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WO ÖSTERREICHS BIERSZENE WELTKLASSE IST

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Zeichenerklärung

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BIERKULTUR

DIE WAHRE BEDEUTUNG VON 5 KRÜGELN

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WO ÖSTERREICHS BIERSZENE WELTKLASSE IST

ÖSTERREICHS BRAUWIRTSCHAFT ist zu Recht stolz auf die Bierszene unseres Landes: 9,85 Millionen Hektoliter wurden im Jahr 2021 gebraut — mehr als eineinhalb Millionen Hektoliter davon wurden exportiert. Das sorgt für einen guten Ruf unseres Landes. So gibt es in Chicago die sehr empfehlenswerte Bierbar „The Map Room“ — wo seit langer Zeit das Salzburger StieglBier das meistverkaufte Bier darstellt. In New York kann man gelegentlich Hofstettner Bier finden, in Sao Paolo Edelweiss. In Deutschland hält man inzwischen Radler für eine österreichische Erfindung, in den Niederlanden sowieso.

Man sieht: Der Bierwelt tun Exporte gut — und natürlich umgekehrt Importe. Dass heute mehr als 300 Brauereiunternehmen in Österreich tätig sind, hat auch damit zu tun, dass sich Österreich früher als viele andere Länder für damals als exotisch empfundene Biere geöffnet hat. Witbier zum Beispiel: Dieses belgische Weizenbier musste man vor 20 Jahren in Österreich noch suchen. Dann wurde es mutig importiert — und inzwischen gibt es mehrere rot-weiß-rote Brauereien, die ein Wit brauen. Und dasselbe gilt für viele andere Bierstile. Der Bierguide hat diese Entwicklung stets begleitet — jedes Jahr werden Dutzende neue in Österreich gebraute Biere vorgestellt, viele davon nach Rezepten, die man allenfalls aus dem Ausland gekannt hat. Aber inzwischen sind Ales und Stouts, belgische Biere aller denkbaren Stärken und baltische Porter in österreichischen Sudkesseln heimisch geworden und stellen sich selbstbewusst der internationalen Konkurrenz.

DIESER GUIDE IST ABER IM KERN EIN LOKALFÜHRER: Mehr als 240 Gastronomen und Brauer haben in den vergangenen Jahren in der einen oder anderen Kategorie eine Auszeichnung als „Bierlokal des Jahres“ bekommen — und manchmal bekommen wir die Frage, warum nicht das allseits beliebte Schweizerhaus die Auszeichnung als Biergarten des Jahres bekommen hat. Die einfache Antwort: Weil es bereits im Jahr 2000 Biergarten des Jahres war — und ein Betrieb nicht zweimal als „Lokal des Jahres“ ausgezeichnet wird. Es sei denn, er würde sich komplett ändern. Aber das wollen wir gerade beim Schweizerhaus nicht hoffen — dieses wird stets so behutsam erneuert, dass es den Gästen kaum auffällt. Es ist, wie der legendäre Wiener Bürgermeister Helmut Zilk einmal gesagt hat, „der schönste böhmische Biergarten der Welt“ — weltberühmt für das bestens gezapfte Budweiser. Man könnte fast vergessen, dass auf der Karte immerhin noch 17 andere Biere — von der Erdinger Weisse bis zum Nicobar IPA stehen.

DAS IST WELTKLASSE. In dieser Klasse spielen nur 47 österreichische Betriebe, die mit den berühmtesten und besten Bierbars und Biergärten der Welt verglichen werden können. Diese werden im Bierguide mit fünf Krügeln ausgezeichnet — und oft erreicht uns die Frage, ob nicht dieser oder jene andere Betrieb auch top ist oder ob ein Betrieb mit drei Krügeln wesentlich schlechter ist als einer mit fünf Krügeln. Nein, keineswegs. Wie in der Legende auf Seite 4 nachzulesen, spielt ein Lokal mit drei Krügeln in derselben Kategorie wie das berühmte Hofbräuhaus am Platzl in München. Wer als Biertrinker nach München kommt, wird wohl mindestens einmal im Leben im Hofbräuhaus sein wollen. Aber wer in München ein Bierlokal internationalen Zuschnitts sucht, wird sich wohl eher ins Tap House Munich begeben — das ist moderner und bietet mehr Auswahl. Wer dort allerdings bayrische Folklore und Münchner Lokalcolorit sucht, wird im Tap House enttäuscht werden. Das also sind die 47 Lokale, denen internationale Bedeutung zukommt:

BEGINNEN WIR MIT DEN BREWPUBS UND TAPROOMS. Hier ist zuvorderst das Siebensternbräu in der Wiener Sie-

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bensterngasse zu nennen. Es hat schon in den 1990er-Jahren die ersten Schritte weg vom biederen Gasthausbrauerei-Konzept gemacht — hier gab es das erste Chili-Bier und die ersten Pale Ales amerikanischen Zuschnitts. Noch amerikanischer zeigte sich kurz darauf die 1516 Brewing Company, die seit über 20 Jahren verlässlich alle paar Monate eine Bierinnovation präsentiert. Dasselbe Konzept verfolgt die Beaver Brewing Company, die ein Treffpunkt amerikanischer Expats geworden ist. Inzwischen hat die Idee auch in den Bundesländern mit jeweils unterschiedlichen Ausprägungen an Boden gewonnen. In Kärnten ist aus dem Gasthaus Edelweiss in Kötschach-Mauthen, das 2011 mit seiner kleinen Brauanlage Kärntner Bierlokal des Jahres war, das Hotel und Brewpub Loncium geworden. In Steinbach am Attersee schmiedet Mario Scheckenberger in seiner Bierschmiede Geschmack ins Bier, in Hof bei Salzburg hat Reini Barta mit dem Brauhaus Gusswerk einen Taproom, in dem man gut nachvollziehen kann, warum seine Biere auch große Exporterfolge feiern. Mehr auf das regionale Publikum fokussiert, aber ebenso der Vielfalt verpflichtet, ist die Bierbotschaft Herzog im Steirischen Wundschuh und das Brauhaus Breznik im Kärntner Bleiburg.

Wobei das Brauhaus Breznik viel mehr ist als bloß der Ausschank einer Kleinbrauerei: Hier kommen Hotel- und Restaurantbetrieb zusammen, hier werden auch Biere anderer Brauereien ausgeschenkt. Diese selbstbewusste Haltung, eigene Biere neben fremde zu stellen und die Gäste wählen zu lassen, hat in den vergangenen Jahren immer mehr Zuspruch bekommen — zunächst im Hofbräu Kaltenhausen, wo es neben den im Bräustüberl gebrauten Bieren schon seit vielen Jahren auch andere Biere aus dem Konzern der BrauUnion gegeben hat. Bei der Kaltenhausener Botschaft, dem Brauhof Wien-Fünfhaus, wird das in noch größerem Stil mit internationalen Craftbieren betrieben.

Die Kärntner Bierkultur wird durch Uli Bachers Gartenrast mit einer klugen Palette aus importierten Bieren und seinem auf dem Nachbargrundstück gebrauten Shilling-Bier belebt. Ähnliches Selbstbewusstsein zeigt die Aviva Alm im Mühlviertel, an die eine eigene Brauerei angeschlossen ist, die ihre Auszeichnung als Oberösterreichs Bierlokal des Jahres 2021 und ihre fünf Krügel vor allem wegen ihres umfangreichen Angebots an verschiedenartigen Bierstilen bekommen hat. Ähnlich, wenn auch in weitaus größerer Dimension, ist die Freistädter Brauerei unterwegs, deren Freistädter Brauhaus nicht nur Taproom und Brauereirestaurant ist, sondern ebenfalls „fremde“ Biere ins Programm nimmt. Und Manfed Bachmann, der seit vielen Jahren die sehr bierige Pension Wulfenia im Vorarlberger Gargellen führt, reiht sich neuerdings in diese Gruppe ein: Er ergänzt seine imposante Bierkarte um eigene Kreationen aus der brandneuen Cerveceria Riohombre.

OHNE DIE IRISH PUBS gäbe es die Biervielfalt, die wir heute gewohnt sind, nicht. Natürlich denkt man bei Irish Pubs zunächst einmal an Guinness, aber das ist nur ein Teil der Geschichte: Geht man etwa ins Flanagans in Wien, so findet man hinter der breiten Bar nicht nur freundliches Personal, sondern eine erstaunliche stilistische Vielfalt — heimische Biere inklusive. Denn natürlich haben auch die österreichischen Großbrauereien erkannt, dass Irish Pubs ein bieraffines Publikum für einige Stunden „Irland-Urlaub“ anziehen, dass aber längst nicht alle ein Stout trinken wollen. Konkurrenz belebt also das Geschäft auch hier. Denselben Effekt gibt es im Flan O‘ Brien in Graz und dem viel kleineren Old Dubliner am Linzer Hauptplatz. Und in der Long Hall, die im Vorjahr Wiener Bierlokal des Jahres war, ist man noch einen Schritt weiter gegangen, indem man das Lokal trotz klar erkennbaren irischen Einschlags als „International Pub“ deklariert hat — was etwa die Freiheit gibt, belgisches Leffe gleichberechtigt neben irischem Guinness auszuschenken.

Apropos belgisches Bier: Die Vielfalt der belgischen Szene hat auch auf die österreichische Gastronomie-Landschaft abgefärbt. Vorreiter dafür war das kleine Känguruh, eine Bierbar in der Wiener Bürgerspitalgasse, die eine der besten belgischen Bierkarten Europas aufweist, aber auch viele heimische Craftbiere führt. Geradezu sensationell ist die belgisch-niederländische Bierauswahl im Gasthaus Wulz — da im Hintergrund ein Bierhandel mit vielen Benelux-Eigenimporten steht, können die Bierfreunde besonders viele Biere probieren. Von Salzburg aus haben zwei belgische Bierfreunde mit dem Alchimiste Belge etliche Impulse gesetzt: In der Folge ist in Wien das Ammutsøn mit seiner beachtlichen Auswahl belgischer Sauerbiere und internationaler Craftbiere im vorwiegend belgischen Stil entstanden und in Innsbruck das Tribaun, das allerdings einen breiteren Bereich abdeckt und zum breiten Flaschenbierangebot aus Belgien auch Craftbiere aus anderen Ländern an die vielen Zapfhähne hängt.

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DIE WAHRE BEDEUTUNG VON 5 KRÜGELN

WOMIT WIR BEI DEN MULTI-TAP-BARS WÄREN, also jenen Lokalen, die wegen des breiten (Fass-)Bierangebots ihre fünf Krügel verdient haben. Das vielleicht typischste Lokal dieser Richtung ist Mel’s Craft Beer Diner in der Wiener City, wo erstmals der Fokus auf internationale Vielfalt im Craftbierbereich gelegt wurde und gelegentlich auch Abende mit besonderem Schwerpunkt stattfinden. Solche Konzepte eignen sich besonders, um der wachsenden Gruppe von Beer-Geeks, die ohne jegliche Bindung an eine Marke Genuss suchen, immer wieder etwas Neues bieten zu können.

Auch das Grazer Thirsty Heart hat sich mit der Vielfalt an Craftbieren fünf Krügel verdient, ganz in der Nähe ist das Brot& Spiele mit einer Vielfalt mehr konventioneller Biere und schon 2005 als Steirisches Bierlokal des Jahres ausgezeichnet wurde. In Anif bei Salzburg findet man ein ähnlich durchdachtes Programm in der Friesacher Einkehr. In Wien haben sich das Hawidere und der Stadtboden (heuer das Wiener Bierlokal des Jahres) durch konsequente internationale Angebote ihr fünftes Krügel verdient — in Vorarlberg hat das der Goldene Hirschen mit seiner Bregenzer Bierbar ähnlich toll gelöst. Die Craftmühle by Zips bietet etwas weniger Auswahl, dafür gibt es aber immer wieder neue (anderswo nicht erhältliche) Biere — und das in einer der besten „bierigen“ Inszenierungen Österreichs. Ebenfalls „klein, aber fein“ ist die Auswahl im Hopfen&Soehne in Eisenstadt, dem einzigen burgenländischen Fünf-Krügel-Lokal. Zur selben Klasse zählt auch der Schwechaterhof in Steyr: Das ist an und für sich ein solides bürgerliches Gasthaus — und schon der Name sagt, dass es traditionell Schwechater Bier ausschenkt, was für ein Lokal westlich der Enns ohnehin schon recht ungewöhnlich ist. Aber es ist eben nicht nur Schwechater. Der Chef ist Biersommelier und setzt immer wieder weitere Biere — vom Fass und noch mehr aus der Flasche — auf die Karte. Ebenfalls in Oberösterreich ist Foxis Schlosstaverne, die eben nicht nur das Bier aus der Braucommune Freistadt anbietet, sondern eine breit aufgestellte Bierkarte hat.

Am intensivsten wird das Konzept der Biervielfalt wohl von Karl Schiffner gelebt: Der erste Weltmeister der Biersommeliers hat in seinem Biergasthaus Schiffner in Aigen im Mühlkreis seit mehr als drei Jahrzehnten eine weltweit wohl einzigartige Bierkompetenz aufgebaut: Er bietet nicht nur Bierraritäten an, sondern liefert die Expertise dazu gleich mit. Beer&Food-Pairings gleich inklusive. Rare Biere (und eine ebenso bierorientierte Küche) sind auch der Schwerpunkt von Karl Zuser im Biergasthof Riedberg in Ried in Innkreis. Einen Raritätenkeller findet man unter dem Bierhotel Ranklleiten bei Pettenbach, an das zudem ein beachtliches Bierflaschen-Museum angeschlossen ist.

GEMEINSAM IST DIESEN BETRIEBEN auch, dass hier mit großem Sachverstand Küche und Keller zusammengeführt werden. Das kann man auch erwarten, wenn man im Niederösterreichischen Strasshof in das neuerlich ausgebaute Zündwerk kommt — oder wenn man in der Wachau (wohlgemerkt am rechten, südseitigen Ufer der Donau) zum Gasthaus Stumper (NÖ Bierlokal des Jahres 2021, heuer erstmals mit fünf Krügeln) fährt. Ein sehr früher Vertreter dieser Lokalphilosophie war Severin Weber, der Mitte der Nullerjahre mitten in der Weinbauregion Falkenstein seine Genusswerkstatt Sieben:Schläfer auf Bier hin orientiert hat. Jedes Jahr gibt es neue Biere und neue Gerichte auf seiner Karte zu entdecken. Ganz ähnlich — aber auch noch mit einer fast kitschig-schönen Übernachtungsmöglichkeit — macht es das Romantikhotel Bergergut in Afiesl, wo Kulinarik und Bier engstens verwoben sind.

Besonders hervorzuheben in dieser Gruppe ist das Schmid’s Burger & Craft Beer in Krems. Anders als der Name suggeriert, bietet die Küche im Schmid’s viel mehr als Burger und die fachliche Kompetenz der Biersommeliere hier ist legendär. Unnötig zu erwähnen, dass die bierige Atmosphäre hier auch zum Besten gehört, was es in der Bierwelt (und nicht nur in der österreichischen Bierwelt) gibt.

DIE ATMOSPHÄRE ist schließlich das, was ein hervorragendes Bierlokal zu einem Top-Bierlokal macht: Fünf Krügel gibt es nur für Betriebe, die nicht nur gutes Bier perfekt ausschenken, sondern die die Bierpflege auch im Gesamtkonzept des Lokals spüren lassen. Das Fischerbräu in Wien, mit dem Gründungsjahr 1985 die erste Wiener Gasthofbrauerei, hat das vom ersten Tag bis heute gut hinbekommen (unabhängig davon, dass dort auch gebraut wird) und auch Die Weisse in Salzburg punktet mit bieriger Atmosphäre, noch ehe man eines der guten im Haus gebrauten Biere gekostet hat. Dasselbe gilt für das Pöstlingberg-Schlössl in Linz und die Wiener Biergärten im Zattl und im schon erwähnten Schweizerhaus.

MOUNTAIN COLD REFRESHMENT

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