf Dietrich Rauschtenberger zu dessen 80. Geburtstag
Ein zäher Hund
Die Latin Session feiert ihr 20-jähriges Bestehen
20 Años – Felicidades
Neue Kunstbücher vorgestellt von Thomas Hirsch
Orte ohne Menschen
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60 64
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Paragrafenreiter
Von der Kunst, den richtigen Umsatzsteuersatz zu wählen Ausstellungen, Bühne, Musik, Kino
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Kulturtipps Verkaufsstellen
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Impressum
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Das Lackballett, die Fächerfigurine, Tänzer: Tuan Ly, Video: Yoann Trellu, Foto: Oliver Eltinger 2019
„Ich habe mich auf ein Abenteuer eingelassen. Ich kann‘s nicht lassen. Die Gelegenheit ist günstig. Ich mache zu dem Jubiläumsfest, am 6. Dezember, ein Lackballett. Ich habe das einmal geäußert, schon früher. Nun werde ich beim Wort genommen. Eigentlich mach ich’s nicht ungern. Man kann mit einfachen Mitteln etwas sehr Reizvolles machen. Nur aus farbig lackierten Pappen, Bällchen, Stäben und so weiter.“ Brief aus Wuppertal von Oskar an seine Frau Tut Schlemmer, 4.11.1941
Ein Requiem für Oskar Schlemmer Das Düsseldorfer Theater der Klänge setzt sich künstlerisch mit dem Vermächtnis der Bauhausbühne auseinander
Im Bauhausjahr 2019 hat das Düsseldorfer Theater der Klänge das Lackballett des Malers und Theaterkünstlers Oskar Schlemmer aufgenommen und zu einer etwa einstündigen Performance ausgebaut. Das ursprünglich nur etwa vier Minuten dauernde, von Oskar Schlemmer „Reigen in Lack“ getaufte Werk wurde am 6. Dezember 1941 in Wuppertal uraufgeführt. Die Neuschöpfung des Theaters der Klänge wurde von einem Satz in Oskar Schlemmers Tagebuch inspiriert: „Ich glaube, dass ein Maler mit einigen wenigen Formen und einigen entsprechenden Farben sein Persönlichstes müsste demonstrieren können – eindeutig, einmalig, einzigartig. Ich möchte eine brausende Malerei, aus Farbe geboren, aus Schatten und Licht, aus Strukturen und Gesetzen, die das Geheimnis bergen und immer wieder die innere Geschichte realisieren.“ Das Theater der Klänge wurde bereits 1987 als freies Musik- und Tanztheater in Düsseldorf gegründet und seither durch das Kulturbüro Düsseldorf und das Land NRW gefördert. In den vergangenen 31 Jahren entstanden 27 Produktionen, die europaweit auf Tournee gingen. Programmatischer Schwerpunkt des Theaters ist eine Weiterführung der Theater- und Tanzansätze der Bauhausbühne. Diesem ist auch eine Ausstellung im Theatermuseum Düsseldorf – in Kooperation mit dem ACC-Kunstverein in Weimar – unter dem Titel „bauhausbühne: Originale. Aneignungen. Weiterführungen.“ gewidmet, die kürzlich eröffnet wurde und noch bis zum 8. Dezember 2019 zu sehen ist. Inspi-
riert von Konzepten aus dem Bauhaus zeigte das Theater der Klänge bisher das „mechanische Ballett“ nach einer studentischen Idee von 1923, die von Laszlo Moholy-Nagy skizzierte „mechanische Exzentrik“ sowie das „Triadische Ballett“ von Oskar Schlemmer unter dem Titel „Trias“. Das in Wuppertal unter schwierigsten politischen Bedingungen und mitten im Zweiten Weltkrieg entstandene „Lackballett“, das durch Skizzen und Fotos von Oskar Schlemmer spärlich dokumentiert ist, ist die jüngste Kreation des Theaters der Klänge. Der künstlerische Leiter des Theaters Jörg Udo Lensing ist hauptberuflich Professor für Tongestaltung/Sounddesign im Studiengang Film & Sound an der Fachhochschule Dortmund. Vor jeder Produktion stellt er ein Ensemble zusammen, das in der Regel aus Musikern, Komponisten, Schauspielern und Tänzern besteht. Gemeinsam wird eine Visualisierung des Themas erarbeitet, die aus Improvisationen hervorgeht und von den Arbeiten anderer Kunstschaffender angeregt ist. Im Mittelpunkt des von Lensing inszenierten und von Jacqueline Fischer choreografierten Lackballetts stehen sechs Tänzerinnen und Tänzer, die in wechselnden, den farbenfreudigen Schlemmerschen Entwürfen nachempfundenen Figurinen auftreten und mit bunten Tüchern zusätzliche Farb- und Formvariationen erschaffen. Per Videobeamer werden die Bilder auf eine große Leinwand projiziert, die auf einer Malerstaffel steht. Die live gefilmten 5
Das Lackballett, die Krake, Tänzerin: Phaedra Pisimisi, Video: Yoann Trellu, Foto: Oliver Eltinger 2019
Tänzerinnen und Tänzer „bemalen“ mit ihren Bewegungen die Leinwand zusätzlich. Der elektronische Soundtrack orientiert sich an Schlemmers Ursprungsmusik, einer Sarabande von Georg Friedrich Händel. Die Musik interagiert mit den Bewegungen im Bühnenraum, sodass eine Lichtmalerei entsteht, die die Grenzen zwischen Tanz, Musik, Video und Kunstperformance zerfließen lässt. Briefe und Tagebucheinträge Oskar Schlemmers bieten weiteres Material, das in szenische Aktionen umgesetzt wird. „Er ist der Typus Künstler, der von Politik und Wissenschaft so oft beschworen wird: kindliches Gemüt, unbequem, unkorrekt, nur seiner Sache verpflichtet, ein Stachel im Fleisch der Gesellschaft – auch wenn dieser nicht wirklich schmerzt, sondern nur juckt,“ resümiert Regisseur Lensing die Auseinandersetzung seines Ensembles mit Oskar Schlemmer. Ein Rückblick auf die dunkle Zeit, in der Schlemmer seinen damals so genannten „Reigen in Lack“ aufführte, lässt seltsame Szenerien aufscheinen. Zur 75-Jahr-Feier der Lackfabrik Dr. Kurt Herberts im Jahr 1941 erschienen nicht nur geladene Gäste, sondern auch die örtlichen Nazi-Größen. 6
Vor ihren Augen spielte sich ein gemessener Schreittanz ab, in Schlemmers magisch ausgeleuchteten Figurinen aus geometrischen Grundformen wie Stäben, Dreiecken oder Kugeln, steckten mangels geeigneter Tänzer Damen der Betriesbssportgruppe der Firma Herberts. Die anwesenden Nazi-Vertreter ahnten wohl nicht, dass es sich bei dem „Reigen in Lack“ um eine kleine Nachschöpfung des „Triadischen Balletts“ handelte, das Oskar Schlemmer bereits 1923 kreiert hatte. Das Stück, von den Nazis längst auf den Index gesetzt, war zum Markenzeichen für den Bühnenexperimentator Schlemmer geworden, der seine Schöpfungen auch „metaphysisches Theater“ oder „Figurinenballett“ nannte. Das Triadische Ballett, eine Mischform aus Theater und bildender Kunst, wurde während der 1920erund Anfang der 1930er-Jahre einige Male aufgeführt und nach dem Krieg in mehreren aufwendigen Rekonstruktionen von deutschen Theatern gezeigt. Der Lackfabrikant Kurt Herberts, der den Künstlerinnen und Künstlern sein Unternehmen (im sogenannten Dritten Reich) als Refugium angeboten hatte, war Anthropo-
soph und wollte auf diese Weise ein „psychisches Kraftfeld“ gegen die Diffamierungen und Berufsverbote durch die Nazis schaffen. Das Wuppertaler Engagement linderte nicht nur die materiellen Sorgen der um ihre Anstellungen gebrachten Kunstschaffenden, sondern gab ihnen auch eine geistige Heimat. Der Tod Oskar Schlemmers im April 1943 erschütterte den Wuppertaler Arbeitskreis tief. Kurz danach wurde das Institut für Malstoffkunde am Wuppertaler Döppersberg, in dem die Künstler subtilste künstlerische Studien mit dem Werkstoff Lack realisiert hatten, mitsamt seinen wertvollen Exponaten bei dem großen Elberfelder Angriff in Schutt und Asche gebombt. Das „Lackballett“ des Theaters der Klänge versteht sich auch als Denkmal und Erinnerung an das Leiden der modernen Künste im Nationalsozialismus. Regisseur Lensing: „Oskar Schlemmer hat sein Requiem verdient, und dieses haben wir versucht ihm als Geistesverwandte zu komponieren.“ Christiane Gibiec
Das Lackballett Dienstag, 19. November 2019, 19.30 Uhr Theater- und Konzerthaus Solingen Konrad-Adenauer-Straße 71, 42651 Solingen Dienstag, 26. November 2019, 19.30 Uhr Stadthalle Hagen Wasserloses Tal 2, 58093 Hagen Freitag, 29. November 2019, 20 Uhr Flottmannhallen Herne Straße des Bohrhammers 5, 44625 Herne noch bis zum Sonntag, 8. Dezember 2019 Sonderausstellung
bauhausbühne – Originale. Aneignungen. Weiterführungen. Theatermuseum Düsseldorf Jägerhofstraße 1, 40479 Düsseldorf
Das Lackballett, Sarabande, Tänzer: Francesca Perrucci, Miriam Gronau, Tuan Ly, Javier Ojeda Hernandez, Video: Yoann Trellu, Foto: Oliver Eltinger 2019
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Von Weimar nach Wuppertal
Oskar Schlemmer im Von der Heydt-Museum Ein Vorbericht
Oskar Schlemmer, 1920, Foto: Hugo Erfurth, Museum Folkwang, Essen
Zum Ausklang des deutschlandweit fast bis zum Überdruss gefeierten Jubiläums „100 Jahre Bauhaus“ hat einer der prominentesten Bauhaus-Künstler in Wuppertal seinen großen Auftritt: Oskar Schlemmer. Ihm widmet das Von der Heydt-Museum vom 3. November 2019 bis zum 23. Februar 2020 eine Ausstellung, die Bekanntes und weniger Bekanntes zusammenführt und dabei an die besondere Bedeutung Wuppertals für den Künstler (und des Künstlers für Wuppertal) erinnert. Die noch von Gerhard Finckh, bis vor einem halben Jahr Direktor des Museums, angeregte und von Beate Eickhoff kuratierte Schau ist keine umfassende, das Gesamtwerk des Künstlers repräsentierende Retrospektive, so wie sie vor fünf Jahren in der 8
Oskar Schlemmer, Bauplastik R, 1919, Sammlung Mark Binz, Stuttgart
Stuttgarter Staatsgalerie stattfand. Zwar wartet sie mit Arbeiten aus nahezu allen Schaffensphasen auf, räumt aber dem nur selten gewürdigten Spätwerk einen besonderen Platz ein. Insofern bietet sie dem Besucher eine Fülle neuer Eindrücke und lässt sowohl die Schwierigkeiten erahnen, denen sich ein von den Nazis wegen seiner Zugehörigkeit zum Bauhaus als „entartet“ gebrandmarkter Künstler im sogenannten Dritten Reich gegenübersah, als auch die kreativen Spielräume sichtbar werden, die sich Schlemmer in Wuppertal eröffneten.
Schon im Ersten Weltkrieg waren Schlemmer abstrakt-geometrisierende Gestaltungen „seines“ Themas, des Themas „Mensch“ gelungen, dessen Bedeutung er unermüdlich betont hat und das für sein gesamtes Œuvre zentral ist. Der Mensch galt ihm als „höchster Gegenstand“, und anders als in der Kunst des Naturalismus und Realismus, des Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit ging es ihm in seinen Gemälden, Plastiken und Bühnenarbeiten stets um überindividuelle Formulierungen eines aus seiner Sicht idealen Menschenbildes.
Bauhaus Weimar und Dessau Oskar Schlemmer,
Offenbar beeindruckt von Schlemmers streng tektonischer Bild- und Formauffassung, wie sie sich etwa in den figürlich-konstruktiven Reliefs des Jahres 1919 manifestiert (z.B. „Relief H“, „Bauplastik R“), berief der Architekt Walter Gropius den Künstler 1920 an das von ihm ein Jahr zuvor als „Einheitskunstschule“ aus Kunstakademie und Kunstgewerbeschule gegründete Staatliche Bauhaus in Weimar, wo er als sogenannter Formmeister, also als künstlerischer Leiter, in mehreren Werkstätten tätig war, zunächst in der Wandmalerei, dann in der Bildhauerei, der Metallwerkstatt und in der Bühnenabteilung. Ferner unterrichtete er das Aktzeichnen, das er später zum Unterricht „Der Mensch“ erweiterte – konzipiert gleichsam als anthropologische Grundlage der gesamten Bauhaus-Lehre. Damit machte er ernst mit dem programmatischen Satz des Bauhaus-Kollegen László Moholy-Nagy: „Nicht das Objekt, der Mensch ist das Ziel“, was angesichts des zeitweise alles dominierenden Bauhaus-Konstruktivismus zuweilen aus dem Blickfeld der Bauhäusler zu geraten drohte. 1929 schied der Künstler aus dem Lehrkörper des inzwischen in Dessau als „Hochschule für Gestaltung“ firmierenden Bauhaus aus, um eine Professur an der Schlesischen Akademie für Kunst und Kunstgewerbe in Breslau zu übernehmen. Schlemmers Bauhaus-Umfeld wird in der Wuppertaler Ausstellung exemplarisch durch Werke von Paul Klee, Wassily Kandinsky, Lyonel Feininger, Johannes Itten, Georg Muche und László Moholy-Nagy belegt, sein Umfeld an der Breslauer Akademie durch Arbeiten von Molzahn, Mense, Mueller, Muche und Kanoldt.
1888 geboren, also gleichaltrig mit Johannes Itten und Josef Albers, seinen späteren Kollegen am Bauhaus, erhielt seine künstlerische Ausbildung in den Jahren 1906 bis 1910 an der Stuttgarter Akademie der Bildenden Künste bei den eher als konservativ geltenden Malern Christian Landenberger und Friedrich von Keller. Im Anschluss an einen Aufenthalt in Berlin, wo er im Kreis um Herwarth Waldens Galerie „Der Sturm“ mit den neusten Strömungen der europäischen Kunst in Berührung kam, wurde er in Stuttgart Meisterschüler von Adolf Hölzel, einem der Mitbegründer der gegenstandsfreien Malerei in Deutschland, dessen Bedeutung als Pionier der Abstraktion und als bahnbrechender Theoretiker lange verkannt wurde und erst spät ins Bewusstsein einer breiteren Kunstöffentlichkeit getreten ist. Neben Schlemmer waren es Künstlerinnen und Künstler wie Otto Meyer-Amden, Hermann Stenner, Willi Baumeister, Johannes Itten, Ida Kerkovius und Lily Hildebrandt, die ihm entscheidende Anregungen zu verdanken hatten. Schlemmers Jahre bei Hölzel – bis 1919 – waren eine Zeit intensiver Auseinandersetzung mit künstlerischen Grundsatzfragen wie auch mit den unterschiedlichsten Positionen der zeitgenössischen Avantgardekunst, und es waren Jahre der Emanzipation vom Lehrer, die zur Herausbildung persönlichster Formvorstellungen und Bildideen führten. So wie es der Besucher des Von der Heydt-Museums von den früheren, von Gerhard Finckh initiierten und gestalteten Ausstellungen kennt, wird in der Wuppertaler Werkschau auch Schlemmer „kontextualisiert“, das heißt, in sein künstlerisch-intellektuelles Beziehungsfeld eingebettet. Dies erfolgt in den ersten Räumen der Ausstellung durch die Gegenüberstellung einiger früher Arbeiten des Künstlers mit Werken von Seurat und Cézanne (den Schlemmer ganz besonders schätzte), Picasso und Braque, Lehmbruck und Archipenko, auch von Baumeister, dem Stuttgarter Studienkollegen und späteren Mitstreiter im „Lacktechnikum“ des Wuppertaler Lackfabrikanten Kurt Herberts.
Einen Höhepunkt der Ausstellung bilden die Gemälde, Grafiken und Plastiken Schlemmers aus den 1920er- und 30er-Jahren. Gemessen am gewaltigen Gesamtumfang des Œuvres des Künstlers handelt es sich dabei um nicht mehr als einen kleinen Ausschnitt, und doch gelingt es der Kuratorin, Schlemmers künstlerische Suche nach einem „allgemeingültigen Typus der Gestalt“ jenseits physiognomischer Besonderheiten, psychischer Befindlichkeiten, 9
Oskar Schlemmer, Abstrakter Kopf, 1923, LWL-Museum für Kunst und Kultur, Westfälisches Landesmuseum, Münster
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Oskar Schlemmer, Abstrakte Figur nach links, 1923, Museum Folkwang, Essen
sozialer Milieus und historischer Gegebenheiten plausibel darzustellen. Schlemmer selbst sprach von einem „zunehmenden Extrahieren von Formen und Farben“, also von einer abstrahierenden Vorgehensweise, die auf eine formelhafte Reduzierung der Figur, oft auf die typische „Violinkontur“ (wie in dem Blatt „Abstrakte Figur nach links“, 1923), und in einer strengen, tektonischen Flächenbindung besteht. Dabei erscheinen die Figuren häufig in Achsenkreuze eingespannt, die ihnen auf der Bildfläche Halt und Festigkeit geben und für den „anthropozentrischen Konstruktivismus“ (Karin von Maur) Oskar Schlemmers charakteristisch sind.
Am Bauhaus in Weimar galt das Interesse des Künstlers als Formmeister der Holz- und Steinbildhauerei anfänglich vor allem der Relief- und Rundplastik. So zeigt die Wuppertaler Ausstellung einen „Abstrakten Kopf“ aus Draht nach einem Entwurf von 1923, der mit seinen Kreisformen konsequent die Sprache der Geometrie spricht. Im Unterschied zu den flächenbetonten Kompositionen aus der zweiten Hälfte der 1910er-Jahre zeichnen sich Schlemmers Gemälde, die ab 1922/23 entstanden, eher durch Räumlichkeit und Körperhaftigkeit aus. Die meist streng statuarisch inszenierten Figuren erscheinen plastisch gerundet und befinden sich in Innenräumen, deren Perspektive nur be11
Oskar Schlemmer, Innenraum mit fünf Figuren, 1928, Kunst Museum Winterthur, Geschenk der Volkart Stiftung 2009
dingt den Regeln der euklidischen Geometrie gehorcht, sodass kein „stimmiges“ Raumkontinuum im Sinne des Systemraumes der Renaissance entsteht, sondern ein „irrealer“ Raum, der an Bilder der italienischen „pittura metafisica“ denken lässt. Besonders eindrucksvoll ist das aus Winterthur nach Wuppertal ausgeliehene Querformat „Innenraum mit fünf Figuren“ von 1928 mit stilisierten stehenden, sitzenden und liegenden Gestalten in Seiten-, Rücken- und Frontalansicht. Dazu Schlemmer: „Meine Themen, die menschliche Gestalt im Raum, ihre Funktion in Ruhe und Bewegung in diesem, das Sitzen, Liegen, Gehen, Stehen, sind ebenso einfach, wie sie allgemein gültig sind. Überdies sind sie unerschöpflich.“ Ein anderes großartiges Gemälde aus dem Bestand des Von der Heydt-Museums ist „Zwölfergruppe mit Interieur“ aus dem Jahr 1930, das von einer metaphysischen Grundstimmung durchzogen ist und im Betrachter eine ganz spezifische Erwartungsspannung erzeugen kann. Typisch für die meisten Gemälde Schlemmers aus den 1920er-Jahren ist ihre Klarheit und Klassizität, die sich bis in den Bildzyklus für den Brunnenraum des Museums Folkwang in Essen (1928 bis 1930) fortsetzt – auch wenn sich in einigen dieser Kompositionen schon der Übergang zur „barocken Phase“ der Breslauer Zeit ankündigt. Dieser 12
sogenannte Folkwang-Zyklus wurde 1934 von den Nazis aus dem Museum entfernt und gilt seither als verschollen. Lediglich historisches Bildmaterial vermag einen Eindruck von Schlemmers Figurenkompositionen zu vermitteln, die sich einst mit Georg Minnes schlanken, knienden Brunnenfiguren von 1905/06 in einem stummen Dialog befanden.
Wuppertaler Arbeitskreis Nachdem 1932 die Breslauer Kunstakademie geschlossen worden war, übernahm Oskar Schlemmer ein Lehramt an den Vereinigten Staatsschulen für Kunst und Kunstgewerbe in Berlin-Charlottenburg, wurde aber schon im Frühjahr 1933 als ehemaliger Bauhäusler von den Nazis fristlos entlassen. Im Jahr 1937 wurden auf der Münchner Femeausstellung „Entartete Kunst“ sechs seiner Werke gezeigt, weitere aus deutschen Museen wurden konfisziert. Schlemmer musste schmerzlich erfahren, dass seine Vorstellung vom „idealen Menschen“ mit dem von den Nationalsozialisten propagierten Menschenbild des germanischen Herrenmenschen beziehungsweise des arischen Superhelden nicht kompatibel war. Hatte er noch kurz nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten einen Protestbrief an Goebbels gerichtet und sich – erfolglos – gegen die Diffamierung der „Modernen [...] als artfremd, undeutsch, unwürdig und
Oskar Schlemmer, Zwölfergruppe mit Interieur, 1930, Von der Heydt-Museum Wuppertal
unnatürlich“ gewandt und betont, dass „die Künstler im Grunde ihres Wesens unpolitisch [sind] und sein müssen, weil ihr Reich von einer anderen Welt ist“, sah er sich bald, da er Berufsverbot erhielt und nicht mehr ausstellen konnte, seiner Existenzgrundlage beraubt und musste zum Broterwerb in einem Stuttgarter Malerbetrieb arbeiten. Eine gewisse Verbesserung der Lage ergab sich für ihn im Jahr 1940 mit der Anstellung in der Wuppertaler Lackfabrik von Kurt Herberts und dem Auftrag, dort die künstlerischen Möglichkeiten des Lacks, eines in der bildenden Kunst des Westens kaum gebräuchlichen Werkstoffs, auszuloten. Damit beginnt der zweite Teil der Ausstellung, der dem Wirken Schlemmers im sogenannten Wuppertaler Arbeitskreis gewidmet ist. Sein Initiator, der promovierte Chemiker Kurt Herberts, war nicht nur ein dynamischer Unternehmer, der in den 1920er- und 30er-Jahren seine Fabrik zu einer der deutschlandweit bedeutendsten Produktionsstätten für moderne Industrielacke gemacht hatte, sondern auch eine hochkultivierte, anthroposophisch gebildete Persönlichkeit mit ausgeprägten kulturellen und künstlerischen Interessen. Er besaß eine hochkarätige Sammlung ostasiatischer Lackkunst, sammelte auch zeitgenössische Kunst und en-
gagierte sich als Mäzen für regionale und überregionale Künstlerinnen und Künstler. Obwohl Herberts-Lacke im „Dritten Reich“ als für die Luftwaffe, die Marine und auch für die Reichsbahn als „kriegswichtig“ galten und Kurt Herberts von den Nazis 1940 sogar zum „Wehrwirtschaftsführer“ ernannt wurde, war er offenbar nie Mitglied der NSDAP und konnte mit beträchtlicher Zivilcourage in seinem Unternehmen sogar Künstler beschäftigen, die vom NS-Regime als „entartet“ abgestempelt worden waren. Als die prominentesten unter ihnen sind Willi Baumeister und Oskar Schlemmer zu nennen – beide in den 1910er-Jahren Hölzel-Schüler und Studienkollegen an der Stuttgarter Akademie. Sie bildeten den Nukleus dessen, was als Wuppertaler Arbeitskreis in die Geschichte eingegangen ist. Dazu gehörten neben den Architekten Franz Krause und Heinz Rasch im erweiterten Sinne auch die ehemaligen Bauhaus-Lehrer George Muche und Gerhard Marcks und andere. In diesen Zusammenhang wird regelmäßig folgende Passage aus einem Brief Schlemmers an seine Frau aus dem Jahr 1940 zitiert, der zwar auf die damalige Situation in Krefeld gemünzt ist (siehe den Beitrag „Das Bauhaus im Westen“ von Rainer K. Wick in der letzten Ausgabe von „die beste Zeit“), aber durchaus auf die Wuppertaler Situation übertragbar ist: „ [...] soviel Bauhaus auf einem Fleck und alles brauchbare Leute.“ 13
Oskar Schlemmer, Feuerschiff im Trockendock, 1941, Von der Heydt-Museum Wuppertal
Kurt Herberts hatte ein leidenschaftliches Interesse nicht nur für die künstlerische und kunsthistorische Seite von Lack als Gestaltungsmittel, sondern für Maltechniken ganz allgemein. Schon 1939 hatte er das Buch „10 000 Jahre Malerei und ihre Werkstoffe“ publiziert, bald gefolgt von weiteren Publikationen zur Werkstoffkunde, die in der „Schriftenreihe Dr. Kurt Herberts“ erschienen und Text- und Bildbeiträge unter anderem von Baumeister und Schlemmer enthielten, die aber wegen der politischen Umstände namentlich nicht genannt werden durften. Beide konnten in den Kriegsjahren – obwohl von den Nazis aus ihren Lehrämtern entfernt und verfemt – in der Firma von Herberts als „Professoren“ unter dem Deckmantel, an „anstrichtechnischen Untersuchungen für die kriegsbedingte Fabrikation“ (Baumeister) mitzuarbeiten, ihrer künstlerischen Tätigkeit nachgehen. In dem am Döppersberg 24 eingerichteten „Institut für Malstoffkunde“, dem sogenannten Lacktechnikum, entstand bis 1942 das umfangreiche Spätwerk des unter dieser Adresse auch wohnhaften Oskar Schlemmer, das zwischen anwendungsbezogenen Auftragsarbeiten, experimenteller Lackkunst und freikünstlerischem Werkschaffen oszillierte. Die Ausstellung im Von der Heydt-Museum dokumentiert dies mit einer 14
Oskar Schlemmer, Ohne Titel (Lackgusstechnik), um 1941, Kunstmuseum
Fülle selten gezeigter Arbeiten, die teils aus dem HerbertsNachlass stammen, teils von Tut Schlemmer, der Witwe des Künstlers, erworben wurden. Zu den typischen Auftragsarbeiten gehört zum Beispiel das Ölgemälde „Feuerschiff im Trockendock“ von 1941, ein Bild, das für einen geplanten Wandkalender der Firma Herberts entstand und in werblicher Absicht auf Spezialbeschichtungen mit Herberts-Lacken aufmerksam machen sollte. Stilistisch ist dieses Gemälde der Neuen Sachlichkeit zuzurechnen, der Schlemmer allerdings grundsätzlich kritisch gegenüberstand. Es zeigt exemplarisch, dass der existenziell von Kurt Herberts abhängige Künstler bei allen Freiheiten, die er in Wuppertal genoss, in ästhetischer Hinsicht durchaus auch Kompromisse eingehen musste. Weitgehend freie Hand hatte er dagegen bei seinen materialästhetischen Experimenten, „die neuen Lacke den künstlerischen Zwecken dienstbar zu machen“, wie er sich ausdrückte. Sprachmächtig wie er war, beschrieb er das „Wesen“ des Lacks wie folgt: „Lack glänzt und fließt, um zuletzt hart wie Stein zu werden. [...] Lassen wir ihn glänzen und fließen, lassen wir ihn Formen bilden und Form
Stuttgart, Dauerleihgabe der Freunde des Kunstmuseums Stuttgart
werden, wozu ihn sein Wesen drängt, wozu ihn das Gesetz des Fließens zwingt! Greifen wir ein, um seinen Lauf zu lenken, so entsteht ein Neues aus Lackgesetz und menschlichem Willen.“ Manche der kleinen, vollkommen gegenstandslosen Versuchstafeln, die dies eindrucksvoll belegen und die im Kontext der seinerzeit von Herberts geplanten, aber erst 1989 realisierten Publikation „Modulation und Patina“ zu sehen sind, scheinen bereits das Informel der 1950er-Jahre vorwegzunehmen. Unrealisiert blieb auch Schlemmers Projekt eines „Lackkabinetts“, gedacht als Demonstrationsraum zur Veranschaulichung der vielfältigen Möglichkeiten moderner Lackkunst. Auf der Grundlage der Originalentwürfe des Künstlers aus dem Jahr 1942 zeigt das Von der Heydt-Museum eine begehbare Rekonstruktion, die vom Düsseldorfer Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen ausgeliehen werden konnte. Schlemmer war nicht nur Maler, Zeichner, Plastiker und engagierter Lehrer, sondern auch passionierter Bühnengestalter. Berühmt wurde er in den 1920er-Jahren mit seinem „Triadischen Ballett“, jahrelang leitete er die BauhausBühne. Für ihn war die Bühne der optimale Realisationsort des für das frühe Bauhaus leitbildhaften Gesamtkunst-
Oskar Schlemmer, Bierdeckelmädchen. Performerin für das Lackballett, 1941
werkgedankens, und sein Streben nach einem idealen Figurentypus in den Bereichen Malerei und Plastik fand auf seiner „Typenbühne“ ihr Pendant in der entindividualisierenden Typisierung durch Maske und Kostüm. Beide waren anfänglich oft grotesk übersteigert und raumplastisch ausgreifend, später trugen die Darsteller meist einfache Trikots, etwa in den drei Primärfarben Gelb, Rot und Blau, die den drei Grundtemperamenten sanguinisch, cholerisch und melancholisch entsprechen sollten. Nach einer umständehalber langen Pause konnte Schlemmer 1941 mit der Aufführung des sogenannten Lackballetts („Reigen in Lack“) in der Wuppertaler „Concordia“-Halle noch einmal, zum letzten Mal, seiner Theaterleidenschaft frönen. Mitarbeiterinnen der Firma Herberts trugen schwarze Kostüme, die unter anderem mit farbig lackierten runden Bierdeckeln, eckigen Pappen und zierlichen Stäben appliziert waren. Vor schwarzem Hintergrund bewegten sie sich als abstrakte Figurinen nach Schlemmers Choreografie und zur Musik Händels auf der Bühne – eine Performance, der in der damaligen, zensierten Tagespresse immerhin ein „eigenartiger Reiz“ zugesprochen wurde. In der Ausstellung erinnern Lichtkästen mit Repros des Lackballetts an dieses ungewöhnliche Ereignis. 15
Oskar Schlemmer, Schwebebahnhof Kluse in Wuppertal-Elberfeld, 1941, Von der Heydt-Museum Wuppertal
Oskar Schlemmer – Komposition und Experiment: Das Wuppertaler Maltechnikum Neben seinen Aktivitäten bei und für Kurt Herberts schuf der Künstler in der ihm verbleibenden freien Zeit eine Reihe eindrucksvoller Wuppertaler Stadtansichten, so etwa die Ölskizze „Schwebebahnhof Kluse“ (1941) mit dem hoch aufragenden Rathausturm im Hintergrund. Und in den Monaten von April bis Juli 1942 entstand die berühmte Serie der sogenannten Fensterbilder. Es handelt sich um Blicke aus seinem Fenster im Haus Döppersberg 24 in die gegenüberliegenden, beleuchteten Wohnungen – strenge Kompositionen mit Personen in Innenräumen, in denen er zu finalen Formulierungen seines zentralen künstlerischen Themas, des Themas „Mensch“, zurückfand und die Karin von Maur als das Vermächtnis dieses bedeutenden, im April 1943 allzu früh verstorbenen Künstlers an die Nachwelt gewürdigt hat. Rainer K. Wick Der Autor war von 1986 bis 2009 Professor für Kunst- und Kulturpädagogik an der Bergischen Universität Wuppertal. Neben anderen Sachgebieten ist einer seiner Forschungs- und Publikationsschwerpunkte das Bauhaus und dessen Umfeld.
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Sonntag, 3. November 2019 bis Sonntag, 23. Februar 2020 Von der Heydt-Museum Turmhof 8, 42103 Wuppertal www.von-der-heydt-museum.de
Zur Ausstellung erscheint ein Katalogbuch mit Beiträgen von Gerda Breuer, Beate Eickhoff, Anna Storm und Rainer K. Wick sowie einem Text aus der Feder von Oskar Schlemmer. Weiterführende Informationen über Kurt Herberts und den Wuppertaler Arbeitskreis finden sich bei Christiane Gibiec: Ein Beweger, ein Impulsator. Der Lackfabrikant Dr. Kurt Herberts (NordPark Verlag, 2010) sowie bei Hermann J. Mahlberg und Hella Nußbaum: Vom Haus Waldfrieden zum Skulpturenpark (Verlag Müller + Busmann, 2012), dort S. 206-320.
Oskar Schlemmer, Fensterbild IX, 1942, Von der Heydt-Museum Wuppertal
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Im Vordergrund: Grit Sensen, Textteppich mit Zitaten aus Saint-Exupérys „Der kleine Prinz“ dahinter: Wil Sensen, Malerische Partituren
Spiel mit dem Wind. Visuelle Poesie
Noch bis Ende November zu sehen: die Fahnen des Künstlerpaares Grit und Wil Sensen am Verkehrskreisel in Radevormwald
Wil Sensen, jahrzehntelang Professor für freie Grafik und künstlerische Druckgrafik an der Bergischen Universität Wuppertal, und seine Ehefrau, die Malerin und Objektkünstlerin Grit Sensen, gaben ihrer Fahneninstallation den Titel „Visuelle Poesie, Partituren von Wil Sensen / Textteppiche von Grit Sensen“. Nach 20 Jahren Leben und Arbeiten im Médoc, nahe Bordeaux, wohnt das Künstlerpaar seit einigen Jahren in Radevormwald. Bereits vor dem Projekt Acht Fahnen in Radevormwald stellten beide künstlerisch gestaltete Fahnen im Park von Château de Talais in Frankreich aus. Dieses Château steht nur einige Kilometer vom Château Malescot Saint-Exupéry/ Margeaux entfernt. Vielleicht kam daher die Idee von Grit Sensen, dem kleinen Prinzen ein künstlerisches Denkmal zu setzen, indem sie auf über 20 Fahnen Textteppiche mit Zitaten aus Saint-Exupérys Buch inszenierte. Dieses Thema wurde von der Künstlerin, in deren Objekten, Bildern und Monotypien sich immer wieder typografische Elemente finden lassen, für Radevormwald erneut aufgegriffen. Allerdings wurde das künstlerische Vokabular modifiziert, indem die vier Textteppiche nun nicht mehr die
Aufgabe haben, eine Botschaft zu transportieren. Es sind vielleicht noch Wortfragmente zu enträtseln, aber die Fahnen leben jetzt von der Form der Buchstaben und der Zwischenräume. Auch Wil Sensen knüpft an sein Thema von Talais an, wo seine Fahnen an die große Serie der Partituren anschlossen, die französischen Komponisten gewidmet waren, von der klassischen Moderne bis heute. Die jetzigen Fahnen sind sehr viel malerischer als die Vorgänger in der französischen Ausstellung, die eher grafisch gestaltet waren. Vor
Der Verkehrskreisel in abendlicher Stimmung, Fotos: Willi Barczat
allem der dort passive Hintergrund ist nun reine Malerei, wobei die Anordnung der „Noten“ wie auch die Wahl der Farben mit den Textteppichen korrespondiert. Die Fahnen im Park in Frankreich waren die ersten Bilder des Künstlerpaars, die sich bewegten – im Wind bewegten. Deshalb steht der Titel der damaligen Ausstellung „Jeu avec le vent“ auch für diese temporäre Installation – „Spiel mit dem Wind“. Rita Rohlfing, „Anscheinend“, Foto: Bernd Freudenberg
2017 startete die Kunstinitiative Radevormwald das Projekt „Acht Fahnen“. Im Rahmen eines integrierten Handlungskonzepts wurde die Innenstadt Radevormwalds in den letzten Jahren erneuert und umgestaltet. Dabei entstand im östlichen Bereich der Stadt ein neuer innerstädtischer Verkehrskreisel, der nun als Stadttor der Gegenwart den östlichen Verkehr zum Marktplatz und in die Innenstadt leitet. Der Verkehrskreisel sollte an dieser exponierten Stelle ursprünglich mit dem leider häufig anzutreffenden Dekor-Kitsch versehen werden, der in vielen Städten inflationär die Eingangstore der Gegenwart überschwemmt. Stattdessen wurden auf Betreiben der Kunstinitiative acht Fahnenmasten rund um den Kreisel installiert, an denen jetzt in halbjährlichem Rhythmus Fahnen zu sehen sind, die von professionellen Künstlerinnen und Künstlern, vorwiegend aus dem konkreten Umfeld, gestaltet werden. Gabriele Evertz, aus „Spektrum+RGB“, Foto: Bernd Freudenberg
Bis zum Stadtbrand von 1802 war die Stadt von einer Stadtmauer umgeben. Zwei größere Stadttore, das Kölner Tor im Westen und das Frankfurter Tor im Osten, verbanden bis zu diesem Zeitpunkt die Stadt mit der Außenwelt. Der neue Kreisverkehrsplatz wurde nicht weit von der Stelle errichtet, an der sich das Frankfurter Tor befand. Nicht nur im Mittelalter, sondern auch in der Neuzeit werden Stadttore gerne mit Fahnen und Bannern geschmückt. Daraus entstand die Idee, den neuen Kreisel mit acht Fahnenstangen zu versehen und Einheimische sowie Besucher der Stadt mit wehenden Kunst-Fahnen zu begrüßen. Entgegen den Erwartungen, dass Fahnen Werbebotschaften transportieren oder repräsentative Symbole und eindeutige Informationen zur Anschauung bringen, setzen die Künstlerfahnen nun ein weithin sichtbares Zeichen im öffentlichen Raum und regen zur genaueren Betrachtung und Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst an. Rita Rohlfing, Künstlerin aus Köln, Gabriele Evertz, Künstlerin aus New York, das Düsseldorfer Künstlerduo deck20
deckkraft, Marc von Criegern und Walter Eul, Foto: Bernd Freudenberg Gerlach Bente, Foto: Gerlach Bente
kraft, bestehend aus Walter Eul und Marc Von Criegern, und die Radevormwalder Gerlach Bente und Grit und Wil Sensen gestalteten jeweils acht Fahnen, die halbjährlich einen neuen interessanten Blick auf diesen Teil der Stadt zulassen und Kunst im gesellschaftlichen Kontext verorten.
Katalog RaumBildRaum, 80 Seiten, durchgehend Farbabbildungen, gebunden, 30,5 x 24,5 cm, Hrsg:
Das Fahnenprojekt wird mit Fahnen der Künstlerin Gabriele Straub und des Künstlers Robert Swain fortgesetzt. Und wieder wird Fahnen Herold in Wuppertal die Fahnen drucken und die Firma Aurich in Radevormwald den Stoff liefern und die Fahnen sponsern.
Die Kunstinitiative Radevormwald Seit 1995 veranstaltet Bernd Freudenberg mit seiner Kunstinitiave Ausstellungen in und um Radevormwald. In 34 Ausstellungen zeigten 57 nationale und internationale Künstlerinnen und Künstler ihre Arbeiten, von denen zwölf Werke für den öffentlichen Raum angekauft wurden und drei Installationen dauerhaft vor Ort bleiben.
Kunstinitiative Radevormwald, 15.- € Der Katalog ist käuflich zu erwerben im Museum für asiatische Kunst in Radevormwald und in der Bergischen Buchhandlung, Radevormwald.
Arbeiten von Heike Weber, Bellevue
Ganz frisch erschienen und von Bernd Freudenberg herausgegeben ist jetzt der hervorragende Katalog RaumBildRaum mit der Darstellung aller Arbeiten im öffentlichen Raum Radevormwalds der Jahre 2015 bis 2019. Mit Arbeiten der Künstler Raimer Jochims, Bilder und Zeichnungen, Achim Zeman, In Motion, Helga Weihs, Lucider Raum, Heike Weber, Bellvue, Ines Hock, Be(e) here, Abraham David Christian, Eisen, und den bereits oben erwähnten sieben Künstlern des „Acht Fahnen“ Projekts.
Gute Aussichten für das nächste Jahr Bernd Freudenberg holt für das kommende Frühjahr die Ausstellung „... und Licht“ nach Radevormwald. Eine Ausstellung der Evangelischen Kirche im Rheinland mit neun Werken von sieben internationalen Künstlerinnen und Künstlern. Veranstaltungsort wird, wie schon oft in der Vergangenheit, die reformierte Kirche am Markt sein. Eröffnung: Samstag, 29. Februar 2019, 19 Uhr Ausstellungsdauer: bis Sonntag, 5. April, 2020 Und weiterhin plant Freudenberg 2020, zum 25-jährigen Bestehen der Kunstinitiative, eine Ausstellung mit Arbeiten des Malers Gotthard Graubner.
Bernd Freudenberg Willi Barczat
Installation von Ines Hock, Be(e) here
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Malte Bruns, What goes around comes around, 2018 Epoxy, Silikon, Polyester, Metall, Polyethylenfaden, PUR, Lack 121 x 64 x 49 cm, Foto: Malte Bruns
73. Bergischer Kunstpreis:
Kunst soll politisch sein Silke SchÜnfeld Preisträgerin des 73. Bergischen Kunstpreises Foto: Tommy Scheer
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Silke Schönfeld, Kommt und guck selber, 2015, Full HD Doppelkanal, 14:40 min, Installationsansicht UdK Berlin, Foto: Tommy Scheer
Soll Kunst politisch sein? Diese Frage ist wahrscheinlich so alt wie die Kunst selbst. Die Jury des 73. Internationalen Bergischen Kunstpreises hat sie mit einem klaren „Ja!“ beantwortet. Unter den 16 Teilnehmern der 73. Ausstellung im Kunstmuseum Solingen hat das Gremium Silke Schönfeld ausgezeichnet – für ihre politisch akzentuierte Videoinstallation „Kommt und guck selber“.
Die Irritation geht hier bereits vom grammatikalisch falschen ((eher: nicht konsistenten))Titel aus und wird durch die Szenerie weiter verstärkt. Das Zweikanal-Video zeigt eine Frau, die ein leeres Klassenzimmer betritt, sich an den Lehrertisch setzt, ein Heft aufschlägt und beginnt, einen handgeschriebenen Aufsatz zu korrigieren. Auf dem linken Bild sieht man das Heft – der Betrachter kann also mitlesen –, auf dem rechten Bild das Gesicht der Lehrerin in Großaufnahme. Wer die Worte mitverfolgt, merkt schnell, dass es sich nicht um einen Schüleraufsatz handelt. Tatsächlich entspricht der Text den Untertiteln eines 23
Barbara Schmidt, Ohne Titel, 2019, Fotogafie, C-Print, Diasec, 80 x 100 cm
Beatrice Richters Herbarium (Teil II) # 05, 2018, Tusche und Graphit auf Papier, gemaltes Oval hinter Plexiglas, Holzrahmen, 103 x 83 x 3 cm, Foto: Beatrice Richter
Propaganda-Videos, die Schönfeld Wort für Wort – Rechtschreib- und Grammatikfehler inklusive – transkribiert hat. In dem Video, auf das sie bei Internetrecherchen gestoßen ist, erzählen zwei Männer über ihre Erfahrungen als IS-Kämpfer in Syrien. Die Propaganda, die mit Gewaltandrohungen gegen die „Feinde des IS“ einhergeht, wird durch die künstlerische Bearbeitung dekontextualisiert. Die Verfremdung nimmt den getroffenen Aussagen jedoch nichts von ihrem Schrecken. Im Gegenteil. Beim Lesen mögen sich nicht wenige Zuschauer von Satz zu Satz unbehaglicher fühlen. Die eigene Gefühlslage spiegelt sich jedoch nicht auf dem Gesicht der Lehrerin wider. Wie sie es gelernt hat, korrigiert sie akribisch den Text, ohne auf den Inhalt zu achten. Ihre Arbeit sei aus dem Gefühl der Ohnmacht entstanden, erklärt die 1988 geborene Künstlerin. Dass Kinder und Jugendliche im Netz auf solche Propaganda stoßen könnten – „dieser Gedanke hat mich wirklich erschüttert“. Die Szenerie ihres Videos verdankt sich der Erfahrung, dass Schule und Lehrkräfte mit Phänomenen wie islamistischem Extremismus und Terrorismus oft überfordert sind. Schönfeld blickt nicht von außen auf dieses Problem. Sie hat Philosophie und Kunst auf Lehramt studiert, bevor sie auf die Kunstakademie Düsseldorf ging und später in Münster Meisterschülerin von Aernout Mik wurde. „Die künstlerische Praxis hat mir immer am meisten Spaß gemacht.“ 24
Die einfache und klare Bildsprache von „Kommt und guck selber“ überzeugte die sechsköpfige Jury des diesjährigen Kunstpreises. Schönfeld, so hieß es in der Jury-Begründung, hinterfrage mit ihrer Arbeit „die reglementierte Routine unseres Systems, das formale Normen über Inhalte stellt“. Dadurch zeige sie, dass schematisches Handeln nicht ausreiche. An seine Stelle müsse kritische Reflektion treten. Bei der Vernissage schloss sich Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach dem Lob an. Auf „bemerkenswerte Weise“ verteidige die 31-jährige die offene, demokratische Gesellschaft. Zugleich forderte er seine Zuhörer auf, selbst politisch aktiv zu werden. „Seien Sie nicht zufrieden mit dem, was ist und wie es ist.“ Laudator Dr. Thomas Lange, Vorstandsvorsitzender der Nationalbank, sah Schönfelds Arbeit in der Tradition der Aufklärung („Sapere aude – wage zu denken!“). Mit Unterstützung seiner sechsjährigen Tochter überreichte er der Künstlerin den mit 5.000 Euro dotierten Preis, der von der Nationalbank gestiftet wird. Gisela Elbracht-Iglhaut, stellvertretende Direktorin des Solinger Kunstmuseums, freute sich über das große Interesse junger Künstlerinnen und Künstler an der 73. Ausstellung. „230 Mappen sind bei uns zur Bewertung eingegangen.“ Am Eröffnungsabend konnte sich Elbracht-Iglhaut
auch persönlich geehrt fühlen. Oberbürgermeister Kurzbach wies nachdrücklich darauf hin, dass sie am 1. Oktober 2019 an die Spitze des Museums aufrückt. Malerei, Skulptur, Installations- und Fotokunst – breit war die Palette der Genres, die die Künstlerinnen und Künstler abdeckten. Die Fotografin Barbara Schmidt erschafft aus Naturmaterialien wie Blüten, Schmetterlingen und Vogeleiern irreal künstliche Welten. Die Pflanzen aus Beatrice Richters „Herbarium (Teil II)“ hingegen sind sorgfältig gemalt und gezeichnet. Dem Titel folgend mag man an getrocknete Blüten in Sammelmappen denken. Malte Bruns konfrontiert den Betrachter mit grell bemalten Abformungen der eigenen Gliedmaßen, die er zu grotesk verrenkten Figuren zusammenstellt. Da werden aus Händen Füße oder gar Köpfe.
Der Luxemburger Émile V. Schlesser sorgte bei den Gästen der Vernissage für eine Mischung aus Schreck und Schmunzeln. Mehrmals knallte seine Konstruktion aus vier Konfetti-Kanonen los und verteilte goldene Streifen im Raum. „Keine Angst, ich will nur spielen“, beruhigte Schlesser die Anwesenden. Daniel Diekhans
Zur Ausstellung im Kunstmuseum Solingen Die 73. Internationale Bergische Kunstausstellung geht noch bis zum 27. Oktober. Den dazu gehörigen Internationalen Bergischen Kunstpreis erhielt Silke Schönfeld bei der Ausstellungseröffnung am 30. August. Kunstmuseum Solingen Wuppertaler Straße 160, 42653 Solingen
Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr Der Eintritt kostet 9 Euro (ermäßigt 4,50 Euro). Schüler zahlen 2 Euro. Eine öffentliche Führung findet jeden Sonntag um 11.15 Uhr statt. Private Führungen nach Absprache. Telefon 0212 - 2 58 14 0. Begleitend zur 73. Internationalen Bergischen Kunstausstellung erscheint ein Katalog. Weitere Informationen unter www.kunstmuseum-solingen.de
Émile V. Schlesser, Canons, 2019, Animation, Foto: Émile V. Schlesser
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Labyrint - Fest der Sinne, Simone Kirsch, Foto: Kris Maisano
Gemischte GefĂźhle
Projektreihe der Kulturwerkstatt Ins Blaue e.V. verbindet bergische KĂźnstler
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Gemischte Gefühle kennen wir alle. Unsere Zeit ist geprägt von starken Widersprüchlichkeiten – im persönlichen Empfinden, in Politik und Gesellschaft. Für das diesjährige Projekt der Remscheider Initiative Kulturwerkstatt Ins Blaue e.V. wurden Künstlerinnen und Künstler eingeladen, sich interdisziplinär in Form von Musik, Theater, bildender Kunst und Performance auf ganz unterschiedliche Weise mit diesen persönlichen, polarisierenden oder gegensätzlichen Gefühlswelten auseinanderzusetzen. Mit dem Ziel der Vernetzung organisiert Ins Blaue seit vier Jahren Projektreihen mit Künstlerinnen und Künstlern, die im Bergischen leben, arbeiten oder sich mit der Region künstlerisch auseinandersetzen. Maßgeblicher Förderer ist die regionale Kulturpolitik. Ein beachtliches Künstlernetzwerk hat sich im Laufe der Jahre entwickelt und damit eine Basis für weitere kulturelle Projekte geschaffen, die weit über die Region ausstrahlen. In diesem Jahr also „Gemischte Gefühle“. Mit den Räumen der Remscheider Initiative Kulturwerkstatt Ins Blaue e.V., der Wuppertaler KunstStation im Bahnhof Vohwinkel und der Galerie Kirschey in den Solinger Güterhallen wurden Kulturorte gefunden, die mit ihrer besonderen Vergangenheit und ausgefallenen Architekur nahezu ideal sind, um Raum für Entwicklung und Präsentation der vielfältigen künstlerischen Beiträge zu bieten.
Labyrint - Fest der Sinne, Holger Teuber, Frohmut Klemm-Altfeld, Godana Karawanke, Foto: Kris Maisano
Die Wuppertaler Künstlerinnen Regina Friedrich-Körner und Zahra Hassanabadi haben sich in FREMDES LAND gewagt - nach Remscheid. Ein amüsanter Gedanke, die bergische Geschichte lässt grüßen … Für die Künstlerinnen war der Titel Anlass, in sehr persönlicher, beeindruckender Weise aufgrund ihrer unterschiedlichen Herkunft der Frage nachzugehen, wie und wo wir auf dieser Welt beheimatet sind. Großmutters persische Stickereien mit persönlichen Nachrichten neben rohen Kartonschnitten, die einen Einsatz anonymer Polizeikräfte darstellen, fein sorgfältig aufgestickte Pistazienschalen neben Porträts aus der eigenen Kindheit, eingereiht in die Galerie rechtsextremer Täter. Beide Künstlerinnen verbindet ein genauer Blick auf gesellschaftliche Verhältnisse und das Einbeziehen eigener biografischer Erfahrungen.
Mit SOMETIMES HAPPY – SOMETIMES SAD machte Frank N aus Wuppertal im April den Anfang der Veranstaltungsreihe. Ort: die Ins Blaue Art Gallery in Remscheid, ein ehemaliges Wohnhaus in der typischen 20er-Jahre-Arbeitersiedlung in Honsberg. Jede einzelne seiner Fotografien erzählte eine eigene Geschichte, und dennoch fügten sich die Arbeiten in den Ausstellungsräumen zu einem neuen großen Ganzen. Klangspuren und Texte unterstrichen das Eintauchen in den erzählerischen Raum.
Zur Halbzeit des Projektes wurde in die grüne Mitte eingeladen, ein Gartengelände, das mitten zwischen den Atelier-, Projekt- und Wohnhäusern der Initiative Ins Blaue liegt. DAS LABYRINTH-Fest der Sinne ließ Künstler und Gäste unter der künstlerischen Leitung von Frohmut Klemm-Altfeld eine gemeinsames sinnlich-fröhliche Feier erleben. Ein Labyrinth im Grünen, mitreißende Percussion, magische Klänge und Texte, Live-Painting – das Publikum wurde im wahrsten Sinne eingesponnen in ein Netz von Fäden, denen man, ähnlich dem roten Ariadnefaden im Labyrinth, folgen konnte.
Parallel dazu war Frank N am 11. April in der KunstStation Bahnhof Vohwinkel mit einer Deutschlandpremiere von LOST IN TRANSIT, ein Essayfilm über die Möglichkeit, eine Depression zu überwinden, vertreten. Nach der Aufführung des englischsprachigen Films hatten die Zuschauer die Gelegenheit, mit der Psychologin Peggy Klick und dem Filmemacher Frank N ihre Eindrücke und Gedanken zu diskutieren.
Judith Funke und Hans-Georg Inhestern schürten mit dem poetischen Titel WER AN WUNDER GLAUBT … Zweifel, der gleichzeitig Hoffnungen wie auch Neugierde wecken kann. Malerische, zeichnerische und skulpturale Ansätze brachten die beiden Künstler aus Solingen und Düsseldorf in der gemeinsamen Ausstellung im September zusammen. Schauplatz wiederum waren die zwei Etagen der Ins Blaue Art Gallery. 27
Wohnzimmerkonzert - Tropica, Foto: Sebastian Haiduk
Zur Solinger Lichternacht am 21. September wanderten die „Gemischten Gefühle“ in die Galerie Kirschey in den Solinger Güterhallen: CROSS COLOUR for future - Kinderrechte und Jugendprotest. Eine Ausstellung mit Foto-Graffiti von Astrid Kirschey und Marko Leckzut, Texten der Autorin Martina Hörle, Protestschildern und Zeichnungen von Kindern und Jugendlichen. Die Ausstellung gab jungen Menschen Raum für ihre Zukunftsvisionen. Zu Gast war der Kinderschutzbund Solingen, Interju Solingen e.V., Aktivistinnen der Fridays for Future Bewegung in Kooperation mit Ins Blaue e.V., Remscheid, und dem Künstler Marko Leckzut aus Wuppertal. Die Ausstellung begleitete Marko Leckzut vor der Galerie mit einer Live-Spray-Performance, die im Dunkeln mit Schwarzlicht-Farben besonders zur Wirkung kam. Rund um den Weltkindertag wurde das Gelände vor der Galerie Kirschey zum Sprayer-Testfeld für Kinder und Jugendliche, die in einem Workshop Graffiti- und Maltechniken mit der Sprühdose erproben konnten. Bis zum Ende des Jahres haben die „Gemischten Gefühle“ noch einiges zu bieten ... Das EGO ARCHIV der Künstlerinnen Michaela Kuhlendahl, Anja Schreiber und Katja Wickert sollte ursprünglich im Mai in der KunstStation Bahnhof Vohwinkel gezeigt werden. Kurzfristig musste umgeplant werden, weil die Bundesbahn ihre Renovierungspläne plötzlich und unüberhörbar in die Tat umsetzte. Jetzt öffnet das EGO ARCHIV in der Ins Blaue Art Gallery in Remscheid seine Pforten. In diesen wohnungsähnlichen Räumen der Galerie rücken die Künstlerinnen das Biografische in den Mittelpunkt der Wahrnehmung und machen dabei deutlich, dass letztlich kein Kriterium besteht, das eine Erinnerung als „wahr“ erscheinen lässt.
Dem EGO ARCHIV folgt WALD UND STURM, eine Ausstellung, die im Laufe des Jahres eine beklemmende Aktualität 28
erhalten hat. Zunehmende Trockenheit, heftige Stürme, vermehrte Anfälligkeit der Bäume für Schädlinge, all das verändert die Wälder auf unübersehbare Weise. In dem Gemeinschaftsprojekt, initiiert von Christine Burlon, setzen sich Markus Bollen, Andréa Bryon, Clara Burgwinkel, Christine Burlon, Christian von Grumbkow, Veronika Moos, Isabel Oestreich, Beatrix Rey, Margret Schopka, Eva Wal und Katja Wickert künstlerisch auf vielschichtige Weise mit den unübersehbaren Auswirkungen des Klimawandels auf unsere Wälder auseinander Das Ministerium für harte Kultur hat sich das Ziel gesetzt, Forschungsräume im Bereich der Kunst und Kultur zu entwickeln und zu vermitteln. Das multimediale Theaterhörspiel DER BESTE MENSCH mit Miriam Bathe, Tim und Tobi Löhde führt das Publikum via Kopfhörer in den Remscheider Galerieräumen in die Welt der Menschenexperimente und lotst sie von einem zum nächsten Versuchsraum, in denen Experimente unterschiedlichster Art am Menschen durchgeführt werden. Gemischte Gefühle werden vor allem junge Menschen sicherlich kennen, wenn sie an die begrenzten Möglichkeiten in der eigenen Stadt denken, sich mit Musik zu beschäftigen, sich auszutauschen, selbst zu produzieren oder sich bei Konzerten zu treffen. Das Kombinat, seit einem Jahr Teil von Ins Blaue, arbeitet in seinem Tonstudio mit regionalen und überregionalen Musikern zusammen. Aus diesen Verbindungen sind u.a. die Wohnzimmerkonzerte entstanden, die den Musikerinnen und Musikern in dem frisch renovierten Veranstaltungsraum in der Halskestraße 26 eine neue Bühne und den Musikfreundinnen und -freunden ein neues Format bescheren. Am 14. September und 30. November ist in diesem Jahr noch Gelegenheit, die tolle Atmosphäre, die voraussichtlich noch durch aktuelle bergische Literatur bereichert wird, zu erleben.
Und dann gab es noch jede Menge reiner Glücksgefühle: In diesem Jahr wurde „Ins Blaue“ am Remscheider Honsberg, diesem besonderen Ort, der so lange ein ungeliebtes Stadtteilkind Remscheids war, als Creative Space NRW ausgezeichnet. Das spornt an und motiviert, den Weg weiterzugehen. Die Initiative, die seit dem Festival Honsberg großArtig 2013 in mehreren Abrisshäusern entstanden ist, hat inzwischen u.a. Festivals, Ausstellungen, Theater und Nachbarschaftsaktionen im Zwischennutzungsmodus, der von der Wohnungsbaugesellschaft GEWAG unterstützt wurde,
Veranstaltungen veranstaltet. Seit Mitte letzten Jahres ist Kulturwerkstatt Ins Blaue e.V. Mieter von acht ursprünglichen Abrisshäusern. In den Ateliers und Veranstaltungsräumen in der Ins Blaue Art Gallery und in dem im Aufbau befindlichen Nachbarschaftswohnzimmer sowie auf den Grünflächen mit Blick auf die vielen Street-Art-Werke – es ist spürbar, dass sich hier ein Ort entwickelt, der viele Möglichkeiten für Kunst, Kultur und ein lebendiges Miteinander bietet. Alle, die sich dafür interessieren, sind herzlich eingeladen, als Mieter von Ateliers und Veranstaltungesräumen, als Akteure bei kulturellen Veranstaltungen und nätürlich als Gäste! Regina Friedrich-Körner / Katja Wickert
Ins Blaue Art Gallery, Siemensstraße 21, 42857 Remscheid Ego Archiv / Ausstellung Sonntag, 6. bis Sonntag, 27. Oktober 2019 Eröffnung: Sonntag, 6. Oktober, 16 Uhr / Prof. Anna Zika Abschluss: 27. Oktober, 16.00 Uhr Lesung: Texte zum Ego Archiv / Bodo Rulf Der beste Mensch / multimediales Theaterhörspiel Freitag, 8. November 2019, 19 Uhr, Sonntag, 10. Nov. 2019, 12, 15 und 18 Uhr, Eintritt: 5€ /8€ Wald und Sturm / Ausstellung Sonntag, 17. November bis Sonntag, 1. Dezember 2019 Eröffnung: Sonntag, 17. November, 16 Uhr
Abbildungsnachweise, Seite 21, von links nach rechts: SOMETIMES HAPPY – SOMETIMES SAD, Frank N, Foto: Katja Wickert Lost in Transit, Frank N, Foto: Katja Wickert CROSS COLOUR II, Foto: Astrid Kirschey
Veranstaltungsraum Halskestraße 26, 42857 Remscheid Wohnzimmerkonzert Samstag, 30. November 2019, ab 19.00 Uhr
Wer an Wunder glaubt... Judith Funke, Hans-Georg Inhestern, Foto: Katja Wickert Fremdes Land, Zahra Hassanabadi, Regina Friedrich-Körner, Foto: Privat Fremdes Land, Zahra Hassanabadi, Foto: Kris Maisano
www.ins-blaue.net, gemeinsam@ins-blaue.net +49 2191 3601754 29
Miró, der Bildhauer Ausstellung im Skulpturenpark Waldfrieden
Joan Miró (1893-1983) gilt als einer der wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Obwohl er mit seinen Gemälden berühmt wurde, die schon bald einen gewissen Kultstatus erlangten, war er zugleich ein außergewöhnlicher, bahnbrechender Bildhauer. Der Skulpturenpark Waldfrieden ist mit seinen weiten Waldlichtungen und großen Sichtachsen ideal für die Präsentation einer großen Bandbreite von Skulpturen geeignet, wie sie Miró zwischen 1972 und 1982 geschaffen hat. In den frühen 1930er-Jahren machte Miró einfache strukturelle Konstruktionen – Arbeiten, die mehr mit Malerei gemein hatten –, und wir mussten fast 20 Jahre warten, bis er sich der eigentlichen Herausforderung der Skulptur wahrhaft stellte. Der Künstler verglich sich oft mit einem Gärtner. Alles, sagte er, brauche seine Zeit zum Wachsen: „Mein formales Vokabular [...] ist mir nicht auf einmal in den Sinn gekommen. Es hat sich gewissermaßen gegen meinen Willen herausgebildet.“ Diese verzögerte organische Entwicklung trifft mit Sicherheit auf seine bildhauerische Sprache zu, die sich erst ernstlich zu entfalten begann, als Miró Anfang 50 war. Der Schwung setzte sich unvermindert bis in seine 70er- und 80er-Jahre fort und führte zu Arbeiten von außerordentlicher Energie und Vorstellungskraft. Als Maler schuf Miró einige der wichtigsten Bilder des 20. Jahrhunderts, die als dauerhafte Ikonen allein seinen Ruf als Meister dieser entscheidenden Epoche aufrechterhalten
würden. Im Jahr 1946 jedoch, fünf Jahre nach seiner ersten Retrospektive im Museum of Modern Art in New York, nahm seine künstlerische Laufbahn eine überraschende Wende, als er seine ersten Skulpturen in Bronze zu modellieren begann. Dies war keine vorübergehende Phase, und seine Begeisterung für das neue Medium hielt an und vertiefte sich bis zum seinem Tod im Jahr 1983. Daraus ergab sich eine ganz eigenständige Werkgruppe von bildhauerischen Arbeiten, die parallel zu seiner Malerei verlief und in späteren Jahren sogar ihr gegenüber den Vorrang genoss. Im Alter von 81 Jahren sagte Miró zu seinem großen Freund Alexander Calder: „Ich bin ein bekannter Maler, aber ein junger Bildhauer.“ Jacques Dupin schrieb, dass „Bildhauerei für Miró ein Abenteuer ganz eigener Art“ sei, „nicht nur eine Erholung von der Malerei“. Miró selbst sagte in einem Gespräch mit Georges Charbonnier im Jahr 1951: „Wenn ich auf dem Land lebe, denke ich nie ans Malen. Im Gegenteil, was mich interessiert, ist die Bildhauerei [...].“ In seinen Arbeitsheften äußerte er den Wunsch: „Meine Skulpturen sollen mit Elementen der Natur verwechselt werden, mit Bäumen, Steinen, Wurzeln, Bergen, Pflanzen, Blumen.“ Waldfrieden ist ein idealer Schauplatz, an dem man Mirós Anliegen, seine Skulpturen im landschaftlichen Kontext aufgehen zu lassen, einer Prüfung unterziehen kann. Es ist ein von dem Künstler Tony Cragg geschaffener Park, der mit seinen harmonisch gestalteten Pavillons und seiner abwechslungsreichen landschaftlichen Kulisse eine dynamische Umgebung bietet, um die Wechselbeziehungen zwischen Skulpturen auszuloten, die im Freien und in Innenräumen ausgestellt werden. 31
Joan Miro, Personnage_1977, (c) VG Bildkunst Bonn 2019, Foto Michael Richter
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Ausstellungsansicht Skulpturenpark Waldfrieden, Joan Miró, August 2019, (c) VG Bildkunst Bonn 2019, Foto: Michael Richter
Miró verschmähte nichts, verwendete ein abgenutztes Stück Seife, Eier, unförmiges Gemüse, kaputte Türen, Kieselsteine, Metallschrott und jede Menge anderer ausrangierter Gegenstände und Materialien, die Inspiration, Medium und Substanz seiner bezwingenden Skulpturen werden sollten. Beispiele solcher in den Jahren von 1972 bis 1982 entstandenen Arbeiten stehen im Blickpunkt dieser Sonderausstellung im Skulpturenpark Waldfrieden. Sein ganzes Leben hindurch blieb Miró ein radikaler und poetischer Denker. Einmal sagte er: „Bildhauerei ist für mich eine Methode, die Malerei zu ermorden.“ Cragg ist genauso wie Miró immer ein radikaler Geist, und die in Waldfrieden eingeführte Philosophie erweitert die transformative Art und Weise, wie wir über Skulpturen denken und wie wir sie wahrnehmen. Die physische, die greifbare und sinnliche Dimension seiner Kunst spielten für Miró immer eine wichtige Rolle, angefangen von der körperlichen Gebärde der Malerei bis hin zum charakteristischen Gespür und Geruch des Materials. Er empfand ein starkes Bedürfnis, in der Landschaft verwurzelt zu sein, was so weit ging, dass er bei seiner Arbeit die Erde unter den Füßen fühlen wollte: Der Duft und der 32
Eindruck der Landschaft und die Traditionen des bäuerlichen Lebens vor allem in Katalonien verliehen ihm Kraft. In einem 1975 geführten Interview verkündete Miró: „Es ist die Erde, die Erde; etwas, das stärker ist als der Tod [...] es ist die Kraft, die mich nährt, die Macht.“ Mirós rigorose Herangehensweise hat diesen Aspekt nie aus dem Auge verloren. Diese Konzentration auf eine sorgfältig ausgewählte Gruppe von Mirós Skulpturen gibt die unmittelbare Beziehung zur Natur zu erkennen, die er durch sein Arrangement von Fundstücken und die Arbeit seiner Hände aufbaute, um mit ihnen aus seinem Material mächtige Formen zu konstruieren, zu modellieren und sich an ihnen plastisch zu schaffen zu machen, bevor er sie in Bronze goss. Dass er außerdem einmalige Gipsabgüsse einbezog, unterstreicht zusätzlich die direkte, sinnliche Herangehensweise, die Miró bei seiner bildhauerischen Arbeit walten ließ. Im Anschluss an eine große und umfangreiche Ausstellung von Skulpturen Joan Mirós 2012 im Yorkshire Sculpture Park wurde eine besondere Beziehung zur Familie und der Successio Miró etabliert. Aus ihr ergab sich die langfristige Leihgabe einer bedeutenden Gruppe von Skulpturen, die vom Geschenk mehrerer Gipsplastiken begleitet wurde.
Joan Miro, Tète, 1974, (c) VG Bildkunst Bonn 2019, Foto: Michael Richter
In Zusammenarbeit mit Tony Cragg und den Mitarbeitern in Waldfrieden und durch die großzügige Unterstützung von Joan Punyet Miró und Lola Fernandez Miró sind wir in der glücklichen Lage, zu dieser Sonderausstellung von Miró, dem Bildhauer, im Skulpturenpark Waldfrieden beizutragen. Peter Murray, Gründer und Geschäftsführer Yorkshire Sculpture Park Ein Projekt des Yorkshire Sculpture Park, organisiert in Zusammenarbeit mit Tony Cragg, der Successio Miró, Joan Punyet Miró und Lola Fernandez Miró Ausstellung Joan Miró Skulpturen 24. August bis 24. November 2019 Öffnungszeiten April bis Oktober: Dienstag bis Sonntag, 11-18 Uhr November bis März: Freitag bis Sonntag, 11-17 Uhr Der Skulpturenpark ist an gesetzlichen Feiertagen geöffnet.
Son Boter, 1968, Foto: Josep Planas Montanyà. Archivo Successió Miró
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„Kunst in Wuppertal – welch ein Reichtum!“ Die Stadtsparkasse Wuppertal feiert „50 Jahre Kunst in der Sparkasse“ und zeigt bis 6. Dezember Arbeiten von Susanne Kessler und Guda Koster.
Die Kunst und das Geld – das ist nun wahrlich ein weites Feld. Vielleicht denkt man als Erstes an die prekäre Lage vieler Künstlerinnen und Künstler, die von ihrer Profession mehr schlecht als recht (oder gar nicht) leben können, oder im Gegenteil an die Stars der Branche, deren Werke zu Fantasiepreisen gehandelt werden. Vielleicht denkt man auch über Kunst als Geldanlage nach und kalkuliert den erwarteten Wertzuwachs. Wenn sich ein Geldinstitut der Kunst widmet, liegt dieses Thema zumindest nahe. Doch Gunther Wölfges, Vorstandsvorsitzender der Stadtsparkasse Wuppertal, winkt ab: „Natürlich beraten wir unsere Kunden auch in diesem Bereich“, sagt er, „was unsere eigene Sammlung angeht, so spielt dieser Aspekt für uns aber keine Rolle.“
mit der Kunst in Büros, Geschäftsstellen und dem Sparkassenumfeld – denn die Sammlung soll nicht im Depot vor sich hindämmern, sondern einen Platz im Alltag von Angestellten und Kunden haben und deren Leben bereichern. „Die Idee ist, dass uns die Kunst im Alltag begegnet. Kunst im Umfeld bewegt die Menschen, spricht sie emotional an. Ein Bild, eine Skulptur tritt in Dialog und bereichert das tägliche Leben in unserem Arbeitsumfeld. Das gilt für unsere Mitarbeitenden wie auch für unsere Kunden. Deswegen halte ich den Kontakt mit Kunst für ungemein wichtig“, betont Gunther Wölfges, der auch privat ein großes Faible für die Kunst hat. Ein Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden über die Kunstpolitik der Sparkasse und ihr Engagement für die Kultur in Wuppertal findet sich ebenfalls in der Chronik, dazu Berichte über Atelierbesuche bei Wuppertaler Künstlerinnen und Künstlern und eine Reihe von vertiefenden Essays.
Die beachtliche, über 3000 Kunstwerke umfassende Sammlung der Stadtsparkasse Wuppertal nämlich speist sich vor allem aus Ankäufen der im eigenen Haus ausgerichteten Ausstellungen. Und die haben eine klare Ausrichtung auf Wuppertaler Künstlerinnen und Künstler oder solche, die zumindest einen engen Bezug zur Stadt haben. Diese Politik pflegt die Stadtsparkasse Wuppertal seit nunmehr einem halben Jahrhundert in ihrer Hauptgeschäftstelle am Islandufer mit vielfältigen, abwechslungsreichen Einzel- und Gruppenausstellungen auf hohem künstlerischen Niveau. Provinziell? Mitnichten.
50 Jahre Kunst in der Sparkasse wird natürlich auch mit einer Ausstellung in der Hauptgeschäftsstelle am Islandufer gefeiert. Nun könnte man erwarten, dass die in der Art einer Überblicksschau Werke aus einem halben Jahrhundert versammeln wird – doch das ist nicht der Fall. Vielmehr präsentiert sie mit Susanne Kessler und Guda Koster zwei spannende, ganz unterschiedlich arbeitende Künstlerinnen – natürlich mit Wuppertalbezug.
50 Jahre Kunst in der Stadtsparkasse feiert das Institut in diesem und im nächsten Jahr (mit leichter Verspätung) gleich mit mehreren großen Aktionen. Unter dem Titel „Kunst in Wuppertal: Welch ein Reichtum!“ erscheint im Oktober eine über 170 Seiten starke Beschreibung der Ausstellungs- und Sammlungstätigkeit der vergangenen 50 Jahre. Sie enthält eine komplette Chronik aller Ausstellungen seit 1968 sowie einen Ausschnitt der Kunstsammlung der Sparkasse „vor Ort“. Gemeint sind Bilder vom Leben
Eine repräsentative Ausstellung auf der Grundlage der von der Sparkasse Wuppertal gesammelten Kunst, mithin die eigentliche „Jubiläumsausstellung“, wird es aber außerdem geben: Sie wird vom 26. April bis Juni 2020 im Von der Heydt-Museum zu sehen sein, ergänzt mit Werken aus dem Bestand des Museums. Dr. Gerhard Finckh, ehemaliger Direktor des Von der Heydt-Museum und seit Mai 2019 im Ruhestand, wird dafür an seinen immer noch vakanten Arbeitsplatz zurückkehren und die Schau kuratieren.
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„Und wieder habe ich etwas unter der Sonne beobachtet“, Gelbes Buch, Paris 1984, 47 Doppels. 45 x 104cm, 94 S., 45 x 52cm, Acrylfarben, Pastell, Foto: Lukas Spoerl
Skizzenbücher, Tagebücher, Kunstobjekte - die „Malbücher“ von Susanne Kessler sind alles in einem. Seit 1982 arbeitet sie an ihrem Projekt der „Lebensbibliothek“. Foto: Lukas Spoerl
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Guda Koster, colorfield, 2017, photoprint, 60x90, Foto: Guda Kosta Lebende Skulpturen: Die Niederländerin Guda Kosta überzieht Objekte, ganze Räume und zuweilen auch sich selbst mit Stoff. Das Ergebnis hält sie per Selbstauslöser in Fotografien fest.
Die 139. Ausstellung in der Stadtsparkasse, die am 9. Oktober 2019 eröffnet wird, zeigt unter dem Titel „Kontinuum“ nun also Arbeiten von Susanne Kessler und von Guda Koster und setzt damit die bisherige Ausstellungspolitik der Stadtsparkasse nahtlos fort. In Wuppertal geboren und international arbeitend: Susanne Kessler ist eine von jenen Künstlerinnen und Künstlern, welche die Kunst in Wuppertal mit der weiten Welt verbinden. Ein Aspekt unter mehreren, den auch Peter Klassen bei der Auswahl im Blick hatte: „Beide bringen den Aspekt mit, über den Tellerrand hinaus zu schauen, gerade weil die Kunst in der Sparkasse sich ja im Wesentlichen auf Künstler und Kunst in dieser Region bezieht. Überall auf der Welt sind ihre viel beachteten Ausstellungen und Projekte zu sehen. Aber es besteht auch eine ständige Verbindung nach Wuppertal“, erklärt Klassen, der seit 2010 verantwortlich für die Kunstausstellungen in der Sparkasse ist. 36
Guda Koster, stormy weather, 2017, photoprint, 90x60, Foto: Guda Kosta
Susanne Kessler, geboren 1955 in Wuppertal, zog es schon früh in die Welt hinaus. Sie studierte an der Hochschule der Künste in Berlin, am Royal College of Art in London, ging mit einem Stipendium nach Paris und war Artist in Residence in New Delhi und weiteren Orten in Indien, in Pakistan, im Iran und in den USA. Seit vielen Jahren lebt und arbeitet sie nunmehr in Berlin und Rom. Die rund 70 Einzel- und Gruppenausstellungen in ihrer Vita weisen Orte in der ganzen Welt auf – aber immer wieder auch Wuppertal. Darunter mehrfach die Galerie Epikur (zuletzt 2009) und 1994 ihre Einzelausstellung unter dem Titel „Man müsste wieder Tempel bauen“ im Von der HeydtMuseum. Wer Ausstellungen von ihr gesehen hat, erinnert sich sicherlich an die fantastischen, ebenso raumgreifenden wie fragilen Installationen, mit denen die Künstlerin international bekannt geworden ist.
Nicht raumgreifend, sondern ganz nach innen gewandt ist dagegen ihr faszinierendes Projekt der „Lebensbibliothek“: Seit 1982 entstehen neben ihren anderen Arbeiten Bücher oder besser Buchobjekte mit Ideen, Skizzen, Zeichnungen, Collagen. Viele enthalten den Kern von Arbeiten, welche die Künstlerin oft erst Jahre später umsetzt. Jede kann aber genauso als künstlerisches Objekt für sich stehen. In einigen Büchern experimentiert Kessler mit Ausdrucksformen, andere sind eine Art künstlerisches Tagebuch, in denen ihr Erleben der örtlichen Umgebung oder tiefgreifender persönlicher Erfahrungen wie der Geburt ihres Sohnes ihren Niederschlag finden. Mit dem „Buch der Liebe“ beginnt 1982 das Lebensprojekt, „Odissea“ ist das vorerst letzte, 2018 bei einem Artist-in-Residence-Aufenthalt auf der Insel Föhr entstanden. Dazwischen liegen 2836 gestaltete Seiten, verborgen zwischen Buchdeckeln, verschlossen und in schützende Lederhüllen eingeschlagen, intim und kostbar. Für die Ausstellung in der Sparkasse erarbeitet Susanne Kessler eine Installation, bei der die Bücher der „Lebensbibliothek“ im Mittelpunkt stehen und erstmals vollständig geöffnet werden. In Form einer digitalen Präsentation wird der gesamte Inhalt der Bücher Seite um Seite für die Betrachtenden sichtbar werden. „Susanne Kessler hat schon lange nicht mehr in der Sparkasse ausgestellt, war aber immer in der Sammlung präsent“, erklärt Peter Klassen. Im Projekt ihrer „Lebensbibliothek“ sieht er eine Verbindung zum Kunstverständnis der Sparkasse: „Das kann man auch über die lange Zeit der Reihe ,Kunst in der Sparkasse’ sagen, dass man sich neben dem ,Kerngeschäft’ mit dem Geld auch noch mit anderen wichtigen Dingen beschäftigt hat, also am gesellschaftlichen
und kulturellen Leben in Wuppertal teilnehmen wollte“, sagt Klassen. Ein Gedanke, der sich auch im Ausstellungstitel „Kontinuum“ ausdrückt. Die nach innen gewandte Installation der Bücher und die schützende und zugleich offenlegende äußere Hülle der Kleidung: „Guda Kosters Arbeit ist für mich der Gegensatz zum versteckten ,Inneren’ von Susanne Kesslers Büchern“, erläutert Klassen, warum seine Wahl für die Ausstellung auf die Niederländerin fiel. „Und sie bringt eine besondere Art von Humor und Leichtigkeit mit in die Kunst, was wir hier in Wuppertal gut gebrauchen können“, ergänzt er. Die Amsterdamerin hat durch gemeinsame Aktionen und Ausstellungen zusammen mit Wuppertaler Künstlerinnen und Künstlern eine enge Beziehung zur Stadt, war auch schon einmal bei der Performancenacht zu Gast in der Sparkasse. Während der u.a. von der Stadtsparkasse geförderten Aktion „moving artbox“, bei der die Wuppertaler Künstlergruppe 6PACK ein Jahr lang eine „Kunstkiste“ auf Reisen schickte und Künstlerinnen und Künstler in ganz Europa einlud, auf die reisende Kiste zu reagieren, beherbergte sie die „Kunstkiste“ in Amsterdam. Guda Koster ist seit mehr als 20 Jahren als Künstlerin tätig, ihre Werke waren unter anderem in den Niederlanden, Deutschland, Österreich und China zu sehen. Ihre Skulpturen sind nicht aus Holz, Stein oder anderen festen Werkstoffen – sie schafft ihre Kunstwerke oft aus menschlichen Körpern: lebendige Skulpturen. Dafür benutzt sie ungewöhnliche Kleidungsstücke, die sie aus vorgefundenen und industriell hergestellten Textilien selbst näht und die mit dem kulissenartigen Hintergrund eine geheimnisvolle Installation ergeben. Wie mit einer zweiten Haut überzieht sie mit Stoffen ganze Räume, bespannt Wände und Objekte und spart auch sich selbst nicht aus. Zuweilen wird auch das Publikum zum Teil einer Installation und wird, festgehalten durch Fotografien, in die Ausstellung integriert. Neben weiteren Arbeiten darf man auf eine solche interaktive Installation auch in Wuppertal gespannt sein. Anne-Kathrin Reif
Ausstellung „Kontinuum“ Stadtsparkasse Wuppertal, Islandufer 15 9. Oktober bis 6. Dezember 2019. Eröffnung: 9. Oktober, 19.30 Uhr. Es spricht Dr. Bettina Paust, Leiterin des Kulturbüros Wuppertal. Musik: Werner Dickel und Alexander Pankov. Am Abend der Eröffnung wird auch die Dokumentation veröffentlicht. 37
Das Labyrinth, Foto: Claudia Scheer van Erp
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Sternstunden für die Wuppertaler Oper „Community-Oper“ und Strawinskys „Oedipus Rex“, neu erzählt
Die erste davon fand am Ende der letzten Saison statt: „Das Labyrinth“, eine Community-Oper. Nur vier Aufführungen, aber alle restlos ausverkauft. Community-Oper heißt Oper mit, von und für Laien mit dem Ziel der kulturellen Teilhabe von möglichst vielen. Die einstündige Oper von Jonathan Dove, 2015 uraufgeführt, ist so komponiert, dass sie Laien die Möglichkeit bietet, als Sängerin oder Sänger beziehungsweise als Instrumentalistin oder Instrumentalist eine Opernaufführung mitzugestalten, dies alles aber auf hohem kompositorischem und musikalischem Niveau. Diese Oper erfordert zuerst einmal jede Menge Sängerinnen und Sänger, in Wuppertal waren es mehr als 270. Zum extra dafür gegründeten „Projektchor Labyrinth“ kamen noch etliche andere Chöre, im Orchestergraben saßen Laien neben Profis, insgesamt ungefähr 400 Menschen. Deshalb nur vier Aufführungen, unmöglich, solche Menschenmengen noch für weitere Termine zusammenzubekommen. Der Startschuss für diese Oper fiel schon vor anderthalb Jahren und wird wohl das Leben des Initiators, Chorleiters und Dirigenten Markus Baisch in dieser Zeit wesentlich bestimmt haben. Welche bewundernswerte Energie muss er aufgebracht haben, die anspruchsvollen Partien vor allem mit Laien über so lange Zeit einzuproben! Eine beeindruckende Leistung, entsprechend wurde er nicht nur für sein hervorragendes Dirigat, sondern auch für seinen gesamten Einsatz gefeiert. Ein weiterer Effekt einer Community-Oper ist, dass die Mitwirkenden Eltern, Verwandte und Bekannte mit ins Opernhaus bringen. Für viele wird dieser Opernbesuch eine Entdeckung gewesen sein und Vorurteile abgebaut haben. Erzählt wird die Geschichte von Theseus, dem griechischen Helden, und dem kretischen Mischwesen Minotaurus. Theseus schließt sich den athenischen Jugendlichen an, die dem Minotaurus zum Fraß vorgeworfen werden sollen, um diesen zu töten und sie so zu retten.
Dies gelingt, und so können alle heil nach Athen zurücksegeln. Die Sage wurde stark gestrafft, aber eine längere Episode eingefügt, in der Theseus’ Mutter ihren Sohn davon abbringen will, zum Minotaurus nach Kreta zu fahren. Das thematisiert den ewig vorhandenen Abnabelungskonflikt zwischen Mutter und Sohn. Die Regie von Marie-Ève Signeyrole aus Aix-en-Provence wurde übernommen und angemessen umgesetzt. Einerseits geschah das mit relativ einfachen Mitteln, andererseits wurden die Massenszenen eindrücklich choreografiert. So wird die aufgepeitschte Stimmung der Athener am Anfang ebenso deutlich wie die Brutalität beim Aussuchen der zu opfernden Kinder. Das Labyrinth besteht aus vielen Körpern, deren Struktur erst durch die Spiegelung auf der hinteren Leinwand erkennbar wird. Der Minotaurus haust im Tiefparterre, deshalb steigt Theseus nach dem Kampf blutverschmiert aus dem Orchestergraben. Auf der Videoleinwand: Flüchtlinge auf dem Meer. Gegen Ende: Porträts der Geretteten und aller Mitwirkenden. Die Musik von Jonathan Dove verwendet Mittel verschiedenster Art, um die Handlungselemente noch mehr zu verstärken. Grundlage vieler Chöre sind durchgängige rhythmische Figuren und Ostinati des viel beschäftigten Schlagzeugs. Gesungen werden oft rufartige, sich wiederholende oder steigernde Motive in erweiterter Tonalität, dazu kommen Entlehnungen aus der Minimal Music. Der Minotaurus selbst wird durch Tuba und tiefes Blech dargestellt, was an den Drachen in Wagners Ring erinnert. Alles in allem eine packende, aufwühlende Komposition. Es ist schon bewundernswert, mit welchem Engagement und Können alle Mitwirkenden die Herausforderungen bewältigen, auch die mitspielenden Profis. Ein großes Erlebnis, langer, intensiver Beifall, viel Freude darüber bei den Mitwirkenden. Für den einen oder die andere vielleicht ein Anlass, sich dem Theater weiter zu nähern. 39
Intendant Berthold Schneider beginnt die Saison ja gerne mit unkonventionellen Paukenschlägen. Die zweite Sternstunde gab es also gleich
am Anfang. Timofey Kulyabin, der schon den „Rigoletto“ plausibel neu erzählt hatte, inszenierte zwei eigentlich selbstständige Stücke von Strawinsky, die er aber durch seine Regie verband und in die Gegenwart holte: Les Noces und Oedipus Rex
Die von Sophokles überlieferte Geschichte wurde bearbeitet, ohne nur ein Wort des Textes und eine Note der Musik zu verändern. Der göttliche Wille, dem Oedipus trotz aller Widerstände unwissentlich bei Sophokles erliegt, existiert nicht. Bei Kulyabin weiß Oedipus alles über sein Schicksal, führt einen Rachefeldzug gegen seine Eltern, die ihn als Säugling ausgesetzt haben. Das erfordert einige grundsätzliche Änderungen. Schauplatz ist nicht Theben, sondern ein Feiersaal mit Brautzimmer einer Art geschlossener Gemeinde, die im ersten Teil die Hochzeit von Oedipus mit seiner Mutter Jokaste feiert. In diesem Saal findet auch die Enttarnung statt, noch am selben Tag. Von Anfang an ist ein Kommissar dabei, der gegen Oedipus’ Machenschaften ermittelt. Der sitzt in einem weiteren kleinen Räumchen, visuell und akustisch verstärkt durch Video und Mikro, und übernimmt im zweiten Teil wortwörtlich den Text von Cocteau und Strawinsky, der im Sinne der Brecht’schen Verfremdung die Ereignisse auf der Bühne vorwegnimmt. In diesem Teil sitzt ihm der schon geblendete Doppelgänger des Oedipus gegenüber. Dies ergibt eine Art Rückblende, die in der Tat an manche Tatort-Auflösungen erinnert. Die Rache des Oedipus wird von Anfang an sehr plausibel dargestellt. Im ersten Teil, „Les Noces“, beleidigt er Hochzeitsgäste, verstößt gegen die überkommenen und von der Gemeinde praktizierten Hochzeitsriten, vergiftet den Wein, was dann eine Seuche auslöst (Bei Sophokles ist das die von den Göttern ausgelöste Pest). Im zweiten Teil, „Oedipus Rex“, verhindert er aus gutem Grund die Aufklärung, will selber den Mörder finden, lenkt den Verdacht permanent auf andere, schürt Konflikte. Schon im Originaltext erhebt er sich über alle anderen, bezeichnet sich als ruhmreich und hochberühmt, sodass der Verdacht, mit ihm könnte etwas nicht stimmen, nicht ganz abwegig ist. Plausibel, gut nachvollziehbar und sehr lebendig wird das gesamte Drama inszeniert. Die Solistinnen und Solisten des „Oedipus Rex“ (Oedipus, Jokaste, Kreon, Teiresias) spielen auch schon in „Les Noces“ wichtige Rollen, sind auch als Darsteller sehr gefragt. Alle sind äußerst motiviert dabei. 40
Das gilt für die beiden Gastsolisten, den grandiosen Tenor Mirko Roschkowski als Oedipus und die sehr ausdrucksstarke Almuth Herbst als Jokaste, das bewährte solistische Personal des Opernhauses und natürlich für den Chor, im zweiten Teil als verstärkter Männerchor, im ersten Teil komplett als singende und spielende Hochzeitsgesellschaft. Brillant auch die musikalische Umsetzung (dafür verantwortlich: der Wuppertaler Dirigent Johannes Pell) mit zwei vollkommen verschiedenen Instrumentierungen. Bei „Les Noces“ vier Klaviere und Schlagzeug (die spielen schon, wenn das Publikum hereinströmt). Strawinsky lässt
Oedipus Rex, Foto: Bjoern Hickmann
sich anregen von uralten russischen Hochzeitsliedern, verarbeitet sie aber modern, montageartig, fetzig, rhythmisch äußerst variabel. Das korrespondiert mit dem Gegensatz in der Gemeinde: Gekaufte russische Folkloristen müssen singen und tanzen, uralte, offenbar überlebte Riten werden vollführt, aber in moderner Kleidung. Auch im zweiten Teil - volles Orchester im Graben, aber meist kammermusikalisch eingesetzt - ist eine gewisse Doppelbödigkeit spürbar. Die Musik (Strawinsky ist in seiner neoklassischen Periode) verwendet Modelle und Techniken barocker und klassischer Musik, die aber immer wieder verändert, mit Disso-
nanzen versehen und modernisiert werden. Dies scheint ganz gut zu passen zu den nicht immer ganz durchschaubaren Intentionen der Personen auf der Bühne. Der Schluss ist überraschend, zeigt, dass Oedipus mit seinem Rachefeldzug doch ziemlich danebengelegen hat. Viel Beifall für Timofey Kulyabins Neuerzählung und für alle Mitwirkenden. Fritz Gerwinn Weitere Aufführungen: 29.September, 19. Oktober, 8. November 2019 41
Über die Wupper, direkt in die Hölle Die israelische Regisseurin Dedi Baron inszeniert Else Lasker-Schülers schwieriges Altersstück „IchundIch“ als theatrale Installation. Eine Rezension
Dreimal reist Else Lasker-Schüler während ihres Schweizer Exils nach Jerusalem. Während ihrer dritten Palästinareise bricht der II. Weltkrieg aus; die Schweiz verweigert ihr die Einreise. Sie ist 70 und sitzt fest in jener Stadt, die sie während ihrer ersten beiden Reisen aus ihrem Zürcher Exil noch als „Gottes verschleierte Braut“ und als „Sternwarte des Jenseits“ verklärt hatte. Doch in Jerusalem prallen ihre poetischen Projektionen auf die politische Wirklichkeit. 1939 ist Palästina ein Land im Aufruhr, das zum Spielball geopolitischer Überlegungen der USA und Englands geworden ist.
Biographie, ein Spiel Dort, in der Heiligen Stadt, verfasst Else Lasker-Schüler ihr letztes Stück. Ahnend, dass dies ihre letzte Lebensstation sein wird, begibt sie sich in IchundIch auf die Suche nach ihrer verlorenen, ihrer gespaltenen Identität: Elberfeld und Berlin. Zürich und Jerusalem. Dichtung und Wahrheit. Als deutsch-jüdische Dichterin trägt sie das Erbe zweier unterschiedlicher und einander widerstreitender Kulturen in sich. So ist es also eine schöne Idee der Wuppertaler Bühnen, anlässlich des Jubiläumsjahres der Dichterin mit Dedi Baron eine israelische Regisseurin Else Lasker-Schülers letztes, in Jerusalem verfasstes Stück als deutsch-israelische Koproduktion inszenieren zu lassen. Und ein starkes (kultur-)politisches Ausrufezeichen! In IchundIch reflektiert die Dichterin ihr Dasein nicht nur in den zugleich so fernen wie nahen Gestalten der orientalischen Welt, sondern vor allem in dem vermeintlich prototypischen deutschen Paar schlechthin: in Mephisto und Faust, die sie als seelenverwandte Spiegelfiguren versteht. Ort der Handlung ist Jerusalem, dort der Davidturm, den die Palästinenser den Höllengrund nennen. IchundIch ist eine moderne Höllenfahrt in die Abgründe des individuellen und kollektiven Unterbewussten, auch in das der Dichterin selbst. Das Stück durchmisst die politische und zeitgeschichtliche Welt der Autorin ebenso wie ihre innere 42
Welt. Es ist – psychologisch gesehen – der Versuch der Restitution einer dissoziativen Persönlichkeit mit den Mitteln der Poesie. Sie reflektiert im Spiegelkabinett des Personals von IchundIch ihre eigenen Persönlichkeitsanteile, um sich am Ende mit ihrer inneren Diversität zu versöhnen. Durch das wiederum Entfalten Des IchundIch Komm ich geklärt und pfingstgeläutert ich zu mir! Es ist daher kein Zufall, dass sie den Titel ihres letzten Stücks nicht getrennt, sondern gebunden geschrieben hat: ein Hinweis auf ihr literarischen Gestaltungsprinzip, das stets auf die Versöhnung der religiösen und biographischen Gegensätze hin angelegt war. Ein poetisches Spiel, in dem etwas von der tiefen mystischen Erkenntnis der alten Griechen mitschwingt: „ – Alles ist eins.“ Die Einsicht in die Einheit alles Seins und in die Einheit der Gegensätze. Neben der Dichterin selbst sowie den Faust-Figuren gehören aber auch die „Anführer der Nacis“ zum Personal: Goebbels, Göring und von Schirach, später Ribbentrop, Heß und Hitler. Daneben treten andere Randfiguren auf wie der Fruchtbarkeitsgott Baal, ein Theaterarzt und eine sprechende Vogelscheuche als Todesfiguration, ferner die Ritz-Brothers, drei amerikanische Komiker. Und Max Reinhardt, der von ihr bewunderte Regie-Großmeister der Weimarer Republik.
Sympathie mit dem Teufel Der erste Akt exponiert die folgende Handlung als inneres Geschehen der Dichterin. Faust und Mephisto betrachten im 2. Akt vom Olymp des Höllengrunds aus [sic!] schachspielend das Weltgeschehen und verfolgen das Weltgeschehen. Im dritten Akt bandelt Marte Schwertlein mit Goebbels an, der bereits das Höllenterrain erkundet, um die Machtübernahme in der Hölle vorzubereiten. Er, Schirach, Heß und Göring wollen
IchundIch, Julia Wolff
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mit dem Teufel selbst dealen, brauchen Petroleum, um den Krieg weiter führen zu können. Im vierten Akt brechen die Nazis in die Hölle ein, fest überzeugt vom Endsieg über Mephisto. Doch mit einem „Heil Hitler!“ lässt Mephisto sie in Lavamassen versinken. Kurz zuvor hatte Faust sie noch vor dem Untergang warnen wollen. Faust betrauert den Untergang der Nazis. Hinter diesem Plot steckt eine tiefe Einsicht: Fausts Sympathie mit dem Teufel, hier mit den Nazis, enthüllt die Verführbarkeit des Intellektuellen durch die Macht. Nahezu alle Philosophie-Professoren und weite der Teile der deutschen Intelligenz waren nach der Machtübernahme Hitlers der NSDAP beigetreten. Der Ekel Mephistos vor den Nazis hingegen zeigt das, was Hannah Arendt in Bezug auf die Wirkmächtigkeit der nationalsozialistischen Ideologie die „Banalität des Bösen“ genannt hat. Mephisto, der aus Enttäuschung über die Schöpfung und den Menschen zum klarsichtigen Zyniker geworden ist, will seine eigene Hölle nicht diesen von ihren Machtphantasien besoffenen Spießern überlassen. Else Lasker-Schüler setzt transpersonal und intertextuell Figuren der Literatur- und Zeitgeschichte zueinander in Beziehung und inszeniert ein Spiel, das die Grenzen von Raum und Zeit sprengt. Zu wirr fanden selbst Freunde und unmittelbare Wegbegleiter Else Lasker-Schülers das Stück, als sie ihnen in Jerusalem daraus vorlas. Sie war ihrer Zeit weit voraus, hatte Formen des Absurden und Postdramatischen Theaters vorweggenommen. In manchen Passagen schwingt sich der Sprachduktus zu den olympischen Höhen Goethes auf, um unmittelbar danach ins vermeintlich Triviale abzugleiten. Erst aus heutiger Sicht erschließt sich die erstaunliche Modernität des Stücks. Aber anders als bei ihren früheren Dramen hatte die Dichterin in altersbedingter Weltabgewandtheit und nur der Logik ihrer inneren Bilder folgend, sich kaum Gedanken über die Umsetzbarkeit des Stücks auf der Bühne gemacht. Und so muten die Regieanweisungen Else Lasker-Schülers, die sich selbst einmal „Kinoniterin“ genannt hat, fast filmisch an.
Wüste Landschaft Das Stück galt daher lange als unspielbar. Vor der Wuppertaler Inszenierung im Rahmen der Veranstaltungsreihe Meinwärts wurde das Stück bisher nur zweimal inszeniert: 1979 in Düsseldorf mit dem Versuch einer möglichst werktreuen Inszenierung und kurze Zeit später in Wuppertal als eine Art Zirkus-Pantomime. 44
Ganz anders nähert sich die israelische Regisseurin Dedi Baron IchundIch. Sie inszeniert das Stück als eine theatrale Installation. Dankenswerterweise hat sie die für den mit dem Drama nicht vertrauten Theatergänger kryptisch anmutende Textgestalt auf seine wesentlichen Motive und Handlungsstränge zurückgeführt. Das ist ein sehr freier Umgang mit der Vorlage, aber vielleicht der einzig (heute) mögliche. Die Regieanweisungen spricht Thomas Braus zu Beginn jedes Aktes wie ein Epischer Erzähler. Ohnehin hat dieses letzte Stück von Else Lasker-Schüler - trotz seiner zum Teil überbordenden Phantastik, trotz seiner Surrealität und trotz seiner metaphysischen Dimensionen – einige frappierende Gemeinsamkeiten mit Brechts Epischem Theater: die Auflösung der Einheit von Raum und Zeit, die lose Folge von Bildern, in denen sich das Stück trotz seiner Einteilung in Akte fügt. Und am Ende gilt hier wie dort: der Vorhang zu und alle Fragen offen. Sand ist in Form eines weiten Arenarunds in einer Industriehalle zu einer Wüstenlandschaft gehäuft, zweihundert Soldatenstiefel, bis zum Rand mit Blut getränkt, bilden einen Kreis um diese Höllenlandschaft. Dieses ebenso archaische wie klare (Bühnen-)Bild, das Kirsten Dephof gestaltet hat, ist atemberaubend und brennt sich mit Betreten der Halle sofort in das Bewusstsein des Zuschauers. Es prägt die düstere, dystopische und beklemmende Atmosphäre der Inszenierung. Julia Wolff als Else Lasker-Schüler, zart und zerbrechlich wirkend wie man sich die Dichterin in ihrem Jerusalemer Exil vorstellen mag, umkreist die Szene, schaut sich distanziert, fast staunend ihr eigenes Werk an, als sei es ihr eigenes Leben. Wie in einer antiken Arena rollt das Höllenspektakel vor den Augen der Dichterin und der Zuschauer ab. Um die wüste Landschaft herum sind Monitore im Kreis installiert, auf denen Filme aus den 1920er und 1930er Jahren zu sehen sind: Menschen, die im Takt der Maschinen die immer gleichen Bewegungen vollziehen oder bei Sportinszenierungen zum Ornament der Masse werden. Bereits hier wird der Verlust der Identität durch die politischen, gesellschaftlichen und vor allem wirtschaftlichen Bedingungen thematisch präludiert und zeitgeschichtlich kontextualisiert. Das folgende Spiel ist nichts weniger als der Versuch der Wiedergewinnung der eigenen Identität unter den persönlichkeitsauflösenden Bedingungen der Zeit.
IchundIch, Thomas Braus, Julia Wolff, Pascal Merighi, Kenji Takagi, Konstantin Rickert
Höllenpanorama Das Ensemble – bestehend aus Mitgliedern des Sprechtheaters (Thomas Braus, Julia Reznik, Konstantin Rickert und Julia Wolff) und Tänzern aus dem Umfeld des Pina Bausch-Tanzensembles (Léonor Clary, Douglas, Pascal Merighi und Kenji Takagi) tanzt, spielt, grölt sich durch das Stück: Léonor Clary etwa, die in der Rolle der Marte Schwertlein, angetrieben von der Erotik der Macht, um Goebbels buhlt. Artistisch wirbelt und kugelt sie sich durch die Luft, fällt vor ihm hin, ein perpetuierendes Bild, das in seiner scheinbar sinnlosen Wiederholung eine Allegorie ist auf eine absurd leerlaufende Sexualität ohne Liebe. Das ist komisch und tragisch zugleich, und etwas Besseres kann man über kaum Theater sagen. Der entfesselte Machthunger der Nazis wird in seiner stupenden Lächerlichkeit enthüllt, wenn sich die Ensemblemitglieder in der Rolle der Nazis Pappkrönchen einer Burger-Kette aufsetzen. Besoffen von Machthunger und Alkohol tappen und heulen sie durch die Sandlandschaft, die so wüst ist wie selbst. Blut schwappt über und tränkt den Sand, wenn später die Spieler Soldatenstiefel anziehen.
Immer wieder kreiert das sehr homogen und konsistent agierende Ensemble solch intensive und groteske Bilder. Dann am Ende des 5. Aktes, die Nazis sind gerade in den Lavamassen untergegangen, findet die Inszenierung einen tief bewegenden Moment der Ruhe: Die Spielenden platzieren sich am Rand, stehen still. Sand rinnt aus der Höhe über sie wie aus einer Dusche. Das erinnert an die Vergasung mit Zyklon B in den KZs. Oder ist es ein Bild der Katharsis? Auch das ist starkes, großes Theater. Schade, dass danach Ensemble-Mitglieder ihre ganz eigene Deutung der Hölle per Videobotschaft sagen (mussten). Da wäre man als Besucher lieber mit seinen eigenen Gedanken allein. Dass in Zeiten des Staatsterrors die Hölle sowohl die anderen sein können (Sartre), aber diese auch in einem selbst verortet ist, hatte man zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon verstanden. Zu gewollt auch in seiner bemühten Symbolik ist die Sequenz, in der das Ensemble mit einem Totenkopf American Football spielt: Es hätte des tödlichen Touchdowns in der Wüste nicht bedurft, um zu verstehen, dass das Spiel mit dem Tod höllischer Natur ist. 45
IchundIch, Léonor Clary, Pascal Merighi, Thomas Braus, Kenji Takagi, Konstantin Rickert, Julia Reznik, Julia Wolff
Trotz dieser wenigen fragwürdigen Bilder ist die Wuppertaler Inszenierung eine sehr beeindruckende Umsetzung des schwierigen Stoffs. Im Jubiläumsjahr der Dichterin ist IchundIch die mit Abstand aufwändigste Produktion des Wuppertaler Theaters. Es ist, als habe das Theater einem Pokerspieler gleich bei dieser Produktion „All in“ gesetzt – und dabei einen imponierenden Coup gelandet. Die Inszenierung setzt auf die Kraft der Bilder und nutzt dabei die kulturellen Potentiale der Stadt, die künstlerische Handschrift Pina Bauschs ist in dieser zwischen Schauspiel und Tanz changierenden Aufführung jederzeit spürbar. Die Bilder der menschlichen Hölle, die Else Lasker-Schüler in Sprache gesetzt hat, wird in Körper-Sprache „übersetzt“: Dabei entstehen surreal-komische, bizarre, gewaltige und gewalttätige Sequenzen von erschreckender und verstörender Schönheit: Chiffren für die Hölle als Ausfluss der dunklen Triebkräfte des Menschen. Es ist, als hätte Dedi Baron mit den Mitteln des Tanzes und des Schauspiels Hieronymus Boschs finstere Höllenpanoramen in unsere Zeit übertragen. Am Ende schließt sich der Höllenkreis. Im sechsten Akt tritt die Dichterin aus der umkreisten Peripherie in die Mitte des Arenarunds, begegnet der Vogelscheuche, man sieht ihr Auge auf den Monitoren zittern, das Augenlicht erlischt: ein intimer Moment, der das Inferno, das man zuvor sah, mit einem Menschen aus Fleisch und Blut in Verbindung bringt. Da war Else Lasker-Schüler plötzlich wieder zurück in Elberfeld: meinwärts.
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Die Existenz der Hölle bleibt unantastbar Dedi Baron hat das Stück nicht nur durch die Form der Inszenierung, sondern auch inhaltlich in die Gegenwart geholt. Der aufhaltsame Aufstieg populistischer Politiker und Parteien in den USA und Europa bieten ihr die Blaupause dafür. Studenten der Universität Tel Aviv, an der die Regisseurin unterrichtet, und der UdK Berlin deklamieren via Megaphon einen Brief an die Dichterin, in der sie den Antisemitismus der neuen Rechtsextremen kritisieren. Dass Theater klare Kante in diesen Zeiten zeigen muss, in denen die AfD und andere Rechtsextreme die Freiheit der Kunst mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln attackiert, steht außer Frage. Aber es geht auch viel subtiler. Der 4. Akt wird durch einen von Thomas Braus geschriebenen und verlesenen Nachrichtentext ersetzt: Mephistos Geheimverhandlungen mit den Nazis werden mit unserer Zeit der quälend langen Koalitionsverhandlungen in Analogie gesetzt, die erdrutschartigen Erfolge rechtsextremer Parteien als Folge tektonischer Verschiebungen in der gegenwärtigen politischen Kultur gedeutet. Ob sich Vergangenheit und Gegenwart so kurzschließen lassen, mag man diskutieren. Urkomisch, tief ironisch und sprachartistisch ist es allemal, sodass man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll. Der letzte Satz dieses Nachrichtentextes Berichts immerhin enthält eine beruhigende Botschaft: „Die Existenz der Hölle bleibt unantastbar, wenn nicht in der Welt, dann im Theater.“ Teuflisch daran ist, dass dieser Satz vergiftet ist, denn er könnte auch lauten: „Die Existenz der Hölle bleibt unantastbar, wenn nicht im Theater, dann in der Welt.“ Heiner Bontrup Fotos: Uwe Schinkel
Petrichor
… ist die Bezeichnung des Geruchs, der von Regentropfen auf tro-
ckenem Boden hervorgerufen wird. Petros steht im Griechischen für Stein und ichor für das Blut der Götter. In Wuppertal kennt man den Duft schon viel länger als den Begriff. In der besten Zeit ist Petrichor eine Kolumne von MC
Wo es nichts
zu lachen
Graeff.
gab …
Es fing schon in den Höhlen an: Seit der Mensch sich selbst, die Mitmenschen und das einst noch übersichtliche gemeinsame Treiben als außerordentlich wahrzunehmen begann, amüsierte ihn dies zugleich, und er begann, es zu zeichnen, zu überhöhen und zu verhohnepipeln. Kulturgeschichtlich verbrieft ist die Karikatur dann erst in den antiken Kulturwelten, als Schul- und Latrinenkritzelei, auf Papyri, Vasen und Wänden, oft noch als reines Porträt, doch bald auch mit sozialem und politischem Hintergrund, manchmal nur komisch, doch zuweilen auch bissig, propagandistisch und gesellschaftlich vernichtend. Und natürlich als Wort, als verdrehte, persiflierte Nachempfindung von Gesagtem, das sich einen bleibenden Wert zugeschrieben hatte. Wenn man sich nun die tatsächliche Rolle des heutigen Wuppertals als Keimzelle von nahezu allem, was unsere Welt gegenwärtig an den Rand ihrer Existenz zu treiben vermag, vor Augen führt, so müsste unsere metropolare Narbe im Bergischen Land als globale Megacity im Karikaturenkosmos gelten. Nun, in gewisser Weise erfüllt sie diesen Ruf, zumindest seit es das Monatsheft iTALien gibt, um das uns alle Großstädte des Landes zu Recht beneiden. Davor sah die Lage etwas anders aus, denn für ein herzhaftes und wirkungsvolles Lachen über sich selbst war man im pietistischen Finstertal nur selten bereit. Bekannt sind Gesellschaftsbilder finster zerknautschter und verbitterter Typen und Gestalten aus dem protestantischen Gemeindeleben des 19. Jahrhunderts und ein paar humoristische Zerrbilder von den Fortschritten der Industrialisierung, ein subversives Begleiten der Zukunftsvisionen, der öffentlichen Geschwindigkeiten und der Mechanisierung des Alltags. Johann Richard Seel (1819–1875), ein Elberfelder Maler und Zeichner, junger Gefährte von Friedrich Engels, zeichnete u.a. 1842 eine bekannte Version des „deutschen Michels“ als personifizierte Torheit und Verkehrtheit der Nation. Ansonsten ist die Karikatur als Teil der Stadtgeschichte erstaunlich rar geblieben. Unter den hiesigen Autorinnen und Autoren – von denen übrigens der bekannte Cartoonist POLO (André Poloczek) in den 90er-Jahren eine wundervolle Porträtreihe gefertigt hat – erwischte es Else Lasker-Schüler wohl am heftigsten.
Einerseits liebte sie es ja, sich mit meisterlich lockerer Feder selbst zu überzeichnen, und auch von anderen Künstlern wie John Höxter ließ sie sich gerne zugespitzt porträtieren. Andererseits stand der expressive Aufbruch der literarischen Revolution ab etwa 1910 natürlich im Fokus des bürgerlichen Spotts. Satirezeitschriften wie der Simplicissimus und Kladderadatsch hatten Hochkonjunktur, und allerorten erschienen Parodien und Persiflagen auf die Blüten der Avantgarde, in ganzer Spannbreite zwischen Schmähgedicht und satirischer Anerkennung. Ausgerechnet ein Freund ihres Sohnes Paul, der junge Buchhändler Reinhold Stahl, veröffentlichte 1921 in der Weltbühne eine fiktive Begegnung zwischen ihr und der damals erfolgreichsten Liebesroman-Autorin Hedwig Courths-Mahler. Die Geschichte ist bekannt: Sie empörte sich öffentlich, woraufhin der Schriftsteller Ludwig Thoma eine übelst antisemitische Hetzrede über sie goss. Der Fall ist ein Lehrstück über das Feld zwischen den Anhöhen der Karikatur, Parodie und Persiflage und den Sümpfen des Hasses und der Verunglimpfung. Ganz anders agierte Hans Heinrich von Twardowski, der im Band „Der rasende Pegasus“ die Autorinnen und Autoren des Expressionismus aufs Korn nahm: Er nannte unsere Else „eine heilige Schlemihlie im brennenden Dornbusch. Die Spielgefährtin des lieben Gottes. Das Kind der Flamme Jeroscholajim, dessen liebstes Spielzeug Menschen oder gläserne Murmeln oder die Abendsterne sind.“ Er dichtete sie nach: „Immer träuft / gelber Honig von meinem Mund. / Ich muß so bunterlei an dich denken. / Mein Blut ist ein froh Zuckerbrunnen, / da baden die Kinder drin. / Willst du nicht auch / einen Bezugsschein haben? / Sage!“ – Das mag böse klingen, ist jedoch keine Vernichtung, sondern Reflexion, eine normale Stufe des Prozesses, mit dem die bürgerliche Kultur das Neue verdaut. Man nahm sich etwas heraus, mal albern, mal klärend, doch mit Respekt. Ein Sammelband mit Karikaturen in Bild und Text über das besonders auch in der Gegenwart an Motiven so reiche Wuppertal und ihre Töchter und Söhne fehlt; es wäre der denkbar beste Geschichtsband und Stadtführer für unser außerordentliches Zukunftslabor. Wie gut, dass diese Lücke zumindest für das Jubeljahr 2020 geschlossen wird: POLO ist Herausgeber des Bandes Engels Gesichter, der im Spätherbst im Fachverlag Edition 52 erscheint. Eine famose Reihe der besten Cartoonistinnen und Cartoonisten und Satireautorinnen und -autoren des Landes beschäftigt sich erhellend, schonungslos und doch respektvoll mit Friedrich Engels. – Das ideale Weihnachtsgeschenk, schon kurz vor dem Engels-Jahr! Bestellen Sie vor, in jeder Buchhandlung oder beim Verlag! 47
Kulturtipps für Kinder und Jugendliche
Klamotten selbst gestalten
Klamotten selbst gestalten, Foto: Daniela Raimund
Kulturrucksack Kreative Freizeit für Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis 14 Jahren. In den kostengünstigen Ferienworkshops kannst du eine Woche lang kreativ sein, bei Kultur vor Ort kostenlos bei Projekten in Jugendzentren mitmachen.
Du kannst mitgestalten! Angeleitet wirst du dabei von Wuppertaler Künstlerinnen und Künstlern. Uns ist wichtig, dass du mitbestimmen und deine kreativen Ideen umsetzen kannst – und dass wir eine gute Zeit zusammen haben! Anmeldungen über www.wuppertal-live.de und in den VVK-Stellen. Genaue Informationen über www.kulturrucksack-wuppertal.de
Theater: Geschieht uns recht?! Fühlst du dich manchmal ungerecht behandelt? Siehst du Ungerechtigkeiten auf der Welt? Kannst du etwas daran ändern? Zu diesen Fragen wollen wir Szenen erfinden und spielen. Wir suchen nach gerechten und ungerechten Texten: Gedichte, Geschichten, Gesetze ... Daraus entsteht eine szenische Collage. Mo. bis Fr., 14.-18. Oktober 2019, 10 bis 15 Uhr, die börse, Wolkenburg 100, 42119 Wuppertal Anmeldung über www.wuppertal-live.de und in den VVK-Stellen Leitung: Esther Reubold und Annegret Calaminus Kosten: Workshop inkl. Mittagessen 25 €, erm. 12,50 € 48
Werde zum Modedesigner und gestalte deine eigene Klamotte! Dieses Jahr geht es um Herbstmode. Experimentiere mit Stoffen und Farben und erlerne erste Grundtechniken in Textildruck und Schneiderei. Was auch immer dir in den Sinn kommt – wir helfen dir, deine Ideen umzusetzen. Mo. bis Fr., 14.-18. Oktober 2019, 10 bis 15 Uhr Treffpunkt erster Tag: Liebesgruß Sattlerstr. 54/ Ecke Marienstr., 42105 Wuppertal Anmeldung über www.wuppertal-live.de und in den VVK-Stellen Leitung: Navina Binkenborn und Anne Jonas Ulbrich Kosten: Workshop inkl. Mittagessen 25 €, erm. 12,50 €
Smartphone-Musik Smartphones sind nur für Social Media da? Nicht ganz ... Wir nutzen unsere Smartphones als Instrumente und Sampler, vertonen Graphic Novels, spielen Chart-Hits nach, bauen Tracks aus eurem Lieblingsspiel oder komponieren etwas ganz eigenes Neues. Am Ende der Woche führen wir das Ganze auf. Mo. bis Fr., 14.-18. Oktober 2019, 10 bis 15 Uhr HdJ Barmen, Geschwister-Scholl-Platz 4-6, 42275 Wuppertal Anmeldungen über www.wuppertal-live.de und in den VVK-Stellen. Leitung: Andre Scollick und N.N. Kosten: Workshop inkl. Mittagessen 25 €, erm. 12,50 €
Kultur vor Ort Wuppertal – gestern, heute und morgen Wuppertal wird 90 Jahre alt und zu diesem Anlass machen wir witzige „Stopmotion-Filme“. Mithilfe einer App auf dem Smartphone oder Tablet animieren wir Filme aus Fotos. Dabei ist alles möglich: fotografieren, collagieren, zeichnen oder großflächig malen. Deinen Filmen sind kaum Grenzen gesetzt! 9. und 10. November; 16. und 17. November; 23. und 24. November, Präsentation: 30.11.2019 jeweils Sa. und So., 10 bis 16 Uhr Spielplatzhaus Schönebeck, Ulmenstr. 1,42283 Wuppertal Anmeldung: Ute Stricker, ute.stricker@stadt.wuppertal.de, 0202/ 563 6618 Leitung: Martin Domagala, Kosten: kostenlos
Die Börse
LCB | Haus der Jugend Barmen
Wolkenburg 100, 42119 Wuppertal
Geschwister-Scholl-Platz 4-6, 42275 Wuppertal Karten an allen bekannten Vorverkaufsstellen, im Haus der Jugend Barmen oder im Internet unter www.hdj-online.de
Mittwoch, 17. Oktober 2019, 20 Uhr
4 Future: Klimakino: Power to the Children Filmvorführung & Diskussion, Regie: Anna Kersting Kinder in Indien nehmen ihr Leben in die eigenen Hände. Sie sind nicht länger bereit, soziale Missstände und Umweltverschmutzung zu ertragen und gründen ein Kinderparlament. Mittwoch, 6. November 2019, 19.30 UHR
Sonntag, 6. Oktober, 11 Uhr Montag, 7. Oktober, für Kindergärten Schnipselkino mit
Ein Geburtstagsfest für Lieselotte für Familien mit Kindern ab vier Jahren
4 Future: Wie kann die Energiewende naturverträglich gelingen?
Vortrag: Sascha Samadi, Wuppertal Institut Nicht zuletzt durch den Ausbau der erneuerbaren Energien ist in den letzten Jahren deutlich geworden, dass es teilweise einen Spannungskonflikt zwischen Klimaschutz und den verschiedenen Belangen des Naturschutzes geben kann. Der Vortrag stellt acht verschiedene Klimaschutzstrategien dar - darunter Suffizienz, Effizienz und ein stärkerer Fokus auf Fotovoltaik gegenüber Windenergie -, die im Falle einer angemessenen Umsetzung zu einer Vereinbarkeit von Klimaschutz und Naturschutz führen können.
Mittwoch, 20. November 2019, 19.30 UHR
4 Future: Wirtschaft ohne Wachstumsstreben: Chaos oder Chance? Vortrag: Liesbeth Bakker IDEAL-Werk Wuppertal Wie ist der Wachstumsgedanke entstanden und warum ist er so fest in unserem Wirtschaftssystem verankert? Wie könnte eine neue Ökonomie aussehen, die heutigen und zukünftigen Generationen und dem Schutz von Klima und Natur gerecht wird? Smartphone-Musik, Foto: Anne Kuhn
Igel Ignatz und das Weihnachtswunder-Wupp
Sonntag, 3. November, 11 Uhr
Igel Ignatz und das WeihnachtswunderWupp. Wo geht es hier denn zum Weihnachtsmann? von Dirk Hennig für Familien mit Kindern ab vier Jahren Sonntag, 10. November, von 11 bis 16.30 Uhr
Von Zauberwesen
Märchenerzähler und Puppenspielerinnen, Musikanten und Hexen nehmen dich mit in die verwunschenen Welten der Zauberwesen. Schminken, verkleiden, basteln und Theaterspielen, zuhören und staunen. Dieses Mal gibt es sogar einen MärchenEscape-Room für die Großen ab sechs Jahren. Bei der Abschlussrunde um 16 Uhr gibt es die Zauberflöte, erzählt und gespielt. Für Essen und Trinken sorgen wieder die Hexenküchen und Zauberschänken, und am Ende gibt es die Feuershow. 49
Färberei Peter-Hansen-Platz 1, 42275 Wuppertal-Oberbarmen Sonntag, 24. November 2019, 19.30 Uhr
Der alte König in seinem Exil Nach der gleichnamigen autobiografischen Erzählung von Arno Geiger. Eine szenische Lesung. Regie: Lars Emrich, ab 16 Jahre
Müllers Marionettentheater Neuenteich 80, 42107 Wuppertal www.muellersmarionettentheater.de 3., 5., 12., 13. Oktober, 16 Uhr
Der Froschkönig
Theatermärchen nach den Gebrüdern Grimm von Günther Weißenborn mit der Musik von Johann Strauß, ab drei Jahren 16., 19., 20., 23., 24., 26. Oktober, 1. und 3. November, 16 Uhr „Von ObenDrüber und UntenDrunter“ Glück Auf!
Fortsetzung: LCB | Haus der Jugend Barmen
Dienstag, 12. November, 11 Uhr Kindertheater für Grundschulen (3./4. Klasse) Spezielles Thema – Spezielles Theater
„Von ObenDrüber und UntenDrunter“ Glück Auf! HalloDu Theater/Theater Wilde Hummel Eine Theaterreise in die Geschichte des Bergbaus im Ruhrgebiet. Ausgesuchtes Stück vom NRW-Kultursekretariat als Kindertheater des Monats.
Sonntag, 8. Dezember, 15 Uhr
Miss Fairytale: Weihnachten auf Birkenlund für Familien mit Kindern ab drei Jahren
Wuppertaler Kinder- und Jugendtheater Theater im Berufskolleg, Bundesallee 222, 42103 Wuppertal Samstag, 9. November 2019, 18 Uhr Alice im Wunderland Premiere Eine Inszenierung nach Lewis Carroll für die ganze Familie. Das Unmögliche gelingt einem nur, wenn man es für möglich hält. Regie: Lars Emrich, ab sechs Jahren 50
Eine kleine Hexe
Theatermärchen von Günther Weißenborn mit der Musik von Felix Mendelssohn-Bartholdy, ab vier Jahren 9., 10., 13., 17., 23., 24. November, 16 Uhr
Der kleine Schneemann
Theatermärchen von Günther Weißenborn mit der Musik von Peter Tschaikowsk nach H. C. Andersen, ab drei Jahren 27., 28., 29. November, 10.30 Uhr, 30. November, 16 Uhr, zahlreiche Dezembertermine
Das Dschungelbuch
Theaterstück von Günther Weißenborn mit der Musik von Uwe Rössler nach R. Kipling, ab vier Jahren Das Dschungelbuch, Foto: Eduard Straub
Buchvorstellung: Dickes Fell oder der Cronenberger Fall „In den Sommerferien haben sich Tim und Sonny zu einem Theaterkurs in Cronenberg angemeldet. Ist die Hitze schuld, dass sich rund um das Theater merkwürdige Vorfälle häufen? Tims Schauspiellehrer Zarius behauptet, dass die Vorfälle mit einem Fluch zu tun haben. Tim glaubt die Spukgeschichten nicht. Er fragt sich, wie hat Zarius’ Wohnwagen dann Feuer gefangen? Wurde nachgeholfen? Er und seine Freunde haben Kommissar Hansen allerdings nach der Lösung des letzten Falles versprechen müssen, dass sie keine Nachforschungen mehr auf eigene Faust anstellen. Das wird nicht leicht für sie! Denn abgesehen von ihren Gewissensbissen bringen die sich überschlagenden Ereignisse die jungen Detektive auch diesmal in Bedrängnis.“
Die Junior Uni Wuppertal, Foto: Uwe Schinkel
Junior Uni Wuppertal Am Brögel 31, 42283 Wuppertal
Forscherplattform Bergisches Land Kursprogramm, auch mit eigener Sparte
Kunst und Kultur
www.junioruni-wuppertal.de
Kulturelle Jugendbildung Informationen über das vielseitige Ferienprogramm und Anmeldungen über www.jugend-kult.de oder 0202 563-2645 1. Herbstferienwoche:
Wir wissen, was wir können – Kinder drehen einen Film
Dickes Fell erscheint als drittes Buch einer Wuppertaler Krimi-Reihe der Autorin Chris Hartmann im Verlag Edition Köndgen, in dem bereits die Romane „Langer Atem“ und „Stille Wasser“ veröffentlicht wurden. Nach den Tatorten Beyenburg und Ölberg in den vorherigen Krimis stellt in „Dickes Fell“ nun das Theater in Cronenberg den Schauplatz des Verbrechens dar.
Chris Hartmann hat an der Bergischen Universität Kommunikationsdesign studiert. Sie arbeitete für Werbeagenturen, Verlage, bei einer Zeitung sowie beim Fernsehen und lebt in Wuppertal. Chris Hartmann
Dickes Fell oder der Cronenberger Fall 14,8 x 21 cm, 192 S., gebundene Ausgabe, ab zehn Jahren ISBN 978-3-948217-11-2 / 18,95 € Auch in Kürze als eBook erhältlich: ISBN 978-3-948217-50-1 / 7,99 Euro
Hip-Hop-Workshop Selbstbehauptung und Selbstverteidigung für Mädchen Tanz- und Bewegungswerkstatt 2. Herbstferienwoche:
Wir wissen, was wir können – Kunstvolles Gestalten Kreative Reise in die Steinzeit, Schmuck aus der Steinzeit, Theater und Improvisation 51
Das Bilderbuchmuseum Troisdorf
Ein Ausstellungsraum im Hochpaterre
Trink einen Eimer Wasser, danach mach ‘nen Knicks. Überraschendes und Urkomisches im Bilderbuchmuseum Troisdorf Wir fahren den für eine Burg standesgemäßen langen, von Bäumen gesäumten Weg entlang und parken kurz vor dem Eingangsportal der Burganlage. Einen seltsamen Kontrast zum 1741 errichteten Portal bildet eine Elektro-Ladestation für Fahrräder, die links vom Portal zu finden ist. Wir sind zwar nicht mit dem Rad unterwegs, aber unseren PKW treibt ein CNG-Gasantrieb an. Mit einigermaßen gutem ökologischen Gewissen treten wir durchs Tor. Auf der Südseite kann man das 1840 erbaute Herrenhaus der Burg Wissem erkennen, in dem das Museum für Bilderbuchkunst und Jugendbuchillustration untergebracht ist. Auf der Ostseite ist ein langer Bruchsteintrakt zu erkennen, der Westflügel beheimatet das Portal zur Wahner Heide mit der Ausstellung „Natur erzählt Geschichte(n)“. Wir gehen ins Bilderbuchmuseum. Das Gründungsjahr des Museums ist 1982. Ausgangspunkt waren zwei Dinge, die sich aufeinander zubewegten. Es gibt einen Sammler in der Stadt, den Troisdorfer Fabrikanten Wilhelm Alsleben, der Bilderbuch-Originale, Zeichnungen, Druckstöcke und auch Bücher sammelte und sich im fortgeschrittenen Alter die Frage stellte: Was passiert nach meinem Ableben mit meinen Schätzen? Auf der anderen Seite wollte die Stadt Troisdorf ein Museum einrichten. 52
Man dachte an ein Heimatmuseum, verwarf die Idee, weil Troisdorf keine lange Geschichte hat und nur durch die Industrialisierung entstanden ist. Man dachte an ein Kunstmuseum, war sich aber der Konkurrenz zu den Museen in Düsseldorf, Köln und auch Bonn mit der Bundeskunsthalle und dem städtischen Kunstmuseum bewusst. Und so kam es schließlich zu einem Novum in Deutschland, zu der Einrichtung eines Bilderbuchmuseums. Wir treffen Bernhard Schmitz, zuständig für die Sammlungen des Museums. „Angefangen hat es mit einer privaten Sammlung, die sich im Laufe der Zeit noch erheblich erweitert hat. Wir haben heute eine recht große Sammlung von Originalillustrationen, es sind um die 20000 Blätter und ca. 35000 Bücher in den Archiven.“ Im Bilderbuchbereich wird nur mit Wechselausstellungen gearbeitet, was mit einer gewissen Empfindlichkeit der Zeichnungen zu tun hat. Die Künstlerinnen und Künstler arbeiten sehr viel mit Aquarellfarben, die nur in einem begrenzten Zeitraum dem Licht ausgesetzt werden können.
Ein Bilderbuch ist nicht automatisch auch ein Kinderbuch. „Wir haben sowieso sehr stark die Tendenz, Altersgrenzen aufzuweichen“, so erklärt es uns Herr Schmitz. „Mein Lieblingsbeispiel ist das Werk
‚Entenhausen’ von Carl Barx. Die Ausgabe bei Ehapa, 30 Leinenbände für 1600 Euro, war bereits ausverkauft, bevor sie ausgeliefert wurde. Das ist kein Kinderbuch mehr. Oder: Harry Potter. Der älteste Harry-Potter-Leser, den ich kennenlernen durfte, war um die 90 Jahre alt. Bilderbücher mit einem Preis von über 30 Euro sind meist keine Kinderbücher. Wolf Erlbruchs ‚Ente, Tod und Tulpe’, erschienen bei Kunstmann. Auch kein Kinderbuch. Oder ‚Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat’, sehr beliebt als Geschenk zu jedem Anlass; ein Geschenk vor allem von Erwachsenen an Erwachsene.“ Dann fügt er noch hinzu: „Wir arbeiten auch regelmäßig im Bereich Künstlerbuch. Wir hatten eine Reihe von Ausstellungen: Baselitz mit seinen Künstlerbüchern, grafische Tagebücher, Thomas Virnich zum Beispiel mit seinen Riesenformaten.“ Der Troisdorfer Bilderbuchpreis will das ästhetische, das interessante, das qualitativ gute Bilderbuch fördern. Dotiert ist er mit 5000 Euro, wobei 3000 Euro an die Gewinnerin oder den Gewinner gehen und sich Zweit- und Drittplatzierte den Rest teilen. Es gibt höher dotierte Preise, aber immerhin ist der Troisdorfer Bilderbuchpreis einer der ältesten. Der Künstler kann zu jedem veröffentlichten Buch zwei Originale einreichen. Eingereicht werden
die Bilderbücher in der Regel von den Verlagen, manche Künstler bewerben sich aber auch selbst. Preisträgerin im Jahr 2019 ist die in Wuppertal lebende Illustratorin Christiane Pieper mit ihrem Bilderbuch „HICK!“, einer Geschichte über den Schluckauf. Christiane Pieper, 1962 in der Nähe von Wuppertal geboren, hat das Buch beim Verlag TaraBOOKS für den indischen Markt herausgegeben, was man an den Motiven erkennen kann: Monsunregen, Mangofrüchte, Kühe und Elefanten bevölkern ihre Bilder, zu denen Anushka Ravishankar die Texte geschrieben hat. „Drück dir Senf in die Nase und tu, als macht’s dir nix“ oder „Trink einen Eimer Wasser, danach mach ‘nen Knicks“ sind zwei der Rezepte gegen den Schluckauf. Dieses urkomische Bilderbuch vereint absurde Texte mit humorvoller Kunst. Gedruckt in Indien mit einem neuen umweltfreundlichen Soya-Druckverfahren, der Risografie.
Erste Preisträgerin Christiane Pieper, Illustrationen zum Buch HICK!, Verlag TaraBOOKS
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Illustration von Ulrike Möltgen für das Buch „O. Henry, Das Geschenk der Weisen“, Insel-Bücherei Nr. 1453
Der zweite Preis geht an Susanne Straßer und ihr Buch „Der Wal nimmt ein Bad“, Peter Hammer Verlag, Wuppertal. 1976 in Erding geboren, lässt sie in ihrem Pappbilderbuch einen Wal in der Badewanne liegen, zu dem sich nacheinander eine Schildkröte, ein Biber, ein Pelikan, ein Eisbär und ein Junge mit Schiff gesellen. Anfangs damit einverstanden, wird es dem Wal schließlich zu bunt. Der dritte Preis schließlich geht an Ulrike Möltgen und das Buch „Das Geschenk der Weisen“, Insel-Bücherei Nr. 1453. Ulrike Möltgen, 1973 in Wuppertal geboren, illustriert eine Geschichte von William Sydney Porter, der sich das Pseudonym O. Henry zugelegt hat. In der Geschichte verkauft die Protagonistin ihre wunderschönen blonden Haare, um ihrem Geliebten ein Weihnachtsgeschenk zu machen. Eine schöne Geschichte, auch für Erwachsene. Das Bilderbuchmuseum Troisdorf vergibt außerdem einen Förderpreis, einen Preis für noch nicht veröffentlichte Werke. Er geht in diesem Jahr an Claudia Schramke und ihr Buch „Der Hund“. Claudia Schramke, 1985 in Berlin geboren, illustriert hier eine Geschichte der Schweizerin Brigitte Schär. Es geht um ein Baby/Kleinkind/Kind und dessen Beziehung zu einem Hund. Der Hund ist eine Metapher für das Animalische, das uns allen innewohnt und durch die Erziehung zurückgedrängt wird, bis wir es vergessen. Doch ein Wort, eine Assoziation kann reichen, dieses animalische Element wieder zum Leben zu erwecken. Der Preis der Kinderjury, vergeben von Troisdorfer Grundschulen, geht in diesem Jahr an Lev Kaplans „Eisbjörn“. Der 1967 in der Ukraine geborene Kaplan erzählt die Beziehung einer Maus zu einem Leuchtturmwärter, die darin gipfelt, dass eines Tages die Maus den Wärter vertreten muss. Sehr liebevoll gezeichnet, geht diese Geschichte ans Herz. In der unteren Etage des Museums hängen alle eingereichten Arbeiten dicht an dicht, Blätter, gerahmt in Passepartouts und Holzrahmen. Die dazu gehörenden gedruckten Bilderbücher stehen zu Füßen der Originalzeichnungen auf dem Boden, an die Wand gelehnt. Hier gibt es noch viel zu sehen, und neben den ausgezeichneten Arbeiten, noch einige lobende Erwähnungen, zum Beispiel Katrin Stangl’s „Schwimmt Brot in Milch“. Über die alte Eichentreppe erreichen wir die erste Etage mit den Sonderausstellungen. Hier sind momentan Werke der LABOR-Ateliergemeinschaft, einem Zusammenschluss von acht freiberuflichen Illustratorinnen, Illustratoren, 54
Grafikdesignerinnen, Grafikdesignern, Autorinnen und Autoren aus Frankfurt am Main, zu sehen. Das LABOR wurde vor 20 Jahren gegründet, und die Mitglieder haben sich mit der Ausstellung selbst ihr schönstes Geburtstagsgeschenk gemacht. Betritt man die Räumlichkeiten, so empfängt einen geballte Kreativität voller zeichnerischem Humor und Wortwitz. „Alle Kinder stehen am Abgrund. Außer Peter – der geht noch’n Meter“ oder „Today I’d like to sit and read, forget I have a Job I need, ignor the things I have to do and just enjoy a book or two“. Zudem werden solch elementare Fragen gestellt wie: „Wie sieht eigentlich ein Pups aus?“ Das erste gemeinsame Objekt der Künstlergruppe war das „Kinder Künstler Kritzelbuch“. In der Ausstellung wird diesem anregenden Werk ein ganzer Raum gewidmet, in dem ganz viele Schwarz-Weiß-Skizzen darauf warten, von den Besucherinnen und Besuchern ergänzt zu werden, zum Beispiel so: „Trag Lippenstift auf und küss uns!“
Ein weiteres Projekt: „Ich so du so – Alles super normal“, wodurch Kinder über unterschiedlichste Lebensformen informiert und zur gegenseitigen Toleranz ermutigt werden. Außerdem: eine Seite in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit dem Titel „Jugend schreibt“. Hier schreiben Schüler Artikel, die von den Laborantinnen und Laboranten illustriert werden. Die zweite Etage ist den Sammlungen vorbehalten. Die Wände stehen voll mit Bücherregalen, vom Boden bis zur Decke – Bücher, wohin man blickt. In der Mitte des Raumes stehen halbhohe Regale und auf ihnen Bilderbücher, mit der Titelseite nach vorne. Gerade, als ich mich frage, wie man sich in dieser Fülle orientiert, fällt mir ein Buch in die Hände, das mir Freunde vor kurzem zum Geburtstag geschenkt haben. „Bäume“, ein großformatiges Werk von Piotr Socha und Wojciech Grajkowski, in dem man alles, aber auch wirklich alles über die größten Lebewesen der Erde findet, in Text und Bild. Ein überaus gelungener Beitrag zu der gerade wiedererwachten Liebe zum Wald. In einem weiteren Raum steht in der Mitte auf einer großen Glasvitrine das Modell einer dreimastigen Bark. In der Glasvitrine liegen aufgeschlagene Bücher. An den Wänden reihen sich Regale mit Glastüren, alle gut gefüllt mit Bänden. In diesem Raum ist die Sammlung Reinhard Stach mit ca. 1000 Bänden untergebracht. Abenteuerliteratur „Sindbad der Seefahrer“ von 1920 steht da, „Robinson Crusoe“ von Daniel Defoe aus dem Jahr 1959 und noch gefühlt 20 weitere Ausgaben von dem einsamen Inselbewohner aus den unterschiedlichsten Erscheinungsjahren. Weitere Räume und Sammlungen folgen: Sammlung Professor Axel Hinrich Murken, die alle wesentlichen Kinderbücher zur Heilkunde, Hygiene und Gesunheitsvorsorge von der Biedermeierzeit bis heute beherbergt. Die Sammlung umfasst ca. 4000 Werke. Im Jahre 1995 gab Prof. Dr. Theodor Brüggemann seine Sammlung historischer Kinderbücher in die Obhut des Museums. Die Sammlung umfasst rund 2000 illustrierte Bilder- und Kinderbücher aus der Zeit von 1498 bis zum 2. Weltkrieg. Helmut Steidler Fotos: Willi Barczat
Räume mit den Sammlungen. Ein Dreimaster umgeben von Abenteuerliteratur Aufforderung an die Kinder mitzumachen
Ein Janosch-Zimmer lädt zum Spielen und Chillen ein, Fotos: Willi Barczat
Ausflugstipp der Redaktion: Besuch der Ausstellung (noch bis So., 10. November 2019)
Wir gratulieren – 20 Jahre LABOR-Ateliergemeinschaft
Burg Wissem – Bilderbuchmuseum der Stadt Troisdorf Burgallee 1, 53840 Troisdorf www.burgwissem.de 55
Uwe Schneidewind, links, und Berthold Schneider, rechts, bei dem Gespräch im Opernhaus, Alle Fotos: Ralf Silberkuhl
Wechselwirkung auf hoher See
Ein Gespräch mit dem Opernintendanten Berthold Schneider und dem Präsidenten vom Wuppertal Institut Uwe Schneidewind über ihren Ämtertausch
Wuppertal ist eine eigenwillige Stadt. Sie gilt als ungeschminkt, als langgezogene, seltsame Aktionistenstadt, die für denkwürdige Experimente steht. Vor einem halben Jahr
US: Der Geist der Stadt und wie man sich mit den eigenen Institutionen in die Stadt einbringt, ist etwas, was uns beide umtreibt.
ist etwas Ungewöhnliches passiert: der Ämtertausch des Opernintendanten und des Präsidenten vom Wuppertal Instituts unter dem Motto Wechsel/Wirkung. Die beiden Männer haben drei Wochen lang ihre Rollen getauscht. Die Idee entstand spontan im Herbst 2018 im Opernfoyer bei der Präsentation von Uwe Schneidewinds Buch „Die große Transformation“ (vgl. DbZ 1/19) über den Begriff der „Zukunftskunst“.
Wie muss man sich das vorstellen? US: Wir haben Institutionen übernommen, die ein relativ klassisches Rollenverständnis haben. Das Wuppertal Institut ist ein großer Globaler Thinktank, der hier durch Zufall wie ein Ufo gelandet ist. Und Oper funktioniert erst mal ein ganzes Stück kontextfrei im Ursprungsverständnis. Wir beide sind mit einem vollkommen anderen Anspruch an unsere Institution herangegangen. Berthold hat ganz gezielt das Gespräch mit Schlüsselakteuren aus der Stadt gesucht. Bei uns hat sich sofort eine Seelenverwandtschaft eingestellt.
Gab es Vorüberlegungen für so ein Wagnis? BS: Die Einladung zum Ämtertausch war ein situativer Gedanke. Solche Ideen kommen einem jedoch nicht, wenn man nie über Kontexte nachdenkt. Man muss ein Gedankenfeld haben, in dem so etwas rotieren kann, und dann schließen sich die Synapsen unerwartet. Bei der Buchpräsentation kam es zu einem performativen Aufschlag vonseiten der Oper. Das Panel war toll besetzt, und die Qualität der Diskussion, die Energie im Raum waren so hoch, dass man nicht rausgehen wollte mit: Das war nett, und wir machen weiter wie immer. Es lag irgendwie in der Luft.
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Wie ging es nach der Ankündigung des Bürotauschs weiter? BS: Es begann mit einer Reflexionsphase. US: Es fühlte sich weiter richtig an und ging dann um konkrete Fragen der Umsetzung. BS: Welche Ziele können wir klar benennen, was lassen wir offen und was ist der Kern des Projekts? Wenn wir das nicht formuliert bekommen, dann wird das eine Veranstaltung sein, die vielleicht ein bisschen Öffentlichkeitswert hat, sehr viel Energie kostet und unseren Institutionen einiges zumutet, aber das Potenzial nicht ausschöpft.
War das Experiment eine Zumutung? BS: Das war eindeutig eine Grenzüberschreitung: Was formale Abläufe angeht, unsere Vertragssituation, die Entscheidungsfindung im Theater. Normalerweise machen wir das nicht, uns da hinsetzen und sagen: Wir machen jetzt alles mal ganz anders. Sie wurden von dem Performer Daniel Hörnemann und dem Philosophen Christian Grüny begleitet. Wie sah das aus? BS: Es gab regelmäßige Treffen mit beiden, auch um die praktischen Dinge zu berücksichtigen; rausfinden, wie es geht. Die haben uns alles gespiegelt und konkrete Handlungsvorschläge gemacht. US: Die beiden haben entschieden dazu beigetragen, dass wir den Kern herauskristallisieren konnten. Uns wurde klar, das Ganze hat eine Wirkung auf einer individuellen, organisatorischen und gesellschaftlichen Ebene. Welche Form des Anders- und Neudenkens braucht es in Zeiten des Umbruchs? Das war unser Kompass. Haben Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingebunden? BS: Bei uns im Haus gab es Gespräche, in denen wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter informiert und die Möglichkeit zum Feedback gegeben haben. Das war extrem gut und wichtig, denn da ging eine Menge Druck raus. Dann hatten wir ein großes Treffen mit beiden Institutionen und haben alle Mitarbeitenden eingeladen. Wie sahen Arbeitszeiten und tägliche Praxis aus? US: Mein Arbeitstag in der Oper hat sich stark in die Abende verschoben. In der ersten Woche liefen Proben. Es war faszinierend, in diesen Alltag einzutauchen, um 20 Uhr auf der Probebühne einen Einblick zu bekommen und die Vorstellungen zu besuchen. Ich hatte in der Zeit auch externe Vorträge und war in meiner alten Rolle gefragt. Da habe ich versucht, diese Vorträge aus der Perspektive von dem, was ich gerade machte, zu gestalten. BS: Das war ein ganz normaler Arbeitsalltag. Es gab banale Probleme, die total reingehauen haben. Vorzimmer, Assistenten, alle hatten fünf Kalender auf ihren Bildschirmen: Uwe in der Oper, Uwe im WI, Berthold in der Oper, Berthold im WI. Das wurde plötzlich so komplex. Mein Handy konnte ich eh nicht nutzen, weil das die Termine von Uwe waren, die mir im WI nichts brachten, sodass ich jeden Tag dachte: Was passiert denn jetzt?
Wie war das für Sie? BS: Diese Verunsicherung war eine Grundsituation. Ich gehe dauernd in Situationen rein, deren Dimensionen ich nicht kenne. Worüber sprechen die Menschen jetzt eigentlich? Ich bin ja nicht da, um dabeizusitzen und zu hospitieren. Ich komme ja in der Funktion des Leiters, muss diese Rolle ausfüllen. Aber alle um mich herum haben mehr Sachkenntnis als ich. Mal hat es mich platt gemacht. Oft hat es Dinge freigesetzt. Wenn ich also inhaltlich nicht in der Lage bin, Setzungen zu machen, muss ich natürlich andere Strategien anwenden, wenn ich Bewegung erzeugen will. Für mich wurde klar, dass ich über Fragen etwas auslösen kann. Nicht nur: „Erklärt mir mal, wo ist das Problem?“ Indem ich eine Frage aus einer dezidiert anderen Perspektive stelle, kann ich bei meinem Gegenüber Gedankenprozesse auslösen, die manchmal produktiver sind, als wenn ich in einem zielgerichteten Gespräch bin, bei dem alle wissen, worum es geht. Solche Veränderungsprozesse erinnern an Segeln auf hoher See. Hatten Sie noch Funkkontakt zum Mutterschiff? Gab es in der ganzen Zeit keine Störfälle, kein SOS? BS: Wir hatten für den Zeitraum einen Tag des Rücktauschens definiert. Über zehn Tage kann man relativ viel zurückhalten. Bei mir wurde diese Rückkoppelung relevant, ich bin dann zurückgegangen, um Spannungen abfedern zu können. US: Hier in der Oper war eine äußerst komplexe Produktion in der Pipeline, die Community Oper, die in großer Dimension Schülerinnen und Schüler einbezog. Da ging es an Grenzen, wo klar war, jetzt braucht es eine Entscheidung. Können wir da zusätzliche Ressourcen einbringen, jemanden personell einstellen? Das war ein Punkt, wo es eskalierte. Dann haben wir uns verständigt. In so einer extremen Situation lässt du es nicht einfach weiterlaufen.
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ter werden nicht aus der Bahn geworfen, wenn da jemand vorbeikommt und etwas sagt. Im Gegenteil, als Input von anderer Seite kam, haben das viele wahrgenommen.
Waren Sie im Neuland auf sich selbst zurückgeworfen oder hatten Sie ein Libretto zum Navigieren? US: Hier lief ein herausragend getakteter operativer Betrieb. Es war eine Riesenhemmung, eine Chefsimulation aufzuziehen und noch mehr Störung hineinzubringen. Dadurch bin ich in einen defensiven Modus gekommen. Ich habe mir Felder herausgesucht, in denen ich Anknüpfungspunkte sah, in der organisatorischen Steuerung, im Marketing, in der Theaterpädagogik. Schnell haben wir Wege gefunden, wie wir Entscheidungsstrukturen dezentralisieren, damit es weiterläuft. Mir wurde signalisiert: Herr Schneidewind, es reicht schon, dass Sie hier sind und Herr Schneider nicht. BS: Die Art zu führen ist im WI und Theater total anders. Hier in der Oper kommen die Leute und wollen Entscheidungen. Wenn sie aus dem Büro rausgehen, muss klar sein, wohin der Zug fährt. Der Druck ist hoch, das sind oft viele Entscheidungen am Tag. Dadurch ist hier so eine hohe Dynamik und eine große Unmittelbarkeit. Im WI habe ich das nicht so empfunden. Das sind Prozesse, die die Vorgabe brauchen, wo dieser Tanker hinfährt. Das macht man aber nicht im Tagesgeschäft. Im Theater ist alles direkt. Du sagst etwas und siehst: Aha, die Stühle auf der Bühne, die gestern noch weiß waren, sind jetzt grün. US: Schönes Bild. Diese Orte der Unmittelbarkeit sind in meiner Organisation ganz selten, an vollkommen anderen Stellen, nur in Notfällen, nicht im Normalbetrieb. Bei uns findet die Unmittelbarkeit dezentral statt, in einzelnen Projektteams. BS: Im WI laufen 50 Projekte parallel mit sich überlappenden Projektphasen. Wir hingegen haben ganz wenige Projekte, hier arbeiten sehr viele, 100 bis 150 Menschen an einer Premiere. Das erzeugt eine andere Gruppendynamik als im WI. Die Haltung mir gegenüber war offen. Die Mitarbei58
Welche Auswirkungen hatte der Ämtertausch neben den persönlichen Erfahrungen konkret für die unterschiedlich tickenden Organisationen? Ist dadurch etwas in Bewegung gekommen? US: Bei uns ist der Nachklang gar nicht so intensiv gewesen, weil wir uns immer mal wieder mit neuen und kreativen Ideen auseinandersetzen. Aus der Perspektive der Organisationsrealität war es eine weitere nette Aktion. Die Wirkung für uns liegt mehr in der Außenwirkung, da wir jetzt ganz anders wahrgenommen werden als Brückenbauer zur Kunst. Der Begriff der „Zukunftskunst“ hat sich ganz anders aufgeladen. Das Spektrum hat sich erweitert, um unsere Transformationsthemen in einem solchen Raum zu diskutieren. Es ist ein innerlich strategischer Nachklang, der weiterwirkt. BS: In der Oper haben wir nicht angefangen, alle Büros neu zu streichen. Aber: Tektonische Platten haben sich gelöst. Es war ein massiver Eingriff in Sicherheit und Gewohnheit. Das hat sehr viel Energie freigesetzt, in jede Richtung, auch negative Energie. Menschen haben sich anders definiert, Initiative ergriffen, und das hat ihnen ein anderes Selbstbewusstsein gegeben. Als Spiegelung fiel im WI auf, dass Menschen, die für etwas brennen, ganz ruhig rumsitzen und sich etwas erzählen. Ist das eine andere Betriebstemperatur? Wie viel Grad, Celsius, Fahrenheit? BS: Extrem. Wir haben hier im Theater eine Auseinandersetzungskultur, die darauf ausgerichtet ist, Konflikte direkt anzugehen. Dann spritzt der Eiter. Am nächsten Tag ist das geklärt, die Dinge befriedet. Wir haben einfach so viele Sichtweisen, ein großes Konfliktpotenzial, dass wir es uns gar nicht leisten können, Konflikte unter den Teppich zu kehren. Das ist für das Betriebsklima sehr gut. Im WI ist die Temperatur eher gleichbleibend. Bei uns ist sie extrem schwankend, im Sekundentakt, vom Ruhezustand zur Hyperaktivität. US: Berthold sagte mal: Wie hältst du das nur aus? Ihr schiebt euch da zwei Stunden lang Gedanken vom Hirn eines toten Körpers in das Hirn eines anderen toten Körpers und findet das völlig normal. BS: Das ist sehr unphysisch. US: Für mich war es ein Schlüssel zu verstehen, warum wir mit unseren Themen so wenig auf die Gesellschaft einwirken, denn das Tote, dieses nur in den Kopf Kommen,
bewegt Menschen nicht, reißt sie nicht mit. Eine der Konsequenzen ist: Wir brauchen viel mehr Libretti und Librettisten, die uns das, was wir machen, übersetzen, weil uns dieser Zugang zu der emotionalen Ebene durch die Selbstkasteiung und Selbstdefinition des Wissenschaftsbetriebs so komplett fehlt. Die politische Polarisierung und der ökologische Notstand bewegen die Menschen weltweit. „Die große Transformation“ will über eine „Zukunftskunst“ Wege aus dieser Situation finden. Inwieweit hat die gesellschaftliche Notsituation für den Ämtertausch eine Rolle gespielt? US: Das war nicht so zentral. Wir haben das Zukunftskunstmotiv im Hintergrund abstrakt angelegt, aber nicht zu sehr aufgeladen, um die Organisation nicht zu verlieren, mit salbungsvollen Reden. BS: Auf der anderen Seite ist es natürlich eingebettet. Wir sind in meiner Intendanz mit dem Anspruch angetreten, dass die Realität des 21. Jahrhunderts nicht da draußen aufhört. Wir befinden uns in einer sehr dynamischen Zeit und müssen darauf reagieren. Das können wir viel besser, wenn wir flexibel sind. Das Gegenteil von dem denken können, was wir gerade tun. Das kann man trainieren. Dafür ist Theater ein guter Ort. Aber ich kann es eben nicht nur auf der Bühne postulieren, ich muss es vorleben, mich aussetzen und dafür persönliche Konsequenzen ziehen. Das Publikum merkt das und die Mitarbeiter auch. Viele Intendanten und Präsidenten würden das nicht machen.
„Das Gegenteil von dem denken können, was wir gerade tun. Das kann man trainieren.“ Berthold Schneider
Würden Sie das Experiment wiederholen? Oder was ändern? BS: Sofort. Es müsste aber etwas ganz anderes sein, damit wir uns überraschen und lernen. Das Kanzleramt würde mich interessieren oder der Zoo. US: Ich würde mir viel mehr Zeit nehmen in der Mitnahme der Organisation, um das gesamte Potenzial zu nutzen. Gab es vonseiten der Politik keinen Widerstand? BS: In der betreffenden Aufsichtsratssitzung wurde sehr kontrovers diskutiert. Am Ende hieß es, das Projekt birgt Risiken, ist aber für die Institution Theater sinnvoll. Eine wunderbare Rückmeldung von einem Politiker war, sie hätten in der Fraktion diskutiert, so einen Tausch auch mal
mit einer anderen Fraktion zu machen. Wow! Wir haben damit wirklich was ausgelöst. Das ist ein Teil des Theaterberufs, Gedankenräume zu öffnen, Mut zu vermitteln. US: Bei uns war das niederschwelliger, weil wir das klar als Organisationsentwicklungsmaßnahme definiert haben. Das liegt in der Hoheit der Geschäftsleitung. Wir wussten genau: Wir können das riskieren. Im Nachhinein forderte der Aufsichtsrat ein, dass ich ausführlich Bericht erstatte. Wie theatral ist das Wuppertal Institut? Wie wissenschaftlich ist die Oper? US: Ich nehme Oper auf einer übergeordneten Ebene als sehr wissenschaftlich wahr. Sie setzt sich mit grundlegenden Fragen des menschlichen Miteinanders auseinander, mit gesellschaftlichen und persönlichen Spannungen. Sie findet Formen des Ausdrucks, der Beschreibung, der Metaphorisierung, ein gewaltiger Anregungsraum für uns. Das hilft uns, die wir diese Phänomene nur analytisch untersuchen, sie viel reichhaltiger zu verstehen. Mit dem Chefdramaturgen David Greiner und dem Chefdisponenten Guido Hackhausen – das sind zwei hoch inspirierende Intellektuelle – hatte diese Reise für mich eine andere Form von Wissenschaftlichkeit. BS: Ich würde das WI nicht als theatral bezeichnen, aber als dramatisch. Die Menschen wissen, welche Dimensionen das hat, worüber sie nachdenken. Sie sind beseelt und von einer Überzeugung getrieben. Sie entdecken, klären auf, beschreiben grundlegende Zusammenhänge, die dramatisch sind. In diesem Spannungsfeld zu leben, heißt, dass ich weiß, wie groß die Probleme sind, und gleichzeitig sehe, wie wenig die Gesellschaft bereit ist, diese Erkenntnisse adäquat aufzunehmen. Das birgt eine große Frustration. Die große Leistung ist, darüber hinwegzukommen und weiterzumachen. Ist Wuppertal besonders für dieses Experimente geeignet? BS: Ich habe in vielen Städten gelebt. Die Dynamik in dieser Stadt ist sehr groß. Für ihre Selbstdefinition spielt die Kreativität eine große Rolle. Dadurch passiert hier eine Menge. Das wird positiv aufgenommen. Ich kann Städte aufzählen, wo man never ever, so etwas machen könnte. Da würden alle denken, du hast sie nicht mehr alle. Hier geht das. Das Gespräch führten der Performer Roland Brus und die Dramaturgin Uta Atzpodien.
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Auf dem Schwelmer Flohmarkt im Herbst 1978 hatte Dietrich sein Schlagzeug vor dem Szene-Lokal „Kuckucksnest“ aufgebaut und wegen des Regens mit Plastikfolie abgedeckt. Der junge Mann mit den Trommelstöcken (links im Bild) ist der Keyboarder Ulli Espenlaub. Man beachte Herrn Rauschtenbergers Haarpracht unter der Ende 1950er Jahre. Das Foto wurde in einer Wohnung am
Baskenmütze. Foto: Brigitte Gregor
Langerfelder Markt (Wuppertal) gemacht. Der Saxofonist ist Manfred Knickenberg, der als schnellster Polizist Deutschlands dreimal Deutscher Meister über 100m geworden ist (1964–1966). Der Gitarrist ist Norbert Ossé. Er hat später in verschiedenen Dixieland-Bands Posaune gespielt. Dietrich Rauschtenberger spielt eine Marschtrommel, die heute sicher Sammlerwert hätte. Foto: privat
Mit Freund Michael Sievert hat Dietrich 1989 während einer musikalischen Reise durch Frankreich und Spanien Straßenmusik gemacht. Auf der Landstraße nach Monplaisir war allerdings wenig Publikum. Foto: Selbstauslöser
Ein zäher Hund
Ein persönlicher Blick des Autors, Zeichners und Musikers Eugen Egner auf seinen Freund und Kollegen Dietrich Rauschtenberger zu dessen 80. Geburtstag Am 23. September 2019 ist Dietrich Rauschtenberger aus Schwelm 80 Jahre alt geworden. Hat man Worte! Zum Vergleich: 1956 war er erst 17. Da spielte er noch nicht lange Schlagzeug und begann, Tanzmusik zu machen. 1960 geschah dann völlig unerwartet etwas Folgenschweres: Der damalige Jazzclub-Betreiber Dieter E. Fränzel brachte den inzwischen 21-jährigen 60
Trommler mit einem 19-jährigen, zum Äußersten entschlossenen Saxofonisten zusammen: Peter Brötzmann aus Remscheid. Gemeinsam mit dem zu jener Zeit ebenfalls ganz am Anfang stehenden Peter Kowald bildeten sie dann unter Lebensgefahr die möglicherweise erste Free–JazzFormation in Deutschland. Das weiß inzwischen jeder, ich wollte aber doch noch einmal darauf hinweisen, was für einen musikgeschichtlich schwerst bedeutenden Freund ich habe. Dementsprechend gehört dessen weiterer Lebenslauf gleichfalls zum Allgemeinwissen der gebildeten Stände. Ich brauche hier also füglich nicht zu wiederholen, dass Dietrich Rauschtenberger 1962 aus dem Free Jazz austrat, Familienvater wurde, tagsüber in der Fabrik arbeitete, abends wieder Tanzmusik machte und dann Lehrer wurde. Ebenso wenig muss hier aufgewärmt werden, dass der inzwischen „richtigen“ Jazz Spielende sich Ende der 60er der Freien Musik zuwandte, 1980 den Lehrerberuf aufgab, in der DDR, halb Europa, Russland und New York mit Gott und der Welt musizierte und obendrein redaktioneller Mitarbeiter der „Jazzthetik“ war.
Erst als all das schon längst Geschichte war, nämlich im Frühjahr 2005, lernte ich Dietrich Rauschtenberger persönlich kennen. Das geschah im Außenbereich des Restaurants „Katzengold“, wo man vor einem Konzert der Herren Schmidtke, Ramond und Rauschtenberger, das gegenüber im „ort“ stattfinden sollte, beisammensaß. Dietrichs Name sowie sein Ruf als Schlagzeuger waren mir schon seit den 70ern ein Begriff, in Aktion erlebt habe ich ihn jedoch erst 2004 bei dem Konzert „steady flow celebration“ im „ort“. Mein unmittelbarer Eindruck: Der kann mehr als nur mit dem Löffel essen. Die Angehörigen meiner Altersgruppe, die Mitte der 70erJahre von den Taten des deutlich älteren Herrn Rauschtenberger raunten, hatten offenbar Recht gehabt. Einer von ihnen war der Bassist Dietmar Wehr, der von 1975 bis 1976 mit dem Sagenumwobenen gar schon in zwei Bands zusammengespielt hatte („Free Action Quartet“ und „For Lovers Only“). Zu jener Zeit, mit Mitte 20, machte ich onomatopoetische Gehversuche als „frei“ spielender Rockgitarrist.
Nachdem Dietrich 1962 beschlossen hatte, nicht Berufsmusiker zu werden, ist er nur noch selten mit Peter Brötzmann und Peter Kowald aufgetreten. Das Bild zeigt die drei Mitte der 1980er Jahre im ehemaligen Szene-Lokal „Rosine“ in der Schwelmer Altstadt. Foto: Joe Schöler †
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Einige Jahre lang hatte Dietrich Rauschtenberger immer ein Notizbuch dabei, um seine mehr oder weniger genialen Einfälle festzuhalten. Auf dem Bild posiert er Ende der 1980er Jahre im Café Maijer, das seit einem halben Jahrhundert der Szene-Treff in der Schwelmer Altstadt ist.
Dietmar und ich wollten 1977 ein Improvisationstrio gründen, das keine 30 Jahre später tatsächlich zustande kam: Gorilla Moon – mit Dietrich Rauschtenberger. 2005 hatte ich nach 20-jähriger Pause wieder Lust, selbst Musik zu machen. Jedoch: Mit wem? Instinktiv beschloss ich, Dietrich zu fragen. Ich schätzte sein Schlagzeugspiel, und dass er Autor war, hatte etwas Verbindendes. Außerdem wirkte er freundlich und seriös. Als er Anfang 2006 in der Wuppertaler Bandfabrik seine Hörspiel-CD „Wie wir den Free Jazz erfanden“ vorstellte, sprach ich ihn an. Eine Woche später haben wir gemeinsam Lärm erzeugt. Es soll hier aber nicht allein vom Musiker Rauschtenberger die Rede sein, denn damit würde man dem Manne nur zur Hälfte gerecht. Auch er ist mit einer Mehrfachbegabung geschlagen und schreibt infolge dieser seit den 70ern. Die Verbindung von Literatur und Musik hat ihn stets besonders interessiert. So hat er nicht nur Texte und Klänge auf der Bühne zusammengebracht, sondern auch eine 1991/92 gemeinsam mit Peter Kowald unternommene Reise nach Sibirien in seinem Buch „Mit Kowald in Sibirien“ beschrieben und die Free-Jazz-Thematik im Roman „Trombeck“ verarbeitet. Angeregt von Patrick Süskinds „Der Kontra-
baß“, entwickelte er sein Einpersonenstück „Die Kunst, ein Schlagzeug aufzubauen“. Ab 2003 erlebte es zahlreiche Aufführungen. 2013 war Schluss damit und mit manch anderem: Während einer Herzoperation erlitt Dietrich einen Schlaganfall, der eine Lähmung des linken Beins und des linken Arms zur Folge hatte. Eine wahre Katastrophe. Doch wunderbarerweise ist der hiobmäßig Heimgesuchte mithilfe von Therapeuten, Pflegekräften, Ärzten und einer Gehhilfe wieder auf die Beine gekommen. Die Unterstützung durch Ehefrau Brigitte und die eigene Willenskraft waren dabei entscheidende Faktoren. Ein Arzt hat einmal zu ihm gesagt: „Sie sind ein zäher Hund.“ Nach drei Jahren Zwangspause kehrte Dietrich Rauschtenberger ans Schlagzeug zurück („Was hätte ich denn auch sonst tun sollen?“). Seitdem hat er wieder etliche Konzerte gespielt, u.a. mit dem Wuppertaler Improvisations-Orchester (WIO), dem er seit 2007 angehört. In seinem engen Ennepetaler Proberaum finden bisweilen musikalisch konspirative Treffen ohne Publikum statt. Nicht selten helfen ihm dann der Kontrabassist Klaus Harms und ich dabei, das Gedröhn einer Death Metal Band auf der anderen Seite der Wand zu übertönen. Es geht also weiter, getreu der allseits bekannten Briefstelle von Kurt Schwitters, die ich hier trotzdem noch einmal zitieren möchte: „Wir spielen, bis uns der Tod abholt.“ Nächste Gelegenheit dazu: Sonntag, 3. November 2019, 20 Uhr
Gorilla Moon und Wolfgang Schmidtke Peter Kowald Gesellschaft/ort e.V. Luisenstraße 116, 42103 Wuppertal
1986 hat Dietrich mit der Tänzerin Anna Pocher und dem Saxofonisten Michael Sievert das Theaterstück „Zeitfuge“ produziert, in dem Tanz, Jazz und Text verarbeitet wurden. Es wurde u.a. in Wien, Wuppertal, Holstebro (Dänemark) und
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Bremen aufgeführt. Auf dem Foto sieht man Anna und D.R. im Theater „Packhaus“ in Bremen. Foto: privat
Dietrich Rauschtenberger als Phänomen in voller Fahrt während eines Konzerts im Wuppertaler „ort“. Wenn er erst einmal hinter dem Schalgzeug sitzt, bedient er es auch im biblischen Alter noch wie eh und je. Foto: Helmut Steidler
2015 las Dietrich Rauschtenberger im „ort“ aus seinem Buch „Mit Kowald in Sibirien“ und trat auch als Saxofonist mit der Sängerin, Lyrikerin und bildenden Künstlerin Sainkho Namtchylak und der Band Stellwerk auf. Foto: Helmut Steidler
Wegen einer infamen Entzündung seines rechten Daumens war es wochenlang fraglich, ob Dietrich am 4. September 2019 beim Gorilla-Moon-Konzert im Elberfelder Jazzclub „Loch“ würde spielen können. Glücklicherweise war der Daumen termingerecht wieder einsatzbereit. Foto: Willi Barczat
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20 Años – Felicidades
Die Latin Session feiert ihr 20-jähriges Bestehen in der börse Die Latin Session/Noche Latina ist eine, weit über Wuppertal hinaus bekannte LivemusikVeranstaltung mit lateinamerikanischer Musik voller Lebensfreude, Lust und Rythmus, die seit langem Aficionados aus der Region (und darüber hinaus) in ihren Bann zieht. Im November feiert die Latin Session/Noche Latina Geburtstag. 20 Jahre liegen dann die Anfänge der Veranstaltung zurück. Alles begann 1999 im Caribe am Ölberg, einer Restaurant-Kneipe mit karibischer Musik und Rumbar. Inspiriert von Wenders „Buena Vista Social Club“ war die Idee der Veranstaltung, eine Jamsession regelmäßig stattfinden zu lassen, die sich um Musik aus Lateinamerika drehte. Es dauerte nicht lange, bis sich die Nachricht von der 64
„Latin Session“ und ihren krachend vollen und ausgelassenen Abenden voll gut gelaunter Latin-Musik, Party und Tanz in Wuppertal und Umgebung verbreitet hatte. Die Session Band der ersten Stunde bestand aus Rolf Fahlenbock (Bass), Burkhard Heßler (Piano), Herbert Schneider (Sax) und Andreas Landrock (Percussion). Lustvoll, eng und laut wars, getanzt wurde auf kleinstem Raum, schlecht war die Luft, weil damals noch in Kneipen und Restaurants geraucht wurde. Aber die Stimmung war so unverwechselbar einmalig, dass die Abende immer gut besucht waren. Schnell entwickelte sich die Veranstaltung vom Geheimtipp zum Anziehungspunkt für Leute, die lateinamerikanische Musik lieben. In Europa gab es damals
Die Latin Session Band im Konzert mit Soleil Niklasson, die börse 2019 Die SessionBand der ersten Stunde bestand aus Rolf Fahlenbock (Bass), Burkhard Heßler (Piano), Herbert Schneider (Sax) und Andreas Landrock (Percussion)., Foto: Uwe Peter
nur in Rotterdam, wo man Latin Music studieren konnte, eine vergleichbare Veranstaltung. Mittlerweile 2019, ist die Kopie dieses Formats, in etwa auch in Münster, Köln und in anderen Städten zu finden. Mit der Zeit veränderte sich die Veranstaltung: Musiker wechselten und die Spielorte. Was die Veranstaltung deutlich aufwertete, war, dass Sänger aus Lateinamerika hinzukamen: Jorge Oliva aus Cuba (Voc./Perc.), Sergio Mansilla aus Argentinien(Voc./Git.) und Jorge Anchieta aus El Salvador (Voc./Git./Tres). Kai Heumann (Git.), Spezialist für spanisch-lateinamerikanische Gitarre, gehörte ebenfalls längere Zeit zur Basisband. Miguel de la Loma (Perc.) kam 2005 dazu. 65
Julia Jech und Ana Luca, CD-Release Party 2013 im Café Ada
Foto: Jörg Lange
Musikalisch interessant war auch die Zusammensetzung der Basisband, was die Instrumentierung anging: Statt mit Drumset arbeitete die Band konsequent mit der caribischen Percussion-Trias aus Congas, Timbales und Bongo/ Campana/Guiro, wie vergleichbare Bands z.B. auf Cuba. Dazu passend spielte Jorge Anchieta sein Tres, ein in Europa seltenes caribisches gitarrenähnliches Saiteninstrument mit drei Doppelsaiten, das einerseits für ostinate Begleitfiguren und natürlich auch für Soli benutzt wurde. Nach dem Caribe beherbergte lange Zeit das ADA in der Wiesenstraße die Latin Session und danach die Börse an der Wolkenburg 100. Mittlerweile hatte sich die Latin Session Band zu einem festen Bestandteil der Livemusik-Szene in der Region entwickelt. 2013 brachte die Latin Session Band ihre erste CD heraus und das unter Mithilfe vieler befreundeter Musikerinnen und Musiker aus Wuppertal und anderen Städten: Regina Advento (Voc.), Ana Luca (Voc.), Julia Jech (Viol.), Uwe Sandfort, Toto Blanke (beide Git.), Wolfgang Eichler und Dieter Greifenberg (beide Piano), Lothar van Staa und Andre Enthöfer (beide Sax.), Martin Zobel (Tromp./Flgh.), Mike Rafalcyk (Pos.) und vielen mehr. Foto: Jörg Lange
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Regina Advento, CD-Release Party 2013 im Café Ada
Seit 2011 wurden zu jeder Veranstaltung besondere Gäste eingeladen und angekündigt, die jeweils ihr eigenes Repertoire an Stücken mitbrachten. Diese Stücke, meist aus den Genres Jazz, Pop, Soul, Blues etc., wurden dann mit der Band lateinamerikanisch interpretiert, d.h. Jazz- oder Rockballaden wurden zum cubanischen „Bolero“, Uptempo-Swing-Nummern verwandelten sich in „Mambo“, Rock- oder Funk-Nummern veränderten sich zu „Chacha“, Disco-Nummern aus den 1970ern wurden zum „Merengue“ etc. Dadurch erhielt die vormalige „Session“ immer mehr „Konzertcharakter“. Gastmusikerinnen und -musiker, die zum Teil wegen des großen Erfolgs mehrmals eingeladen wurden, waren unter anderem: Soleil Niklasson, Patricia Gamero, Minerva Diaz, Amaka, Majela van der Heusen, Shirley Brug, Maria Basel, Katrin Eggert, Iris Panknin, Ilona Ludwig, Sabine Klaproth, Dörte aus Heckinghausen, Kenneth King, Uli Wevelsiep, Martin Zobel, Andreas Schleicher, Wayne Smith, Marvin Becker, Daniel de Alcala und José Primo (Rumba Gitana). Durch den Verlust des Session-Charakters des Formats wurde mit der Zeit auch ein neuer Name fällig: Aus der Latin Session, die längst keine Session mehr war, wurde mit der Zeit die Noche Latina. Dennoch kommen immer noch ab und an befreundete Musikerinnen und Musiker, die quasi „zur Familie“ gehören, und steigen spontan ein. Natürlich zieht die Veranstaltung mittlerweile auch seit Jahren viele Tänzerinnen und Tänzer der überregionalen Salsaszene an, die es lieben, zur Livemusik zu tanzen. Ein solches Musikformat kommt nicht ohne finanzielle Mittel aus, etwa für Werbung, Technik, Künstlergagen. Hier ist den Sponsoren zu danken, die die Veranstaltung in all den Jahren unterstützt haben: Jackstädt Stiftung, Kulturbüro Wuppertal, proPerson, Knipex, Kalkwerke Oetelshofen, Lichtbogen, Stadtsparkasse Wuppertal, Flender Automobile, Schuler-Stiftung, RINKE, WSW. 2019 wird der Begriff: Latin Session endgültig zu Grabe getragen. Es lebe die Noche Latina! Andreas Landrock Freitag, 29. November 2019, 20 Uhr
20 Jahre Latin Session/Noche Latina
Die Bilder entstanden auf der CD-Release Party 2013 im Café Ada und auf dem Konzert mit Soleil Niklasson im April 2019 in der börse,
feat. Majela van der Heusen aus Havana, Katrin Eggert, Daniel de Alcala und José Primo (Rumba Gitana). Eintritt: VV 20/12 € erm., AK 25/15 € erm., Soliticket 5 € die börse, Wolkenburg 100, 42119 Wuppertal www.dieboerse-wtal.de
Fotos: Willi Barczat, zwei frühere Aufnahmen: Jörg Lange
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Orhan Pamuk,
Ulrich Wüst,
Balkon,
Randlage.
200 Seiten,
Die Gemeinde Nordwest-Uckermark,
durchgehend Farbabbidungen,
146 Seiten, durchgehend s/w-Abbildungen,
gebunden, Leinen, 25,5 x 18 cm,
Hardcover, 23 x 17 cm,
Steidl, 34,- €
Braus, 24,95 €
Neue Kunstbücher vorgestellt von Thomas Hirsch
Orte ohne Menschen Das ist nicht wahr! Das feine Buch „Balkon“ von Orhan Pamuk enthält nicht, wie im Innentitel steht, „Texte“ des berühmten, mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Literaten. Es enthält lediglich einen, noch dazu sehr knappen, der kaum mehr als eine Beschreibung dessen ist, was anschließend die Farbfotografien zeigen, und ansonsten berichtet, wie es zu diesen kam. Aber der Duktus mit dem lakonisch Selbstverständlichen, der doch voller Poesie ist, entspricht den 568 Farbfotos, die Pamuk aus seinem Fundus aus 8500 Aufnahmen (entstanden zwischen Dezember 2012 und April 2013) ausgewählt hat. Umgekehrt ließe sich sagen, dass die klein reproduzierten Aufnahmen, die selten allein, oft aber zu dritt auf der Seite stehen, selbst eine Art Erzählung sind, die sich behutsam entfaltet und dabei ein eigenes Tempo und einen eigenen Rhythmus gewinnt. Orhan Pamuk hat sich 2012 dafür entschieden, zwischen dem Schreiben über den Dächern Istanbuls aufzustehen und von seinem Balkon mit Blickrichtung auf die CihangirMoschee und den Bosporus mit der Mündung des Goldenen Horns zu fotografieren. Die Perspektive wechselt nur geringfügig, ja, oft scheinen sich die Fotos zu gleichen; dadurch findet eine Entschleunigung der Wahrnehmung statt, Zeit wird bewusst, beim Anschauen der Fotos und beim Umblättern. Natürlich sind die Schiffe – ebenso wie das Wasser, das sie durchpflügen – ein Hauptakteur, ein weiterer sind die Seevögel. Besonders aber liegt über und in allem der Himmel mit seinen verschiedenen Blautönen und seiner wechselnden Bewölkung, die unterschiedlich weit blicken lässt. Dabei werden Details unserer Zivilisation und der Natur erkennbar. Die Abfolge im Buch er68
möglicht den vergleichenden Blick zum Davor und Danach der Fotografien. Und plötzlich wirken diese sparsamen, nebel- oder lichtverhangenen Aufnahmen als Kommentar zu Pamuks Literatur und schließlich als eine indirekte Hommage an Istanbul, dort, wo so viele seiner Texte spielen. Auch Ulrich Wüst, ausgebildet als Architekt und ursprünglich tätig als Stadtplaner und Bildredakteur, ist ein „Quereinsteiger“ in Sachen Fotografie. Auch er wendet sich unspektakulären, dabei wie stillgelegten Situationen zu, die trotzdem etwas Vorübergehendes besitzen und auf den Menschen als Beteiligten oder Verursacher weisen. Und auch er trägt zu seinem gerade erschienenen Band – bei Braus: „Randlage. Die Gemeinde Nordwest-Ueckermark“ – mit einem Text bei. Hinzu kommt ein Beitrag des Schriftstellers Saša Staniši , der in seiner Schönheit zwischen eigenständiger Literatur und Würdigung der Fotografien oszilliert und darin an Orhan Pamuks Selbsttext denken lässt. Zunächst einmal geht es in den Fotografien um eine Bestandsaufnahme der Region Uckermark, die mit ihrer minimalen Bevölkerungsdichte nach den Kriterien der UNO zu den unbesiedelten Gegenden der Welt gehört. Die Aufnahmen von Ulrich Wüst sind schwarz-weiß, und das ist ihrer Nüchternheit angemessen. Das Tageslicht ist immer gleich, durch nichts verstellt, was den Charakter der Ereignislosigkeit verstärkt. Wüst fängt gerade die Augenblicke ein, in denen die Menschen abwesend sind. Gewiss, alles deutet auf sie hin, aber die Bilder kommen gerade ohne sie aus. Wüst zeigt das Ländliche als Peripherie des Urbanen, er konstatiert Abbruch und Aufbruch in
Eva Beuys, Beuys Düsseldorf-Oberkassel Drakeplatz 4, 144 Seiten, 63 Duotone-Tafeln,
Evelyn Hofer,
64 Abbildungen,
Begegnungen/Encounters,
gebunden mit Schutzumschlag,
280 Seiten, 190 Abbildungen,
35 x 26,5 cm,
Hardcover, 28 x 22,5 cm,
Schirmer/Mosel, 49,80 €
Steidl, 58,- €
stiller Schönheit und fast unbeschwerter Kuriosität, etwa wenn sich einzelne Formen an verschiedenen Dingen im Bild wiederholen. Der Betrachter besitzt dazu den überschauenden Blick, indem die Straßen- und Hausszenen auf Abstand gerückt sind. Dieses Interesse an der Kargheit und ihrer Geschichtlichkeit mitsamt ihrer Aussagefähigkeit muss man natürlich mögen: Dann ist es großes Kino, auf den Spuren des Menschen. Wo aber endet die Dokumentation und wo beginnt die Kunst? Beim genauen Auswählen, Sehen und Fokussieren von Ulrich Wüst stellt sich die Frage gar nicht; zu präsent ist die Haltung dahinter. Komplizierter ist es schon mit Eva Beuys‘ Aufnahmen des Wohnateliers, das sie mit ihrem Mann teilte. Die Fotos haben einen hohen dokumentarischen Wert, denn schließlich war ihr Mann Joseph Beuys. Sie selbst ist nicht weiter als Fotografin in Erscheinung getreten. Die s/w-Fotografien umfassen den Zeitraum zwischen 1961 und 1977, mit Schwerpunkt auf der frühen Zeit. Die Einraumwohnung mit Innenhof am Drakeplatz in DüsseldorfOberkassel war kurz zuvor von dem Paar bezogen worden. Beuys selbst ist niemals zu sehen, ab und an kommen die beiden Kinder vor, die sich ganz selbstverständlich zwischen den Skulpturen, die ja kaum als solche zu erkennen sind, aufhalten. Die Privatheit wird hier öffentlich, denn Beuys ist Kunstgeschichte. Alles bekommt Bedeutung, und Eva Beuys verleiht in ihrer mithin inventarischen Bestandsaufnahme allem eine Aura. Sie fotografiert das karge Mobiliar ebenso wie die Relikte, die für skulpturale Arbeiten hierher gebracht wurden, und dann die fertigen Skulpturen. Die Dinge hängen an der Wand, stehen im Raum und werden durch die Fotografien auf ihre Substanz und ihr mythisches Potenzial hin abgeklopft. Für das Verständnis von Beuys ist dieses großformatige Buch eigentlich
unverzichtbar, zumal es noch ein ganz frühes, erstmals veröffentlichtes Interview enthält, das der Verleger Lothar Schirmer entdeckt hat. Und Schirmer war es schließlich auch, der Eva Beuys zur erstmaligen Publikation der Fotografien überreden konnte – so wie Gerhard Steidl Orhan Pamuks Buch initiiert hat. In die Rezeption der Fotografien von Evelyn Hofer kommt langsam Fahrt. Dazu trägt nun auch die Monografie bei, die ebenfalls von Gerhard Steidl verlegt und von der Galeristin Susanne Breidenbach (Galerie m in Bochum) herausgegeben wurde. Im Gegensatz zu den zunächst eher spröde wirkenden Aufnahmen der drei oben genannten Fotografen sind die Bilder von Hofer eine sinnliche Wucht. Die deutsch-amerikanische Fotografin (1922-2009) begann in Amerika als Reportagefotografin für Zeitschriften und reiste dafür rund um die Welt. Aber ihre Bildserien gehen in der inhaltlichen Herangehensweise, der Komposition und dem Umgang mit Schwarz-Weiß und mit Farbe (noch vor Eggleston!) weit über das Handwerkliche hinaus. Eindrucksvoll sind bereits die Menschengruppen einzelner Berufsstände. Hinzu kommen die Künstlerporträts, die selbst dann beeindrucken, wenn die Künstler gerade nicht auf dem Bild sind – wie etwa Andy Warhol, Baselitz oder Balthus. Zu den Qualitäten dieser Aufnahmen gehört die Organisation des Raumes und seine Aufladung mit Sinn. Das galt schon für die „reinen“, klassischen Stillleben, die jetzt nicht im Zentrum der Monografie stehen, mit denen Evelyn Hofer aber zunächst bekannt wurde und die mit ihrer Symbolik, ihrem Licht und ihrer Farbigkeit – ganz in der Tradition der alten niederländischen Meister – überwältigen. Natürlich geht es auch hier um existenzielle Fragen und erlebte Zeit. Und wenn Evelyn Hofer die abgelegten Requisiten und Accessoires von Marlene Dietrich fotografiert, so wird die Filmdiva ungeheuer lebendig. Ein tolles Buch! 69
Paragrafenreiter
Von der Kunst, den richtigen Umsatzsteuersatz zu wählen
„Man speist am besten daheim. Doch auswärts macht die Höflichkeit den Wohlgeschmack der Speisen.“ William Shakespeare
Möchte der Wirt mit einem hohen Maß an Höflichkeit und Service glänzen und bietet er neben der reinen Speisenlieferung auch noch die Möglichkeit an, diese auf Stühlen und an Tischen einzunehmen, muss er sich direkt die Frage stellen, was für eine Art der Leistung er nun ausführt. Handelt es sich um eine reine Speisenlieferung oder um eine Restaurationsleistung? Welcher Steuersatz muss ausgewiesen werden? Sieben Prozent oder 19 Prozent? Die scheinbar geklärte Frage des richtigen Steuersatzes für entsprechende Leistungen wurde erneut aufgeworfen. Bei der Antwort darauf sind sich selbst die Bundesfinanzrichter nicht einig. So lieferten sich der XI. und der V. Senat des Bundesfinanzhofs einen Disput, inwieweit einem Unternehmer das Verhalten von anderen Unternehmern zuzurechnen ist. Es geht darum, ob und unter welchen Umständen einem Straßenverkäufer oder Imbisswagenbesitzer der Gebrauch von Biertischgarnituren und anderen Sitzmöglichkeiten eines anderen Unternehmers für steuerliche Zwecke zugeordnet werden kann. Der V. Senat beim Bundesfinanzhof entschied bei einem sogenannten Breznläufer in einem Festzelt auf dem Oktoberfest, dass es sich bei seiner Leistung um eine Speisenlieferung handelt, welche dem ermäßigten Steuersatz von sieben Prozent unterliegt. Der XI. Senat des Bundesfinanzhofes beurteilte hingegen die Leistung eines Fischverkäufers, der in einem Biergarten Steckerlfisch verkaufte, als eine Restaurationsleistung, die dem Regelsteuersatz von 19 Prozent unterliegt.
rin, dass ein gegrillter Fisch als eine vollwertige Mahlzeit anzusehen ist, welche üblicherweise mit Besteck verzehrt wird. Darüber hinaus kam in diesem Fall hinzu, dass zwischen dem Fischverkäufer und dem Biergartenbesitzer eine stillschweigende Vereinbarung bestand, dass Tische, Stühle und auch Besteck des Biergartens mitbenutzt werden durften. Dieses Dienstleistungselement wurde dem Fischverkäufer zugerechnet. Im Brezn-Fall lag keine solche Vereinbarung mit dem Festzeltbetreiber vor, obwohl auch hier Sitzgelegenheiten und Besteck vorhanden waren. Der V. Senat sah dies lediglich als eine untergeordnete Nebenleistung an, da eine Brezn gewöhnlich keine Hauptmahlzeit ist und mit der Hand verzehrt wird. Ein weiteres Verfahren in ähnlicher Sache ist derzeit beim Finanzgericht Münster anhängig. Dabei geht es darum: Unterliegen Backwaren und Fast Food generell dem ermäßigten Umsatzsteuersatz, auch wenn der Verzehr an Sitzgelegenheiten und Tischen vor Ort möglich ist? Die indiskrete Frage des Verkäufers „zum Mitnehmen oder zum hier Essen?“ ist somit nach wie vor aus steuerrechtlichen Gründen notwendig. Julia Neusel-Lange
Julia Neusel-Lange Steuerberaterin und Prokuristin
Es stellt sich dabei die Frage, wieso zwei scheinbar ähnliche Sachverhalte völlig unterschiedlich beurteilt wurden. Einen wesentlichen Unterschied sahen die Richter des XI. Senats im Steckerlfisch-Fall gegenüber dem Brezn-Fall da70
bei der Rinke Treuhand GmbH Leiterin der Niederlassung Wuppertal der ETL ADHOGA Steuerberatungsgesellschaft AG
Kulturtipps AUSSTELLUNGEN: Von der Heydt-Museum Turmhof 8, 42103 Wuppertal
Spätphase, in der Schlemmer neue Ideen – sei es zu Wand- und Objektgestaltungen, sei es zu Malerei und Ballett – in wunderbaren Skizzen und Studien festgehalten hat. Die Ausstellung setzt das Werk Schlemmers in Relation zu dem seiner Lehrer, seiner Kolleginnen und Kollegen am Bauhaus und in Breslau sowie zu Willi Baumeister und Franz Krause, die sich wie Schlemmer in der Wuppertaler Lackfabrik von Kurt Herberts ins „innere Exil“ zurückgezogen hatten. 6. Oktober 2019 bis 16. Februar 2020
Armin Mueller-Stahl
Else Lasker-Schüler „Prinz Jussuf von Theben“ und die Avantgarde
Galerie Wroblowski Alleestraße 83, 42853 Remscheid So., 13. Oktober, bis Di., 19. November.
Armin Mueller-Stahl
Gemälde, Zeichnungen, Grafik Oskar Schlemmer, Fünfzehnergruppe, 1929
Sonntag, 3. November 2019 bis Sonntag, 23. Februar 2020
Oskar Schlemmer –
Komposition und Experiment: Das Wuppertaler Maltechnikum Oskar Schlemmer (1888-1943) war einer der bedeutendsten und einflussreichsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Vielseitig wie kaum ein anderer war er als Maler, Wandgestalter, Grafiker, Bildhauer und Bühnenbildner tätig. Intensiv setzte er sich mit den Kunstströmungen seiner Zeit auseinander und hinterließ eine große Gruppe an Bewunderern. Das Von der Heydt-Museum widmet Schlemmer eine Ausstellung, die Werke aus allen Phasen seines Schaffens umfasst. Sie legt ihren Fokus weniger auf die Jahre am Bauhaus als vielmehr auf die
Eröffnung mit dem Streichquartett der Bergischen Symphoniker: 15 Uhr. Viele kennen ihn als einen der ganz großen Bühnen-, Film- und Fernsehschauspieler, gefeiert hierzulande ebenso wie in Hollywood: Armin Mueller-Stahl. Darüber hinaus ist er aber nicht nur Violinist mit Konzert-Examen und Verfasser von Romanen und Erzählungen, sondern hat sich seit vielen Jahren auch als bildender Künstler einen hervorragenden Ruf erworben. Seine im Spektrum zwischen figürlicher und abstrakter Malerei angesiedelten Arbeiten lassen stets seine ganz persönliche Handschrift erkennen. Ein breites Spektrum seiner Kunst von Malerei auf Leinwand und Papier über Zeichnungen, Farbradierungen, Lithografien und Mischtechniken zeigt die Galerie Wroblowski.
Armin Mueller-Stahl
Hengesbach Gallery Vogelsangstraße 20, 42109 Wuppertal noch bis Freitag, 25. Oktober 2019
NIKOLA UKIC – schweben Teile eines Ufos, in Tarnfarbe und leicht verschoben in doppelter Ausführung? Strukturbestandteile einer nicht bekannten Konstruktion, bei der die bildliche Oberfläche nicht zu der Konstruktion zu passen scheint? Heutige Bildhauerei wählt aus einer Vielzahl fertiger Materialien aus. Bei Ukic scheint sich das Material aber erst im künstlerischen Arbeitsprozess zu bilden. Durch Mischungen von Polyurethan und Beton lässt er in erup71
tiven Prozessen Gebilde entstehen, die entgegen ihrer Herkunft wie aus einer dicken Materialschicht ausgestanzt oder gefräst erscheinen.
Museum Morsbroich Gustav-Heinemann-Straße 80, 51377 Leverkusen noch bis Sonntag, 5. Januar 2020
Francis Alÿs. The Private View –
Andrea Zabric, ohne Titel, 2019, Pigment und
Werke aus deutschen Sammlungen Die Ausstellung zeigt den Künstler als einen genialen Schöpfer von Bildern, die unterschiedliche Bereiche unserer Welt über politische, gesellschaftliche und kulturelle „Verstrickungen“ miteinander verbinden und damit unsere Sichtweise verändern und zu komplexen Interpretationen führen. Indem simpelste alltägliche Gesten auf globale politische Ordnungssysteme verweisen, wird ALLES bedeutsam und ALLES miteinander verknüpft.
Medium auf MDF, 195 x 65 cm, Foto: Andrea Zabric
Die nächste Ausstellung mit einer jungen slowenischen Künstlerin, die neu im regelmäßigen Galerieprogramm ist, eröffnet am 10. November 2019. Andrea Zabric, 1994 in Ljubljana geboren, lebt und arbeitet in München und Wien.
Installation „Jenseits von Ideen“, Galerie Wagner und Partner, 2016, Foto: Falk Buchroeder
in den Betrachterraum, im Boden scheint sich eine Art Kaninchenloch zu öffnen. Wie Alice im Wunderland begegnet der Besuchende – ist er erst einmal eingetreten – rätselhaften Wesen, den teils gespenstisch wirkenden Bewohnern. Er durchschreitet Türen und Passagen in neue Räume. Zudem eröffnen sich mannigfaltige Perspektiven in Spiegelräume oder Blicke durch Türspione hindurch in verborgene, unzugängliche Bereiche. Der Weg ins Innere dieses Gebäudes führt zu Traumbildern und in surreale Situationen, in denen sich auch die Räume unseres Unterbewussten erschließen.
Haus Martfeld Haus Martfeld 1, 58332 Schwelm
Kunstmuseum Solingen Wuppertaler Straße 160 42653 Solingen-Gräfrath noch bis Sonntag, 27. Oktober 2019
73. Internationale Bergische Kunstausstellung „Soll Kunst politisch sein?“ Diese Frage ist wahrscheinlich so alt wie die Kunst selbst. Die Jury des 73. Internationalen Bergischen Kunstpreises hat sie mit einem klaren Ja! beantwortet. Unter den 16 Teilnehmern der 73. Ausstellung im Kunstmuseum Solingen hat das Gremium Silke Schönfeld ausgezeichnet – für ihre politisch akzentuierte Videoinstallation „Kommt und guck selber“. 72
Francis Alÿs, Untitled, 1994
noch bis Sonntag, 1. Dezember 2019
in der Grafiketage: Sa., 12. Oktober 2019, bis So., 19. April 2020
Fotografien von Hartmut Gahmann Grönlands Natur halten Hartmut Gahmanns Fotografien der arktischen Insel beeindruckend fest. Der Düsseldorfer zeigt eine Auswahl seiner großformatigen Arbeiten in der Ausstellung „Colours of Ice“ im Haus Martfeld in Schwelm. Erstmals nach Umbau und Sanierung öffnet das Museum in der denkmalgeschützten Anlage mit dieser Schau wieder seine Türen.
Simon Schubert Schattenreich
Eröffnung: Freitag, 11. Oktober 2019, 18 Uhr Der Ausstellungsbesuchende betritt eine Parallelwelt mit weißen Wänden aus gefaltetem Papier, mit doppelten Böden, perspektivisch verzerrten oder optisch erweiterten Räumen. In suggestiven Rauminszenierungen entfaltet sich eine faszinierende und zugleich unheimliche Welt. Einladend ragt der Türgriff eines für die Ausstellung entwickelten Hologramms
Colours of Ice
TANZRAUSCHEN
+ Festival Wuppertal I n t e r n a t i o n a Dance on Screen + Screen Dance Market Rex Filmtheater . Wuppertal 21. – 24. 11. 2019
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w w w.ta n z ra u s c h e n .d e
Wuppertal wird Weltstadt des Tanzfilms Donnerstag, 21., bis Sonntag, 24. November 2019
dancescreen 2019 + TANZRAUSCHEN Festival Wuppertal
TERO SAARINEN COMPANY MORPHED 2018, © Mikki Kunttu Auditorium Films
Urban Art Complex Samstag, 23. November 2019, ab 12 Uhr Lecture Performance, Schnupperkurse, Screenings
neuer kunstverein Präsentation Das Totale Tanz Theater, inspiriert von Oskar Schlemmers Bühnenexperimenten und Gropius‘ Idee zum Totaltheater. Eine Virtual-Reality-Installation zur Frage nach der Beziehung Mensch – Maschine im digitalen Zeitalter, entwickelt von der Interactive Media Foundation und Filmtank in Zusammenarbeit mit Artificial Rome aus Anlass des 100-jährigen Gründungsjubiläums des Bauhauses (gesamter Festivalzeitraum). Choreografie Richard Siegal Musik Einstürzende Neubauten
TANZRAUSCHEN
+ Festival Wuppertal
Sehr glücklich ist TANZRAUSCHEN über die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem IMZ International Music + Media Centre, Wien. Mehr als 200 Tanzfilme aus über 30 verschiedenen Ländern sind für den Wettbewerb eingegangen, von denen über 60 im Wuppertaler REXFilmtheater gezeigt werden. Zudem wird es im Rahmen des TANZRAUSCHEN Festivals ab Donnerstag dem 21. November 2019 einen dreitägigen kreativwirtschaftlichen Screen Dance Market geben.
die börse
Ausstellung und Präsentation my move my place Tanzrauschen-Tanzfilmprojekt mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Wuppertal, Jo Parkes und Julia Franken Sonntag, 24. November 2019, 11 Uhr, Finissage
I n t e r n a t i o n a l Vorankündigung ausgesuchter Veranstaltungen: Dance on Screen . Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie + S c r e e nFreitag,D22.aNovember n c e2019, 15M . Rex-Filmtheater Uhra r k e t Donnerstag, 21. November 2019, 20.30 Uhr Podiumsgespräch zum Tanzfilm als Motor der TransRex Filmtheater . Wuppertal . Opening Event mit der Weltpremiere von touched formation von Stadtgesellschaft von Jukka Rajala-Granstubb und Marc Wagenbach 21. – Loch 24. 11. 2019 . Samstag, 23. November, 20 Uhr dancescreen 2019 Award Ceremony Donnerstag, 21., bis Sonntag, 24. November 2019 Tanzfilme kurz und lang, dokumentiert oder für die Leinwand choreografiert, lebendig, politisch, queer, witzig oder geheimnisvoll.
Lounge, Party, Digital dancescreen 2019, Library, Leseecke zu Tanz, Film und Tanzfilm, Open House und Open Space, Tanzen interaktiv mit Avataren, Meet the Jury, Gespräche, Austausch, Ausruhen, Tanzen und Konzerte.
w w w.ta n z ra u s c h e n .d e
Schauspielhaus Donnerstag, 21., bis Samstag, 23. November 2019 Screen Dance Market und Rahmenprogramm mit Ausstellungen Netzwerktreffen, Vorträge, dancescreen 2019 Pitching Session, One-on-One Expert Speed Dating, VR-Präsen tation und künstliche Intelligenz (ganztägig).
Donnerstag, 21. November 2019, ab 14 Uhr, Open House und 20 Uhr Jam Session, Festival-Eröffnungsparty Freitag, 22. November, ab 14 Uhr Open House und 20 Uhr Brötzmann, Festivalparty Samstag, 23. November, ab 11 Uhr Open House und 20 Uhr Salomea, Award Ceremony-Party Sonntag, 24. November, ab 11 Uhr Open House und ab 16 Uhr Battle Urban Art and Contemporary 73
BÜHNE:
Giacomo Puccini das wohl stilechteste Werk der italienischen Operngattung »Verismo«. Das Gefühlsleben der einzelnen Figuren wird in eine psychologisch aufgeladene und im besten Sinne wahrhaftige Musik umgesetzt, der man sich emotional kaum entziehen kann.
Wuppertaler Bühnen Opernhaus Wuppertal Kurt-Drees-Straße 4, 42283 Wuppertal Premiere Samstag, 2. November 2019, 19,30 Uhr
Theater am Engelsgarten
La Bohème
Giacomo Puccini Einer der berührendsten Opernstoffe überhaupt und die ideale Einstiegsdroge für Opernneulinge. In der Pariser Künstlerszene im Quartier Latin geht es scheinbar lustig zu. Man lebt von Luft und Liebe: Der Maler Marcello und Musetta streiten und versöhnen sich regelmäßig lautstark; der Schriftsteller Rodolfo lernt am Weihnachtsabend die Blumenstickerin Mimì kennen und lieben. Doch dann wird es tragisch: Mimì ist an Tuberkulose erkrankt und kann sich keine Behandlung leisten. Zu spät erkennen die Bohemiens den Ernst der Lage, und Mimì stirbt. Mit seiner Bearbeitung des Fortsetzungsromans „Das Leben der Bohème“ von Henri Murger gelang
VON DER HEYDT-MUSEUM WUPPERTAL
Engelsstraße, 42283 Wuppertal Premiere Samstag, 7. Dezember 2019, 19.30 Uhr
Bilder deiner großen Liebe
von Wolfgang Herrndorf, Bühnenfassung von Robert Koall Ein Mädchen steht im Hof einer Anstalt. Das Tor geht auf, das Mädchen huscht hinaus und beginnt seine Reise – durch Wälder, Felder, Dörfer und an der Autobahn entlang: „Die Sterne wandern, und ich wandre auch.“ Isa heißt sie, und Isa wird den Menschen begegnen – freundlichen wie rätselhaften, schlechten wie traurigen. Einem Binnenschiffer, der vielleicht ein Bankräuber ist, einem merkwürdigen Schriftsteller, einem Mann auf dem Friedhof. Und auf einer Müllhalde trifft sie zwei Jungs, die mit einem geklauten Auto unterwegs sind, einer davon gefällt ihr. Der so hinreißenden wie unberechenbaren Isa, die in dem Kultroman „Tschick“ einen unvergesslichen Gastauftritt hatte, hat Wolfgang Herrndorf seinen letzten, Fragment gebliebenen Roman „Bilder deiner großen Liebe“ gewidmet, der im Jahr 2014 postum veröffentlicht wurde.
MUSIK: Historische Stadthalle
6.10.2019 -16.2.2020
Johannisberg 40, 42103 Wuppertal
ELSE LASKERSCHÜLER
Sonntag, 27. Oktober 2019, 11 Uhr Montag, 28. Oktober 2019, 20 Uhr 2. Sinfoniekonzert BACKGAMMON Sinfonieorchester Wuppertal, Dirigent: Johannes Pell
„Prinz Jussuf von Theben“ und die Avantgarde
Else Lasker-Schüler, Jussuf, 1927 Literatur- und Kunstinstitut Hombroich / Sammlung Kahmen
ELS-DiebesteZeit_90,3bx127,5h.indd 1
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Richard Strauß Don Juan op. 20 Sergei Prokofjew Suite aus der Filmmusik zu Leutnant Kishe op. 60 Giacomo Puccini Preludio sinfonico op. 1 Ottorino Respighi Pini di Roma
10.05.2019 17:10:23
Sonntag, 17. November 2019, 11 Uhr Montag, 18. November 2019, 20 Uhr 3. Sinfoniekonzert MEMORY Klavier: Herbert Schuch Sinfonieorchester Wuppertal Dirigent: Matthias Foremny Leonard Bernstein Three Dance Episodes from On the Town Wolfgang Amadeus Mozart Klavierkonzert Nr. 24 c-Moll KV 491 Bela Bartok Konzert für Orchester Sz 116
Sonntag, 15. Dezember 2019 11 Uhr Montag, 16. Dezember 2019 20 Uhr 4. Sinfoniekonzert MIKADO Violine: Kerson Leong Mezzosopran: Iris Marie Sojer Sprecher: Thomas Braus Opernchor der Wuppertaler Bühnen Amici del Canto Sinfonieorchester Wuppertal Dirigentin: Julia Jones Wolfgang Amadeus Mozart Sinfonie Nr. 50 D-Dur KV 141a Benjamin Britten Violinkonzert d-Moll op. 15 Lutz-Werner Hesse „Ich habe Dich gewählt …“ Symphonisches Gedicht Nr. 2 op. 82 (UA)
Peter Kowald Gesellschaft/ ort e. V. Luisenstraße 116, 42103 Wuppertal Samstag, 12. Oktober 2019, 20 Uhr
Petit Standard
Vesna Pisarovic (Stimme), John Betsch (Schlagzeug) und Joe Fonda (Bass) erforschen, wie sich mit einer Minimalisierung der Form ein Maximum an Ausdrucksmöglichkeiten erreichen lässt. Dabei greift das Trio das Genre des Jazzstandards wieder auf – aber auch Stücke von Größen wie Mal Waldron, Charles Mingus und Steve Lacy – und das mit einem spielerisch dekonstruktiven, experimentellen Ansatz.
Sonntag, 3. November 2019, 18 Uhr
Novus String Quartet
W. A. Mozart Streichquartett B-Dur KV 458 „Jagdquartett“ Gideon Klein Streichquartett Nr. 2 (1941) Johannes Brahms Streichquartett e-moll, op. 51 Nr. 2
Samstag, 2. November 2019, 20 Uhr Soundtrips-Festival (siehe S. 77) Sonntag, 3. November 2019, 20 Uhr
Gorilla Moon und Wolfgang Schmidtke (siehe Seite 60 bis 63) Donnerstag, 21. November 2019, 20 Uhr
Ericson/Nästesjö/Berre Trio
Drei Musiker aus Schweden und Norwegen bringen skandinavischen Modern und Impro Jazz der Extraklasse mit: hörbar, fühlbar, schräg und schön zugleich. Das Trio spielt in der Besetzung Saxofone/Klarinetten, Bass, Schlagzeug. Sonntag, 24. November 2019, Matinee, 12 Uhr
Improvisation: Musizieren – Besprechen
Trio Day & Taxi
Samstag, 26. Oktober 2019, 20 Uhr
Saitenspiel
Heterogenität, Zufall, Minimalismen, Alltäglichkeit, Poesie und auch Künstlichkeit in Form von Sentimentalitäten ihren Platz haben.
Mascha Cormann Solo und Trio Day & Taxi Das Doppelkonzert wird eröffnet von der Stimmkünstlerin Mascha Corman. Ihr Thema sind die Möglichkeiten der menschlichen Stimme, die sie in Verbindung von Wort, Ton und Geräusch in Komposition und Improvisation auslotet. An der Schnittstelle von Komposition und Improvisation bewegt sich das Trio Day & Taxi. Unbeeindruckt von Trends machen Christoph Gallio (Saxofone), Silvan Jeger (Stimme und Kontrabass) und Gerry Hemingway (Schlagzeug) zeitgenössische Musik, in der stilistische
Beim ersten Gesprächskonzert der Saison trifft Gastgeber Christoph Irmer (Violine) auf den Pianisten, Improvisator, Forscher und Musikpädagogen Reinhard Gagel. Improvisation, sagt er, sei für ihn immer eine soziale Kunst. Nach einem Solo des Gastes kommen die beiden Musiker darüber ins Gespräch, um abschließend gemeinsam zu musizieren. Mittwoch, 4. Dezember 2019, 20 Uhr soundtrips NRW: Uwe Oberg und Silke Eberhard Zwei virtuose und originelle Köpfe finden sich im Spiel: Silke Eberhard (Saxofon) und Uwe Oberg (Klavier). Beiden gemeinsam ist ein stets unkonventioneller Blick auf Kompositionen und ein spielerischer, enorm abwechslungsreicher Umgang mit Improvisation. Gäste: Jonas Gerigk (Bass), Patrick Hagen (Klarinette). 75
Donnerstag, 5. Dezember 2019, 20 Uhr
Alexander von Schlippenbach Trio
Immer wieder ein Glanzlicht zum Jahresende und lieb gewordene Tradition ist das Konzert der Alt-Heroen des Free Jazz Alexander von Schlippenbach (Piano), Evan Parker (Saxofon) und Paul Lytton (Schlagzeug), die mehr als ein halbes Jahrhundert Improvisationskunst mitbringen. Freitag, 13. Dezember 2019, 20 Uhr
sonata erronea
In klassischer Duo-Besetzung laden die Improvisationsmusikerinnen Gunda Gottschalk (Geige) und Dušica Cajlan-Wissel (Klavier) zu einer besonderen Hörreise ein. Das musikalische „Jetzt“ zu formulieren, ist die Essenz ihrer Arbeit. Gemeinsam entdecken sie Umwege, Abwege und Seitenwege hinter ihrer klassischen Ausbildung und lassen eine fantasievolle, eigenartig-lyrische Musik entstehen.
getan – dem Bassisten Thomas Morgan und Schlagzeuger Joey Baron, der bereits mit so ziemlich allen Größen des Jazz zusammengespielt hat. Das Trio spielt Stücke aus Bros breitem Repertoire, entwickelt sie aber jeden Abend neu. Samstag 26. Oktober 2019, 20 Uhr
Emile Parisien Quartet
Jazzpension
Die 20-köpfige Big Band der Bergischen Musikschule ist mit viel Spielfreude und Ehrgeiz auf den Spuren der Jazzmusik der letzten 50 Jahre unterwegs. Jazz, das ist die Musik, die alle Mitglieder dieser Big Band unter der Leitung des Trompeters Martin Zobel zusammengeführt hat und verbindet.
Samstag, 23. November 2019, 20 uhr
Salomea Emile Parisien Quartet, Foto: John Rogers
Fuchsthone Orchestra
Das von den Komponistinnen Christina Fuchs und Caroline Thon geleitete Fuchsthone Orchestra vereint 22 herausragende Kölner Musikerinnen und Musiker. Es steht für einen neuen, orchestralen Sound, der genrespezifisch über Grenzen hinauswächst und die Zuhörerinnen und Zuhörer auf eine spektakuläre Klangreise mitnimmt.
Samstag 12. Oktober 2019, 20 Uhr
Jakob Bro Trio
In seinem aktuellen Trio hat sich der gefeierte dänische Gitarrist Jakob Bro mit zwei seelenverwandten US-amerikanischen Jazzmusikern zusammenFuchsthone Orchestra
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Seit 2015 haben sich Peter Brötzmann (Saxofone, Klarinetten) und Heather Leigh (Pedal Steel Guitar) als beeindruckendes Duo etabliert, das mit seinem einzigartigen, dynamischen Sound das Publikum weltweit elektrisiert.
Salomea
Samstag, 16. November 2019, 20 Uhr Samstag, 5. Oktober 2019, 20 Uhr
Brötzmann/Leigh
Vital, neugierig und progressiv setzt die französische Szene wichtige Wegmarken für die Entwicklung des europäischen Jazz. Saxofonist Emile Parisien ist einer ihrer Protagonisten: ein Jazzvisionär, der mit einem Bein in der Vergangenheit steht und den Blick weit nach vorne richtet. Das macht ihn zur „besten Neuigkeit des europäischen Jazz seit Langem“ (Le Monde).
Jazz Club im Loch Ecke Ekkehardstraße/Plateniusstraße 42105 Wuppertal
Freitag, 22. November 2019, 20 Uhr
In konstanter Entwicklung mit ihren langjährigen Bandkollegen Yannis Anft (Keys), Oliver Lutz (Bass) und Leif Berger (Drums) erfindet die Deutschamerikanerin Rebekka Salomea Songs am Zahn der Zeit mit exzentrischen Beats, geformt aus Elektronik, LiveEffekten und facettenreichen Vocals. Mittwoch, 18. Dezember 2019, 20 Uhr Moving Krippenspielers mit
Matthias Schriefl & Friends
Sieben Musikerinnen und Musiker, rund dreißig Instrumente, Weihnachtslieder, weihnachtliche Kostüme, eine Weihnachtsgeschichte, die viel Platz für Kreativität und Interaktion auf der Bühne lässt, Gesang und ein paar Volkstänze – das sind die Zutaten für dieses zeitlose Krippenspiel. Balkan trifft Jazz trifft Schlager trifft Pop trifft Ska trifft Punk trifft Samba trifft Afrobeat.
Opernhaus Wuppertal Kurt-Drees-Straße 4, 42283 Wuppertal Sonntag, 27. Oktober 2019, 18 Uhr Wolfgang Schmidtke Orchestra spielt Musik aus Pina-Bausch-Stücken. Wolfgang Schmidtke kommt mit seinem 15-köpfigen Wolfgang Schmidtke Orchestra ins Wuppertaler Opernhaus. Für das Konzert unter dem Titel „Nimm doch die Pfeife aus dem Maul, du Hund“ hat er Musiken aus den Pina-Bausch-Stücken „Fürchtet Euch nicht“ und „Café Müller“ bearbeitet und formuliert so Werke von Kurt Weill und Henry Purcell in einer zeitgenössischen Jazzsprache.
soundtrips NRW-Festival
Schwebeklang Klangkosmos Weltmusik Internationale Musikkulturen in Wuppertal
Lutherstift Schusterstraße 15, 42105 Wuppertal Donnerstag, 17. Oktober 2019, 18 Uhr Sazet e Përmetit Albanien Saze Polyphonie
Swane Design Café Luisenstraße 102a, 42103 Wuppertal Donnerstag, 7. November 2019, 20 Uhr Afrika Mamas Südafrika A Cappella Zulu Sextett
Museum für Asiatische Kunst
Donnerstag, 31. Oktober, bis Sonntag, 3. November 2019, in Moers, Bonn, Wuppertal und Münster
Sieplenbusch 1, 42477 Radevormwald
soundtrip NRW feiert im Herbst 2019 ein großes, städteübergreifendes Festival. Protagonist der 46. soundtrips NRW-Ausgabe ist der Saxofonist Torben Snekkestad. Er ist an allen vier Abenden in das Festival eingebunden und wird seinen soundtrip anschließend fortsetzen. Beim Konzert am 2. November, 20 Uhr, im „ort“, Wuppertal, spielt er mit den soundtripsKuratoren Erhard Hirt (Gitarre), Martin Blume (Schlagzeug), Carl Ludwig Hübsch (Tuba) und Nicola Hein (Gitarre). Als Solistin ist mit der französischen Kontrabassistin Joëlle Léandre eine der ganz Großen ihres Fachs dabei. Hinzu kommen Nakama, eine fünfköpfige Band unter der Leitung des norwegischen Bassisten Christian Meaas Svendsen. Ihre Musik speist sich aus Einflüssen aus der modernen zeitgenössischen Musik und verschiedenartiger traditioneller Musik aus der ganzen Welt. www.soundtrips-nrw.de
Ein Mix aus Filmklassikern, Chansons und Weihnachtlichem Ihre Engagements führen sie durch die ganze Welt. Im TV, auf Konzertund Varietébühnen oder bei Galaveranstaltungen unterstreicht sie ihre ausdrucksstarke Stimme mit exzellenter visueller Performance.
Sonntag, 1. Dezember 2019, 16 Uhr
Sabine Heil
Forum Leverkusen, Bayer Erholungshaus, Scala ... Do., 7., bis So., 17. November 2019
40. Leverkusener Jazztage 2019 Kenny Wayne Shepherd, Lydie Auvray, WDR Big Band, Jin Jim, Andy McKee, Simon Phillips, Billy Cobham, Bill Evens, Kimberose, Götz Alsmann, Klaus Doldinger, Nino Kartamadze & Band, Al Di Meola ...
Programm, Adressen: www.leverkusener-jazztage.de
Ein Film von Liz Garbus, 2016, 116 min. Mit Welthits wie „My Baby Just Cares For Me” ist Nina Simone zur Legende geworden. Die Sängerin eckte an und engagierte sich schon früh in der schwarzen Befreiungsbewegung.
die börse
Donnerstag, 7. November 2019, 20 Uhr
Regie: Anna Kerstin Kinder in Indien nehmen ihr Leben in die eigenen Hände. Sie sind nicht länger bereit, soziale Missstände und Umweltverschmutzung zu ertragen und gründen ein Kinderparlament.
It Must Schwing!
The Blue Note Story Ein Film von Eric Friedler, 2018, 108 min. Die schillernde Geschichte des Jazzlabels. 1939 gründeten Alfred Lion und Frank Wolff in New York das legendäre Jazz-Label Blue Note Records.
KINO: Peter Kowald Gesellschaft/ ort e. V. Luisenstraße 116, 42103 Wuppertal Eintritt frei! Donnerstag, 10. Oktober 2019, 20 Uhr
what happened, Miss Simone?
Wolkenburg 100, 42119 wuppertal
die Börse 4 Future Mittwoch, 17. Oktober 2019, 20 Uhr Klimakino:
Power to the Children
Donnerstag, 12. Dezember 2019, 20 Uhr
Willem Breuker
Ein Film von Paul van den Bos, NL 2010 Der Niederländer war fast vier Jahrzehnte lang einer der hellsten Stars des europäischen Free Jazz und der zeitgenössischen klassischen Musik
Kultur auf der Siegesstraße Das Programm im Oktober, November, Dezember 2019
Samstag 12. Oktober 19 Uhr
Klavierkonzert für vier Hände
Freitag 15. November 19 Uhr
Doc Martin & the fabulous BARBAND
Freitag 20. Dezember 19 Uhr
Dreams Divine
Das Piano-Duo Emotion Lea-Yoanna Adam und Denis Ivanov präsentieren ein Klavierkonzert für vier Hände. Erleben Sie Stücke von Chopin, Debussy, Schubert-Liszt und Rachmaninov in höchster Virtuosität. Vocal/Keyboard, Bass/Vocal, Drums/Cajon, Saxophon Seit mehr als 20 Jahren ist der Name der Band Programm: Lässig beschwingte, doch zugleich ausdrucksstarke Songs mit Tiefe und Charakter, die an die Größen der 70er und 80er wie Supertramp oder Joe Jackson erinnern. VVK: 10 €, AK: 12 € Luisa Schubert, Karolin Pickshaus und Giusi Romano Erleben Sie mit Dreams Divine ein herrliches Weihnachtskonzert im festlich geschmückten Saal. Singen Sie mit den Künstlerinnen gemeinsam die schönsten Weihnachtslieder. Ein stilvoll feierlicher Auftakt in die Hochweihnachtszeit. VVK: 10 €, AK: 12 € Anmeldung/Onlinebuchung: www.larena-wuppertal.de „l‘aréna“, Siegesstraße 110, 42287 Wuppertal
Tel.: 02 02 / 42 97 83 - 50/51/52, info@larena-wuppertal.de
Power to the Children, Demo gegen Plastik, Foto: Anna Kerstin
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Wuppertal Cronenberg Buchhandlung Nettesheim Hauptstraße 17, 42349 Wuppertal, (0202) 47 28 70, www.nettesheim.de Wuppertal Ronsdorf Ronsdorfer Bücherstube Christian Oelemann, Staasstraße 11, 42369 Wuppertal, (0202) 2 46 16 03, www.buchkultur.de Wuppertal Vohwinkel Buchhandlung Jürgensen Vohwinkeler Straße 1, 42329 Wuppertal, (0202) 73 09 42, www.buch-juergensen.de Friseursalon Capilli Heinrich Wermann, Manteuffelstr. 2, 42329 Wuppertal, (0202) 30 13 22, www.capilli.de Radevormwald Museum für Asiatische Kunst Sieplenbusch 1, 42477 Radevormwald, (02195) 93 16 76, www.asianart-museum.de Remscheid Buchhandlung Thalia Remscheid Alleestr. 74, 42853 Remscheid, (02191) 59 15 50, www.thalia.de Solingen Kunstmuseum Solingen Museumsshop, Wuppertaler Str. 160, 42653 Solingen, (0212) 25 81 40, www.kunstmuseum-solingen.de Leverkusen Schloss Morsbroich Museumsshop, Gustav-Heinemann-Str. 80, 51377 Leverkusen, (o214) 8 55 56 28, www.museum- morsbroich.de * bis zum Redaktionsschluss bekannt
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Druck: Offset Company, Wuppertal, Auflage: 1000 Titelbild: Das Lackballett, die Blütenfigurine, Tänzerin: ChengCheng Hu,
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Foto: Thomas von der Heiden 2018 Erscheinungsweise: vierteljährlich, Erfüllungsort und Gerichtsstand: Wuppertal Trotz journalistischer Sorgfalt wird für Verzögerung, Irrtümer oder Unterlassungen keine Haftung übernommen. Texte und Fotos: Bildnachweise/Textquellen sind unter den Beiträgen vermerkt. Haftung oder Garantie für Richtigkeit, Aktualität, Schreibweise, Inhalt und Vollständigkeit der Informationen kann nicht übernommen werden. Kürzungen bzw. Textänderungen, sofern nicht sinnentstellend, liegen im Ermessen der Redaktion. Für unverlangt eingesandte Beiträge kann keine Gewähr übernommen werden. Nachdruck - auch auszugsweise - von Beiträgen innerhalb der gesetzlichen Schutzfrist nur mit der ausdrücklichen Genehmigung des Verlages.
Verlag Wuppertal Schwebetal Verlag Wuppertal W. Barczat R. Küster H. Steidler J. Steinbach Friedrich-Engels-Allee 191a · 42285 Wuppertal Telefon: 0202 3134 31 · info@schwebetal-verlag.de www.schwebetal-verlag.de
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The art of tool making
14.12.17 13:02
Saitenspiel:
„In Liebe und Verehrung“
Die Konzertreihe „Saitenspiel“ widmet sich in Liebe und Verehrung den tschechoslowakischen Komponisten Gideon Klein, Viktor Ullmann, Erwin Schulhoff, Hans Krása und Pavel Haas. Sie wurden in jungen Jahren vom damaligen NS-Regime verfolgt, in deutsche Konzentrationslager deportiert und dort ermordet.
Schumann Quartett
Pablo Barragán
Sonntag, 29.09. 2019, 18.00 Uhr
Samstag, 28.03. 2020, 18.00 Uhr
Schumann Quartett mit Pablo Barragán, Bassetklarinette
Meccore String Quartet
W. A. Mozart Streichquartett D-Dur KV 499 „Hoffmeister- Quartett“ Viktor Ullmann Streichquartett Nr. 3 op. 46 W. A. Mozart Klarinettenquintett A-Dur KV 581
Meccore String Quartet
Sonntag, 03.11. 2019, 18.00 Uhr
Sonntag, 29.03. 2020, 18.00 Uhr
Novus String Quartet
Bennewitz Quartett
W. A. Mozart Streichquartett B-Dur KV 458 „Jagdquartett“ Gideon Klein Streichquartett Nr. 2 (1941) Johannes Brahms Streichquartett e-moll, op. 51 Nr. 2
Pavel Haas Streichquartett Nr. 2 op. 7 „Von den Affenbergen“ (mit Schlagzeug) Franz Schubert Streichquintett C-Dur D 956
Bennewitz Quartett
Sonntag, 17.05. 2020, 18.00 Uhr
Jerusalem Quartet
Sonntag, 19.01. 2020, 18.00 Uhr
Rolston String Quartet Novus String Quartet
Rolston String Quartet
Leoš Janáček Streichquartett Nr. 1 „Kreutzersonate“ Hans Krása Streichquartett (1921) Passacaglia und Fuge (1944) für Streichtrio Pjotr Tschaikowski Streichquartett Nr. 2 F-Dur op. 22
Felix Mendelssohn Bartholdy Streichquartett a-moll op. 13 Erwin Schulhoff 5 Stücke für Streichquartett (1924) Ludwig van Beethoven Streichquartett B-Dur op. 130 mit Großer Fuge B-Dur op. 133 An jedem Montag nach den Sonntagsveranstaltungen finden zwei Konzerte für Schulklassen statt.
Jerusalem Quartet
Joseph Haydn Streichquartett Nr. 2 op. 72 „Quintenquartett“ Erwin Schulhoff 5 Stücke für Streichquartett (1924) Ludwig van Beethoven Streichquartett a-moll op. 132
Donnerstag, 11.06.’20, 18.00 Uhr
Prisma Quartett
Prisma Quartett
Zoltán Kodály Streichquartett Nr. 2 op.10 Pavel Haas Streichquartett Nr. 3 op. 15 Ludwig van Beethoven Streichquartett e-moll op. 59 Nr. 2 Veranstalter: Saitenspiele Wuppertal gGmbH
In der Historischen Stadthalle Wuppertal
www.saitenspiel.de