Das Licht der Buchstaben (oder das Gleichnis vom S채mann im 21. Jahrhundert) Axinia D탑urova, Vassja Velinova
Bulgarien, Großmähren und Byzanz im 9. Jh.
Elf Jahrhunderte und ein halbes liegen zwischen uns und der Schaffung des slawischen Alphabets. In der Mitte des 9. Jahrhunderts sagte ihr Schöpfer Konstantin– Kyrill der Philosoph († 869) die emblematischen Worte: “Völker ohne Bücher sind nackt.” Damit drückte er seine tiefe Überzeugung von der Notwendigkeit geistiger Bildung und der Bedeutung des geschriebenen Wortes für das Überleben einzelner ethnischer Gruppen in der Kulturgeschichte der Welt aus. Und obwohl in der mittelalterlichen Welt die Ideen des Slawenapostels sich im Kontext der christlichen Auffassung vom Sinn des menschlichen Daseins erschließt, so durchbrechen sie doch den Rahmen des historischen Augenblicks und stellen unsere technologischen, virtuellen, globalisierten und aller Geheimnisse entblößten Lebensstereotypen vor neue Fragen.
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Das M체nchener Abecedarium aus dem 12. Jh. mit kyrillischen und glagolitischen Buchstaben.
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Konstantin–Kyrill in der Sicht seiner Zeit Es ist kaum anzunehmen, dass der Schöpfer des Alphabets sich klar gewesen ist über die historischen Folgen seines Werkes. Aus den uns überlieferten Quellen kann die Wahl seines persönlichen Lebensweges nur teilweise rekonstruiert werden, wir wissen nicht genau, warum er sich dem Wissen und der Gotterkenntnis und der Missionstätigkeit zuwendet. Erzogen und gebildet nach den besten Traditionen der byzantinischen Aristokratie, ist Konstantin–Kyrill, der wegen seiner außerordentlichen Weisheit der Philosoph genannt wird, ein typischer Vertreter des byzantinischen Humanismus, beeinflusst von dem Patriarchaten Photius (810–893) und den Gelehrten seiner Umgebung. Der zukünftige Aufklärer der Slawen trägt mit zwei sehr erfolgreichen Missionen auf hoher politischer Ebene persönlich dazu bei: bei den Sarazenen (Arabern) und bei den Chasaren im byzantinischen Cherson. Von der zweiten bringt er triumphierend die Gebeine des Hl.Klement von Rom († um das Jahr 99) mit in die Hauptstadt, was ihm später den freudigen Empfang im Herzen von Rom sichert. Er vereint die Ideen des byzantinischen Universalismus mit dem Humanismus und dem Hang zum einzig möglichen philosophischen Denken im 10. Jh.- der Theologie, und erreicht in sich als Folge seiner ausgedehnten Reisen durch die vielzähligen Provinzen des Imperiums die Toleranz für die Kultur des anderen, wodurch er die idealisierte Verkörperung des byzantinischen Intellektuellen wird – ein Weltbürger. Vielleicht ist es die adäquate geistige Haltung, die als Vorraussetzung dient, um das bekannteste und wertvollste Werk seines Lebens – die Glagoliza-Schrift zu erschaffen.
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Im Suchen nach dem Begriff Europa im 9. Jahrhundert In der Mitte des 9. Jh., im Herzen des byzantinischen Imperiums – in Konstantinopel – entsteht und realisiert man eins der größten Missionsprojekte in der europäischen Geschichte, die Schaffung eines slawischen Alphabets mit dem Ziel, die Slawen in die Glaubenslehre der ostorthodoxen, der Konstantinopler Kirche einzubeziehen, um die religiöse Einheit und kulturelle Homogenität des Kontinents zu erreichen. Letzten Endes sollte damit das Ansehen und die führende Rolle von Byzanz gefestigt werden. In diesem Kontext seiner geopolitischen Interessen versucht das byzantinische Reich, die kulturelle Karte Europas zu seinen Gunsten zu zeichnen – mit Kreuz und Wort. In der europäischen Geschichte ist die aktive Missionstätigkeit beider großer Kirchen des Kontinents der Römischen und der Konstantinopler – charakteristisch. Besonders stark ist sie auf die Slawenstämme orientiert. Andererseits schafft die Expansion des Frankenreichs erhebliche Spannungen in Mittel- und Südosteuropa, die zu komplizierten politischen Kombinationen und wechselnden Kampfbündnissen führen. Das hat zur Folge, dass sich der Kampf zwischen beiden Kirchen um die Beherrschung der im Prozess der Christianisierung befindlichen oder noch nicht christianisierten slawischen Gemeinschaften verschärft und zur offenen Rivalität führt. Im Jahre 843 wird in Verdun eine Konvention unterzeichnet, die Ludwig dem Deutschen (um 806–876), dem Enkel Karls des Großen (748–814) in den Staaten in der Region des künftigen Deutschlands die Herrschaft überträgt. Das gefährdet die Positionen von Großmähren, das Hilfe bei dem benachbarten Byzanz sucht. Die Lage spitzt sich weiter zu, als Papst Nikolaus I. die Alleinherrschaft des Heiligen Stuhls über die ganze Christenheit fordert. In seinem Ehrgeiz versteigt er sich dazu, die Wahl von Photios als ökumenischen Patriarchen nicht anzuerkennen.
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Großmähren – der Anfang Vor diesem ungünstigen politischen Hintergrund wendet sich Fürst Rostislav († um 867) im Jahre 863 an den byzantinischen Imperator Michail III, († 867) mit der Bitte, Missionare nach Großmähren zu entsenden, die in einer für sein Volk verständlichen Sprache den christlichen Glauben predigen. Auf diese Weise will der Slawenfürst sowohl die lateinischen Ansprüche als auch die Versuche des deutschen Klerus, sein Volk zu assimilieren und zu unterwerfen, neutralisieren. Der Bitte des mährischen Fürsten Rostislav entspricht der byzantinische Imperator mit der Entsendung von Konstantin dem Philosophen und seinem Bruder Methodios als Lehrer, die das slawische Alphabet geschaffen haben, die nicht nur die Christenlehre in die “Volkssprache” übersetzen, d.h., in die vom Volk gesprochene Sprache, sondern sie zum Teil auch im Gottesdienst verwenden. Zum ersten Mal vergegenständlichen sie das von ihnen geschaffene Alphabet bei der Übersetzung der heiligen christlichen Bücher: das Psalterium sinaicum in die Sprache der Slawen. Für Byzanz ist das eine Möglichkeit, sich in das große Spiel der Politik einzubringen und seine Rolle in Mitteleuropa zu festigen, für die beiden in Thessaloniki, einer Stadt mit gemischter griechischer und slawischer Bevölkerung geborenen Brüder Konstantin der Philosoph und Methodios war das eine Chance, die Stärke der geistigen Aufklärung zu beweisen und den Slawen den Weg zu geistiger Einheit und historischer Unsterblichkeit zu weisen. Diе Schaffung des slawischen Alphabets von Kyrill und Methоdios. Miniatur in der Chronik von Radziwil, 15 Jh.
Methodios übersetzt die slawischen Bücher. Miniatur in der Chronik von Radziwil, 15 Jh.
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Gegen das Dreisprachen-Dogma Dieses strategische Ziel lässt sie als Erstes nach Großmähren aufbrechen, danach auch nach Rom, wo sie in ihrer Mission vorstellig werden, um den Segen des Papstes für die Übersetzung der heiligen christlichen Bücher in die Sprache der Slawen einzuholen. Während der Zeit ihres Aufenthaltes im Reich des Fürsten Rostislav stoßen die beiden Brüder und ihre Anhänger gegen das Dogma der Dreisprachigkeit – die Haupthürde vor dem slawischen Schrifttum und der Übersetzung der liturgischen Bücher. Der Mut und die Entschlossenheit von Kyrill und Methodios sind außergewöhnlich. Sie widersetzen sich offen den Versuchen die slawische Sprache zu isolieren, und begründen das mit der Gottesgabe, fremde Sprachen zu verstehen, die die Apostel zu Pfingsten vom Heiligen Geist erhalten haben. Die durch diese Gottesgabe Gesegneten können Heiden zu Christen machen und das Evangelium und andere heilige Bücher übersetzen. In der Aura dieses sakralen geistigen Aktes haben die slawischen Aufklärer gepredigt, dass alle Völker würdig sind, an der Gabe des Wortes teilzuhaben, wodurch das Dogma der Dreisprachigkeit entschlossen und unwiederbringlich gebrochen wird, das durch die Römische Kirche errichtet und gestützt wird. Anstelle des Dogmas steht die Idee der kulturellen Gleichwertigkeit. Oder wie Konstantin der Philosoph in seinem Werk “Vorwort zum Evangelium” sagt – die wahre Erlösung der Völker liegt in der bewussten Beiordnung zum geschriebenen Wort: öffnet weit die Türen des Verstandes, Methodios wird zum Erzbischof geweiht. fasst fest die Waffe, Miniatur in der Chronik die die Bücher des Herrn schmieden. von Radziwil, 15 Jh.
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In diesen Worten liegt der Sinn der Mission von Kyrill und Methodios, ausgedrückt durch die Sprachkultur ihrer Zeit. In ihnen liegt auch der Aufruf zum Erhalt der kulturellen Vielfalt und der nationalen Identität, zum Bewahren der Eigenartigkeit und des Bewusstseins für den eigenen Beitrag zum Kulturschatz der Menschheit. Und noch etwas – in der heutigen Welt der vertauschten oder völlig beseitigten traditionellen geistigen Werte haben diese Worte die Kraft eines ethischen Imperativs für die Priorität des humanen Prinzips über das Diktat der Massenkultur und der überexponierten Marktwirtschaft, der keine Moral innewohnt. Auf dem langen dornenvollen Weg seiner Apostelmission muss KonstantinKyrill das vom spanischen Bischof Isidor von Sevilla (570–636) in seiner “Etymologie” (Buch IX) Niedergeschriebene widerlegen, nämlich dass “es drei heilige Sprachen gibt – die hebräische, die griechische und die lateinische, die am hellsten auf der ganzen Erde leuchten. In diesen drei Sprachen befahl Pilatus, die Inschrift auf dem Kreuz des Gottessohnes zu verfassen.” Es muss ein durch die Tradition geschaffener Stereotyp überwunden werden, der verlangt, dass der christliche Gottesdienst nur in diesen Sprachen abgehalten werden darf, die sich das Statut von heiligen Sprachen angeeignet hatten. Die Syrier, Kopten, Armenier, Georgier hatten ihre Schriftsprachen vor dem 6. Jh. erschaffen, als das von Isidor von Sevilla Geschriebene als unbestreitbares Postulat und unverrückbares Dogma der Römischen Kirche angenommen wurde. Das Wesentliche bei der Veränderung dieses Status quo liegt in dem wichtigen historischen Ausmaß von Kyrills Werk – die von ihm formulierte Idee der Gleichwertigkeit der Slawen mit den anderen Völkern und ihrem Recht, Gott in ihrer eigenen Sprache zu preisen. Seine Worte, die er gemäß der Quellen bei einem Disput vor den Anhängern der Dreisprachigkeit in Venedig auf dem Weg nach Rom ausspricht, sind bis heute aktuell: “Wie schämt ihr euch nicht, nur drei Sprachen anzuerkennen, und lasst es zu, dass andere Völker und Stämme blind und taub sind?” Und weiter: “ ... der heilige Paulus, lehrend, sprach: Wenn ich Gott mein Gebet darbringe, brauche ich dafür nur fünf Worte. und alle werden es verstehen, aber nicht tausend unverständliche Wörter.” Der Sieg der slawischen Aufklärer über das Dogma der Dreisprachigkeit zeigt sich in der Segnung der slawischen Bücher und der Weihe ihrer Schüler zu geistlichen Würdeträgern in Rom durch Papst Hadrian II. Der Bruder Konstantin–Kyrills –
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Codex AsemĐ°nianus. Glagolitische Kalligraphie. Autor: Krassimir Andreew.
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Methodios – wird zum großmährischen Erzbischof geweiht. Dieser Akt wird in der Kirche Santa Maria Maggiore vollzogen, wo Liturgien in Latein, Griechisch und Slawisch abgehalten werden. So öffnet sich Ende des 9. und zu Beginn des 10. Jh. der Weg für eine vierte klassische Sprache in Europa, die nach den Worten von R. Pikkio die Funktion einer transnationalen Sprache für die slawischen Völker spielen wird. Im Jahre 869 stirbt Konstantin in Rom, nachdem er als Mönch den Namen Kyrill angenommen hat. Sein Bruder Methodios kehrt nach Mähren zurück und setzt das begonnene Werk fort.
Großmähren – das Ende der Mission Der Anfang aller dieser Prozesse liegt vor dem Jahr 1150. Damals ist das großmährische Fürstentum der erste slawische Staat, in dem die Sprache des Volkes das Statut einer Schrift- und Liturgiesprache hat und das slawische Alphabet als legitim anerkannt ist. So beginnt der Prozess der kulturellen Veränderung in Europa, ein Prozess, der mehr als hundert Jahre dauert, bis die Gemeinschaft der Slavia Orthodoxa (R. Pikkio) entstanden ist. Mit Sicherheit können wir behaupten, dass die Schöpfer des Alphabets und Slawenapostel selbst sich des offenen Charakters ihres Werkes und seines ihm innewohnenden Potenzials zu einem Instrument zur Vereinigung der Slawen bewusst sind. Denn eine Vereinigung bedeutet ein gemeinsamer Kulturraum, ein Ausstausch von Ideen, von intellektuellen und materiellen Ressourcen – eine Vereinigung, die in der Geschichte Europas immer mit kritischen Augen und Misstrauen betrachtet wurde. Trotzdem ist der erste und wichtigste Schritt getan. Die mährische Mission, so Prof. Heinz Miklas, “ist das grundlegende Kapitel einer ersten Erweiterung Europas, bei der das christliche Byzanz eine besondere Rolle spielt.” Doch können wir uns mit dieser Etappe zufrieden geben? Wie sähe wohl heute unser Kontinent aus, wenn sich das Werk von Kyrill und Methodios auf die Realisierung dieses anfangs beabsichtigten Projekts beschränkt hätte? Das Schicksal des slawischen Bischofs und seiner Anhänger in Großmähren ist durchaus kein leichtes. Als 870 Fürst Svatopluk (830–894) den Thron besteigt, ein Herrscher, der mit den Interessen des bairischen Erzbistums verbunden ist, beginnen für sie Tage der Prüfung. Nach dem Tod von Methodios im Jahre 885 werden die slawischen Schriftgelehrten aus dem Lande verjagt.
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Bulgarien – die Rettung Aus der Sicht der Geschichte findet das Werk der beiden Brüder, das von ihren Schülern fortgesetzt wird, seine langjährige Verwirklichung nicht in Mähren, für das es geplant war, sondern in Bulgarien, wo es auf fruchtbaren Boden fällt und unter solche, die das Wort aufnehmen und reiche Frucht tragen, wenn wir als Paraphrase die Worte aus dem Gleichnis von dem Sämann wählen. Denn wenn wir heute, im Jahre 2013, den Schöpfern des Alphabets und ihrer wahrscheinlich ersten Mission unter den Slawen die Ehre erweisen, so hat das Verdienst für die Bewahrung des historischen Gedenkens und die Weiterentwicklung der Ideen von Konstantin dem Philosophen – Kyrill und seinem Bruder Methodios das Zarenreich der Bulgaren mit seinem Herrscher und Täufer, dem bulgarischen Fürsten Boris – Michail. Diese Tatsache soll kein Grenzstrich sein – weder für Zeit, noch für Raum –die die Slawen voneinander trennt. Genau umgekehrt – sie zeigt, wie stark entwickelt am Ende des 9. und zu Beginn des 10. Jh. das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft und das Bewusstsein einer historischen Wahl und vor der historischen Verantwortung für die Zukunft ist. Durch seine Voraussicht, Hartnäckigkeit, sein diplomatisches Geschick erkennt der bulgarische Fürst den Wert des von dem mährischen Fürsten Rostislav begonnenen Werks, und nimmt freudig in seiner Hauptstadt Pliska Ende des Jahres 885 die nach dem Tod von Method vertriebenen Schüler auf. Die geretteten Buchstaben und die geretteten Bücher finden in Bulgarien ihre echte Heimat, wo sie seit Jahrhunderten bewahrt werden und von wo aus sie zu den anderen slawischen Ländern gelangen, als Vorbild heiliger slawischer Bücher. Die Lage im Ersten Bulgarischen Zarenreich am Ende des 9. Jh. spiegelt die komplizierten Beziehungen zwischen den damals führenden europäischen Staaten wider. Während der Herrschaft von Fürst Boris († 907) erweitert das Bulgarenreich seine Territorien, wodurch es in den Einflussbereich beider großer Kirchen gerät – der Oströmischen in Konstantinopel und der Weströmischen in Rom. Der bulgarische Herrscher versteht es geschickt, die Widersprüche zwischen beiden auszunutzen, und erringt die Autokephalie der neu gegründeten bulgarischen Kirche, indem er nacheinander Gespräche führt mit dem Patriarchen in Konstantinopel und dem Papst in Rom. Aus diesem Grund weilt für kurze Zeit (866–869) eine römische Gesandtschaft unter Führung von Kardinal Formosa Portuenski, der später zum Papst gewählt wird, in Bulgarien. Diese Mission ist zum Scheitern verurteilt, weil die Römische Kirche keine Unabhängigkeit regionaler Kirchen zulässt, und Zar Boris die Absicht verfolgt, dass sein Land nach der Christianisierung des Volkes die kirchliche Selbständigkeit behält. Als ihm das von dem Patriarchen in Konstantinopel verspro-
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Manasses Weltchronik . Kyrillische Kalligraphie, Unzialschrift. Autor: Krassimir Andreew.
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chen wird, wählt er die Orthodoxie. Die in den Jahren 863/4 durchgeführte Christianisierung stellt den bulgarischen Staat vor eine große Herausforderung. Die griechische Sprache, die die griechischen Geistlichen in den Predigten und Liturgien verwenden, ist für die Bevölkerung unverständlich und verleitet zu fremder Beeinflussung. Die gleiche Situation schafft das Lateinische, das in den Predigten der aus Rom entsandten Prälaten verwendet wird. Das Christentum führt in gewissem Maße statt zu einer Vereinigung, zu einer Spaltung der bulgarischen Gesellschaft. Es wird immer deutlicher, dass die Volkssprache auch als Liturgiesprache eingesetzt werden muss, und das dafür das Schrifttum und ins Bulgarische übersetzte kirchliche Literatur benötigt werden. Aus diesem Grund schreibt der byzantinische Schriftsteller Theophylakt von Ohrid (Erzbischof von Ohrid von 1084–1107) aus Anlass der aus Mähren vertriebenen Schüler von Kyrill und Methodios, dass “Bulgarien ihnen Ruhe gegeben” habe, weil “der Fürst nach solchen Männern dürste ...”. Die Anhänger der Slawenapostel mit offenen Armen empfangend, wird Bulgarien im 9. Jh. zum Fortsetzer ihres Werkes und die neue Heimat des slawischen Schrifttums. Eine ähnliche Entwicklung, aber in geringerem Umfang, beobachtet man in Kroatien, wo das erste slawische Alphabet – die Glagoliza – über eine lange Zeit erhalten bleibt als Mittel zur Bewahrung der ethnischen Identität und der Neutralisierung der Lateinisierungsversuche der dortigen Slawen. Kyrill und Methodios schaffen das glagolitische Alphabet, das eine spezifische Symbolik mit grundlegend unterschiedlicher Grafik im Vergleich zu den in Bulgarien verwendeten griechischen und lateinischen Schriftarten hat. Im Suchen nach einer eigenen Schriftform, die für das Slawische identisch ist, kodifizieren sie ein grafisches System, das maximal den phonetischen Umfang und die Struktur der Sprache erfasst. Als hervorragender Philologe umgibt Konstantin der Philosoph sein Schaffen mit der Aureole der Heiligkeit, um der Entwicklung des Schrifttums und des geistigen Lebens der Slawen freien Lauf zu geben. Ein Zeugnis dafür ist sein poetisches Werk “Prolog zum Evangelium”, in dem er sich an die Slawen als einheitliche Gemeinschaft wendet und das Schrifttum als Gabe Gottes bezeichnet: Hört her mit eurem ganzen Verstand, höre, du Volk der Slawen, hört das Wort, denn es kommt von Gott. Die Hl. Kyrill und Hl. Methodios und ihrer Schüler.
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Neue Zentren des Schrifttums Das von Konstantin–Kyrill, Methodios und ihren Anhängern geschaffene glagolitische Alphabet wird in Bulgarien bis zum Ende des 12. Jh. angewandt und ist durch eine reiche Sammlung von epigraphischen und handschriftlichen Schriftdenkmälern dokumentiert, wie der Codex Zographensis, der Codex Asemanianus, der Codex Marianus, das Psalterium Sinaiticum und das Euchologium Sinaiticum, die Glagolitischen Blätter aus dem Rila-Kloster, alle aus dem 10. bis 11. Jh. Auf dem Territorium des Ersten Bulgarischen Zarenreichs entstehen die ersten Zentren des Schrifttums (das älteste ist Pliska, die erste bulgarische Hauptstadt), in denen neben den Schülern von Kyrill und Methodios auch die erste Generation altbulgarischer Schriftgelehrten. Konstantin von Preslav, Černorisets Chrabâr, Johan Exarch u.a. ihre Namen auch mit der neuen, christlichen Hauptstadt Preslav verbinden. In Preslav vollzieht sich eine intensive Übersetzungs- und Redaktionstätigkeit, die die von den Slawenaposteln gemachten Übersetzungen wiederherstellen und ergänzen. Es entstehen auch die ersten originären Texte in Altbulgarisch – kirchliche Liederbücher, Predigten. Es werden historische Aufsätze und biblische Texte, die im Gottesdienst benötigt werden, übersetzt. Mit der besonderen Unterstützung durch den Fürsten Boris wird Kliment, ein direkter Schüler von Kyrill und Methodios, nach Ohrid entsandt, um eine große Schule einzurichten. Dort werden Dutzende junge Männer ausgebildet, die als Altbulgarisch sprechende Geistliche wirken. Kliment selbst übersetzt sakrale Texte, schreibt originäre poetische und prosaische Werke und wird für Generationen von bulgarischen Gelehrten zum Vorbild. Die Ohrider Schule ist eng mit dem Namen
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Das Zar Ivan-Aleksander Tetraevangeliar. Kyrillische Kalligraphie, Unzialschrift. Autor: Krassimir Andreew.
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ihres Gründers Kliment verbunden, und er geht in die Geschichte Bulgariens als Kliment von Ohrid oder Kliment Ochridski ein, der erste Bulgarisch sprechende Bischof, wie er in der Vita von dem griechischen Schriftsteller Theophylakt beschrieben wird. Das neue bulgarische Alphabet, die Kyrilliza, die dem griechischen Unitial angelehnt ist, und in Bulgarien an der Grenze zwischen dem 9. und 10. Jh. auftritt, ist wahrscheinlich in Preslav entstanden. Es besteht aus dem Buchstabeninventar des griechischen Alphabets und Zeichen für im Altbulgarischen spezifische Phoneme, denen einige glagolitische Buchstaben hinzugefügt werden (s.Evangeliar Cod. D gr. und die Tontafeln aus Preslav aus dem 9. und 10. Jh., oder den Codex Suprasliensis mit den griechischen Evangelien Nr. 1 und 2 von Princeton aus dem 9. und 10. Jh.). So ergibt sich eine Kontinuität mit der zuvor auf bulgarischem Territorium verbreiteten griechischen Unitialschrift, die für die Bedürfnisse der Kanzleien des protobulgarischen Hofes und die gottesdienstlichen Handschriften der bei der protobulgarischen Eroberung bereits ansässigen christlichen Bevölkerung verwendet wurde. Die frühesten kyrillischen Schriftdenkmäler sind Epigraphe und stammen aus dem 10. Jh. (Aufschriften von Krepča, 921 und die Grabinschriften von Preslav von 931). Zu den sakralen Handschriften gehören der Codex Suprasliensis aus der 2. Hälfte des 10. Jh., die kyrillischen Blätter vom Ende des 10. und Beginn des 11. Jh., im Vatikanischen Palimpsest; der Enina-Apostol aus dem 11. Jh., der Triodion von Bitola aus dem 12. Jh., der Palimpsest von Küstendil aus dem 12. Jh. und der Apostol von Slepča aus dem 12. Jh. Von den späteren kyrillischen Handschriften sind bemerkenswerte Beispiele: aus dem 13. Jh. das Evangelium aus dem Rila-Kloster, 13. Jh., das Evangelium von Dobrejšo, 13. Jh., das Menäum von Dragan aus dem 13. Jh., der Psalter des bulgarischen Zaren Ivan Aleksander, 1337, die Manasse-Chronik 1344– 45, der Psalter von Tomič um 1360, der serbische München Psalter aus dem Ende des 14. Jh., der Kiev Psalter aus dem Ende des 14. Jh., das Evangelium von Jakob, Metroplolit von Serres, 14. Jh. und andere. Der Grund für den Wechsel von der Glagoliza zur Kyrilliza im Preslaver Schriftzentrum beruht auf der langen Tradition des Gebrauchs der griechischen Unitialschrift für Staats- und Verwaltungsgeschäfte und kirchliche und kulturelle Bedürfnisse der Hauptstadt des Ersten Bulgarenreiches, das beweisen die ersten bulgarischen Aufschriften. Ausgehend von Ostbulgarien, dringt in die serbischen und russischen Länder fast ausnahmslos nur die kyrillische Schrift (s. z.B. das Evangelium von Ostromir, 1056–1057, das Mstislav Evangelium, 1113–1117, und der so genannte Izbornik des Prinzes Svjatoslav, 1073, wie auch das serbische Miroslav Evangelium aus dem 12. Jh.). Alle diese Fakten zusammen genommen weisen auf
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Preslav als das Schriftzentrum hin, wo die Kyrilliza entsteht und in Gebrauch genommen wird. Das beginnt etwa um 893, als auf dem Konzil von Preslav die slawische Sprache offiziell als Liturgie- Sprache eingeführt wird. Die esoterische Glagoliza, die an orientalische Schriften erinnert, z.B. an die äthiopische, wird nach und nach abgelöst. Dieser Prozess dauert allerdings Jahrhunderte. Generationen von bulgarischen Schriftgelehrten waren in der Lage, beide Alphabete gleich gut einzusetzen, das beweisen Handschriften wie der Triodion von Bitola aus dem Archiv der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften oder Glossen an den Rändern des Asemani – Evangeliums. Die in Bulgarien entstehende sakrale Literatur dient als Vorlage und wird von Russen und Serben adaptiert, also wird die Zivilisation der orthodoxen Slawenwelt eine Tatsache. Es ist kein Zufall, wenn der bedeutende russische Humanist und Gelehrte, der ausgezeichnete Kenner der mittelalterlichen slawischen Literatur Dmitrij Sergeevič Lihačov mehrfach hervorhebt, dass Dank der Politik der bulgarischen Herrscher das Erste Bulgarische Zarenreich zu einem “Staat des Geistes” wird. So endet der lange Weg zur Rettung des slawischen Alphabets, der in Konstantinopel beginnt und über Großmähren, Venedig und Rom – beinahe das ganze Territorium des christlichen Europa am Ende des 9. Jh. weiter führt bis nach Pliska, Preslav und Ohrid. Nach dem erfolglosen Ende der mährischen Mission ist die Sprache der Slawen noch ein “Dialekt der Apostel”. Erst in Bulgarien, unter Fürst Boris und seinem Nachfolger, seinem Sohn Zar Simeon (864–927), wird sie zur dritten Liturgiesprache auf dem christlichen Kontinent. Dahinter stehen der Mut, die Voraussicht und die Hochachtung vor dem Wort und der Bildung zweier bulgarischer Herrscher, die wir berechtigterweise die “Retter der Buchstaben” nennen können.
Die Deutung der historischen Fakten aus heutiger Sicht Alle diese Fakten darf man aber nicht als Versuch der Mission auslegen, eine Teilung zu erreichen – die Mission von Kyrill und Methodios ist eine Mission der Einheit und Vereinigung. Durch ihre Tätigkeit gelingt es den Slawen, zwar langsam und bis zu einem gewissen Grade, ein Teil der christlichen Kultur in Europa zu werden. Dieser Fakt tritt deutlich in den Untersuchungen von Prof. Ricardo Rikkio zu Tage. Die heutige europäische Gesellschaft ist nicht nur ein Ergebnis des lateinisch-deutschen Westens oder der Kulturen um das Mare Nostrum, das Mittelmeer. Einen wesentlichen Beitrag zur kulturellen Vielfalt der europäischen Geisteswelt und der irgendwie müde gewordenen Ausstrahlung des Alten Kontinents leistet auch die
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orthodoxe Slawenwelt, dank derer es heute in der Europäischen Union drei gefestigte Alphabete gibt – das lateinische, das griechische und das kyrillische. Am letzterem haftet die Erinnerung an Ereignisse von vor 1150 Jahren – eine Zeit, in der häufig nicht nur das Alphabet, sondern auch die Identität der slawischen Völker in Frage gestellt ist. Der Schlüssel zu ihrem historischen Überleben wurde von den Aposteln aus Thessaloniki Kyrll und Methodios gefeilt und großzügig weitergegebenden Säenden guten Samens, der auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Nach Prof. Antoni-Emil Tahiaos gelten Kyrill und Methodios “als die Symbole der Orthodoxie, als die Väter des slawischen Geisteslebens. Sie stehen an der Spitze der slawischen Literaturkultur.” Noch kategorischer ist Prof. A. Toynbee, der die Schaffung des Alphabets und des Schrifttums in der Volkssprache Bulgariens als einen “Geistesblitz des schöpferischen Genius der orthodoxen Gemeinschaft” bezeichnet und Bulgarien als “zweites Zentrum” (nach Byzanz) der orthodoxen Zivilisation. Francis Dvornik schreibt von Bulgarien als der “Wiege der slawischen Kultur”, denn dem bulgarischen Fürsten Boris ist es gelungen, die innere Einheit des Staates zu schaffen, die auf der engen Verbindung von Sprache und Glauben beruht. Als Resultat einer Politik des Stimulierens der Schriftkultur, die der bulgarische Zar Simeon führt, vergleicht der französische Historiker Alfred Rambeau ihn mit Karl dem Großen, wenn er sagt: “Simeon war Karl der Große für Bulgarien, gebildeter als unser Karl der Große, und viel glücklicher als er, denn er legte den Grundstein für eine nationale Literatur.” Und am Ende wollen wir auch daran erinnern – in seiner Enzyklika vom 31. Oktober 1980 erklärt Papst Johannes Paul II. die heiligen Brüder Kyrill und Methodios zu himmlischen Beschützern (Co-Patrones) von Europa. So werden sie zu dauerhaften Symbolen einer gemeinsamen geistigen Tradition des Kontinents. Wo liegt heute unsere Verantwortung für das Werk der Slawenapostel und unser Nachlass für unsere Nachkommenschaft? Was für Säleute werden wir im 20. Jh. sein und werden wir fruchtbaren Boden finden, aus dem die Ernte sprießt? Werden wir die Hochachtung vor dem Buch und dem Wissen bewahren, die Toleranz anderen gegenüber, die Fähigkeit in uns zu sehen, uns selbst zu bewerten und uns selbst kritisch zu beurteilen, die geistige Stärke besitzen, um uns vor dem grenzenlosen Konsum zu schützen, vor Unglauben, Apathie und dem Fehlen jedes Tabus und einer nicht an Wunder glaubenden Welt der postmodernen Gesellschaft? Die Antworten darauf sind schwierig, der Verlockungen und der Hürden sind viele. Wir kehren zurück zu der Weisheit und Weitsicht unserer Apostel und Lehrer mit ihrem Vermächtnis, dass “am deutlichsten auf dieser Welt eine Seele ohne Bücher wie tot vor den Menschen erscheint”. In dieser Ausstellung zeigen wir einige der wertvollsten glagolitischen und kyrillischen Handschriften, die mit der bulgarischen Kultur-geschichte verbunden sind.
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Tafel 1
Tafel 3
Autoren: Prof. A x i n i a D ž u r o v a Doz. V a s s j a V e l i n o v a Fotograf: I v o H a d ž i m i š e v
Die Christianisierung der Bulgaren im Jahre 864 ist das Ergebnis der weitsichtigen Politik von Fürst Boris (852–889) und später seines Sohnes Zar Simeon (893–927).
Tafel 2 1. Ikone der Hl. Hl. Kyrill und Methodios, 19. Jh., Samokov. 2. Ikone der Hl.Kyrill und Hl. Methodios und ihrer Schüler; 19. Jh., Samokov. 3. Das Panagyrikon von Rila; (Rila-Kloster 4/8, 1479; 571 S.v.: Abschrift der Vita des Konstantin der Philosoph–Kyrill.
Vor dem für den Staat schicksalsträchtigen Akt wird in Konstantinopel beschlossen, die Brüder Konstantin der Philosoph und Methodios aus Thessaloniki als Missionare zu den Westslawen nach Großmähren zu entsenden (862–863). Sie hatten eine Schrift für die slawischen Sprachen entwickelt. Das größere Verdienst dabei hat der jüngere Bruder Konstantin, der nach der Mönchsweihe den Namen Kyrill erhält. Er hat an der MagnaurusSchule in Konstantinopel studiert. Das neue Alphabet, das die klassische Dreisprachigkeit (Hebräisch, Latein und Griechisch) durchbricht, ist ein völlig originäres Alphabet. Es heißt Glagoliza, besteht aus 38 Buchstabenzeichen und gibt den phonetischen Umfang der bulgarischen Sprache in dem von den Slawen aus Thessaloniki in der Mitte des 9. Jh. gesprochenen Dialekt wider. In Konstantinopel, später in Vitinija in Kleinasien, in Mähren und Pannonien, in Venedig und Rom, werden die ersten liturgischen Bücher übersetzt. Nach ihrer Weihe durch die Römische Kurie 866 und nach dem Tod Kyrills im Jahre 869 und von Methodios in Großmähren 885 werden ihre engsten Schüler – Kliment, Naum, Sava, Gorasd und Angelarios von dem bulgarischen Fürsten Boris nach Pliska.
eingeladen, in die Hauptstadt des Ersten Bulgarenreiches, in der bereits im Jahre 864 die christliche Taufe der Bulgaren vorgenommen wurde. 1. Miniatur aus der Manasses Chronik (1344–1345), die die Taufe der Bulgaren zeigt. 163 Bl., Die Handschrift befindet sich in der Vatikanischen Apostolischen Bibliothek , Vat. Slavo 2. 2. Bilder der Apostel und Evangelisten in Bögen, die für Ikonostase gedacht sind, sind charakteristisch für Malateliers in Patlejna und Tuslâka, Orte in der Nähe der Hauptstadt Preslav. 3. Miniatur von Fürst Boris in einem Evangeliar aus dem 11./ 12. Jh., eine russische Handschrift, die nach einem bulgarischen Prototyp angefertigt wurde. Aufbewahrt im Staatlichen historischen Museum in Moskau, Sinod 262.
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Tafel 4
Tafel 5
1. Codex Asemanianus – die am vollständigsten erhaltene altbulgarisch glagolitische Handschrift, die in unsere Zeit gelangt ist, aufbewahrt in der Vatikanischen Apostolischen Bibliothek , Vat. Slavo 3, 10./11. Jh. 158 Pergament-Blätter Verziert mit einer Vielzahl polychromer Initiale mit teratologischen, anthropomorphen und Pflanzenmotiven und Vignetten. Seinem Inhalt nach ist es ein Aprakos-Evangeliar (mit Lesetexten für die Messe), dessen Texte sehr eng an der Originalübersetzung von Kyrill und Methodios liegen. Im Kirchenjahr-Verzeichnis sind die mit Kyrill, Methodius und Kliment Ohridski verbundenen Gedenkund Feiertage aufgeführt. 2. Die glagolitischen Blätter aus dem Rila-Kloster – (Teile der Paranesis des Ephrem des Syrers), 2. Hälfte des 11. Jh. 8 Pergament-Blätter. Das sind die einzigen glagolitischen Fragmente auf dem Territorium von Bulgarien. Sie wurden in dem Einband der Kollektion Andrianti, 1473 von Vladislav Gramatik geschrieben, gefunden und werden im Rila-Kloster aufbewahrt – 3./6. Die anderen Seiten befinden sich in der Bibliothek der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg.
1. Codex Zographensis, Tetraevangeliar aus der 2. Hälfte des 10. Jh., 304 Pergament-Blätter. Bis 1860 wurde die Handschrift in dem bulgarischen Hl. Georg Zograph –Kloster auf Athos aufbewahrt. Dann schenkten sie die Mönche dem russischen Zaren Aleksander II. als Ausdruck der Hoffnung, dass er Bulgarien von der Osmanenherrschaft befreien wird. Jetzt befindet sie sich in der Russischen Nationalbibliothek in St. Petersburg, Glag. 1. Die Handschrift ist mit Initialen und Vignetten in geometrischen Formen verziert. In einigen Initialen entdeckt man die frühesten Elemente des slawischen teratologischen Stils. 2. Codex Mariensis au dem 10. Jh. Es enthält 173 Pergament-Blätter, beschrieben in runder glagolitischer Schrift, 30 Zeilen pro Seite. Entdeckt wurde es 1845 von dem bekannten russischen Slawisten V.Grigorovič in dem Athos- Kloster Hl. Jungfrau Maria, das ihm den Namen gegeben hat. Vor den Evangelien des Lukas und des Johannes gibt es Miniaturen der beiden Heiligen. Heute befinden sich die erhaltenen Teile des Denkmals in verschiedenen Buchbeständen. Der Hauptteil (171 Blätter) sind in der Russischen Nationalbibliothek (Grig. 6 oder Mus. 1689); zwei Blätter der Handschrift liegen in der Wiener Nationalbibliothek (cod. Slav. 146).
3. Euchologium Sinaiticum aus dem 11. Jh. Diese außerordentlich wertvolle Pergament-Handschrift umfasste 300 Seiten, doch heute gehören 106 Blätter zum Hauptteil, der im St. Katharinen-Kloster in Sinai aufbewahrt wird Sign. Sinait. Slav. 37, Sinait. Slav. 1/N. Fragmente der Handschrift befinden sich in der Bibliothek der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg (Sign. 24.4.8) und in der Russischen Nationalbibliothek in St. Petersburg (Glag. 2 und Glag. 3).
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Tafel 6
Tafel 7
Tafel 8
In den letzten Jahrzehnten des 9. Jh. wird die Hauptstadt des Ersten Bulgarischen Zarenreiches von Pliska nach Preslav verlegt. Den Thron besteigt 893 der hoch gebildete Sohn von Fürst Boris – Simeon. Die Schüler von Kyrill und Methodios schaffen hier das zweite slawische Alphabet – die Kyrilliza, das im Wesentlichen eine Anpassung an die in Bulgarien bereits bekannte griechische Unizialschrift ist. So wird die als graphisches System originäre Glagoliza, die aber aus der Sicht des Stereotyps eher esoterisch ist, allmählich und ohne Schwierigkeiten durch die Kyrilliza ersetzt. Die Glagoliza wird vorwiegend in Westbulgarien verwendet – in Ohrid, da, wo die eifrigsten Anhänger der Slawenapostel Kyrill und Methodios wirken. 1. Die Tontafel ist mit einem kyrillischen Bildtext, der an die griechische biblische Majuskel erinnert, beschrieben. Die Tafel wurde in der Runden (Goldenen) Kirche von Preslav gefunden. Sie befindet sich im Archäologischen Museum in Sofia. 2 a. Fragment des Apraxos Cod. D. 387 aus der 2. Hälfte des 10. Jh., 2 Pergament-Blätter, 310x 220 mm. Es befindet sich im Ivan-DujčevZentrum für Slawisch-byzantinische Forschungen. 2 b. Griechische und slawische Fragmente aus dem 10. und 11. Jh, beschrieben mit Unizialschrift. Im Ivan-Dujčev-Zentrum.
Die frühesten Handschriften in Bulgarien stammen aus der 2. Hälfte des 11. Jh. Es sind die Glagolitischen Texte aus dem Rila-Kloster und die kyrillischen Praxapostulus codices Eninensis, geschrieben in der leicht geneigten alten Schrift, die an die Unizialschrift liturgischer Bücher aus dem 9./10. Jh. erinnert. 1. Praxapostulus codices Eninensis(Fragment des Praxapostulariums), 2. Hälfte des 11. Jh ; 39 PergamentBlätter. Viele der Initiale farbig in Rot und Blau. Geflochtene Vignetten. Gefunden in dem Dorf Enina bei Kasanlâk 1960. Bewahrt in der Volksbibliothek Hl. hl. Kyrill und Methodios in Sofia unter Nr. 1144.
Triodion von Bitola aus dem letzten Viertel des 12. Jh. Erhalten sind 101 Pergament-Blätter. Es beinhaltet Fastenvorschriften und – regeln und enthält originäre Lieder und Gesänge des altbulgarischen Schriftgelehrten Konstantin von Preslav für die Große Fastenzeit (Osterfasten) Erhalten sind auch Spuren der alten byzantinischen Tita-Notierung. Die Handschrift ist die Kopie eines alten glagolitischen Textes und belegt den parallelen Gebrauch von Glagoliza und Kyrilliza in Bulgarien jener Zeit, Auf einzelnen Blättern hat der Schreiber spontan von der Kyrilliza zur Glagoliza gewechselt. Die Handschrift befindet sich im Wissenschaftlichen Archiv der BAW, Sofia, Sign.Nr. 38.
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Tafel 9
Tafel 10
Tafel 11
Aus dem 12. Jh. haben sich nur wenige – und auch nur als Fragmente – kyrillische Codices erhalten, darunter zwei Palimpseste – der Apostolus von Slepča und der Kustendiler Palimpsest aus der 2. Hälfte des 12. Jh. Im Vergleich zu den serbischen und russischen Handschriften sind die altbulgarischen Palimpseste – also Handschriften auf zum zweiten Mal gebrauchtem Pergament – in der Mehrzahl. Das ist erklärbar, denn die in Preslav und Ohrid ausgeführte Übersetzerund Kopiertätigkeit vom Griechischen ins Altbulgarische ist sehr intensiv. 1. Der Apostolus von Slepča aus der 2. Hälfte des 12. Jh.; 154 PergamentSeiten. Geschrieben auf einem gelöschten griechischen Text. Verziert mit einer Vielzahl von Initialen in teratologischem Stil und verflochtenen Vignetten. Befindet sich in fünf verschiedenen Bibliotheken in der Welt: in der Akademie der Wissenschaften und der Russischen Nationalbibliothek in St. Petersburg, in der Russischen Staatsbibliothek in Moskau, in Kiew und der IvanVasov-Bibliothek in Plovdiv, Nr. 25. 2. Der Kustendiler Palimpsest (Codex Asemanius) vom Ende des 12. Jh.; 9 Pergament-Blätter. Geschrieben auf einem gelöschten griechischen Text. Verziert mit polychromen Initialen vom geometrischfloralen Typ. Befindet sich in der Volksbibliothek “Ivan Vasov” in Plovdiv unter der Nr. 7. 3. Rila Evangelium, Anfang des 13. Jh., 102 Pergament-Blätter. Rila Kloster Nr. 1/23.
Im Vergleich zu den Handschriften für den alltäglichen Gebrauch, also für liturgische oder individuelle Gebetszwecke, die einfach illustriert waren, gibt es nur wenige illustrierte slawische Codices. Einer von ihnen ist das Dobrejšo Evangeliar aus der ersten Hälfte des 13. Jh.; 127 Pergament-Blätter. Diese Handschrift war schon vor Jahrhunderten in zwei Teile geteilt. Das Matthäus- und das Markus-Evangelium gelangen in die Volksbibliothek von Belgrad, wo sie bei den Bombardierungen von 1941 zusammen mit anderen wertvollen Sammlungen verbrennen. Die beiden anderen Evangelien werden in der Volksbibliothek Hl. hl. Kyrill und Methodios in Sofia unter der Nr. 17 aufbewahrt. Das Dobrejšo Evangelarium ist eine außerordentlich wertvolle Handschrift. Sie zeigt die archaisierende Linie in der Illustrationstradition der slawischen Codices. In dieser Tradition stehen zwei Miniaturen auf einer ganzen Seite – die Evangelisten Lukas u Johannes und der Schreiber, der Pope Dobrejšo.
1. Das Messbuch von Draganovo ist eine Handschrift aus der 2.Hälfte des 13. Jh, 219 Pergament-Blätter. Es ist ein wertvolles Schriftdenkmal der liturgi-schen Poesie aus der Zeit des Zweiten Bulgarischen Zarenreichs. Es enthält Messen für die Hl. Petka, den Hl. Ivan Rilski, den bulgarischen Zaren Petâr, für die hl. Brüder Kyrill und Methodios. Die Verzierungen der Handschrift sind klassische Beispiele der slawischen Teratologie. Die Handschrift befindet sich im bulgarischen Hl. Georg Zograph-Kloster auf Athos, Sign. I.d.8. Fragmente von ihr liegen in der Russischen Staatsbibliothek in Moskau (f. 87 Nr. 1725) und in der Russischen Nationalbibliothek in St. Petersburg (Q.p. I. 40). 2. Der Psalter von Radomir aus dem 13. Jh., 182 S. Pergament-Handschrift, die Verzierungen sind im Stil der slawischen Teratologie ausgeführt Er befindet sich in der Bibliothek des Hl. Georgi Zograph-Klosters auf Athos, Sign.1.d.13. Ein Blatt ist in der Russischen Nationalbibliothek in St. Petersburg. (Sign. Q.p.I.11). 3. Der bulgarischer Hl. Georg Zograph –Kloster auf Athos.
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Tafel 12
Tafel 13
Tafel 14
Die Hauptstadt des Zweiten Bulgarenreichs Zarevgrad Târnov (heute Veliko Târnovo) wird im 13./14. Jh. zum Hauptzentrum des Schrifttums. Sie wird von den bulgarischen Schriftgelehrten als gottgesegnete Stadt und als neues Konstantinopel gerühmt. Im 14. Jh. während der langen und verhältnismäßig friedlichen Regierungszeit von Ivan Aleksandâr (1331–1371) gibt er persönlich einige reich verzierte und illustrierte Handschriften in Auftrag, in denen meist in Randbemerkungen oder in Gedichtsform die Wohltätigkeit des Zaren gepriesen wird. So zum Beispiel ist der 1337 in Auftrag gegebene Psalter als Gesangbuch dem Lobe des Zaren gewidmet.
Zu den bekanntesten bulgarischen Handschriften, die mit 69 Miniaturen verziert ist, zählt die einzige bis heute erhaltene illustrierte Abschrift der Manasses Weltchronik (angefertigt 1344–1345), die der byzantinische Gelehrte und Schriftsteller Konstantin Manasses (um 1130 – etwa 1187) verfasst hat. 206 Pergament Blätter. Sie wird seit 1475 in der Vatikanischen Bibliothek unter Nr. 2 bewahrt. Besonders interessant sind die Textzusätze, die mit der bulgarischen Geschichte verbunden sind und der illustrierte Zyklus, der in keiner der 120 griechischen Abschriften der Weltchronik erhalten ist. Dieser Zyklus, der sich zwar an das verlorene griechische Original hält, trägt bestimmte Elemente der Aktualisierung der griechisch-bulgarischen Beziehungen während der Jahrhunderte. So beziehen sich 19 Miniaturen auf Ereignisse, die mit der bulgarischen Geschichte verbunden sind und fünf zeigen Zar Ivan Aleksandâr (1331–1371) mit Konstantin Manasses, Mitglieder seiner Familie und auch konkrete Hinweise, die mit dem Tod des erstgeborenen Sohnes des Zaren Ivan Assen II. im Zusammenhang stehen.
Unter den von Zar Ivan Aleksandâr (1331–1371) in Auftrag gegebenen Handschriften nimmt, auch als das Zar Ivan-Aleksandâr-Tetraevangeliar von 1356 bekannt, eine besondere Stellung ein (286 Pergament.Blätter). Es wird in der Library Britannica unter Add, Ms. 39627 bewahrt. Der britische Forschungsreisende Robert Curson, der es auf Athos im Hl. Paulus-Kloster entdeckt hatte, hat es der Bibliothek übergeben.
Der Psalter des Zaren Ivan Aleksandâr, 1337, 317 PergamentBlätter. Bewahrt in der Bibliothek der Akademie der Wissenschaften unter der Nr. 2 Dem Psalm 77 ist eine ältere Vignette von Jesus Christus hinzugefügt mit einem Initial im byzantinischen farbigen Stil.
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Tafel 15
Tafel 16
Tafel 17
Das Evangeliar ist mit 366 Miniaturen geschmückt, die als Fries im Text erscheinen Am Ende jedes Evangeliums ist die Gestalt von Zar Ivan Aleksandâr mit dem entsprechenden Evangelisten dargestellt, am Anfang des Evangeliars ist die Zarenfamilie abgebildet. Vor den Evangelien gibt es Vignetten im farbigen byzantinischen Stil. Das Evangeliar ist von dem Mönch Simeon in der feierlichen Târnovoer Liturgie-Schreibweise geschrieben.
Der Tomič- Psalter enthält 109 Miniaturen als Fries im Text, davon 9 ganzseitige. Seinem Stil nach nähert er sich sehr eng den Illustrationen aus der Paleologenzeit und der Tradition der Malschule aus den Athos-Klöstern. Ein besonderes Interesse rufen die Vignetten im farbigen byzantinischen Stil hervor, wie auch die reiche Verzierung der Initiale, im geflochtenen, teratologischen und farbigen byzantinischen Stil. Der Psalter des Tomič gehört zu den schönsten Beispielen der slawischen Kunst aus der Paleologenzeit. Die Handschrift ist im KilifarevoKloster in der Nähe der Hauptstadt des Zweiten Bulgarischen Zarenreiches Târnovo gefertigt und war wahrscheinlich ein Auftrag des Hesychasten Theodossij von Târnovo.
Der Tomič- Psalter entstand zur Regierungszeit des bulgarischen Zaren Ivan Aleksandâr (1331–1371), genauer in den Sechziger Jahren des 14. Jh. Aufbewahrt im Staatlichen Historischen Museum in Moskau (GIM Nr. 2752; 310 Seiten, Papier).
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Tafel 18
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Nach der Eroberung Târnovos im Jahre 1393 emigriert ein Teil der bulgarischen Schriftgelehrten – Kiprian, Grigorij Zamblak , Konstantin Kostenečki, Vladislav Gramatik – nach Russland, nach WallacheiMoldavien und Serbien. Ein großer Teil der bulgarischen Schriftzentren sterben aus, andere siedeln nach Westen um – ins Rila-Kloster, nach Sofia, nach Vraća. Die Andrianti-Kollektion von 1473 (562 Blatt Papier)ist von Vladislav Gramatik im Hl. Mutter Gottes Kloster verfasst (bei Skopie in Černa Gora). Aufbewahrt wird sie im RilaKloster unter HMPM 3/6. Sie enthält 31 Gespräche von Ivan Zlatoust, Ephrem dem Syrer, Athanasios von Alexandrien und anderen. Sie ist reich mit großen geometrischen Vignetten im neobyzantinischen Stil geschmückt, in denen man die Anlehnung an die Tradition der griechischen Handschriften, die in Athos gefertigt wurden, und dem stark stilisierten Flechtstil unter Einfluss der orientalischen Arabesken spürt.
Das Tetraevangeliar von Kremikovzi von 1497 (307 Seiten auf Papier) wird im Kircheninstitut in Sofia unter der Nr. 374 aufbewahrt und enthält 305 Seiten Diese prachtvoll ausgestattete Handschrift aus der Kirche des Klosters von Kremikovzi zeigt die enge Verbundenheit mit den klassischen Beispielen der griechischen Codices des 13. und 14. Jh. Ähnliche Tendenzen bewahren auch die geometrischen Vignetten des Evangeliars von Slepča aus dem 16. Jh, in dem man den Einfluss der orientalischen Arabesken in der durchsichtigen Verflechtung der Motive entdeckt.
Das Evangeliar von Slepča gehört zu den schönsten Beispielen der handschriftlichen Verzierungen des 16. Jh., die sich in seinen Vignetten zeigt. Sie enthalten Modifizierungen von byzantinischen Palmetten und Flechtmotive, wie auch große Porträts der Evangelisten, die das ganze Blatt einnehmen. Das Evangeliar wird im Kirchlichen Institut unter der Nr. 340 aufbewahrt und enthält 305 Seiten.
Der Rila Kloster.
Der Kremikovzi-Kloster.
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Tafel 21
Tafel 22
Tafel 23
Im Schriftwesen des 16. Jh. nimmt die Tätigkeit der Sofioter Schule einen zentralen Platz ein. Die Handschriften erhalten reiche Einbände aus vergoldetem Silber, innen werden sie mit vielfältigen Initialen und Vignetten geschmückt. Es ist die Zeit, in der man einen verstärkten Austausch von Schriften mit Serbien und Rumänien und mit Athos beobachtet. 1. a) b) Das Evangeliar von Sučava von 1529 (366 Pergament- und Papier-Blätter) ist von dem Mönchspriester Makarij in Sučava geschrieben worden. Aufbewahrt wird es im Rila-Kloster unter der Nr. 1/11a. Das Evangeliar ist mit Gold beschlagen und mit den vier Evangelisten und einem Kruzifix geschmückt, das der Pope Jesaja angefertigt hat. Reich verziert mit Flechtvignetten auf goldenem Grund und Miniaturen der vier Evangelisten. 2. a) b) Mit einem ähnlichen Beschlag aus vergoldetem Silber und Szenen der Kreuzigung und Auferstehung von Jesus Christus, die der Goldschmied Mattej aus Sofia 1577 angefertigt hat, ist das Evangeliar von Krupnica (334 Papierseiten). Es befindet sich im Rila-Kloster unter der Signatur Nr. 1/5. Es hat geometrische Vignetten aus verflochtenen Kreismotiven, ausgemalt in kalten blau-grünen und gelben Farbtönen.
Die handschriftliche Produktion des 16. Jh. ist auch durch die Tätigkeit von Pope Joan aus Kratovo bemerkenswert. In den Verzierungen seiner Handschriften stößt man auf Motive, die beeinflusst sind von orientalischen Arabesken und an das durchbrochene Spiel von Metallgittern erinnern, und in den Initialen, die vor dem Hintergrund aus Pflanzen- und Blumenmotiven in Rahmen stehen, spürt man den Einfluss alter Schriften. Das Messbuch von Joan aus Kratovo aus dem Jahr 1567 (VII+102+V Blatt Papier) wird im Rila-Kloster aufbewahrt unter der Nr. 1/23. Es ist reich bebildert, außer mit vielfarbigen Vignetten auch mit Blumenmotiven wie Kornblumen, Hyazinthen, Stockrosen, Türkische Lilien, Granatapfel u.a. Mit dem gleichen Reichtum an Motiven und den Abbildungen der Evangelisten, die in die Vignetten einbezogen werden, zeichnet sich das Evangeliar von Joan von Kratovo im Kircheninstitut unter der Nr. 250 von 1567, (232 S., Papier). Die Initiale sind in Blau und Gold gehalten und reich geschmückt mit Pflanzenzweigen, die den Textblock umranken.
Das 17. Jahrhundert ist gekennzeichnet durch die eifrige Tätigkeit der Schriftzentren in der Gebirgsgegend von Stara Planina (Balkangebirge) und Sredna Gora, die mit dem Bergbau der Bevölkerung in Verbindung stehen. Im Sveta Troiza Kloster (Heilige Dreifaltigkeit) bei Etropole, nicht weit von Sofia, werden serienweise reich illustrierte belehrende und liturgische Bücher abgeschrieben. In den Vignetten des Gebetsbuches von Etropole im Kircheninstitut (159 S. Papier) gibt es neben floralen Flechtelementen auch Gestalten mit verflochtenen Haaren, wie sie in den Initialen zu finden sind. Ähnliche Initiale trifft man auch in den reich verzierten Psaltern aus der Bibliothek in Plovdiv unter der Nr. 5 aus dem 17. Jh. (142 S., Papier). Hier, vergleichbar mit den Handschriften von Joan aus Kratovo und dem Psalter aus dem Ivan-DuičevZentrum (Slavo D. 1 von 1692), steht der Verfasser neben König David in der Vignette.
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Tafel 24 Besonders beliebt bei den Lesern des 17. und 18. Jh. sind Worte und Belehrungen des Damaskin Studit. Das erklärt auch die Vielzahl erhaltener Abschriften dieser Texte, die reich bebildert sind, manchmal mit bis zu 30 Miniaturen. So enthält zum Beispiel der Rilaer Damaskin aus der 2. Hälfte des 17. Jh. (413 PapierSeiten, HMPM 4/10) 26 Miniaturen, die vor jeder Geschichte des Damaskin Studit stehen; eine vor dem des Theophan der Rhitor. Obwohl die handgeschriebenen Bücher im 18. und 19. Jh. den altgedruckten Büchern ihren Platz abtreten, werden in Bulgarien noch während des ganzen 19. Jahrhunderts Bücher per Hand abgeschrieben.
Das Licht der Buchstaben Axinia Džurova Vassja Velinova 1. Auflage, 2013
Staatliches Kulturinstitut Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Republik Bulgarien
Alle Rechte vorbehalten Übersetzung ins Deutsche: Hannelore Pantschewska Grafikdesign: K i r i l G o g o v Druckvorbereitung: Ars Millenium MMM Typografie Typeface Viol – urheberrechtlich geschützt seitens Vassil und Olga Yonchev, 1985 Auflagenhöhe: 500 Exemplare Druck: Dedrax, Bulgarien