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Editorial
DIE TRENDUMKEHR MUSS AKTIV EINGEFORDERT WERDEN
Das gemeinsame Auftreten der Bundespräsidenten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz soll als klares Bekenntnis für den Klima- und Naturschutz verstanden werden. Und wenn Simonetta Sommaruga, Alexander Van der Bellen und Frank-Walter Steinmeier anlässlich des Weltumwelttages ein rasches Handeln fordern, werden sie gehört und auch verstanden. In ihrem gemeinsamen Aufruf in den Tamedia-Gazetten appellieren sie an die Wirtschaft, von den fossilen Brennstoffen abzurücken und in erneuerbare Energien und umweltfreundliche Technologien zu investieren. Und auch wenn die hehren Ziele für das Trio ähnlich gelagert sind – die Voraussetzungen sind es nicht. In Deutschland hat die Corona-Krise aktuell die Kohle sukzessive vom Markt verdrängt. Seit Anfang des Jahres ist die Stromproduktion aus Kohle um 30 Prozent zurückgegangen. Gleichzeitig stieg der Ökostromanteil laut Statistischem Zentralamt in den ersten drei Monaten auf 50 Prozent an. Eine bemerkenswerte Entwicklung. In der Schweiz wird momentan intensiv über die Revision des CO 2 -Gesetzes diskutiert. Eines dürfte dabei jedoch feststehen: Die Eidgenossen wollen und werden nach wie vor am Senkungsziel gemäß Klimaabkommen festhalten, das eine 50-prozentige Reduktion des CO 2 -Ausstoßes im Vergleich zum Jahr 1990 bis 2030 vorsieht. Wie der Weg dahin genau aussieht, soll in den nächsten Wochen entschieden werden. Beim Nachbarn Österreich dagegen besteht akuter Handlungsbedarf. Wie die Anfang Mai von EURO STAT veröffentlichte Grafik belegt, sind 2019 generell die Emissionen im EU-Durchschnitt zurückgegangen. Sie sanken in 23 Ländern – und stiegen in Österreich mit 2,2 t in absoluten Zahlen am stärksten an. In den letzten 25 Jahren, rechnete unlängst die Branchenvertretung IG Windkraft vor, ist der Anteil der Erneuerbaren in Österreich gar um 5 Prozent zurückgegangen. Man tut sich schwer, dies nicht als klimapolitisches Totalversagen zu bezeichnen. Der Abstieg vom Klassenprimus zum Klimaschutz-Hinterbänkler Europas ist beschämend. Es bleibt abzuwarten, welchen Effekt das Erneuerbaren Ausbau Gesetz zeitigen wird, wenn es wie geplant 2021 in Kraft tritt. Ich denke, es liegt nicht nur an Lobbyisten und Medien das Handeln der Politik einzufordern. Eine rasche Trendumkehr würde sich einstellen, wenn die Zivilgesellschaft stärker ihre Stimme erhebt. Es muss klar sein, dass der Umbau hin zu einem erneuerbaren Energie- und Stromsystem ohne Alternative ist und keinen Aufschub mehr duldet. Der alte Grundsatz, wonach die Alpenrepublik keine Erhöhungen auf Abgaben auf fossile Energien fordert, gehört endlich in den Lokus der Geschichte. Schließlich liegen die wissenschaftlichen Fakten klar auf dem Tisch. Hätte die österreichische Bundesregierung in diesem Bereich ähnlich konsequent den Rat der Wissenschaft befolgt wie in der COVID19-Krise, wäre die Situation jetzt eine andere. Apropos: So schwer vermeidbar der Lockdown auch war, so dramatisch zeigen sich nun dessen Folgen für die Wirtschaft. Laut einer Umfrage auf Marketagent.com haben 80 Prozent der befragten Unternehmen bestätigt, stark oder sehr stark von der Krise betroffen zu sein. Überraschender als dieser Wert ist allerdings ein anderer, den die Plattform veröffentlichte: 81,5 Prozent geben sich optimistisch, fast zwei Drittel rechnen sogar damit, dass ihr Unternehmen gestärkt aus der Krise hervorgehen werde. Diese positive Grundstimmung macht Mut und könnte durchaus Wind in den Segeln einer neuen Aufbruchsmentalität – eines „Jetzt erst recht“ – sein. Das sollte auch für Unternehmen in der Wasserkraftbranche gelten. Schließlich hat gerade die Wasserkraft in der schwierigen Zeit des Corona-Lockdowns ihre Bedeutung nachdrücklich unter Beweis gestellt. Und das gilt nicht nur für die große Wasserkraft. Auch die kleinen Kraftwerke dienen der Aufrechterhaltung der dezentralen Stromversorgung und sind somit Teil der kritischen Infrastruktur, sie tragen zur Versorgungssicherheit und zur Systemstabilisierung bei. Es bleibt nur zu hoffen, dass dies nicht allzu schnell in Vergessenheit gerät, wenn Lobbyorganisationen teils unter großem Mediengetöse einmal mehr zum Generalangriff auf „unökologische“ Wasserkraftwerke ansetzen.
Ihr Mag. Roland Gruber (Chefredakteur) rg@zekmagazin.at
PS: Ein herzliches Dankeschön an alle, die uns auch in diesen schwierigen Zeiten die Treue halten und die an der Entstehung der aktuellen Ausgabe mitgeholfen haben.