Ausgabe 4_2022: fassadenBAUKULTUR

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BAUKULTUR Zeitschrift des DAI Verband Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine e.V.

2022

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Schwerpunkte

Innovative Fassadenlösungen Gebäudehülle

AIV Hanau

Zum 100. Geburtstag von Gerhard Tuch

BAUKULTUR

fassaden


Der ehemaligen Wolldeckenfabrik in Aschersleben „Vor dem Wassertor“ wurde neues Leben eingehaucht. Die Industriehallen wurden mit nachhaltigen und kreislauffähigen Baumaterialien zusammen mit der Ingenieurplanungsgesellschaft mbH Wohlrab, Landeck & Cie. saniert. Entstanden sind moderne und energieautarke Wohnungen. Bei der Außengestaltung der Fassade und der Balkonterrassen kam der schadstofffreie, materialgesunde und Cradle to Cradle Certified® Gold zertifizierte Holzwerkstoff GCC von megawood® zum Einsatz. Umgesetzt wurde das Projekt im Rahmen des Nutzungsvertrags. Die megawood® Produkte werden somit nach Ende der vereinbarten Nutzungsdauer nicht einfach entsorgt, sondern wieder in den stofflichen Kreislauf zurückgeführt. Jetzt mehr erfahren unter www.megawood.com


BAUKULTUR 4_2022

editorial

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LIEBE KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN, VEREHRTE LESER UND FREUNDE DER BAUKULTUR, Solidarität und Partizipation. Mir ist aufgefallen, dass in vergangenen Editorials das Thema Solidarität in verschiedenen Kontexten angesprochen wurde. Ob es unser Verhalten zur Eindämmung des Coronavirus beschreibt oder die Notwendigkeit von verändertem Handeln in der Klimakrise oder das hilfsbereite Zusammenstehen in Zeiten des Krieges. Solidarität schenkt im besten Falle Trost, gibt Perspektive und erzeugt eine „solide“ Basis. „Solidarität ist nicht alles, aber ohne Solidarität ist alles nichts“. So könnte man in Abwandlung des Sinnspruches über die Gesundheit formulieren. Und tatsächlich baut unsere demokratische Gesellschaft darauf auf, dass wir im Konsens handeln. Der soziale Friede ist eine Errungenschaft, die nicht hoch genug bewertet werden kann, und stetig müssen wir danach streben. Sicherheit im öffentlichen Raum, der Schutz der Menschen und ihrer Umwelt, der Erhalt der Natur und der gebauten Infrastruktur müssen uns allen ein Anliegen sein. Dies ist nicht mit polizeilichen Ordnungsmaßnahmen zu sichern, sondern es bedarf einer in der Breite empfundenen Wertschätzung – eben Solidarität. Die Tätigkeit von Architekten und Ingenieuren gibt viel Anregungen zu diesem Thema. Schaut man in die Geschichte, so sind die Gestaltung lebenswerter und gesunder Städte, die Versorgung mit sauberem Wasser und Energie das Werk von Ingenieuren. Fehlgeleitete Entwicklungen, wie etwa die „autogerechte Stadt“ werden heute korrigiert, und der öffentliche Raum erhält seine Bedeutung zurück. Bei der Gestaltung der Städte der Zukunft unter den Aspekten der Nachhaltigkeit entwickeln und realisieren wir gemeinsam Konzepte. Die Lösungen entstehen aus der Anwendung von bewährten Bauweisen, aber auch technischen Neuerungen. Die Wertschätzung der Tätigkeit der Planung hat durch die Vielzahl beachtlicher guter Beispiele deutlich zugenommen. Hieraus leiten wir Ansprüche an die Planer und auch an die Bauherren ab. Sobald dies den öffentlichen Raum betrifft, kommt ein weiterer Anspruch an eine „gute Planung“ ins Gespräch: die Partizipation.

Die frühzeitige Einbindung von möglichst breit gefächerten Bevölkerungsgruppen wird von Prof. Christian Baumgart in seinen „Gedanken zu Planungskultur und Partizipation“1 als Schwarmintelligenz anerkannt, welche angesichts der zu lösenden komplexen Aufgaben die Wahrscheinlichkeit der Akzeptanz von Planung erhöht. „Mit angemessenen Mitwirkungsmöglichkeiten für Bürger stärken wir die Planungskultur, und eine starke Planungskultur ist ein wesentlicher Eckpfeiler der Baukultur“.2 Bereits 1960 wurden im Bundesbaugesetz die Grundzüge der Bauleitplanung festgelegt und der Abwägungsprozess im Interessensausgleich genannt. Jens Krause beschreibt in seinem Artikel „Bauen im Spannungsfeld zwischen öffentlichen und privaten Interessen“3 die Zunahme der Anforderungen an den Interessensausgleich in der Überarbeitung des Baugesetzbuches von 2021 und mahnt deren konsequentere Anwendung an. Die hier als Autoren wirkenden Ehrenpräsidenten des DAI haben in ihrer beruflichen Tätigkeit nachhaltig gezeigt, dass Partizipation, wenn sie von allen Seiten verantwortlich gelebt wird, ein erfolgreicher Garant für eine breite Wertschätzung ist. Lasst uns gemeinsam an einer solidarischen, wertschätzenden und nachhaltigen Welt weiterbauen. Herzlich, Ihr

Arnold Ernst DAI Präsident

Anmerkungen 1,2

150 Jahre DAI, Bau: Kunst und Technik, Berlin 2022, S. 44–47.

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Ebenda, S. 216–219.


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DAI bundesweit

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Kiel

Pinneberg

DAI Festschrift Der DAI und die ihm bundesweit angegliederten Architekten- und Ingenieurvereine haben in den 150 Jahren seit ihrer Gründung 1871 wichtigste Beiträge im Bereich des Bauwesens und der Bautechnik geleistet. Die jüngst erschienene Festschrift gibt einen Überblick über die Geschichte und zeigt darüber hinaus Eindrücke aus der Tätigkeit der Architekten- und Ingenieurvereine in der Gegenwart.

Osnabrück

Berlin-Brandenburg

Leipzig Düsseldorf

Oberhessen Wiesbaden

Die Festschrift können Sie ab sofort im Online-Shop des Verlags bestellen:

Aschaffenburg Bamberg

Mainz

https://treppe-b.de/produkt/150jahre-dai

Saar

Mannheim

Nürnberg

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kein DAI Mitgliedsverein DAI Mitgliedsverein mit Textbeitrag in der vorliegenden Ausgabe

DAI MITGLIEDSVEREINE AIV Aschaffenburg AIV Aschersleben-Staßfurt AIV Bad Hersfeld AIV Braunschweig AIV Frankfurt AIV Hanau AIV Hannover AIV Hildesheim AIV Koblenz

AIV KölnBonn AIV Konstanz AIV Leipzig AIV Marburg AIV Mark Sauerland AIV Oberhessen AIV Schweinfurt AIV Stuttgart AIV Ulm

AIV Würzburg AIV zu Berlin-Brandenburg AIV zu Magdeburg Mittelrheinischer AIV Darmstadt Münchener AIV Münsterländer AIV Oldenburgischer AIV Ruhrländischer AIV zu Essen Schwäbischer AIV Augsburg


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inhalt

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Rubriken Nachrichten Kolumne Bundesstiftung Baukultur Wirtschaft + Recht DAI aktuell Aus dem Präsidium

10–11 10–11

DAI regional AIV Hanau: Zum 100. Geburtstag von Gerhard Tuch

12–22 12–13 14–15 16–17 18–19 20–21 22

Schwerpunkte: Innovative Fassadenlösungen + Gebäudehülle Lacube architectes: Schule in Marseille hammeskrause architekten bda: Laborgebäude in Lübeck wulf architekten: Sportzentrum in Überlingen asp Architekten: Parkhaus in Stuttgart KRP Architektur: Kindertagesstätte und Bürogebäude in Berlin OS A Ochs Schmidhuber Architekten: Bürogebäude in München

23–38 23 24 25 26–27 28–29 30 31 32–33 34 35 36–37 38

Advertorials | Anzeigen Bockhorner Klinkerziegelei Uhlhorn GmbH & Co. KG: Klinik in Bad Zwischenahn Deppe Backstein-Keramik GmbH: Bürogebäude in Nordhorn Moeding Keramikfassaden GmbH: Pfarramtsgebäude in Hamburg Caparol Farben Lacke Bautenschutz GmbH: Mehrfamilienhaus in Dortmund Schüco International KG: Forschungsgebäude in Hanau KLB Klimaleichtblock GmbH: Tagesklinik in Koblenz Rieder Sales GmbH: Bürogebäude in Aachen Hering Bau GmbH & Co. KG: Rathaus in Korbach Schöck Bauteile GmbH: Wohnquartier in Nürnberg NATURinFORM GmbH: Wohnhaus in Mühltal Alho Holding GmbH: Fassaden im Modulbau Mehler Texnologies GmbH: Textiles Fassadenmaterial

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Titel: Sportzentrum in Überlingen von wulf architekten (Foto: Brigida González)

Editorial Arnold Ernst DAI bundesweit Inhalt

Autoren | Vorschau | Impressum


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nachrichten

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Blick in die Ausstellung „More than Bricks!“ (Foto: Pozellanikon Selb)

Holz- und Werkzeugmuseum in Riedau (Foto: Lignorama)

More than bricks Ob als Ziegel, Klinker oder Fliese – Keramik ist untrennbar mit der Geschichte des Bauens und Wohnens verbunden. Keramik bildet, häufig unter dickem Putz verborgen, das Grundgerüst unzähliger Bauwerke. Dabei hat sie als Baustoff auch ein hohes gestalterisches Potenzial. Schon früh setzten Architekten das Material bewusst ein, um tristen Gemäuern einen besonderen Glanz zu geben. Noch bis 3.10.2022 zeigt das Porzellanikon Selb die Ausstellung „Tradition und Zukunft der Architekturkeramik“. www.porzellanikon.org

rama in Riedau folgt dem Weg des Baumes aus dem Wald über die Produktion bis hin zur Anwendung. Noch bis 14.8.2022 veranschaulicht sie anhand ausgewählter Projekte, welche technischen und gestalterischen Möglichkeiten der moderne Holzbau bietet. Schon der Veranstaltungsort ist ein Ausstellungsstück, ist er doch frühes Beispiel für einen mobilen Pavillon. Für die Olympischen Winterspiele 1998 in Japan als „Österreichhaus“ konzipiert, wurde er nach Ende der Spiele zurück nach Österreich transferiert und in Riedau aufgebaut. www.lignorama.com

O. M. Ungers Noch bis 14.7.2022 präsentiert das Architekturmuseum der TU Berlin anhand von Zeichnungen und Modellen drei Schlüsselwerke des Architekten O. M. Ungers: das Architekturmuseum Frankfurt, die Messe Frank-

Starkerer Stadel Bauen und Wohnen auf dem Land gehören zu den zentralen Themen von Freilichtmuseen. Das Freilichtmuseum Glentleiten hat in einem seiner größten historischen Gebäude,

Friedrichstadt Berlin, Planungsstudie 1977 (Foto: © UAA Ungers Archiv für Architekturwissenschaft)

Bundwerkstadel aus Starkern (Foto: Freilichtmuseum Glentleiten)

furt und die Badische Landesbibliothek Karlsruhe. Alle drei lassen eine große Bandbreite entwurflicher Strategien erkennen. Allen Ansätzen jedoch ist die Fähigkeit gemein, einen städtischen Ort zu konstruieren, der in einem umfassenden Sinn nicht nur als realer Ort, sondern auch als „geistiger, geschichtlicher und gesellschaftlicher Raum“ verstanden wird. https://architekturmuseum.ub.tuberlin.de

dem Stadel aus Starkern, eine museumspädagogische Zentrale eröffnet. Darin befindet sich ein neu gestalteter interaktiver Bereich, der mit analogen und digitalen Mitmachstationen zum Nachdenken über die eigenen vier Wände einlädt. Der Starkerer Stadel bietet mit dieser Präsentation eine Art Auftakt und Lesehilfe für den anschließenden Museumsbesuch. www.glentleiten.de

Aus Holz gebaut Wie wird aus einem Baum ein Haus? Die Ausstellung im Holz- und Werkzeugmuseum Ligno-

Günther Domenig Die Retrospektive „DIMENSIONAL – von Gebäuden und Gebilden“ präsentiert bis 16.10.2022 an vier Orten in Kärnten das Werk des

Günther Domenig: Gründer-, Innovations- und Gewerbezentrum in Völkermarkt, 1993–1995 (Foto: Gerhard Maurer)

in Kärnten geborenen Architekten Günther Domenig (1934–2012). Ausgangspunkt der Ausstellung sind Domenigs zentrale und heute ikonische Bauwerke, die mit seinen frühen kollaborativen (mit Eilfried Huth) und utopischen Architekturprojekten beginnen. www.domenigdimensional.at

Ausstellung „Tableaux Vivants“ (Foto: Architekturforum Zürich)

Tableaux Vivants Bewegte Standbilder als Ausdrucksmittel in der Architektur sind das Thema einer Ausstellung des Architekturforums Zürich, die noch bis zum 15.7.2022 gezeigt wird. Ein „Tableau Vivant“ verbindet die räumliche Inszenierung der Fotografie in Kombination mit dem bewegten Bild der Umgebung und der Menschen. Es ist ein Standbild, in dem Bewegung herrscht. www.af-z.ch Schalldämmung im Holzbau Selbst im modernen Holzbau ist Trittschall eine Herausforderung. Wissenschaftler des Forschungsinstituts Empa an der ETH Zürich arbeiten an einer Lösung. Ihr Ziel ist eine Trittschalldämmung mit Brettsperrholzplatten-Elementen, die auf dem Prinzip der Lärmreduzierung über schwarze Löcher beruht. Das Ergebnis: Eine Holzdecke mit akustischen schwarzen Löchern ist wesentlich leichter als eine herkömmliche Decke und dämpft Trittschall dennoch deutlich besser. Die Steifigkeit der Deckenkonstruktion bleibt dabei erhalten. www.empa.ch


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kolumne

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FARBE ALS BEITRAG ZUR (UM-)BAUKULTUR Architektur ist, neben dem Dienst an den Nutzern des Gebäudes, auch der Gesellschaft verpflichtet. Als prägendes Element im räumlichen Gefüge lässt sich unsere gebaute Umwelt und insbesondere die dem öffentlichen Raum zugewandte Fassade als visuelles Allgemeingut verstehen. Der Slogan der Bundesstiftung Baukultur „Räume prägen Menschen – Menschen prägen Räume“ bezieht sich auch auf den städtischen Raum, in dem uns verschiedene Fassadenbilder umgeben. Fassaden sind Ausdruck ihrer Zeit und vorherrschender Ideale. Im aktuellen Dialog um klimaangepasstes Bauen wird vielfach versucht, durch begrünte Fassaden und Photovoltaikelemente ein Image von ökologischer und nachhaltiger Architektur zu schaffen. Parallel dazu wird die Klassifizierung von Fassaden nach energetischer Performance und anhand technischer Merkmale vielfach mit Qualität gleichgesetzt. Ästhetik und der baukulturelle Wert der Fassaden rücken in der Diskussion um objektive und quantifizierbare Kriterien in den Hintergrund. Gestaltung lässt sich nur schwer messen. Im Sinne der Nachhaltigkeit müssen Gebäude jedoch angenommen und von Nutzenden und der Stadtbevölkerung geschätzt werden, um eine möglichst lange Lebensdauer zu erzielen. In diesem Feld der teils subjektiven, Emotionen weckenden Gestaltung lässt sich auch Farbigkeit als architektonisches Mittel verorten. Bei den Siedlungen von Bruno Taut in Berlin wird deutlich: Farbe kann identitätsstiftend wirken. Die Fensterprofile werden mit Hilfe verschiedener Farben zu filigranen Bauteilen, der Gang durch die Siedlungen erhält durch die farbige Gestaltung einen Rhythmus. Die Farbigkeit transportiert den Ansatz einer Individualisierung im Massenwohnungsbau und hat den von Taut in Berlin erbauten Siedlungen Namen wie „Tuschkastensiedlung“ und „Papageiensiedlung“ eingebracht. Farbe kann bei der Gestaltung von Fassaden auf vielfältige Weise eingesetzt werden. Auch um neue Bauten in bestehende Gefüge einzubinden, wird häufig der Bezug zur umgebenden Farblandschaft gesucht. Der Einsatz von Farbe hat einen prägenden Einfluss auf die Wahrnehmung und Wirkung von Architektur.

rechts Expressive Farbgestaltung am Kesselhaus in Potsdam (Foto: © Klebebande)

Sauerbruch Hutton, die im deutschen Raum wie kaum ein anderes Büro für polychrome Fassaden bekannt sind, setzen Farben wie Materialien ein, wodurch sie den Charakter der Gebäude prägen. Der Dialog mit dem baulichen Kontext, aber auch die emotionale und räumliche Wahrnehmung der Gebäude werden durch die Farbigkeit der Fassade geprägt. Der vor kurzem fertig gestellte Luisenblock veranlasste die Süddeutsche Zeitung zu einem Plädoyer für Farbigkeit in der Architektur – die als Beitrag zur Baukultur zu verstehen sei, in Abgrenzung zu Buntheit, die dem Autor zufolge für Beliebigkeit stehe. Während bei Bruno Taut oder Sauerbruch Hutton Farbigkeit als formender Aspekt im Gebäudeentwurf einfließt, bietet der Einsatz von Farbe im Gebäudebestand die Möglichkeiten zu nachträglichen Aufwertungen. Über eine gelungene Farbgestaltung kann mit geringen Kosten der Bestand verändert und im Idealfall vor vorzeitigem Abriss bewahrt werden. Am Potsdamer Kesselhaus, Teil des Kulturzentrums Waschhaus, wurde die häufig kritisierte graue Fassade in Anlehnung an das Ziegelrot des Kulturzentrums Waschhaus und in Abstimmung mit dem Denkmalamt nachträglich umgestaltet. Als „Kunst am Bau“-Projekt konnte die Berliner Klebebande die Fassade zunächst für eine Dauer von fünf Jahren verwandeln. Das expressive Muster hat den Ausdruck des Gebäudes verändert und ihm eine neue Identität verliehen. Farbe als Sinnesreiz kann in der Architektur einen Beitrag zu einer nachhaltigen Baukultur und Umbaukultur leisten. Natalie Hipp www.bundesstiftung-baukultur.de


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wirtschaft + recht

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§§ Die in Berlin, München, Frankfurt und Wien ansässige Kanzlei Zirngibl Rechtsanwälte Partnerschaft mbB ist Premiumpartner des DAI. Zu ihren bundesweiten Arbeitsschwerpunkten zählen das Immobilien-, Bau- sowie das Vergaberecht.

NEUES AUS DEM... …Bau- und Architektenrecht

...Vergaberecht

Liegt in der Bezahlung einer Abschlagsrechnung ein Anerkenntnis der abgerechneten (erhöhten) Preise?

Massive Verschiebung der Ausführungszeit kann Aufhebung eines Bauauftrages rechtfertigen!

Nein, hat das Oberlandesgericht Hamburg entschieden (OLG Hamburg, Urteil vom 27.11.2020 – 8 U 7/20; BGH, Beschluss vom 27.10.2021 - VII ZR 11/21 - Nichtzulassungsbeschwerde durch BGH zurückgewiesen).

Eine Aufhebung ist jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn zu der Verschiebung besondere Umstände hinzutreten. So das OLG Naumburg in seiner Entscheidung vom 17.12.2021 (7 Verg 3/21).

Was war geschehen? Der Auftraggeber beauftragte den Auftragnehmer auf Basis eines Pauschalpreisvertrags mit Parkettlegearbeiten. Wegen Verzögerungen der Vorgewerke verschob sich der Ausführungszeitraum. Der Auftragnehmer behauptete Materialpreiserhöhungen von 7,5 %. Eine ausdrückliche Einigung hierüber haben die Vertragsparteien im Anschluss nicht erzielt. Der Auftragnehmer vertrat dann vor Gericht die Auffassung, dass der Auftraggeber durch die Bezahlung der Abschlagsrechnungen, die bereits erhöhte Materialpreise beinhalteten, die Preiserhöhung konkludent zugestimmt bzw. anerkannt habe.

Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens war die Vergabe des Ersatzneubaus eines Gymnasiums. Der Antragsgegner hob das Vergabeverfahren kurz vor dem Zeitpunkt des Angebotsöffnungstermins auf. In seinem Schreiben informierte der Antragsgegner die Bieter, darunter die Antragstellerin, darüber, dass das Vergabeverfahren aufgehoben worden sei, weil eine grundlegende Änderung der Vergabeunterlagen wegen einer Verschiebung der Ausführungsfrist um sechs Monate erforderlich sei (§ 17 EU Abs.1 Nr. 2 VOB/A 2019). Nachdem Rügen und Nachprüfungsantrag mit dem Ziel, die Aufhebung für rechtswidrig zu erklären, erfolglos blieben, ging dem OLG Naumburg die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer zu.

Dieser Auffassung erteilte das OLG Hamburg eine Absage. Aus der schlichten Bezahlung einer Abschlagsrechnung kann weder eine konkludente Vertragsänderung noch ein Anerkenntnis der Preiserhöhung abgeleitet werden. Zur Begründung stellt das OLG Hamburg insbesondere auf den vorläufigen Charakter von Abschlagsrechnungen ab. Abschlagsrechnungen dienen primär dem Zweck, dem Auftragnehmer Liquidität zu verschaffen. Denn die Endabrechnung erfolgt erst mit der Schlussrechnung. Im vorliegenden Fall kam noch hinzu, dass der Auftraggeber vor dem Hintergrund der Pauschalpreisabrede keinen Anlass hatte, die (erhöhten) Einzelpreise, die nicht einmal gesondert ausgewiesen waren, zu überprüfen. Rechtsanwalt Lukas Ritter, LL.M. (TCD)

Das OLG Naumburg entschied, dass die Verlängerung der Bauzeit hier ausnahmsweise auch als eine wesentliche Änderung der Grundlagen der Vergabeunterlagen anzusehen sei. Ein Aufhebungsgrund nach § 17 EU Abs.1 Nr. 2 VOB/A 2019 sei hier ausnahmsweise wegen der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls gegeben, da neben der zeitlich gravierenden Verschiebung auch mit hoher Wahrscheinlichkeit eine erhebliche Steigerung der Selbstkosten der Auftragnehmer durch Preissteigerungen (insbesondere bei Dämmstoffen) drohe und dadurch ebenfalls eine erhebliche Verschiebung der Äquivalenz des Vertragsverhältnisses. Dies umso mehr, da in den Vergabeunterlagen keine Regelungen zu Preisanpassungen erhalten waren. Zu Lasten des AG habe hier eine erhebliche Erhöhung der Gesamtvergütung im Raum gestanden. Allein dies käme bei isolierter Betrachtung als wesentliche Änderung der Grundlagen der Vergabeunterlagen in Betracht. Rechtsanwalt Fritz Stöcklein

Ansprechpartner Berlin: RA Lars Robbe Tel.: 030–880331–231, Mail: l.robbe@zl-legal.de, www.zl-legal.de Ansprechpartner München: RA Dr. Ulrich May Tel.: 089–29050–231, Mail: u.may@zl-legal.de, www.zl-legal.de


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AUS DEM PRÄSIDIUM Anfang Mai kamen in Potsdam wieder hunderte Vertreter unserer Berufsstände und verwandter Branchen zum Konvent der Baukultur zusammen. Der Konvent bildet das zentrale Forum der Meinungsbildung der Bundesstiftung Baukultur. Alle vier Jahre werden die Mitglieder des Konvents neu berufen, bis zu 350 Persönlichkeiten mit einem außerordentlichen Engagement für die Baukultur. Prof. Christian Baumgart, DAI Ehrenpräsident und Mitinitiator der Bundesstiftung Baukultur, wurde nach jahrelanger Tätigkeit im Beirat feierlich verabschiedet. Die konstituierende Sitzung zur Neubesetzung des Beirates fand am 24.6.2022 statt. Inzwischen wurde die Festschrift zum 150-jährigen Jubiläum des Verbandes anhand der Vorbestellungen der AIVe ausgeliefert. Wir sind erfreut, dass wir bisher nur positive Rückmeldungen erhielten und bereits einige Nachbestellungen haben. Das Buch kann nun auch online beim Verlag treppe-B bestellt werden. Wir freuen uns über weitere Resonanz. Der DAI Tag in Münster rückt näher: Ab sofort können Sie sich online unter www.dai.org verbindlich anmelden. Inhaltlich eingefasst wird die Veranstaltung durch das Symposium „Mobilität in Stadt und Land“, ein hochaktuelles Thema mit prominenten Referenten, das von den Kollegen des Münsterländer AIV detailliert vorbereitet wurde – danke dafür! Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen in Berlin schreitet mit seinem Aufbau voran. Einige Veranstaltungen zu wohnungspolitischen Fragen, Fragen des nachhaltigen Planens und Bauens sowie zur Städtebauförderung, die dieses Jahr 50 Jahre alt wird, haben seit Jahresbeginn bereits stattgefunden. Jüngst wurde das Kompetenzzentrum Regionalentwicklung des BBSR in Cottbus eröffnet. Politische Top-Priorität haben weiterhin die Themen energetische Sanierungen und der Wohnungsneubau in den Ballungsräumen. Udo Sonnenberg

HINWEIS IN EIGENER SACHE Nach 18 Jahren wird unser Geschäftsführer Udo Sonnenberg die Tätigkeit für den DAI zum 30.6.2022 abgeben. Grund hierfür sind die anspruchsvollen Aufgaben in der eigenen Agentur, die ihn zeitlich vollständig vereinnahmen. Wir bedauern dies ausdrücklich und wünschen ihm natürlich anhaltenden Erfolg, verbunden mit unserem herzlichen Dank. Mit Erscheinen dieser Ausgabe hat der DAI also auch eine neue Adresse: Die Geschäftsstelle ist ab sofort in den Räumen des AIV zu Berlin-Brandenburg in der Bleibtreustraße 33 in 10707 Berlin erreichbar. Dies ist nicht nur eine naheliegende wirtschaftliche Lösung, sondern ermöglicht auch eine Neubesetzung der Geschäftsführung mit einer Persönlichkeit, die dem DAI seit Jahren nahesteht. Hierzu werden wir in der nächsten Ausgabe der BAUKULTUR berichten. Arnold Ernst

www.sl-rasch.de


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DAI regional

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rechts Gerhard Tuch in seinem Büro

AIV Hanau

ZUM 100. GEBURTSTAG VON GERHARD TUCH Bauingenieur Gerhard Tuch (1922–1985) war Mitbegründer des Architekten- und Ingenieurvereins Hanau. Er wurde in Weißenfels an der Saale geboren und studierte nach Ende des Zweiten Weltkriegs Bauingenieurwesen in Karlsruhe. Seine Arbeit führte ihn schließlich nach Hanau. Im August würde er 100 Jahre alt werden. Gerhard Tuch entstammte einer Baumeisterfamilie. Mit seinem eigenen Ingenieurbüro war er ab Mitte der 1950er Jahre bei unzähligen Bauvorhaben in Hanau und der weiteren Region beauftragt und trug wesentlich zum Wiederaufbau der im Zweiten Weltkrieg vollkommen zerstörten Stadt und ihrer Infrastruktur bei. Spezialgebiet Schulbau Als beratender Ingenieur für Baustatik war Gerhard Tuch bei über 30 Schulbauten in Hanau und der Umgebung eingebunden. Für neue Schulbauformen entwickelte er effiziente

Bausysteme für große Spannweiten von bis zu 19,20 m, mit denen frei einteilbare Grundrisse möglich wurden. Für die Gesamtschule in Neuanspach im Taunus entwickelte er ein patentiertes Verbundbausystem, das effizient die Vorteile von Beton und Stahl nutzte. Ein anderes Beispiel für einen konventionellen, für die 1960 Jahre typischen Schulbau, mit dem er beauftragt wurde, war die Wilhelm-Geibel-Schule in Hanau mit ihren langen, um einen großen rechteckigen Innenhof gruppierten Zeilen. Führendes Ingenieurbüro in der Region Das Ingenieurbüro von Gerhard Tuch mit bis zu zehn technischen Angestellten arbeitete nicht nur für kommunale Bauherrn, wie z. B. Stadt- und Kreisbauämter, sondern auch im Auftrag von Bundesbehörden, wie z. B. die Deutsche Bundespost oder das Sonderbauamt Frankfurt am Main bei großen Bauten der Bundeswehr. Auch berechnete er die Neubauten des Kreishochhauses, der Hauptpost und des Gewerkschaftshochhauses in Hanau, außerdem in Koblenz die großen Postpakethallen mit ihren Schalendachtragwerken und bei Frankfurt am Main die Kühltürme des Kraftwerks Staudinger. Bis weit in die 1970er Jahre war er für unzählige Bauvorhaben großer Unternehmen sowie für private Geschäfts- und Wohnbauten beauftragt. Mitbegründer des AIV Hanau 1955 war Gerhard Tuch Mitbegründer des AIV Hanau und bis 1966 Vorstandsmitglied. Er vertrat in mehreren Berufs- und Fachverbänden immer die Unabhängigkeit der beratenden Ingenieure, um effiziente und kostensparende Bauweisen zu gewährleisten, und sah sich stets den Bauherrn und Architekten verpflichtet, die ihm Einfühlungsvermögen in die Formgebung der jeweiligen Bauentwürfe bescheinigten.

links oben Gesamtschule in Neuanspach links Wilhelm-Geibel-Schule in Hanau


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DAI regional

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oben Die patentierte Sonderkonstruktion für Decken und Dächer besteht aus halben Wabenträgern bzw. aus verzahnt aufgetrennten Stahlprofilen, die mit 8 bis 10 cm starken Betonplattenfertigteilen abgedeckt und durch Ortbeton vergossen werden. Durch das Ausschnittverfahren können aus einem Stahlprofil zwei Tragelemente gewonnen werden. Die verbleibenden Öffnungen ermöglichen die leichte Durchführung von Versorgungsleitungen im Deckenbereich.

Technische Innovationen Mit der Zunahme von planenden Generalübernehmern und politisch getragenen Bauträgergesellschaften schwand die Beteiligung beratender Ingenieure sowie freier und unabhängiger Architekten. Zudem waren der Wiederaufbau Hanaus abgeschlossen und die Auftragslage rückläufig. Von den schweren Öl- und Wirtschaftskrisen bis Ende der 1970er Jahre erholte sich die Bauwirtschaft jahrelang nicht. Als beratender Ingenieur für Bau- und Verkehrswesen und mit Blick auf den Massenverkehr in den Städten und die Zukunft neuer Verkehrssysteme entwickelte Gerhard Tuch schließlich ein Hybridauto, von dem ein zweisitziges und bis an die Stadtgrenze durch einen konventionellen Motor elektrisch aufgeladenes und betriebenes City-Car abgekoppelt werden

konnte. Die Entwicklung wurde in den 1970er Jahren vom Bayerischen Fernsehen aufgezeichnet und im ARD gesendet. Ferner schuf Gerhard Tuch als öffentlich bestellter und vereidigter Umweltsachverständiger Anfang der 1980er Jahre die Grundlagen für eine systematische Erfassung von Abfallstoffen in Hanau mit dem Ziel, bei der Abfallverwertung Energie gewinnen zu können. Innovationen waren für Gerhard Tuch stets eine Notwendigkeit der Zeit, der übliche Konformismus war ihm fremd und der Beruf des Ingenieurs eine Berufung.

Hinter die Fassade schauen: Ökologisch bauen mit Leichtbeton-Mauerwerk von KLB

Klaus Tuch

SO W IR D GE B A UT

Nachhaltig bauen mit Leichtbeton-Mauerwerk dank mineralischer Bestandteile und hoher Speichermasse: Durch die gute Dämmwirkung lassen sich auch höchst energieeffiziente Wohngebäude in einschaliger Bauweise errichten.

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