"die beste Zeit", September-Dezember 2016

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Editorial

„Es sind nicht die äußeren Umstände, die das Leben verändern, sondern die inneren Veränderungen, die sich im Leben äußern.” Wilma Thomalla (Deutsche Publizistin)

Liebe Freundinnen und Freunde der Besten Zeit, vor gut einem Jahr habe ich meine Berufstätigkeit eingestellt - nach 55 Jahren intensiver Arbeit ein Entschluss, der mir zunächst nicht gerade leichtgefallen ist. Ich befinde mich nun in einer eher ruhigen Phase meines Lebens, woran ich mich erstaunlich schnell gewöhnt habe. In der Vergangenheit habe ich sehr gern und leidenschaftlich meine Druckerei und die Galerie Epikur betrieben sowie das Magazin „Die Beste Zeit“ herausgegeben. Ich habe die Zeitschrift mehr oder weniger als Einzelkämpfer redaktionell auf den Weg gebracht – natürlich immer mit Beiträgen von vielen kulturbegeisterten Mitstreitern, die mich in all den Jahren stets engagiert begleitet und mit ihren Artikeln unterstützt haben. Nur so ist es mir gelungen, das Magazin von 2009 bis 2015 inhaltlich immer interessant zu gestalten und es teilweise auf über hundert Seiten anwachsen zu lassen. Ich habe mich gewundert, dass es in der Szene nach meinem Entschluss, das Heft einzustellen, geradezu einen Aufschrei gab. Autoren wie Karl-Heinz Krauskopf suchten intensiv nach einer Möglichkeit, das Heft weiterhin zu publizieren. Schließlich wuchs die Idee, die Zeitschrift von dem Team um Rita Küster, Juliane Steinbach, Willi Barczat und Helmut Steidler fortführen zu lassen. Ich war sofort damit einverstanden. Rita und Juliane sind mir seit rund 30 Jahren bekannt, ihre künstlerische Tätigkeit habe ich stets geschätzt, und so ist zwischen uns mit der Zeit eine freundschaftliche Beziehung gewachsen. Daher ist es mir eine Freude, meine Zeitschrift in tatkräftigen und sehr professionellen Händen zu wissen. Fast alle Autoren haben ihre Arbeit für das Magazin nahtlos fortgesetzt, und erfreulicherweise haben die Inserenten der „Besten Zeit“ die Treue gehalten. Zudem wurden viele weitere Verkaufsstellen in der Stadt gefunden, die das Heft nun anbieten.

Als ich im Mai das erste Exemplar in meinen Händen hielt, war mir sofort klar, in jeder Beziehung die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Ich war einfach begeistert und fast schon etwas beschämt, denn Aufmachung und Layout sind deutlich professioneller geworden. In der ersten Ausgabe konnte ich von vielen mir vertrauten Autoren Neues lesen, und es beeindruckte mich, dass selbst E. Dieter Fränzel, den ich nie für einen Artikel gewinnen konnte, zum Gelingen des neuen Heftes beigetragen hatte. Inzwischen liegt mir ein Entwurf der zweiten Ausgabe vor. Auch hier finde ich spannende Beiträge, die die regionale Kulturlandschaft beleuchten. Das Ganze ist wieder erstklassig layoutet, ein ästhetischer Genuss! Es bleibt mir zu wünschen, dass sich die vier Herausgeber mit der gleichen Freude wie ich und ausreichend Durchhaltevermögen ihrer neuen Aufgabe widmen werden. Und ich hoffe, dass „die beste Zeit” ein wichtiger Bestandteil unserer hiesigen Kulturlandschaft bleiben wird. In diesem Sinne beglückwünsche ich das Team zu seinem enormen Engagement und dem investierten Herzblut. Außerdem möchte ich mich bei Autoren und Inserenten noch einmal für die vertrauensvolle Zusammenarbeit der letzten Jahre bedanken. Herzliche Grüße, Ihr HansPeter Nacke


Inhalt 12 Cristiana Morganti: ein Porträt

„Identität ist im Fluss und Kunst ein Spiel mit den Möglichkeiten des Lebens“ 4 Pina Bausch Zentrum

Lebendiges Denkmal Zwei Giganten der Kunst im Wettlauf zur Moderne

Edgar Degas und Auguste Rodin

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Tatjana Valsang in der Konrad Fischer Galerie

Juicy Pop-Up-Informel!

10 12 18

Zahra Hassanabadi

Eine Künstlerin mit Sinn und Sinnlichkeit

22

David Czupryn erhält Kunstpreis

Bergische Kunstausstellung zeigt surreale Bilderwelten A. und P. Poirier im Skulpturenpark Waldfrieden

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Erinnerung als plastische Kunst

Gargonza Arts, Ausstellung im MAKK Köln

so zusammen oder anders

Theaterstück von Safeta Obhodjas

Funken aus einem toten Meer 50 Jahre Peter Hammer Verlag

Wenn Träume wahr werden Carola Lepping und die Welt ihrer Romane

Ein wenig Fortune gehört schon dazu

38 2

Michael Zeller

letzter stand

26 30 32 34 38 42 46


Die Lyrik der Safiye Can

Diese Haltestelle hab ich mir gemacht 48 Ein Nachruf auf Thomas Beimel

Unabhängige Geister sind rar gesät Kammerkonzerte in der Historischen Stadthalle Wuppertal

Saitenspiel

48

51

52

Opernsaison 2016/17 in Wuppertal und Hagen

Aufbruch in Wuppertal, Kreativität trotz Unsicherheit in Hagen Esperanza Spalding im Skulpturenpark

Landung einer Außerirdischen Ein Ausblick

Jazztage in Leverkusen Ein Stück Elberfelder Geschichte

Das Danielhaus

Remscheider „Streets“-Festival:

Eine Kulturinitiative machts möglich Ein Künstlerzentrum in New York

Westbeth

Neue Kunstbücher vorgestellt von Thomas Hirsch

Programme der Avantgarde Paragraphenreiter

Paradoxe Antwort Ausstellungen, Bühne, Musik

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60

60 64 66 68 72

68

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Kulturtipps

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Verkaufsstellen

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Impressum

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„Identität ist im Fluss und Kunst ein Spiel

Szene aus „Jessica and me“, Foto: Virginie Kahn

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Die Bühne ist leer. Keine Musik. Stille. Auftritt Cristiana Morganti in ihrem jüngsten Stück Jessica and Me. Sie schreitet gemessen, die Fußsohlen rollen sanft ab, der Körper gespannt. Jeder Schauspieler, jeder Tänzer weiß um die besondere Bedeutung des Gehens auf der Bühne. Präsenz baut sich auf, nichts ist zufällig auf der Bühne, alles kalkuliert. Die Zuschauer wissen es auch. Und Cristiana Morganti weiß natürlich, dass das Publikum es weiß. „Nooo!“, ruft sie, lang gedehnt. „Nein, so bedeutungsvoll kannst du hier nicht auf der Bühne schreiten. Nicht nach 20 Jahren mit Pina!“ Damit ist der Ton, aber auch das Thema von „Jessica und Me“ schon mit dem ersten Auftritt vorgegeben. Morganti spielt permanent mit den Erwartungen des Publikums; einmal fragt sie: „Soll ich tanzen oder soll ich sprechen?“ und wird abwechselnd beides tun. Immer wieder gibt es diese Momente einer heiteren, romantischen Ironie, in denen die Themen des Stücks und seine Form sich spiegeln: Morganti geht der Frage nach, ob es möglich ist, aus dem Schatten einer großen Meisterin herauszutreten und nach zwei Jahrzehnten der Zusammenarbeit mit Pina Bausch eine eigene künstlerische Identität aufzubauen. Die Antwort dazu soll das Stück selbst liefern. Jessica and Me.

Rückblenden 1967 wird Cristiana Morganti in Rom geboren. Sie ist Einzelkind. Ihr Vater ist Rechtsanwalt, die Mutter Sozialarbeiterin, die sich in den Armenvierteln Roms für benachteiligte Jugendliche einsetzt und als Aktivistin für die Rechte der Frauen kämpft. Beide Eltern sind politisch engagiert. Die Zeit, in der Cristiana Morganti als Jugendliche aufwächst, ist in Italien wie in ganz Europa eine aufgewühlte Zeit. Es ist die Zeit, in der Italien von einer Terrorwelle der Roten Brigaden und der nicht weniger aggressiven Reaktion der politischen Rechten heimgesucht wird; Freunde der Familie Morganti sind betroffen. „Ich habe die Diskussionen am Essenstisch miterlebt, wenn meine Eltern politisch gestritten haben, was sie immer in großem Respekt vor dem anderen und dessen Auffassungen getan haben“, erinnert sich Morganti. „In dieser Zeit bin ich politisch sensibilisiert worden, und bis heute spielt das Interesse für gesellschaftliche Fragen eine große Rolle in meinem Leben. Kunst ist immer gesellschaftlich verortet und meiner Meinung nach in einem sehr weiten Sinne politisch. Gerade heute sollten wir uns daran erinnern, dass es nicht selbstverständlich ist, in einer Demokratie zu leben, und die Werte dieser Staatsform aktiv verteidigen.“

mit den Möglichkeiten des Lebens“

Cristiana Morganti: ein Porträt 5


Szene aus „Jessica and me“, Foto: Antonella Carrara

Doch nicht nur Politik ist ein Thema, an das die Eltern ihre Tochter heranführen. Sie nehmen den Teenager mit ins Theater, die junge Cristiana erlebt Aufführungen der Commedia dell‘arte, der italienischen Klassiker Goldoni und Pirandello. Der Vater ist aber auch dem AvantgardeTheater gegenüber aufgeschlossen, und so erlebt Cristiana schon früh zeitgenössische Ausdrucksformen des Theaters.

Mit 18 Jahren schließt sie ihre Ausbildung zur Balletttänzerin erfolgreich ab. „Mir war aber klar, dass ich keine Primaballerina sein würde und mich eher in Nebenrollen wiederfinden würde. Auch empfand ich das Ballett, das ja eher eine Kunstform des 19. Jahrhunderts ist, als ein zu enges ästhetisches Konzept. Ich war unruhig und auf der Suche nach etwas anderem.“

Zum Tanz kommt Cristiana Morganti fast zufällig. Sie ist noch ein Kind, als der Arzt feststellt, dass sie durch das Schwimmen zu breite Schultern entwickelt habe, und der Familie empfiehlt, dass sie tanzen lernen solle, um graziöser zu werden. So wird sie auf einer privaten Ballettschule angemeldet. Dort erkennt man früh ihr Talent. Mit zehn Jahren absolviert Cristiana Morganti erfolgreich die Aufnahmeprüfung für die Accademia Nazionale di Danza in Rom. „Es war eine harte Schule und für mich eine sehr bedrückende, schwierige Zeit“, sagt sie. „Wir mussten Diäten einhalten und sehr diszipliniert leben und arbeiten.“ So schwer diese Zeit war, so schenkt sie Cristiana Morganti doch eine ganz entscheidende Erfahrung. „Ich habe damals verstanden, dass ich es liebe es, auf der Bühne zu sein.“

Im Teatro Argentina in Rom wird 1986 Pina Bauschs Stück „Viktor“ aufgeführt. Die 17-Jährige ist unter den Zuschauern und ist tief bewegt von der Poesie und Ästhetik, die sie dort erlebt. „Es war eine ‚folgorazione’, es traf mich wie ein Blitz. Ich hatte schon auf einem Video Pina Bauschs ,Frühlingsopfer‘ gesehen. Aber ,Viktor‘ war für mich etwas ganz Neues. Da kam eine deutsche Choreografin, und ihr gelang es, ein großartiges Porträt der Stadt Rom zu schaffen wie zuvor nur Pasolini und Fellini. Die Gerüche, Farben, die Stimmungen Roms hatte sie in diesem Stück eingefangen. Auf der Bühne standen scheinbar ganz normale Menschen, Menschen, von denen man nicht unbedingt annahm, dass sie Tänzer waren, aber wenn sie sich zu bewegen begannen und tanzten, war das pure Magie,

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weil man genau das nicht erwartet hatte. Es war berührend, witzig, poetisch.“ Für Cristiana Morganti ist es der Beginn eines Traums. Es gelingt ihr, die Eltern zu überzeugen, dass sie in einer solchen Compagnie tanzen will. Ein Jahr nach ihrer ‚folgorazione’ geht sie im September 1987 nach Essen, um an der dortigen Folkwang Hochschule Zeitgenössischen Tanz zu studieren. „Das war ein großes Glück, ich konnte den Zeitgeist einatmen, ich hatte so wunderbare Lehrer wie Jean Cebron und Hans Züllig, die noch mit Kurt Jooss zusammen getanzt hatten. Dort bin ich Pina Bausch, die damals das Tanzstudio und die Folkwang Hochschule leitete, zum ersten Mal begegnet.“ Es folgten drei Jahre Arbeit in der Tanzcompagnie „Neuer Tanz“ in Düsseldorf, in denen Cristiana Morganti mit Wanda Golonka und VA Wölfl zusammenarbeitete. „Das waren sehr wichtige Jahre für mich, weil ich dort eine Ästhetik kennenlernte, die der Pina Bauschs diametral ent-

gegensetzt war; es waren künstlerisch sehr eigenständige Produktionen, sehr provokant, scheinbar emotionslos und von großer Symbolik. Ich entdecke jetzt, dass das, was ich in diesen drei Jahren erlebt habe, heute in meine künstlerische Arbeit einfließt.“ 1993 wird Cristiana Morganti Ensemblemitglied beim Tanztheater Wuppertal und taucht für 22 Jahre völlig ein in den Bausch-Kosmos, wird ein Teil dieses Universums – eine prägende Zeit. Sie erzählt, wie bedeutungsvoll die Zusammenarbeit war: „Pina hat mir gezeigt, was für Potenziale in mir stecken. Ich konnte durch sie Begabungen in mir entdecken, von denen ich nicht geahnt hatte, dass ich sie habe. Das war ein großer Reiz. Sie hat mich dadurch immer weitergebracht. Aber es gab in unserer Beziehung auch eine Ambivalenz. Denn sie hat mich auch verunsichert. Sie hat verhindert, dass ich mich in Scheinsicherheiten wiegen konnte, indem sie das, was ich machte, infrage stellte. Sie wollte, dass ich mich nicht in einer falschen künstlerischen Gemütlichkeit einrichtete. Das gab mir manchmal

Szene aus „Jessica and me“, Foto: Claudia Kempf

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Die erste Station auf ihrer Reise ins Neue ist für Cristiana Morganti das Conservatoire national superieur de Paris, wo sie eine Gastprofessur erhält. Der Direktor des Instituts Daniel Agesilas ermutigt sie, eine eigene Choreografie zu entwickeln. Das Stück wird sofort in das Repertoire der Junior Compagnie aufgenommen. Dann ereilt Cristiana Morganti ein Ruf aus Italien: Ob sie eine Hommage an Pina Bausch kreieren könne? Morganti entwickelt daraufhin ihr Stück Moving with Pina, eine Performance, in der sie die Bewegungsarbeit der Choreografin veranschaulicht und Einblicke in ihre persönlichen Erfahrungen ihrer Zeit beim Tanztheater verschafft. „Es gibt so viele Klischees und irrige Vorstellungen über Pina Bausch als Mensch und darüber, wie sie gearbeitet hat. Das wollte ich korrigieren. Ich wollte sie nicht auf einen Sockel stellen, sondern sie einfach so zeigen, wie ich sie bei der Arbeit erlebt habe.“ Das Stück wird mit großem Erfolg in Rom und anderen für den Tanz wichtigen Orten in Italien aufgeführt. Kommenden Dezember wird es im Rahmen der von der Pina Bausch Stiftung kuratierten Ausstellung „Pina Bausch und das Tanztheater“ in Berlin präsentiert. Szene aus „Moving with Pina“, Foto: Antonella Carrara

das Gefühl, dass mir der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Andererseits hat Pina Bausch uns allen immer das Gefühl vermittelt, dass wir für die Compagnie wichtig sind, selbst dann, wenn wir keine tragende Rolle in einem Stück hatten. Wir fühlten, dass sie uns alle auf ihre ganz eigene Weise immer wahrnahm.“ Bis heute ist dieser Einfluss so stark, dass Cristiana nicht weiß, ob ihr der Absprung vom Wuppertaler Tanztheater gelungen wäre, wenn Pina Bausch noch leben würde. „Ich weiß nicht, ob ich ihr in die Augen hätte schauen können und sagen: ,Pina, ich muss jetzt meine eigenen Wege gehen.‘“ Schon so war der Abschied vom Tanztheater Pina Bauschs ein schwerer Schritt, der Mut erforderte. „Ich bin meinen Instinkten gefolgt. Meine innere Stimme sagte mir, dass ich in etwas Neues und Unbekanntes aufbrechen musste. In gewisser Weise war mir Pina ein Beispiel, denn sie hat ihre künstlerischen Entscheidungen teilweise auch sehr instinktiv getroffen: Vertraue deiner Intuition, und wenn du an etwas glaubst, versuche, es unbedingt zu verwirklichen. Ich habe von ihr gelernt, nicht wie man von einer Pädagogin lernt. Es war eher eine Art Osmose.“ 8

Metamorphosen Dann ist es so weit. 2014 Cristiana Morganti verlässt das Tanztheater, dem sie weiterhin als Gasttänzerin verbunden bleibt, und springt in ihr neues Leben. Für ihr Stück „Jessica and Me“ erhielt sie den Premio della Critica Danza & Danza als beste Darstellerin

Szene aus „Moving with Pina“, Foto: Antonella Carrara


und Choreografin des Jahres 2014. Sie setzt sich in dieser Arbeit u. a. mit dem Vermächtnis Pina Bauschs auseinander. Vor allem aber ist es ein Stück über ihre Identitätsfindung. Und zugleich über Tanz und Theater. Um Abstand von Wuppertal zu gewinnen, probt sie zum Teil in Italien und sucht neue Wegbegleiter: die Regisseurin Gloria Paris, die vom Theater kommt, den Lichtdesigner Laurent P. Berger, der häufig mit Robert Wilson arbeitet, sowie die Videokünstlerin Connie Prantera, die u. a. Videos für Punkkonzerte produziert. In diesem Soloabend gelingt der Protagonistin Cristiana Morganti mithilfe ihrer Antagonistin Jessica die allmähliche Befreiung. Jessica ist die innere Spiegelfigur Cristiana Morgantis, die nicht aufhören will, quälende und nervtötende Fragen an die Identität der Protagonistin zu stellen. Zugleich sind Jessicas Fragen die, die sich Cristiana Morganti teilweise selbst gestellt haben mag und die sie dann auf Kassetten gesprochen hat. Jessicas Fragen tönen nun aus dem 70er-Jahre-Rekorder. Ein Spiel, das Samuel Beckett in ähnlicher Form in „Das letzte Band“ gespielt hat. Doch während dort die Fragen und Antworten die Sinnlosigkeit menschlicher Existenz enthüllen, führt Cristiana Morganti die Erschaffung der Identität im Augenblicks des Spiels vor. Und es gehört zu den zauberhaften Wendungen dieses urkomischen Stücks, dass die vermeintlichen Antworten selbst reines Spiel sind. Es könnte so sein, aber auch völlig anders. Etwa die Frage nach Heimat, die sich – fast - jeder Mensch stellt. Ob sie, Cristiana, in all den deutschen Jahren kein Heimweh nach Italien gehabt habe, will Jessica wissen. Statt einer gibt es viele Antworten, die dem Publikum, mit dem sie spielt, viel Raum lassen für eigene Assoziationen und Gedanken. Cristiana Morganti spricht und tanzt zugleich: Antworten zwischen Lächeln und Lachen, Weinen und theatralischen Ausbrüchen auf Italienisch, Französisch, Deutsch und Englisch, und als es an die portugiesische Übersetzung geht, zieht sich die Figur Cristiana Morganti aus, übermalt ihre Taille mit schwarzer Farbe, so als könne sie die Zeit zurückdrehen und in ihre Jugend zurückkehren: Vergangenheit und Gegenwart fallen zusammen. „Leben ist Transformation“, sagt Cristiana Morganti. Identität ist im Fluss und immer ein Spiel mit den Möglichkeiten des Lebens und der Kunst. So wie in ihrem gerade frisch erarbeiteten Stück, das so jung ist, dass es noch keinen Titel hat, aber schon bald in Italien uraufgeführt und im kommenden Frühling auch seine deutsche Premiere in Wuppertal erleben wird. Heiner Bontrup Szene aus „Jessica and me“, Foto: Claudia Kempf

CRISTIANA MORGANTI, Daten 2016 / 2017 VALENCE (Fr) Theatre la Comédie de Valence 20., 21. September 2016 - JESSICA AND ME LYON (Fr), La Biennale de la Danse Theatre la Croix Rousse 24., 25., 27. September 2016 - JESSICA AND ME CLERMONT FERRAND (Fr) Theatre la Comédie de Clermont Ferrand 29., 30. September / 1 Oktober 2016 - JESSICA AND ME VILLEFONTAINE (Fr) Théâtre du Vellein 4. Oktober 2016 - JESSICA AND ME MARSEILLE (Fr) Théâtre Merlan 6., 7. Oktober 2016 - JESSICA AND ME REGGIO EMILIA (It), Festival Aperto Teatro la Cavallerizza 25., 26. Oktober 2016 - PREMIÈRE „NUOVA CREAZIONE“ BERLIN (De) Martin - Gropius - Bau, in Rahmen der Ausstellung „Pina Bausch und das Tanztheater“ 8., 9. Dezember 2016 - MOVING WITH PINA ANGERS (Fr) Centre National de Danse Contemporaine 17. Januar 2017 - JESSICA AND ME PARIS (Fr) Théâtre des Abbesses 16., 17., 18., 19., 20., 22., 23., 24. Mai 2017 - JESSICA AND ME

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Es könnte ein Leuchtturm in der Wuppertaler Kulturlandschaft werden, der in die ganze Welt ausstrahlt: Das Pina Bausch Zentrum im früheren Schauspielhaus an der Kluse. „die beste Zeit“ wird die Entwicklung kontinuierlich begleiten. Zum Auftakt der Serie: ein Gastbeitrag von Wuppertals Kulturdezernent Matthias Nocke.

Pina Bausch während einer Probe mit Jan Minarik, Mechthild Großmann und Raimund Hoghe Foto: Ulli Weiss, © Pina Bausch Foundation

Lebendiges Denkmal Pina Bausch Zentrum will künstlerisches Erbe in die Zukunft tragen

Mit ihrem einzigartigen Werk schrieb sie Tanz-, Theaterund Kulturgeschichte. Um das künstlerische Erbe von Pina Bausch zu bewahren, lebendig zu erhalten und weiterzuentwickeln, soll an ihrer wichtigsten Wirkungsstätte, dem vor 50 Jahren eröffneten Schauspielhaus in Wuppertal, das Pina Bausch Zentrum entstehen: ein nationaler und internationaler Kristallisationspunkt für Kunst und Kultur, offen für eine aktive Beteiligung, für Fragen und Antworten der Bürgergesellschaft. Die Hälfte der Investitionskosten von rund 58 Millionen Euro hat der Bund eingeplant; Stadt und Land werden auch mithilfe von Sponsoren und Stiftungen die andere Hälfte sichern. Die Eröffnung ist für 2022 vorgesehen. Das auf vier Säulen ruhende inhaltliche Konzept entwickelte der künstlerische Leiter und Geschäftsführer des choreografischen Zentrums PACT Zollverein in Essen, Stefan Hilterhaus. Das Pina Bausch Zentrum soll künftig das Tanzland NRW prägen und eine internationale Anziehungskraft ausstrahlen. Das auf weltweiten Tourneen gefeierte Tanztheater 10

Wuppertal Pina Bausch, neben der Pina Bausch Foundation eine der beiden bereits existierenden Säulen, wird damit über eine eigene Spielstätte verfügen, die sowohl Anschluss an eine Tradition bedeutet als auch Bühne für seine Neuausrichtung sein wird. Neben den Stücken von Pina Bausch wird das Ensemble mit Gastchoreografen neue Werke erarbeiten und aufführen. Die Pina Bausch Foundation, die derzeit noch, ebenso wie das Tanztheater, über mehrere Standorte verteilt arbeitet, sichert und digitalisiert den umfangreichen künstlerischen Nachlass. Dazu gehören Produktionsmaterialien wie Videos, Regiebücher, Bühnenbilder, Kostüme und technische Anweisungen, aber auch Fotografien, Musik, Programmhefte, Plakate, Kritiken, Korrespondenzen, Reden und Interviews. Damit bietet die Foundation nicht nur ein unschätzbares Archiv für Wissenschaft und Forschung, sondern sieht sich auch als Labor für den modernen Tanz und als Anziehungspunkt für Nachwuchskünstler aus aller Welt.


Dritte Säule des Konzeptes ist ein internationales Produktionszentrum. Das Pina Bausch Zentrum stellt großen spartenübergreifenden Produktionen und freien Ensembles ein professionelles Umfeld für Proben und Premieren zur Verfügung: unterschiedliche Räume, moderne Technik und geschultes Personal. Zusammen mit der weltweiten Vernetzung von Tanztheater und Foundation also ideale Voraussetzungen, um herausragende Ensembles und junge Talente, aber auch Künstler anderer Sparten wie der bildenden Kunst, der Mode, des Films und der Architektur für die Entwicklung neuer Inszenierungsformen zu gewinnen. Ein Kernelement der Arbeit von Pina Bausch war die Mitwirkung ihrer Akteure an der Entwicklung der Stücke. Die Choreografin stellte Fragen und Aufgaben, gab Stichworte, die die Tänzerinnen und Tänzer in die Bühnenwerke übersetzten. Diesem Impuls und aktuellen gesellschaftlichen Notwendigkeiten folgend wird im Pina Bausch Zentrum – die vierte Säule – ein Forum für Versammlung und Teilhabe geschaffen. In dem Haus entsteht ein sozialer Ort inmitten und ganztägig genutzt von einer heterogenen Stadtgesellschaft. In den Räumen werden aktivierende partizipative Formen neu entwickelt, vorgestellt und erprobt. Unterschiedliche Generationen, Künstler, Wissenschaftler, Urbanisten und Experten aus der sozialen Arbeit sollen bei dieser Begegnung von Kultur und Gesellschaft Beteiligungsprozesse, neue Lern- und Tauschformate initiieren, begleiten und erlebbar machen. Das Forum versteht sich, und hier bleibt das Konzept zwangsläufig bis zur Umsetzung im Jahr 2022 noch ein wenig abstrakt, als realer Wirkungsraum und aktiver Partner für die Fragen der zukünftigen Stadtgesellschaft und spannende Transformationsprozesse.

Die vier Säulen werden jeweils unter einer eigenständigen Führung stehen, aber programmatisch und organisatorisch eng zusammenarbeiten – unter dem gemeinsamen Dach des Pina Bausch Zentrums. Gastautor: Matthias Nocke Weitere Informationen: Über das bauliche Konzept für das Pina Bausch Zentrum wird „die beste Zeit“ in ihrer kommenden Ausgabe informieren. Interessierte können sich zusätzlich am 24. September bei Führungen, die anlässlich des 50. Jahrestages der Eröffnung des Schauspielhauses angeboten werden, einen Eindruck verschaffen. Die Modalitäten der Ticketreservierung standen bei Redaktionsschluss noch nicht fest.

Das Pina Bausch Zentrum soll im Jahr 2022 fertig werden. Das geschlossene Wuppertaler Schauspielhaus soll dafür ab 2019 umgebaut und durch einen Neubau auf der derzeitigen Parkplatzfläche ergänzt werden. Die Kosten werden mit 58 Millionen Euro veranschlagt. Die Hälfte davon übernimmt der Bund, die andere Hälfte übernehmen das Land NRW und die Stadt Wuppertal. Über die Höhe der Folgekosten und deren Finanzierung gibt es noch keine Aussagen. Mit einem Grundsatzbeschluss hat sich der Rat der Stadt 2015 einstimmig zur Schaffung des Zentrums bekannt. Der für den Baubeginn erforderliche Durchführungsbeschluss wird für das erste Quartal 2017 vorbereitet.

Breanna O’Mara in Der Fensterputzer ©Alexander Gouliaev

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Edgar Degas, Tänzerin in Ruhestellung, um 1882/1885, Edgar Degas, Tänzerinnen 1900-1905 (im Hintergrund), Von der Heydt-Museum Wuppertal, Foto: Antje Zeis-Loi

Edgar Degas und Auguste Rodin Zwei Giganten der Kunst im Wettlauf zur Moderne 12


Auguste Rodin, Tanzstudien F, um 1911, Musée Rodin, Paris, Foto: Christian Baraja

Das Von der Heydt-Museum bereitet gerade eine große Ausstellung zu Degas und Rodin vor mit dem Titel „Giganten im Wettlauf zur Moderne“. Was die beiden Impressionisten verbindet, erklärt Museumsdirektor Dr. Gerhard Finckh. 2017 jähren sich die Todestage von Edgar Degas (27.9.1917) und Auguste Rodin (17.11.1917) zum hundertsten Mal. Museen in den USA und Frankreich nutzen diesen Anlass, um mit Ausstellungen jeweils das Werk eines der beiden Künstler zu feiern. Das Metropolitan Museum New York zeigt Edgar Degas, das Grand Palais in Paris Auguste Rodin. Das Werk beider Künstler wurde in den letzten hundert Jahren immer wieder präsentiert, auch in Deutschland, aber bis heute gab es keine Ausstellung, die diese beiden Giganten am Firmament der bildenden Kunst zusammen gesehen und ihren Beitrag für die Moderne gewürdigt hätte. Überhaupt gibt es bislang nur einen einzigen wissenschaftlichen Essay, in welchem diese beiden Künstler miteinander in Verbindung gebracht werden. So gesehen, leistet unsere Ausstellung echte Pionierarbeit und eröffnet der Impressionismusforschung ein ganz neues Feld, das der impressionistischen Plastik. 13


Auguste Rodin, Schreitender Mann, 1900, Von der Heydt-Museum Wuppertal

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Wer kennt sie nicht, die zauberhaft anmutigen Bilder der Impressionisten, die atmosphärischen Landschaftsgemälde, die Blicke auf das pulsierende Leben der Großstadt Paris, die zarten und beseelten Porträts? Wer kennt nicht die sonnendurchfluteten Interieurs, die pausbäckigen Akte Renoirs, die Seerosen Monets? Die Bilder dieser geschätzten Maler sind inzwischen fast so berühmt wie die Mona Lisa und finden ein begeistertes Publikum. Aber wer denkt beim Stichwort „Impressionismus“ auch an Bildhauerei? Kaum jemand verbindet damit die zwei weltberühmten und höchst bedeutenden Bildhauer und Maler Edgar Degas und Auguste Rodin. Dabei waren sie es, die dem Impressionismus die Figur hinzufügten, die die impressionistische Plastik erfanden und den Weg bereiteten in die Moderne. Ganz verschieden von

Edgar Degas, Zwei Tänzerinnen, um 1900, Von der Heydt-Museum Wuppertal

Herkunft, Vermögen und Ausbildung, waren es diese beiden Großen der Kunst, die neue Wege beschritten und die in einer Art von unausgesprochenem Wettlauf Entwicklungen vorantrieben, die maßgebend werden sollten für die Moderne. Sie waren Außenseiter und Rebellen – und sie waren Genies. In einem Wettlauf hin zur Moderne warfen Edgar Degas und Auguste Rodin Regeln und Normen über Bord, erfanden das wegweisende Neue. Anfangs verspottet, waren sie am Ende hochverehrt. Tatsächlich scheinen sich nur wenige Belege für eine Bekanntschaft zwischen Degas und Rodin erhalten zu haben, so wissen wir bislang nur, dass Rodin 1894 an einem Essen in Monets Haus in Giverny teilnahm, wo er u. a. auch Edgar Degas traf. Degas und Rodin begegneten sich 1895 auch im Salon des Komponisten Ernest Chausson, wo auch

Edgar Degas, Tänzerin, große Arabaeske, erste Position, 1882-1895, Musée d‘Orsay, Paris, bpk | RMN - Grand Palais

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Edgar Degas, Drei Tänzerinnen, um 1903, Fondation Beyeler, Riehen/Basel, Sammlung Beyeler, Foto: Peter Schibli, Basel

Monet, Renoir, Eric Satie, André Gide, Odilon Redon, Stéphane Mallarmé und Colette häufig verkehrten, und es hat sich ein kurzer Brief Degas‘ erhalten, in welchem er sich bei Rodin dafür bedankt, dass dieser ihm eine mögliche Käuferin vermittelt hat. Der Brief beginnt mit „Mein lieber Rodin“ und endet mit „Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit“. Das bedeutet, dass sich die beiden immerhin gut gekannt haben. Über die wenigen belegten Treffen zwischen Rodin und Degas hinaus gab es aber natürlich im Paris des späten 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts viele weitere Gele16

genheiten für die Künstler, sich zu treffen. Es gab den offiziellen alljährlichen „Salon“, auf dem sich „Le Tout-Paris“ begegnete, es gab zahlreiche private „Salons“, Abendgesellschaften, die Gelegenheiten boten, andere Künstler zu sehen, es gab die berühmten Abendessen der Impressionisten im Café Guerbois, später im Café de la Nouvelle Athènes, es gab Vernissagen und Ausstellungseröffnungen in großer Zahl, und vielleicht gab es sogar gelegentliche gegenseitige Atelierbesuche. Beide Künstler besuchten die Oper, das Ballett, aber wohl auch gewisse „Etablissements“, um dort Anregungen und Modelle für ihre Werke zu finden, mag sein, dass sie auch dort aufeinandertrafen. So können wir


davon ausgehen, dass sich Degas und Rodin zumindest immer wieder begegneten, wenngleich Belege für eine enge Freundschaft zwischen den beiden ebenso berühmten wie eigenbrötlerischen Genies nicht zu finden sind. Immerhin waren sie im Hinblick auf kommerzielle Erfolge und öffentliche Aufträge keine Konkurrenten; denn während Rodin von 1875 an stets im offiziellen Salon ausstellte und Aufträge für große, öffentliche Monumente bekam, betrachtete Degas – seit dem Skandal um seine Plastik einer „Tänzerin von 14 Jahren“, 1881 – die Bildhauerei eher als eine Nebenbeschäftigung. Er verbarg von da an seine plastischen Entwürfe sorgsam vor der Öffentlichkeit und tat sie später, als seine Sehkraft dramatisch abnahm, gegenüber Gesprächspartnern gerne ab als sein „Blindenhandwerk“. Erst nach seinem Tod 1917 fand man in seinem Atelier die – zum Teil bereits zerbröselten – 72 Wachs- und Tonplastiken, die dann, eilig von der Gießerei A.-A. Hébrard et Cie in Bronze gegossen, ihren Siegeszug in die Welt antreten sollten. – Seine Plastiken hatten Rodin da schon unsterblich gemacht. Gleichwohl, wenn Degas und Rodin auch nicht in einem direkten Wettbewerb um Aufträge zueinander standen, so wurden sie doch von zeitgenössischen Künstlern als Konkurrenten wahrgenommen. Eine Anekdote, die der Kunsthändler Ambroise Vollard überlieferte, deutet diesen Wettstreit nur an, aber dieser Wettlauf zur Moderne war deshalb nicht weniger real. Auguste Renoir, der selbst auch bildhauerisch tätig war, äußerte demnach – wohl um 1884 – gegenüber Vollard: „Und wir haben das Glück in einer Zeit zu leben, in der es einen Bildhauer gibt, der sich mit den Alten Meistern messen kann! Und der macht seine Sache gut …“ Ich [Vollard]: „Rodin hat doch soeben den Auftrag für den ‚Denker‘ erhalten und für seine Statue von ‚Victor Hugo‘ und ‚Das Höllentor‘ …“ Renoir: „Ich meine nicht Rodin! Ich spreche vom größten Bildhauer, und das ist Degas!“ Zumindest in den Köpfen der Impressionisten, in deren Kreisen Degas und Rodin verkehrten, gab es also diesen Wettstreit zwischen den beiden verehrten und geachteten Künstlern. Ob die beiden Künstler selbst das so sahen, mag dahingestellt bleiben – für uns heutige Betrachter aber zeichnet sich das Œuvre der beiden durch jeweils ganz verschiedene Charakteristika aus, auch wenn beide – zumindest in bestimmter Hinsicht – und bei Rodin viel

leicht zeitlich begrenzt – dem Impressionismus zuzuordnen waren. Noch nie wurden die Werke von Degas und Rodin in einer Ausstellung so umfassend nebeneinandergestellt, miteinander konfrontiert, diskutiert wie jetzt. Nach Renoir, Monet, Sisley und Pissarro zeigt das Von der Heydt-Museum – nun zum ersten Mal – die zwei Giganten des Impressionismus im Wettstreit um das Neue in der Kunst. Das stellt unser Haus vor nicht geringe Probleme: Zum einen ist da die wissenschaftliche Erarbeitung des Themas, die in diesem Fall von einem Team von nicht weniger als zwölf deutschen, amerikanischen und französischen Katalogautoren und -autorinnen geleistet wird und in einem Katalog von annähernd 440 Seiten Umfang mündet. Zum anderen ist da die Frage nach den Ausstellungsobjekten: Das Musée Rodin in Paris und Meudon hat sich bereit erklärt, die Ausstellung mit rund 50, zum Teil sehr großen Plastiken Rodins und darüber hinaus mit Gemälden Zeichnungen, Aquarellen, Fotografien und Archivmaterial in enger Zusammenarbeit zu unterstützen; die Werke von Degas andererseits sind über die ganze Welt verstreut. Mühsam versuchen wir, die zauberhaften Tänzerinnen, die eleganten Pferdebronzen, die Gemälde und Pastelle und Zeichnungen von Degas von überall her nach Wuppertal zu holen. Das ist ein schwieriges Unterfangen; denn welches Museum, welcher private Besitzer solcher Kostbarkeiten trennt sich schon gerne für mehr als vier Monate von seinen Schätzen? Aber es ist uns gelungen – auch dank der versprochenen zahlreichen Gegenleihgaben aus unserer Sammlung –, auch von Degas wichtige Werke zu bekommen, die in den zwölf Kapiteln dieser groß angelegten Ausstellung als Gegenpart zu Rodins Plastiken und Zeichnungen usw. „gute Figur machen“ werden. Bis zur Eröffnung der Ausstellung im Oktober gilt es nun, die Räume des Museums neu zu gestalten, frisch zu streichen, neue, zum Teil komplizierte und technisch aufwändige Einbauten vorzunehmen und die Werke so aufzubauen, dass der „Wettlauf zur Moderne“ beginnen kann. Welcher der beiden Künstler, der aristokratische Degas oder der Selfmademan Rodin, am Ende die Siegerpalme davontragen wird – darauf sind auch wir gespannt. 17


FUND, 2014, 210 cm x 190 cm

Juicy Pop-Up-Informel! Neue Werke von Tatjana Valsang in der Konrad Fischer Galerie 18


DOKKA, 2015, 190 cm x 210 cm

Kunstvermittlung kann im Durchleben von Verlegenheitssituationen bestehen. Beispielsweise dann, wenn es darum geht, neue Variationen abgedroschener Phrasen angesichts neuer Varianten ebenso abgedroschener Positionen hervorzubringen. Eine gegenteilige Art von Verlegenheit kann sich einstellen, wenn sich das Medium Sprache als zu spröde erweist, um eine intensive rezeptionsästhetische Erfahrung angemessen in Worte zu fassen. In solchen Fällen darf man sich dazu aufgefordert fühlen, genauer hinzugucken und sich an der Neuverknüpfung einiger Synapsen zu versuchen.

Eine der selteneren dahingehenden Gelegenheiten bot sich zuletzt, als vor ein paar Jahren ohne Vorwarnung eine Reihe bildgewordener Farbdetonationen in der Konrad Fischer Galerie und der Kunsthalle Barmen gezündet wurden. Analog zu dem, was dort anlässlich Tatjana Valsangs Debüt visuell auf einen einwirkte, gab es wie gewohnt auch einiges an kognitivem Input: Die Wuppertaler Malerin hat von 1983 bis 1993 bei Klaus Rinke und Dieter Krieg an der Düsseldorfer Kunstakademie studiert. Die seitdem ins Land gegangene Zeit bestand quasi in einer Entwicklungsphase, welche ihren Abschluss in der Anfertigung der hier 19


COVE, 2015, 220 cm x 190 cm

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präsentierten, augenscheinlich in der Tradition des Informel verorteten Gemälde fand. Darüber hinaus handelt es sich bei Frau Valsang um die Ehefrau von Herrn Cragg, wobei die Verwendung eines Pseudonyms auch einer diesbezüglich voreingenommenen Wahrnehmung vorbeugen sollte. Die Qualität und Eigenwertigkeit dessen, was es zu sehen gab, machten es einem allerdings nicht allzu schwer, diesen biografischen Aspekt als einen unter vielen zu betrachten. Rückblickend lassen sich im Zusammenhang mit den ersten Begegnungen grundsätzliche werkspezifische Charakteristika herausstellen. Eine Beschreibung des vielgestaltigen, im Riesenformat festgehaltenen Zerfließens, Zerplatzens und Zerstäubens mag zu ekphrastischen Wortklaubereien verleiten, wie man sie in Verbindung mit sonstigen Positionen im Bereich der informellen Malerei schon gehört zu haben meint. Anstatt sich aber auf die Spurensuche nach formensprachlichen Bezugsquellen zu begeben, erscheint es fürs Erste spannender, sich mit der Frage des Werkprozesses zu befassen, welche in jeder Arbeit von Neuem wie ein Bilderrätsel an den Betrachter gerichtet wird. Dass sich dieses nie endgültig auflösen lässt, trägt in gleichem Maße dazu bei, dass die Werke auch nach längerer Betrachtung nicht an Reiz verlieren, wie der Umstand, dass die Kompositionen trotz ihrer ästhetischen Reichhaltigkeit nicht überladen wirken. Dabei ist eine Balance zwischen Einfachheit und Komplexität auszumachen, welche hier und da an fernöstliche Kalligrafie oder Raku-Glasuren erinnert und die einem die langjährige Ausarbeitung der zugrunde liegenden bildnerisch-künstlerischen Ansätze in Erinnerung ruft. Die formalen Finessen bilden jedoch keinen Selbstzweck. Farbe fungiert nicht als selbstreferenzielles Medium, sondern als Ausdrucksmittel. So kann sich in ein und demselben Gestus die bloße Materialität der Farbe wie auch die Anmutung von Räumlichkeit, Lichteinfall und organischer Stofflichkeit offenbaren. Die hierbei erzeugte Wirkung vermittelt gleichsam die Idee von etwas Naturhaftem und Atmendem, ohne sich auf konkrete figurative Bildinhalte festlegen zu lassen.

Unter kunsthistorischen Gesichtspunkten ließe sich die hier zugrunde liegende Konzeption auch als Fortführung einer in Wuppertal mitbegründeten Maltradition qualifizieren. Diese entstand in den letzten Jahren der NS-Diktatur, als der Barmer Lackfabrikant Kurt Herberts die mit Berufsverbot belegten Bauhaus-Lehrer Willi Baumeister, Oskar Schlemmer und Georg Muche mit der Durchführung malstoffkundlicher Experimente beauftragte, welche im Hinblick auf die abstrakte Nachkriegsmoderne von erheblicher Bedeutung sein sollten. Neben dem Gesichtspunkt der maltechnischen Neuerung zeigt auch die öffentliche Abgeschiedenheit, in der es dazu kam, eine nahe liegende Parallele zum werkbiografischen Werdegang der Künstlerin auf. Unter diesem Blickwinkel zeigt sich, dass sich Tatjana Valsangs Formensprache aus dem Kontext des Laborhaften freigeschwommen hat. Dieser Eindruck bestätigt sich auch angesichts der neuen Werkserie, welche vom 4. November bis zum 14. Januar in der Konrad Fischer Galerie in Düsseldorf gezeigt wird. Die gewohnt virtuose Gestaltung der Bildräume geht mit einer zunehmend unbeschwerten, teils ans Poppige grenzenden Farbigkeit einher. Die kurzen, lautmalerischen Bildtitel scheinen dabei in synästhetischer Entsprechung zum Dargestellten zu stehen. Zu beobachten ist auch eine stärkere Dominanz maritimer Blautöne. Wie seitens der Künstlerin zu erfahren war, soll das Korallenschnorcheln im Sommerurlaub als Inspiration in ihr aktuelles Schaffen eingeflossen sein. Was einem darüber hinaus an abstrahiert wiedergegebenen Empfindungen und Erfahrungen entgegenschwebt, -spritzt oder -schimmert, dürfte wiederum im Auge des Betrachters liegen und ausreichend Raum für individuelle Interpretationen lassen. Aus ästhetischer Reizarmut resultierende Momente der Verlegenheit werden jedenfalls auch diesmal nicht zu erwarten sein. Nicolas Stiller Courtesy: Tatjana Valsang Fotos: Volker Kallerhoff

Tatjana Valsang 4. November 2016 - 14. Januar 2017 Vernissage, Freitag, 4. November 2016, 18 - 21 Uhr Konrad Fischer Galerie Platanenstrasse 7, 40233 Düsseldorf 21


Zahra Hassanabadi in ihrem Atelier in Unterbarmen

Zahra Hassanabadi

Eine Künstlerin mit Sinn und Sinnlichkeit Meine erste Begegnung mit der Kunst von Zahra Hassanabadi hatte ich vor über zehn Jahren in der Hauptfiliale der Wuppertaler Stadtbibliothek. Die ungeheure Sensibilität ihrer Objekte, Installationen und Bilder fiel mir sofort ins Auge. Was denn, solch eine tolle Künstlerin wohnt in Wuppertal?, fragte ich mich unwillkürlich, selbst erst seit kurzem wieder in meiner Heimatstadt lebend. Ja, tatsächlich. Die 1964 in Shiraz im Iran geborene Künstlerin hat vor geraumer Zeit ihre Zelte im Tal der Wupper aufgeschlagen, genauer gesagt in Unterbarmen, wo sie heute auch ihr Atelier in einem alten Industriegebäude hat. 22

Durch die hohen Fenster der ehemaligen Bandweberei fällt der Blick von einer langen, niedrigen Werkbank aus direkt auf die Wupper. Viel Licht erfüllt den Raum, der zwar nach Arbeit aussieht, doch sind Werkzeuge und Materialien in einer Klarheit und Sorgfalt angeordnet, dass sich ein erfrischendes Maß an Leichtigkeit und Offenheit einstellt, das auch für ihre Kunst selbst bezeichnend ist. Hier findet die Künstlerin den Freiraum und die Muße, ihr vielgestaltiges und wandlungsfähiges Werk zu erschaffen. Seit Neuestem ist dies die Werkreihe „Konsummanie“, mit der Hassanabadi eingängig und haptisch überaus reizvoll die enge Beziehung von Konsum und Intimität in Zeiten des


Serie „Konsummanie“, Installationsansicht, Galerie Meno Parkas, Kaunas, Litauen

Hochkapitalismus untersucht. Bereits getragene, abgelegte Kleidungsstücke hat sie außen flächendeckend mit Preisschildern oder Marken-Labels überzogen, die sich normalerweise im Inneren von Jacken, Hemden und Hosen befinden. Unsere Kleidung umhüllt gewöhnlich wie eine zweite Haut den Körper und gibt doch nicht selten unser Innerstes preis. Umgekehrt beeinflussen Markenversprechen unsere Gedanken, Gefühle und Bedürfnisse bis in den Kern dessen, was unsere Identität ausmacht. Dass der Raum des Intimen längst korrumpiert ist, wird in diese Arbeiten auf berührende Weise spürbar. Ihre Kraft bezieht Zahra Hassanabadis Kunst denn auch im Wesentlichen aus einem sicheren Gespür für die Sinnlichkeit des Materials. Ein Großteil ihres Werkes, Objekte und Installationen, besteht aus ungewöhnlichen, eher kunstfernen Werkstoffen wie Nahrungsresten, Stahlschwämmen, Briefklammern, Kassenzetteln, Pflanzenteilen oder gar Haaren, mit denen sie vorbehaltlos experimentiert. Diese im Sinne der Arte Povera ‚armen’ Materialien setzt die Künstlerin oftmals gegen den Strich ein, um ihnen einen neuen, unvermuteten ästhetischen Wert zu verleihen. So wird der Eindruck empfindlicher Zartheit paradoxer-

weise mit harten, rauen oder spitzen Gegenständen wie etwa Zahnstochern evoziert, wodurch eindringliche Bilder von der Verletzlichkeit des menschlichen Daseins entstehen. Sorgfältig gefertigte Tableaus aus Wegwerfprodukten wie etwa den Stängeln von Bananen erscheinen so reizvoll wie kostbare Intarsien; unzählige miteinander verknüpfte Telefonkarten, mit denen die Künstlerin selbst mit Freunden und Verwandten in der Heimat telefoniert hat, besitzen die Anmutung persischer Teppiche. Die Form des Kopfes als Sinnbild der Identität und ihren Verwerfungen nimmt in ihrem Werk eine prominente Rolle ein. Ohne jegliche Gesichtszüge aufzuweisen, erwächst seine Eigenheit allein aus der Beschaffenheit des jeweiligen Materials – ungeachtet der Bedeutung, die wir ihm für gewöhnlich beimessen. Zahra Hassanabadi gelingt es, durch die Kombination verschiedener Fundsachen, die Variation eines Grundmusters, die serielle Reihung von Modulen und immer neue Formfindungen aus der Poesie des Materials zu schöpfen. Auch in ihren Bildwerken ist der Sinn für Oberflächenstrukturen spürbar. Für ihre seriell angelegte Malerei und Zeichnung bedient sich Hassanabadi hauptsächlich gra23


Detailansicht „Ihre Blumen, mein Flüstern“, 2015, aus der Serie „Großmutter“

fischer Mittel wie Punkte, Linien und Flächen. In Anlehnung an informelle Kunst arrangiert sie diese zu abstrakten Landschaften, sodass fiktive Sehnsuchtsorte entstehen, denen stets etwas Abgründiges zu eigen ist. Mit Raffinesse fügt sie grafische Kürzel zu großflächigen ornamentalen Mustern, die zugleich flächig und dinghaft wirken. Dafür ritzt sie kleinste Setzungen in die ebenso kruden wie fragilen Farbschichten, mit denen sie ihre kleinformatigen Bildtafeln bedeckt. Zu delikaten Farbteppichen zusammengefügt, bringen die für sich genommen eher spröden, naturnahen Farben einander zum Strahlen. Ein ebenso skulpturales Vorgehen wie das Ritzen und Schaben spiegelt sich auch in ihren körperlich erscheinenden, grafischen Formstudien wider, in denen Hassanabadi den Reichtum organisch anmutender Gebilde erforscht. Mit Pappmaché werden diese anthropomorphen Variationen wiederum in die Dreidimensionalität übersetzt. Auch hier gilt der Oberfläche der aus sinnlichen Rundungen bestehenden Skulpturen Hassanabadis’ besonderes Augenmerk – so glatt wie von Naturkräften geschliffene Steine, laden sie unwillkürlich zum Berühren ein. 24

Zahra Hassanabadi lebt seit 2001 in Deutschland. Zunächst hatte es sie ins Ruhrgebiet verschlagen, wo sie auch ihre ersten künstlerischen Kontakte knüpfen konnte. Vor ihrer Emigration war sie überwiegend als Fotokünstlerin tätig und hatte mit ihren Arbeiten in der iranischen Kunstszene bereits viel beachtete Erfolge. Während sich die Künstlerin in ihrer klassisch-analogen, politisch motivierten Schwarz-Weiß-Fotografie vor allem mit der Gesellschaft im Iran auseinandergesetzt hat, vollzog sich nach ihrer Ankunft in Deutschland ein bedeutsamer Wandel. Durch die Erfahrung von politischer Verfolgung und dem Verlust der Heimat richtete Hassanabadi ihren Fokus verstärkt nach innen, um das Erlebte in eigene, sehr persönliche künstlerische Äußerungen zu verwandeln. Dabei sieht sie sich jedoch nicht losgelöst von der Welt, die sie umgibt, sondern verarbeitet in ihrem Werk auf höchst ästhetische Weise die Auswirkungen, welche kulturelle, politische und gesellschaftliche Bedingungen auf ihre individuelle Situation als Künstlerin haben. In letzter Zeit sind es die gegenwärtigen Flüchtlingsbewegungen nach Europa, denen ein Großteil ihrer Aufmerksamkeit gilt. In Zusammenarbeit mit Migranten und Flüchtlingen entstehen aus Zeitungsartikeln und Berichten aus dem Internet, ausgedruckt auf Papier


Zahra Hassanabadi ist international gut vernetzt und präsentiert ihre Kunst auf Ausstellungen und zu Künstlersymposien bundesweit sowie im europäischen Ausland. Ihre Formensprache verknüpft Bezüge zur iranischen Bildtradition mit Konzepten der westlichen Kunst wie Informel, Arte Povera, Eat Art und Installationskunst. So verleiht sie einem Ethos künstlerischer Freiheit Ausdruck, dem vor allem daran gelegen ist, ästhetische und kulturelle Kategorisierungen zu überwinden und zu Neuem durchzudringen. Susanne Buckesfeld

Ausstellungen von Zahra Hassanabadi:

Vorbereitung für die Ausstellung „FluchtPunkt“

im DIN-A4-Format, eine große Menge gefalteter Papierbote, wie sie jeder noch aus seiner Kindheit kennt. Wiederum zu Teppichen von hoher sinnlicher Präsenz verknüpft, ergeben sie ein eindringliches Bild der Hoffnung auf ein besseres Leben sowie der Abgründe und Gefahren, die damit für die vielen der Not Entfliehenden verbunden sind. Den Metaphern der Flucht und der Ströme, von denen allenthalben die Rede ist, verleiht sie die Anmutung des Fragilen und Verletzlichen.

SINNapsen Eröffnung: Sa., 10. September, 18.00 Uhr, Ausstellungsdauer: 10.9 bis 2.10.2016 Gegen-Stelle Farbmühle 22 a, 42285 Wuppertal, Tel. 0177 3639675, www.gegen-stelle.de Unter die Haut Eröffnung: Sa., 8. Oktober, 18.00 Uhr, Ausstellungsdauer: 8.10 bis 4.11.2016 Kunstverein Essen-Werden kunstwerden e.V., Ruhrtalstraße 19, in den Werdener Toren - Tor 2, 45239 Essen www.kunstwerden.de FluchtPunkt Eröffnung: Sa., 19. November, 15.00 Uhr, Ausstellungsdauer: 19.11.2016 bis 3.2.2017 Neue Galerie der VHS Essen Burgplatz 1, 45127 Essen, www.vhs-essen.de

Objekte 2002 - 2012

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David Czupryn, PaleNeonPlastics, Radio, Marble etc., 2015, © David Czupryn

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David Czupryn erhält Kunstpreis

Bergische Kunstausstellung zeigt surreale Bilderwelten Die Internationale Bergische Kunstausstellung ist ein Forum für junge Künstler aus der Region. Herausragende Leistungen werden mit dem gleichnamigen Kunstpreis belohnt. In diesem Jahr geht die Auszeichnung an den Düsseldorfer Maler David Czupryn und seine surrealen Bilderwelten. Ab September zeigt die 70. Bergische Kunstausstellung den Preisträger und 15 weitere Künstler im Kunstmuseum Solingen. Darunter das Duo Friedemann Banz und Giulia Bowinkel und die aus Südkorea stammende Songnyeo Lyoo. Auf David Czupryns Bildern ist vieles anders, als es scheint. Ein Beispiel dafür ist „PaleNeonPlastics, Radio, Marble etc.“. Mit fast zwei mal zwei Metern hat das Bild ein Format, mit dem man Gegenstände in den Originalmaßen darstellen kann. So das im Titel genannte Radio. Auf den ersten Blick meint man, ein Gerät mit Antenne und Bedienknöpfen vor sich zu haben. Doch welches Radio hat ein Gehäuse aus Stein? Das ist nur eine Irritation unter vielen. In grellen Farben sieht das Natürlichste von der Welt – Blumen und Wassertropfen – dagegen tatsächlich nach Plastik aus. Auch die Marmorwand im Hintergrund ist selbstverständlich gemalt. Illusion und Illusionsbruch, Künstliches und Natürliches – aus diesen Gegensätzen komponiert der 33-jährige Maler seine Bilder. „Ich hab auch Spaß daran, den Betrachter ein bisschen zu überlisten“, sagt er. Spaß an seinen Bildern hatte auf jeden Fall die Jury der 70. Bergischen Kunstausstellung, die alljährlich Künstlern aus der Region ein Forum gibt.

Aus einem Pool von über 220 Bewerbern wählte sie auch Czupryn, der in Düsseldorf wohnt und in Wuppertal arbeitet. Er gehört damit zu den jungen Talenten, die ab dem 2. September im Kunstmuseum Solingen ausstellen dürfen. Mehr noch: Seine Bilder kamen so gut an, dass er bei Ausstellungseröffnung den mit 5 000 Euro dotierten Bergischen Kunstpreis erhalten wird. Gisela Elbracht-Iglhaut, stellvertretende Direktorin des Kunstmuseums, lobte in der Jurybegründung seine „tiefsinnigen Bildarrangements, die einzigartig sind“. Dabei entstehen Czupryns Bilder an einem denkbar nüchternen Ort. Das Wuppertaler Atelier liegt versteckt zwischen Kampfkunstschule und Autohändler. Schon im Flur lehnen großformatige Bilder an den Wänden. Der Atelierraum ist so groß, dass sogar für eine Schreinerwerkstatt Platz ist. Die Freude am Schreinern stand am Anfang. Doch die Arbeit in der Branche langweilte den gebürtigen Duisburger bald. Das Kunststudium sei eigentlich nicht geplant gewesen, sagt Czupryn rückblickend. Besonders für einen jungen Mann ohne Abitur lagen die Hürden hoch. Für die Sonderbegabtenprüfung der Düsseldorfer Kunstakademie reichte er eine erste Mappe ein und wurde tatsächlich angenommen. Auch zur Malerei führte kein gerader Weg. Während des Studiums beim Bildhauer Georg Herold arbeitete er an Skulpturen. Dann wechselte er in die Klasse der Malerin Lucy McKenzie. Sie machte ihn mit der Kunst der Augen27


Songnyeo Lyoo, Paradise #08_Internal Garden, 2015, © Songnyeo Lyoo

täuschung („Trompe-l‘Œil“) bekannt. Bei ihr lernte er, wie man im Bild die Maserung von Holz nachahmt. „Sie sagte zu mir: Du hast es im Blut.“ Der nächste Schritt war, die eigenen Skulpturen auf die Leinwand zu bringen. Vielleicht finden sich deshalb bis heute auf Czupryns Gemälden Figuren, deren Körper aus bunten Kunststoffen oder Metallen zu bestehen scheint. Ob Figuren oder Flächen, Außen- oder Innenräume – das Synthetische zieht sich durch seine Bilderwelten. Was vor allem an den Neonfarben liegt, die direkt aus einer Sprühdose kommen könnten. Doch auch das ist eine Illusion. Der Maler arbeitet mit Pinsel und handelsüblichen Farben. Allein durch ihre Mischung erreiche er diese durchdringende Leuchtkraft. Die Gegenwart sei nun mal eine „Plastikzeit“. „Deswegen arbeite ich daran, dass die Bilder dieses Synthetische haben.“ Eine ähnliche Sorgfalt zeigt er, wenn es um die Ausstellung im Kunstmuseum Solingen geht. In einem Nebenraum steht ein Modell des Raums, in dem seine Kunst hängen wird. Mit Miniaturbildern tüftelt er an der richtigen Hängung. Damit sich die Wirkung der großen Originale voll entfalten kann. Für ihn ist auch schon klar, was er mit dem Preisgeld macht. „Das geht bei mir in die Kunst. Da geh ich lieber jobben, als das Preisgeld für alltägliche Dinge auszugeben.“ 28

Zur Freude über die Solinger Ausstellung kommt bei David Czupryn die Neugier auf die nächste. Im November dieses Jahres werden einige seiner Werke zum ersten Mal in New York gezeigt. Einige der Bilder, die die Atelierwände füllen, werden dafür eine mehrwöchige Reise über den Atlantik machen. Und bei der New Yorker Vernissage wird der Künstler natürlich auch anwesend sein. Daniel Diekhans

Zur Ausstellung im Kunstmuseum Solingen Die diesjährige Internationale Bergische Kunstausstellung beginnt am Freitag, 2. September, und geht bis zum 30. Oktober. Den 70. Internationalen Bergischen Kunstpreis erhält David Czupryn bei der Ausstellungseröffnung am 2. September. Die Vernissage beginnt um 19 Uhr.

Geöffnet ist das Kunstmuseum Solingen von dienstags bis sonntags zwischen 10 und 17 Uhr. Adresse: Wuppertaler Straße 160, 42653 Solingen. Der Eintritt kostet 6 Euro. Eine öffentliche Führung findet jeden Sonntag ab 11.15 Uhr statt. Gruppenführungen kann man unter 02 12 / 258 14 17 anmelden. Eine Führung für bis zu 25 Personen kostet 55 Euro. www.kunstmuseum-solingen.de


Friedemann Banz und Giulia Bowinkel, Bodypaint I 06, 2014, Š Friedemann Banz und Giulia Bowinkel

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Mnémosyne, 1990, tempera sur bois, 30 x 700 x 500 cm, coll A & P Poirier, courtesy Galerie Mitterrand, Foto: Aurélien Mole. Détail

Erinnerung als plastische Kunst Das französische Künstlerpaar Anne und Patrick Poirier im Skulpturenpark Waldfrieden

Unter dem Titel MNÉMOSYNE präsentiert der Skulpturenpark Waldfrieden vom 29. Oktober 2016 bis zum 8. Januar 2017 Werke von Anne und Patrick Poirier. Die Ausstellung kreist um die großformatigen plastischen Arbeiten MNÉMOSYNE, die der Ausstellung den Titel gibt, und OURANOPOLIS. Beide Arbeiten vertreten paradigmatisch das Werk des französischen Künstlerehepaars. Ausgangspunkt ihres Schaffens und bestimmend für die Ausstellung ist der titelgebende Begriff der Mnémosyne. Er führt das Künstlerpaar zur Wissenschaft der Archäologie, deren vornehmste Aufgabe es ist, Erinnerung zu wecken und wachzuhalten. Ob es sich um kollektive oder persönliche handelt, spielt dabei keine Rolle. Denn neben ihrer rationalen Komponente, die sich in der Archäologie und 30

Ruinen als deren Artefakte verdinglicht, steht für Anne und Patrick Poirier die Verbindung zur Psyche. Sie ergänzt den archäologischen Ansatz. Dass sich räumliche Metaphern besonders gut eignen, das komplexe Gefüge aus Erinnerung und Archäologie einerseits und Erinnerung und Psyche andererseits zu visualisieren, ist eine der wesentlichen Grundlagen ihres Schaffens. So versteht das Künstlerpaar die eigenen Arbeiten als Parallelarchitektur, die im Grundriss der Form des Gehirns entsprechen kann: „So sind unsere Gehirnarchitekturen, unsere Städte der Erinnerung als große Architekturmodelle entstanden, mal als Ruine, zerstört von einer Katastrophe, mal im immateriellen Weiß, jenseits von Zeit und Raum angesiedelter Utopien.“


Ouranopolis, 1995, coll A. & P. POIRIER, Foto: JC Lett 450 x 375 x 50 cm

Neben Installationen und Skulpturen zählen auch grafische Arbeiten, Aquarelle und Malereien zum vitalen Œuvre von Anne und Patrick Poirier, das im Sinne eines erweiterten Kunstbegriffs zu beurteilen ist. Das Künstlerehepaar Anne und Patrick Poirier hat im Kontext der „Spurensicherung“ mit poetischen Ruinenarrangements weltweite Berühmtheit erlangt. Beide Jahrgang 1942, sie aus Marseille er aus Nantes stammend, hatten sich während ihres gemeinsamen Studiums an der Ecole Nationale Supérieure des Arts Décoratifs in Paris kennen gelernt (1963-1966). Ein Stipendium führte beide 1967 in die römische Villa Medici, wo sie bis 1971 lebten und arbeiteten. Schon 1970 konnten Anne und Patrick Poirier erstmals gemeinsam ihre Arbeiten präsentieren. 1974 waren Anne und Patrick Poirier an einer wegweisenden Ausstellung beteiligt: Die Schau „Spurensicherung“ im Kunstverein Hamburg und in der Münchner Städtischen Galerie im Lenbachhaus gab einer ganzen Bewegung den Namen, die sich der künstlerischen Befragung und Dokumentation von wahren und unwahren Begebenheiten verschrieben hat. Nicht zuletzt werden die jungen Jahre von Anne und Patrick Poirier als bedeutsam für ihr künstlerisches Konzept benannt: Aufgewachsen im weltkriegszerstörten Frankreich, war das Ruinöse ständiger Begleiter der Kindheit beider Künstler.

Anne und Patrick Poirier, die an den Biennalen von 1976, 1980 und 1984 sowie an der documenta 6 (1977) teilgenommen hatten, wurden bereits mit zahlreichen Einzelausstellungen geehrt. Werke von Anne und Patrick Poirier befinden sich in zahlreichen renommierten öffentlichen Sammlungen wie dem Centre Pompidou in Paris, dem Museum Ludwig in Köln oder dem SMAK Gent.

Anne und Patrick Poirier, Juli 2015, Foto: Pierre-Antoine Champenois

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Happy Sunshine, Gargonza Arts Abschlusspräsentation 2016, © Andreas Eduardo Frank, Christiane Heidrich, Jan Hoeft, Florian Krewer

so zusammen oder anders 21 Künstler*innen 5 Jahre – Gargonza Arts, 2012 - 2016, Ausstellung im MAKK Köln

Es begann vor gut sechs Jahren im Atelier von Mary Bauermeister mit der Gründung des Vereins InterArtes und der Geburt eines neuen Kunstpreises, dem Gargonza Arts Award. Zu den ersten Kuratoren und Sponsoren des Vereins gehörte schon damals Tony Cragg, dem wir sehr viel verdanken, und so spannt sich der Bogen von Köln nach Wuppertal, von den bewaldeten Hügeln der Toskana ins Bergische Land. Einigen Lesern von „die beste Zeit“ sind wir nach der Berichterstattung in zwei Nummern sicher gut bekannt, hier noch einmal kurz das Wichtigste.

Der Preis ist benannt nach dem wunderschönen toskanischen Bergdorf Gargonza unweit von Arezzo, im Umkreis von Florenz. Jedes Jahr können hier vier bis fünf junge Künstlerinnen und Künstler im angemieteten Haus, der „Casa degli Artisti“, gemeinsam leben, arbeiten und drei Monate existentielle Sorgen vergessen. Der Gargonza Arts Award versteht sich als ein Arbeits- und Entwicklungsprojekt für Gespräche, Ideen und Experimente in einem fachund genre­ übergreifenden künstlerischen, literarischen und kompositorischen Zusammenhang. Es ging und geht uns darum, Raum zu schaffen für gegenseitiges Lernen, Anregen und Arbeiten. Die jungen Künstlerinnen und Künstler kommen aus den Bereichen Bildende Kunst, Architektur, Literatur und Komposition, die von namhaften Kuratorinnen und Kuratoren benannt werden, so auch von Tony Cragg.

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Highlights wie Reisen nach Florenz und Rom sowie der Austausch mit Stipendiatinnen und Stipendiaten der Villa Romana und Villa Massimo runden das Stipendium ab. Zum Abschluss des Stipendiums werden die Werke im Festsaal auf der Burg präsentiert. Zurück in Deutschland gibt es dann eine Ausstellung im „Kunstverein Leverkusen“ auf dem Gelände von Schloss Morsbroich, wo auch die Einführung der Stipendiatinnen und Stipendiaten im feierlichen Rahmen des Spiegelsaals stattfindet. Dieses Jahr möchten wir mit einer ganz besonderen Ausstellung auf unseren Verein und unsere nunmehr 21 Stipendiatinnen und Stipendiaten aufmerksam machen, mit der Ausstellung „so zusammen oder anders. 21 Künstler*innen – 5 Jahre – Gargonza Arts“ im MAKK.

nung. Ein technischer Prozess zunächst, mit dem hier eine Transformation von Zeit zu Raum vollzogen wird. Die Linearität des Handelns, wie wir sie im Film erwarten, wird in ein Raumkontinuum transformiert. Ereignisse laufen für die Besucher zeitgleich ab. Sie müssen sich mit dem „Fenster zum Künstler“ bewegen, um sie einzeln zu erfassen. Der Blickwinkel kann dabei vergrößert und verkleinert werden, sodass Details oder eine Übersicht erkennbar werden. Intuitive Steuerung durch bloßes Bewegen der VR-Screens ist dabei der Schlüssel, jenseits von Maus und Tastatur. Die Spanne der einzelnen Filmclips reicht von der Dokumentation bis zum eigenen, werkhaften Umgang. Dieses Format wurde von dem Lichtdesigner Dietrich Körner in eine Rauminstallation gefasst, die sich aus dem Ausstellungsort direkt ableitet. Fragmente der Architektur bilden, im wahrsten Sinne des Wortes, die Rahmen für die „Fenster zum Künstler“. Ähnlich, wie es bereits am Ausstellungsort des MAKK der große Setzkasten mit den Designerobjekten macht, wurden hier bewusst Materialstärke und die weiße, neutrale Oberfläche gewählt. Sie stellen die „Fenster“ immer wieder in neue visuelle und auditive genreübergreifende Zusammenhänge. So wird der Setzkasten von der 2D-Ansicht in eine 3D-Rauminstallation umgesetzt. Die Grafik von Stefan Steiner verbindet und strukturiert die Stipendiatinnen und Stipendiaten über ihre künstlerischen, literarischen und kompositorischen Zusammenhänge hinaus.

Wie zeigt man, was man nicht zeigen kann, das Prozesshafte, die Entstehung einer Idee? Der von InterArtes beauftragte Kurator, Dr. Wilfried Dörstel, fand dafür eine ebenso überraschende wie innovative Lösung: Man filmt es und lädt damit die Besucher zu einem engen Kontakt zu den Künstlerinnen und Künstlern ein. Gemeinsam mit dem Filmteam Gerhard Gronemann und Iris Pohl entwickelte er eine Virtual-Reality-Präsentation für jeden der Stipendiatinnen und Stipendiaten. Ein völlig neues Format, präsentiert auf iPads, mit denen die Besucher den von den Künstlerinnen und Künstlern gewählten Raum erkunden können. Dafür besuchte das Team jede Künstlerin und jeden Künstler an „ihrem“ und „seinem“ Ort, filmte, führte Interviews, sah und hörte mit der Kamera genau hin. Dabei wird eine 360° x 180°-Abbildung des Raumes um den Kamerastandpunkt erstellt. Projiziert in eine Kugel ergibt sich eine perspektivisch richtige Anord-

Es wird eine ungewöhnliche, eine unbedingt empfehlenswerte Ausstellung im MAKK – Museum für Angewandte Kunst Köln. Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage www.gargonza-arts.de Ninja Walbers InterArtes, Verein zur Förderung der Künste e. V.

so zusammen oder anders. 21 Künstler*innen – 5 Jahre – Gargonza Arts, 2012 - 2016 9. September - 9. Oktober 2016 Der Eintritt ist frei. Konzerte und Lesungen: So, 18. September, 15 Uhr und Do, 6. Oktober, 19:30 Uhr im Overstolzen-Saal Der Eintritt ist frei. MAKK, Museum für Angewandte Kunst Köln An der Rechtschule, 50667 Köln 33


Funken aus einem toten Meer Zur Uraufführung des Theaterstückes von Safeta Obhodjas

Am 10. September 2016 gelangt „Funken aus einem toten Meer“ im ehemaligen Wartesaal dritter Klasse des Mirker Bahnhofs zur Uraufführung. Das Theaterstück ist eine Hommage an zwei große Autorinnen des 20. Jahrhunderts – die Dichterin Marina Zwetajewa, Zeitzeugin der Russischen Revolution, und die deutsche Schriftstellerin 34

Irmgard Keun – und zugleich eine Auseinandersetzung mit dem Schreiben im Exil heute. Es erzählt vom Kampf des künstlerischen Schaffens und dem des einfachen Menschseins in einer von Gewalt beherrschten Welt. Es ist der schonungslose Bericht einer Frau, die sich mit aller Kraft zurück ins Leben schreibt.


Zwiegespräche mit den Schicksalsgefährtinnen Marina Zwetajewa gehört zu den Größten der russischen Dichtung des 20. Jahrhunderts. 1922 floh sie vor dem Terror der sogenannten Roten Revolution aus der Sowjetunion. In ihrem Exil in Prag und Paris verfasste sie nicht nur Gedichte, sondern auch viele Briefe an Freunde und Gönner, in denen sich ihre ganze Hilfs- und Heimatlosigkeit spiegelt. Nanny Wunderly-Volkart, Gattin eines Unternehmers und eine großzügige Mäzenin – sie war auch Rilkes Brieffreundin bis zu seinem Tod –, hat in ihrem Archiv mehrere Briefe von Marina Zwetajewa aufbewahrt. Das ist der Anfang von einem aus „Meudon, 6. März 1931 Liebe gnädige Frau Wunderly-Volkart, Es ist mir unendlich schwer, Ihnen diesen Brief zu schreiben ... Was ich möchte, um was ich Sie, liebe gnädige Frau, bitte: eine Monatshilfe, so wenig es auch wäre ... Mir geht es schlecht, weil es uns schlecht geht. Mein Mann arbeitet in einem Privatgeschäft von 9 Uhr morgens bis 10, ja 12 Uhr nachts und erhält dafür nur 260 Frs. Wöchentlich ....“

Probenszene im ehemaligen Wartesaal 3. Klasse im Mirker Bahnhof, Foto: Willi Barczat

Irmgard Keun lebte vor dem Zweiten Weltkrieg als gefeierte Bestsellerautorin in Berlin und hat wahrscheinlich nie etwas von Marina Zwetajewa gehört, die in derselben Zeit als eine von vielen russischen Dissidenten in Paris dichtete und hungerte. Die Vorboten der Nazidiktatur nahm Keun nicht ernst; nur noch ein verrücktes politisches Machtspiel, dachte sie. Im Theaterstück „Funken aus einem toten Meer“ erzählt sie, warum sie 1936 von der Gestapo verhaftet wurde: „Mein erster Roman ,Gilgi, eine von uns‘ war ein Volltreffer. Meine Gisela, Gilgi, war eine von den tausenden berufstätigen Mädchen in Berlin zwischen den Weltkriegen, die von einem selbstbestimmten Leben träumten. Der zweite Roman ,Das kunstseidene Mädchen‘ bestätigte mich als Autorin. Ich, ihre Schöpferin, wünschte mir, von meinem Schreiben leben zu können und mich keinem Diktat unterordnen zu müssen. Aber die Hüter der deutschen Tugenden bezeichneten meine Werke als abartig und ließen sie auf dem Scheiterhaufen verbrennen. Ich fühlte mich gedemütigt … “

Sie protestierte gegen diese Willkür und wurde von der Gestapo verhaftet. Nach der Entlassung aus dem Gefängnis floh sie aus Deutschland nach Ostende. 35


Gewissermaßen teilte ich das Schicksal von Irmgard Keun. In meiner Heimat Bosnien und Herzegowina war ich allerdings keine Bestseller-Schriftstellerin, aber wenigstens hatte ich vor dem Krieg eine gewisse Anerkennung erreicht und ein paar Auszeichnungen bekommen. Als der Krieg 1992 ausbrach, musste ich unter dem Druck der serbischen Nationalisten aus meiner Heimat fliehen. Nach einem Irrweg durch Europa landete ich schließlich in Deutschland.

So begann mein Exil. In meiner geistigen Vereinsamung suchte ich instinktiv Trost bei den toten Schicksalsgefährtinnen aus der Vergangenheit. Auf einmal tauchte der Name der Dichterin auf, deren Dichtung und Schicksal mir in meinem früheren Leben bekannt waren: Marina Zwetajewa. Die neue Begegnung fand in einer Bibliothek statt, wo ich ihre „Im Feuer geschrieben(en) Briefe“ entdeckte. Mit der Bibliothekarin tauschte ich, soweit mir das mein gebrochenes Deutsch erlaubte, ein paar Sätze über Sprache und Dichtung im Exil. Als sie merkte, dass dieses Thema mir am Herzen lag, drückte sie mir ausgerechnet die Anthologie „Die verbrannten Dichter“ von Jürgen Serke in die Hand, wobei sie mich aufklärte, dass er dieses Buch verfasst habe, um die Deutschen an ihre Dichter und Schriftsteller zu erinnern, die vor dem Regime Hitlers ins Exil fliehen mussten. In dieser Anthologie forschte ich gezielt nach Frauennamen und entdeckte Irmgard Keun. In einem Atemzug las ich ihren unmittelbar nach der Flucht aus Deutschland 1936 verfassten Roman „Nach Mitternacht“. In diesem Buch fand ich viele Parallelen zu dem Zustand der kollektiven Paranoia in meiner Heimat 1992.

Alles begann so. Um der geistigen Vereinsamung zu entkommen, führte ich Zwiegespräche mit Marina oder Irmgard. Je tiefer ich über diese zwei forschte, desto mehr versuchte ich, ihre Schicksale zu vergleichen und mir vorzustellen, ob sie sich miteinander oder mit mir hätten anfreunden können. Ich suchte einen roten gemeinsamen Faden sowohl in unseren Werken als auch in den Zeiten der Umbrüche und Umwälzungen, die unser Dasein ausmachten: Erster Weltkrieg und sozialistische Revolution 1918 in Russland, nationalsozialistische Diktatur 1933 und Zweiter Weltkrieg in Deutschland, wachsender Nationalismus und Pogrome auf dem Balkan 1992–95. Aus diesem Vergleich unserer Werke und Biografien entstand zuerst eine szenische Lesung, die sogar ein paarmal auch auf die Bühne kam. Probenszenen im ehemaligen Wartesaal 3. Klasse im Mirker Bahnhof, Fotos: Willi Barczat, Helmut Steidler

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Irgendwann merkte ich, dass meine Beschäftigung mit den Toten eine positive Nebenwirkung hatte: Durch das viele Lesen hatten sich Grammatik und Wortschatz der deutschen Sprache bei mir sehr weiterentwickelt. Nach und nach baute ich aus dieser Sprache einen Übergang zu einem neuen Abschnitt meines Lebens und löste mich von den Geistern der Vergangenheit. In jeder Krise tauchen jedoch Marina und Irmgard wieder auf, um mich an mein Mantra zu erinnern: „Es geht mir hier und heute viel besser als diesen beiden damals. Wenigstens habe ich mich von der Selbstzerstörung ferngehalten.“

Von den Zwiegesprächen zum Theaterstück Im Laufe der Zeit verfasste ich eine erweiterte szenische Lesung als eine Hommage an drei Autorinnen im Exil, mit einigen dramaturgischen Merkmalen und bestimmten Passagen aus unseren Werken, die miteinander korrespondierten. Die Begegnung mit dem Theaterregisseur Torsten Krug inspirierte mich, aus meinem Material etwas Neues zu machen. Er nahm diese Fassung unter seine dramaturgische Lupe und fand die Konstellationen darin sehr interessant, aber zu erzählerisch und statisch dargestellt. Sein Vorschlag lautete, solche Abschnitte zu reduzieren, die Zwiegespräche der drei Exil-Schriftstellerinnen zu erweitern und in ein Theaterstück einfließen zu lassen. In meiner Fantasie stellte ich mir immer vor, dass mein Treffen mit den Schicksalsgefährtinnen an einem Toten Meer vor dem Jenseits stattfindet, aus dessen Finsternis ihre Werke bis in die Gegenwart Funken sprühen und jün-

Saitenspiel

Alfred Schnittke: Streichquartett Nr. 3 Franz Schubert: Streichquartett G-Dur D 887

Schumann Quartett

Funken aus einem toten Meer

Uraufführung Regie: Torsten Krug Projektionen und Raum: Gregor Eisenmann Regieassistenz: Jan Budde Mit: Marina Matthias, Silvia Munzón López, AnneCatherine Studer Premiere: Samstag, 10. September 2016, 19.30 Uhr Weitere Aufführungen: Sonntag: 11.09.2016, 18.00 Uhr Donnerstag: 15.09.2016, 19.30 Uhr Freitag: 23.09.2016, 19.30 Uhr Samstag: 24.09.2016, 19.30 Uhr Ort: Mirker Bahnhof, ehemaliger Wartesaal 3. Klasse, Mirker Straße 48, 42105 Wuppertal Tickets über www.wuppertal-live.de Eintritt: 12,00 € / 6,00 € Eine Produktion der GEDOK Wuppertal e.V

…mit Franz Schubert | Beethoven-Zyklus

So. 25. 09. 2016, 18.00 Uhr Wolfgang Amadeus Mozart: Streichquartett F-Dur KV 590

gere Generationen daran erinnern, dass der Frieden, egal in welchem Land und auf welchen Kontinenten, nicht selbstverständlich ist. Durch die Anregung des Regisseurs entstanden neue Funken in diesem Toten Meer, die mein Alter Ego in den Schatten stellten. Seine Stelle im Dreieck von drei Exil-Schriftstellerinnen übernahm eine viel jüngere, schreibende Safia, die ins Exil eine ganz andere Vorgeschichte mitbrachte als meine. Allerdings habe ich Safia meine Erfahrungen mitgegeben, die aus der Zeit stammen, als ich versuchte, durch Sprache und Schreiben einen Weg zu finden, der zurück ins Leben führte. Safeta Obhodjas Safeta Obhodjas

in der Historischen Stadthalle Wuppertal

Beethoven-Zyklus I-III

So. 27.11.2016, 18.00 Uhr Franz Schubert: Arpeggione-Sonate a-moll D 821 Streichquartett Es-Dur D 87

Fr. 07.10.2016, 18.00 Uhr Streichquartette op. 127, op. 18/1, op. 59/3

Robert Schumann: Klavierquintett Es-Dur op. 44

Sa. 08.10.2016, 18.00 Uhr Streichquartette op. 74, op. 18/2, op. 131

Goldmund Quartett Christopher Park, Klavier

So. 09.10.2016, 18.00 Uhr Streichquartette op. 18/3, op. 59/1 Große Fuge op. 133

Uriel Quartett

www.saitenspiele.eu VVK: KulturKarte • Tel. 02 02.5 63 76 66 • Veranstalter: Historische Stadthalle Wuppertal GmbH • Mit freundlicher Unterstützung von Detlef Muthmann

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Wenn Träume wahr werden 50 Jahre Peter Hammer Verlag Jubiläumsrede von Ute Wegmann am 17. Juni 2016 im Barmer Bahnhof

„Am Anfang war das Nichts. Das kannst du dir schwer vorstellen. Du musst alles, was es gibt, weglassen. (Licht aus. Du weg. Dunkelheit weg.) Wenn du den Anfang von allem sehen willst, musst du sehr viel weglassen. Auch deine Mutter.“ So schreibt Bart Moeyaert in „Am Anfang“.

Mir genügte das Angebot. Was man nicht kennt, kann man nicht vermissen. Das Vermissen stellte sich erst im Rückblick ein.

Am Anfang, als der Peter Hammer noch ein Nichts war, 1966, da war ich schon sieben und hatte meine ersten Kinderbuchkontakte hinter mir: „Ga-Gack, das Wunderkind“, „22 kleine Katzen“ und mein Liebstes „Ich und Du“: spannenlanger Hansel, nudeldicke Dirn ... Der Esel zog Pantoffeln an, ist übers Haus geflogen, und wenn das nicht die Wahrheit ist, ...“

Eine Werkstatt der Schmetterlinge und Gestalter aller Dinge? Echsen reimt sich auf Hexen! Ein Neffe mit Borsten trägt den Namen Torsten! Schweine mit Locken und Supermänner in Supermärkten und eine Pfeife rauchende afrikanische Königin, die dem Tod trotzt. All das hervorragend ins Bild gesetzt. Gedichte über den Wind, philosophische Geschichten über das Leben, Sterne und Tau, den Mond und den Tod. Geschichten über Afrika. Wäre ich 30 Jahre später geboren, hätte ich kein Vermissen gespürt.

Ach, hab ich das geliebt. Drei Bilderbücher und die immer wieder. Unvorstellbar in heutigen Zeiten, wo wir im Jahr auf 8 000 Neuerscheinungen im Kinder- und Jugendbuch blicken. In den 60er-Jahren auf dem Land kannte man Kamille, Kühe, Kuhfladen (so etwas Ähnliches wird für den Verlag ja später sehr wichtig), aber man kannte kaum Kinderbücher.

Im Jahr 1989 erschien „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat“. Von Werner Holzwarth. Ein hin und her rasender Maulwurf mit einem schwungvoll gewellten Kackhaufen auf dem Kopf erobert seitdem jedes Kinderzimmer. Wolf Erlbruch trat mit seinen Bildern in mein Leben. In unser Leben. (46. Auflage/1,5 Millionen verkaufte Exemplare/35 Länder)

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Illustration von Wolf Erlbruch aus dem Buch „Schon wieder was!“ von Jürg Schubiger, Peter Hammer Verlag

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In mein Leben trat 1989 eine weitere Person. Dem Opfertierchen, Sohn genannt, wurde alles vorgelesen. Und ich bekam so eine zweite Chance. Der Maulwurf zeigte, was ein Bilderbuch konnte: kleine Zuhörer und große Vorleser gleichermaßen beglücken. Ohne den über alles verehrten F. K. Waechter und die Neue Frankfurter Schule oder alle anderen, die vorher schon da waren, außer Acht zu lassen, begann in diesen Jahren etwas Neues, eine Art Aufbruch für das Kinderbuch. Und dazu hat der Peter Hammer Verlag mit seinem damaligen Leiter Hermann Schulz und später mit Monika Bilstein maßgeblich und führend beigetragen. Wen sie alles entdeckt haben? Wen sie alles für ihr Programm gewinnen konnten? Was für Geschichten? Wen soll ich herausgreifen? Wen soll ich nennen? Stellvertretend – für alle, deren Werk in Wort und Bild ich so sehr schätze – habe ich nur einen Künstler gewählt, dessen Denken und Schreiben mein Leben sehr bereichert hat und der heute bei dieser Feier fehlt. Ein Mensch, der en passant schöne und poetische Sätze formulierte, der alle beglückte, die ihm begegneten oder mit ihm arbeiten durften. Ein ungewöhnlicher, außerordentlich kluger und empfindsamer Mensch: Jürg Schubiger. Seine Weltsicht, sein Blick auf das Leben, an dessen Seite immer auch der Tod steht, sein erfrischender Humor bleiben uns zum Glück durch seine Texte erhalten. Er betrachtete die Dinge auf seine so besondere Weise und fand dafür wunderbare oder manchmal sehr einfache Formulierungen. So schrieb er ein Gedicht mit dem Titel: Anderes jedoch Ach, das meiste ist doch hundsgewöhnlich Dieser Hund zum Beispiel, oder dass die Vögel fliegen, dass die Flüsse fließen und die Ufer bleiben. Anderes jedoch ist höchst erstaunlich. Dieser Hund zum Beispiel, oder dass die Vögel fliegen, dass die Flüsse fließen und die Ufer stehn. Dass uns solche Dinge Durch die Köpfe gehen.

(aus: „Der Wind hat Geburtstag“) 40


Hätte ich im Schubiger-Sinne versucht, dem Peter Hammer Verlag und seinen Schriftstellern und Künstlern ein Gedicht zu schreiben, hätte es so klingen können: Ach, die meisten Bücher sind sich doch sehr ähnlich. Ein Roman zum Beispiel Wort an Wort und Satz an Satz. Oder Bilderbücher, meistens noch mit Bild.

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ELEMENTAL GESTURES

Andere jedoch sind höchst erstaunlich Der Roman zum Beispiel Wort an Wort und Satz an Satz Oder dieses Buch mit Bild Wie kann das bloß gehen

11.9.2016 - 19.2.2017

Dass solche Dinge In euren Köpfen entstehen. Hätte ... ich mag den Konjunktiv ...! Als ich 50 wurde, bewegte ich Arme, Beine, Augen und Ohren, alles funktionierte halbwegs. Ich spürte meiner Neugierde nach, holte tief Luft und sagte: Es gibt noch viel zu entdecken! Monat für Monat erfreuen mich die Sach- und Bilderbücher, die Graphic Novels und Romane, die mit der Post aus Wuppertal kommen.

LUTZ FRITSCH COSMOS 11.10.2016 - 26.2.2017

Eine Besonderheit des Peter Hammer Verlags aber ist für mich die Gleichstellung der Kinder- und Jugendliteratur mit der Belletristik, eine Gleichstellung, die für den Verlag schon immer Programm war. Dafür danke ich Hermann Schulz und Monika Bilstein.

Degas &Rodin

Jürg Schubiger hätte jetzt gesagt:

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GIGANTEN DER MODERNE 25.10.2016 - 26.2.2017

„Rauchig, wurstig riecht’s vom Rost. Reimen würde sich hier: Prost!“

(aus: „Zebra, Zecke, Zauberwort“)

Bart Moeyaert/Wolf Erlbruch: Am Anfang, Peter Hammer Verlag 2003 Jürg Schubiger/Wiebke Oeser: Der Wind hat Geburtstag, Peter Hammer Verlag 2010 Jürg Schubiger/Isabel Pin: Zebra, Zecke, Zauberwort, Peter Hammer Verlag 2009

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Beste Zeit 90b_260h yellow.indd 1

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Perlen glänzen oft im Verborgenen. Das ist besonders deutlich an der Person und am Werk der in Elberfeld (heute Wuppertal) geborenen und nach einem hingebungsvollen Leben als Lehrerin und Bibliothekarin in Hückeswagen gestorbenen Schriftstellerin Carola Lepping (1921-2009) festzumachen.

Ein wenig Fortune gehört schon dazu Carola Lepping und die Welt ihrer Romane

Ich möchte eine Autorin und ihr Leben, vor allem aber zwei Romane vorstellen, die nach meiner Meinung zum Schönsten gehören, was die deutsche Literatur in den letzten 50 Jahren hervorgebracht hat, sprachgewaltige Opera einmal von fast zierlichem, dann von ebenso gewaltigem Umfang wie ihre Sprache, Prosa, der ein angemessener Platz neben der gerühmter Autoren wie Thomas Mann, Robert Musil, Hermann Broch oder Robert Walser gebührt. Es sind „Bela reist am Abend ab“ und „Cor“ von Carola Lepping, Bücher, wie sie nur alle paar Jahrzehnte einem Glücklichen gelingen. Carola Lepping kann das zweimal für sich in Anspruch nehmen. Aber voraus einiges über die Autorin, ihr Leben und ihr schmales, so doch gewichtiges Œuvre. Carola Lepping, mit flinkem, an allem interessiertem Blick, war bei unserer ersten Begegnung in Hückeswagen immerhin bereits 86 Jahre alt. Als 1943 das Haus ihrer Familie in Wuppertal den Bomben zum Opfer gefallen war, zog sie in die bergische Kleinstadt um, wo sie seit 1941 nach nur drei Semestern Studium als Lehrerin angestellt worden war. 1946 wurde die literaturkundige Pädagogin von den Engländern als Stadtbibliothekarin eingesetzt. Bis 1991 behielt sie diese Stelle. „Die Schule und die Bibliothek waren immer mein Leben“. 42

Der Charles-Veillon-Preis In der Literaturwelt tauchte ihr Name erstmals 1953 auf, als sich die junge Frau um den Charles-Veillon-Preis bewarb, ihn zwar nicht gewann, doch immerhin belobigt wurde. Werner Bergengruen, dem sie 1949 einen ersten Entwurf gegeben hatte, gehörte zu ihren Förderern ebenso wie der Germanist Karl Schmid (Sekretär des Charles-Veillon-Preises). Schon 1954 reichte sie ein weiteres, unfertiges Skript, „Bela reist am Abend ab“, ein, bekam eine Frist gesetzt - und gewann 1955 mit den Stimmen von u.a. Albrecht Goes, Karl Heinrich Waggerl, Wilhelm Hausenstein und Carl J. Burckhardt den begehrten Literaturpreis, den nach ihr auch Johannes Bobrowski, Alfred Andersch, Heinrich Böll und Max Frisch bekamen. Auch Thomas Mann setzte sich dafür ein, ihr den Preis zuzusprechen. Der Verlag S. Fischer nahm das Buch an und brachte es äußerst erfolgreich auf dem Literaturmarkt unter. Carola Lepping erinnerte sich: Durch den Ortspolizisten benachrichtigt (Telefon hatte ja noch kaum jemand), konnte die junge Lehrerin in der Nacht vor der Verleihung auf einer Rangierlok der Bahn nach Köln mitfahren, wo sie den Expresszug nach Zürich erreichte. Das Reisegeld streckte der Rektor ihrer Schule vor, gute Strümpfe borgte seine Frau. Alles war damals noch Abenteuer.


Grundfarbe Schwarz „Bela reist am Abend ab“ Ein großer kleiner Roman Der S. Fischer Verlag, der sich ab 1950 auf die modernen Klassiker verlegte und um neue Talente bemüht war, entdeckte das enorme Potenzial, das in „Bela reist am Abend ab“ und seiner Autorin steckte und veranstaltete eine schöne Ganzleinen-Ausgabe mit einem Schutzumschlag von Martin Kausche. Das Buch beschreibt einen einzigen Tag, die Gänge, Gedanken, Ängste, Hoffnungen und Gespräche einer jungen Frau. Es ist ein Tag des Abschieds, denn Bela, 29 Jahre alt, wird am Abend dieses Tages mit dem Zug abreisen, ihre kleinbürgerliche Welt, die Heimatstadt, die Wohnung und das an der schmutzigen, stinkenden Wupper gelegene Kurzwarengeschäft der Mutter verlassen. „Bela reist am Abend ab“ ist ein „Ulysses“ im Kleinen, begleitet der Leser die Protagonistin doch vom morgendlichen Alb vor dem frühen Aufstehen im bedrängenden finsteren Zimmer nahezu Schritt für Schritt durch diesen letzten Tag vor der Flucht aus der Enge, die sie ins Leben werfen wird. Der Zukunft gehört dabei nahezu kein Gedanke – Rückblicke auf das eigene Leben, auch im Dritten Reich, und Reflexionen über alles, was heute geschieht, bestimmen den fesselnd dichten Text, der starke autobiografische Züge trägt und der vor der Grundfarbe Schwarz voller Todessymbolik ist. Auch dem Tod begegnet Bela an diesem letzten Tag in der Stadt, die nach den fürchterlichen Zerstörungen des Krieges langsam wieder aufgebaut wird. Schwarz sind die Vögel, die in Belas Traum einfallen, schwarz der Himmel, der sich über der düsteren Fabrikstadt wölbt, schwarz fließt der Fluss, in dem nirgends Schilf wächst, den die kleinen Wasserhühner verlassen haben, dem man seine Ufer nahm, auf dem kein Schiff fährt, auf dem nicht einmal ein kleines Boot treiben kann: „Das ist ein Fluß! Ach, das ist ein Fluß. Das ist gar kein richtiger Fluß.“ (…) „Seine Mühsal. Seinen Schmutz. Seine leidvolle Verfärbung. Und diesen schwarzen, riechenden, mitleidsoden Betrug, den man an ihm verübt. Immer schon verübt hat, seit er Fluß ist. Diesen Mißbrauch, diesen gehäuften, sehr alten Mißbrauch.“ Carola Lepping beschreibt ihn als einen Styx, der keinen Himmel hat, überspannt von einer Bahn: „Nur dieses Eisengerüst über sich. Und daran die Bahn, diese zähe, lästige laute Bahn. Und keine Wolken. Andere Flüsse haben Wolken über sich. Er hat nur die Bahn, und durch die Lücken

der Eisensparren schimmert zuweilen das dichte, unnachgiebige, gütige Grau des Himmels seiner Stadt. (…) Und sie sieht ihn an, und es geht ihr auf, daß er immer neben ihr war, und daß sie ihn nie, keinen Augenblick ihres langen, langen Lebens geliebt hat. Und sie hat so vieles geliebt, das es nicht wert war, geliebt zu werden. Aber den Fluß hier, den hat sie nie geliebt.“ Bela wird ihre sterbende alte Gefährtin Läuer an diesem letzten Tag im Krankenzimmer in den schrecklichen Tod begleiten: „Es ist so entsetzlich – es ist so entsetzlich – es ist so entsetzlich …“ Und einmal berühren Läuers Hände im Herumwerfen Belas Hand: „Laß“, schreit Bela, „nein!“ Und ihr Herz poltert von neuem die lange Treppe der Angst herunter. Und schlägt auf jeder Stufe hart und laut auf. Noch eine Stufe, noch eine …“ Betäubt von Abschied, Tod und diffusen Ängsten wird Bela in verlorenem Gottglauben für quälend endlose Momente auf einer Eisenbahnbrücke vor einer Verzweiflungstat stehen: „Oh, und warum nicht? Auch dies: Regen, überall Regen – ja und Eisen – nasses Eisen – und Ruß und Qualm der Lokomotiven. (…) Er läßt uns alle fallen. Er schickt die schwarze Sonne, daß sie uns dörrt und läßt uns alle von der Erde fallen … Sieh nicht hoch! Ach sei klug, halte dich fest! Dieses Geländer ist sicher. Die Menschen haben es gebaut. Oh, sie sind gut!“ Bela wird Mendorps Werben in den Wind schlagen, den Wunsch der Mutter, sie möge bleiben – und, ja, die eigene Furcht vor der Reise ins Ungewisse. Bela wird abreisen. „Und der Zug fährt jetzt ganz schnell. Und der schwarze, gewaltige, starke neue Lärm reißt Bela fort. Und sieh, Bela, nun ist nichts mehr, nichts, das dich festhält und weint und sich sorgt, nichts mehr. Nichts. Freiheit – endlich – die schwarze, schöne grausame Wüste der Freiheit. (…) Draußen ist die schwarze, vorbeisausende Fläche des Nichts. Auch keine Mauer. Auch kein Licht. Auch keine Brücke. Nicht einmal ein Baum. Nur die schwarze, vorbeisausende Weite des Nichts.“ „Bela reist am Abend ab“, mit seinen nur 149 Seiten dennoch ein ungemein wuchtiges Buch, weist schon damals auf Carola Leppings Opus magnum, ihren Roman „Cor“ hin. „Bela“ ist durch die dichten regionalen Bezüge im Text ein Wuppertal-Roman, einer der besten, die je geschrieben wurden – doch ist jede Position austauschbar, und er könnte überall spielen, so gültig sind Leppings präzise Personen-, Charakter-, Seelen-, Situationsbilder. 43


Carola Leppings Sisley-Impressionen Wichtige Wochen ihres Lebens habe sie in Paris verbracht, erzählte Carola Lepping. Das war 1958. Von den Reisen, die sie in den 50er-Jahren mit dem Preisgeld des Zürcher Charles-VeillonPreises finanzieren konnte, brachte sie eine große Liebe zu der in unendlichen Facetten glänzenden und von lebendigen Schicksalen erfüllten Stadt an der Seine und zu den stillen Landschaftsbildern des Impressionisten Alfred Sisley mit. 50 Jahre lang hatte sie diese Liebe bewahrt, bis sie 2004 nach fünfjähriger Arbeit an alten Typoskripten zunächst ihre Kunstimpressionen zu einer Sammlung brillanter Erzählungen gerinnen lassen konnte: „Huldigung an Sisley“.

Ein Füllhorn Nicht um die Figur des Malers Alfred Sisley geht es in den kostbaren kleinen Erzählungen, es geht um die Bilder, die seine Gemälde in seinen Betrachtern wach werden lassen, um die Geschichten, die sich aus „Pont de Moret“ (1892), „La route de Hampton Court“ (1874), „Vue du Canal Saint-Martin“ (1870), „La neige à Louveciennes“ (1878) oder „Allée près d´une petite ville“ (1865) im Kopf entwickeln. Ihre „Bildergeschichten vom Glück“ sind ein Füllhorn von Episoden voller leiser Glücksmomente, flirrender Sonnenstrahlen, stiller Wege, auch Wehmut - vor allem aber wunderbarer Charakterbilder und sensibler Momentaufnahmen. Wer die Bilder Sisleys und seiner Malerfreunde gesehen hat, wird doppelten Genuss aus Carola Leppings delikaten Erzählungen ziehen.

„Cor“ - Ein Phoenix Ja, nennen wir ihn ruhig einen Phoenix, diesen zauberhaften, verzaubernden Roman, mit dem Carola Lepping uns beschenkte, 45 Jahre nachdem sie ihn unter dem Eindruck der großen Stadt Paris geschrieben hatte. Ich nannte das faszinierende, geheimnisvolle Werk ihr Opus magnum, das sei hier noch einmal mit Nachdruck unterstrichen. Das Haus in der Rue Saint Dominique No. 7, im 7. Arrondissement, das wir auf dem Umschlagbild des 1 200 g schweren Buches sehen, gab den Anstoß zu dem Entwurf eines vielschichtigen Gesellschaftsbildes, das mehr als nur von Menschen erzählt, es lässt sie leben, fühlen, leiden, sich freuen. Es lässt sie lieben und zweifeln, Hoffnung schöpfen und verlieren, Gespräche mit sich selbst, mit anderen und mit dem Mond, dem guten Freund, führen. Und uns, die Leser, mit ihnen. Wer „Cor“ liest, wird sich der Atmosphäre des Viertels um die Rue Vaneau, die Rue de la Chaise und die Rue Sèvres nicht entziehen können, wird mit den vielen Einsamen in das Dauerhotel „Mädchen von Arc“ einziehen, in dem sich auf sieben Etagen, sorgsam bewacht vom Portier Monsieur Joseph, Schicksale begegnen, verflechten, verlieren. 44

„Cor“ ist eine Sinfonie von Bildern, ein unaufhörlich sprudelnder Quell genussvoll zu lesender, zu verkostender wundervoller Worte (viele davon delikate Schöpfungen), kunstvoll geformter Sätze, Beschreibungen und Impressionen in einer ganz raren, so nur sehr, sehr selten zu findenden Sprache - und immer wieder Bilder um Bilder - ein Rausch. Es ist der große Entwurf einer verlorenen und doch merkwürdig geborgenen Gesellschaft aus Verlorenen, Gefangenen, Suchenden, Hoffenden und Verrückten in der kleinen Rue Vaneau, Teil einer großen Stadt, die nie schläft. Zugleich ist „Cor“ ein Dokument, Zeuge und humorvoller Chronist einer bewegten, erwachenden Zeit neuer Kunstformen, Literaturen, Musik: „... ganz unbefangen flöten sie hier Telemann. Durch das grellgelbe, wildgeklebte Plakat starrend, sieht der fremde Student dem schwankenden zierlichen Gebilde der Leidenschaftslosigkeit zu. Flötenmusik. (...) Das gelbe Plakat verkündet eine Veranstaltung der Gruppe HO4 XYM3, einer literarischen Vereinigung von exklusiver Haltung. Das Autorenteam Iks, Ypsilon, Zet wird über die Kampfansage der Rasterliteratur an die Nuancenliteratur referieren ... (...) Irgendwann in der Nacht macht der Turm Schluß.“

Nachtbilder Nachtbilder, Traumbilder eröffnen den 810 Seiten währenden, in keinem Moment in seiner Bewegung, seiner Spannung nachlassenden Reigen. Carola Lepping lässt ihre aufmerksame Erzählerin nie ihren Beobachtungsposten verlassen, berichtet, lässt zu den zwischenmenschlichen Vorgängen oft mehr als nur eine Perspektive zu, ein raffiniertes Stilmittel, das erst viel später von Film und Literatur in dieser Form entdeckt wurde. Kostbare Passagen wie die Beschreibung der Centifolia, die Definition der Freiheit, von der Schriftstellerin Maria Pandini umrissen, oder subtile Traumbilder aus der Welt der Psychoanalyse reihen sich zu einer endlosen Kette sprachlicher Perlen. Durchaus auch weiß Cor um das Wesen der Liebe, die Hitze der Erotik: „Antoine und Follie - das Beieinander der Schenkel, das Näherkommen des fremden Knies, die schwere Last der feuchtgewordenen anderen Hand. (...) die Musette - die Musette beginnt, sie füllt alle Zwischenräume der Stille. Die Hand an dem fremden Gesicht, von der Klammer der fremden Hände gehalten und hineingeführt. (...) Höhepunkt des Abenteuers: Wie Claire sich plötzlich auf ihr Lager begibt, sich entschlossen ihres blauen Nachtgewandes entledigt und, einem unsäglich drängenden und süßen Befehl gehorchend, weit sich öffnet. Wie der junge Mann auf dem Dach, an die Brandmauer des großen verlassenen Hauses im Hintergrund gelehnt, sich von seinem Arbeitszeug befreit und Claire das neue, das herrliche und


fremde Geschöpf zeigt, mit dem er in Claires fernem und unbekanntem Land reisen wird. Glück und Seligkeit beider. Und Claire hebt ihren Leib ... (...) Und auch Claire hat längst ihr Lager verlassen, hat sich der offenen Fenstertür genähert und legt sich auf die Dielen und gibt sich ganz und weit, zwei schlanke weiße Deichselstangen, und nun sind sie gezügelt, ach, und nun reisen sie ...“ So wie die Rue Vaneau mit ihren Menschen voller immer neuer Wunder ist, zeigt sich auch Carola Leppings Sprache: „Der junge Mann im großen Nachthaus unter dem Monde gegenüber dem ,Mädchen von Arc’, der junge Mann fährt auf - er hat seinen Wecker überschlafen, und Madame Anelet steht vor ihm und schüttelt ihn sanft. Und er schließt die Augen und fühlt sich übermüde und will den Tag noch nicht, und er sieht in ihr sanftes Gesicht und fällt zurück und erbittet mit geschlossenen Augen noch eine kleine Gnadenfrist. (...) Ja - für alle, ob sie ihn nun wünschen, ob sie ihn fürchten: es ist nun Tag.“ --- „Monsieur Champagnat, unterwegs von einer Konferenz zur anderen, erkennt, vor dem Rotlicht vom Boulevard des Italiens und Boulevard de Strasbourg den Wagen stoppend, die Grausamkeit der Stadt ...Die fugenlose Hast ihres Tages, die tödliche Eleganz ihres perlfarbenen, luftleeren, nachmittäglichen Himmels.“

Kostbar - ein Meisterwerk Es wäre so mit Auszügen fortzufahren. Cors Leben, ihre Zeit in der Rue Vaneau, im ,Mädchen von Arc’, entwickelt sich in der Begegnung mit neuen Menschen dramatisch. Sie wird leiden, sie wird sich und die Welt verlieren, sie wird Hilfe bekommen. Carola Lepping öffnet Fenster und Türen, damit wir hineinsehen, den Menschen beim Leben zuschauen können, wie es Hanns Dieter Hüsch so gerne getan hat. Die sieben Stockwerke des ,Mädchens von Arc’ nehmen sich nicht so unheimlich aus wie die Dino Buzzatis in seinem Roman „Sette piani“, der 1966 erstmals in deutscher Sprache erschien, bergen aber nicht weniger Geheimnisse. Satz, Schriftbild und Orthografie hat die Lektorin des Wenz Verlages in Dreieich als wichtiges Gestaltungsmittel der Vorlage und dem Wunsch der Autorin entsprechend nicht angetastet - und damit dem Roman und seiner Dramaturgie das gelassen, was einen wichtigen Teil seiner Eigenart ausmacht. „Cor“ ist ein Meisterwerk - eines der kostbarsten Bücher der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts.

„bela reist am abend ab“ © 1956, S. Fischer Verlag, 149 Seiten, Ganzleinen mit Schutzumschlag. Das Buch ist gelegentlich noch antiquarisch zu bekommen.

„Huldigung an Sisley Bildergeschichten vom Glück“ © 2004 Carola Lepping, 220 Seiten, 17 x 22 cm, 29 farbige Abbildungen, Books on Demand, Norderstedt, 28,- €

„COR“, © 2006, Wenz Verlag, 810 Seiten, geb. m. Schutzumschlag, ISBN 3-937791-15-9, 24,80 €

Andere fertiggestellte Romane: „Annette Keppler – Bericht einer beschwerlichen Reise“ und „Großer schwarzer Vogel du“ sowie Texte wie „Im Bildersaal“ und „Aufzeichnungen aus einer Nekropole“, die stets ihre Schwester Gerda für sie tippte, blieben unveröffentlicht. Das lange liegen gebliebene Skript zu „Syrische Reise“ fand erst 2008 einen Verleger. Der Roman „Cor“, an dem Carola Lepping von 1967 bis 1975 gearbeitet hatte und der ursprünglich wie „Bela reist am Abend ab“ bei S. Fischer erscheinen sollte, blieb durch den Verkauf des Verlages an Holtzbrinck dort liegen, wanderte ebenfalls wieder in die Schublade. Carola Leppings Opus mag-

Frank Becker

num wäre um ein Haar unveröffentlicht geblieben. Wer den Roman jetzt liest, wird ermessen können, welcher Verlust das für die Literatur gewesen wäre.

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46 Holzstรถcke aus einer Birke, ca. 35 x 144 cm, Susanne Isabel Bockelmann


Michael Zeller zu den Holzdrucken von Susanne Isabel Bockelmann

letzter stand schwebend über grenzen gehen aus der grenze seines körpers halt verlieren festen boden droht zu fallen kann versinken bodennahe endlichkeit art von bäumen art des menschen eingepflanzt der trieb nach oben aus der grenze seines körpers erdenschwere an den füßen scheitel an den himmeln messen stehen gehen gehen strecken strecken recken aus sich raus

recken schweben haupt nach oben ziel verlieren aus den augen

stand und schwand vom boden schwebte auf und schwebte ab suchte freien raum da oben maß zu nehmen ohne maß

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Safiye Can

Diese Haltestelle hab ich mir gemacht Die Lyrik der Safiye Can Laudatio auf die Trägerin des Else-Lasker-Schüler-Lyrikpreises 2016 - Auszüge. Von Heiner Bontrup Der erste Blick aus dem Fenster am Morgen / Das wiedergefundene alte Buch / Begeisterte Gesichter Schnee, der Wechsel der Jahreszeiten / Die Zeitung / Der Hund / Die Dialektik / Duschen, Schwimmen / Alte Musik / Bequeme Schuhe / Begreifen / Neue Musik / Schreiben, Pflanzen / Reisen / Singen / Freundlich sein. Bertolt Brecht: „Vergnügungen“ (1954) 48

Erinnerungen, Assoziationen, Gedankensplitter. Bilder hat Bertolt Brecht in diesem Gedicht aneinandergereiht als eine Art von Selbstvergewisserung. Zwei Jahre vor seinem Tod listet er auf: Was hat dieses Leben lebenswert gemacht? Wofür hat es sich gelohnt, diesen Weg zu gehen? Was bereitete mir „Vergnügungen“? Lyrik als Liste, die Liste als höchste Form der Verdichtung. Sicher, auch ein Einkaufszettel könnte lyrisch sein, schrieben ihn eine Else Lasker-Schüler,


ein Bertolt Brecht, ein Gottfried Benn oder etwa auch ein Günter Eich. Dessen berühmtes Gedicht „Inventur“, was ist es anderes als eine Liste, durch die ein Kriegsgefangener im Internierungslager sich der letzten ihm habhaften Dinge vergewissert, als würde seine ganze Existenz in ihnen, den letzten ihm verbliebenen Dingen stecken - das habe ich noch, das ist mir übrig geblieben: Dies ist meine Mütze, dies ist mein Mantel, hier ist mein Rasierzeug im Beutel aus Leinen. (…) Dies ist mein Notizbuch, dies meine Zeltbahn, dies ist mein Handtuch, dies ist mein Zwirn. Eich kam aus der Welt des Krieges in die Hungerjahre des zerstörten, von Bombenangriffen heimgesuchten Deutschlands zurück. Noch im US-amerikanischem Gefangenenlager bei Sinzig inhaftiert, war er vielleicht auf der Suche nach Heimat. Wo sollte er sie finden? Nirgendwo, wenn nicht in sich selbst. Daher die Bestandsaufnahme, die Inventur als Selbstvergewisserung. Lakonisch und ökonomisch im Stil. Viel war ja auch nicht aufzulisten. Safiye Can kam 1977 als Kind tscherkessischer Eltern, „Gastarbeiter“ der zweiten Generation aus der Türkei, in Offenbach am Rhein zur Welt. In der Familie wurde türkisch gesprochen. Wir Leser ihrer auf Deutsch geschriebenen Gedichte können nur Mutmaßungen anstellen, wie sie ihr Aufwachsen in einer den Eltern zunächst fremd erscheinenden Welt erlebt hat. Offenheit ist notwendig, um den poetischen Kosmos der Safiye Can zu ermessen. Ihn zu vermessen, wäre vielleicht vermessen, weil sich ihre Gedichte dem unmittelbaren, einfachen Verständnis entziehen: Doch: „Poesie kann sich mitteilen, auch ehe sie verstanden ist“, schrieb T. S. Elliot. Und diese zutiefst treffende Beobachtung beschreibt sehr genau die Wirkung der Gedichte Safiye Cans.

Dazwischen Die junge Safiye Can ist, um es mit den Worten Thomas Manns zu sagen, ein „Weltenkind in der Mitten“: wurzelnd einerseits in der Sprache und Kultur ihrer Eltern, anderseits aufwachsend in Offenbach am Rhein, der alten hugenottisch geprägten Industriestadt, unmittelbar angrenzend an Goethes Geburtsstadt Frankfurt, wo sie später Philosophie, Psychoanalyse und Rechts-

wissenschaft studiert und als Jahrgangsbeste ihr Studium abschließen wird. Da ist sie schon tief eingetaucht in die Tradition des abendländischen Denkens, und doch ist es auffällig, dass sie mit Zarathustra eine legendäre Gestalt der orientalischen Welt in den Mittelpunkt ihrer Magisterarbeit stellt. Safiye Can wächst also auf an der Nahtstelle zwischen orientalischer und okzidentaler Kultur: Sie kommt aus einem Woher und ist auf der Reise nach einem Wohin. Darin Günter Eich ganz ähnlich. Doch ist dies möglicherweise die Existenzsituation des Menschen überhaupt, auch dann, wenn man ohne Zuwanderungsgeschichte aufwächst oder aus dem Krieg „heim“kehrt. Exil als Existenzial. Schon der Titel ihres zweiten Lyrikbandes „Diese Haltestelle hab ich mir gemacht“ verweist programmatisch auf eine Übergangs- und Durchgangssituation. Die Haltestelle. Die Reisemittel – Bus, Bahn, Fähre – sind noch nicht da. Was macht man da? Nachdenken. Denken in Bildern. Assoziationen steigen aus den Tiefen des Bewussten und Unterbewussten auf. Und schon entsteht Poesie, was im Ursprungssinne des Griechischen ja bedeutet: etwas Hervorgebrachtes, Hergestelltes, Gemachtes. Es war noch nicht und springt im Machen, im Tun, im Denken, im Sichselbst-Beobachten, im Notieren, im Schreiben, beim Feilen der Verse vom Nichts ins Sein. Die Pointe ist freilich, dass das Lyrische Ich der Safiye Can diese Haltestelle des Lebens nicht in der Wirklichkeit vorfindet wie Eich seine ihm verbleibenden wenigen Dinge. Nein, Safiye Can macht sie sich selbst, die Realien ihres Lebens, die sie in ihrem Gedichtzyklus, hierin Brecht und Eich ganz ähnlich, auflistet: Aber im Unterschied zu den Vorgenannten sind ihre Realien ein rein poetisches Konstrukt: An der fiktiven Haltestelle warte ich ohne etwas zu erwarten. Hier hält kein Bus, fährt keine Fähre die Uhr steht immer auf jetzt an der fiktiven Haltestelle esse ich mein Brot wie in einer Pause-Taste lebe ich hierher verirrt sich niemand.

Damit ist klar, was die Haltestelle des Lebens jedenfalls nicht ist: kein Ort, nirgends. Sondern: reiner Bewusstseinszustand. Die Zeit steht still. In den nun 19 folgenden 49


Strophen oder Gedichten (das ist und soll, wie gesagt, unentschieden bleiben) dieses Zyklus‘ wird dieser Nicht-Ort nun ermessen, erkundet, verortet in realen Erfahrungen. Zum Beispiel die Erfahrung der Liebe. Eine Chiffre vergegenwärtigt ihre Abwesenheit: Haben Sie einen Welpen für mich? Einen für meinen Schoß, haben Sie? Ich habe keinen, können Sie das verstehn? So verstehn Sie das ich konnte nur diese Haltestelle machen Jetzt kenne ich nur diese eine.

Liebe ist und bleibt das Generalthema ihrer Lyrik, doch Safiye Can reflektiert auch ihren Bildungsgang und die leerlaufenden, abstrakten Begriffe, die man ihr „beibringen“ will und die doch nur entfremden: das Ich vom Ich, das Ich von den anderen, das Ich vom möglichen Wir. Und wieder kehrt das Ich zurück zu seiner Haltestelle, das es sich selbst gemacht hat, eine Utopie, in der Blütentaub überall auf der Welt nichts ist als Blütenstaub. Es könnte so einfach sein … Und so schön ... Doch: Sie wollten mir Begriffe beibringen Ich verstand sie nicht Integration Exklusion Genozid Assimilation, beibringen Sie wollten mir Geschichte zeigen Ich verstand sie nicht Also sagten sie, ich sei dumm so machte ich mir die Haltestelle diese Blume da hab ich gemacht und den Blütenstaub. Blütenstaub ist überall Blütenstaub.

Gerhardt Czejka hat diesen unverwechselbaren, ganz eigenständigen und neuen Ton in der deutschsprachigen Lyrik sehr schön beschrieben: „Safiye Can nimmt es sehr genau mit dem persönlichen Ton. Angefangen von der richtigen Tonalität über die Tonlage oder -farbe des stimmlichen Ausdrucks bis hin zum jeweils einzig passen50

den Tonfall jeder kleinsten rhythmischen Einheit des poetischen Textes hat sie stets alles präzise im Ohr und wacht darüber als ihrem kostbarsten Eigentum. Es ist ihre Musik. Ihre Liebesgedichte sind eine Art Programmmusik (…), deren exklusiver Sound seinen Ursprung allerdings irgendwo im Zwischenkulturellen haben mag.“ In ihrem jüngsten Lyrikband finden sich Gedichte, die auf den Spuren der konkreten Poesie des Wiener Kreises, eines Ernst Jandl oder Eugen Gomringer wandeln. Natürlich mag man bei der Spurensuche der Quellen, aus denen sich die Lyrik der Safiye Can speisten, nicht die Überlieferungen der orientalischen Literatur und ihrer Symbolik übersehen, etwa das „Rose und Nachtigall“-Motiv in der tausendjährigen arabischen und türkischen Tradition, das ihrem ersten Gedichtband den Titel gab.

Transkultureller Zungenschlag Mit Safiye Cans beiden Gedichtbänden ist ein neuer Ton in die deutschsprachige Lyrik gekommen und zugleich ein transkultureller Zungenschlag, der erfrischend, belebend wirkt. Insofern sind sie auch Dokumente eines gesellschaftlichen Wandels, eines kulturellen Klimawandels, Treibstoff für einen lyrischen transkulturellen Dialog zwischen orientalischer und okzidentaler Welt. Wenn in einem solchen utopischen und zugleich genuin poetischen Sinne ihre Gedichte Zeitdokumente, Dokumente eines Wandels sind - Alte Musik und Neue Musik zugleich - , wie Brecht es als zwei herausragende Vergnügungen in seiner Liste vermerkte, wenn sie den Wechsel der kulturellen Jahreszeiten andeuten, dann erfüllen sie ein weiteres Kriterium guter Lyrik, das Brecht aufgestellt hat: „Lyrik muss zweifelsohne etwas sein, was man ohne weiteres auf den Gebrauchswert untersuchen muss. Alle großen Gedichte haben den Wert von Dokumenten.“

Else-Lasker-Schüler-Lyrikpreis an Safiye Can Der Else Lasker-Schüler-Lyrikpreis 2016 wird an Safiye Can vergeben. Bisherige Preisträger waren Thomas Kling (1994) und Friederike Mayröcker (1996). Aus finanziellen Gründen war der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft nicht möglich, diesen Preis kontinuierlich weiter zu vergeben. Umso erfreuter ist Hajo Jahn, Vorsitzender der gleichnamigen Literaturgesellschaft, dass es 2016 gelungen ist, diesen Preis wiederbeleben zu können. Die öffentliche Preisverleihung findet im Forum der Stadtsparkasse Wuppertal, Islandufer 15, am Freitag, 11. November 2016, 19 Uhr statt.


Ein Nachruf auf Thomas Beimel

Unabhängige Geister sind rar gesät Ein schillerndes Exemplar dieser Spezies war Thomas Beimel. Als Ruhrgebietskind, mit einem gewissen Stolz auf seine Herkunft, schätzte er die direkte Art der Ruhrpottler. Auf sehr direkte Art kam er auch in mein Leben. Ich kannte ihn vor allem als Komponisten. Kurz nach meiner Ankunft in Wuppertal Mitte der 90er suchten und fanden wir uns und waren freundschaftlich und professionell miteinander verbunden bis zum 29.6.2016. Über die Jahre betrachtet sind seine Werke erstaunlich unterschiedlich und nicht einem Stil unterworfen. Sumak, das klagende Geflecht zweier ineinander verwobener Bratschen; das Streichquartett Colera, verstörend aggressiv, voll von gewürgten Klängen; ein weiteres Quartett Zwei Augen/ Sternverdunkelung, zart und träumerisch im Ausdruck und den Farben; Concertino für Viola und Orchester, was ist die simpelste musikalische Idee und was kann ich daraus machen? (seine Worte); Bagatellen, konstruktivistisch, fast seriell klingend; die parodistische Oper „vom guten ton – die welt ist voll geplapper“. Das beschreibt nur einen kleinen Ausschnitt seines Komponierens. Glücklicherweise hat er alles gut dokumentiert und fast alle Uraufführungen mitgeschnitten, sodass wir diesen Reichtum an Ideen nachhören können. Auch in der kompositorischen Vielfalt drückte sich seine Unabhängigkeit aus. Ihm war nicht daran gelegen, einer Richtung anzugehören, die Idee einer „Schule“ hat ihn da eher amüsiert. Wenn er jemandem nachgeeifert hat, dann war es Myriam Marbe, seine Mentorin aus Bukarest. Die hatte er kennengelernt auf einer seiner Reisen nach Rumänien und war so fasziniert von ihr, dass er 1991 eine Monografie über sie schrieb und ein paar Jahre später dann ein privates Kompositionsstudium bei ihr aufnahm. Das Forschen über hier unbekannte Komponisten wurde ihm seit den frühen 90ern zu einem Herzensanliegen. Besonders nach Rumänien und Südamerika hat es ihn da gezogen. Die Liste der Essays und Rundfunkproduktionen ist so lang wie die der über diese Arbeit entstandenen Freundschaften.

Thomas Beimel, Foto: Angél Araújo

Trotz aller Auslandsaufenthalte und internationaler Konzerttätigkeit mit Partita Radicale habe ich ihn im positivsten Sinn als lokalen Künstler empfunden. Er war Wuppertaler durch und durch und hier speziell Ölberger. Am Ort präsent sein, ihn mitgestalten, Kräfte bündeln in Netzwerken, mitmischen in der öffentlichen Diskussion, das war ihm Bedürfnis. Als Diskutant, wiederum unabhängig, unbequem und so gar nicht harmoniesüchtig, war er ein Kämpfer für die freie Szene unserer Stadt. Seit etwa zehn Jahren hat er mit großer Hingabe Musiktheater-Projekte mit Grundschulkindern durchgeführt. Für wie viele Kinder waren diese Projekte ein liebevoller und gänzlich ungewohnter Ausblick in ihre eigene schöpferische Kraft? 25 Jahre Partita Radicale waren zentral für ihn im Ausdruck als spielender Musiker. Thomas Beimel fehlt hier. Werner Dickel 51


Saitenspiel Kammerkonzerte in der Historischen Stadthalle Wuppertal

Auf den ersten Blick mag die Kammermusik als bescheidene Nische im klassischen Musikleben erscheinen: kleine Besetzungen, intime Säle, keine Überwältigung durch grandiosen Orchesterklang oder blendende Virtuosität. Doch der Mäzen und Initiator der Konzertreihe Saitenspiel, Detlef Muthmann, ist gerade von dieser Konzentration auf das Wesentliche in der Musik – jenseits äußerlicher Effekte – besonders fasziniert. Denn viele große Komponisten haben gerade in der Kammermusik ihre innersten und persönlichsten Gedanken zum Ausdruck gebracht. Den Zugang zu diesen herausragenden Werken möchte Detlef Muthmann dem Publikum seiner Heimatstadt Wuppertal mit seiner Konzertreihe Saitenspiel ermöglichen. Und die Zeiten sind günstig: Nie zuvor gab es eine solche Fülle an außergewöhnlichen Kammermusik-Ensembles, allen voran viele herausragende junge Streichquartette.

Für die Zuhörer gibt es wohl kaum einen Ort, wo sie der Musik und den Musikern sonahe kommen dürfen wie im Rahmen eines Kammerkonzerts. In der exzellenten Akustik des Mendelssohn Saales der Historischen Stadthalle wartet Saitenspiel in der Saison 2016/17 mit gleich zwei Programmschwerpunkten auf: dem vierteiligen Zyklus „... mit Franz Schubert“ und der spektakulären Gesamtaufführung der Streichquartette Ludwig van Beethovens, mit der sich Detlef Muthmann einen lang gehegten Traum erfüllt. Unter dem Motto Auf Flügeln der Musik wird zu allen vier Saitenspiel-Konzerten und zum Beethoven-Zyklus Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen der Konzertbesuch zu besonderen Konditionen ermöglicht.

Saitenspiel ... mit Franz Schubert Franz Schubert bewunderte den 27 Jahre älteren Ludwig van Beethoven – und ging musikalisch doch ganz andere Wege. Während Beethoven die klassischen Formen dynamisierte und schließlich sprengte, fand der Romantiker Schubert seinen musikalischen Ausdruck in weit gespannten „himmlischen Längen“ (wie Robert Schumann es später nannte). Doch beide Komponisten, die zeitgleich in Wien lebten, verband die Suche nach der poetischen Idee und der individuellen Botschaft hinter den Tönen. Einige der schönsten Kostbarkeiten aus Schuberts umfangreichem kammermusikalischen Œuvre bilden das Gravitationszentrum der vier Konzerte, die zu besucherfreundlichen Zeiten an Sonnoder Feiertagen jeweils um 18 Uhr stattfinden.

Schumann Quartett, © Kaupo Kikkas

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25.09.2016: Schumann Quartett Das Schumann Quartett um die Brüder Erik, Ken und Mark Schumann mit der Bratschistin Liisa Randalu hat mit seinen überzeugenden Interpretationen seit seiner Gründung 2007 die wichtigs-


ten Konzertsäle der Welt erobert. Endlich gibt das Kölner Ensemble, das schon mit Größen wie Menahem Pressler oder Sabine Meyer musizierte, nun auch sein Debüt in der Historischen Stadthalle Wuppertal. Dafür nehmen sich die vier Ausnahmemusiker Schuberts letztes und anspruchsvollstes Streichquartett G-Dur D 887 vor – klangfarbenreich umrahmt von Mozarts 3. Preußischem Quartett F-Dur KV 590 und dem 3. Streichquartett des russischdeutschen „Poly-Stilisten“ Alfred Schnittke, der 1998 in Hamburg starb.

27.11.2016: Goldmund Quartett & Christopher Park Bereits in der vergangenen Saison begeisterte das Goldmund Quartett mit seinem natürlichen und ausgereiften Spiel das Saitenspiel-Publikum – und erhielt sofort eine Wiedereinladung. Diesmal präsentieren sich die vier jungen Münchner Musiker in gleich drei verschiedenen Besetzungen: Vom Duo in Schuberts weit schwingender ArpeggioneSonate über ein ganz „klassisches“ Streichquartett Es-Dur D 87 aus der Feder des 16-jährigen Schubert bis zum großen Klavierquintett Es-Dur op. 44, das Robert Schumann in symphonischer Breite für seine Frau Clara komponierte. Kongenialer Klavierpartner ist ECHO Rising Star Christopher Park. Christopher Park, © Michael Dannenmann

Goldmund Quartett

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Dover Quartet © Lisa-Marie Mazzucco

12.03.2017: Dover Quartet Seit dem Gewinn des renommierten Streichquartett-Wettbewerbs im kanadischen Banff 2013 kann sich das Dover Quartet, das 2008 am Curtis Institute of Music in Philadephia zusammengefunden hat, vor Konzertanfragen aus aller Welt kaum retten. In seiner amerikanischen Heimat wird es bereits mit dem legendären Guarneri Quartett verglichen. Exklusiv für die Konzertreihe Saitenspiel haben die Musiker Schuberts „Rosamunde“-Quartett a-moll D 804 in das Programm ihrer diesjährigen Deutschlandtournee aufgenommen. Darüber hinaus steht die Komposition Pale Blue Dot des US-Amerikaners David Ludwig auf dem Programm: eine faszinierende Klangvariation über Beethovens berühmte Cavatina aus dem Streichquartett op. 130. Als Verbeugung vor dem „Vater“ des Streichquartetts, Joseph Haydn, erklingt zur Eröffnung des Konzerts dessen letzte Quartettkomposition d-moll op. 103.

25.05.2017: Mariani Klavierquartett Das Mariani Klavierquartett um die Wuppertaler Bratscherin Barbara Buntrock widmet sich Schuberts beliebtestem Kammermusikwerk: Das Klavierquintett A-Dur D 667 mit den berühmten Variationen über das Lied „Die Forelle“ erhält durch die Ergänzung um den Kontrabass besondere Klangfülle. Für die eher seltene Besetzung von Klavier, Violine, Viola und Violoncello schrieb der rumänische Komponist George Enescu 1909 in seinem Klavierquartett D-Dur op. 16 eine mal romantisch-schwelgerische, mal motorischmitreißende Musik.

Mariani Klavierquartett

Parallel zu den vier Konzerten spielen alle beteiligten Interpreten Schulkonzerte für Grundschulkinder der 3. und 4. Klassen – und erstmals auch zwei Konzerte für 5. und 6. Klassen an weiterführenden Schulen. Ebenfalls neu im Programm ist ein Schulkonzert, das von Studierenden der in Wuppertal ansässigen Hochschule für Musik gestaltet wird: Junge Musiker musizieren für junge Zuhörer. Alle Schulkonzerte werden von dem erfahrenen Musikpädagogen Raphael Amend (selbst Geiger und im Hauptberuf stellvertretender Leiter der Bergischen Musikschule) konzipiert und moderiert. 54


Uriel Quartett

Beethoven-Zyklus Die Streichquartette Ludwig van Beethovens sind der „Mount Everest“ der Kammermusik. Das Uriel Quartett um den Wuppertaler Bratschisten Werner Dickel wagt den interpretatorischen Gipfelsturm an zwei Wochenenden im Oktober 2016 und Mai 2017 mit insgesamt sechs Konzerten. Die Besetzung für vier ebenbürtige Musizierpartner hat den Wiener Klassiker sein ganzes Leben lang beschäftigt – so lassen sich seine Streichquartette als eine Art musikalischer Autobiografie lesen. In der klugen Programmfolge des berühmten Slee-Beethoven-Cycle in Buffalo/USA (der seit 1955 jährlich stattfindet) erklingen in jedem der sechs Konzerte ein Werk aus Beethovens frühen Quartetten op. 18, ein Werk der „mittleren“ Schaffensphase und ein Opus des geheimnisvollen Spätwerks. Das Uriel Quartett wurde 2011 von den langjährigen musikalischen Weggefährten Kjell-Arne Jörgensen, UlrikeAnima Mathé, Xenia Jankovic und Werner Dickel gegründet, um vor allem die Quartette Beethovens und Bartóks ohne den Druck des Musikmarktes zu ergründen und zu verinnerlichen. Alle vier Musiker sind Solisten und Kammermusiker von internationalem Rang. Die Arbeit ist auch eine Hommage an den großen Musiker und Inspira-

tor Sandor Végh, der für die Biografie jedes Mitglieds eine entscheidende Bedeutung hatte und selbst wegweisende Interpretationen der Quartette Beethovens und Bartóks vorlegte. Der erste Teil des Beethoven-Zyklus findet an den drei Tagen Freitag, 7. Oktober 2016, bis Sonntag, 9. Oktober 2016, jeweils um 18 Uhr im Mendelssohn Saal der Historischen Stadthalle statt. Der zweite Teil der Gesamtaufführung folgt am Wochenende Freitag, 5. Mai 2017, bis Sonntag, 7. Mai 2017. Die Konzertreihe Saitenspiel wird ermöglicht und konzipiert von dem Mäzen und Kammermusikliebhaber Detlef Muthmann. Elisabeth von Leliwa

Detaillierte Informationen zu Programm, Interpreten, Reservierung und Kartenkauf: www.saitenspiele.eu 55


Aufbruch in Wuppertal, Kreativität trotz Vorschau auf die nächste Opernsaison 2016/2017 in Wuppertal und Hagen

Im Mai 2016 waren im WDR Fernsehen vier Filme über das „Opernland NRW“ zu sehen, in denen die 15 Opernhäuser dieses Bundeslandes vorgestellt wurden. Ein für unsere Region sehr ernüchterndes Fazit wurde am Ende gezogen: „Neben Duisburg sind Wuppertal und Hagen nur wenige Schritte vom Abgrund entfernt.“ In Wuppertal scheint es aber deutlich in die andere Richtung zu gehen, weg vom Abgrund. Es gibt wieder ein Education-Team, nicht jeder der Mitarbeiter muss sich um alles kümmern, sondern hat eine feste Aufgabe. Und der neue Intendant, Berthold Schneider, macht sich mit Wuppertal bekannt, wohnt hier, arbeitet gelegentlich auch unter freiem Himmel in einem Café auf dem Laurentiusplatz. Das vorgelegte Programm ist avanciert und abwechslungsreich. Dem nicht aufgegangenen Konzept von Toshiyuki Kamioka und Joachim Arnold „Nur Schlachtrösser und kein Ensemble“ wird ein differenziertes vielschichtiges Programm entgegengesetzt - und ein Ensemble gibt es auch wieder. Schneider machte bei der Vorstellung des Programms eins sehr deutlich: Auch im Opernprogramm, und natürlich auch in der Art, wie es ausgeführt wird, muss klar werden, dass wir im 21. Jahrhundert leben, auch wenn Oper nur selten direkt auf aktuelle Ereignisse reagieren kann. Das zeigt sich bereits im Programmheft der nächsten Spielzeit, in dem neben den angekündigten Stücken Fotos von Jens Großmann zu sehen sind, von Naturkatastrophen, Flüchtlingslagern und anderen unschönen Orten. Begonnen wird mit zwei Premieren an zwei aufeinanderfolgenden Tagen. Am 17. September geht Three Tales über die Bühne, eine Videooper von Beryl Korot und Steve Reich, dem inzwischen 80 Jahre alten Protagonisten der Minimal Music. Laut Programm wird diese Oper, deren technische Anforderungen sehr hoch sind, zum ersten Mal in einem Stadttheater aufgeführt. Das Publikum wird in einer „In56

Berthold Schneider, Foto: Jens Grossmann

stallationssituation“ auf der Bühne sitzen. Der Intendant inszeniert selbst. Experimentell dürfte auch die zweite Premiere sein, Offenbachs Fantastische Oper Hoffmanns Erzählungen. Besonders gespannt darf sein, wer Stefan Herheims von der Kritik überschwänglich gelobte und vom Publikum gefeierte Inszenierung aus Bregenz dort, im Fernsehen oder auf DVD gesehen hat. In Wuppertal wird offenbar etwas ganz Gegensätzliches angestrebt. Verwob Herheim Personenund Geschlechteridentitäten revueartig zu einem großen Ganzen, wird diese Oper hier von vier verschiedenen Regisseuren auf die Bühne gebracht. Zu erwarten ist, dass die Aufführung von möglicherweise extremen Gegensätzen leben wird und das auch soll. Als dritte Wuppertaler Premiere im Jahr 2016 gibts dann am 29. Oktober eine Familienoper, Die Liebe zu den drei Orangen von Sergej Prokofjew. Ein „an hypochondriotisch


Unsicherheit in Hagen verschleimter Melancholie“ leidender Prinz soll zum Lachen gebracht werden. Man kann sich denken, dass drei Orangen dabei nicht unwichtig sind. Auch 2017 wird interessant. Die Wuppertaler Oper wagt sich - endlich wieder! - an eine Oper aus dem 21. Jahrhundert, Helmut Oehrings Aschemond oder The Fairy Queen. Nur neue Töne wird es aber nicht geben, weil Oehrings Oper auf der „Fairy Queen“ des Barockkomponisten Henry Purcell basiert und sich mit ihr auseinandersetzt (Premiere am 29. Januar 2017). Am 17. Februar folgt dann die Premiere zur Rocky Horror Picture Show. Ausdrücklich erwünscht ist das Erscheinen des Publikums in Strapsen oder ähnlichen Kostümierungen. Auch Reis soll mitgebracht werden. Für die Freunde klassischer Opern kommt dann am 9. April: Rigoletto von Giuseppe Verdi. Doch Vorsicht! Berthold

Schneider ist es gelungen, Timofej Kuljabin als Regisseur zu verpflichten, der für neue, aber überzeugende Lesarten bekannt ist und schon oft dafür ausgezeichnet wurde. Seine „Tannhäuser“-Inszenierung in Novosibirsk(!) machte auch in der deutschen Presse Schlagzeilen, weil sie zwar von Kritik und Publikum gefeiert, wegen Protesten der Kirche aber abgesetzt werden musste. Nur kurz erwähnen kann ich hier: die konzertante Aufführung des Barbiers von Bagdad von Peter Cornelius und die Wiederaufnahme des Don Giovanni. Schließlich eine Projektreihe The Sound of the City und das Educationprojekt Pulcinella. Gerade die beiden letzten Pläne, aber nicht nur die, machen deutlich, dass es dem neuen Intendanten besonders ankommt auf Vermittlung und Erschließung von neuem Publikum mit unterschiedlichen Methoden. Ganz offensichtlich zieht er dabei mit Julia Jones, der neuen Generalmusikdirektorin, an einem Strang. Die stellt sich in der nächsten Saison dem Wuppertaler Publikum gerade in

„Die Zauberflöte“, Kenneth Mattice (Papageno), Maria Klier (Papagena), Ann-Kathrin Niemczyk (Dritter Knabe), Foto: Klaus Lefebvre

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Familienkonzerten vor, die andere Dirigenten gern als lästige Pflichtaufgaben ansehen und lieber vermeiden. Berthold Schneider hat drei Jahre Zeit, Verlängerung ist möglich. Der Anfang sieht sehr vielversprechend aus.

Anders ist die Situation in Hagen. Das Hagener Theater leidet unter einem brutalen Sparzwang der Stadt. Nach dieser Saison endet die Intendanz von Norbert Hilchenbach, und der GMD Florian Ludwig geht dann auch, nach kräftigem Geknirsche auf eigenen Wunsch. Kandidaten für die Nachfolge des Intendanten, Stand heute, sind nicht bekannt. Waren es vor einem Jahr in Wuppertal sehr viele Kandidaten, haben dort die beiden vorhandenen Kandidaten angesichts der finanziellen Lage ihre Bewerbung zurückgezogen. Deutlicher gehts eigentlich nicht. Hier droht kulturelle Kastration, und die ist, wie beim Menschen, nicht mehr rückgängig zu machen. Bedenken sollten die Hagener Stadtväter auch, dass ihnen das Musiktheater immer wieder ein volles Haus beschert und die Presse meist sehr positiv schreibt. Oft habe ich ein begeistertes Publikum und Standing Ovations erlebt. Da sollte man den Geldhahn doch so weit aufdrehen, dass Theater wie bisher zumindest machbar bleibt. Im Programm für die nächste Spielzeit ist von Resignation aber nichts zu spüren. Volle Fahrt bis zum Ende. Das Programm der nächsten Saison ist intelligent und avanciert zusammengestellt, wie in den Jahren zuvor. Die erste Premiere geht am 29. September über die Bühne, wie schon in den letzten Jahren eine Mozartoper. Diesmal stemmt Hagen Figaros Hochzeit, natürlich wieder mit eigenem Ensemble. Die Spielzeit beginnt aber schon früher, bereits am 3. September mit der Wiederaufnahme von Mozarts Zauberflöte. In der witzigen und intelligenten Inszenierung Annette Wolfs steht nicht der Kampf der Lichtwelt Sarastros gegen die der Königin der Nacht im Mittelpunkt, Hauptthema ist hier, wie junge Menschen sich gegen scheinbar übermächtige Erwachsene und Institutionen behaupten, um eine eigene Lebensperspektive zu gewinnen. Und Sarastro bekommt bei seinen extrem frauenfeindlichen Sprüchen heftigen Gegenwind. Am 11. September folgt eine weitere Wiederaufnahme einer erfolgreichen Inszenierung, das Musical Avenue Q. Auch im Oktober folgen zwei weitere Wiederaufnahmen, schließlich hat Hagen ja zum Vergnügen des Publikums 58

etliche Premieren in der zweiten Hälfte der letzten Saison erfolgreich auf den Weg gebracht. Am 5.10. öffnet sich der Vorhang für die extrem erfolgreiche und immer ausverkaufte Revue Von Babelsberg nach Hollywood, und schon ab 9.10. kann man wieder den Rosenkavalier sehen. Die erotischen Entwicklungen des Stücks ahnt man schon, wenn man den Zuschauerraum betritt, denn auf dem Bühnenprospekt verlässt ein nackter Amor nach vollbrachter Tat eine offenbar befriedigte schlafende Frau, und auch das Hagener Orchester lässt keinen Zweifel daran, dass die Ouvertüre musikalisch eine heftige Bettszene darstellt. Auch das Projekt „Jeder Schüler ins theaterhagen“ geht weiter, sogar mit einer Uraufführung. Der erfolgreiche Komponist Ludger Vollmer wurde beauftragt, das Jugendbuch Tschick von Wolfgang Herrndorf zu vertonen. Premiere wird sein am 11. März 2017. Und unter der Überschrift „Musiktheater für alle ab 5 Jahren“ wird ab 21.3. die Kinderoper Gold! aufgeführt, basierend auf dem Märchen „Vom Fischer und seiner Frau“. Auch für die eher an klassischen Stücken Interessierten gibt es etwas zu hören und zu sehen. Am 12.11.2016 ist Premiere von Kalmans Czardasfürstin, am 21.1.2017 von Donizettis Lucia di Lammermoor und am 22.4.2017 von Wagners Fliegendem Holländer. Der scheidende Intendant Norbert Hilchenbach hat sich für seinen Abschied etwas Besonderes ausgesucht: Er inszeniert HK Grubers Oper Geschichten aus dem Wienerwald, die viele Musikstile benutzt, sich vor allem aber auf Hanns Eisler und Kurt Weill bezieht. Jetzt könnte man sich auf eine interessante Saison freuen. Das wird aber durch große Unsicherheit getrübt, weil keiner weiß, wie es danach weitergeht. Die Hagener Politiker sind am Zug. Vielleicht hilft ein Zitat des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker: „Kultur kostet Geld. Sie kostet Geld vor allem deshalb, weil der Zugang zu ihr nicht in erster Linie durch einen privat gefüllten Geldbeutel bestimmt sein darf. Substantiell hat die Förderung von Kulturellem nicht weniger eine Pflichtaufgabe des öffentlichen Haushalts zu sein als zum Beispiel der Straßenbau.“ Wird das Musiktheater in Hagen nach dieser Saison weiter bestehen? Wenn nicht, wäre es eine Schande! Fritz Gerwinn


„Avenue Q,“, Tillmann Schnieders (Brian), Maria Klier (Christmas Eve), Carolin Waltsgott, (dahinter) Michael Thurner (Nicky), Nicolai Schwab (Princeton), Joyce Diedrich (Lucy) (dahinter) Maciej Bittner (Trekkie Monster), Kim-David Hammann (Rod), (dahinter) Vicco Farah, Marilyn Bennett (Agnetha Fältskog), Foto: Klaus Lefebvre

The art of tool making

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Landung einer Außerirdischen im Skulpturenpark Esperanza Spaldings Reise in die Zukunft des Jazz

Warmes, schwüles Wetter lag über Wuppertal an diesem Wochenende mitten im Juli und zugleich hoch gespannte Erwartungen an zwei aufeinander folgende Konzertereignisse bei der Musikreihe KlangArt im Skulpturenpark. Angekündigt waren die Jazzlegende Stanley Clarke, Altmeister des Jazzrock, und Esperanza Spalding, eine der Shootingstars der aktuellen US-amerikanischen Jazzszene. Keine Frage, mit den Auftritten dieser Ausnahmekünstler gelang den Machern von KlangArt, Spiritus Rector E. Dieter Fränzel und Maik Ollhoff, ein Durchbruch in eine neue Dimension dieser Musikreihe. So viele Jazzbegeisterte waren an einem Wochenende zuvor noch nie in den Skulpturenpark gepilgert. Um es vorwegzunehmen, die hoch gespannten Erwartungen des Publikums sollten sich erfüllen, wenn auch auf 60

sehr unterschiedliche Art und Weise. Fokussieren wir uns auf Esperanza Spaldings Jazzkonzert, das dieses Format auf ungewöhnliche Weise um theatrale und choreografische Elemente erweiterte.

Transformationen eines Wunderkindes Zweifellos hat Esperanza Spalding den Jazz des 20. Jahrhunderts inhaliert. Mit nur 20 Jahren avanciert sie zur jüngsten Professorin aller Zeiten am renommierten Berklee College of Music in Boston, der Talentschmiede für Jazzmusiker in den USA. Bereits mit fünf Jahren lernt sie Geige, mit nur zehn spielt sie im Orchester des Chamber Music Society of Oregon, mit 15 wird sie bereits Konzertmeisterin und entdeckt dann sowohl den Bass als auch nicht klassische Musikarten für sich. Es sollte ihr Durchbruch werden. Am Berklee College taucht sie ganz tief ein in die Geschichte des


Jazz und entwickelt bei der Interpretation von Jazzklassikern ihren eigenen Stil. Ihr Bass klingt wunderbar warm, zugleich beginnt sie zu ihrem Bassspiel zu singen, mal unisono, dann immer häufiger komplex verzahnt. Typisch ist der Wechsel von Text- zu improvisierenden Scatpassagen. Dafür erntet sie schon früh Ruhm und Anerkennung. 2009 darf sie anlässlich der Verleihung des Friedensnobelpreises an Barack Obama auf dessen persönlichen Wunsch hin spielen. Bei den Grammy Awards wird sie 2011 als Beste neue Künstlerin ausgezeichnet, ein Jahr später gewinnt sie den Titel als beste Jazzmusikerin. Ein Wunderkind, das sehr früh zu einer anerkannten Ausnahmekünstlerin gereift ist. Von daher ist die Geschichte, die hinter ihrem jüngsten Musikprojekt Emily´s D + Evolution steckt, auch programmatisch für ihr eigenes Leben. Es erzählt die Geschichte der Emily – Emily ist Esperanzas zweiter Vorname –, die als Außerirdische auf der Erde landet und hier heimisch gemacht werden soll. Fulminant beginnt ihr Auftritt: Im Afrolook (so wie man sie von früheren Auftritten her kennt) und mit

einer Gesangsnummer betritt Esperanza die Bühne; das Publikum ist sofort gefangen ob der Stimmgewalt der kleinen, drahtigen Person, von der zunächst nur der Kopf zu sehen ist, ihr Körper wird verdeckt von einem bühnenbreiten Plakat mit Sternenlandschaft, Bergen und Mond. Dann verschwindet Esperanza hinter dem Plakat, Kleidungsstücke und die Afroperücke wirbeln durch die Luft, das Plakat verschwindet, die Metamorphose der alten Esperanza in die neue Emily ist vollendet, ebenso ihre Landung auf der Erde. Emily trägt hautenge weiße Jeans, eine überdimensionale weiße Brille und ein Krönchen auf dem Kopf. Wer mag nun hinter dieser Emily stecken? Das farbige, „außerirdische“ Wunderkind in der weißen Mehrheitsgesellschaft, die kindliche Freude an der Musik gegen die Bildungslastigkeit und Integrationswut der Erdlinge? Oder auch der Protest einer Ausnahmekünstlerin gegen die Festlegung auf das Jazzformat? Kritik am Emily-Projekt hat es von jazzaffinen Kreisen ohnehin gegeben. Esperanza Spalding selbst will jedenfalls, wie sie sagt, mit Emily’s D + Evolution zu ihren eigenen Anfängen zurückkehren; dass

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sie dabei den Blick weit über die Grenzen des Jazz und seine Geschichte hin zu anderen musikalischen Formaten wie Funk, Rock und Pop geöffnet hat, ist unüberhörbar. Und so sehr sie diese musikalischen Strömungen auch zu einem Amalgam verdichtet, so sehr ihr jüngstes Projekt in diesem Sinne „postmodern“ sein mag, so wird doch ein einzigartiger, bisher unerhörter Personalstil erkennbar. Es ist, als ob Esperanza Sapalding zugleich bei sich selbst und in der Zukunft angekommen ist: Return to Future. Was es nun auf sich haben mag mit Emily, das ist eine Frage, die offen bleibt und dem Publikum noch länger durch den Kopf geistern mag. Jedenfalls versuchen die Erdbewohner, dargestellt von den durchweg hervorragenden Backgroundsängern, die Außerirdische durch Bildung zwanghaft zu „integrieren“. Rechts auf der Bühne steht ein Bücherregal, eiligst rennen die Backgroundsänger, die in gelbe Hosenanzüge des Space Age gewandet sind, zu der auf der Erde Gelandeten, drücken ihr eiligst ein Buch nach dem anderen in die Hand. Emily versucht zu folgen, und nun beginnt nach diesem fulminanten Aufschlag Emilys Kampf um ihre (auch musikalische) Autonomie im Wettstreit mit den gutwilligen, aber erschöpfenden (ebenfalls musikalischen) Integrationsbemühungen der Erdlinge. Das alles ist musikalisch, theatralisch und choreografisch exakt durchkomponiert; zugleich aber auch ein Work in Progress. Denn alle Auftritte und Proben werden, so Esperanza Spalding im Gespräch mit den Machern des Festivals, aufgezeichnet und permanent weiterentwickelt. 62

Der musikalische Dialog zwischen den Erdlingen und der um Bewahrung ihrer musikalischen Identität kämpfenden Emily nimmt den Mittelteil des Projektes ein, der trotz aller feinen musikalischen Ausarbeitung den Spannungsbogen zum Teil überdehnt. Doch mit den sehr breit ausgespielten Stücken „Funk The Fear, I Want It Now“ (eine deutliche Anspielung an den Doors-Klassiker „When The Music’s over“) und dem programmatischen „Change Us“ zieht Esperanza Spalding das Publikum auf eine zunächst sanfte und hypnotische, dann immer ekstatischere Art und Weise in den Bann. Bei diesen Stücken wirkt eine zunächst noch gezügelte, fast sanfte Kraft, inspiriert durch eine kalkulierte Zurückhaltung Spaldings, doch man ahnt schon, dass sie sich noch energiereich entladen wird. Die pure Spielfreude Emilys erfasst dann zunächst die Backgroundsänger-Erdlinge, und von dort springt sie auf das Publikum über. Die Außerirdische Emily hat endgültig die Kontrolle übernommen, und die lustfernen Integrationsspießer werden von ihrem Bildungsballast befreit und in Wesen mit kindlicher Spielfreude verwandelt. In ihrem letzten Stück Unconditional Love wird diese Transition hymnisch gefeiert: ein großartiger Schluss- und Höhepunkt. Der Jazz des 21. Jahrhunderts ist mit Esperanza Spalding in Wuppertal angekommen. Heiner Bontrup Fotos: Karl-Heinz Krauskopf


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Gregory Porter, Foto: Shawn Peters

Jazztage in Leverkusen Ein Ausblick ‚As time goes by’, ein Standard aus dem Jazz-Realbook, kommt mir in den Sinn. Seit

‚The fundamental things apply As time goes by.’ Die grundlegenden Dinge der Le-

nun 37 Jahren ist Leverkusen für zehn hintereinander folgende Tage im November eine feststehende Größe im internationalen Kulturgeschehen. Circa 25 000 Besucher kommen Jahr für Jahr ins Forum, in den Scala Club, das Topos, den Sensenhammer und in das Erholungshaus, um namhafte und wegweisende Jazzmusiker aus aller Welt zu sehen und zu hören. Die Liste der Künstler liest sich wie das Who is who des Jazz: Wayne Shorter, Herbie Hancock, Don Cherry, Gerry Mulligan, Bill Frisell, Jack DeJohnette, Lester Bowie, Dave Brubeck, Albert Mangelsdorff, Art Blakey, Chet Baker, Jan Garbarek, John Mc Laughlin, Al Di Meola, Charles Lloyd, Joshua Redman, Dee Dee Bridgewater, Sonny Rollins, Jamie Cullum, Melody Gardot und Esperanza Spalding sind vielleicht die klangvollsten Namen.

verkusener Jazztage, Musik auf höchstem Niveau, konnte das Management des Festivals seit der Gründung im Jahr 1980 durchgehend halten. Frei nach dem Motto ‚Was bleiben will, muss sich verändern’ hat das Management des Festivals 1996 ein Konzept erarbeitet, das Grundlagen für die Programmgestaltung neu definiert hat. Die Essenz ist ein Programmangebot, das auch in die populären Grenzbereiche des Jazz vordringt mit dem Ziel, auch ein jüngeres oder im Wesentlichen nicht jazzorientiertes Publikum zu begeistern. Der Jazz ist – aus seiner Geschichte begründet – eine Musik, die verschiedene Kulturen und damit auch Stilrichtungen zu einer lebendigen, sich immer im Wandel befindlichen Kunstform vereint. Die Übergänge zu anderen Musikstilen sind dabei fließend. Einflüsse aus den Bereichen Soul, Rock, Funk, Latin, Klassik und Pop prägen die Jazzmusik.

Unvergessen sind ein Konzert des ‚Prince of Darkness’ Miles Davis aus dem Jahr 1990 und der Auftritt von Michel Petrucciani im Jahr 1998.

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Dies findet heute z. B. sein Äquivalent in der Trip-Hop-Musik, aber auch in der meditativen Musik eines Jan Garbarek.


dem Projekt ,Musique D’Afrique‘, und auch der mittlerweile 72 Jahre junge Billy Cobham wird an diesem Abend die Drum Sticks tanzen lassen. Am 9. November wird ,The New Generation of Jazz‘ die Bühne entern; Robert Glasper Experiment mit einer Fusion aus Jazz, HipHop, R&B und Rock, Lucky Chops mit seinem hochenergetischen Spiel und schließlich Christian Scott, dessen Musik das Fachblatt ‚Jazz Podium’ als „schwarzen Energieausbruch mit magischen Momenten, ein Wechselbad von wilder Schönheit und wildem Zorn“ beschreibt. Christian Scott hält Politik für genauso wichtig wie virtuose Trompetentechnik und setzt sich vor allem für die Rechte der Schwarzen ein. Schon seine Publikumsbegrüßung „Guten Abend, liebe Freunde und Feinde“, mit dem er Malcom X zitiert, macht klar, dass hier kein netter „Trompetenonkel“ (Spiegel) kommt. In Leverkusen wird er wohl vergeblich nach Feinden suchen müssen. Christian Scott, Foto: Stretch-Music

Daneben gab und gibt es die Klassiker des Jazz, die in bewährter Form erstklassige Konzerte geben. Die Mischung lockt Jazzfans aus dem In- uns Ausland nach Leverkusen. Das kommende Jazzfest startet am Freitag, dem 4. November 2016 mit einem Hochkaräter, der bereits 2014 das Leverkusener Publikum begeistert hat: Gregory Porter, der leuchtende Stern am Sängerhimmel, der zurzeit als der beste Jazzsänger der Welt gilt, wird mit seiner wunderbaren Stimme und seiner beeindruckenden Erscheinung erneut die Herzen und Seelen seiner zahlreichen Fans erreichen. Die Wartezeit bis zu seinem Auftritt kann man sich mit seiner aktuellen Einspielung ‚Take me to the Alley’, die unlängst erschienen ist, verkürzen.

Am 13. November ist ein Besuch im Erholungshaus zu empfehlen. Das Tingvall Trio fesselt mit einem Mix aus lyrischen Melodien und einer ausdruckstarken Dynamik. Im Anschluss wird es dann wohl melancholisch werden: Festivalleiter Eckhard Meszelinsky wird sich musikalisch von seiner 20-jährigen Tätigkeit als Festivalleiter verabschieden. Er gibt die Verantwortung an seinen langjährigen Mitarbeiter Fabian Stiens weiter. Für 20 weitere Jazzjahre vom Feinsten. Helmut Steidler www.leverkusener-jazztage.de

Am 7. November kommt es dann zu einem Wiedersehen mit Al Di Meola und Stanley Clarke, die bereits in den 70er-Jahren bei Chick Coreas legendärer Formation ‚Return to Forever’ für Furore gesorgt haben. Einen Tag später folgt ein Konzert der WDR Bigband mit dem marokkanischen Schlagzeuger Mokhtar Samba und

Tingvall Trio, Foto: Jenny Kornmacher

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Die Inschrift aus der Toreinfahrt des Danielhauses, Hofaue 50, Foto: Willi Barczat

Blick in die Hofaue Richtung Kluse, links das Danielhaus mit dem Firmenschild „A. & O. Daniel“ (Archiv Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal)

Das Danielhaus

Ein Stück Elberfelder Geschichte

Wir befinden uns in der Hofaue an der Einmündung der Zollstraße – ein Parkplatz. Links zeigen Putzreste an einer Wand, dass hier ein Haus angebaut war, und in der ehemaligen Toreinfahrt macht eine verblasste Inschrift stutzig: „Daniel“. 1905 Das große und beeindruckende Geschäftshaus der Firma „Max Daniel Kurz- und Besatzwaren en gros“ entsteht. In den letzten Jahrzehnten war die Hofaue eine der führenden Adressen der Textilbranche des Reiches geworden und hatte sich zu einer der angesehensten Geschäftsstraßen entwickelt. Zwischen 1891 und 1910 bauten auf dem kleinen Straßenabschnitt zwischen Zoll- und Wesendonkstraße vier Unternehmen repräsentative Häuser: Den Anfang machte 1891 die Kleiderfabrik „Uhlhorn & Klußmann“ (Nr. 54), sieben Jahre später folgte schon ein zweites, 66

noch prächtigeres Haus dieser Firma (Nr. 63). Gleichzeitig entstand schräg gegenüber das sogenannte „Lohmannhaus“ („Kolkmannhaus“, Nr. 51/53). Um die Jahrhundertwende baute die Stoffgroßhandlung „Stiel & Rindskopf“ (Nr. 52) und etwa zehn Jahre darauf die Manufakturwarengroßhandlung von Peter Schulte (Nr. 46). Die imposanten Eckhäuser fielen durch besondere architektonische Elemente oder Fassadengliederungen auf: Da bekrönte eine Kuppel das Dach, dort endeten zwei Türmchen in Zwiebelhauben, hier waren die Fenster durch Bögen betont. Das Nebeneinander stattlicher Gebäude von bürgerlichem Geschmack der Gründerzeit einerseits und einer modernen Geschäftsarchitektur mit schlichteren Fassaden und langen Reihen großer Schaufenster andererseits gab der Hofaue um die Jahrhundertwende ihr ganz eigenes Gesicht. Max Daniel, der vorher in der Kipdorfstraße eine Firma für Kurz- und Besatzwaren unterhalten hatte, entschied sich


nun, ebenfalls in diese Straße zu ziehen. Er stammte aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie von der Saar und lebte seit Anfang der 1880er-Jahre in Elberfeld. Als er nun um 1905 das Grundstück Hofaue Nr. 50 kaufen konnte, baute er dort sein eigenes Geschäftshaus, das ihm und seiner Frau Johannetta auch als Wohnsitz diente. In einer Werbeanzeige ist das beeindruckende Gebäude abgebildet: Es erstreckt sich von der Hofaue übereck zur Zollstraße. Große, moderne Schaufenster im Erdgeschoss und ersten Stock lassen Licht in die Verkaufsräume und bieten viel Ausstellungsfläche, um Kunden anzulocken. Bögen über den Fenstern heben die Geschäftsetagen zusätzlich hervor, und die gerundete und noch stärker durchfensterte Gebäudeecke endet am Dach in einem Türmchen. Werbewirksam prangt – wie damals üblich – der Schriftzug „Max Daniel“ in großen Buchstaben zu beiden Straßenseiten hin auf dem Dachfirst. Schon bald nannte der Volksmund das Gebäude „Danielhaus“ und sogar in den Adressbüchern vom Anfang der 1930er-Jahre ist dieser Name zu finden. Nach dem Tod des Vaters 1923 übernahmen die Söhne Albert und Otto das Unternehmen. Von ihnen wissen wir, dass sie engagiert am gesellschaftlichen und religiösen Leben ihrer Stadt teilnahmen: Beide waren Mitglied der Elberfelder Gesellschaft Concordia, Otto war in der jüdischen Gemeinde aktiv und arbeitete außerdem im Vorstand der Interessengemeinschaft der Textilfabrikanten mit. Zusätzlich zu der Firma des Vaters gründeten sie gemeinsam die Wäschefabrik „A. & O. Daniel GmbH“ und lebten auch von 1933 an im Danielhaus. Dort vermieteten sie Räume an verschiedene Firmen und Privatleute. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurden die Daniels wie auch die anderen jüdischen Bürger in der Stadt von der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen, und der Rückzug von Kunden und Auftraggebern stellte sie vor wirtschaftliche Probleme. Doch das nicht allein: Schon zu Beginn der NS-Zeit war Albert Daniel im Konzentrationslager Kemna inhaftiert. Die an dieser Stelle wenig ausführlichen Quellen legen die Vermutung nahe, dass er wegen politischer Aktivitäten belangt wurde. Im Rahmen der antijüdischen Aktion im November 1938, bei der die Nationalsozialisten die Synagogen und die Häuser jüdischer Eigentümer zerstörten und rund einhundert jüdische Männer aus Wuppertal in das Konzentrationslager Dachau brachten, saß auch Otto Daniel einige Zeit im Polizeigefängnis in der Von-der-Heydt-Gasse in Haft. Noch im gleichen Monat mussten die beiden Brüder ihr Geschäft

auflösen. Albert Daniel konnte im Dezember nach Luxemburg emigrieren und überlebte in Frankreich, Otto gelang es im Sommer 1939, über England in die USA zu fliehen. Vom Danielhaus ist nichts mehr übrig geblieben. Einzig der Name auf dem Putzrest der früheren Toreinfahrt erinnert an das Gebäude, das einige Jahrzehnte lang diese angesehene Geschäftsstraße einer damals immens boomenden Stadt mitprägte, und an eine in der Stadt verwurzelte Familie, die in die Emigration gezwungen wurde. Es wäre zu wünschen, dass diese Inschrift als Erinnerungszeichen an diese jüdische Wuppertaler Familie erhalten bliebe. Christine Hartung Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal

Das Danielhaus in einer Werbeanzeige von 1922, (DARI Elberfeld, 1922)

Das erste Geschäftshaus von Uhlhorn & Klussmann, Hofaue 54, (Stadtarchiv Wuppertal)

Das zweite Geschäftshaus von Uhlhorn & Klussmann, Hofaue 63, (Stadtarchiv Wuppertal)

Das Geschäftshaus der Firma Stiel & Rindskopf, Hofaue 52, (Stadtarchiv Wuppertal)

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Die Theatergruppe Filidonia bereitet ihren Auftritt im „Traumhaus“ vor, Foto: Philip Weiger „Street Art“ auf dem Honsberg: Graffitikünstler arbeitet an Hausfassade, Foto: Christian Ose

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Remscheider „Streets“-Festival:

Eine Kulturinitiative machts möglich Kunst kommt oft genug von der Straße. Das Kunstfestival „Streets“ brachte sie dort wieder hin. Anfang Juli verwandelte „Streets“ den Remscheider Stadtteil Honsberg in ein begehbares Kunstwerk. Über hundert Künstler füllten drei Tage lang Straßen, Häuser und – schon von Weitem zu sehen – Wände. Besucher erlebten live, wie Graffitikünstler mit leuchtenden Schriftzügen und Figuren Fassaden ein frisches Outfit gaben. Ein Wandbild steckte den Bergischen Löwe in schicke Klamotten und Turnschuhe. Er lachte einem entgegen. Bands und DJs beschallten den Stadtteilpark mit Sounds von Rock bis Hip-Hop. Lange Schlangen bildeten sich vor dem Stand, an dem Anwohner türkische Spezialitäten verkauften. Die Häuser in der Halskestraße und Siemensstraße, die die Wohnungsbaugesellschaft Gewag dem „Streets“-Festival zur freien Ausgestaltung überlassen hatte, glichen einer großen Kunstgalerie. „Komm, wir gucken, was aus der Wohnung der Oma geworden ist“, sagte ein Besucher. Seine Großmutter war selbst neugierig und ging voran. So machte die Theatergruppe Filidonia aus der Halskestraße Nr. 26 ihr „Traumhaus“. Schauspiel, Tanz, Musik, Lichtund Klanginstallationen – in jedem Raum boten junge Künstler und Studenten etwas anderes. Und die Hausgäste durften gerne mitspielen. Warum nicht wieder Kind sein und mit zwei Schauspielerinnen Sandburgen bauen? Ein Motto an allen drei Tagen hieß: „Zu Gast bei Freunden – Wuppertal goes Remscheid“. Mehr als ein Dutzend Künstler aus der Nachbarstadt machten bei „The Streets“ mit. „Geister vertreiben“ nannte Regina Friedrich-Körner eine Collage aus Drucken, Klebebändern und Zeichnungen, mit der sie ein leeres Zimmer füllte. Milton Camilo,

sonst bekannt als Tänzer, zeigte seine farbintensiven Gemälde. Zum Kunstgespräch lud Bildhauer Bodo Berheide ein. In einem Raum, den Café-Inhaberin Selly Wane mit bunt gemusterten Recyclingmöbeln ausgestattet hatte. „The Streets“ – inklusive Feuerwerk und Modenschau im Park – hat „Ins Blaue“ auf die Beine gestellt. Eine Initiative von Künstlern, die auf dem Honsberg leben, arbeiten oder direkt beides miteinander verbinden. Zum Beispiel Dorota Feicht und Eva Zimmerbeutel, die gemeinsam im Haus Halskestraße 20 wohnen und auch bei „The Streets“ ausstellten. Feicht zeigte filigrane Scherenschnitte und Skulpturen. Zimmerbeutel schmückte mehrere Räume mit anderen Designern aus. In der Siemensstraße 21 richtete die Wülfrather Künstlerin Katja Wickert ihr Atelier ein. Erst „Arbeitersiedlung“, dann „Gastarbeiterviertel“ – Honsberg hatte lange nicht den besten Ruf. Zimmerbeutel spricht von einem Imagewandel. „Ich höre Leute sagen: Honsberg – das ist doch dieses neue Künstlerviertel.“ Eine erste Maßnahme gegen den Abwärtstrend war 2013 das Festival „Honsberg GroßARTig“. Mit dem „Streets“-Vorläufer sollte Kunst im Viertel etabliert werden, sagt Mariusz Mateja, Vorsitzender von „Ins Blaue“. „Wir haben damals schon darauf geachtet, dass wir das gemeinsam mit den Leuten vor Ort machen.“ „Honsberg GroßARTig“ brachte Dinge in Bewegung. Die Gewag-Häuser wurden fürs Erste nicht abgerissen. Ein Großteil konnte als Atelier- und Wohnraum zu günstigen Bedingungen genutzt werden.

Entscheidend aber war, dass die Festivalmacher „Ins Blaue“ gründeten. Dem Verein geht es um nachhaltige Wirkung. Gemeinsame Aktionen 69


Foto: Michaela Kuhlendahl

wie „Streets“ sollen das Zusammengehörigkeitsgefühl der Honsberger stärken. „Wir sind eine Plattform für Innovation in jedem Lebensbereich“, betont Mariusz Mateja. Diese Plattform gibt es buchstäblich von Kindesbeinen an. Ute Lennartz-Lembeck betreut die Kunstschule des Vereins. Ein Ort für Kinder und Jugendliche, die ihre Fähigkeiten ausprobieren wollen. Ohne den Leistungsdruck, den sie von der Schule her kennen. „Die kommen inzwischen von selbst“, sagt die Künstlerin. Die Schüler der Grundschule Honsberg müssen nur die Straßenseite wechseln.

Foto: Philip Weiger

Inzwischen ist die Plattform Teil eines weit gespannten Netzwerks. Zur guten Zusammenarbeit mit lokalen Institutionen wie der Gewag kommen die internationalen Verbindungen. Noch im Mai waren die Künstler von „Ins Blaue“ auf zwei Kunstfestivals in Polen vertreten. Die polnischen Künstlerfreunde stellten wiederum bei „Streets“ aus. International besetzt waren auch die „Street Artists“. Mit Unterstützung des Sprayers Marko Leckzut kamen unter anderem Gäste aus Italien, Spanien und sogar Kolumbien. Die Graffitikünstler, berichtet Festivalmacher Charles Wesseler, seien begeistert gewesen von „so viel Platz und Freiheit“. 15 Häuserwände zeugen von ihrem Können – und es sollen weitere folgen. Bei ihren regelmäßigen Treffen in der Siemensstraße 23 diskutieren die Mitglieder von „Ins Blaue“ bereits über die nächsten Projekte. Eines steht freilich schon fest: Auf dem Honsberg geht noch einiges.

Foto: Michaela Kuhlendahl

Foto: Philip Weiger

Foto: Philip Weiger

Die nächsten Ausstellungen Die Künstler von „Ins Blaue“ stellen am 29. Oktober bei der Remscheider „Nacht der Kultur“ aus. Die Ausstellung verteilt sich auf die Siemensstraße 21 und 23 sowie auf den Neuen Lindenhof (Honsberger Straße 38).

Mehr Infos unter www.ins-blaue.net Über die aktuellen Aktivitäten von „Ins Blaue“ informiert auch die Facebook-Seite facebook.com/Insblaue-1067797943241577/ Alle Informationen zum Festival kann man unter www.streets-festival.de nachlesen. Daniel Diekhans 70

Begehbare Kunstwerke: Häuser werden zu Ausstellungsräumen

Foto: Michaela Kuhlendahl


Blick ins „Traumhaus“: Tänzerin bewegt sich durch eine Lichtinstallation, Foto: Philip Weiger Zwei Häuser weiter stellt Dorota Feicht Skulpturen und Scherenschnitte aus, Foto: Dorota Feicht

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nen. Den Namen Westbeth verdankt die Einrichtung der Lage einer Ecke des Gebäudekomplexes an der Kreuzung von West Street und Bethune Street. Den mittlerweile auch unter Denkmalschutz stehenden Gebäudekomplex verdankt die Welt „Ma Bell”, mit bürgerlichem Namen „The Bell System”.

Jon D‘Orazio mit der Darstellung des elterlichen Wohnzimmers in Ohio

Westbeth Ein Künstlerzentrum in New York Jon D‘Orazio ist bildender Künstler. 1942 in Youngstown, Ohio, als Sohn von Rosapepe und P. Arthur D‘Orazio geboren, lebt und arbeitet er seit 1967 in New York. Seine Arbeiten sind weder in den Sammlungen führender Museen dieser Welt noch auf jenen Auktionen zu finden, die mit Millionenerlösen für Kunstwerke immer wieder für Schlagzeilen sorgen. Ein Bachelor in Architektur und ein Master in Stadt- und Regionalplanung im Lebenslauf von Jon ließen seine Eltern noch eine Weile hoffen, er möge in die väterlichen Fußstapfen und in das Architekturbüro eintreten, doch gegen Ende der 60er waren die Weichen in Richtung Malerei weitgehend gestellt. So eine Weichenstellung dann aber auch über Jahrzehnte in einem Marktumfeld durchzuhalten, das sehr wenige Künstler scheinbar unabhängig von Ernsthaftigkeit und ästhetischem Wert in die Umlaufbahnen von Popstars befördert, einigen ein mehr oder weniger auskömmliches Leben beschert und die allermeisten schlicht ignoriert, das erfordert auf der einen Seite Mut, auf der anderen Seite kostengünstigen Raum fürs Arbeiten und Wohnen. Für Letzteres sorgen in Manhattan, wo der Median für Monatsmieten inzwischen $ 3 600 beträgt, Einrichtungen wie Westbeth. Westbeth Home to the Arts, wie es in voller Länge heißt, wurde als Westbeth Artists‘ Housing in den 60er-Jahren als eine Antwort auf das schon seinerzeit drängende Problem konzipiert, Wohn- und Arbeitsraum für Künstler und ihre Familien zur Verfügung zu stellen, damit sie unter deutlich geringerem Erwerbsdruck ihre jeweiligen Karrieren in ökonomisch nachhaltige Spuren lenken kön72

Das auf Alexander Graham Bell, einen der Erfinder des Telefons, zurückgehende Firmengeflecht hatte zwischen den 1870er- und den 1980er-Jahren erst als Bell Telephone Company und später als AT&T (das Kürzel für die American Telephone and Telegraph Company) über weite Strecken ein Monopol für Telefonie und somit eine Art Lizenz, Geld zu drucken. Ebenso wohlhabend wie technikorientiert, leistete sich das Unternehmen die Bell Laboratories, kurz Bell Labs, die zwischen 1898 und 1966 in einem insgesamt 13 Gebäude umfassenden Komplex auf der Westseite Manhattans zahlreiche Erfindungen und Entwicklungen hervorbrachten, ohne die die moderne Welt kaum halb so schön wäre. Tonfilm, Fernsehen in Schwarz-Weiß und Bunt, Videotelefon, Radar, Vakuum-Röhren für alle möglichen Anwendungen, Tonaufnahmegeräte und nicht zu vergessen das automatisierte „Fräulein vom Amt” in Gestalt elektromechanischer Verbindungstafeln für die Telefonie, Ma Bell machte es genauso möglich wie die weltweit erste Liveübertragung einer Sportveranstaltung mit den Yankees oder eines Konzerts der New Yorker Philharmoniker mit Arturo Toscanini am Pult. Für eine gute Weile des 20. Jahrhunderts waren die Bell Labs das größte privat finanzierte Forschungslabor der Welt, in der zweiten Jahrhunderthälfte dann vergleichbar mit Entwicklungszentren der International Business Machines Corporation (IBM). Mit dem Umzug der Firmenzentrale von AT&T nach New Jersey und der Zerschlagung des Telefonmonopols durch das amerikanische Kartellamt fehlten wichtige Voraussetzungen für die weitere Arbeit der Bell Labs in Manhattan, und 1966 war der Betrieb zum Erliegen gekommen. Um die Gebäude in ihrem Bestand zu erhalten, bedurfte es eines neuen Nutzungskonzepts. Wäre in den 60er-Jahren der Immobilienmarkt in Manhattan ähnlich temperiert gewesen wie 45 Jahre später, gäbe es anstelle von Westbeth jetzt eine Reihe sehr teurer Eigentumswohnungen, aller Wahrscheinlichkeit nach in neu errichteten Gebäuden, so wie anderswo an der dem Hudson zugewandten Seite von Greenwich Village und West Village. Vielleicht wären die nicht alle so ansehnlich geworden wie die Adressen 173 und 176 Perry Street oder 165 Charles Street, und schon gar nicht


hätten sie die Patina des Historischen wie die 1975 unter Denkmalschutz gestellten Gebäude der Bell Labs. Damit zurück zur Kunst und zunächst einmal zu Richard Meier, einem der Welt vor allem durch seine Arbeiten als Architekt bekannten abstrakten Künstler. Den Bell Labs ist heute auf den ersten Blick nicht anzusehen, dass der Umbau aus derselben Feder stammt wie die erwähnten und in Laufweite liegenden Gebäude an Perry und Charles Street. Auch das Weiß und die abstrakten Formen des von Meier konzipierten Getty Centers in Los Angeles drängen sich einem beim Anblick der verwandelten Bell Labs nicht als prägendes Stilmittel nicht auf. Sein Entwurf verkörpert jedoch alles das, was man sich Ende der 60er-Jahre als Künstler von einer derartigen Einrichtung versprechen konnte, vor allem großzügige und bezahlbare Wohn- und Arbeitsräume mit teilweise auch spektakulären Blicken über den Hudson River und die Gelände der ehemaligen Piers auf der Westseite der Stadt. Hinzu kamen zahlreiche Gemeinschaftseinrichtungen wie Werkstätten, eine Galerie für Ausstellungen, die allgemeine Förderung von Kunstund Kulturschaffen durch die Bereitstellung von „Raum für Kunst”. Gegenwärtig etwa von der Martha Graham Dance Company, das LAByrinth Theater oder dem Theater-Department der New School genutzt. Weitere Mieter sind zahlreiche Musiker, Fotografen und Künstler und mit Congregation Beit Simchat Torah die erste Synagoge der LGBT (Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender)-Szene. Mit fast 400 Kombinationen aus Wohn- und Arbeitsräumen war Westbeth bei seiner Eröffnung die steingewordene Utopie einer Verdichtung vielseitiger, künstlerischer Fähigkeiten. Und die bislang weltgrößte, mit öffentlichen Mitteln subventionierte Einrichtung ihrer Art. Bezahlbare Wohn- und Arbeitsflächen in einer der mittlerweile teuersten Gegenden der Welt, dazu noch gestaltet von einem der führenden Architekten des ausgehenden 20. Jahrhunderts: Wer möchte da wieder weg? War der Gedanke ursprünglich gewesen, Kunstschaffenden nur für eine gewisse Zeit – man ging von fünf Jahren aus – die Möglichkeit zu geben, ohne großen Erwerbsdruck die jeweilige Karriere auf eine nachhaltige Flughöhe zu bringen, ist das doch recht schnell in Vergessenheit geraten, zumal dieser Plan nirgendwo schriftlichen Niederschlag gefunden hat. Heute leben und arbeiten immer noch mehr als 160 Maler, Bildhauer, Performance Artists, Konzeptualisten und Filmemacher in Westbeth. Viele von ihnen sind bereits seit Gründung mit dabei und entsprechend so in die Jahre gekommen, dass Soziologen Westbeth gerne als Beispiel einer „Naturally OccurBell Labs

Westbeth Artist Center

03 Bell Labs8431-s. jpg Westbeth bei Nacht

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Künstlerische Werkstatt

ring Retirement Community” zitieren. Allerdings geht die Bezeichnung insofern ins Leere, als Künstler in den allermeisten Fällen nicht in „Rente gehen”, denn die Kunst ist ja eher Berufung als Beruf oder gar Job. Wenn also Robert De Niro Jr. Robert De Niro Sr. an einem Sonntagnachmittag in dessen Studio bzw. dessen Wohnung in Westbeth zu Kaffee und Kuchen besuchte, dann roch es bis zu dessen Ableben 1993 stets nach dem frischen Pinselstrich des als abstrakter Expressionist bekannten Vaters des Schauspielers. Sollte De Niro Jr. dabei dem deutlich jüngeren Vin Diesel über den Weg gelaufen sein, dann hätte sich Letzterer auf Nachfrage wohl noch als Mark Sinclair vorgestellt und Robert zuvor vielleicht gefragt: „You talkin‘ to me?” Vin Diesel ist derzeit vielleicht das bekannteste „Westbeth Child”. Ein Porträt des Schauspielers im Time Magazine bemerkte im vergangenen Jahr, dass angesichts seiner fast ausschließlich auf Testosteron basierenden Karriere seine Kindheit erstaunlich künstlerisch gewesen sei. Andere Westbeth-Kinder sind Doon und Amy Arbus, deren Mutter Diane sich im Sommer 1971 in Westbeth das Leben nahm. Prominentere und mit Westbeth assoziierte Künstler sind etwa Merce Cunningham, dessen Dance Studio in dem Komplex fortlebt, oder Miles Davis, der häufig bei einem Freund in Westbeth probte. 74

Aus deutscher Perspektive ist unter den Bewohnern sicherlich der in Köln geborene Konzeptkünstler Hans Haacke interessant, der Anfang der 60er-Jahre mit Fulbright- und DAAD- Stipendien ausgestattet nach New York gekommen war und seit Jahrzehnten in Westbeth lebt. Seinen internationalen Durchbruch zur Ikone der politischen Konzeptkunst erfuhr Haacke noch vor seinem Einzug in Westbeth durch einen Skandal: Seine für das Guggenheim Museum geplante Ausstellung mit dem Titel „Shapolsky et al. Manhattan Real Estate Holdings, A Real Time Social System, as of May 1, 1971“ wurde sechs Wochen vor der Eröffnung mit der Begründung abgesagt, es handele sich eher um eine soziale Studie als um Kunst. Klar, es tobten sofort Gerüchte um andere mögliche Gründe für die Absage, etwa, dass sich Geldgeber des Museums in dem wohl eher kritisch mit dem Immobiliengeschäft in der Stadt umgehenden Ausstellungskonzept wiedergefunden und persönlich angegriffen gefühlt hätten. Zudem erweckte die fristlose Entlassung des Kurators der geplanten Ausstellung nicht gerade den Eindruck, dass der zentrale Punkt des Kunstwerks, nämlich die Verflechtung von Geld, Politik und kulturellen Einrichtungen, völlig aus der Luft gegriffen sei. Es entbehrt daher nicht einer gewissen Ironie, dass seitens der Immobilienbranche derzeit immer wieder


öffentlicher Druck auf Westbeth ausgeübt wird, weil dort nach dem Ableben von Bewohnern die Räume oft monateoder gar jahrelang leer stehen, weil oft der Nachlass nur schwer zu regeln ist. Die Fläche unter den ehemaligen Gebäuden der Bell Labs am westlichen Rand des Greenwich Village gehört mittlerweile zu den wertvollsten Grundstücken in Manhattan, ein Filetstück gewissermaßen. Selbst wenn man die Gebäude aus Gründen des Denkmalschutzes nicht einfach abreißen dürfte, so könnte man doch – wie etwa beim Hearst Building, uptown an der Eighth Avenue – aus einer stehen gelassenen Fassade einen schicken Turm mit Eigentumswohnungen der obersten Luxusklasse erwachsen lassen. 2012 wäre es beinahe zur Schlachtung gekommen, denn der Wirbelsturm Sandy ließ auch in Westbeth die Keller volllaufen und verursachte so große Schäden, dass der Weiterbestand gefährdet schien. Nun lässt man aber den überhitzten Markt für sich arbeiten, vermietet einige der Flächen zu gewerblichen Preisen und kann auf diese Weise auch Jon D‘Orazio weiterhin seine Arbeit als Künstler in Manhattan ermöglichen. Jon sagt, er sei nicht besorgt, die Dinge würden so oder so ihren Lauf nehmen, die Dinge seien eben nur Dinge. Und zur spirituellen „Nahrungsaufnahme“ meditiere er regelmäßig. Wenn man sich seine Arbeiten anschaut, derzeit sind es vor allem beinahe hypnotisierend abstrakte Farbstudien aus mit kleinsten Glasperlen versetzten Pigmenten, ist man durchaus geneigt, ihm Glauben zu schenken.

Martha Graham Dance Studio

Spirituelle Werkstatt mit Klimaanlage

Stefan Altevogt Fotos: Karl-Heinz Krauskopf

Liste der Westbeth-Künstler

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Auf der Suche nach 0,10. dadaglobe reconstructed,

Die letzte futuristische

304 S., Hardcover,

Ausstellung der Malerei,

26 x 20 cm,

270 S., geb., Leinen,

Scheidegger & Spiess,

31 x 25 cm, Hatje Cantz,

€ 58,00

€ 65,00

Neue Kunstbücher vorgestellt von Thomas Hirsch

Programme der Avantgarde Im Rückblick ist die Ausstellung Kunstgeschichte. Vom Dezember 1915 bis Januar 1916 fand in den Räumen von Nadeschda J. Dobytschina in St. Petersburg Die letzte futuristische Ausstellung der Malerei. 0,10 statt. Organisiert von Iwan Puni, waren Kasimir Malewitsch mit seinen gegenstandslosen Malereien und Wladimir Tatlin mit seinen ebenso revolutionären Konterreliefs die Antipoden. Daneben waren 14 weitere Künstler beteiligt. Das ist eine spannende Geschichte zum Suprematismus mit Bezügen zu Futurismus und zu Kubismus. Wie nun aber das Ereignis vermitteln? Beim Katalog zur Ausstellung in der Foundation Beyeler in Riehen (die gerade zu Ende gegangen ist) haben wir den Eindruck, bei der Vernissage der historischen Schau dabei sein zu dürfen: So edel ist das Buch gestaltet. Die Texte gehen der historischen Situation nach, ergänzt um historische Aufnahmen auch der Ausstellungssituation und um Dokumente und Manifeste der beteiligten Künstler. Was für ein Glück, dass mit Anatolij Strigalev der beste Experte hochbetagt einen Artikel zur Geschichte dieser Ausstellung beitragen konnte. Ein Ereignis von Weltrang wird rekapituliert, dank dieses Buches. Inmitten kriegerischer, unsteter Zeiten befinden wir uns inmitten einer hoch vibrierenden Avantgarde. Während im Osten Suprematismus und Konstruktivismus brillieren, formiert sich Dada 1916 in Zürich. Die weltumspannende Bewegung zwischen forciertem Nonsens und Performance mit Ausflügen in die Literatur und Bildhauerei, Zeich76

nung sowieso, wird derzeit allenthalben gefeiert, begleitet von einigen vorzüglichen Publikationen. Herausragend ist, publiziert zu Ausstellungen in Zürich und New York, das Buch dadaglobe reconstructed. Das, worum es geht, datiert auf das Jahr 1920. Tristan Tzara, der kurz vorher aus Zürich nach Paris gezogen war, hatte die Idee eines „dadaglobe“: eine Anthologie der wichtigsten Vertreter von Dada mit Porträtfotos, Texten und den Abbildungen von Kunstwerken. Geplant war, 54 Künstler aus zwölf Ländern einzuladen, die Hauptvertreter waren einverstanden, schickten Tzara ihre Beiträge, und schließlich kamen über hundert Kunstwerke von 30 Künstlern zusammen. Es kann heute nur gemutmaßt werden, warum der sonst so umtriebige Tzara das Projekt nicht weiter verfolgte. Genauso spannend ist die Geschichte, dass das Projekt in Vergessenheit geriet und erst nach Tzaras Tod im Dezember 1963 wieder auftauchte. Wie bei der Ausstellung der Suprematisten wurde ein (ebenfalls inzwischen verstorbener) Spezialist hinzugezogen, Michel Sanouillet, der als Erster nach Tzaras Tod die Mappe mit den Beiträgen zu „dadaglobe“ zu Gesicht bekam. Wie Anatolij Strigalev bei „Auf der Suche nach 0,10“ ist Sanouillet die Publikation gewidmet. Und diese ist ebenso gelungen, dabei handlich und bringt so den Charakter des nun erstmals Verwirklichten zum Ausdruck. Die Bildqualität leidet etwas unter dem an sich vorzüglichen Papier. Aber macht das überhaupt etwas oder unterstützt das nicht vielmehr den Gout des Authentischen? Das Buch ist wunderbar.


Klaus Albrecht Schröder/ Fernand Léger,

Elsy Lahner (Hg.),

Malerei im Raum, 310 S.,

Drawing Now 2015, 230 S.,

Softcover, 27 x 22,4 cm,

Hardcover, 27 x 22 cm,

Hirmer, € 45,00

Hirmer, € 45,00

„Nur“ ein monografisches Buch, aber es teilt ebenfalls Wesentliches zum avantgardistischen Klima im frühen 20. Jahrhundert mit. Begleitend zur etwas fülligen Ausstellung von Fernand Léger Malerei im Raum im Kölner Museum Ludwig ist ein fein bebilderter Katalog erschienen. Fernand Léger (1881-1955) ist in erster Linie als Maler röhrenförmig verknappter, stark konturierter Körperformen bekannt, mit denen er auf der Kunst seiner Zeit aufbaute und die Industrialisierung der Städte kommentierte. Dazu hat er Bühnenbilder, Teppiche und Wandbilder mit Bezug zur Architektur geschaffen, im Innen- wie im Außenraum. Dahinter steht sein (auch sozialistisch motivierter) Ansatz, die Kunst zu demokratisieren, was so weit führte, dass er für die Weltausstellung 1937 in Paris bei der Gestaltung der Wandbilder zu den Pavillons mit Schulklassen und Arbeitern kooperierte. Mit Architekten, im besonderen Le Corbusier, war Léger ohnehin ständig in Kontakt. Mehr als die Ausstellung, die aber mit den Meisterwerken brillierte, vermag das Buch verschiedene Sichtweisen zwischen heutiger und damaliger Rezeption einzunehmen. Hinzu kommen die Texte von Léger – ein unverzichtbares Buch zum Verständnis dieses großen Künstlers.

dezidiert mit Zeichnung (zu Lebzeiten) zu Weltruhm geschafft. Dem „klassischen“ Kanon der Zeichnung in überwiegend realistischer Notation hat sich im vergangenen Jahr eine Ausstellung in der Albertina in Wien zugewandt, Drawing Now, begleitet von einem Katalog im Hirmer Verlag. Unter den 35 Positionen befinden sich so etablierte Künstler wie Marcel van Eeden, Sandra Vásquez de la Horra und Jorinde Voigt. Und dann schimmert doch das kuratorisch Ehrgeizige durch, das auch Künstler wie Chloe Piene oder Los Carpinteros berücksichtigt, die genuin anderen Medien zugeschlagen werden sollten, selbst wenn sie den Zeichenstift in die Hand nehmen. Ein theoriebasierter Text fehlt, die Größenangaben des Bildträgers müssen im Abbildungsverzeichnis nachgeschlagen werden. Weil etwas in Mode ist, muss es nicht unbedingt gut sein. Ein solider Überblick zum Thema.

Gibt es eine Avantgarde der Zeichnung? Vielleicht ist die Zeichnung das künstlerische Medium, das am schwersten zu fassen ist. In den letzten Jahren wird der Zeichnung – was immer das ist – eine besondere Aufmerksamkeit im Kunstbetrieb zuteil. Nachdem sie über Jahrhunderte als Sache der Hand auf Papier im moderaten Format mehr oder weniger begleitenden Status besaß oder eine Sache der Kleinmeister zu sein schien, haben es jetzt auch Künstler 77


Paragraphenreiter

Kann ich mit dem Besuch von Konzerten und Kunstausstellungen Steuern sparen?

Paradoxe Antwort: ja, aber seltsamerweise nicht, wenn ich dafür Eintritt bezahle.

Insoweit war die Kunstlehrerin, die sich zu Beginn des Jahres 2016 beim Finanzgericht Baden-Württemberg mit ihrem Ansinnen, Eintrittsgelder für die Besuche von Kunstausstellungen steuerlich geltend zu machen, nicht gut beraten. Das Finanzgericht erklärte ihr kurz und knapp einige Grundregeln des deutschen Steuerrechts: 1. Grundsätzlich kann ich nur solche Aufwendungen von meinem zu versteuernden Einkommen abziehen, die ich leisten muss, um das Einkommen überhaupt erst zu erzielen. Das sind z. B. Aufwendungen für spezielle Berufskleidung oder für Reisen zu einer Fortbildungsveranstaltung. 2. Sind die Aufwendungen nicht eindeutig der Einkunftserzielung zuzuordnen, sondern können auch der privaten Lebensführung dienen, darf keine Aufteilung erfolgen. Das gilt z. B. für den Anzug eines Bankmitarbeiters, den dieser auch in seiner Freizeit tragen könnte, oder für die Bildungsreise eines Lateinlehrers nach Rom. Das schönste Beispiel, das die Richter im Urteil gegen die Kunstlehrerin angeführt haben, war aber die Anschaffung einer Armbanduhr, auf der sie ablesen kann, wann sie sich in die Schule zur Arbeit begeben muss und wann sie Feierabend hat. Bei all diesen Aufwendungen kann nicht genau festgestellt werden, welcher Anteil privat und welcher beruflich genutzt wird, also sind sie insgesamt nicht abzugsfähig. Und da die Kunstlehrerin Museumsbesuche leider nicht nur als lästige Pflicht ansah, die sie erfüllen muss, um auch weiterhin Geld für ihre Tätigkeit zu bekommen, sondern dem Finanzgericht sogar mitteilte, sie sei eine „kulturell interessierte und engagierte Bürgerin“ war die Sache klar: 78

Es liegt zumindest private Mitveranlassung vor, aber kein geeigneter Aufteilungsmaßstab („Jetzt sehe ich mir erst mal eine Stunde die Bilder zur Vorbereitung meines Unterrichts an und dann noch eine Stunde zum Vergnügen.“) und damit steuerlich kein Ansatzrecht – nicht mal der Hälfte der Kosten, denn jede Aufteilung wäre nun wirklich willkürlich gewesen. Zum Glück gibt es steuerlich auch noch andere Möglichkeiten, Zahlungen geltend zu machen. Gerade im kulturellen Bereich sind Spenden immer willkommen und – im Rahmen gewisser Höchstgrenzen – stets vom zu versteuernden Einkommen abzuziehen. Dies gilt beispielsweise, wenn sie an einen eingetragenen und als gemeinnützig anerkannten Kunst- und Museumsverein geleistet werden. Die eine oder andere aus Dankbarkeit übersandte Eintrittskarte kann dann sowohl zur Unterrichtsvorbereitung als auch zur Befriedigung privater Interessen verwendet werden. Bei größeren Spenden ist da sicher auch einmal eine Jahreskarte drin. Susanne Schäfer

Susanne Schäfer, Steuerberaterin Geschäftsführerin der RINKE TREUHAND GmbH


Kulturtipps AUSSTELLUNGEN: Von der Heydt-Kunsthalle Geschwister Scholl Platz 4-6, 42275 Wuppertal-Barmen 28. August 2016 - 8. Januar 2017

Valérie Favre

In der Reihe der Positionen aktueller Malerei zeigt die Von der HeydtKunsthalle vom 28. August bis 8. Januar 2017 einen Überblick über das jüngere Werk von Valérie Favre (geb. 1959). Die in Berlin lebende, als Professorin für Malerei an der Universität der Künste Berlin lehrende schweizerische Künstlerin malt höchst intensive Bilder und greift dabei Motive der Malerei- und Filmgeschichte als Archetypen der Phantasie auf. Favres Laufbahn als bildender Künstlerin ging kein Akademiestudium voraus, sondern die Arbeit am Theater.

Valérie Favre, Ghost (nach Goyas Hexenflug), 2014/2015, 43,5 x 30 cm, Öl auf Leinwand, Sammlung Wemhöner, © VG Bild-Kunst, Bonn, 2016

Vom performativen Ansatz des Theaters ist auch ihre heutige Malerei beeinflusst. Seit sie sich 1996 entschloss, von Paris nach Berlin zu gehen, sich ganz der Arbeit mit Pinsel und Farbe zu widmen, sind zahlreiche Werkgruppen entstanden, die eine additive, sukzessive Betrachtungsweise erfordern. In Serie konzentriert Favre sich auf ein Thema oder ein Motiv, variiert es bei gleichbleibenden Bildregeln wie etwa Komposition, Format oder Farbkonzept. Das theatralische Potenzial bekannter Gemälde ist für sie der Ausgangspunkt zu vielteiligen Bildserien. Bei ihrer Vorliebe für mystische Wesen musste Favre wohl zwangsläufig auf Goyas beeindruckendes „Hexenflug“Gemälde stoßen. Sie übernimmt daraus nur das Detail der drei Wesen im Flug, die etwas retten. In Goyas Gemälde tragen die drei Hexen – eine Anspielung auf Darstellungen der Dreifaltigkeit – einen jungen Mann zum Licht. In Favres Folge von immer neuen „Redescriptions“ desselben Motivs ist das, was die Hexen retten, jeweils ein anderes. Ein Fisch? Eine weitere Hexe? Der Formen-, Bilderund Ideenvorrat der Kunstgeschichte, der sich Favre anbietet, ist unendlich. Die große Produktivität entspricht ihrem Temperament. Eine Fülle von figürlichen Gestalten, aus einer expressiven, nonfigurativen Farbmalerei herausgeholt, gehört mittlerweile zu ihrem Repertoire. Als Konstanten bleiben sie in Bewegung, wandern und wandeln sich, springen von einem zum nächsten Szenenbild. Es liegt eine mitreißende Dynamik im einzelnen Bild wie auch im Fluss der Bildreihen. Das große, schon immer die Kunst antreibende Thema, nämlich die Reflexion der menschlichen Existenz zwischen Leben und Tod, erweist sich letztendlich als zeitlos. www.von-der-heydt-kunsthalle.de

Markus Willeke, Crash, 2016, Öl auf Baumwolle, 260 x 170 cm

Hengesbach Gallery Vogelsangstraße 20, 42109 Wuppertal 5. September - 7. Oktober 2016

Markus Willeke

Rainbow Crash Bloom

Markus Willeke ist ein Maler, der gern Herausforderungen kultureller Umwandlungen wie auch solche des fast nicht Malbaren annimmt. Als Motiv für ein gemaltes Bild ist eine zerbrochene Scheibe zum einen eine Herausforderung für die Sicht des Betrachters, zum anderen aber auch eine malerische Herausforderung, denn das Schneidende einer zerbrochenen Scheibe muss auch schneidend ins malerische Werk gesetzt werden, nicht zaghaft oder stückchenweise, sondern schnell und sicher den Fluss der Farbe lenkend. Glas ist als etwas Durchsichtiges kaum zu malen. Im zerstörten Zustand wird die Durchsicht partiell eingetrübt, gleichzeitig gerät auch die plane Fläche aus ihrer Ordnung: Die einzelnen Splitter liegen nicht mehr exakt in einer Ebene. Dadurch ergeben sich unterschiedliche Lichtreflexe, je nachdem, wie die einzelnen Splitter dem Licht zugewendet sind. Eine kaum zu steigernde malerische Herausforderung. 79


KunstStation im Bahnhof Vohwinkel

DruckStock Ort für freie Grafik

Projekt Bürgerbahnhof Bahnstraße 16, 42327 Wuppertal

Fr.-Engels-Allee 173, 42285 Wuppertal

4. September - 9. Oktober 2016

Wolfgang Schmitz Stadtansichten

Der Wuppertaler Fotograf ist die lokale Entdeckung der analogen Fotografie. Blickwinkel, die wir alle vor Augen haben, macht dieser Ausnahmefotograf jedoch erst wirklich sichtbar. Perspektiven die überraschen, Momente, die berühren, Einblicke, die unsere Wahrnehmung vertiefen. Mit der puren Technik der analogen Fotografie offenbart Ralf Haun uns das Wesentliche und hinterfragt so eine kulturelle Praxis elektronischer Bildvortäuschungen, die einen unaufhaltsamen Wahrnehmungsschwund erzeugen.

Radierungen und Lithografien Eröffnung: So., 18. Sept., 11.30 - 15 Uhr

Ralf Haun Buch „Der lange Marsch“

Neuer Kunstverein Wuppertal Hofaue 51, 42103 Wuppertal 26. November 2016 - Januar 2017

Der lange Marsch – paradoxe Intervention

40 Jahre Atelier- und Galeriekollektiv Eröffnung: Fr., 25. Nov. 2016, 19 Uhr

Die Installation/Ausstellung wird begleitet vom Erscheinen eines Buches über 40 Jahre Atelier- und Galeriekollektiv, ein wirklich „langer Marsch“ für die Kunst. 1976 gegründet, ist das Kollektiv seit über 40 Jahren ein wichtiger Impulsgeber der Kunstvermittlung in Wuppertal. Schwerpunkt war immer die Förderung von Künstlerinnen und Künstlern, die sich eigenständig und unabhängig in der Welt der Kunst bewegen. Begonnen in der Hofaue 39, arbeitete das Kollektiv viele Jahre in verschiedensten Räumen, in Wuppertal und sonstwo. Und das wird fortgesetzt. In der Ausstellung zu sehen sind Arbeiten von Renate Bertlmann aus Wien, Ruedi Schill und Monika Günther, Luzern; Susanne Kessler, Rom; Irene Warnke, Berlin; Martin Peulen, Breda. Und von Bodo Berheide, Holger Bär, Christian Ischebeck, Georg Janthur, der „movingartbox“ mit Regina Friedrich-Körner, Renate Löbbecke und Nanny de Ruig, Krzysztof Juretko, Peter Klassen, Klaus Küster und Eckehard Lowisch. 80

18. September - 16.Oktober 2016

Der ‚DruckStock’ zeigt vom 18. September bis 16. Oktober 2016 Radierungen und Lithografien von Wolfgang Schmitz. Der Eduard von der Heydt-Preisträger und Professor für Künste erkundete in den Jahren 1973 bis 1981 seine Wahlheimat, das Sanierungsgebiet Elberfelder Nordstadt. Mit Block und Stift dokumentierte er das alte Stadtviertel, nahm Bestand auf, notierte Veränderungen, protokollierte Zerstörungen. Wolfgang Schmitz hielt die gegenständlich vorhandene Realität mit einer Präzision und Virtuosität fest, wie sie nur durch unentwegte Zeichentätigkeit erreichbar ist.

Bergische Kunstgenossenschaft Hofaue 55, 42103 Wuppertal 4. September - 2. Oktober 2016

Michael Alles – Listen to your eyes

Malerei, Zeichnungen, Objekte Abstrakte - informelle Werke 1990-2016 Samstag und Sonntag 14 - 17 Uhr

Stadtansicht, Wolfgang Schmitz

Hinter seinen gezeichneten Ansichten der Wirklichkeit erscheinen „die Ansichten“ des Wolfgang Schmitz über die von ihm dargestellten Realitäten. Aus bloßen Aufzeichnungen der Umwelt werden Plädoyers für eine menschliche Umwelt, Anklage gegen Zerstörung, Flugblätter für die Erhaltung gewachsener Stadtviertel.


Museum Morsbroich Gustav-Heinemann-Straße 80, 51377 Leverkusen 18. Sept. 2016 - 15. Januar 2017

Drama Queens

Die inszinierte Sammlung Eröffnung: 18. September 2016, 12 Uhr Andy Warhol

Astwerk Friedrichstrasse 63, 42105 Wuppertal 2. Oktober - 30. November 2016

Eine Geschichte, drei Generationen

Otto Schmitt-Groß 1900 - 1965 Bernd Eisenmann 1951 Gregor Eisenmann 1984 Eröffnung: 2. Oktober 2016, 11 Uhr

Kunst dreier Generationen, welche nicht nur die Einstellung und die ähnliche innere Notwendigkeit zur Kunst verbindet, sondern auch ein gemeinsamer Ort in Italien, welcher das Leben aller drei Künstler nachhaltig geprägt hat und das Wirken und Schaffen bis heute beeinflusst.

Jedes Kunstwerk führt sein eigenes Drama auf. Es setzt Behauptungen in die Welt und konkurriert mit anderen starken Perspektiven auf die Wirklichkeit. Es erobert den Raum oder zieht sich vornehm daraus zurück. Manche Werke möchten auf einem Sockel aufgestellt werden, während andere eine dunkle Umgebung erfordern, um ihren Teint vor dem Licht zu schützen. Die Kunstwerke, die im Verlauf der Jahrzehnte in die Sammlung des Museums Morsbroich eingegangen sind, wurden darüber hinaus stets unter der Fragestellung ausgewählt, ob sie in den Innenräumen des barocken Schlosses eine gute Figur machen. Mit der Ausstellung „Drama Queens. Die inszenierte Sammlung“ geht das Museum Morsbroich nun offensiv auf die Forderungen der Kunstwerke ein. Was würde passieren, wenn „Die roten Wächter“ von Paul van Hoeydonck tatsächlich seinem Konzept der Space Art folgend die unendlichen Weiten des Weltraums durchmessen?

Odermatt, Oberdorf

Welche Sounds treiben den Beat der Farbklänge einzelner Gemälde voran? Oder andersherum gefragt: Welche Möblierung wünschen sich die Werke von David Reed, wenn sie sich einmal wirklich zu Hause fühlen möchten? In enger Zusammenarbeit mit den Künstlerinnen und Künstlern inszeniert das Museum Morsbroich die Sammlung als Drama auf seiner spätbarocken Bühne.

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Central.Galerie Burger Straße 11, 42859 Remscheid 4. September - 23. Oktober 2016

Die Kraft des Sehens

Geerd Moritz, Fotografie und Objekte Eröffnung: So., 4. Sept. 2016, 16.30 Uhr

Wolf Erlbruch, Illustration zum Kinderzimmerkalender 2017: Vater & Sohn, Peter Hammer Verlag 2016

Burg Wissem Bilderbuchmuseum der Stadt Troisdorf Burgallee 1, 53840 Troisdorf 3. September - 6. November 2016

Wolf und Leonard Erlbruch

Das Bilderbuchmuseum widmet sich dem Vater-Sohn-Künstlerpaar Wolf und Leonard Erlbruch. Der Durchbruch als Bilderbuchillustrator gelang dem Absolventen der Essener Folkwang Schule Wolf Erlbruch 1989 mit dem Buch »Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat«. Seitdem – und hier ist die Rede von mehr als 25 Jahren – prägte er einen neuen Bilderbuchstil, der die Entwicklung der Bilderbuchkunst maßgeblich beeinflusste. Seinem Sohn Leonard widmete er das gleichnamige Bilderbuch »Leonard« (1991). Leonard, 1984 geboren, begann nach dem Abitur mit dem Studium der Illustration an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Im Februar 2013 absolvierte er sein Diplom, illustrierte aber während seines Studiums bereits mehrere Kinderbücher in verschiedenen Verlagen. Neben seinen illustrativen Arbeiten setzt sich Leonard Erlbruch mit der Kunst der freien Grafik auseinander, die ebenfalls in der Ausstellung gezeigt werden wird. 82

„Fotografie ist für mich eine Möglichkeit zu träumen. Durch Licht, Perspektive und Bildausschnitt führe ich das Motiv an die Grenze zur Abstraktion. Ich befreie die Materialitäten in eine ausgesuchte Mehrdeutigkeit und schaffe einen Raum mit überraschenden Assoziationen. Die Holzskulpturen sind leid gewordene Alltagsgegenstände, die zerlegt neu erlebt werden. In freier Montage der Teile entstehen dynamische Skulpturen, die für sich stehen, wo aber jedes Teil die Erinnerung an den vertrauten Ausgangsgegenstand dazuholt.“

„den Himmel auf Erden“, Ventildeckel mit Pfütze, Luisenstraße, 2016

galerie#23 Frohnstraße 3, 42555 Velbert-Lgb. 27. August - 25. September 2016

Petra Fröning und Hyacinta Hovestadt

Eröffnung: Sa., 27. August, ab 18 Uhr. Petra Fröning, 1972 in Siegburg geboren, bevorzugt Tusche, die sie auf großformatige Nesseltücher fließen lässt. Die Motive sind Landschaften in flüchtigen Augenblicken, aber auch zufällige Ausschnitte aus der Natur,

die zum Verweilen auffordern. Ihre bevorzugten Farben sind immer gedeckt. „Mit unterschiedlichen Arbeitsmethoden mache ich Natur als Spur oder Idee auf dem Bildträger sichtbar“, so Petra Fröning. Tiefenraum, Strukturen und Bewegungen werden in experimenteller Arbeitsweise als malerische Spuren, Abdrücke und Flutungen auf dem Bildträger manifestiert. Den richtigen Augenblick zu erkennen, wann das Bild „Realität“ wird, ist die Herausforderung. „Erlebtes, Gesehenes und in vielen Studien in der Landschaft ,Gesammeltes‘, rufe ich im Atelier in solch prozesshafter Arbeit ab, hole es wieder hervor mithilfe des Materials.“ Die 1954 in Münster geborene Hyacinta Hovestadt arbeitet und experimentiert mit Gebrauchsmaterial, mit Wellpappe, Ziegeln, Kokosmatten, u. a. mehr, aus denen große und auch Raum füllende sowie kleine Plastiken entstehen. Bei den Wellpapparbeiten wird jede Schicht einzeln geschnitten und verklebt. Häufig entstehen organisch wirkende höhlenartige Formen, die oft etwas Archaisches haben, aber auch etwas Leichtes und Fragiles zeigen, doch sind diese Skulpturen erstaunlich stabil. Es geht der Künstlerin um die Faszination der inneren Strukturen der Materialien, die normalerweise verdeckt, nicht sichtbar sind.


BÜHNE:

So., 27. November 2016, 18 Uhr Mendelssohn Saal

Johannisberg 40, 42103 Wuppertal

SAITENSPIEL: GOLDMUND QUARTETT UND CHRISTOPHER PARK

So., 11. September 2016, 11 Uhr Großer Saal

Di., 6. Dezember 2016, 20 Uhr Großer Saal

Historische Stadthalle

1. FAMILIENKONZERT: NACHTS IM MUSEUM

So., 25. September 2016, 11 Uhr Mo., 26. September 2016, 20 Uhr Großer Saal

1. SINFONIEKONZERT: MAHLER & BEETHOVEN

Sa., 1. Okt. 2016, 20.30 - 4.30 Uhr Einlass: 18.30 Uhr Großer Saal / Offenbach Saal

XIX. KONZERT & BALL TANGO ARGENTINO

Fr.-So., 7.- 9. Oktober 2016, 18 Uhr Mendelssohn Saal

SAITENSPIEL: BEETHOVEN-ZYKLUS I - III

FRÉDÉRIC CHOPIN EIN WINTER AUF MALLORCA Fr., 9. Dezember 2016, 20 Uhr Großer Saal

KONSTANTIN WECKER: „TRIO 2016“

So., 11. Dezember 2016, 11 Uhr Mo., 12. Dezember 2016, 20 Uhr Großer Saal

4. SINFONIEKONZERT: SIBELIUS & TSCHAIKOWSKI Fr., 16. Dezember 2016, 20 Uhr Einlass: 19.30 Uhr Großer Saal

A TRIBUTE TO BON JOVI: BOUNCE & ORCHESTRA

Mo.- So., 17.- 23. Oktober 2016, 11-17 Uhr Hindemith Saal

So., 18. Dezember 2016, 18-20 Uhr Großer Saal

International besetzter Kunstmarkt für Kinder – Erwachsene verboten!

Di., 20. Dezember 2016, 20 Uhr Großer Saal

KUNST FÜRS TASCHENGELD

Mi., 9. November 2016, 20 Uhr Großer Saal

TILL BRÖNNER: THE GOOD LIFE

Do., 24. November 2016, 20 Uhr Mendelssohn Saal

TAMAR BERAIA

SCHWANENSEE

RUSSIAN CIRCUS ON ICE

So., 25. Dezember 2016, 18 Uhr Großer Saal

2. CHORKONZERT RALPH VAUGHAN WILLIAMS & JOHN RUTTER Mi., 28. Dezember 2016, 19.30 Uhr Großer Saal

SILVESTERKONZERT

Do., 29. Dezember 2016, 20 Uhr Großer Saal

HEINZ ERHARDT-REVUE

Buchhandlung von Mackensen Friedrich-Ebert-Straße / Ecke Laurentiusstraße 12, 42103 Wuppertal Do., 29. September 2016, 19 - 20.30 Uhr

Diskussion: Geraubte Träume, verlorene Illusionen Geraubte Träume, verlorene Illusionen - Westliche und östliche Historiker im deutschen Geschichtskrieg. In den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg kämpften die Historiker der beiden deutschen Staaten heftig um die Deutungshoheit der deutschen Geschichte. Dieser Kampf wurde auch als „Kalter Krieg der Geschichtswissenschaftler“ bezeichnet. Über diese historische Auseinandersetzung diskutieren die beiden Historiker Matthias Dohmen und Jürgen Reulecke. Anmeldung: www.mackensen.de Do., 13. Oktober 2016, 19 - 20.30 Uhr

Lesung: Blaue Gespenster springen in den Raum Ein Rezitationsabend mit Gedichten von Annette von Droste-Hülshoff, Else Lasker-Schüler und Ingeborg Bachmann, vorgetragen von Christiane Gibiec und Ingrid Stracke. Die Wuppertaler Autorinnen Ingrid Stracke und Christiane Gibiec - beide vereint die Lust, Lyrik zu rezitieren möchten den zu den berühmtesten deutschen Lyrikerinnen zählenden Dichterinnen ihre Stimme geben und zeigen, wie sich die lyrische Sprache im Lauf der Generationen verändert hat. Der Titel des Abends „Blaue Gespenster springen in den Raum“ entstammt einem Gedicht von Ingeborg Bachmann und dürfte einer Erfahrung entsprechen, die allen drei Dichterinnen gemeimsam war. Anmeldung: www.mackensen.de 83


MUSIK: Peter Kowald Gesellschaft / ort e.V.

Das Alphorn und die Sonne im Gepäck Ein Film über den Musiker Arkady Shilkloper. Von Christoph Engel

Das jährliche Artist in Residence Programm der Peter Kowald Gesellschaft ist ein fester Bestandteil der Programmstruktur. Einen Monat lang lebt und arbeitet ein/e Künstler/ Künstlerin im ort, kooperiert mit der freien Szene Wuppertals und gestaltet mehrere Präsentationen im ort. In diesem Jahr ist der Flötist Marcelo Maira aus Chile eingeladen, der als Improvisator und Orchesterleiter ein wichtiger Motor für die Neue Musik in Lateinamerika ist.

Fr., 21. Oktober 2016, 19.30 Uhr

Do., 3. November 2016, 20 Uhr

Luisenstraße 116, 42103 Wuppertal Do., 22. September 2016, 20 Uhr Nikolaus Neuser Trompete Achim Zepezauer Tischlein elektrisch Simon Camatta Schlagzeug Do., 6. Oktober 2016, 20 Uhr

cine:ort

Ein Orchester dirigiert sich selbst Workshopkonzert mit Studenten des workshops „improvised conducting“ und dem WIO (Wuppertaler Improvisationsorchester). Nach der zweitägigen Zusammenarbeit von Studenten der Hochschule für Musik und Tanz Köln, Standort Wuppertal, mit dem Improvisationsmusiker Marcelo Meira (Artist in Residence im ort der Peter Kowald Gesellschaft) aus Chile gibt es keine Ergebnisse zu hören, sondern ausschließlich Überraschungen. Gemeinsam mit dem WIO gestalten die Studenten Dirigate, die spontaner und vielgestaltiger gar nicht sein können. Mit dem WIO haben die Studenten einen Klangkörper, der es versteht, aus spontan ausgeführter Zeichensprache eine ebenso abstrakte wie farbige Musik entstehen zu lassen. Achtung: Die Veranstaltung findet im Saal der Hochschule für Musik und Tanz Köln, Standort Wuppertal, statt. Sedanstraße 15, 42275 Wuppertal Mo., 24. Oktober 2016, 20 Uhr

ort-Antrittskonzert

‚Artist in Residence’ Marcelo Maira mit Georg Wissel und Philip Zoubeck 84

cine:ort

Carlo, keep swingin Ein Film über den Trompeter Carlo Bohländer. Von Elisabeth Ok

le jüngere Maler – wie Peter Makolis, A.R.Penck, Peter Graf und Peter Herrmann - eine Bezugsperson war und diese bei Workshops, oder wie es damals hieß Malkursen, auf die stimulierende Wirkung von Jazzmusik aufmerksam machte [...] National wie international wurden seine Filme bei Festivals gezeigt und er bekam Personalausstellungen in großen Galerien und Museen [...] Für mich ist es ein Glücksfall, dass ich in vielen wichtigen, mich bereichernden Momenten in seiner Nähe sein durfte, und wenn wir alle ganz großes Glück haben, dann tanzt er wieder zu einigen Takten meiner Musik ...“ Günter Baby Sommer, Radebeul, am 6.8.2016 Öffnungszeiten: 15-18 Uhr Sa. 26.11., Sa. 3.12., Sa. 10.12., Sa. 17.12.

Sa., 12. November 2016, 20 Uhr

Soundtrip

Kaja Draksler, Mattis Cudars Gäste: Marcelo Maira, Patrick Hagen Ausstellung 23. November bis Ende des Jahres

Jürgen Bötcher STRAWALDE Eröffnung: Mi., 23. November, 20 Uhr Einführung und Musik Günther Baby Sommer „Ein Mann, der zur Musik vom Duo Gumpert.Sommer in aller Öffentlichkeit einen Solotanz aufs Parkett legt, ein Maler, der sich einen internationalen Namen als Filmemacher erkämpft hat, ein Filmregisseur, welcher der Malerei nie den Rücken gekehrt hat und der nach letzten Filmerfolgen, wo er die bildende Kunst mit Jazzmusik verbindet, sich jetzt wieder voll und ganz der Malerei verpflichtet. Aus seinen Arbeiten [...] spricht die geballte Ladung seines zurückgelegten Künstlerlebens. Das sind die Zeiten, als er in der ehemaligen DDR für vie-

Do., 1. Dezember 2016, 20 Uhr

cine:ort

Konzert im Freien Ein Film von Jürgen Böttcher. Mit Günter Baby Sommer und Dietmar Diesen Di., 6. Dezember 2016, 20 Uhr

Schlippenbach Trio

Alexander v. Schlippenbach Piano Paul Lytton Schlagzeug Evan Parker Saxophon


Klangkosmos Weltmusik in NRW Thomaskirche Opphofer Straße 60, 42107 Wuppertal Do., 6. Oktober 2016, 18 Uhr Ibrahim Keivo (Syrien/ Deutschl.) Troubadour des multikulturellen Syriens

Ibrahim Keivo wurde 1966 in einem jesidisch-kurdischen Dorf in Nordsyrien geboren. Der Sohn einer armenischen Familie, die den Völkermord überlebt hat, wuchs in dem Dreiländereck auf, wo die Kultur des alten syrischen Landes (Al-Jezireh = Die Insel) mit der mesopotamischen und vorderasiatischen zusammentrifft, in einer Kulturlandschaft also mit reicher Vergangenheit. Von seiner Mutter lernte er die armenischen Gesänge, die ursprünglich auch auf Türkisch, Kurdisch und Mardalli gesungen wurden. In seiner Kindheit begegnete er auch weiteren regionalen Traditionen wie der assyrischen Kultur der Beduinen und ihrer aramäischen Sprache, dem orthodoxen Christentum und der alten Naturreligion der Jesiden. So war er Zeitzeuge und ein neugieriger Schüler der kulturellen Vielfalt Nordsyriens. Zum Studium ging er dann nach Aleppo. In der Hauptstadt der traditionellen arabischen Musik begegnete er dem Komponisten und Musikwissenschaftler Nouri Iskandar, der erstmalig die über Jahrhunderte oral tradierte syrische Musik transkribierte. Von ihm lernte Keivo die Regeln und Geheimnisse der Musik, die seine Kindheit und Jugend bestimmt hatte.

Wieder zu Hause begann er mit eigenen Untersuchungen zum musikalischen Erbe in der Region Al-Jezireh. Sein Name ist heute weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Seine internationale Karriere begann 2002. Er tritt regelmäßig in Europa auf und wird geschätzt für seine atemberaubende Bühnenpräsenz, sein tiefes Verständnis für das syrische multikulturelle Erbe und seine universelle Philosophie. Seit 2009 lebt und arbeitet er in Deutschland.

Kulturzentrum Immanuelskirche Sternstraße 73 / Von-Eynern-Straße, 42275 Wuppertal Sa., 5. November, 20 Uhr EOS Kammerorchester Köln

Addition V - „Bachblüten“ Eine Zusammearbeit mit Henning Sieverts Sylvain Rifflet, Tenorsaxophon / Klarinetten Bastian Stein, Trompete Henning Sieverts, Cello / Bass Fabian Rösch, Schlagzeug Susanne Blumenthal, Leitung

Nach den sehr großen Erfolgen der vergangenen ADDITION - Projekte zusammen mit dem Pablo Held Trio, Niels Klein, Florian Ross, Markus Stockhausen u. v. a. konnte für das kommende Projekt der international renommierte Bassist und Komponist Henning Sieverts gewonnen werden. Dieser hat mit dem EOS Kammerorchester Köln plus sich und seiner illustren Band ein ganz besonderes Herzensprojekt realisiert: BACHBLÜTEN - eine kompositorische Auseinandersetzung mit ihm seit frühster Kindheit an vertrauten Werken von Johann Sebastian Bach.

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Fuchspark Westfalenweg 88, 42111 Wuppertal Fr.- So., 28.-30. Oktober 2016

Wuppertaler Jazzmeeting 2016

OpenSky e.V. veranstaltet unter dem Motto „Grenzgänge“ das Wuppertaler Jazzmeeting 2016. Sie werden als Veranstalter ihre Grenzen erweitern, die Musik wird Grenzen überschreiten (oder missachten), und tatsächlich wird auch der ein oder andere Grenzgang erforderlich sein, um in Wuppertal auftreten zu können.

Sa., 29. Oktober, 20 Uhr

Andreas Bär – Holzlippenfell In einer spannenden, für das Wuppertaler Jazzmeeting erstmals zusammengestellten Besetzung wird Holzlippenfell die Grenzgänge zwischen Jazz und Kammermusik wagen und das Zusammenspiel von Improvisation und Komposition ausloten

So., 30. Oktober, ab 11 Uhr

Antes Jazzgarage

Antes Jazz Garage ist die spielfreudige Band, die sich in den fünf Jahren ihres Bestehens einen ausdrucksstarken Stil von Swing bis Contemporary Jazz angeeignet hat und ein „Schmelztiegel“ der musikalischen Persönlichkeiten und großen Erfahrung der einzelnen Musiker ist.

Fr., 28. Oktober, ab 20.00 Uhr

Brenda Boykin Wtal5

Brenda Boykin stammt aus Oakland/ USA, aber erst nachdem die Künstlerin Ihr Heimatland verlassen hat, erkannte sie, wie tief sie tatsächlich mit ihm verwurzelt ist.

StringBrass Collective Das Repertoire der Band besteht aus einigen Originalstücken der Claude Bolling Bigband. Außerdem hat die in Wuppertal lebende nicaraguanische Komponistin Karla Domínguez eines ihrer Stücke für die Band arrangiert.

Seven Eleven Die niederländischen Funk-Kracher mit der Sängerin Juliette Brans. Sie sind seit 1987! eine der besten FunkBands Europas. Soul-Gesang, Rap voller Energie, Bläser, Kostüme, Showelemente, natürlich der geslappte Bass, Drums die antreiben, das ist der ekstatische Groove, den die Holländer dem Publikum bieten.

Marie Séférian Quartett Charmant lässt Marie Séférian ihre Stimme in einer Weise jubilieren, wie man es lange nicht mehr so überzeugend im deutschen Jazz hören konnte. Die Sängerin verfügt über ein breites Ausdrucksspektrum, das sich aus unterschiedlichsten Erfahrungen speist.

trio akk:zent

Seven Eleven LSJ 2015 (1)

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trio akkzent, Foto: Fabian Möstl

Das trio akk:zent zählt schon jetzt zu den interessantesten Vertretern der österreichischen Jazz- und World-Music-Szene, stilistische Brüche werden ungeniert zum Stil erhoben, polyfone Strukturen treffen auf Technobeats, leichtfüßigen Jazz, Pop, Balkanmusik und steirische Ziehharmonika, als hätten sie schon immer zusammengehört.

Café ADA Wiesenstraße 6, 42105 Wuppertal

Tango Sin Fin ein Wochenende begleitend zum Tango Festival in der Stadthalle. An zwei Tagen wird im Cafe Ada Tango getanzt. Es wird zudem Workshops geben, die sich mit der Interpretation der Musik beschäftigen. Alejandro Regine, Tangosänger und -lehrer wird am Di., 27. September, in der Milonga singen und den Workshop am Sa., 1. Oktober, im Rahmen des Festivals geben. Am So., 02. Oktober, wird zusätzlich eine Show stattfinden mit Miriam Copello und Cristian Correo, ein junges sehr engagiertes Paar aus Buenos Aires.


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„Viele kleine Dinge wurden durch die richtige Werbung groß gemacht.“ Mark Twain „Mir ist nichts zu klein.“ Willi Barczat

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