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Tagebuch des Verfalls
Tagebuch des Verfalls Eine Betrachtung des YOUKI Raumkonzepts und wie es sich verändert.
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Hinein ins Medienkulturhaus, hinauf die Stufen und in der Eingangshalle stehen bleiben. Die Stufen glitzern, fast wie wenn man zum Himmel hinaufsteigt. Das erste Anzeichen für Dekadenz ist der Tiger gegenüber der Eingangstür, rawwrrr. Das Plüschtier liegt gemütlich auf dem Geländer und mustert die Festivalbesucher*innen von oben. Am Tiger geht es vorbei, hinauf zum Festivalcenter. An der Wand hängen auf der Stiege mehrere Handys, leider nicht echt und ganz, sie sind durchnagelt. Eine Anspielung auf das Verschwenderische der Dekadenz?
Tag 1
Im Festivalcenter stehend fällt der erste Blick sofort auf die riesige Tafel, die die Designer*innen Lino und Bettina als die Tafel des letzten Abendmahls beschreiben. Die Dekadenz springt einem sofort ins Auge. Der Tisch ist mit roter Marmortapete überzogen: Imposant und elegant. Im gedämmten Licht wirkt der Raum stilvoll und ruhig. Auf dem runden Snacktisch stehen riesige Blumenkübel, mit wunderschönen Blumen gefüllt. Lino und Bettina prophezeien einen Untergang dieser Schönheit, alles soll verwelken.
Tag 2
Im hellen Tageslicht wirkt der am Vorabend elegant erscheinende, riesige Raum kahl und leer. Beim Frühstück sagt eine Freundin: „Ich krieg das nicht mehr aus dem Kopf, dass der Marmor Fleisch sein soll“. Da schmeckt das Frühstück gleich viel besser, die Tischplatte, die aussieht wie roter Marmor, verwandelt sich langsam in rohes Fleisch. Ein Lichtblick: Die Blumen, die inmitten des Essens am Frühstückstisch stehen, sind noch nicht welk. Yes, keine Blätter im Frischkäse.
Tag 3
Inzwischen ist der fleischige Tisch auch noch zerkratzt, fürs Panieren sind die Festivalbesucher*innen zu säuberlich. Jetzt ist die Angst um den Frischkäse schon berechtigt, die Blütenblätter hängen inzwischen sehnsüchtig herunter. Vielleicht vermis sen sie die Frische des Käses. Erst auf den zweiten Blick kann man diese Sehnsucht erkennen.
Tag 4
Die Blicke der Blumen haben sich sehnsüchtig Richtung Frischkäse und damit Richtung Boden gewandt. Die leuchtenden Farben sind von ihren Gesichtern gewichen, vielleicht haben sie die Hoffnung verloren, endlich den Boden zu erreichen. In der Früh konnte man eine Person beim Versuch beobachten, ein Stück vom Tisch abzusägen, das war wohl ein*e Fleischtiger*in. Auch ein Sofa in der Ecke hat sich inzwischen in Rohfleisch verwandelt. Als Vegetarier*in hat man es hier nicht leicht.
Tag 5
„Das Blumenwasser schaut aus wie Abwaschwasser,“ sagt eine Frau während sie sich die Kaffeetasse vom inzwischen braungefärbten Tischtuch nimmt. Die Tafel selber ist ein ganzes Stück kleiner geworden. Da hat jemand die Chance ergriffen, einmal ein richtig großes Schnitzel zu machen; wirklich gut kann dieses Schnitzel aber nicht sein. Der Raum hat sich zwar schleichend verschlechtert, die Stimmung ist aber noch immer … Schartnerbombe!