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Ein Straßenbauprojekt leitete Start schuss für Biomasseheizwerk ein
STRASSENBAUPROJEKT LEITETE STARTSCHUSS FÜR DAS BIOMASSEHEIZWERK IN ST. ANTON AM ARLBERG EIN
Startschuss für die neue Nahwärme in St. Anton am Arlberg war die Neugestaltung einer Umgehungsstraße. Die Straßenbauarbeiten wurden ressourcenschonend dazu genutzt, Nahwärmeleitungen zu verlegen – ohne, dass zu dem Zeitpunkt ein Heizwerk Wärme erzeugte. Das wurde aber schnell nachgeholt und innerhalb von nur rund einen halben Jahr die Nahwärme St. Anton aus der Taufe gehoben. Seit letzter Heizsaison versorgt die NWSA die Bewohner der Tiroler Gemeinde mit nachhaltiger Nahwärme.
Einer der insgesamt 160 bis 200 m3 Pufferspeicher wurde per Kran im Heizwerk positioniert.
Es ist nicht das erste Mal, dass ein Straßenbauprojekt folgereiche Änderungen für die Tiroler Gemeinde St. Anton am Arlberg nach sich zieht. Legte in den 1880er-Jahren der Eisenbahntunnel den Grundstein für die touristische Ausrichtung des Wintersportorts, verschaffte rund hundert Jahre später der Arlberg-Straßentunnel die nötige Verkehrsberuhigung in der mittlerweile etablierten Urlaubsregion. Zugegebenermaßen werden die meisten Bewohner St. Antons kaum einschneidende Änderungen nach den rund sechs Monate dauernden Bauarbeiten am jüngsten Infrastrukturprojekt in ihrem Alltag bemerken – doch der Entschluss der Gemeinde für eine Versorgung mit Nahwärme ist ein zukunftsweisendes Bekenntnis zur Nachhaltigkeit. Der Anstoß dazu kam in Folge der Neugestaltung der Umgehungsstraße. Die Gelegenheit bot sich an, den bereits offenen Straßenbelag zu nutzen und die Leitungen für eine zu einem damals noch unbestimmten Zeitpunkt angedachte Nahwärme zu verlegen. Doch dadurch wurde der vage Plan rascher als gedacht in die Tat umgesetzt: „Durch den Bau war eigentlich relativ schnell klar: Wenn wir die Rohre schon verlegt haben, werden wir das Projekt Nahwärme auch zeitnah angehen“, erinnert sich St. Antons Bürgermeister Helmut Mall. „Das war der Startschuss.“
Fotos: NWSA
ZEITGERECHTER START TROTZ CORONA
Trotz der Corona-Krise und einem damit verbundenen schwierigen Start kam es letztes Jahr zu einer zeitgerechten Realisierung dieses Projekts: Das neue Heizwerk versorgt seit Spätherbst über eine rund 6 km lange Nahwärmeleitung derzeit 70 Abnehmer. Im ersten Ausbauschritt muss eine vertragliche Wärmemenge von 10,533 GWh/a gesichert sein. Dies entspricht einer Substitution von rund 1,5 Millionen Litern Heizöl pro Jahr und eine CO₂-Einsparung von 4.580 t. Damit leistet die Anlage einen wertvollen Beitrag, die CO2-Emisionen im Ort zu verringern und die Luftqualität zu verbessern. Um diese Wärmemenge zu produzieren, werden 25.000 srm Hackschnitzel, die Großteils aus einem Umkreis von 50 km stammen, in der 4 MW Kesselanlage von Urbas verfeuert. Eine Pufferanlage mit 160 bis 200 m3 Speicher sorgt für die nötigen Kapazitäten für den Spitzenlastausgleich. Zusätzlich wird eine Power-to-Heat-Anlage mit bis zu 5 MW Durchlauferhitzer mit 20 Schaltstufen je 250 kW
Der Transport der Pufferspeicheranlage.
ausgeführt. Diese Anlage wird vorwiegend für die Sommerlast und gelegentlich auch als Regelorgan im Stromnetz verwendet.
VERBESSERTE LUFTQUALITÄT VOR ORT
Neben der nachhaltigen Wärmeerzeugung war der Gemeinde eine hohe Luftqualität vor Ort ein großes Anliegen. Um diese zu gewährleisten, wurden eine Rauchgaskon- densation und ein Elektrofilter in die Anlage integriert. Die nachgeschaltene Rauchgaskondensationsanlage nutzt nicht nur die noch im Rauchgas enthaltene Energie, sondern sorgt für ein nahezu schwadenfreies Rauchgas. Die Energiegewinnung aus Biomasse trägt durch die zentrale Wärmeerzeugung und die optimalen Verbrennungsbedingungen dazu bei, dass die Feinstaubsituation – im Gegensatz zu Einzelfeuerungsanlagen – deutlich reduziert wird. Die Rauchgasreinigung läuft zweistufig ab: Die Staubvorabscheidung erfolgt mittels Multizyklon, die weitere Entstaubung in einem Elektrofilter für die Kesselanlagen. Mit der Installierung dieser modernen Abgasreinigungsanlage werden die vorgegebenen Grenzwerte für Feinstaub deutlich unterschritten. „Der E-Filter reduziert die Feinstaubbelastung auf 10 mg/m3“, berichtet Markus Pülzl vom Unternehmen Aqotec, verantwortlich für die Planung und Projektierung der Nahwärme. Gesetzlich ist ein Staubgrenzwert von 20 mg/ m3 vorgeschrieben. Um die Luftgüte in der Gemeinde vor und nach Inbetriebnahme des Heizwerkes vergleichen zu können, wurden sechs sogenannte Stickstoffdioxid-Passivsammler im Ort montiert. In Absprache mit den Behörden und dem Land Tirol wurden die Messstellen ausgewählt. Die Vorteile durch die Inbetriebnahme des Heizwerks enstehen somit nicht nur für die Kunden, sondern auch für den gesamten Ort. Neben der Verbesserung der Luftqualität profitiert St. Anton am Arlberg auch von einer Verkehrsentlastung im Ortszentrum durch wegfallende Öllieferungen. Derzeit werden die Passivsammler im vierzehntägigen Rhythmus gewechselt und an ein renommiertes Labor für Luftgütemessungen in die Schweiz, zur Auswertung bzw. Analyse, übermittelt. Die Ergebnisse der Analysen werden in einem vom Amt der Tiroler Landesregierung erstellten Berechnungsmodell für Luftschadstoffe eingearbeitet.
Die 4 MW leistungsstarke Kesselanlage von Urbas erzeugt pro Jahr über 10 GWh.
WEITERER AUSBAU GEPLANT
Nach dem erfolgreichen Start in die erste Heizsaison ist das Ziel der Nahwärme St. Anton am Arlberg, in den nächsten Jahren sowohl zusätzliche Kunden für das neue Nahwärmenetz zu gewinnen, als auch neue Versorgungsgebiete zu erschließen – das Werk ist so konzipiert, dass weitere Ausbaustufen erfolgen können und somit noch viele Bewohner von St. Anton am Arlberg von der nachhaltigen Wärmeerzeugung vor Ort profitieren können.
Das Fernleitungsnetz wird mit einem Lecküberwachungssytem ausgestattet, das eine schnelle Ortung von undichten Stellen im Netz ermöglicht.
25.000 srm Hackschnitzel werden jährlich in der Nahwärme St. Anton verfeuert.
Die Steuerung des Heizwerks erfolgt über ein intuitiv bedienbares System.