Meditation:
VIPASSANA von Eva Schlüter und Jochen Kowalski Die Vipassana-Meditation wird oft mit Einsichts-Meditation (Pali = Einsicht) übersetzt bzw. beschrieben. Es geht um Einsicht in die Dinge, wie sie wirklich sind, in die Daseinsmerkmale des Lebens: Unbeständigkeit (anicca) – Leidhaftigkeit bzw. Nichtgenügen (dukkha) – Nicht-Selbst (anatta). Vipassana-Praxis ist der Weg, Leiden (dukkha) zu überwinden und in diesem Leben Befreiung zu erlangen bzw. an Freiheit zu gewinnen. Die Vipassana-Praxis und das Erreichen ihrer Ziele ist grundsätzlich an keine Religionszugehörigkeit gebunden. Wesentlicher Teil ist die Übung von Achtsamkeit (sati). Gelegentlich wird Vipassana-Meditation auch „Achtsamkeits-Meditation“ statt Einsichtsmeditation genannt.
M E D I TAT I O N ein Weg zu Vertrauen und Gelassenheit nimmst wahr, was geschieht. Wenn deine Achtsamkeit ganz bei der Atmung ist, bist du in der Gegenwart: bei gerade dieser Einatmung, bei gerade dieser Ausatmung. Dies bringt den unruhigen Verstand/ Geist zur Ruhe und hilft dir, dich zu zentrieren. Aus Zentrierung wird im Laufe des Prozesses Meditation. Wenn du möchtest, nimm nun einige Momente dein Ein- und Ausatmen wahr.
Vipassana – Gegenwart
Im Alltag kannst du jederzeit kurz innehalten und bewusst die Atmung beobachten. Dies bringt dich immer in die Gegenwart: D.h. in die Wahrnehmung der Gegenwart – nicht zu verwechseln mit dem Denken über die Gegenwart. Diese Schulung von Achtsamkeit, bezogen auf die Atmung, kannst du im Alltag als Achtsamkeitspraxis Vipassana-Meditation auch auf andere Bereiche übertragen. Die Vipassana-Meditation ist eine sehr traditionsreiche MeditationsBitte halte jetzt einen Moment inne und nimm dich für einen Moform, die unmittelbar auf die Lehrreden des Buddha zurückzuführen ment achtsam wahr, mit deiner Atmung, deinen Befindlichkeiten, deiner aktuellen Körperhaltung. Nun lies folgende Begriffe – lasse ist. Sie ist eine stille Meditation im aufrechten Sitz mit geschlossenen Augen. Um in die Stille und Ruhe zu gelangen, beobachtest jeden einzeln wirken und nimm deine entsprechenden Reaktionen darauf wahr: du deine Atmung. Du nimmst keinen Einfluss auf die Atmung, sondern lässt den Körper Kinderlachen – Krieg – Sommerwiese atmen, wie er möchte: Kannst du beobachten, wie unterschiedlich diese Worte auf dich Du tust nichts, nimmst wertungsfrei wahr, was jetzt ist. wirken? Es sind nur Worte – keiner dieser Begriffe hat vermutlich eine • Ein- und Ausatmend erkennst du während der reale Entsprechung in deiner aktuellen Realität beim Lesen dieses Atembetrachtung den ganzen Körper. Artikels. Gleichwohl verändern diese Worte deine Realität. Hast • Ein- und Ausatmend erfährst du die du dies wahrnehmen können? Es ist so, als würdest du z.B. einen Vergegenwärtigung der Gefühle. Kieselstein in einen See werfen: Ausgehend von der Eintrittsstelle • Ein- und Ausatmend erfährst du den jeweiligen bewegt sich das Wasser, es bilden sich Kreise. Ist es ein kleiner Stein, Geisteszustand. entstehen milde kreisförmige Wellen, die bald sanft verebben. Ist es • Ein- und Ausatmend erfasst du mit jedem ein schwerer Brocken wird deutlich mehr Verwirbelung entstehen. Atemzug die Vergänglichkeit aller Dinge. In uns entstehen unentwegt Impulse; allein bis zu 50.000 Gedanken am Tag haben wir, sagt die Neurobiologie. Bleiben wir beim Bild So lehrte es Buddha. des Sees, dann ist gut vorstellbar, dass diese Gedanken, verbunden mit entsprechenden emotionalen Reaktionen, viel Aufwirbelungen Zur Einstimmung auf die stille Meditation kannst du auslösen, das Wasser trübt ein. gerne die vollständige Yogaatmung (Bauch-BrustIm Alltag, aber auch in der Meditation finden solche Prozesse Schlüsselbeinatmung) dreimal statt. Wer bereits Meditationserfahrungen gesammelt hat, durchführen. Danach lässt du den weiß, dass wir auch in völliger Stille noch jede Menge GeKörper atmen, wie er möchte und danken und Gefühle produzieren – Vergangenes und Zu-
22