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„DIVERSITÄT PASSIERT NICHT VON ALLEIN“

Gemeinsam mit acht weiteren Frauen hat Jana Bernhard, Geschäftsführerin der SponsorenVereinigung „S20“, die Initiative „FUSSBALL KANN MEHR“ gestartet. Seit Mai 2021 liegen die acht Forderungen der Akteurinnen aus dem Fußball auf dem Tisch, die einen Denkanstoß geben sollen, die Strukturen im Fußball diverser zu gestalten. Im Interview erklärt die Sport-MarketingExpertin, worum es bei der Initiative geht.

KickMol!: Immer wieder ist zu beobachten, dass Frauen und Männer sowohl im Fußball als auch im Arbeitskontext verglichen werden. Wie kann man dem entgegenwirken?

Jana Bernhard: Aus unserer Sicht ist das Wichtigste, Bewusstsein zu schaffen, Vorurteile zu erkennen und zu hinterfragen. Wir führen beispielsweise als eine der ersten Maßnahmen Unconscious Bias Workshops mit den Kooperationspartnern von FUSSBALL KANN MEHR durch, um eben solche Vorurteile, die häufig aufgrund eines fehlenden Bewusstseins entstehen, abzubauen und zur Reflektion anzuregen. Allgemein gilt es, Fähigkeiten und Leistung unabhängig vom Geschlecht und auch anderen Diversitätsdimen- sionen, beispielsweise sozialer Herkunft oder Nationalität zu bewerten. Erstaunlicherweise findet dies auf dem Sportplatz häufiger statt als im Berufsfeld Sport und in sportnahen Bereichen. In unserer Analyse über die Governance der Bundesliga und 2. Bundesliga haben wir herausgefunden, dass rund 30 Prozent der Entscheidungspositionen mit ehemaligen männlichen Profis besetzt sind. Hier fehlt jedoch jegliche vergleichbare Kompetenzzuschreibung bei Frauen. Weder wird ein Sportbereich von einer Frau geleitet, noch gibt es eine ehemalige Profispielerin in einer Führungsrolle. Uns geht es darum, Chancengerechtigkeit zu schaffen sowie um gleiche und faire Bedingungen für alle Personen im Berufsfeld Fußball.

KickMol!: Man könnte meinen, dass bereits sehr viele Unternehmen, Verbände und Vereine in den Startlöchern stehen und nur darauf warten, dass sich in der Fußballwelt endlich etwas bewegt ... Jana Bernhard: Die bereits erwähnte Analyse von FUSSBALL KANN MEHR aus dem März 2023 belegt anschaulich, dass Diversität im Fußballgeschäft nicht gegeben ist. Am Beispiel von Frauen in Managementfunktionen wird deutlich, wie radikal unterrepräsentiert sie sind. Dass nur knapp 3 Prozent aller Führungspositionen (4 von 150) mit Frauen besetzt sind und auch in den Aufsichtsräten lediglich rund 10 Prozent der Positionen (39 Frauen und 367 Männer) mit Frauen besetzt sind, ist weit von in der Politik und Wirtschaft geforderten und angestrebten 30 Prozent oder gar Parität entfernt. Im Jahr 2023 gibt es also noch immer eine Branche, die sich abgekoppelt hat von allen anderen gesellschaftlichen Entwicklungen. Wir nehmen wahr, dass der Wunsch nach Veränderung aufgrund der aktuellen Ausstrahlung des Fußballs und fehlender Vorbilder groß ist. Diversität und insbesondere Inklusion passieren nicht von alleine. Veränderung beginnt an der Spitze, es braucht die Überzeugung der Entscheidungsträger*innen und das Bekenntnis, sich mit den eigenen Prozessen und auch mit bewussten oder unbewussten Vorurteilen zu beschäftigen, um die richtigen Maßnahmen einzuleiten. Wir kooperieren mit FUSSBALL KANN MEHR mit den Bundesligaklubs Eintracht Frankfurt, Werder Bremen, VfB Stuttgart, VfL Bochum, Hamburger SV und der DFL sowie dem Medienunternehmen Sky, die sich allesamt quantitative Diversitätsziele gesetzt haben bzw. kurzfristig setzen. Mit dieser Zusammenarbeit setzen die Partner ein klares Zeichen für die Förderung von Frauen und Diversität in ihrer Organisation und nach außen.

KickMol!: Wie kann Ihr Team, dem prominente Frauen wie Bibiana Steinhaus-Webb, Almuth Schult oder Claudia Neumann angehören, Clubs, Verbände und Unternehmen unterstützen, die eine Förderung von Frauen und Diversität im Fußball anstreben?

Jana Bernhard: Innerhalb unserer Kooperationen unterstützen wir unsere Partner bei der Entwicklung von Diversity-Strategien und in der Umsetzung von Veränderungsprozessen. Die Förderung und Begleitung von Karrieren aktiver Fußballer*innen und Mitarbeiter*innen durch die Vermittlung von Bildungsmaßnahmen mit ausgewählten Partnern, finanziert durch Sponsoren, ist ein weiterer Bestandteil der Zusammenarbeit. Dabei berücksichtigen wir die spezifischen Bedürfnisse von Frauen, beraten mit unserem langjährigen Know-How und sind Sparringspartnerin. Mit Sky haben wir beispielsweise ein Ausbildungsprogramm für Kommentatorinnen pilotiert, welches dieses Jahr in die nächste Runde starten soll. Basierend auf unserem Netzwerk und unserer Kompetenz finden wir Frauen für Führungspositionen im Fußball. Dafür haben wir das Joint Venture mit den Expertinnen von „New Chapter“, der auf Frauen spezialisierten

Personalberatung, gegründet. Gemeinsam helfen wir dabei, vakante Positionen – vom Aufsichtsrat bis zum operativen Bereich – mit Frauen zu besetzen und Diversitätsziele zu erreichen.

KickMol!: Gerade in kleinen Vereinen an der Basis mangelt es teilweise an Sensibilität für Diversitätsthemen. Wie sollte es weitergehen, um nicht nur die Führungsebenen in die Verantwortung zu ziehen, sondern auch Frauen zu mehr Teilhabe zu motivieren?

Jana Bernhard: In der Offenheit für das Thema liegt eine Chance, gerade bei etwaigem Mitgliederrückgang oder Trainer*innenmangel in Vereinen und Verbänden. Die Ansprache und Inklusion von Frauen und Mädchen als Sportlerinnen und für (nicht nur) ehrenamtliche Positionen ist relevant für die Zukunftsfähigkeit vieler Organisationen – und wir sehen an vielen Stellen, dass diese Chancen genutzt werden. Dafür benötigt es das Engagement von einzelnen Personen, Menschen einzuladen sich einzubringen. Wir bieten auf der Community-Plattform von FUSSBALL KANN MEHR die Möglichkeit zur Vernetzung mit Vertreter*innen anderer Vereine und Verbände und bieten Inspiration und Unterstützung. Beispielsweise durch digitale Events, bei denen wir aktuelle Themen mit Expert*innen diskutieren und voneinander lernen.

KickMol!: In Form einer digitalen Plattform (plattform.wir-koennen-mehr.org) bieten Sie die Teilnahme an einer Community an. Wem würden Sie diese Community empfehlen?

Jana Bernhard: Wir freuen uns über alle Mitmachenden, die sich für die Themen und Ziele von FUSSBALL KANN MEHR interessieren und daran beteiligen möchten. Ebenso freuen wir uns über die Beteiligung von Menschen, die das Berufsfeld Fußball begeistert. Wir bieten die Möglichkeit zum Wissens- und Perspektiven-Austausch, wollen zum Netzwerken mit Gleichgesinnten motivieren und laden zu Diskussionen bei unseren digitalen Events, die nach der Sommerpause wieder stattfinden, ein. ■

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