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EWA-energieUri hat den Wettlauf gegen die Zeit gewonnen KW ERSTFELDERTAL

Im November letzten Jahres gelang der finale Meilenstein in der Umsetzung des neuen Kraftwerks Erstfeldertal: Verwaltungsratspräsident Werner Jauch (hintere Reihe links) gratuliert dem Team – Projektleitung EWA-energieUri, IBN Ingenieure, Troyer AG – zur erfolgreichen Inbetriebnahme.

Foto: EWA-energieUri

KRAFTWERK ERSTFELDERTAL – ENERGIEURI HAT WETTLAUF GEGEN DIE ZEIT GEWONNEN

Ein Kraftwerksbau hat in der Regel mehr von einem Marathon als einem Sprint. Und dennoch musste der Urner Energiedienstleister EWA-energieUri enorm aufs Tempo drücken, um das jüngste Kraftwerk zeit- und fristgerecht ans Netz zu bringen. Mit Erfolg: Bereits 20 Monate nach Baustart lieferte das neue Kraftwerk Erstfeldertal am 19. November letzten Jahres erstmalig Strom und schaffte damit die Inbetriebnahme um mehr als einen Monat vor der ultimativen Umsetzungsfrist. Der nachhaltig erzeugte Strom aus dem neuen Kraftwerk reicht künftig für die CO2-freie Versorgung von 7.200 Urner Haushalten.

Die Vision ist Wirklichkeit geworden: Das Kraftwerksprojekt am Alpbach im Erstfeldertal galt als eines der schwierigsten und ambitioniertesten Kraftwerksprojekte im Kanton Uri seit langem. Seine Umsetzung war in der Vergangenheit gleich mehrfach gescheitert. Bereits 1918, also vor über 100 Jahren, wurden erste Stauversuche am Fulensee unternommen. In den 1950er-, 1960er- und 1990er-Jahren wurden Initiativen für den Bau eines Kraftwerks gestartet. Es wurden mehrere Projektstudien zur Nutzung des Baches, eines der größten noch nutzbaren Gewässers Uris, erstellt, die allesamt in der Schublade verschwanden. Zuletzt waren es vor allen Dingen Bedenken hinsichtlich Trinkwasserschutz, die ein Kraftwerksprojekt in weite Ferne rücken ließen. Doch allen Widrigkeiten zum Trotz gelang der EWA-energieUri, ein neues Projekt auf Schiene zu bringen, das sämtlichen strengen Vorgaben und Richtlinien entsprechen sollte. Im April 2019 war es schließlich soweit: Die ersten Baumaschinen waren am Eingang des Erstfeldertals aufgefahren und begannen mit den Bauarbeiten. In rekordverdächtigen 20 Monaten wurde ein Hochdruckkraftwerk auf dem neusten Stand der Technik realisiert, das am 19. November 2020 erstmalig Strom erzeugte.

EINE EINMALIGE LEISTUNG Circa eine Woche zuvor wurde die rund einen Kilometer lange Druckleitung zum ersten Mal befüllt. Nach erfolgreich absolvierter Druckprobe konnte Werner Jauch, Verwaltungsratspräsident der KW Erstfeldertal AG, Maschine 3, die sogenannte „Wintermaschine“ des Kraftwerks, erstmals in Betrieb setzen. „In zweieinhalb Jahren vom ersten Bewilligungsschritt bis zur Inbetriebnahme ist bei einem Kraftwerk dieser Größenordnung absolut einmalig“, freut sich Werner Jauch über das Erreichen eines der letzten Meilensteine. „Wenn man diese zweieinhalb Jahre Revue passieren lässt, wird erst deutlich, was alle Beteiligten bei diesem Projekt geleistet haben. In 10 Monaten haben wir alle erforderlichen Bewilligungen erreicht: das Konzessionsgesuch, UVB 1. Stufe, Schutz- und Nutzungsplanung nach Gewässerschutzgesetz (SNP), das Baugesuch, UVB 2. Stufe, Gründung KW Erstfeldertal AG sowie die Genehmigung der Schutz- und Nutzungsplanung SNP durch den Bundesrat. In 20 Monaten haben wir die Kraftwerkszentrale und die Wasserfassung gebaut und rund einen Kilometer Fels für den Rohr- sowie den

Während die kleinere „Wintermaschine“ – im Bildhintergrund – bereits seit letzten November Strom produziert, wird aktuell noch an der Inbetriebsetzung der beiden großen Maschinensätze gearbeitet. Das elektromaschinelle Equipment wurde vom Südtiroler Branchenspezialisten Troyer AG geliefert und installiert. Foto: PI Mitterfellner

Foto: EWA-energieUri

Entsanderstollen ausgebrochen. Wir haben die technischen Anlagen installiert und in Betrieb genommen und das Kraftwerk ans Netz angeschlossen. Als zusätzliche Herausforderung haben während rund der Hälfte der Bauzeit aufgrund der Corona-Pandemie erschwerte Baubedingungen geherrscht.“ Die einmalige Leistung am Eingang zum Erstfeldertal war nötig, um das KW Erstfeldertal doch noch zu einer Erfolgsgeschichte zu machen. Schließlich stand das jüngste Projekt gleich mehrfach auf Messers Schneide. „Bis spätestens Ende Dezember 2020 musste das KW Erstfeldertal zum ersten Mal Strom produzieren“, führt Werner Jauch aus. „Sonst wären die Beiträge der nationalen Förderung an das Kraftwerk endgültig verfallen und das Projekt gescheitert. Wir haben an die Machbarkeit geglaubt und es ist uns gelungen, das Kraftwerk bereits mehr als einen Monat vor Ablauf der Frist in Betrieb zu nehmen.“ Für Werner Jauch fast eine Ironie der Geschichte, dass es nach 100 Jahren, in denen kein Kraftwerk realisiert werden konnte, plötzlich alles ganz schnell gehen musste.

Foto: EWA-energieUri

Der Verwaltungsrat der Kraftwerk Erstfeldertal AG nach der Gründungsversammlung im November 2018: Rolf Müller, Peter Dittli (Vizepräsident), Werner Jauch (Verwaltungsratspräsident), Ruedi Cathry und Kurt Schuler (v.l.) VISION DROHTE ZU PLATZEN Bereits 2017 stand das Kraftwerksprojekt kurz vor dem Aus. Die nationale Förderung drohte Ende 2017 endgültig auszulaufen. Damit hätte das Projekt eine zentrale wirtschaftliche Basis verloren. Trotz der schwierigen Ausgangslage versuchte die EWA-

GEMEINSCHAFTSKRAFTWERK: Das Kraftwerk Erstfeldertal ist ein Gemeinschaftswerk. Am 21. November 2018 gründeten die beteiligten Partner EWA-energieUri (38 Prozent), Gemeindewerke Erstfeld (38 Prozent), Kanton Uri (16 Prozent) und Korporation Uri (8 Prozent) offiziell die Kraftwerk Erstfeldertal AG. Anschließend an die Gründungsversammlung fand die erste Sitzung des Verwaltungsrats der KW Erstfeldertal AG statt, der Werner Jauch (Vorsitzender der Geschäftsleitung EWA-energieUri) als Verwaltungsratspräsident vorsteht. Vizepräsident ist Peter Dittli (Geschäftsführer Gemeindewerke Erstfeld). Rolf Müller (Generalsekretär Amt für Finanzen Kanton Uri), Kurt Schuler (Verwalter Korporation Uri) sowie Ruedi Cathry (Leiter Installation EWA) sind Mitglieder.

Foto: EWA-energieUri

Von der Wasserfassung bis zum Krafthaus wurde eine rund 1.000 m lange Druckrohrleitung, bestehend aus geschweißten Stahlrohren DN1400, verlegt.

Trotz strenger Schutzmaßnahmen hinsichtlich CoronaPandemie verliefen die Inbetriebsetzungsarbeiten zügig.

energieUri, die Zusage für die nationale Förderung für das Kraftwerk verlängern zu lassen und erarbeitete gleichzeitig eine Vorstudie für ein kleineres Werk, sozusagen eine „abgespeckte Version“. Auf dieser Basis gelang die Verlängerung der Zusage und somit die Wiederbelebung des Projekts. Und damit fiel auch der Startschuss für den ersten Abschnitt eines herausfordernden Wettlaufs gegen die Zeit: Schließlich galt es nun, bis Ende 2018 die Konzession und die Baubewilligung für das Projekt zu erlangen. Dieser Prozess nimmt in der Regel mehr als zwei Jahre in Anspruch. Im Frühling 2018 reichten die Projektpartner das überarbeitete Konzessionsgesuch ein. Am 3. Oktober 2018 erteilte der Urner Landrat dem Projekt die Konzession ohne Gegenstimme. Ohne Einsprachen erhielt es dann am 19. November 2018 die Baubewilligung.

KNOW-HOW MACHT SICH BEZAHLT Dieser Prozess im Zeitraffer, der einen Projektfortschritt bis hin zur Baubewilligung in weniger als der Hälfte der sonst üblichen Zeit möglich machte, ist eine einmalige und außergewöhnliche Leistung. „Wir wurden am Anfang fast belächelt und unser Vorhaben als nahezu unmöglich und zum Scheitern verurteilt taxiert“, erklärt Werner Jauch. „Und es war tatsächlich ein sehr großer Effort von allen Beteiligten nötig, damit das Projekt nicht an diesem extrem engen Zeitplan scheiterte. Die Projektmitarbeitenden leisteten unzählige Überstunden und verzichteten auf Ferien und Freizeit im Jahr 2018. Sonst hätte es nicht gereicht.“ Ein weiterer Erfolgsfaktor für das Projekt war die langjährige Erfahrung und das umfassende Know-how in allen Bereichen des Kraftwerkbaus. „Aus unseren zahlreichen Kraftwerksprojekten kennen wir die einzelnen Schritte der Projektierung und des Bewilligungsverfahrens ganz genau“, führt Werner Jauch aus. „Wir wissen, wie die Schritte aufeinander folgen, wie viel Zeit sie in Anspruch nehmen oder wer die wichtigen Anspruchsgruppen sind. Beim Kraftwerk Erstfeldertal kam uns weiter zugute, dass wir mit unserem Projekt aus dem Jahr 2008 schon Vorarbeit geleistet hatten, auf die wir zurückgreifen konnten.“

ÜBERZEUGENDES ANLAGENKONZEPT Beim nun konzessionierten Kraftwerksprojekt handelt es sich im Vergleich zu den ursprünglichen um eine kleinere Nutzungsvariante. Das Triebwasser wird im Gebiet Schopfen auf 730 m Seehöhe gefasst, wobei maximal 5,5 m3/s genutzt werden. Die Fassung besteht im Wesentlichen aus einer 9 m breiten Stauklappe, einem Grobrechen, zwei Einlaufschütze, einem Spülschütz, dem Feinrechen, einer horizontalen Rechenreinigungsmaschine und einem HSR-Entsandersystem. Daran anschließend gelangt das Triebwasser in eine Druckrohrleitung aus Stahl der Dimension DN1400. Auf seinem Weg zur Maschinen-

Foto: EWA-energieUri

Zahlen und Fakten

• Kraftwerkstyp: Laufwasserkraftwerk • Gewässer: Alpbach • Kote Wasserfassung: 730 m.ü.M. • Kote Zentrale: 482 m.ü.M. • Bruttofallhöhe: 248 m • Ausbauwassermenge: 5,5 m3/s • Turbinenzahl: 3 Stück • Turbinentyp: Pelton • Fabrikat: Troyer AG • M1 + M2 Leistung: je 5,75 MW • M3: 0,65 MW • Engpassleistung: 11,5 MW • Druckleitung: L = 1.000 m • Material: Stahl / Ø DN1400 • Investition: ca. 37 Mio. CHF • Jahresarbeit: 32 GWh • Wasserzinsen: ca. 500.000 CHF/Jahr • Inbetriebnahme: November 2020

Foto: EWA-energieUri Im Gebiet Schopfen auf 730 m Seehöhe wurde der Alpbach gefasst.

Ein Großteil des Kraftwerks ist unterirdisch angelegt, wie etwa der HSR-Entsander im Anschluss an die Wasserfassung.

zentrale strömt es durch die 1.000 m lange Rohrleitung, die zum größten Teil auch durch einen neu zu errichtenden Stollen führt, bevor es auf 484 m Seehöhe auf die Turbinen in der Maschinenzentrale trifft. Hier sind drei Maschineneinheiten des Südtiroler Wasserkraftspezialisten Troyer AG mit einer Engpassleistung von insgesamt 11,5 MW untergebracht. Konkret handelt es sich um zwei baugleiche, größere Peltonturbinen mit einer Nennleistung von je 5,75 MW und eine kleinere Winterturbine – ebenfalls eine Peltonturbine mit 0,65 MW. Alle drei Turbinen treiben dabei jeweils einen direkt gekoppelten Synchrongenerator an. Der erzeugte Strom wird auf eine gemeinsame 5,5-kV-Sammelschiene geführt und über einen Reguliertransformator 50/5,5-kV und via 50-kV GIS Schaltanlage ins Netz der EWA-energieUri eingespeist.

EFFORT RENTIERT SICH LANGFRISTIG Der besondere Effort beim Bau des KW Erstfeldertal zahlt sich aus. „Rund 45 Firmen aus Uri waren am Bau beteiligt“, erklärt Peter Dittli, Vizepräsident des Verwaltungsrats der KW Erstfeldertal AG. 75 Prozent der Investitionssumme von insgesamt 37 Millionen Franken, also rund 28 Millionen Franken, bleiben als Wertschöpfung in Uri. „Darüber hinaus generiert das Kraftwerk eine halbe Million Franken Wasserzinsen pro Jahr“, erklärt Verwaltungsrat Rolf Müller. „Das ist eine wichtige Einnahmequelle für den Kanton Uri.“ Und das Kraftwerk schafft noch weiteren volkswirtschaftlichen Nutzen: „Es sorgt für Steuereinnahmen für den Kanton Uri und die Gemeinde Erstfeld“, ergänzt Verwaltungsratskollege Kurt Schuler. „Und schließlich sichern Betrieb und Unterhalt auch Arbeitsplätze.“ „All diese Faktoren sind in wirtschaftlich anspruchsvollen Zeiten besonders wertvoll“, ist Werner Jauch überzeugt. „Die Corona-Pandemie führt uns vor Augen, wie wichtig die lokale Produktion ist, wenn die internationalen Lieferketten sehr schnell zusammenbrechen. Das gilt auch für die Energieproduktion. Wir leisten mit dem neuen Kraftwerk einen weiteren wichtigen Beitrag an die nachhaltige, CO2-freie Energieversorgung des Kantons Uri. Das KW Erstfeldertal produziert erneuerbaren Strom für 7.200 Haushalte und reduziert den Kohlendioxid-Ausstoß gegenüber einem Kohlekraftwerk um 40.000 Tonnen jährlich.“

Montage der Druckleitung im Schrägschacht

Foto: EWA-energieUri

Anlieferung des Trafos

Foto: EWA-energieUri

Foto: EWA-energieUri

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