Wettbewerbsvorteil
Die in New York lebende Wirtschaftsexpertin Sandra Navidi gibt in ihrem aktuellen Buch Tipps für den beruflichen Erfolg in Zeiten der Digitalisierung und Künstlichen Intelligenz. Interview von Barbara Breitsprecher
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andra Navidi ist eine Ausnahmeerscheinung. Geboren in Mönchengladbach, studierte sie Jura, ist in Deutschland und den USA zugelassene Rechtsanwältin, landete an der Wall Street und wurde schließlich CEO einer international tätigen Unternehmensberatungsfirma in New York, wo sie auch seit über 20 Jahren lebt. Sie gilt als eine der bestvernetzten Personen in der globalen Finanzwelt und spricht auf n-tv über die US-Wirtschaft.Nach ihrem Buch „Super Hubs“ über die Finanzelite, hat sie nun ihr neues Buch „Das Future Proof Mindset“ (FBV, 19,99 Euro) vorgelegt, über Erfolg im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz. Die Verabredung zum Telefoninterview hält sie pünktlich auf die Minute ein, trotz der sechs Stunden Zeitverschiebung. Wir verbringen rund zwei Drittel unseres Lebens mit Arbeit. Was bedeutet das, gerade auch im Hinblick auf die technologischen Entwicklungen, für unsere Berufswahl? Sandra Navidi: Besonders gravierend sind die Veränderungen im Rahmen der Digitalisierung. Das betrifft nicht nur Fließbandjobs und solche, die einfach zu verrichten sind, sondern auch hochqualifizierte Jobs, bei denen kognitive Fähigkeiten gefragt sind. Man sollte sich also damit auseinandersetzen, welche Fähigkeiten und welche Berufe überhaupt noch gefragt sein werden in der Zukunft, und wie die Berufe, die voraussichtlich noch die nächsten Jahrzehnte bestehen bleiben, sich verändern werden. In die persönliche Betrachtung sollten die Präferenzen,
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Interview
die eigenen Stärken und das Umfeld, in dem man gerne arbeiten möchte, mit einfließen. Und vor allen Dingen die Frage, wie kann ich mir eine Nische erarbeiten, in der ich zumindest auf absehbare Zeit schwer ersetzbar bin, um für eine gewisse Jobsicherheit zu sorgen. Bei der Suche nach dieser Nische, kann die technologische Entwicklung hilfreich oder aber gefährlich sein. Kann man denn absehen, welche Jobs auch künftig Bestand haben und welche verloren gehen werden? Sandra Navidi: Es gibt Leute, die blühen auf, wenn sie Ungewissheit verspüren, wenn sie Risiken eingehen und sie mit Herausforderungen konfrontiert sind. Für solche Menschen sind diese Veränderungen eher günstig, eben weil sie auch viele Möglichkeiten bieten, die für andere bedrohlich wirken, denen Veränderungen weniger liegen. Auch durch Corona wurden die Menschen von einem Moment auf den nächsten in die Ungewissheit geworfen. Corona war gewissermaßen ein Zeitraffer einer Entwicklung, die sich sowieso schon in der Pipeline befand und dadurch verstärkt und beschleunigt wurde. Viele hatten da gar keine andere Möglichkeit, als zu kämpfen und sind aus der Not in andere Bereiche hinein gerutscht. Und viele haben dabei ihre persönlichen Stärken und Schwächen sortiert, was im bisherigen Berufsleben nicht so notwendig war, weil die berufliche Entwicklung linear verlaufen ist. Hat man einmal in einem
Bild: MG RTL DSpreitzenbarth
Menschsein
Beruf angefangen, war die weitere Entwicklung mehr oder weniger absehbar. In unserer heutigen Zeit der preisgünstigen Massenproduktion kann sich eigentlich jeder alles leisten was er braucht an Möbeln, Haushaltsgeräten und so weiter. Was aber wichtig und immer wertvoller wird im Rahmen dieser Entwicklung, sind unsere persönlich verbrachte Zeit sowie persönlich, mit Liebe gefertigte Waren, einmalige Produkte. In diese Bereiche sind viele Leute im Rahmen von Corona rein gerutscht, über Plattformen wie Etsy, wo man Waren persönlich anbieten und vertreiben kann, und das sogar weltweit. Eine Entwicklung, die also sowieso gekommen wäre und sich durch die Pandemie nur beschleunigt hat? Sandra Navidi: Ganz genau. Da ist die Digitalisierung, die Künstliche Intelligenz, die Vorherrschaft der großen Tech-Konzerne, die heute von der Macht her eigentlich die Rolle von Finanzkonzernen gewissermaßen übernommen haben und immer mehr auch finanzielle Dienstleistungen anbieten, wie Amazon, Facebook, das eine Kryptowährung herausbringen will und PayPal, das diese bereits akzeptiert. Diese Übermacht wird getrieben durch Netzwerkeffekte, und die Mächtigen nutzen die Möglichkeit, sich überproportional schnell zu vergrößern. Aber diese Entwicklungen laufen im Alltag etwas unter dem Radar, man bekommt das nur schrittchenweise mit, bis auf einmal die große Veränderung dann scheinbar über Nacht eingetreten ist. Wie zum Beispiel die Gig-Arbeit, also dass immer mehr Leute outgesourct und damit unabhängige Vertragsarbeiter ZAS MAGAZIN