Arktische R端ckkopplungen: Auswirkungen auf das globale Klima Zusammenfassung
W
ährend der letzten Jahrzehnte hat sich die Arktis etwa doppelt so schnell erwärmt wie der Rest der Welt. Der vom Menschen verursachte Klimawandel hat sich früher als erwartet auf die Arktis ausgewirkt und führt schon jetzt dazu, dass wichtige arktische Systeme aus dem Gleichgewicht geraten, wie zum Beispiel das Meereis, der Eisschild Grönlands, die Berggletscher sowie Aspekte des arktischen Kohlenstoffkreislaufs; hierzu zählen Änderungen der Verteilung von gefrorenem Boden und Vegetation sowie eine zunehmende Freisetzung von Methan aus Böden, Seen und Feuchtgebieten. Die Auswirkungen dieser Veränderungen auf die physikalischen und biologischen Systeme der Arktis sowie auf die dort lebenden Menschen sind groß und werden laut Projektionen noch über dieses Jahrhundert hinaus zunehmen. Das veränderte Klima in der Arktis ist nicht nur regional von Bedeutung, sondern es hat auch globale Auswirkungen. Die gefrorene Arktis hat für die nördliche Hemisphäre die Funktion eines Kühlschranks und spielt daher eine zentrale Rolle für die Regulierung des Klimasystems der Erde. Das globale Klimasystem wird durch eine Anzahl arktischer Rückkopplungseffekte entscheidend beeinflusst, und viele von ihnen verändern sich mittlerweile durch die rapide Erwärmung der Arktis. Mit wach„Mit wachsender Besorgnis stellt man sender Besorgnis stellt man immer mehr Anzeichen dafür fest, immer mehr Anzeichen dafür fest, dass dass diese Rückkopplungseffekte beginnen, die Erderwärmung diese Rückkopplungseffekte beginnen, wesentlich stärker zu beschleunigen, als dies noch in den Projektionen angenommen worden war, die den politischen Entdie Erderwärmung wesentlich scheidungsträgern derzeit vorliegen. Jüngste Beobachtungen stärker zu beschleunigen, als dies sprechen sehr dafür, dass einige Systeme aufgrund des Klimanoch in den bisherigen Projektionen wandels möglicherweise schon bald umkippen werden, und angenommen worden war.“ zwar mit globalen Folgen. Beispielsweise führt die zusätzliche Wärme, die das zunehmend eisfreie Polarmeer im Sommer absorbiert, bereits jetzt zu einer beschleunigten lokalen und regionalen Erwärmung und verhindert, dass sich das Meereis erholt. Auch wird befürchtet, dass arktische Rückkopplungseffekte die regionale oder globale Erwärmung so sehr verstärken könnten, dass es zu einer Veränderung weiterer klimatischer Rückkopplungseffekte käme. Während man die wichtige Rolle der Arktis für das weltweite Klimasystem längst erkannt hat, tragen jüngste Forschungen sehr zum Verständnis so wesentlicher Zusammenhänge wie beispielsweise der Wechselwirkung zwischen dem Polarmeer und der Atmosphäre bei. Gleichzeitig entwickeln sich die wissenschaftlichen Methoden zur Beurteilung der wachsenden regionalen und globalen Folgen der von der Arktis ausgehenden Klimabeeinflussung schnell weiter. Insgesamt vermitteln diese wachsenden Erkenntnisse eine immer klarere Vorstellung davon, wie die 2 Arktische Rückkopplungen: Auswirkungen auf das globale Klima
Klimaänderung in der Arktis und der globale Anstieg der Durchschnittstemperatur zusammenhängen, und bei welchem Ausmaß der Erderwärmung von einer gefährlichen Klimabeeinflussung durch den Menschen zu sprechen ist. Es ist das erklärte Ziel der Vertragsstaatenkonferenz der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC), eine solche Klimabeeinflussung zu vermeiden, indem die Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf dem dafür erforderlichen Niveau stabilisiert werden. Die globalen Auswirkungen, die die Klimaveränderungen in der Arktis jetzt schon haben, deuten darauf hin, dass dieses Ziel nur „Die globalen Auswirkungen, die die durch eine äußerst ehrgeizige Beschränkung der TreibhausgaskonzentKlimaveränderungen in der Arktis rationen zu erreichen ist. Hier zeigt sich die Notwendigkeit, unter stänjetzt schon haben, deuten darauf diger Einbindung neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse geeignete Grenzwerte festzulegen. hin, dass dieses Ziel nur durch eine
äußerst ehrgeizige Beschränkung
Die Klimaveränderungen in der Arktis wirken sich weltweit aus, indem der Treibhausgaskonzentrationen sie die Zirkulation innerhalb der Atmosphäre und der Ozeane verändern, die für die Wettermuster von Bedeutung ist; durch das vermehrte zu erreichen ist.“ Abschmelzen von Eisschilden und Gletschern, das den Meeresspiegel weltweit steigen lässt; und durch veränderte Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre infolge einer veränderten Freisetzung und Aufnahme von Kohlendioxid und Methan. Dieser Bericht zeigt umfassend und anhand neuester Erkenntnisse, warum und auf welche Weise die Klimaveränderungen in der Arktis die gesamte Welt betreffen und damit für die anstehenden politischen Entscheidungen in Bezug auf eine Verringerung der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre relevant sind. Insbesondere enthält der Bericht die jüngsten Erkenntnisse über wesentliche arktische Rückkopplungseffekte, die auf Jahrzehnte hinaus von globaler Bedeutung sein werden.
K
urz gesagt, wirken sich die Klimaveränderungen in der Arktis bereits jetzt auf wichtige Aspekte des globalen Klimasystems aus, die für zahlreiche Menschen von unmittelbarer Bedeutung sind. Diese Auswertung der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigt, dass der Klimawandel aufgrund zahlreicher arktischer Rückkopplungseffekte stärker ausfallen wird, als noch in anderen neueren Projektionen einschließlich der Einschätzung des IPCC aus dem Jahr 2007 angenommen worden war. Zwischen einigen dieser Rückkopplungseffekte könnte es sogar zu Wechselwirkungen kommen. Aktuelle Analysen der globalen Folgen der Veränderungen in der Arktis verdeutlichen die Notwendigkeit, die Schwellenwerte für einen gefährlichen Einfluss des Menschen auf das Klimasystem laufend kritisch zu überprüfen, und verlangen mehr Bestimmtheit und Einsatz im Hinblick auf das Ziel, diese Schwellenwerte durch eine ambitionierte globale Anstrengung zur Verringerung der Treibhausgasemissionen zu unterschreiten. Arktische Rückkopplungen: Auswirkungen auf das globale Klima 3
Die Klimaveränderungen in der Arktis Die arktischen Rückkopplungseffkte, die das Thema dieses Berichts sind, hängen mit den rapiden und dramatischen Klimaveränderungen in der Arktis zusammen. Zu den festgestellten einschneidenden Veränderungen gehören steigende Temperaturen, rasch schmelzendes Eis an Land und auf dem Meer sowie tauender Permafrost. Vor der Erörterung der arktischen Rückkopplungseffekte und ihrer globalen Auswirkungen auf das Klima werden diese Veränderungen im Folgenden zusammenfassend beschrieben.
Die Lufttemperaturen steigen
Anstieg der Jahrestemperatur 2001-2005 im Vergleich zu 1951-1980
In den vergangenen Jahrzehnten ist die Lufttemperatur in der Arktis fast doppelt so schnell gestiegen wie die globale Durchschnittstemperatur. Diese „arktische Verstärkung“ der globalen Erwärmung ist weitgehend darauf zurückzuführen, dass die Oberfläche durch den Verlust an Schnee und Eis, insbesondere an Meereis, weniger Sonnenlicht reflektiert. Das Jahr 2007 war in der Arktis das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Jüngste Forschungsergebnisse besagen, dass diese Erwärmung eindeutig vom Menschen verursacht ist. Auch die Niederschläge in der Arktis nehmen zu, und zwar stärker als im globalen Durchschnitt – eine erwartete Folge der vom Menschen verursachten Erwärmung.
Mittlere Abweichung der Oberflächentemperatur -0.8 -0.4 -0.2 0.2 0.4 0.8 1.2 1.6 2.1 Unzureichende Datengrundlage Quelle: Hansen, J., et al. Global Temperature Changes, Prot. Natl. Acad. Sci. 103, 2006.
Das Meereis geht zurück
Die Ausdehnung des Meereises hat stark abgenommen. Dies gilt für alle Jahreszeiten, insbesondere jedoch für den Sommer, und zwar in stärkerem Maße, als noch 2007 vom IPCC projiziert. Zwischen den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts und 2007 (dem Jahr mit der ausgeprägtesten sommerlichen Eisschmelze) ist die von Meereis bedeckte Fläche um fast 40 Prozent geschrumpft, und 2008 waren die Nordost- und die Nordwestpassage erstmals gleichzeitig eisfrei. Auch die Dicke des Meereises nimmt ab. Die Ausdehnung von dickem Eis, das Jahre übersteht (mehrjähriges Eis) hat allein zwischen 2004 und 2008 um 42 Prozent abgenommen. Das entspricht 1,5 Millionen Quadratkilometern oder etwa der Fläche Alaskas. Da das mehrjährige Eis durch junges Eis ersetzt wird, wird das Meereis der Arktis immer anfälliger für weiteres Schmelzen.
4 Arktische Rückkopplungen: Auswirkungen auf das globale Klima
Minimale Ausdehnung des arktischen Meereises im Sommer Millionen Quadratkilometer 10 8
IPCC Schätzung 6
Beobachtung 4 2 0 1900
PROJEKTION
1950
2000
Quelle: Max-Planck-Institut für Meeresbiologie
2050
2100
Das Eisschild Grönlands schmilzt
Änderung der Oberflächenschmelze
Der Verlust an Grönlandeis hat in den letzten Jahren zugenommen und vollzieht sich schneller als in Modellen berechnet. Der zunehmende Massenverlust ist offenbar weitgehend darauf zurückzuführen, dass die Gletscher schneller zum Meer fließen. Außerdem schmilzt die Oberfläche der Eisdecke immer mehr ab, wobei 2007 das Jahr mit der ausgeprägtesten Schmelze seit Beginn der Aufzeichnungen war. Die von der Oberflächenschmelze betroffene Fläche war um 60 Prozent größer als 1998, dem Jahr, in dem die zweitgrößte von der Schmelze betroffene Fläche verzeichnet wurde.
Grönland
Abweichende Dauer der Oberflächenschmelze 2007 im Vergleich zu 1973-2000
Quelle: AMAP, 2009.
Die Gletscher weichen immer mehr zurück
Massenbilanz der Gletscher Tausend Kilogramm pro Quadratmeter 5 0 -5 -10 -15 -20 -25 -30 -35 -40 1960
Arktis Europa Anden Hochgebirge Asiens Nordwesten der USA und Südwesten Kanadas Alaska und Küstengebirge Patagonien 1970
1980
1990
0 10 20 30 40 50 Tage
Ebenso wie im Rest der Welt ist auch in der Arktis ein Verlust an Gletschermasse zu verzeichnen. Projektionen zufolge werden einige Gletscher im Verlauf der nächsten Jahrzehnte vollkommen verschwinden. Besonders schnell schrumpfen die Gletscher in Alaska. Bis vor wenigen Jahren wurde für die skandinavischen Gletschermassen eine Zunahme gemeldet, und die Gletschermasse von Svalbard (Spitzbergen) wies eine ausgeglichene Nettobilanz auf, weil die sommerliche Schmelze in diesen Gebieten von den winterlichen Schneefällen stellenweise mehr als ausgeglichen wurde. In den vergangenen Jahren hat sich dieses Verhältnis umgekehrt, sodass inzwischen sowohl die skandinavischen als auch die Svalbard-Gletscher eindeutig an Masse verlieren.
2000 2003
Quelle: Dyurgerov and Meier, 2005.
Arktische Rückkopplungen: Auswirkungen auf das globale Klima 5
Oberflächentemperatur des Polarmeers
Die Ozeanoberfläche erwärmt sich
Temperatur in °C
Mit dem rapiden Zurückweichen des Meereises ist das Oberflächenwasser des Polarmeers in den letzten Jahren wärmer geworden, denn wo die Eisschicht fehlt, absorbiert das Wasser mehr Sonnenlicht. 2007 war das eisfreie Oberflächenwasser in einigen Gebieten 5°C wärmer als im langfristigen Durchschnitt. Auch der Zustrom von wärmerem Wasser aus Pazifik und Atlantik hat zur Erwärmung des Polarmeers beigetragen.
1.0 0.8 0.6 0.4 0.2 0 -0.2 -0.4 1985
1990
1995
2000
2005
2009
Quelle: NOAA, 2009.
Der Permafrost erwärmt sich und taut auf
Permafrost bei Deadhorse, Alaska
Temperaturen in 20 Metern Tiefe (°C) -6.3 -6.5 -6.7 -6.9 -7.1 -7.3 -7.5 -7.7 -7.9 -8.1 -8.3 1978 1980 1985 1990
1995
2000
2005 2008
Quelle: US climate impacts report, 2009.
Die Schneemenge und Eis auf Flüssen und Seen gehen zurück
Die Ausdehnung der Schneedecke ist weiter zurückgegangen und wird Projektionen zufolge noch mehr schrumpfen, obwohl für manche Gebiete ein vermehrter Schneefall im Winter erwartet wird. Die Verlängerung der schneefreien Periode trägt erheblich zur lokalen Erwärmung der Atmosphäre bei, denn während dieser Zeit reflektiert die Oberfläche weniger Sonnenlicht. Bei Flüssen und Seen sind immer längere eisfreie Perioden zu beobachten. Das zeigt sich vor allem daran, dass das Eis früher im Jahr aufbricht.
Die Randbereiche des Permafrosts erwärmen sich immer mehr und tauen entsprechend auf. In vielen Gebieten reicht die aktive Schicht, die in der warmen Jahreszeit auftaut, immer tiefer. Der Rückgang des Permafrosts hat erhebliche Folgen für Feuchtgebiete. Projektionen zeigen ausgedehnte Verluste an Seen und Feuchtgebieten selbst in Zonen, in denen zuvor ununterbrochen Permafrost herrschte.
Anomalien der Schneebedeckung der Nordhemisphäre Millionen Quadratkilometer 4 3 2 1 0 -1 -2 -3
1965
1970
1975
6 Arktische Rückkopplungen: Auswirkungen auf das globale Klima
1980
1985
1990 1995
2000 2005 2008
Quelle: GSL, Rutger University, 2009
Die wesentlichen Ergebnisse dieser Studie
■■ Die im globalen Vergleich besonders ausgeprägte Erwärmung
in der Arktis wird grundlegende Auswirkungen auf das Wetter und das Klima der nördlichen Hemisphäre haben. (Abschnitt 1, Rückkopplungseffekte im Zusammenhang mit der Zirkulation der Atmosphäre)
■■ Der Verlust an Meereis verstärkt die Erwärmung. Bereits jetzt und damit früher als erwartet führt der Rückgang der von Meereis bedeckten Fläche zu einer verstärkten Erwärmung in der Arktis. Bei einem weiteren Zurückweichen der Eisfläche in den kommenden Jahrzehnten wird sich dieser Verstärkungseffekt noch mehr ausprägen. ■■ Die verstärkte Erwärmung betrifft auch die Landmassen. Die verstärkte Erwärmung der Atmosphäre in der Arktis wird voraussichtlich auch die Landgebiete hoher Breiten betreffen und damit den Rückgang des Permafrosts beschleunigen. Dadurch werden Treibhausgase, die noch in den gefrorenen Böden eingeschlossen sind, vermehrt freigesetzt und bewirken eine weitere arktische und globale Erwärmung.
Anomalien der arktischen Lufttemperaturen Juli August September Oktober November Dezember Januar Februar März April Mai 1990
2000
-2 0 2 4 6 8 10 12 14
2020
2040
2060
2080
2100
°C Quelle: NCAR Community Climate System Model
■■ Es kommt zu veränderten Wettermustern. Die zusätzliche Erwärmung in der Arktis wird die Wettermuster in der Arktis und darüber hinaus beeinflussen, da sie den Temperaturgradienten und die Zirkulationsmuster innerhalb der Atmosphäre verändert. Sie kann auch die Temperaturverteilung und die Niederschlagsmuster in Europa und Nordamerika beeinflussen. Diese Veränderungen haben Folgen für die Land- und Forstwirtschaft sowie für die Verfügbarkeit von Wasser.
Arktische Rückkopplungen: Auswirkungen auf das globale Klima 7
■■ Unter dem starken Einfluss der arktischen Erwärmung wird sich
die globale Ozeanzirkulation verändern.
(Abschnitt 2, Rückkopplungseffekte im Zusammenhang mit der Ozeanzirkulation)
■■ Eine veränderte Zirkulation der Ozeane betrifft auch den Menschen. Seien es dramatische Klimawechsel oder Klimafluktuationen im Verlauf von Jahrzehnten: Die Ozeane bestimmen das sich wandelnde Klima der Erde mit. ■■ Eine sich wandelnde Arktis kann die Zirkulation der Ozeane global verändern. Veränderungen in der Arktis können Veränderungen der globalen Ozeanzirkulation verursachen, weil das Polarmeer über die ozeanische Zirkulation unmittelbar mit den übrigen Ozeanen verbunden ist, aber auch weil die resultierenden Veränderungen in der Atmosphäre sich auf die Ozeane außerhalb der Arktis auswirken.
Potenzielle Dichte des Wassers der Labradorsee in einer Tiefe von 200-800 m Kilogramm pro Kubikmeter 27.76 27.74 27.72 27.70 27.68 27.66 -300
R La icht br un ad g or
■■ Die Verbindungen des Polarmeers verändern sich. R 0 Gr ichtu Das Polarmeer ist über Atlantik und Pazifik mit allen anderen ön ng lan 2004 2002 d Weltmeeren verbunden. Im vergangenen Jahrzehnt hat sich 1998 2000 1996 1994 der Wasserzustrom aus Atlantik und aus Pazifik erwärmt. Km 300 1992 1990 Quelle: Yashayaev, I., 2007. Durch die Eisschmelze sowie durch vermehrte Niederschläge und einen größeren Zustrom aus den Flüssen gelangt zwar inzwischen mehr Süßwasser in das Polarmeer, jedoch gibt es bislang nur wenige Hinweise auf einen erhöhten Süßwasserabfluss aus der Arktis. Veränderungen der Temperatur und des Salzgehalts sowie ihre Auswirkungen auf die Dichte verändern potenziell die Stärke der globalen Ozeanzirkulation und geben daher Anlass zur Sorge. ■■ Auch wenn sich die globale Ozeanzirkulation nicht abrupt verändern wird, wird noch in diesem Jahrhundert eine erhebliche Veränderung stattfinden. Es gibt nur wenige Anzeichen dafür, dass bereits Änderungen in der globalen Wasserzirkulation stattfinden. Wahrscheinlich ist jedoch, dass die Zirkulationsstärke sich zukünftig ändern wird. Diese Einschätzung bestätigt die IPCC-Projektion von 2007, dass sich die Zirkulationsstärke bis 2100 um durchschnittlich 25 Prozent abgeschwächt haben wird. ■■ Nicht nur eine veränderte Stärke der Ozeanzirkulation hat Folgen für den Menschen, sondern auch ein veränderter Verlauf der Meeresströmungen. Diese Studie weist auf die Möglichkeit hin, dass die Meeresströme im Nordatlantik ihren Verlauf ändern. Die verschiedenen Meeresströmungen haben unterschiedliche Wassereigenschaften und sind für unterschiedliche Ökosysteme von Bedeutung. Daher hat es Auswirkungen auf die Fischerei und auch auf andere marine Ressourcen, wenn sich der Strömungsverlauf der Ozeanzirkulation ändert.
8 Arktische Rückkopplungen: Auswirkungen auf das globale Klima
■■ Der Verlust an Grönlandeis hat zugenommen und wird wesentlich
dazu beitragen, dass der Meeresspiegel weltweit steigt.
(Abschnitt 3, Rückkopplungseffekte im Zusammenhang mit den Eisschilden und dem Anstieg des Meeresspiegels)
■■ Der Meeresspiegel steigt immer rascher an. Während der vergangenen 50 Jahre ist der Meeresspiegel angestiegen und das Tempo dieses Anstiegs hat sich beschleunigt. In den letzten 15 Jahren ist der Meeresspiegel etwa doppelt so schnell angestiegen wie in den vorangegangenen Jahrzehnten. ■■ Die temperaturbedingte Ausdehnung des Wassers und das Abschmelzen des Festlandeises lassen den Meeresspiegel steigen. Hauptursachen für den steigenden Meeresspiegel sind die Erwärmung der Ozeane sowie die vermehrte Wasserzufuhr aus schmelzenden Gletschern und Eisschilden. In den vergangenen 15 Jahren haben die temperaturbedingte Ausdehnung, die Gletscherschmelze und der Massenverlust der Eisschilde jeweils zu etwa einem Drittel zu dem beobachteten Anstieg des Meeresspiegels beigetragen.
Globaler Meeresspiegel Meter 1.2
in der Vergangenheit
in der Zukunft
1.0 Neue Schätzungen
0.8 0.6 0.4 0.2 0
IPCC 2007
-0.2 1800
1850
1900
1950
2000
2050
2100
Quelle: Cazenave, A.; dieser Bericht
■■ Die Eisschilde schmelzen. Die Eisschilde in Grönland und der Antarktis schmelzen schneller als erwartet und entlassen ihr Schmelzwasser ins Meer. Die Abschmelzgeschwindigkeit ist klimaabhängig und nimmt durch die Erwärmung des Landes und der Meere zu. ■■ Das Schmelzen der Eisschilde wird der Hauptfaktor für einen zukünftigen Anstieg des Meeresspiegels sein. Bei fortschreitender Erwärmung wird sich Projektionen zufolge das Schmelzen der Eisschilde unumkehrbar fortsetzen und bis weit in die Zukunft, lange nach diesem Jahrhundert, als Hauptfaktor für den Anstieg des Meeresspiegels verantwortlich sein. ■■ Der Meeresspiegel wird stärker als erwartet ansteigen. Bis 2100 wird der Meeresspiegel um mehr als einen Meter ansteigen. Dies übertrifft die bisherigen Erwartungen und wird hauptsächlich durch den zunehmenden Massenverlust der Eisschilde verursacht. Der Meeresspiegel wird nicht überall gleich stark steigen. Weltweit sind niedrig gelegene Küstengebiete am stärksten gefährdet.
Arktische Rückkopplungen: Auswirkungen auf das globale Klima 9
■■ Noch dienen die marinen Systeme der Arktis als bedeutende
Kohlenstoffsenke; ob dies auch weiterhin möglich ist, hängt entscheidend von den Auswirkungen der arktischen Klimaänderungen auf das Eis, die Süßwasserzufuhr und den Säuregehalt des Meerwassers ab. (Abschnitt 4, Rückkopplungseffekte im Zusammenhang mit dem marinen Kohlenstoffkreislauf) ■■ Das Polarmeer ist als Kohlenstoffsenke von globaler Bedeutung. Das Polarmeer spielt für die Welt eine wichtige Rolle als Nettosenke für Kohlendioxid, das es aus der Atmosphäre aufnimmt. Auf das Polarmeer entfallen 5 bis 14 Prozent der Nettoaufnahme von Kohlendioxid durch alle Ozeane zusammen. ■■ Laut Projektionen wird das Polarmeer kurzzeitig vermehrt Kohlenstoff aufnehmen. Man erwartet, dass ein weiterer Verlust an Meereis, eine schnellere Vermehrung des Phytoplanktons und weitere ökologische und physikalische Veränderungen zunächst dazu führen werden, dass sich die Nettoaufnahme von Kohlendioxid durch das Oberflächenwasser der Arktis begrenzt erhöht. ■■ Langfristig wird jedoch eine Nettofreisetzung von Kohlenstoff erwartet. Dadurch, dass aus den umgebenden Landmassen große Kohlenstoffvorräte freigesetzt werden und über die Flüsse in das Polarmeer gelangen, kann sich der kurzzeitige Trend umkehren, was für die kommenden Jahrhunderte zu einem Nettoanstieg des aus diesen Systemen in die Atmosphäre gelangenden Kohlendioxids führen würde.
Aufnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre Gigatonnen Kohlenstoff pro Jahr 0.150
Polarmeer 0.125 Neue Studien 0.100
Ältere Studien
0.075
Barentsee Chukchisee Kanadischer Archipel
0.050
Zentralbecken Ostsibirische See
0.025
Karasee Laptevsee Beaufortsee
0 Quelle: Bates, N.; dieser Bericht
■■ Der marine Kohlenstoffkreislauf der Arktis reagiert sehr empfindlich auf Klimaveränderungen. Der marine Kohlenstoffkreislauf der Arktis und der Kohlendioxid-Austausch zwischen dem Ozean und der Atmosphäre reagieren besonders empfindlich auf Klimaänderungen. Die Aufnahme und weitere Verarbeitung von Kohlendioxid hängen stark von physikalischen und biologischen Prozessen wie beispielsweise von der Fläche des Meereises, dem jahreszeitlich bedingten Wachstum pflanzlicher Meeresorganismen wie Phytoplankton, dem Säuregehalt und der Zirkulation der Ozeane sowie von Temperatureffekten und dem Zustrom aus den Flüssen ab. Da diese ihrerseits von den Auswirkungen des Klimawandels beeinflusst werden, sind sichere Prognosen schwer zu treffen.
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■■ Die Ökosysteme der arktischen Landmassen werden weiterhin
Kohlenstoff aufnehmen, aber die Erwärmung sowie Veränderungen der Bodenfeuchtigkeit werden zu einer weit größeren Freisetzung von Kohlenstoff führen. (Abschnitt 5, Rückkopplungseffekte im Zusammenhang mit dem Kohlenstoffkreislauf an Land)
Globale Kohlenstoffspeicher in Böden
Kilogramm pro Quadratmeter 0,1 to 5 5,1 to 10 10,1 to 15 15,1 to 30 Über 30
Quellen: World Resources Institute 2000; after Bajtes 1996.
■■ Die arktischen Landmassen speichern große Mengen an Kohlenstoff. In den Regionen des nördlichen Polarkreises einschließlich der arktischen Böden und Feuchtgebiete ist doppelt so viel Kohlenstoff gespeichert wie in der Atmosphäre enthalten ist. ■■ Infolge der Erwärmung gelangen immer mehr Kohlenstoff und Methan in die Atmosphäre. Bereits jetzt führt die Erwärmung in der Arktis zur vermehrten Emission von Kohlendioxid und Methan. Der aus den tauenden Böden freigesetzte Kohlenstoff ist zum überwiegenden Teil tausende von Jahren alt, was auf eine bereits erfolgte Zersetzung des alten organischen Materials in diesen Böden hinweist. ■■ Die Kohlenstoffaufnahme durch die Vegetation nimmt zu. Längere Wachstumsperioden und die langsame Ausbreitung holziger Vegetation in Richtung Norden führen in den nördlichen Regionen zu verstärktem Pflanzenwachstum und vermehrter Speicherung von Kohlenstoff. ■■ Bei fortschreitender Erwärmung wird mehr Kohlenstoff freigesetzt als absorbiert. Zukünftig wird in der Arktis mehr Kohlenstoff in die Atmosphäre gelangen als gespeichert wird, und wegen des veränderten Landschaftsbilds wird mehr Sonnenlicht absorbiert werden, was den Klimawandel weiter beschleunigt.
Arktische Rückkopplungen: Auswirkungen auf das globale Klima 11
■■ Der Rückgang des submarinen Permafrosts in der Arktis führt
schon jetzt zur Freisetzung von Methan aus dem riesigen gefrorenen Kohlenstoffspeicher unter dem Meer. Diese wird den Erwartungen zufolge bei einer weiteren Erwärmung noch zunehmen. (Abschnitt 6, Rückkopplungseffekte im Zusammenhang mit Methanhydrat) ■■ In der Arktis lagern große Mengen von Methan in Form von gefrorenem Methanhydrat. Methan ist ein starkes Treibhausgas. In den ozeanischen Sedimenten und im Permafrost liegen große Mengen Methan als gefrorenes Methanhydrat vor. Es ist mehr Kohlenstoff in Methanhydrat gespeichert als in allen nachgewiesenen Kohle-, Öl- und Erdgasvorräten der Welt.
Das ostsibirische arktische Schelf, der am stärksten gefährdete Teil des arktischen Schelfs
■■ Die Kontinentalschelfe enthalten den größten Teil dieses Hydrats. Methanhydrat ist größtenteils in den Kontinentalschelfen gespeichert, insbesondere in der Arktis, wo es im submarinen Permafrost und darunter lagert. Die Stabilität der arktischen Hydrate hängt vom Permafrost ab; sie werden daher instabil, wenn der submarine Permafrost taut. ■■ Schon heute wird aus dem tauenden submarinen Permafrost Methan freigesetzt. Die derzeitigen Temperaturen in der Arktis lassen den submarinen Permafrost tauen. In getautem Permafrost sind die abgelagerten Hydrate nicht mehr sicher eingeschlossen, sodass Methan in großen Mengen in das Meerwasser freigesetzt wird. Wegen der in weiten Teilen geringen Wassertiefe der arktischen Schelfe gelangt ein großer Teil des Methans in die Atmosphäre, ohne dass es zu Kohlendioxid oxidiert worden ist. Bislang ist nicht bekannt, inwieweit diese Freisetzung derzeit zum Methangehalt der globalen Atmosphäre beiträgt. Methan ist als Treibhausgas etwa 25 Mal so wirksam wie Kohlendioxid.
Berechnete Hydratvorkommen
■■ Wenn Hydrate instabil werden, vergrößert sich ihr Volumen. Wenn Methanhydrat instabil wird, kommt es zudem zu einer enormen Volumenzunahme des enthaltenen Methans. Daraus resultiert ein sehr hoher Druck, der zu abrupten Methanausbrüchen führen kann. ■■ Die Hydrate des ostsibirischen Schelfs sind am stärksten gefährdet. Die Methanablagerungen im ostsibirischen Schelf sind am größten und am flachsten gelegen und daher am stärksten gefährdet. Über diesem Schelf ist eine vermehrte Methanemission beobachtet worden, ohne dass bisher jedoch bekannt ist, ob diese der arktischen Erwärmung zuzuschreiben ist.
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Wassertiefe < 50 m Quelle: Jacobsen et al, 2004.
ARKTISCHE RÜCKKOPPLUNGSFAKTOREN: AUSWIRKUNGEN AUF DAS GLOBALE KLIMA Martin Sommerkorn & Susan Joy Hassol, Redaktion Mit Beiträgen von: Mark C. Serreze & Julienne Stroeve Cecilie Mauritzen Anny Cazenave & Eric Rignot Nicolas R. Bates Josep Canadell & Michael Raupach Natalia Shakhova & Igor Semiletov Rezension: David Carlson Robert Corell Herausgegeben vom: WWF International Arctic Programme August 2009 Kartografie: GRID Arendal, Riccardo Pravettoni in Zusammenarbeit mit Laura Margueritte Redaktionsassistenz: Marta Darby Titelbild: Staffan Widstrand Gestaltung: Ketill Berger, Film & Form