VERSschmuggel reVERSible

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Moure / Despatie / Kalรกz

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Moure / Despatie / Kaláz

Dieses Buch kam zustande mit freundlicher Unterstützung durch / Ce livre a été réalisé grâce au soutien / With generous support from: Hauptstadt­kulturfonds, Conseil des arts et des lettres du Québec, ministère des Relations internationales du Québec, Vertretung der Regierung von Québec, Canada Council for the Arts / Conseil des Arts du Canada. Die Übersetzung dieses Werkes wurde vom Goethe-Institut gefördert aus Mitteln des Auswärtigen Amtes / The translation of this work was sponsored by the Goethe ­Institute with funds provided by the German Foreign Office / La traduction de ce livre a été possible grâce au Goethe-Institut avec le soutien du Auswärtiges Amt.

Lektorat / Lectorat / Text-editing: Isabel Aguirre Siemer / Aurélie Maurin © 2008 Verlag das Wunderhorn, Rohrbacher Straße 18, D-69115 Heidelberg www.wunderhorn.de © 2008 Éditions du Noroît, 4609, rue d‘Iberville, espace 202, Montréal, Québec, H2H 2L9, www.lenoroit.com © für die einzelnen Texte siehe Anhang / for the individual texts see appendix / pour chacun des textes voir appendice © für die Übersetzungen bei den Autorinnen und Autoren for the translations is held by the authors/translators pour les traductions ont les auteurs/traducteurs Alle Rechte vorbehalten / All rights reserved / Tous droits réservés Gestaltung / Design / Conception graphique: Holger Stüting, allstars *** design, Berlin Druck / Printing / Impression: Fuldaer Verlagsanstalt, Fulda Herstellung / Production: Cyan, Heidelberg Umschlagabbildung / Cover illustration / Illustration en couverture: Manfred Metzner ISBN 978-3-88423-299-6 (Deutschland) ISBN 978-2-89018-644-6 (Kanada) Leichte Abweichungen zwischen Gehörtem und Geschriebenem liegen in den Nach­ bereitungen der Übersetzungen begründet. Slight variations between the audio and written text are a result of the reworking of the translations. De légères différences entre la version écrite et audio sont possibles car les traductions ont été retravaillées par les auteurs.

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Moure / Despatie / Kaláz

VERSschmuggel reVERSible Französisch-, englisch- und deutschsprachige Gedichte Canadian Poetry Poésie du Québec

Ken Babstock Suzanne Buffam Tim Lilburn Erín Moure Karen Solie Paul Vermeersch

Claude Beausoleil Marc André Brouillette Denise Desautels Stéphane Despatie Hélène Dorion Louise Dupré

Nico Bleutge Orsolya Kalász Robert Schindel Sabine Scho Lutz Seiler Jan Wagner

Herausgegeben von / Edited by / Édité par Aurélie Maurin / Thomas Wohlfahrt

Wunderhorn / Éditions du Noroît / Literaturwerkstatt 3


Moure / Despatie / Kalรกz

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Moure / Despatie / Kalรกz

Inhalt / Table of contents / Table

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Moure / Despatie / Kaláz

Vorwort / Preface / Préface Nico Bleutge Orsolya Kalász Robert Schindel Sabine Scho Lutz Seiler Jan Wagner Ken Babstock Suzanne Buffam Tim Lilburn Erín Moure Karen Solie Paul Vermeersch Claude Beausoleil Marc André Brouillette Denise Desautels Stéphane Despatie Hélène Dorion Louise Dupré Biographien / Biographies Herausgeber / Editors / Les éditeurs Urheberrechtliche Hinweise / Copyright Tracklist / Track list / Titres audio

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Moure / Despatie / Kaláz

Vorwort / Preface / Préface

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Vorwort / Preface / Préface

Wer kommt in meine Sprache? gibt es das Tor in deiner Sprache das auf ein Herzklopfen sich öffnet? Orsolya Kalázs Der vorliegende Band vereint bisher Unerhörtes und nicht Gelesenes. Nicht nur, dass kanadische / Québecer Gegenwartslyrik in Deutschland so gut wie unbekannt ist wie umgekehrt deutschsprachige in Kanada und Québec. Zu den schönsten Lese- und Hörerfahrungen dürfte nach der Lektüre fortan auch gehören, dass sich kanadische und Québecer Dichterinnen und Dichter erstmals in Berlin begegnet sind und sich und ihren deutschsprachigen Kollegen in sehr intensiver Weise Einblicke in die eigene Dichterwerkstatt gewährt haben. Die Literaturwerkstatt Berlin hat 18 Dichterinnen und Dichter aus den englischsprachigen Provinzen Kanadas und aus der französischsprachigen Provinz Québec, aus Deutschland, der Schweiz und Österreich 2007 zu einem Übersetzungsworkshop eingeladen, der während des poesiefestival berlin stattfand. Das bedeutete für jeden Dichter, beinahe eine Woche lang die Übersetzungen der eigenen Texte in zwei andere Sprachen zu begleiten und im Gegenzug Gedichtübersetzungen aus zwei anderen Sprachen in die eigene selbst zu erarbeiten. Wie geht das, vor allem, wenn die anderen Sprachen nicht oder nur bedingt gut beherrscht werden? Die Literaturwerkstatt Berlin hat für diese Art des Übersetzens eine Methodik entwickelt. Zunächst werden Interlinearübersetzungen aller Gedichte in die drei Sprachen in Auftrag gegeben. Auf dieser Materialgrundlage und mit Hilfe eines Dolmetschers zwischen beiden sich gegenseitig übersetzenden Dichtern konnte die Spracharbeit beginnen. Untereinander sind Dichter sicher ihre genauesten Gutachter. Ungewohnt ist, dass sie den Kollegen in seinem Beisein übersetzen. Genau darin liegen Abenteuer und Reiz des Verfahrens. Die Dichter haben sich die Gedichte und dann die Übersetzungen mehrmals laut vorgelesen und sich die oftmals intimen Geschichten, die hinter den Worten liegen, erzählt. Sie haben in morphologischen und syntaktischen, letztlich in phonetischen und grafischen Ausweichmanövern neu erfunden, was nicht transportierbar war, um eines zu erreichen: Dass das Gedicht in der anderen Sprache eben nicht nur eine Übermalung oder Übertragung würde, 8


Vorwort / Preface / Préface

sondern dem Original in Klang, Form und Gehalt so nahe wie möglich komme und (wieder) ein gutes Gedicht sei. Um dieses Ergebnis zu erzielen ist in der Anwendung der letztlich spracharchäologischen Verfahren größtmögliche Freiheit erforderlich. Die vorliegenden Übersetzungen dürfen auch deshalb als hervorragend bezeichnet werden, weil die Freiheiten von den Schöpfern selbst autorisiert wurden. Der Leser/Hörer wird verfolgen können, wie sich der Text- und Klangkorpus des übersetzten Gedichts gegenüber dem Original verändert hat, um ihm in Form und Gehalt weitmöglichst zu entsprechen. Dieser Band will ein Anfang sein und Leser und Hörer ermuntern, sich auf beiden Seiten des Atlantiks mehr füreinander zu interessieren. Es gibt keine andere Kunst neben der Poesie, in der so vieles neues zu entdecken wäre. Poesie ist eine eigenständige Kunst und tritt als solche erst allmählich in unser Bewusstsein. Jede Kunst hat ihre spezifischen Medien zu entwickeln. Poesie ist eine Kunst der Sprache, die dabei in musikalische Strukturen gefasst ist; in Klänge und Rhythmen. Es ist nur konsequent, Gedichte zu lesen und zu hören. Auf den beiden CD ist das Sprach-Konzert als gebrannte Performance zu erleben, das während des poesiefestival berlin am 26. und 27.Juni 2007 einem großen und begeisterten Publikum die Arbeitsergebnisse des französischenglisch-deutschen Übersetzungsworkshops präsentierte: ein gelungener und zudem sinnlich-heiterer VERSschmuggel. Der vorliegende Band erscheint, hergestellt in einem Produktionsverfahren, dreisprachig und zeitgleich in zwei Verlagen: bei Verlag das Wunderhorn in Heidelberg und bei Éditions du Noroît in Montréal. Wir bedanken uns bei allen, die mitgeholfen haben, dass dieses einzigartige Projekt zustande kommen konnte: bei den Autoren, die sich neben dem ästhetischen auch auf menschliche Abenteuer eingelassen haben, bei den Übersetzern und Dolmetschern, ohne deren Kompetenz nichts hätte gelingen können und bei den Verlegern, die uns und diesem Verfahren vertrauten. Unser besonderer Dank gilt dem Hauptstadtkulturfonds, der Botschaft von Kanada, dem Bureau du Québec in Berlin / der Vertretung der Regierung von Québec, dem Canada Council for the Arts / Conseil des Arts du Canada, dem Conseil des arts et des lettres du Québec, dem Goethe-Institut sowie dem ministère des Relations internationales du Québec. Aurélie Maurin / Thomas Wohlfahrt 9


Vorwort / Preface / Préface

Who will come into my language? Is there a gate in your language, girl, that opens to my heartrace? Orsolya Kalász This book brings together what has never before been heard or read. Not only is contemporary poetry from Canada and Quebec virtually unknown in Germany, as is German-language poetry in Canada and Quebec. The wonderful reading experience is augmented by the fact of the first-ever meeting of Anglophone and Francophone poets in Berlin, where they and their German-speaking colleagues offered highly intense insights into their own poetic “workshops”. In 2007 the Literaturwerkstatt Berlin invited 18 poets from Canada’s englishspeaking provinces and from Quebec as well as from Germany, Switzerland and Austria to attend a translation workshop held during the poesiefestival berlin. This meant that the poets oversaw the translation of their own texts into two other languages, while in turn translating poems from two other languages into their own language. How is that possible, especially with no or little command of the other languages? The Literaturwerkstatt Berlin has developed a special method for this type of translation. First literal translations of all the poems into the three languages were prepared. On the basis of this material, and with an interpreter to aid the two poets translating each other, the language work could begin. Poets are surely the sharpest appraisers of other poets. It is an unusual aspect for them to translate a colleague in his or her presence. It is here that the charm and the adventure of the process lies. Over and over again they read the poems and then the translations out loud, and told the often intimate stories behind the words. In morphological and syntactic, phonetic and graphic maneuvers they reinvented what could not be transported, all with one goal in mind: the poem in the other language should not merely be an overpainting or a transcription, it should come as close as possible to the original in sound, form and content, making for a good poem in the target language. Such a daring process of linguistic archaeology requires the greatest possible degree of freedom to come off harmoniously. The excellence of these translations is also attested by the fact that the freedoms have been authorized by the authors themselves. Readers 10


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and listeners will be able to trace the ways in which the text and sound of the translated poem have changed with regard to the original in the effort to echo it as closely as possible in form and content. This book is intended as a beginning, encouraging readers and listeners on both sides of the Atlantic to take more of an interest in each other. In no other art than poetry is there so much to be discovered. Poetry is an autonomous art form, and as such it enters our consciousness only gradually. Every art has its own specific media which it develops. Poetry is an art of language couched in musical structures, in sounds and rhythms. It is only logical to read poems and hear them. On the two CDs the linguistic concert can be heard as a live-recorded performance at the poesiefestival berlin on 26th and 27th of June 2007 which presented a large, enthusiastic audience with the results of the FrenchEnglish-German translation workshop: a successful, fun and stimulating reVERSible. This book, produced in one manufacturing process, is being published trilingually and by two publishers simultaneously: Verlag das Wunderhorn in Heidelberg and Éditions du Noroît in Montreal. We would like to thank all those who helped make this unique project succeed: the authors who let themselves in for this aesthetic and personal adventure, the translators and interpreters without whose skills nothing would have been possible, and the publishers who placed their trust in us and in this process. Our special thanks go to the Hauptstadtkulturfonds, the Canadian Embassy, the Québec Government Office in Berlin, the Canada Council for the Arts / Conseil des Arts du Canada, the Conseil des arts et des lettres du Québec, the Goethe-Institut and the ministère des Relations internationales du Québec. Aurélie Maurin / Thomas Wohlfahrt

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Vorwort / Preface / Préface

Qui vient dans ma langue ? Y a-t-il une porte dans ta langue pour frapper à la chambre de ton cœur ? Orsolya Kalász Le présent volume réunit des poèmes qui n’ont jamais été lus ni entendus. Pas seulement parce que la poésie contemporaine canadienne et québécoise est à peu près inconnue en Allemagne, comme l’est la poésie germanophone au Canada et au Québec. À cette belle expérience de lecture et d’écoute s’ajoute le fait que des poètes et poétesses canadiens et québécois aient eu l’occasion de se rencontrer pour la première fois à Berlin et qu’ils aient pu visiter à loisir, avec leurs collègues allemands, l’atelier poétique des uns et des autres. En 2007, la Literaturwerkstatt de Berlin a invité 18 poètes venus des provinces anglophones du Canada et du Québec, d’Allemagne, de Suisse et d’Autriche, pour un atelier de traduction pendant le « poesiefestival berlin ». Pendant presque une semaine, cet atelier a consisté pour les auteurs à accompagner les traductions de leurs propres textes vers deux autres langues et en échange, à traduire dans leur propre langue des poèmes écrits dans deux langues étrangères. Comment se déroule cet atelier, quand les autres langues ne sont pas maîtrisées, ou seulement imparfaitement ? Pour ce type de traduction, la Literaturwerkstatt de Berlin a développé une méthode. Tout d’abord, des traductions interlinéaires de tous les poèmes sont effectuées dans les trois langues Sur cette base matérielle, et avec l’aide d’un interprète, permettant de surmonter les barrières linguistiques, le travail peut alors commencer. Les poètes entre eux sont certainement leurs meilleurs conseillers. Pourtant il est rare qu’ils traduisent un collègue en présence de celui-ci. C’est bien là que reposent toute l’aventure et l’attrait de ce procédé. Ils se sont lus plusieurs fois à haute voix les poèmes et leurs traductions, et se sont raconté les histoires souvent intimes qui sont derrière les mots. Grâce à des détours morphologiques et syntaxiques, phonétiques et graphiques, ils ont réinventé ce qui ne pouvait pas être transmis, pour parvenir au résultat suivant : que le poème dans l’autre langue ne soit pas seulement une transmission ou un repeint, mais qu’il s’approche autant que possible de l’original, par le son, la forme et le contenu, et qu’il devienne un bon poème dans la langue-cible. Un procédé aussi audacieux, telle une véritable archéologie linguistique, nécessite 12


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une très grande liberté de création pour pouvoir être développé avec cohérence. Les traductions de ce volume peuvent être qualifiées d’exceptionnelles, car les libertés sont prises en accord avec les auteurs eux-mêmes. Les lecteurs et auditeurs peuvent suivre les chemins pris par la traduction pour donner un écho de mots et de sons le plus proche possible de l’original. Ce volume veut être un début, et encourager les lecteurs et les auditeurs des deux côtés de l’Atlantique à une plus grande curiosité les uns pour les autres. Aucun autre art que la poésie ne propose autant de nouveautés à découvrir. La poésie est un art autonome et elle n’entre que progressivement en tant que telle dans nos consciences. La poésie est un art du langage, saisie dans des structures musicales ; dans des sons et des rythmes. Les poèmes veulent être lus et entendus. Le lecteur peut écouter le concert de vers qui a été gravé sur les deux CD, la performance qui, pendant le « poesiefestival berlin », le 26 et 27 juin 2007, a présenté à un vaste public enthousiaste les résultats du travail de l’atelier franco-germano-anglais : un atelier réVERSible réussi, gai et sensuel. Le présent volume, trilingue, résultat d’un procédé de fabrication unique, paraît simultanément chez deux éditeurs : Verlag das Wunderhorn à Heidelberg et les Éditions du Noroît à Montréal. Nous remercions toutes celles et ceux qui par leur aide ont rendu possible ce projet unique : les auteurs qui ont accepté cette aventure esthétique mais aussi humaine, les traducteurs et les interprètes sans la compétence desquels rien n’aurait pu réussir et les éditeurs, qui nous ont fait confiance et ont cru en cette approche singulière. Nous tenons à remercier aussi particulièrement le Hauptstadtkulturfonds, l’Ambassade du Canada, le Bureau du Québec à Berlin, le Canada Council for the Arts / Conseil des Arts du Canada, le Conseil des arts et des lettres du Québec, l’Institut Goethe et le ministère des Relations internationales du Québec. Aurélie Maurin / Thomas Wohlfahrt

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Nico Bleutge


Bleutge / Buffam / Brouillette

frottee undankbar seist du gewesen, sagte die stimme sagte kein laut und drückte sich langsam näher dicht an den körper heran, die haut ganz pelzig und kalt locker die hand, locker die falschen zähne der geruch eine wand, von wasser zerfressen, nicht genug der fuß, der sich nach außen reckte, einen bogen zog an was ich dachte, weiß ich nicht, aber ich sah die schlieren am fenster, das dünner werdende licht doch nicht gemerkt, wo sich die augen treffen und die knie das reißverschlußgeräusch, wenn hier die fetzen fliegen bin ich immer ruhig, geläutert fast, die arme, hände an der hosennaht. da hilft kein zittern, kein geheul kein vor die brust gestrecktes eisen. sandstrahler waren es die mir den rücken lösten, die gelenke knacken ließen gleich zu beginn, jetzt schon war nichts mehr zu spüren als wär ein vögelchen im innern, für momente taumeln torkeln, so flattrig, dann hinab. nur dieses tasten, kneten auf dem frotteetuch, das liegenbleiben, mit dem schweißgeruch, haare klebten an mir, ich fiel in tiefen schlaf ein tropfen weckte mich später, ging hinein in den kopf kein ton mehr, keine feuchtigkeit, die hände hielten still. luft kam vom fenster, mild, beinah verläßlich

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