Atlas nationalpark Stilfser Joch

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ATLAS | NATIONALPARK STILFSERJOCH



ATLAS | NATIONALPARK STILFSERJOCH Von Monica Carro und Luca Pedrotti


Konzept und Projekt Luca Pedrotti, Nationalpark Stilfserjoch Grafische Gestaltung, Karten und Grafiken Monica Carro, Istituto Oikos Texte und Daten Monica Carro, Istituto Oikos und Luca Pedrotti, Nationalpark Stilfserjoch Übersetzung Leo Unterholzner Gesamtleitung Wolfgang Platter, Loredana Dresti und Luca Pedrotti, Nationalpark Stilfserjoch Abbildungen Umschlag Hartmut Eckstein Gianfranco Schieghi Sergio Peroceschi Dimitri Pozzi Renato Grassi Giacomo Meneghello


Wir danken: Réseau Alpin des Espaces Protégés, für die Bereitstellung der Grundlagen für die Karte der Schutzgebiete im Alpenraum. Enrico Bassi, Daniele Bettini, Natalia Bragalanti, Enrico Bruseghini, Ivan Callovi, Fausto Ceschi, Francesca Diana, Loredana Dresti, Massimo Favaron, Alessandro Gugiatti, Hanspeter Gunsch, Lukas Hofer, Isabella Maurina, Dorino Moreschini, Wolfgang Platter, Patrizia Pradella, Daniela Praolini, Dario Rini, Andrea Sagmeister, Andrea Zanoli, dem Nationalpark Stilfserjoch für die Unterstützung bei der Sammlung und Organisation der Daten und für das kritische Lektorat von Textauszügen. Damiano G. Preatoni, Adriano Martinoli, Università degli Studi dell’Insubria, für die Unterstützung zur Realisierung der Karten, der Grafiken und das Kapitel über die Fauna. Elisa Masseroni und Eugenio Carlini, Istituto Oikos, für die Unterstützung zur Realisierung der Kartografie über die Raufußhühner. Fabio Boneschi für den großen Beitrag beim Umbruch. Den Parkförstern des “Coordinamento Territoriale per l’Ambiente del Corpo Forestale dello Stato” und dem Personal des Landesforstdienstes der Provinzen Trient und Bozen für die Mitarbeit bei den Felderhebungen und der Sammlung der faunistischen Daten und der jährlich durchgeführten Zählungen der Huftiere, der Raufußhühner und der großen Greifvögel.

Schweizer Nationalpark für die Bereitstellung der Grundlagen zum Grenzverlauf des Parks. Region Lombardei – Infrastruttura Informazione Territoriale, Autonome Provinz Trient – Servizio Urbanistica e Tutela del Paesaggio e Servizio Foreste e Fauna, Autonome Provinz Bozen-Südtirol – Abteilung Raumordnung, für die Bereitstellung der digitalen Kartengrundlagen für den Südtiroler Anteil. Region Lombardei – Statistica e Osservatori, Autonome Provinz Trient – Servizio Statistica, Autonome Provinz BozenSüdtirol – Landesinstitut für Statistik, für die Daten zur Bevölkerung und der touristischen Aktivitäten. Autonome Provinz Trient – Servizio Foreste e Fauna, Autonome Provinz Bozen-Südtirol – Amt für Jagd und Fischerei, Provinz Sondrio – Ufficio Caccia, Provinz Brescia – Ufficio Caccia, für die Bereitstellung von Daten und Informationen in ihrem territorialen Zuständigkeitsbereich. Autonome Provinz Bozen-Südtirol, Abteilung Forstwirtschaft, für die Bereitstellung der digitalen Waldwirtschaftspläne. Umweltministerium Italien Comunità Montana Alta Valtellina, für die Bereitstellung der digitalen Waldwirtschaftspläne.

Viele Beiträge stammen aus Projekten und Studien für den Park; im Besonderen sei für die wertvolle Arbeit folgenden Personen und Institutionen gedankt: Cagnolaro L., Cortini C., D’Amico C., Moltoni E., Orsomando E., Patella L. V., Pedrotti F., Perari R., Pratesi F., Ranzi S., Ronchetti G., Tomasi G., Tonzig S., Vittori A., den Autoren der “Studi per la valorizzazione naturalistica del Parco Nazionale dello Stelvio, 1969”.

Autonome Provinz Trient – Ufficio Pianificazione e Rilevazioni Idriche für die hydrometeorologischen Daten. Cooperativa Architetti e Ingegneri di Reggio Emilia (CAIRE) und Trifolium. Franco Pedrotti, Università di Camerino.

Pirovano C., Moriconi L., Barcella M., Bosi R., Bonardi L., Galluccio A., den Autoren des Umweltberichtes (lokales Projekt Agenda 21 im Nationalpark Stilfserjoch), aus dem auszugsweise Beiträge für einzelne Kapitel dieser Arbeit verwendet wurden. Scherini G. C., Autor von “I Galliformi alpini nel settore lombardo del Parco Nazionale dello Stelvio”. Carmignola G., Ausarbeitung der Publikation “Das Rotwild im Nationalpark Stilfser Joch: Erhebung des Einflusses auf den Wald in Abhängigkeit von Lebensraum und Bestandesdichte. Band 1. Es wird gebeten, diese Publikation folgendermaßen zu zitieren: Carro M., Pedrotti L. (Koordinatoren), 2011 Atlas Nationalpark Stilfserjoch.



Nationalpark Stilfserjoch

1. Die Schutzgebiete in Italien

Am 3. Dezember 1922 wurde der erste Nationalpark Italiens gegründet, der Nationalpark Gran Paradiso. In dieser für das Land schwierigen Zeit war dies der erste Schritt auf einem langen und mühsamen Weg, um schließlich etwa 10 % des nationalen Gebietes unter Schutz zu stellen. Der unerwartete Erfolg wurde nach langwierigen Verfahren erreicht und der Verdienst dafür gebührt den Regierungen, den Umweltvereinen und den Bürgern, die immer mehr Verständnis für den Umweltschutz und eine nachhaltige Entwicklung hatten. Ein wichtiger Schritt in dieser Entwicklung war die Verabschiedung des Rahmengesetzes Nr. 394, das vom italienischen Parlament im Dezember 1991 erlassen wurde. Es handelt sich immer noch um das grundlegende Gesetz, mit dem die Kategorien der Schutzgebiete definiert und das offizielle Verzeichnis der Schutzgebiete erstellt wurde (2010 wurde die sechste aktualisierte Version veröffentlicht). Gegenwärtig werden im Verzeichnis folgende Schutzkategorien aufgelistet: Nationalparke Nationalparke sind verhältnismäßig große, natürliche Gebiete auf dem Land oder im Wasser, die ausgewiesen werden, um • die ökologische Unversehrtheit eines oder mehrerer Ökosysteme im Interesse der heutigen und kommender Generationen zu schützen; • Nutzungen oder Inanspruchnahme, die den Zielen der Ausweisung abträglich sind, auszuschließen und • eine Basis für geistig-seelische Erfahrungen sowie Forschungs-, Bildungs- und Erholungsangebote für Besucher zu schaffen. Sie müssen alle umwelt- und naturverträglich sein. Regionale und interregionale Naturparke Naturparke sind Gebiete auf dem Land oder auf dem Wasser oder eventuell von Küstenstreifen, mit einer besonderen Umwelt und Naturausstattung, die in einer oder mehreren angrenzenden Regionen ein zusammenhängendes Schutzgebiet bilden, unter besonderer Berücksichtigung der Natur, der Landschaft sowie der Kultur und Tradition der lokalen Bevölkerung. Naturreservate Naturreservate sind kleinere Gebiete auf dem Land oder auf dem Wasser, in denen ein oder mehrere Pflanzen- oder Tierarten oder ein oder mehrere Ökosysteme vorkommen,

die für die biologische Vielfalt und den Naturschutz wichtig sind. Die Naturreservate können, je nach Bedeutung ihrer Naturausstattung, vom Staat oder von der Region verwaltet werden. Feuchtgebiete von internationaler Bedeutung im Sinne der Ramsar-Konvention sind Feuchtwiesen, Moor- und Sumpfgebiete oder Gewässer, die natürlich oder künstlich, dauernd oder zeitweilig, stehend oder fließend, Süß-, Brackoder Salzwasser sind, einschließlich solcher Meeresgebiete, die eine Tiefe von sechs Metern bei Niedrigwasser nicht übersteigen. Andere Schutzgebiete Es handelt sich dabei um Schutzgebiete, die nicht in die oben angeführten Kategorien eingeordnet werden können (Schutzgebiete und/oder Jagdreservate, städtische Parks, usw.). Sie werden eingeteilt in öffentlich verwaltete Gebiete, errichtet auf der Grundlage von Regionalgesetzen oder ähnlichen Verordnungen, oder in privat geführte Gebiete, gegründet mit öffentlich-rechtlichen Verordnungen und die in Konzession oder ähnlichen Vertragsformen geführt werden. Das erste offizielle Verzeichnis wurde 1993 genehmigt. Seither wurde die Liste ständig mit weiteren Schutzgebieten erweitert. Im Laufe der Jahre hatte die Kategorie »Andere Schutzgebiete« eine deutliche Zunahme regionaler und lokaler Schutzgebiete zu verzeichnen. Diese Schutzgebiete sind sehr kapillar gestreut und bilden ein ökologisches Informationsnetz über das gesamte Staatsgebiet. Seit der Genehmigung der Gesetze Nr. 344/1997 und 426/1998 wurden sechs weitere Nationalparks gegründet, und zwar Asinara, Sila, Cinque Terre, Appennino Tosco-Emiliano, Alta Murgia und Appennino Lucano - Val d’Agri - Lagonegrese. Eine wichtige Neuheit für die italienischen Schutzgebiete ist die Einführung territorialer Systeme, nach denen das nationale Gebiet in große Bioregionen eingeteilt wird, und zwar in die Bioregionen Alpen, Apennin, Kleinere Inseln und Meeresschutzgebiete. In dieser neuen Sichtweise werden die Schutzgebiete wichtige Trittsteine im Netzwerk dieser großen Bioregionen, wobei die Parke Beispiel gebend sein können für eine nachhaltige Entwicklung, die dann auch außerhalb der geschützten Gebiete Anwendung finden soll. Diese Aufgabe, die den Parken schon mit dem Rahmengesetz zugedacht

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wurde, ist noch wichtiger, wenn man bedenkt, dass Parke in dünn oder auch dicht besiedelten Gebieten liegen (zum Beispiel der Nationalpark Cinque Terre oder Vesuvio) und daher unterschiedliche Modelle für eine nachhaltige Entwicklung sein können. In diesem Zusammenhang wurden Projekte gestartet, um die Systeme für das Umweltmanagement auch in den Schutzgebieten anzuwenden bzw. wurden Kontrollverfahren eingeführt, um die Auswirkungen auf die Umwelt zu prüfen und den Verbrauch der Rohstoffe zu reduzieren, mit dem Ziel, eine kontinuierliche Verbesserung der Umwelt zu erreichen. Nach fast 20 Jahren seit Inkrafttreten des Rahmengesetzes sind durchaus positive Ergebnisse zu verzeichnen, wie etwa die Ausweisungen neuer Nationalparke. Vor allem aber wurde eine einheitliche gesetzliche und organisatorische Grundlage für die Nationalparke geschaffen. Im letzten offiziellen Verzeichnis von 2010 sind 24 Nationalparke, 27 Meeres-Naturparke, 512 staatliche und regionale Reservate und 134 regionale Naturparke aufgelistet. . Leider wurde das Rahmengesetz zu zögerlich umgesetzt, so dass gegenwärtig noch einige Nationalparke nicht über die entsprechenden Verwaltungsinstrumente verfügen, wie die Parkordnung, den Parkplan und den mehrjährigen Entwicklungsplan der Gebietskörperschaften. Für die Regionalparke sieht das Rahmengesetz die Einbindung der lokalen Verwaltungen im Schutzgebietsmanagement vor, was in einigen Fällen noch nicht zur Gänze erfolgt ist. Trotz der in den letzten Jahren in Italien erzielten Fortschritte im Bereich des Naturschutzes ist der Weg noch lang, bis die Parke ihre Möglichkeiten für einen effizienten Naturschutz, für die Umweltbildung und eine gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung voll nutzen. Damit die bisherige lange und schwierige Aufbauarbeit nicht umsonst war, die in Italien immerhin zu einem bedeutenden Anteil an geschützten Flächen geführt hat, müssen nun die Schwerpunkte auf die vorrangigen Ziele einer nachhaltigen Entwicklung gelegt werden. Diese sehen auf gesamtstaatlichem Gebiet ein dichtes und ausgedehntes Netz an Schutzgebieten als eine der wichtigsten Maßnahmen vor.


FLÄCHE NAME

REGION

WICHTIGE GESETZLICHE GRUNDLAGEN (***)

LAND (ha)

MEER (ha)

Nationalpark Maiella

ABRUZZEN

L. 394, 06.12.91 - D.P.R. 05.06.95

62.838

Nationalpark Abruzzo, Lazio und Molise

ABRUZZEN, LATIUM, MOLISE

R.D.L. 257, 11.01.23 - D.P.C.M. 26.11.93 - D.P.R. 24.01.00

49.680

Nationalpark Pollino

BASILICATA, KALABRIEN

L. 67, 11.03.88 - L. 305, 28.08.89 - D.P.R. 15.11.93 - D.P.R. 02.12.97

171.132

Nationalpark Gran Sasso und Monti della Laga

ABRUZZEN, MARKEN, LATIUM

L. 394, 06.12.91 - D.P.R. 05.06.95

141.341

Nationalpark Aspromonte

KALABRIEN

L. 305, 28.08.89 - D.P.R. 14.01.94

64.153

Nationalpark Sila

KALABRIEN

L. 344, 08.10.97 - D.P.R. 14.11.02

73.695

Nationalpark Cilento e Vallo di Diano

KAMPANIEN

L. 394, 06.12.91 - D.P.R. 05.06.95

178.172

Nationalpark Vesuvio

KAMPANIEN

L. 394, 06.12.91 - D.P.R. 05.06.95

7.259

Nationalpark Foreste Casentinesi, Monte Falterona, Campigna

EMILIA ROMAGNA, TOSKANA

L. 305, 28.08.89 - D.P.R. 12.07.93

31.038

Nationalpark Appennino Tosco-Emiliano

EMILIA ROMAGNA, TOSKANA

D.P.R. 19.05.01

22.793

Nationalpark Circeo

LATIUM

R.D.L. 285, 25.01.34 L. 179, 31.07.02

5.816

Nationalpark Cinque Terre

LIGURIEN

L. 344, 08.10.97 - D.P.R. 06.10.99

3.860

Nationalpark Monti Sibillini

MARKEN, UMBRIA

L. 67, 11.03.88 - L. 305, 28.08.89 - D.P.R. 06.08.93

69.722

Nationalpark Val Grande

PIEMONT

L. 394, 06.12.91 - D.P.R. 23.11.93 - D.P.R. 24.06.98

11.340

Nationalpark Gran Paradiso

PIEMONT, AOSTATAL

R.D.L. 1584, 03.12.22 - D.P.R. 05.08.47 D.P.R. 27.05.09

71.044

Nationalpark Gargano

APULIEN

L. 394, 06.12.91 - D.P.R. 05.06.95

118.144

Nationalpark Arcipelago di La Maddalena

SARDINIEN

L. 10, 04.01.94 - D.P.R. 17.05.96

5.100

Nationalpark Golfo di Orosei und Gennargentu

SARDINIEN

D.P.R. 30.03.98 - D.P.R. 10.11.98 - D.P.R. 22.07.99

73.935

Nationalpark Asinara

SARDINIEN

L. 344, 08.10.97 - D.P.R. 03.10.02

5.170

10.840

Nationalpark Arcipelago Toscano

TOSKANA

L. 305, 28.08.89 - D.P.R. 22.07.96 - DM 19.12.97

16.856

56.765

Nationalpark Stilfserjoch

TRENTINO SÜDTIROL, LOMBARDEI

L. 740, 24.04.35 - D.P.C.M 26.11.93 - D.P.R. 07.07.06

130.734

Nationalpark Dolomiti Bellunesi

VENETIEN

L. 67, 11.03.88 - L. 305, 28.08.89 - D.P.R. 12.07.93 - D.P.R. 09.01.08

31.033

Nationalpark Appennino Lucano - Val d’Agri - Lagonegrese

BASILICATA

D.P.R 08.12.07

68.996

Nationalpark Alta Murgia

APULIEN

D.P.R 10.03.04

68.033

4.591

15.0046

(***) L = Legge = Gesetz R.D.L. = Regio Decreto Legge = Königliches Dekret D.P.R. = Decreto Presidente della Repubblica = Dekret des Präsidenten der Republik

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Nationalpark Stilfserjoch

2. Die Schutzgebiete in den Alpen

Im Jahre 1995 wurde das Netzwerk Alpiner Schutzgebiete (ALPARC) gegründet. Dieses Netzwerk vereinigt heute die großflächigen alpinen Schutzgebiete (Nationalparke, Naturparke, Naturreservate, Regionalparke und Biosphärenreservate) und über 400 Naturschutzgebiete im Alpenraum der acht beteiligten Länder an der Alpenkonvention, mit einem Flächenanteil von 25 % des alpinen Gebietes. Vorrangiges Ziel von ALPARC ist die konkrete Umsetzung des Protokolls »Natur- und Landschaftsschutz« der Alpenkonvention. Das Netzwerk wurde im Jahre 2000 von den Umweltministern der Länder der Alpenkonvention als Organisationsstruktur für die Umsetzung der Konvention selbst anerkannt. Das Ständige Sekretariat der Alpenkonvention hat an das Netzwerk appelliert, die Länder aufzurufen, mit den eigenen Aktivitäten und Maßnahmen fortzufahren und die Vertragspartner einzuladen, im Rahmen des Netzwerkes zusammenzuarbeiten. Das Ständige Sekretariat, das den Sitz beim Nationalpark Ecrins in Frankreich hat, fördert aus diesem Grunde eine aktivere Zusammenarbeit zwischen den Schutzgebieten der verschiedenen Länder im Rahmen von gemeinsamen Projekten und Workshops. Ziel des Netzwerkes ist die verstärkte, länderübergreifende Zusammenarbeit, die Förderung des Austauschs von Personal und der Entwicklung von Projekten zwischen den Schutzgebieten, mit Einbindung und Mitverantwortung der lokalen Bevölkerung in der Verwaltung der Schutzgebiete. Damit soll eine größere Akzeptanz für eine nachhaltige Entwicklung auf lokaler und regionaler Ebene erreicht werden. Unter dem Blickwinkel eines »ökologischen Kontinuität« im Alpenraum schlägt ALPARC einen ständigen Vergleich und Erfahrungsaustausch zwischen den Schutzgebieten vor, der auch zur Umsetzung von Natura 2000 beitragen soll. Weiters versucht das Netzwerk Alpiner Schutzgebiete die Kenntnisse, Erfahrungen und Methoden zwischen den alpinen Schutzgebietsverwaltern auszutauschen und zu fördern, und zwar: a) den Austausch von Erfahrungen und Know-how zwischen alpinen Schutzgebietsverwaltern in allen gemeinsamen Themenbereichen zu ermöglichen und zu unterstützen; b) ein ökologisches Netz zwischen den alpinen Schutzgebieten im Rahmen der Alpenkonvention aufzubauen; c) die Öffentlichkeit und die lokale Bevölkerung zu sensibilisieren und sie über die Bedeutung von Natur und Kultur in den Alpen und die Notwendigkeit ihres Erhaltes zu informieren. Die Kommunikation und der Austausch von Informationen sind grundlegend für die Arbeit des Netzwerkes (Mitteilungsblatt von

ALPARC, Internetseiten, Veröffentlichungen, Rundschreiben). Weitere Aufgaben in diesem Bereich sind der Aufbau von Datenbanken, die allen Schutzgebieten zur Verfügung stehen sollen, die Koordinierung verschiedener Projekte und die Organisation von Arbeitstreffen und Tagungen. Von besonderer Bedeutung ist auch die Arbeit, die das Netzwerk auf der sprachlichen Ebene geleistet hat, um die Kommunikation und den Austausch zu erleichtern. Die Arbeitsschwerpunkte des Alpinen Netzwerkes sind: • Schutz und Verwaltung der Lebensräume und der Arten im Alpenraum; • Entwicklung eines nachhaltigen und verträglichen Tourismus mit dem Schutz des Kulturerbes, der Umwelt und des gesellschaftlichen Erbes; • Unterstützung der naturverträglichen Berglandwirtschaft mit dem Erhalt der Biodiversität. Vom Netzwerk werden Arbeitsgruppen eingerichtet, die sich mit verschiedenen Themen befassen: Bartgeier, Steinadler, Huftiere, Große Beutegreifer, Alpine Flora, Lebensräume der Schutzgebiete, Alpine Kultur und Tourismus. Das Netzwerk arbeitet eng mit Europarc (Föderation der National- und Naturparke Europas) zusammen und fördert den Austausch mit den Schutzgebieten außerhalb des Alpenraums.

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Die Alpenkonvention Die Alpenkonvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag für den umfassenden Schutz und die nachhaltige Entwicklung der Alpen. Sie wurde am 7. November 1991 von Österreich, Deutschland, Schweiz, Liechtenstein, Frankreich, Italien und der Europäischen Union unterschrieben und trat am 6. März 1995 in Kraft, nachdem noch Slowenien und das Fürstentum von Monaco beigetreten sind. Die Vertragsparteien stellen unter Beachtung des Vorsorge-, des Verursacher- und des Kooperationsprinzips eine ganzheitliche Politik zum Erhalt und zum Schutz der Alpen sicher unter ausgewogener Berücksichtigung der Interessen aller Alpenstaaten, ihrer alpinen Regionen sowie der Europäischen Union unter umsichtiger und nachhaltiger Nutzung der Ressourcen. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit für den Alpenraum soll außerdem verstärkt sowie räumlich und fachlich erweitert werden. Mit der Unterzeichnung der Konvention wurde der gesamte Alpenraum mit seinen sehr verschiedenen, sensiblen und an Biodiversität reichen Lebensräumen gewissermaßen zu einem »Pilotgebiet« erklärt, in dem über die sprachlichen und kulturellen Barrieren hinweg versucht werden soll, eine nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten. Die Alpenkonvention ist auf Anregung und nach langer Vorarbeit der CIPRA (Internationale Alpenschutzkommission) entstanden. Die Kommission hat auch entscheidend bei der Umsetzung mitgewirkt und offiziell einen Beobachterstatus erhalten. Die Rahmenkonvention wird durch sektorale Durchführungsprotokolle konkretisiert, und zwar: Raumplanung und nachhaltige Entwicklung, Naturschutz und Landschaftspflege, Berglandwirtschaft, Bergwald, Tourismus, Bodenschutz, Energie, Verkehr, Luftreinhaltung, Wasserhaushalt, Abfallbewirtschaftung und Streitbeilegung. Ferner wurden Deklarationen zu den Bereichen Bevölkerung und Kultur und zum Klimawandel verabschiedet.


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Nationalpark Stilfserjoch

3. Der Nationalpark Stilfserjoch

Der Nationalpark Stilfserjoch hat eine Gesamtfläche von 130.734 ha und umfasst das gesamte Gebiet der Ortler-Cevedale-Gruppe. Orographisch handelt es sich um klar definierte Hauptgebirgszüge, einem »Y« ähnlich, die vom Cevedale (3.769 m) ausgehen. Von diesen Hauptkämmen ausgehend zweigen kleinere Gebirgszüge ab, die zusammen eine fächerförmige Gebirgsgruppe mit ausgedehnten Gletschern abgeben. Die Gebirgszüge grenzen eine Reihe von Tälern ab, die sich sternförmig von der Ortler-Cevedale-Gruppe aus verzweigen. Das ausgedehnte Gletschergebiet speist ein dichtes Netz von Fließgewässern der Einzugsgebiete von Adda, Noce, Oglio, Etsch und Inn. Im Parkgebiet liegen mehr oder weniger ausgedehnte Gebiete des oberen Veltlin und der Valle di Livigno, der Alta Valcamonica und des Sulzberges sowie des Vinschgaus. Die Haupttäler, die zur Gänze oder teilweise in das Parkgebiet fallen, sind folgende: • im Veltlin: Valfurva, Valle del Gavia, Valle dei Forni, Val Zebrù, Valle del Braulio, Valle della Forcola, Valle di Fraele, Valle Alpisella, Val Vezzola, Val di Rezzalo, Valdidentro (Einzugsgebiet der Adda), Valle dello Spöl, Val Saliente, Valle del Gallo (Einzugsgebiet Inn-Donau); • im Gebiet der Valcamonica: Val Grande, Val Canè, Valle delle Messi e Valle di Viso (Einzugsgebiet des Oglio); • im Trentiner Teil: Val di Peio, Val de la Mare, Val del Monte, Val di Rabbi, Val di Cercen, Val di Saent (Einzugsgebiet des Noce); • im Südtiroler Teil: Ulten- und Martelltal, Laaser Tal, Trafoi-, Sulden- und Münstertal (Einzugsgebeit der Etsch). Es ist nicht möglich, das Parkgebiet der Ortler-CevedaleGruppe zur Gänze zuzuordnen, da die Grenze einmal über die Bergrücken und dann durch die Täler verläuft oder in einigen Fällen größere Gebiete eines Tales ausschließt. Andererseits sind auch einige Gebiete außerhalb der Ortlergruppe Teil des Nationalparks wie die Täler von Livigno und Cancano. Diese Gebiete wurden erst später dem Nationalpark angegliedert, um so eine Anbindung an den Schweizer Nationalpark zu erreichen und ein zusammenhängendes Schutzgebiet zu schaffen. Die Nationalparkfläche liegt zu einem Gutteil oberhalb von 2000 m Höhe. Es handelt sich also um einen Hochgebirgspark mit etwa 150 Gletschern. Der größte von ihnen ist der Forni-Gletscher im gleichnamigen Tal, mit einer Ausdehnung von 1.200 ha. Außer den großen Wasservorräten, die auch zur Stromproduktion genutzt werden, beherbergt der Park ausgedehnte Wald und Weidegebiete, die sich bis oberhalb von 2000 m Höhe

ausdehnen. Die größeren Ortschaften liegen hauptsächlich in den Talböden, kleinere befinden sich auf den günstigen Hanglagen. Die Kulturlandschaft ist stark von der traditionellen Berglandwirtschaft geprägt, vor allem in jenen Gebieten, wo diese Wirtschaftsform den Haupterwerb darstellt. Andere Gebiete haben schwerwiegende landschaftliche Veränderungen durch einen unkontrollierten Tourismus erfahren, der wenig Rücksicht auf Natur und Landschaft des Gebietes nahm. Der Nationalpark Stilfserjoch im Zentrum eines wichtigen territorialen Systems Der Nationalpark Stilfserjoch, beherrscht von majestätischen Berggipfeln, von der Stille der Gletscher und Wälder, ist seit Jahrhunderten durch bedeutende Verkehrswege mit der Außenwelt verbunden, über die ein Austausch zwischen den alpinen Völkern erfolgte. Heute ist die Autobahn und Eisenbahn über den Brenner die wichtigste Verbindung, aber nicht minder von Bedeutung – auch wenn etwas beschwerlicher – sind die Verkehrswege durch das Veltlin (mit dem Einzugsgebiet von Mailand und der Schweiz), die Verbindungen mit der Schweiz durch das Münstertal (Ofenpass), durch das Puschlav (mit Straße und Eisenbahn des Berninapasses) und das Tal von Livigno. Von großer, wenn auch nur von saisonaler Bedeutung ist die Straße über das Stilfser Joch als Verbindung zwischen dem Veltlin und dem Vinschgau sowie die Straße durch das Schweizer Münstertal über den Umbrail- und den Gaviapass. Letzterer verbindet das Obere Veltlin mit der Valcamonica. Wegen seiner großartigen Naturausstattung und seiner zahlreichen Verbindungswege, die einen reger Austausch zwischen der Bevölkerung ermöglichen, steht der Nationalpark für eine zeitgemäße und zukünftige Vision einer alpinen Umwelt, aber auch als Ort der Begegnung zwischen den Völkern und Kulturen. In diesem Zusammenhang setzt sich immer mehr die Idee alpiner Räume ohne lokale oder nationale Grenzen durch, die in der Alpenkonvention ihre institutionelle Bestätigung findet. Diesbezüglich können und müssen die Parks eine zentrale Rolle in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit spielen, sei es auf nationaler wie internationaler Ebene. Die Parkverwaltungen müssen auf der Grundlage ihrer wissenschaftlichen Kompetenz und der Erfahrungen im Schutzgebietsmanagement ihre Zuständigkeit für eine nachhaltige Verwaltung der Naturgüter wahrnehmen, die gleichzeitig eine weitere Entwicklung und Verbesserung des

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Lebensstandards für die Bevölkerung garantieren. Immer mehr setzt sich die Idee einer vernetzten Kooperation zwischen den Parkverwaltungen, den lokalen Körperschaften und Gemeinden durch, die letztlich zu einem verbesserten Schutz führt und zum Wohle aller gereicht. In den Zentralalpen gibt es eine Vielzahl von Schutzgebieten, die den Aufbau eines lokalen Netzwerkes für eine Zusammenarbeit im alpinen Raum nahe legen. Dieses Gebietssystem zeichnet sich tatsächlich durch den enormen Reichtum an Naturgütern, die wichtigen geschichtlich-kulturellen Beziehungen, den besonderen Standort und die wirtschaftliche Bedeutung der beteiligten Regionen aus. Zu diesem Schutzgebietssystem zählen der Schweizer Nationalpark, der im Nordwesten an den Nationalpark Stilfserjoch grenzt, die Naturparke Adamello Brenta und Adamello, die im Süden bzw. im Südwesten des Nationalparks Stilfserjoch liegen. Der Schweizer Nationalpark liegt im Kanton Graubünden im Osten der Schweiz. Er ist der einzige Nationalpark und mit 170 km2 das größte Schutzgebiet der Schweiz. Nach den Schutzgebietskriterien der IUCN (International Union for the Conservation of Nature and Natural Resources) gehört der Schweizer Nationalpark zur Kategorie II (Nationalparke – Gebiete zum Schutz der Ökosysteme und mit Erholungsfunktion). Die Gründung des Schweizer Nationalparks im Jahre 1914 war ein Meilenstein in der Naturschutzgeschichte. Er war der erste Nationalpark in den Alpen und Mitteleuropas. Es handelt sich um ein alpines Schutzgebiet mit Wald, alpinen Rasen und Felsregionen. Die Natur darf sich völlig frei entwickeln und entfalten, der Mensch bleibt im Hintergrund. Der Besucher darf sich nur auf festgelegten Wanderwegen im Schutzgebiet bewegen und ist Zeuge der dynamischen Prozesse, die diesem Gebiet den unverkennbaren Charakter verleihen. Im Schutzgebiet wird eine intensive Forschungsarbeit in verschiedenen Bereichen betrieben, sei es von der Parkverwaltung selbst als auch von Universitäten und Instituten, immer unter der Leitung einer Forschungskommission, einem Organ der Akademie der Naturwissenschaften der Schweiz. Der Nationalpark ist eine staatliche Einrichtung. Das oberste Entscheidungsgremium der öffentlich-rechtlichen Stiftung ist die Eidgenössische Nationalparkkommission ENPK. Sie setzt sich aus neun Mitgliedern zusammen, die vom Bundesrat ernannt werden und Vertreter folgender Organisationen sind: Schweizerische Eidgenossenschaft, Pro Natura, Akademie der Naturwissenschaften der Schweiz, Kanton Graubünden und

Parkgemeinden. Der Naturpark Adamello Brenta Geopark hat eine Ausdehnung von 620,5 km2 und liegt zwischen der Brentagruppe im Osten und dem Adamello-Massiv im Westen, geteilt durch das Rendena-Tal. Die Höhenstufen der abwechslungsreichen Landschaft reichen von 400 m bis 3.500 m Höhe der Presanella. Die Täler zählen zu den schönsten in den Alpen, sind reich an Gletschern und Wasser und beherbergen eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt. Bereits 1919 fanden erste Gespräche für einen Schutz statt, doch erst im Jahre 1967 wurde das Gebiet von der Autonomen Provinz Trient zugleich mit dem Naturpark Paneveggio Pale di S. Martino als erster Naturpark Italiens ausgewiesen. 1987 wurde die Parkfläche bis zur heutigen Größe erweitert. Die Parkverwaltung versucht das Jahrtausende alte Naturerbe in Zusammenarbeit mit der Bevölkerung zu erhalten. Mit dem Parkplan werden raumordnerische Maßnahmen im Parkgebiet, der Schutz und die Aufwertung der Natur und Landschaft geregelt. Für Maßnahmen zum Schutze der Tierwelt gibt es einen eigenen Fachplan. Seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts hat sich die Parkverwaltung in besonderem Maße für die Wiederansiedlung des Braunbären im Parkgebiet und in den Zentralalpen eingesetzt. Inzwischen ist der Bestand angewachsen, und die Population wächst rasch an. Der Regionalpark Adamello umfasst die gesamte Lombardische Seite der Adamello-Gruppe. Er befindet sich in der Valcamonica, im östlichsten Teil der Provinz Brescia, weist eine Fläche von 510 km2 auf und reicht vom Tonalepass bis zum Pass Crocedomini. Erste Ansätze für einen Schutz dieses Teils der Rätischen Alpen gehen ebenfalls auf das Jahr 1919 zurück. Trotz mehrerer Initiativen wurde das Gebiet erst 1973 von einer Parkkommission in ein Verzeichnis schützenswerter Gebiete aufgenommen. 1983 wurde der Park dann ausgewiesen. Er wird von der Berggemeinschaft Valcamonica verwaltet. Die Naturlandschaft des Parks zeichnet sich durch eine außergewöhnliche Flora aus, mit zahlreichen seltenen und endemischen Arten. Beeindruckend sind auch die ausgedehnten Gletscher und die hydrogeologischen Landschaftselemente. Die Bedeutung dieses Parks liegt nicht zuletzt auch darin, dass er den Nationalpark Stilfserjoch mit dem Naturpark Adamello Brenta Geopark zu einem großen Schutzgebiet verbindet.


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Nationalpark Stilfserjoch

4. Der Nationalpark Stilfserjoch und der Umweltschutz

Schutzkategorien Auf der Grundlage des Rahmengesetzes werden mit dem Parkplan vier Schutzkategorien unterschieden: A-Zone: Kernzone B-Zone: Bewahrungszone C-Zone: Übergangsgebiete D-Zone: Entwicklungszone Die A-Zone oder Kernzone umfasst natürliche oder naturnahe Gebiete oder solche, die nur einen sehr geringen menschlichen Einfluss aufweisen oder schon in der Vergangenheit durch die Nutzung verändert worden waren. In dieser Zone ist eine naturverträgliche Entwicklung möglich (Fläche 48.904 ha, gleich 37% der Gesamtfläche). Die B-Zone oder Bewahrungszone weist Ökosysteme mit großer Naturnähe auf. Auf diesen Flächen wird eine extensive Forst- und Weidewirtschaft betrieben, mit begrenzten Ansiedlungen nur für die saisonale sommerliche Nutzung (Fläche 58.153 ha, gleich 44% der Gesamtfläche). Die C-Zone oder das Übergangsgebiet betrifft die besiedelten Kulturlandschaften, charakterisiert durch eine nachhaltige berglandwirtschaftliche Nutzung und eine schonende touristische Nutzung im ländlichen Raum (Fläche 19.426 ha, gleich 15% der Gesamtfläche). Die D-Zone oder Entwicklungszone wird in zwei Unterzonen unterteilt: Die D1-Zone umfasst den ländlichen Siedlungsraum, jene

Schutzzonen im Nationalpark Stilfserjoch 70

Fläche (in % zur Gesamtfläche)

Ein wesentliches Lenkungsinstrument ist der Nationalparkplan. Die Ziele des Parkplans sind der Schutz und die Förderung des Naturschutzes, die Bewahrung der Ökosysteme, der Schutz der Tiere, der Pflanzen und der Lebensräume sowie der Erhalt der Landschaft in ihrer Gesamtheit als Natur- und vom Menschen gestaltete Kulturlandschaft. Ein weiteres Anliegen ist der Schutz der kulturellen, archäologischen, geschichtlichen und sozioökonomischen Interessen der örtlichen Bevölkerung, die Information und Umwelterziehung, die Forschung und die naturverträgliche Erholung im Einklang mit den Hauptzielen des Nationalparks. Der Parkplan wurde erst kürzlich von der Parkverwaltung erstellt und behängt zur Genehmigung beim Umweltministerium, welche im Einvernehmen mit der Region Lombardei und den beiden Provinzen Bozen und Trient erfolgen muss. Der Plan sieht eine Einteilung des Gebietes in verschiedene Schutzzonen vor. Die Zonierung der Nationalparke ist vom Rahmengesetz Nr. 394/91 vorgesehen, im Lichte einer modernen Sichtweise eines Schutzes, der die Nationalparke und andere Schutzgebiete nicht als »isolierte Inseln« sieht, in denen nur Naturschutzziele verfolgt werden, sondern in denen auch eine nachhaltige und naturschonende Entwicklung für die Wohnbevölkerung möglich ist. Eine Zonierung ist vor allem in einem so großen Gebiet wie dem Nationalpark Stilfserjoch notwendig, wo natürliche und naturnahe Lebensräume neben stark vom Menschen genutzten Landschaften vorkommen, um die Konflikte zwischen der wirtschaftlichen Entwicklung und den Anforderungen des Naturschutzes zu lösen.

53 %

Zone A Zone B Zone C Zone D1/D2

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4% Südtirol

2% Lombardei

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Gebiete, in welchem die Anthropisierung am höchsten ist und Maßnahmen der sozio-ökonomischen Förderung und Entwicklung für die lokale Bevölkerung möglich sind (Fläche 1.433 ha, gleich 1% der Gesamtfläche). Die D2-Zone betrifft Gebiete unterschiedlicher Sensibilität, die in der Regel von nachhaltiger Wirtschaftsweise geprägt und auf die Nutzung der Naturgüter ausgerichtet sind, wie die Produktion von hydroelektrischer Energie, Aufstiegs- und Beschneiungsanlagen, Skipisten, Freizeitaktivitäten und Abbautätigkeiten in Steinbrüchen und Schottergruben (Fläche 2.812 ha, gleich 2 % der Gesamtfläche). Gebiete im Park, die eine außergewöhnliche Naturausstattung aufweisen, von großem Interesse für die Forschung sind oder sonst besondere Orte oder Erscheinungen sind, können als Sonderschutzgebiete ausgewiesen werden, zum Zwecke der

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Forschung, zur Kontrolle und zum Schutz der spontanen und natürlichen Abläufe oder zur Abgrenzung von Ökosystemen oder Teilen davon, die ausschließlich einer natürlichen Entwicklung überlassen werden sollen. Derzeit sind vier Sonderschutzgebiete zum Schutz der entsprechenden Waldgesellschaft abgegrenzt worden und zwei weitere, die den Schutz von Feuchtgebieten betreffen. Die Abgrenzung der Gebiete erfolgte auf der Grundlage von Erhebungen des Naturzustandes der verschiedenen Lebensräume sowie der Landschaft, wobei die Nutzung der Gebiete oder vorhandene Einrichtungen in der Bewertung berücksichtigt wurden. Die kartografische Unterlage des Parkplanes wurde im Maßstab 1 : 10.000 erstellt.

Die Neuabgrenzung Mit Dekret des Staatspräsidenten vom 7. Juli 2006 »Neuabgrenzung des Nationalparks Stilfserjoch« wurden die Grenzen des Parks neu festgelegt. Das Dekret hat das heftig diskutierte Problem gelöst, dass im Vinschgau bisher die intensiv bewirtschafteten Landwirtschaftsflächen der Talsohlen und Gewerbegebiete im Parkgebiet lagen. In diesen nun ausgeklammerten Gebieten befinden sich durchaus wertvolle Lebensräume, wie der Auwald von Tschengls oder die Prader Sand, die das größte und bestens erhaltene Mündungsgebiet eines Baches in Südtirol aufweist. Der Auwald von Tschengls ist als Besonderes Schutzgebiet (IT3110004) und als Biotop, die Prader Sand teilweise als Biotop im Sinne des Landschaftsschutzgesetzes geschützt.


Das europäische Schutzgebietssystem Natura 2000 Vorrangiges Ziel der Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (FFHRichtlinie) ist die Schaffung des europäischen Schutzgebietssystem Natura 2000, zur »Sicherung der Artenvielfalt durch die Erhaltung der natürliche Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen im europäischen Gebiet der Mitgliedsstaaten«. Natura 2000 wird folgende Schutzkategorien aufweisen: Besondere Schutzgebiete (BSG, engl. SPA: Special Protected Area) auf der Grundlage der Vogelschutz-Richtlinie 79/409/EWG, zum Schutz der 181 Arten und Unterarten gemäß Anhang I sowie der Zugvogelarten. Besondere Schutzgebiete (BSG, engl. SAC: Special Area of Conservation ) im Sinne der FFH-Richtlinie zum Schutz der natürlichen Lebensräume und der Tiere und Pflanzen gemäß Anhang I und II. Die Errichtung des ökologischen Netzes Natura 2000 und die Ausweisung der Besonderen Schutzgebiete erfolgen im Sinne der beiden genannten Richtlinien (Vogelschutz-Richtlinie und FFHRichtlinie) und bilden die wichtigste Grundlage der gemeinschaftlichen Naturschutzpolitik. Die Ziele der Vogelschutz-Richtlinie sind der langfristige Schutz, die Erhaltung wild lebender Vogelarten und ihrer Lebensräume auf dem Gebiet der Mitgliedsstaaten der EU. Neben den klassischen Maßnahmen zum Artenschutz (Tötungsverbote, Fangverbote, u. a.) sind auch solche für den Lebensraumschutz vorgesehen, die jedoch nur Gebiete betreffen, in denen Vogelarten aus dem Anhang I vorkommen. Die Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, Schutzgebiete für wild lebende Vogelarten auszuweisen, Konzepte für deren Schutz auszuarbeiten und zerstörte Lebensräume wieder herzustellen. Im Anhang I sind 181 streng geschützte Arten und Unterarten aufgelistet. Von diesen kommen 39 Arten auch im Nationalpark Stilfserjoch vor. Der Park beherbergt 90 weitere Arten, die in anderen Anhängen der Richtlinie aufscheinen. Das Anliegen der FFH-Richtlinie ist es, die Voraussetzungen für den Schutz der biologischen Vielfalt (Biodiversität) in Europa zu schaffen, und zwar durch die Errichtung des Netzwerkes Natura 2000. Zwei Ansätze sollen zum Ziel führen: einmal der gezielte Schutz der gefährdeten Arten selbst und zweitens die Erhaltung des Lebensraumes, unabhängig von den darin vorkommenden Arten. Im Anhang I sind 198 natürliche und naturnahe Lebensräume des europäischen Naturund Landschaftsraumes aufgelistet. Die Anhänge II und IV listen 221 Tier- und 360 Pflanzenarten auf, für die besondere Schutzmaßnahmen zu treffen sind oder deren Lebensräume zu schützen sind. In den 14 Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung und den fünf besonderen (Vogel)Schutzgebieten im Parkgebiet scheinen 39 Habitate aus dem Anhang I der FFH-Richtlinie, 12 Tierarten (plus 52 weitere der Anhänge IV und V) und zwei Pflanzenarten auf.

In Italien gehören 2.283 GGB und 589 BSG zum Netzwerk Natura 2000, die zu drei (alpine, kontinentale, mediterrane) von sechs im Sinne der FFH-Richtlinie ausgewiesenen biogeografischen Regionen gehören. Die Schutzgebiete weisen einen Anteil von 19 % des Staatsgebietes auf, ein sehr positives Ergebnis, das auch die europäischen Vorgaben und Ziele respektiert. Die Umsetzung von Natura 2000 verläuft nicht immer wie gewünscht und gibt Anlass zu Kritik, und zwar wegen der oft unzureichenden und unwirksamen Schutzmaßnahmen, der zahlreichen Übertretungen der beiden Richtlinien und der Vorgangsweise bei den Prüfverfahren zur Umweltverträglichkeit.

BSG und GGB nach Parkteilen 60000

Fläche (ha)

Die FFH-Richtlinie hängt eng mit der Vogelschutz-Richtlinie zusammen und ist als deren Ergänzung zu sehen. Mit der FFH-Richlinie wird der Schutz auf Lebensräume und bisher nicht berücksichtiger Arten erweitert. Ausgewiesene Vogelschutzgebiete werden direkt in Natura 2000 aufgenommen. Die Umsetzung von Natura 2000 sieht folgende Vorgangsweise vor: in der ersten Phase erstellen die Mitgliedsstaaten eine Liste möglicher Natura-2000-Gebiete (pSCI = proposed Site of Comunity Interest). In der zweiten Phase werden von der Europäischen Kommission die Gebiete von Gemeinschaftlicher Bedeutung (GGB/SCI = Site of Comunity Interest) ausgewählt. In der dritten Phase erfolgt die Ausweisung der Besonderen Schutzgebiete (BSG/SAC), wobei die Mitgliedsländer durch geeignete Maßnahmen gewährleisten müssen, dass die vorkommenden Lebensräume bzw. Tier- und Pflanzenarten der Anhänge I und II sich nachhaltig im Sinne der Richtlinie entwickeln können (guter Erhaltungszustand, Verschlechterungsverbot). Die ersten zwei Phasen mit der Erstellung der Liste und der Prüfung und Auswahl durch die Kommission ist abgeschlossen. Innerhalb 2010 wurden die Gebiete von Gemeinschaftlicher Bedeutung als besondere Schutzgebiete der biogeografischen Region des Alpenraums ausgewiesen.

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BSG (Besondere Schutzgebiete) GGB (Gebiete von Gemeinschaftlicher Bedeutung)

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Südtirol

Lombardei

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Nationalpark Stilfserjoch

5. Organisationsstruktur und Geschichte des Nationalparks Stilfserjoch

Der Nationalpark Stilfserjoch wurde im Jahre 1935 nach den Nationalparken Gran Paradiso, Abruzzen und Circeo gegründet. Er ist einer der größten Nationalparke Italiens und des gesamten Alpenraums. Begeisterte Naturliebhaber und Mitglieder des italienischen Alpenvereins CAI und des Touring Club Italiano haben die Ausweisung dieses Schutzgebietes vorangetrieben. Im Laufe der Jahrzehnte nach seiner Gründung durchlebte der Park eine wechselvolle Geschichte, die auch zu einer stark verzögerten Umsetzung des Schutzes und der Führung des Parks führte. Der Nationalpark ist wegen seiner besonderen Lage auf vier Provinzen (Südtirol, Trentino, Brescia und Sondrio) und zwei Regionen (Lombardei und Trentino-Südtirol) aufgeteilt und hatte wie kein anderer Park unter den Konflikten zwischen Staat, Regionen und autonomen Provinzen zu leiden. Die schwierigen und konfliktreichen Jahre sind vorbei. Das Sonderstatut der Autonomen Region Trentino-Südtriol und das Staatliche Rahmengesetz Nr. 394/91 haben die rechtliche Grundlage zur derzeitigen Führung des Nationalparks durch ein Konsortium seit 1995 geschaffen. Hauptziel ist die einheitliche Führung des Nationalparks, wobei die kulturellen und gesellschaftlichen Unterschiede berücksichtigt werden und den lokalen autonomen Kompetenzen breiter Spielraum eingeräumt wird. Organisationsstruktur Die Verwaltungsorgane des Konsortiums Nationalpark Stilfserjoch sind: der Präsident (ernannt mit Dekret des Umweltministeriums im Einvernehmen mit den Präsidenten der Region Lombardei und der Autonomen Provinzen Trient und Bozen-Südtirol), der Nationalparkrat (zusammengesetzt aus dem Präsidenten und Vertretern des Staates, der Region Lombardei, der Provinzen Trient und Bozen, der Umweltverbände und der wissenschaftlichen Einrichtungen), die Führungsausschüsse für die Region Lombardei und die Provinzen Trient und Bozen (deren Präsidenten Mitglieder des Nationalparkrates sind) und das Kollegium der Rechnungsprüfer. Mitglieder der Führungsausschüsse sind Vertreter der Parkgemeinden, der Region und der Provinzen, der Umweltverbände, der bäuerlichen Verbände, der Tourismusvereine sowie Naturwissenschaftler. Die Mitglieder des Führungsausschusses wählen den jeweiligen Präsidenten. Die ordentliche und außerordentliche Verwaltung sind den Führungsausschüssen übertragen und die Umsetzung der Programme erfolgt durch die jeweiligen Außenämter nach den Richtlinien, die der Nationalparkrat vorgibt. Außer den

Außenämtern gibt es noch ein zentrales Verwaltungsamt mit Sitz in Bormio, dem die Oberaufsicht obliegt und das verantwortlich ist für Forschung, Finanzhaushalt, Mitarbeiterführung, technische Dienste und das die Aufgaben des Sekretariates wahrnimmt. Auch in den Außenämtern, in Bormio für den Lombardischen, im Peio für den Trentiner und in Glurns für den Südtiroler Teil, ist jeweils ein Team von Mitarbeitern tätig, die unter der Führung des Außenamtsleiters die verschiedenen Aufgaben in der Verwaltung, der technischen Dienste, der Buchhaltung und des Sekretariats, der Umweltbildung und des Umweltschutzes durchführen. Derzeit sind im Nationalparkkonsortium (Zentralamt und Außenämter) 39 Mitarbeiter in einem festen Dienstverhältnis angestellt. Dazu kommen noch projektbezogene Mitarbeiter in unterschiedlicher

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Anzahl. Zum Personalstand gehören noch 24 Forstarbeiter in einem unbefristeten Dienstverhältnis und eine variable Zahl von Saisonarbeitern, die verschiedene Instandsetzungs- und Pflegearbeiten im Schutzgebiet durchführen. Der Aufsichtsdienst und das Monitoring der Umwelt werden von den Forstdiensten gemacht. Im Lombardischen Teil werden diese Aufgaben vom Staatlichen Forstkorps mit eigener Amtsdirektion in Bormio wahrgenommen. Insgesamt leisten dort 40 Forstbeamte Dienst, aufgeteilt auf die fünf Aufsichtsstationen von Livigno, Sondalo, Temù, Valdidentro und Valfurva. In Südtirol fällt die Aufsicht in die Zuständigkeit des Landesforstdienstes. 15 Forstbeamte stehen dem Außenamt in Glurns für die vier Parkstationen von Stilfs, Laas, Martell und St. Gertraud/Ulten zur Verfügung. In gleicher Weise

wird im Trentiner Teil das Aufsichtspersonal von der Forstbehörde der Provinz gestellt. Acht Forstbeamte sind den Stationen von Peio und Rabbi zugeteilt. Die Gebietskörperschaften 23 Gemeinden haben Anteil am Parkgebiet, zehn davon liegen in der Lombardei, drei im Trentino und zehn in Südtirol. Die Gemeinden Martell und Stilfs liegen zur Gänze im Nationalpark, während der Anteil der anderen Gemeinden am Schutzgebiet von 2% in Mals bis 97% in Valfurva schwankt. Außer den Gemeinden gibt es noch lokale Körperschaften, so die Bergbonifizierung im oberen Veltlin und in der Valcamonica, die Bezirksgemeinschaften Sulzberg, Vinschgau und Burggrafenamt.


Zur Geschichte des Parks 1935 Mit Gesetz Nr. 740 vom 24. April wird der Nationalpark Stilfserjoch errichtet. 1948 Mit dem Verfassungsgesetz Nr. 5 vom 26. Februar »Sonderstatut für Trentino-Südtirol« wird die Autonome Region Trentino-Südtirol geschaffen und eine Reihe von Zuständigkeiten in Gesetzgebung und Verwaltung an diese übertragen, u. a. Torf- und Schotterabbau, Bergbau, Landund Forstwirtschaft, Bienenhaltung, Parke zum Schutz von Flora und Fauna, Jagd und Fischerei, Nutzung der öffentlichen Gewässer und Bonifizierungsarbeiten. Die Autonomen Provinzen erhalten Kompetenzen im Bereich der Raumordnung, des Landschaftsschutzes, der bürgerlichen Nutzungsrechte. Die Zuständigkeiten für den Nationalpark verbleiben jedoch beim Staat. 1951 Am 30. Juni wird mit D.P.R. (Dekret des Präsidenten der Republik) Nr. 1178 die Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Errichtung des Nationalparks erlassen, die dem Staat weitgehende Ermächtigungsbefugnisse bezüglich der im Nationalpark bestehenden oder zulässigen wirtschaftlichen und sozialen Aktivitäten zuerkennt. Die Verordnung wirkt sich auf jene Tätigkeiten aus, die auch nach der Errichtung des Nationalparks im Gebiet weitergeführt wurden und dies nährt einen Konflikt zwischen der örtlichen Bevölkerung und den Institutionen. In den darauf folgenden Jahren (Ende der sechziger/Anfang der siebziger Jahre) wurden von der Region Trentino-Südtirol und von den Autonomen Provinzen eine Reihe von Detailbestimmungen erlassen, die zum Teil im Widerspruch zur Verordnung aus dem Jahre 1951 standen. 1971 Mit dem Verfassungsgesetz Nr. 1 vom 10. November 1971 und anderen Normen wurde das sogenannte »Paket« erlassen. Und mit den »Änderungen und Ergänzungen des Sonderstatuts für Trentino-Südtirol« wurden den Autonomen Provinzen sowohl der Großteil der im Jahre 1948 der Region zuerkannten Zuständigkeiten, als auch viele neue Zuständigkeiten übertragen, wobei insbesondere eine Vielzahl von Kompetenzen im Bereich der Raumplanung hervorstechen. 1974 Mit Artikel 3 des D.P.R. vom 22. März 1974, Nr. 279 »Durchführungsbestimmungen zum Sonderstatut für die Region Trentino-Südtirol betreffend Mindestbewirtschaftungseinheiten, Jagd und Fischerei, Landund Forstwirtschaft« werden die institutionell wichtigsten Agenden des Parks geregelt und die Gründung eines Parkkonsortiums zwischen dem Staat und den Autonomen Provinzen Bozen und Trient vorgesehen. Außerdem wird die Durchführungsverordnung von 1951 bis zum Ablauf der Übergangsfrist bestätigt.

1977 Mit D.P.R. vom 23. April wird das Nationalparkgebiet auf die Zonen Cancano und Livigno sowie die Berge Sobretta, Gavia und Serottini in den Provinzen Sondrio und Brescia ausgedehnt. Mit der Erweiterung um 39.260 ha wird die Fläche des Schutzgebietes von 95.360 ha auf 134.620 ha vergrößert. Im gleichen Jahr werden den Regionen mit D.P.R. vom 24. Juli 1977, Nr. 616 die Zuständigkeiten für die Maßnahmen zum Schutz der Natur, die Schutzgebiete und Naturparke (auch staatlicher Art) übertragen, wobei – was die Aufteilung der Zuständigkeiten bezüglich der Nationalparke und nationalen Schutzgebiete betrifft – auf ein späteres Gesetz verwiesen wird. 1991 Das Rahmengesetz über die Schutzgebiete Nr. 394 vom 6. Dezember wird erlassen, das die Verwaltung des Nationalparks Stilfserjoch in konsortialer Form bestätigt und dabei auch die Region Lombardei mit einbezieht. 1992 Mit dem Abkommen von Lucca vom 27. März treffen das Umweltministerium, die Autonomen Provinzen Bozen und Trient und die Region Lombardei das politische Einvernehmen zur Errichtung des Konsortiums für die Verwaltung des Nationalparks Stilfserjoch. 1993 Mit Dekret des Ministerpräsidenten vom 26. November werden das Konsortium des Nationalparks Stilfserjoch rechtlich eingerichtet und die Bestimmungen für die Bildung der Verwaltungs- und Führungsorgane des Parks erlassen. Im selben Jahr errichten die Autonomen Provinzen Bozen und Trient mit eigenem Gesetz das Konsortium für die Verwaltung des Nationalparks Stilfserjoch. 1995 Mit Dekret des Umweltministers SCN/124 vom 30. März wird Prof. Annibale Mottana zum Kommissar des Konsortiums des Nationalparks Stilfserjoch ernannt und zwar in Erwartung des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens zur Ernennung des Präsidenten und des Nationalparkrates. Die Ernennung der Konsortialorgane erfolgt mit Ministerialdekret im selben Jahr. Das Konsortium des Nationalparks tritt – was die Verwaltung des Nationalparks betrifft – an die Stelle der Ex-Staatsverwaltung für die Demanialwälder. 1998 Mit Dekret des Umweltministers SCN/544 vom 15. Jänner wird das Statut des Konsortiums des Nationalparks Stilfserjoch genehmigt. 2005 Mit Beschluss des Nationalparkrates Nr. 22 vom 28. Juli wird der Parkplan genehmigt. 2006 Mit D.P.R. vom 7. Juli wird die Neuabgrenzung des Nationalparks genehmigt, wobei einige Gebiete im Talboden des Vinschgaus aus dem Schutzgebiet ausgegliedert werden. 2007 Mit Beschluss des Nationalparkrates vom 4. Mai werden die Durchführungsbestimmungen zum Parkplan genehmigt. 2008 Mit Beschluss des Nationalparkrates Nr. 23 vom 30. September wird die Parkordnung des Nationalparks Stilfserjoch genehmigt.

Flächenverteilung der drei Parkteile 60000

Fläche (ha)

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Nationalpark Stilfserjoch

6. Die Infrastrukturen des Parks

Seit der Mitte der 1990er Jahre sind im Nationalpark die drei Führungsausschüsse eingesetzt und arbeiten zusammen mit den jeweiligen Außenämtern an der Umsetzung der Ziele und Aufgaben im Parkgebiet, wie sie vom Nationalparkrat bestimmt werden. Die Vorgaben zielen darauf ab, die Naturgüter, die Ökosysteme und die Schönheit der Landschaft zu erhalten, kulturelle, soziale und wirtschaftliche Anliegen zu berücksichtigen, die Öffentlichkeitsarbeit, die Umweltbildung und eine umweltverträgliche, touristische Entwicklung zu fördern, so wie sie im Art. 1. des Gründungsgesetzes zum Nationalpark Stilfserjoch und im gleichen Artikel der Durchführungsverordnung zum Parkplan festgelegt sind. In einer modernen und zukunftsorientierten Sichtweise soll die Parkverwaltung einerseits den großen Naturreichtum erhalten, konkrete Maßnahmen zum Schutze der Natur, der Tierwelt und der Lebensräume setzen und Forschungsprojekte zur besseren Kenntnis der Naturausstattung und der öko-biologischen Prozesse durchführen, andererseits soll sie auch den Tourismus fördern. Tatsächlich werben die Parks schon seit jeher mit den Naturschönheiten ihrer Gebiete, laden Besucher zum Beobachten der Wildtiere ein, regen sie an, das Wissen um die Natur zu erweitern und zu vertiefen oder sich mit der Tradition und Kultur der seit Jahrhunderten im Gebiet lebenden Bevölkerung zu befassen. Immer mehr Besucher sind gut informiert und naturbewusst unterwegs, doch viele suchen die Schutzgebiete auch auf ohne klare Vorstellungen über die schöne und unberührte Natur. Gerade für solche Besucher können Schutzgebiete mit ihren Einrichtungen und Angeboten einen wertvollen Beitrag zur Weiterbildung leisten. Der Nationalpark Stilfserjoch hat einen beachtlichen Besucherzustrom zu verzeichnen. Die Parkverwaltung ist bemüht, durch verstärkte Aufklärung und Umwelterziehung einen alternativen und nachhaltigen Tourismus zu fördern. Dazu werden Informationen über die Besonderheiten des Schutzgebietes gegeben oder diese werden in den Strukturen des Parks, in Nationalparkhäusern, Besucherzentren, Wildgehege und Botanischen Gärten vermittelt. Das gut ausgebaute Wege- und Steigenetz mit Informationsstellen und gestalteten Rastplätzen sowie geführte Wanderungen ergänzen das Angebot, mit dem Ziel, dass sich die Besucher bewusster, aufmerksamer und verantwortungsvoller der Natur gegenüber verhalten. Nicht zuletzt richten sich viele dieser Initiativen und Angebote auch an die Schulen, um das Umweltbewusstsein schon früh zu fördern.

Die Einrichtungen in den drei Länderanteilen des Nationalparks Stilfserjoch Lombardei Im Gebiet des Veltlin gibt es eine Informationsstelle in Bormio und ein Besucherzentrum in der Fraktion Sant’Antonio in der Gemeinde Valfurva. Hier erhält der Besucher Informationen über das Parkgebiet und das vielfältige Wegeangebot, zu den geführten Wanderungen und kann Bücher und Souvenirs erwerben. Das Besucherzentrum bietet zudem einen didaktisch-informativen Rundgang über die Naturausstattung und die Kulturlandschaft des Parkgebietes. Etwas außerhalb von Bormio, an den Hängen des Monte Reit, kann der Botanische Garten »Rezia« besichtigt werden. Er wurde Ende der 1980er Jahre in einer aufgelassenen Schottergrube errichtet. Auf einer Fläche von eineinhalb Hektar wurden etwa 2.000 Beete angelegt, mit typischen Bodensubstraten aus dem Parkgebiet, um so auf Dauer das Wachstum der verschiedenen Pflanzenarten zu gewährleisten. Unter vorwiegend didaktisch-erzieherischen Gesichtspunkten zeigen die Beete auf einer der vier Teilflächen des Gartens die charakteristischen Lebensräume des Parks. Auf zwei weiteren Teilflächen wachsen verschiedene Pflanzen der europäischen und außereuropäischen Gebirge, mit einigen Besonderheiten und Raritäten. Die letzte Teilfläche wurde als Arboretum mit verschiedenen Baumarten des Alpenraums gestaltet. Der Garten verfügt auch über einen Laborraum und einen Rastplatz. Im Valle di Viso in der Provinz Brescia wird demnächst ein Tierfreigelände eingerichtet, wo der Besucher die im Parkgebiet heimischen Huftierarten Rothirsch, Reh, Gämse und Steinbock aus der Nähe beobachten kann. Im Gehege wird auch Platz für verletzte oder kranke Tiere, vor allem für Kitze von Hirsch und Reh, eingerichtet, um sie dort pflegen zu können. Im Lombardischen Teil stehen den Studenten, Forschern oder Besuchergruppen auch drei Gästehäuser zur Verfügung, die sich in Fumero im Val di Rezzalo, in Pravasivo nahe Bormio und in S. Caterina Valfurva befinden. Im Brescianer Teil wurden zwei Infostellen in Temù und in Cortebona im Valle di Cané eröffnet. Letztere ist nur in der Hauptsaison besetzt. In Cortebona wird auch eine Forsthütte baulich saniert.

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Trentino Im Ortsteil Rabbi Fonti im Rabbital ist ein Besucherzentrum mit einem kleinen Museum eingerichtet, das die naturkundlichen und kulturgeschichtlichen Besonderheiten des Parks zeigt. Es ist mit einem Projektionsraum und einer Infostelle ausgestattet, wo der Besucher auch Bücher und Karten zum Park und Souvenirs kaufen kann. Im Peiotal sind drei weitere Besucherzentren errichtet worden: eines in Cogolo di Peio, im Gebäude des Außenamtes des Parks, das zweite beim Tiergehege »Runcal«, das zwischen Peio Fonti und Peio Paese liegt und die Probleme und Anpassungen der Huftiere im Winter zeigt, und schließlich das dritte, das erst kürzlich im Val de la Mare auf der Alm Talè umgebaut wurde und den Raufußhühnern gewidmet ist. Das Gehege »Runcal« beherbergt verletzte Huftiere (vorwiegend Rothirsche und Rehe, aber auch Gämsen auf Zwischenstation) oder Jungtiere neben Tieren, die in Gefangenschaft geboren und aufgewachsen sind. Im Rabbital gibt es sehenswerte Einrichtungen wie die traditionelle, wieder errichtete Käserei Casel di Somrabbi, die im Rahmen von Führungen zugänglich ist und die in einem Museum die Milchverarbeitung zeigt oder eine mit Wasserkraft betriebene Venezianer Säge. Sie wurde von der Parkverwaltung saniert als Beispiel für die traditionelle Nutzung und Verarbeitung des Holzes im Tal. Immer im Rabbital befindet sich ein »Freizeitpark«, eine didaktische Einrichtung für die kleinsten Besucher, die spielerisch mit allen Sinnen die Natur erleben sollen und dabei auch in die Kleider der Tiere des Parks schlüpfen können. Im Gebäude des Besucherzentrums in Rabbi Fonti ist auch ein Gästehaus untergebracht, das das ganze Jahr geöffnet ist. Südtirol Im Südtiroler Parkanteil wurden fünf Naturparkhäuser bzw. Informationszentren errichtet, die mit Dauer- und Wechselausstellungen naturkundliche und kulturelle Themen des Parkgebiets zeigen. Außerdem gibt es in Fragges/Stilfs ein Wildtiergehege, das derzeit Rothirsche und Rehe beherbergt. Naturerfahrung mit allen Sinnen und interaktive Erlebnisangebote bilden den didaktischen Leitfaden der Besucherzentren. Ziel dieser Einrichtungen ist es, bei den Besuchern einen emotionalen Zugang zur Natur zu wecken und entsprechende Informationen zu vermitteln, um so einen verantwortungsvollen Umgang mit der Natur zu erreichen.

In Besucherzentrum »aquaprad« in Prad am Stilfserjoch dreht sich alles um das Thema Wasser. In naturnah gestalteten Aquarien, die den Lebensraum Bach, Fluss, See, Moor und Teich darstellen, können die Besucher 35 verschiedene heimische Fischarten sowie Amphibien und Reptilien hautnah erleben. In »culturamartell« in Martell wird die bergbäuerliche Kulturlandschaft vorgestellt. Wiesen, Weiden und Ackerflächen, terrassenförmig angelegt und gestützt mit Trockenmauern, prägen das Landschaftsbild und zeugen von Jahrhunderte langer Arbeit. Die Ausstellung zeigt weiters den Bergbauernhof als Modell eines autarken Selbstversorgerbetriebes, erzählt vom Leben seiner Bewohner von der Wiege bis zum Tod, von der mühevollen Arbeit, den vielen Entbehrungen und von der Abwanderung, aber auch von glücklichen Stunden. »naturatrafoi« in Trafoi zeigt das Leben an der Grenze. Die Ausstellung bietet faszinierende Einblicke in die Geologie der Ortlergruppe und in das Überleben, in die Anpassungen und Strategien von Pflanzen und Tieren unter den extremen klimatischen Bedingungen des Hochgebirges. In St. Gertraud in Ulten wurde die alte »Lahnersäge« vorbildlich saniert und als Besucherzentrum eingerichtet. Der Wald mit seinen Schutz- und Nutzfunktionen bildet das Schwerpunktthema. Auch in diesem Fall ist das Thema nicht zufällig so gewählt: das Ultental hat ausgedehnte Waldflächen und das Holz ist der Baustoff für die Häuser, Ställe und Scheunen. Neben der Säge wurde auch eine alte Mühle aufgebaut, in der das Mahlen von Getreide zu Mehl erlebt werden kann. In der Fußgängerzone von Schlanders wurde »avimundus« eröffnet. Neben den allgemeinen Informationen über das Parkgebiet, gibt die Ausstellung einen umfassenden Einblick in die Welt der Vögel: der Flug als Beispiel für die Eroberung des Luftraumes im Laufe der Entwicklungsgeschichte, die Präsentation der Brutvögel in ihren Lebensräumen, der Gesang und seine Bedeutung, die Entwicklung des Eies, verschiedene Anpassungen und Spezialisierungen bei einzelnen Vogelarten.


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Nationalpark Stilfserjoch Monatlicher Verlauf der mittleren Temperatur und des Niederschlags Peio (1200 m)

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Die Ortler-Cevedale-Gruppe mit ihren zahlreichen Gipfeln über 3.000 m Höhe bewirtk eine besondere klimatische Situation, die schwierig mit generellen Klimabedingungen zu beschreiben ist. Wie für die meisten Gebirgserhebungen in den mittleren Breiten, gelten nicht die großräumigen klimatischen Verhältnisse mit den Druckgebieten und den Wetterfronten. Der komplexe Aufbau und die große Höhe dieser Gebirgsgruppe bedingen natürlich sehr verschiedene kleinklimatische Verhältnisse. Das lokale Kleinklima wirkt bestimmend auf die landwirtschaftliche Nutzung und hat Auswirkungen auf die Besiedlung der Täler. Aufgrund der Meereshöhe können vier Klimatypen unterschieden werden, denen bestimmte Höhenstufen entsprechen: 1. Voralpen-Klima: bis zu 1.000 m Höhe. Charakteristik: warme, trockene Sommer und frühzeitiger Frühlingsbeginn. Wirtschaftsraum: betrifft die Haupttäler und die größeren Siedlungen, die intensiv bewirtschafteten Flächen mit vorwiegend Obst- und Weinbau. 2. Subalpines Klima: zwischen 1.000 und 1.750-1.850 m Höhe. Charakteristik: niederschlagsreiche Sommer und verspäteter Frühlingsbeginn. Wirtschaftraum: weist noch Dauersiedlungen mit land- und forstwirtschaftlicher Nutzung auf; die Kulturlandschaft ist geprägt von der Grünlandwirtschaft und Viehhaltung. 3. Alpines Klima: bis 2.550-2.600 m Höhe. Charakteristik: strenge Winter. Wirtschaftsraum: Höhenstufe der alpinen Rasen und der Sommerweiden auf Almen; die obere Höhen- oder Klimastufe wird durch die Dauerschnee-Grenze bestimmt. 4. Arktisch-alpines Klima. Charakteristik: keine warmen Monate, Höhenstufe mit Dauerschneebedeckung. Wirtschaftraum: keine landwirtschaftliche Nutzung, allenfalls touristische Nutzung durch Alpinismus. Für das Klima im Parkgebiet ist neben der Meereshöhe die zentrale Lage im Alpenbogen entscheidend. Große Auswirkungen auf das Lokalklima haben auch der parallele Verlauf der Haupttäler zum Alpenbogen am Rand des Parkgebietes (Vinschgau, Veltlin, Val di Sole) und andere Gebirgszüge, die diese Täler abschirmen. Niederschlag Im Ortlergebiet sind im Mittel eher geringe Niederschläge zu verzeichnen, im Winter weniger als im Sommer. Im Trentiner

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Gebiet fallen mehr Niederschläge, da im Süden keine hohen Berge den Zustrom feuchter Luftmassen vom Westen oder Süden aufhalten. Regenwolken können so fast ungehindert längs der Valcamonica aufsteigen und den Tonalepass überwinden oder über die Valli Giudicarie, das Rendena-Tal, das Val Meledrio oder das Nonstal an die Südseiten des Parks gelangen. Das Rabbital ist weniger regenreich als das Peiotal, weil die feuchten Luftmassen durch den engen Taleingang unterhalb S. Bernardo nur etwas erschwert vordringen können. Im Südtiroler Parkanteil ist die Niederschlagsverteilung sehr unterschiedlich. Das hintere Ultental weist die höchsten Niederschläge auf, etwas weniger das Martelltal und die geringsten Niederschläge fallen im Vinschgau, wo die Meereshöhe eine unbedeutende Rolle spielt. Der Hauptgrund für die niedrigen Werte im Vinschgau ist sicherlich der Ost-WestVerlauf des Tales, das sowohl im Norden wie im Süden von hohen Gebirgszügen begrenzt wird. Der Talboden zwischen Latsch und Glurns ist eine Klimainsel mit äußerst geringen Niederschlägen (400 – 700 mm pro Jahr). Eine Ausnahme bildet das Gebiet von Trafoi, das höhere Niederschlagswerte aufweist, und zwar wegen des Zustroms von feuchten Luftmassen über den Reschen bzw. von Westen über das Stilfser Joch, die sich am Ortlermassiv abregnen. Auf der Veltliner Seite gibt es die einzige »historische« Wetterstation in Bormio, die im Vergleich zur Höhe niedrige Niederschlagswerte aufweist. Der Grund dafür sind die hohen Gebirgsketten im Norden, die das Tal schützen und an denen die Westströmungen den Großteil ihrer Feuchtigkeit durch Niederschläge verlieren. Nach den katastrophalen Ereignissen im Jahre 1987 wurden im Veltlin weitere Messstationen aufgebaut. Aus den Messergebnissen dieser Stationen ist ersichtlich, dass die Niederschläge nach Süden und Westen zunehmen. Temperatur Wichtige Parameter für die Temperaturen im Parkgebiet sind neben der Meereshöhe die Lage und die Exposition eines Gebietes. Die wenigen verfügbaren Daten aus den historischen Aufzeichnungen und von den neuen Stationen im Veltlin seit 1997 reichen kaum für eine genauere Beschreibung der Temperaturverhältnisse im Parkgebiet. Durch Interpolation der Daten und durch die Ergänzung der Daten aus den Messstationen der umliegenden Täler war es möglich, einen Temperaturverlauf für das Parkgebiet zu erstellen. Die mittleren Jahrestemperaturen liegen im Gebiet

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von Livigno am niedrigsten und steigen von Westen nach Osten langsam an, mit einer Tendenz der Umkehr dieses Verlaufes im Raum Bormio, wo höhere mittlere Jahrestemperaturen verzeichnet werden. Dies ist auf mehrere Einflüsse zurückzuführen: günstige Lage für die Sonneneinstrahlung, trockene und warme Fallwinde (Föhnlage), die zum milden Klima beitragen und schließlich geringere Luftströmungen aus dem Veltlin, die durch die engen Täler abgeschwächt werden. Die Auswertung der Daten zeigt, dass die östlich gelegenen Gebiete höhere mittlere Jahrestemperaturen aufweisen, wie etwa das Rabbital, das Ulten- und Martelltal und der Vinschgau.

5. Tiefdruckgebiet über dem nord-östlichen Atlantik (im Frühjahr und Herbst): bringt Westwinde, die frische und feuchte Luft zu den Alpen führen.

Winde Nachdem im Parkgebiet nur wenige Windmessgeräte installiert sind, ist es nicht möglich, im Detail die Windverhältnisse zu beschreiben. Die großräumigen Luftströmungen haben geringe Auswirkungen auf dieses gebirgige Gebiet: sie erreichen das Gebiet entweder gar nicht oder in veränderter Art gegenüber dem Ausgangsort. Die Morphologie des Gebietes beeinflusst die Geschwindigkeit und die Intensität des Luftaustausches oder reagiert auf die lokalen Windströmungen wie etwa die Brise, die nur im Sommer auftritt, während im Winter die Aufwärtswinde untertags kaum bemerkbar sind. Folgende Druckverhältnisse sind charakteristisch: 1. Hochdruckgebiet über Mitteleuropa (vorwiegend im Winter): das Wetter ist meistens schön und der Wind weht von Norden. 2. Tiefdruckgebiet im nördlichen Mittelmeerraum, in Richtung Nord-Ost unterwegs (vorwiegend im Winter): die Winde wehen aus Südost und Süd-Südost und erzeugen Fallwinde (Föhn) auf den nordseitig gelegenen Tälern der Alpen; Schlechtwetter mit starken Niederschlägen vor allem im Trentiner Teil, aber nur im Zusammenwirken mit einer Nordströmung. 3. Tiefdruckgebiet auf der Iberischen Halbinsel (vorwiegend im Frühjahr und Herbst): Winde aus Südwest und Süd-Südwest, die beim Einströmen in die Längstäler ihre Geschwindigkeit erhöhen und ausgesprochene Schlechtwetterlagen mit hohen Niederschlägen im gesamten Gebiet verursachen, vor allem Schneefälle. 4. Tiefdruckgebiete im Norden, im schwäbisch-bayerischen Gebiet, in Richtung Osten unterwegs (vorwiegend im Sommer): sie erzeugen Südwinde, die die Täler von Süden nach Norden durchströmen und auf den Gipfeln Niederschläge bewirken und Fallwinde (Föhn) in den Tälern.

Schneefälle der letzten 20 Jahre Die Auswertung historischer Daten von 40 Messstationen auf der Südseite der Alpen zeigt, dass die Schneefälle im Zeitraum von 1985 – 2004 in diesem Gebiet abgenommen haben. Die Zahl der Tage mit Schneefall weist einen stark negativen Trend auf, und diese Zahl ist proportional höher als jene, die für die Neuschneewerte zu beobachten ist. Die Anzahl der Tage mit Dauerschneebedeckung zeigt größere Schwankungen gegenüber den Werten von Neuschnee und Schneemengen, mit prozentuell höheren Abnahmen bei zunehmender Meereshöhe. Es scheint ein Zusammenhang zu bestehen zu der festgestellten Zunahme der mittleren Temperaturen, insbesondere der mittleren Frühjahrswerte im zentralalpinen Raum. Das Phänomen zeigt sich vor allem in Höhenlagen um 2.000 m. Es besteht offensichtlich eine umgekehrte Beziehung zwischen Höhenlage und Neuschneemenge beziehungsweise die höher gelegenen Stationen zeigen eine größere Abnahme als die niedriger gelegenen. Der Rückgang der Schneefälle fällt besonders in den Gebieten der Zentral- und Ostalpen auf. Diese Trends wirken sich vor allem auf den Zustand der Gletscher aus. Besonders die kleineren Gletscher reagieren sehr rasch auf klimatische Schwankungen.

Fallwinde (Föhn) werden von Luftströmungen aus dem Norden oder Süden erzeugt: erstere treten häufiger auf und hängen mit den entsprechenden Tiefdruckgebieten im Norden zusammen. Südföhnlagen sind seltener und hängen von lokalen, leicht veränderlichen Druckverhältnissen ab. Diese warmen Fallwinde wirken sich auf das lokale Kleinklima sehr stark aus: der auffälligste Effekt ist der vorzeitige Frühlingsbeginn.


Der Verlauf der Niederschläge und der Temperaturen in den letzten drei Jahrzehnten Wie in der Abbildung ersichtlich, zeigen die sommerlichen und winterlichen Maximaltemperaturen klar einen positiven Trend. Die Klimatologen haben festgestellt, dass in den letzten 30 Jahren die Temperaturen in den Alpen gegenüber der globalen Situation stärker angestiegen sind. Ändert sich dieser Trend nicht, wird das Folgen für die alpinen Ökosysteme haben. Der Rückzug oder gar das Verschwinden der Gletscher wird verheerende Auswirkungen auf den Wasserhaushalt für große Teile Europas haben. Die Niederschlagskurve weist Schwankungen um die Mittelwerte auf, ohne erkennbaren Trend.

700

5

500

0

300

-5 1978

1985

1992

1999

Jahr Temperaturmittel der Maxima in der Sommerperiode Niederschlag Sommerperiode Niederschlag Winterperiode Temperaturmittel der Maxima in der Winterperiode

100 2006

Schneehöhen im Verlauf der letzten 25 Jahre im Park Höhe der Schneedecke (cm)

10

Temperatur (°C)

900

Niederschalg (mm)

Temperaturverlauf und Niederschlagskurve im Park 15

350 280 210 140 70 0 1982

1991

2000

2009

Jahr

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Nationalpark Stilfserjoch

Digitale Landschaftsmodelle Ein digitales Landschaftsmodell (DLM) beschreibt die Erscheinungsformen und Strukturen eines Gebietes durch objektstrukturierte Vektordaten und speichert diese dauerhaft in einer Datenbank. Es stehen verschiedene Datenstrukturen für die Darstellung eines DLM zur Verfügung, jede mit Vor- und Nachteilen. Es gibt keine Anwenderstruktur, die alle Anforderungen erfüllen kann. Die Auswahl hängt entscheidend vom gewünschten Zweck ab. Die Basisstrukturen sind das Unregelmäßige Dreiecksnetz (engl. Triangulated Irregular Network, TIN) und das Gitternetz. Ein lineares Modell beschreibt z. B. die Höhe einer Oberfläche durch Höhenlinien. In einem TIN wird die Oberfläche einer Landschaft in Dreiecke unterteilt und mittels signifikativer Geländepunkte vermessen. Diese Messpunkte bilden die Knoten im Netz. Drei Knoten stellen den Bezugspunkt im TIN dar und die Dichte der Dreiecke hängt von der Variabilität der Oberflächenstruktur ab. Innerhalb eines Dreicks kann nach diesem Modell die Höhe variieren, während die Neigung und die Exposition als konstant angenommen werden. Ein TIN hat eine vektorielle Datenstruktur, weil die Koordinaten der Knoten bzw. die Dreieckspunkte jeweils gespeichert werden. Ein DLM basiert auf einem Gitternetz (grid network); das Grundelement ist ein Quadrat, dessen Größe aufgrund jener Teilflächen mit der größten Strukturvielfalt gewählt werden soll. Der große Vorteil des regelmäßigen Gitternetzes ist seine einfache Anwendung für die Datenspeicherung: eine Reihe von Koordinaten Z (für die Höhe) längs der X-Achse, mit einem spezifischen Startpunkt und festgelegten Abständen aufgrund der Zellengröße wird verwendet.

8. Die Geländeformen

Die Gebiete des Nationalparks breiten sich um die OrtlerCevedale-Gruppe herum aus. Das Zentrum liegt etwa um den Cevedale, von dem sich die Gebirgsketten mit zahlreichen, über 3.000 m hohen Gipfeln strahlenförmig verzweigen. Dazwischen liegen ausgedehnte Gletscher. Der Gebirgszug mit den höchsten Erhebungen, Ortler (3.905 m), Zebrù (3.735 m) und Königsspitze (3.851 m) ist aus Sedimentgesteinen, dem etwa tausend Meter mächtigen, gut gebankten Hauptdolomit, aufgebaut. Der mächtige Sockel besteht aus kristallinen Gesteinen, dem Altkristallin. Von der Königsspitze zweigt ein Kamm mit Thurwieserspitz, Trafoier Eiswand, Kristallspitze, Hohe Schneide und Cresta di Reit ab, der im Becken von Bormio ausläuft. Immer von der Königsspitze ausgehend verläuft ein zweiter Kamm nach Südwesten, der die Wasserscheide zwischen Valfurva und Val Zebrù bildet und im Monte Confinale endet. Im Unterschied zum ersteren Gebirgskamm aus Dolomit, ist dieser vorwiegend aus metamorphen Gesteinen aufgebaut. Ein weiterer Gebirgszug in Richtung Süden verläuft über den Suldenspitz, den Cevedale und den Palòn de la Mare bis zum Monte Vioz, unterbrochen von den größten Gletschermassen des Gebietes. Vom Monte Vioz biegt der Kamm nach Südwesten ab, mit den Bergspitzen Punta Taviela, Punta S. Matteo und Corno dei Tre Signori ganz im Süden bzw. Pizzo Tresero nordwestlich der Punta S. Matteo. Auf der Nordseite dieses Gebirgszuges liegt der größte Gletscher der südlichen Rhätischen Alpen, der Forni-Gletscher. Vom Cevedale in nordöstlicher Richtung verläuft ein Gebirgskamm mit niedrigeren Erhebungen, und zwar: Veneziaspitz, Hinterer Rotspitz, Hinterer Nonnenspitz, Zufrittspitz und Hasenöhrl. Vom Hinteren Rotspitz zweigen zwei Gebirgsketten ab, eine in Richtung Süden mit den Gipfeln Pontevecchio, Cavaiòn, Verdignana und Tremenesca, eine zweite in Richtung Südosten mit den Gipfeln Hinterer Eggenspitz, Gleck, Welscher Berg und Hochwart. Im Norden des Cevedale erstreckt sich ein mächtiger Gebirgszug mit den Gipfeln Suldenspitz, Madritschspitz, Schildspitz, den drei Pederspitzen, Lifispitz, Schluderspitz und Laaser Spitz (Orgelspitz). Von diesem Gebirgszug zweigt ein weiterer Gebirgskamm ab mit Vertainspitz, Hohem und Kleinem Angelus und der Tschenglser Hochwand. Was die Flächenverteilung betrifft, so befinden sich nur 27% der Parkfläche unterhalb von 2.000 m Seehöhe, 63% liegen zwischen 2.000 und 3.000 m und 10% oberhalb der 3.000 m. Die Täler des

Parkgebiets sind alle vom Eis der Gletscher geformt und wurden nachträglich noch von der erodierenden Kraft des Wassers gestaltet. Jedes Tal weist besondere Landschaftsformen auf, die auch von den geologischen und tektonischen Verhältnissen geprägt werden. In allen Tälern sind aber Geländestrukturen zu finden, die gute Voraussetzungen für eine Besiedlung oder landwirtschaftliche Nutzung bieten. Die Bewohner der Täler haben sich schon immer bevorzugt auf den Schwemmböden der Talsohle oder auf den Hangschutt-Terrassen und Schuttkegeln angesiedelt. Die höher gelegenen Gebirgstäler weisen noch deutlich vom Gletscher geprägte Landschaftsformen auf, mit Moränenablagerungen, Schuttfächern und manchmal auch Becken mit Seen. Darüber befinden sich die noch von Gletschern bedeckten Hochflächen. Die Landschaftsform der Täler ist entscheidend für die Besiedlung und mögliche Nutzung: die Dauersiedlungen befinden sich nur in den unteren Höhenlagen und an günstigen Hanglagen. Die Talböden und die besonnten Hänge werden sehr intensiv genutzt, während auf den höheren Lagen sich weite Flächen mit den Almen und Weiden ausdehnen. Im folgenden Abschnitt werden einige Täler in den drei Parkanteilen vorgestellt.

die Gletschertäler Zebrù, Cedèc, Forni und Gavia, die über mehr oder weniger große Geländestufen in das Haupttal münden. In diesen Tälern befinden sich nur Almen, die während der Sommermonate bewirtschaftet werden. Valcamonica Die Valcamonica, orografisch rechts des Oglio gelegen, ist ein typisches Gletschertal mit U-förmigem Profil. Die Täler Valle di Viso, Valle delle Messi e Val Canè erreichen nur eine Länge von fünf Kilometern, das Val Grande etwa zwölf Kilometer. Die Täler weisen keine Dauersiedlungen auf, nur in den Talböden, die oft ursprünglich aufgefüllte oder verlandete Seen sind, gibt es saisonal bewohnte Baulichkeiten. Die höheren Lagen sind geprägt von zahlreichen Gletscherkaren und kleinen alpinen Seen, wie den Laghi Seroti in Val Bighera und dem Lago Nero im Valle delle Messi.

Valle del Braulio Das Braulio-Tal mündet von Norden her in das Becken von Bormio. Mit steilen, fast schluchtartigen Hängen und Wänden steigt es an und endet am Stilfser Joch (2.758 m). Am Joch erheben sich kleinere Gipfel, Zeugen der einst noch vorhandenen großen Gletscher, die in nordwestlicher Richtung abflossen. Begleitet von steilen Kalkfelsen, war diese raue Gebirgslandschaft für eine Besiedlung nicht geeignet.

Val de la Mare, Val del Monte und Peiotal Das Peiotal bildet die Fortsetzung nach dem Zusammenfluss der beiden Täler Val del Monte und Val de La Mare. Im Oberlauf des Val de La Mare und westseitig befinden sich große Gletscher und Firnfelder, aus denen mehrere Dreitausender herausragen. Das Val de La Mare ist eher eng, mit steilen, asymmetrischen Talflanken, die auch die Verteilung der Siedlungen bedingt haben. Das Val del Monte ist von der Lage, der Geländestrukturen und der Ausrichtung sehr unterschiedlich. Die ungünstigen Geländeformen und Exposition sind der Grund dafür, dass das Tal nur wenig besiedelt ist. Das Peiotal ist dagegen offener, weist mit Moränenmaterial verfüllte Talböden und Schuttkegel auf, die eine Besiedlung begünstigt haben.

Valfurva Die Valfurva, durchflossen vom Bach Frodolfo, erstreckt sich über 18 km von Südost nach Nordwest. Im Osten wird es von den Ausläufern der Ortler-Cevedale-Gruppe begrenzt, im Südwesten von der Sobretta-Gavia-Gruppe, mit Felskämmen und dazwischen liegenden Karen, in denen sich dank der günstigen Exposition große Gletscher bilden konnten. Im mittleren Abschnitt, zwischen den Ortschaften S. Caterina und S. Antonio, ist der Talboden von Moränenmaterial aufgefüllt, in das der Frodolfo sein Bachbett gegraben hat. Dauersiedlungen befinden sich nur in diesem Teil des Tales, während der restliche Teil nur saisonal bewohnt wird. Zum Einzugsgebiet des Frodolfo gehören, außer der Valfurva,

Rabbital Das Tal ist deutlich von den Gletschern geprägt worden. Der Ursprung des Tales liegt in einem weiten Kar mit einigen Seen und, mit Ausnahme des kleinen Firnfeldes Sternai, ohne Gletscher, was auch auf die südexponierte Lage zurückzuführen ist. Im oberen Teil fließt der Bach über mehrere Steilstufen und bildet so beeindruckende Wasserfälle. Die Wasserscheide vom Rabbital zum Ultental und der Val di Bresimo ist nicht immer leicht auszumachen, weil die ursprünglich glazial geprägten Formen oft durch die nachträglich erfolgten Erosionen durchbrochen werden. Das Tal ist eng und die Siedlungen liegen vorwiegend auf der besonnten, orografisch linken Talseite, während die Schattseite

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Die gebräuchlichste (aber auch ungenaue) Methode, ein DLM zu erzeugen, beruht auf der Digitalisierung und Interpolation der Höhenlinien einer topografischen Karte. Die Genauigkeit kann durch weitere Messpunkte und Gitterlinien erhöht werden. Die Qualität eines DLM und seiner Anwendungen hängt wesentlich mehr von der Qualität der eingegebenen Daten als von Art der verwendeten Datenstruktur oder dem Algorithmus der Interpolation ab. Von einem DLM können unabhängig von der Datenstruktur, unter Verwendung von Filtern, Geländekarten erzeugt werden, die die Hangneigung, die Exposition und die Beschattung zeigen.

nur gering besiedelt ist. Im Bereich der Waldgrenze und darüber befinden sich viele Almen, die in den Sommermonaten bewirtschaftet sind. Ultental Ein langes Tal, das von der Falschauer entwässert wird. Nur der hinterste Teil des Tales, oberhalb der Ortschaft St. Gertraud, liegt im Parkgebiet. An der Kammlinie im Talschluss befinden sich noch kleinere Gletscher. Das Tal weist aufgrund der Landschaftsformen und der Exposition eine asymmetrische Form auf. Die Hauptorte liegen in der Talsohle und an den besonnten Hängen des Tales. Martelltal Das Martelltal verläuft von der Gemeinde Latsch in südwestlicher Richtung zur Cevedale-Gruppe, ist 27 km lang und wird von der Plima entwässert. Der stark vergletscherte Talschluss ist von einer Reihe Dreitausender umgeben, mit zahlreichen Schuttkaren, von Gletschern und vom Wasser geformten Taleinschnitten und kleinen Seen. Die Siedlungen liegen vorwiegend an den besonnten Hängen, zum Teil auch in beachtlicher Höhenlage. Der Talboden ist lediglich im mittleren Abschnitt in einer Aufweitung des Tales besiedelt. Auf vielen Schuttkegeln befinden sich einzelne Höfe und Häuser. Sulden- und Trafoital Beide Täler verlaufen von Süden nach Norden und vereinigen sich bei Gomagoi. Beide Talschlüsse werden von mächtigen, nordexponierten Gletschern eingenommen. Lediglich die rechte Bergflanke des Suldentales weist kleinere Gletscher auf. In beiden Tälern sind große Gebiete von eiszeitlichem Moränenschutt und gegenwärtigem Abtrag bedeckt. Das Trafoital ist enger als das Suldental, das zwischen den Fraktionen St. Gertraud und Innersulden einen breiten, schon während der Eiszeiten aufgefüllten Talboden aufweist. Wegen der Morphologie und der Aus-richtung waren die Täler gering besiedelt. Nur der Fremdenverkehr hat eine Zunahme der Besiedlung bewirkt. Die Hauptorte befinden sich in der Talsohle, mit einzelnen, verstreuten Höfen in der näheren Umgebung.


Flächenanteile im Parkgebiet nach Höhenstufen 25000

Höhenstufen unter 500 m 500 - 1000 1000 - 1500 1500 - 2000 2000 - 2500 2500 - 3000 3000 - 3500 über 3500 m

Fläche (Hektar)

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Südtirol

Lombardei

Trentino

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Nationalpark Stilfserjoch

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Fl채chenanteile im Parkgebiet nach der Hangneigung 12000

Klassen der Hangneigung (Grad) 10000

0 - 0,5 0,5 - 10 10 - 20 20 - 25 25 - 30 30 - 35 35 - 40 40 - 45 mehr als 45

Fl채che (ha)

8000

6000

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2000

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S체dtirol

Lombardei

Trentino

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Nationalpark Stilfserjoch

9. Die Geologie

V. Mair, 2001 Geologischer Überblick Das Gebiet des Nationalparks wird von zwei Hauptgesteinsfamilien aufgebaut. Der kleinere Teil im Nordwesten wird von karbonatischen Ablagerungsgesteinen gebildet. Der weitaus größte Teil besteht aus metamorphen Gesteinen, welche gemeinhin als Altkristallin bezeichnet werden. Diese Gesteinseinheiten sind durch unterschiedliche geomorphologische, lithologische, geochemische und strukturgeologische Elemente gekennzeichnet und führen auch zur Ausbildung völlig unterschiedlicher Böden. Das Karbonatgebiet im nordwestlichen Teil des Parks umfasst das Gebiet um Livigno, Valdidentro, Valle di Fraele, Cresta di Reit, die orographisch rechte Seite des Zebrùtales und die Talschlüsse von Sulden und Trafoi. Die Ablagerungsgesteine – Kalk, Dolomit und Kalkmergel – bilden die höchste, schroff aufragende Gebirgsgruppe des Parks, den Gebirgskamm mit Königsspitz, Zebrù und Ortler. Die Böden auf diesem Gesteinsuntergrund sind eher trocken und humusarm. Das restliche Gebiet, welches etwa vier Fünftel des Parks ausmacht, setzt sich dagegen aus metamorphen Gesteinen zusammen, vorwiegend aus Quarzphylliten, Glimmerschiefern und Paragneisen. Untergeordnet treten Orthogneise, Amphibolite und Marmore zutage. Mächtige Marmorbänder kommen am Monte Sobretta, am Monte Confinale und am Gebirgskamm zwischen dem Martelltal und dem Laaser Tal vor, dem Gebiet, wo der bekannte weiße Laaser Marmor abgebaut wird. Aus diesen Gesteinen haben sich mittelgründige Böden entwickelt, mit idealen Voraussetzungen für einen guten Waldbestand. Neben diesen zwei Hauptgesteinsgruppen kommen – lokal begrenzt – magmatische Gesteine tertiären Alters vor. Hierbei handelt es sich meist um Tonalite und Quarzdiorite. Genannt seien der Grünseepluton im Bereich des Grünsees im hinteren Ultental, der Königsspitzpluton mit seinen Ausläufern am Königsjoch, der Cima Pale Rosse und an der Cima Miniera sowie der Pluton von Sondalo – S. Antonio Morignone, der vorwiegend aus Gabbro, einem schwarzen, körnigen Tiefengestein besteht. Das Veltlin und das Val Rezzalo sind geprägt durch solche Tiefengesteine der Granitfamilie. Das metamorphe Grundgebirge Das Gebiet des Nationalparks liegt nördlich der Insubrischen Linie und ist aus tektonischer Sicht dem austroalpinen Deckensystem zuzuordnen. Die Insubrische Linie ist ein Segment der sogenannten Periadriatischen Naht. Dieses markante Störungssystem trennt im Ostalpenraum die austroalpinen Gesteine, welche die Unterplatte bilden und während der alpidischen Gebirgsbildung und Plattenkollision von den nur leicht oder nicht metamorphen

südalpinen Gesteinseinheiten der Oberplatte in die Tiefe verfrachtet wurden. Die häufigsten Gesteine des metamorphen Grundgebirges sind Glimmerschiefer, Paragneise Quarzphyllite, Orthogneise, Amphibolite und Marmore. Ausgangsmaterial für die metamorphen Gesteine (Umwandlungsgesteine) sind vor allem Sedimente – Tone und Sandsteine aber auch Kalke – die in einem Meeresbecken vor über 500 Millionen Jahren abgelagert wurden. Die Gesteine wurden während mehrerer Gebirgsbildungsphasen (variszische und alpidische) unter hohem Druck und/oder hoher Temperatur umgewandelt; es entstanden neue Gesteine. Während der Metamorphose und durch den gerichteten Druck wurden die Gesteine stark verändert, geschiefert, gestaucht, verbogen. So entstanden z.B. aus einem gleichkörnigen Granit ein Gneis mit großen Feldspataugen und plattigem Gefüge (Angelusgneis) oder die weithin sichtbaren Marmorfalten der Jennwand. Das Austroalpin kann aufgrund der Zusammensetzung, der Entstehung, des Alters und der Art der Lagerung der Gesteine in verschiedene Decken bzw. Untereinheiten unterteilt werden. Diese Einheiten werden jeweils durch tektonische Störungszonen voneinander getrennt (z. B. Tonale-Linie, Peio-Linie, Ultental-Linie). Die Tonale-Decke Die Tonale-Decke wird von der Tonale-Linie im Süden, der PeioLinie im Norden sowie der Nördlichen Judikarien-Linie im Osten begrenzt. Sie wurde während der alpidischen Gebirgsbildung auf die Ortler-Campo-Decke aufgeschoben und bildet heute die höchste Kristallineinheit südlich und westlich des Vinschgaus. Es handelt sich um eine Grundgebirgsdecke ohne bedeckende Ablagerungen aus dem Erdmittelalter und diese ist durch Relikte einer variszischen Hochtemperatur-Metamorphose gekennzeichnet. Während der alpidischen Gebirgsbildung wurden die Gesteine kaum verändert. Die Decke besteht aus ZweiglimmerParagneisen mit zahlreichen und mächtigen Einschaltungen von Orthogneisen, Metapegmatiten, Marmoren, Kalksilikat-Felsen, Quarziten sowie Plagioklas führenden Amphiboliten. Die TonaleDecke wird weiters in die Ulten- und die Tonale-Einheit gegliedert. Ulten-Einheit Die Ulten-Einheit ist im Lavazzè-Tal, im Talschluss des BresimoTals, am rechten Hang des Kirchbergtals, im Auerbergtal und im Einertal bis zum Talboden des Ultentals aufgeschlossen. Sie besteht aus fein- bis mittelkörnigen Paragneisen, mit Einschaltungen von Amphibolitlinsen, Orthogneisen und Peridotiten (Erdmantelgesteinen!). In einem Streifen kommen Glimmerschiefer

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und Zweiglimmergneise vor. Die Ulten-Einheit umfasst wiederum zwei Untereinheiten. Die südwestliche besteht aus DisthenGranat-Staurolith führenden Gneisen, Zweiglimmergneisen, Quarziten, Metagabbros und großen Granitoid-Körpern, die allesamt eine regionale, präalpidische Schieferung aufweisen. Die nordöstliche Ulten-Einheit besteht aus Kyanit-Granat führenden Gneisen, gebänderten Migmatiten und Resititen (»Granatgranulit« und »Granatgneis«) sowie weiteren Gesteinarten. Tonale-Einheit Die Tonale-Einheit ist im Rabbi-, Bresimo-, Klapfberg-, Lavazzè-, Kirchberg- und im untern Ultental aufgeschlossen. Sie besteht aus Sillimanit und mehr oder weniger Granat führenden ZweiglimmerParagneisen mit zahlreichen und mächtigen Einschaltungen von Orthogneisen, Metapegmatiten, Marmoren, Kalksilikat-Felsen, Quarziten sowie Plagioklas führenden Amphiboliten. Die Ortler-Campo-Decke Die Ortler-Campo-Decke baut einen Großteil der Ortler-CevedaleGruppe auf. Sie ist ein Fragment der Adriatischen (Afrikanischen) Platte und besteht aus einem metamorphen Grundgebirgsstock, auf welchem permotriassische Sedimenteinheiten liegen (OrtlerDecke). Die stratigraphische Basis, das Ortler Kristallin, wird vorwiegend aus mittel bis niedrig gradigen, metamorphen Sedimenten aufgebaut. Die Ortler-Campo-Decke kann in folgende Einheiten gegliedert werden: Die Zebrù-Schuppenzone Diese eigene Einheit kann gut abgegrenzt werden, da sie variszisch und alpidisch lediglich eine geringe bis mittlere Metamorphose erfahren hat. Sie liegt über der Peio-Einheit bzw. an der Basis der triassischen Kalksedimente der Ortlerdecke. Die Hauptgesteine sind die typischen Quarzphyllite, in die Quarzite, Marmore und Chloritschiefer zwischengeschaltet sind. Die Peio-Einheit Die Gesteinseinheit besteht vorwiegend aus Paragneisen und Glimmerschiefern, mit weiteren Gesteinsarten wie Amphiboliten, Metapegmatiten, Orthogneisen, Quarziten und Marmoren. Die nördliche Grenze der Peio-Einheit ist durch ein mächtiges Mylonitband gekennzeichnet, die Laaser Linie. Die Peio-Linie, die sich von Ponte di Legno über das Rabbi- und Ultental bis nach Meran erstreckt, bildet die Südgrenze der Einheit. Die Laaser Einheit Die Laaser Einheit bildet die tiefste tektonische Einheit des

Ortlerkristallins. Charakteristisch sind die wechsellagernden Bänder von Glimmerschiefern, Paragneisen, Amphiboliten und Marmoren. Diese landschaftsprägenden, stark verfalteten Marmorbänder sind an der Jennwand im Laasertal besonders schön zu sehen. Der Laaser Marmor ist wegen seiner Schönheit und Reinheit schon sehr lange bekannt und wird heute noch abgebaut. Die Ablagerungsgesteine der Ortler-Decke Die Zebrù-Schuppenzone und die Pejo-Einheit werden von den Sedimenten der Ortler-Decke diskordant überlagert. Die höchsten Gipfel der Ortlergruppe werden von dem etwa tausend Meter mächtigen Hauptdolomit aufgebaut, der im Zeitraum von etwa zehn Millionen Jahren abgelagert wurde. Nicht nur die Ortlergruppe wird von diesem Gestein gebildet, sondern weite Gebiete in den Dolomiten (z. B. die Drei Zinnen), in den nördlichen Kalkalpen oder in den Engadiner Dolomiten. Vor etwa 220 Millionen Jahren wurde dieser feine Kalkschlamm in riesigen Flachwassergebieten des Tethysmeeres abgelagert. Es herrschte heißes und tro-ckenes Klima. Vorwiegend Algen und Bakterien (Stromatolithen) lebten im warmen, stark salzhaltigen Wasser und besiedelten den Schlamm. Sie sind für die feine, wellige Schichtung des Hauptdolomits verantwortlich. Andere Meeresbewohner waren selten, daher sind in diesem Gestein kaum Fossilien zu finden. Über Jahrmillionen sank der Meeresboden kontinuierlich ab, so dass bei gleich bleibenden Bedingungen die Ablagerung des feinen Kalkschlamms Schritt halten konnte. Zwei dunkle Bänder (Thurwieser Schichten) unterbrechen den sonst einheitlichen Wandaufbau. Diese dünnbankigen, dunkleren Kalke und Ton-schiefer entstanden zu Zeiten mit höheren Absenkungsraten und daher in größerer Wassertiefe. »Junge Gesteine« des Ortler-Gebietes Vor etwa 32 Millionen Jahren stiegen im Bereich des heutigen Königsjochs, der Cima Pale Rosse und der Cima Miniera heiße Gesteinsschmelzen auf. Sie durchdrangen die Gesteine des Ortlerkristallins und den Hauptdolomit. Beim Abkühlen erstarrten sie zu Tonaliten und Quarzdioriten. Durch die hohen Temperaturen (etwa 750 °C) der Gesteinsschmelzen wurde auch das Nebengestein verändert, es kam zur Kontaktmetamorphose. Diese Intrusionsgesteine bauen den sogenannten KönigsspitzPluton auf. Am Königsjoch sind die hell- bis dunkelgrauen Gesteine des Plutons zu sehen, flankiert von den weißen Marmoren auf der einen und von den dunkel-rostbraunen Quarzphylliten auf der anderen Seite.


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Nationalpark Stilfserjoch

10. Die Geomorphologie

Der Nationalpark Stilfserjoch ist eine Hochgebirgsregion mit typischen Landschaftselementen, die im Laufe der Zeit und je nach Gebiet durch die Einflüsse des Wetters, durch das Eis und Wasser geformt wurden. Die letzte Eiszeit Die Gletscher haben wohl am deutlichsten die alpine Landschaft des Parks geprägt. In den letzten zweieinhalb Millionen Jahren (Zeitalter des Quartärs) wechselten mehrere Eiszeiten und Warmzeiten einander ab. Zwischen dem Pliozän und dem Holozän (2,5 Mio Jahre bis heute) haben die klimatischen Schwankungen zu mindestens 13 Gletschervorstößen geführt. Vor 20.000 Jahren waren die Nordhalbkugel und der Alpenraum von dicken Eismassen bedeckt, die auch eine Mächtigkeit von zwei bis dreitausend Metern erreicht haben. Nach dem Rückzug der Gletscher vor etwa 12.000 Jahren wurden weite Gebiete im Norden Europas und in den Alpen eisfrei. Die Landschaft zeigt deutlich die Spuren der Erosions- und Ablagerungstätigkeit der Gletscher: ausgeschürfte Talböden, abgeschliffene Felsen, enorme Sand- und Schuttmassen, Moränen. Die nackten Sandund Schotterflächen werden von verschiedenen Pionierpflanzen und Tieren besiedelt. Dank neuer wissenschaftlicher Studien und Auswertungen historischer Klimadaten war es möglich, das Klima der letzten 2.000 Jahre ziemlich genau zu beschreiben. So gab es in der Zeit zwischen 1400 und 1850 eine starke Abkühlung, die zur sogenannten »Kleinen Eiszeit« führte. Am Ende dieser Zeit verzeichneten die Polarkappen und die alpinen Gletscher ihre größte nacheiszeitliche Ausdehnung. Gletscher und ihre Auswirkungen Gletscher sind ausgedehnte Eismassen, die sich auf festem Untergrund bilden und wegen der Schwerkraft in Bewegung sind. Sie bilden sich oberhalb der Schneegrenze, die sich je nach Breitengrad und Niederschlag ändert. Die Gletscher selbst können auch unterhalb der Schneegrenze abfließen. In den Alpen sind sie als Talgletscher ausgebildet, das heißt, das Eis fließt auf dem Talboden und zwischen den Bergflanken ab, entsprechend stark von der Topographie des Geländes beeinflusst. Kargletscher entstehen in Mulden, haben meistens eine geringe Ausdehnung und weisen keine Gletscherzunge auf. Kleinere Eisflächen können Hanggletscher, Schluchtgletscher und Hängegletscher bilden. Gletscher modellieren die Landschaft durch Abtrag und Ablagerung in unterschiedlichen Formen und Dimensionen.

Die Erosionswirkung der Gletscher beruht vorwiegend auf dem Gesteinsschutt, den sie am Grunde mitschleppen und der wie eine Raspel wirkt und auf der mechanischen und chemischen Wirkung des fließenden Wassers unter dem Gletscher. Der Gesteinsschutt stammt von den Seitenhängen oder wird vom Untergrund abgeschürft. Gletscherbäche wirken mit dem mitgeführten Sand und Schotter erodierend, graben tiefe Rinnen oder bilden Gletschermühlen, wenn das Wasser in einem Strudel in die Tiefe fließt. Großräumig schürfen Gletscher die Täler U-förmig aus oder hobeln kleinflächig Mulden aus, die von Kargletschern ausgefüllt waren oder es heute noch sind. Das Längsprofil der Gletschertäler weist in der Regel ein Gefälle auf, das im oberen Teil rasch abfällt und dann langsam ausklingt. Die Seitenhänge sind wegen der schürfenden Tätigkeit des Eises steil und abgetragen. Hauptgletscher schürfen sich tiefer ein als die kleineren Seitengletscher und hinterlassen so die typischen Hängetäler, über die die Bäche vielfach als Wasserfälle ins Tal stürzen. Typische Glazialformen sind Schliffrücken, Rundbuckel und ausgeschürfte Mulden. Oft weisen die abgeschliffenen Felsen tiefe Schrammen und Furchen auf. Die Gletscher formen die Landschaft nicht nur durch ihre Erosionswirkung. Durch die Fließbewegung führen sie an der Oberfläche und im Eis große Schuttmengen mit sich. Nachdem ein Gletscher während des Transportes, zum Unterschied vom Fluss, den Gesteinsschutt nicht sortiert, hinterlässt er ein chaotisches Gemenge von groben, kantigen Gesteinsblöcken, gerundeten Steinen und tonigem Material, eben eine Moräne. Je länger der Transportweg dauert, desto mehr wird das Geschiebe zerlegt, gerundet und zerrieben, bis zum feinsten Material, der Gletschermilch. Mittelmoränen entstehen durch das Zusammenfließen von zwei Seitenmoränen. Sie werden im Eis mitgeführt und treten beim Abschmelzen an die Oberfläche. Seitenmoränen sind der mitgeführte und geschobene Schutt der seitlichen Berghänge. Der Schutt bleibt dort liegen, wo die Gletscher abschmelzen. Endmoränen und Seitenmoränen sind sichtbare Zeugen der Größe und ehemaligen Ausdehnung der Gletscher. Die großen Talgletscher haben große Schuttmengen in die kleinen Seitentäler geschoben. Nach dem Abschmelzen des Eises fiel der seitliche Druck weg, riesige Schuttmengen ergossen sich ins Tal und schütteten die charakteristischen Murschuttkegel im Vinschgau auf. Bäche und Flüsse transportierten das Material zu Tal, lagerten es anderswo ab oder füllten ganze Täler und Seen mit Sedimenten auf. Erst nach und nach konnten sich die Talböden dauerhaft bewalden und bewachsen.

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Ablagerungen von Hangschutt Die Gebirgslandschaft der Alpen ist nicht nur von glazialen Ablagerungen betroffen, sondern auch von anderen Ablagerungen verschiedener Herkunft. Zusammengeschwemmte Lockersedimente bestehen aus feinkörnigen Ablagerungen mit eingelagerten Trümmergesteinen, die vor allem die obersten Bodenschichten betreffen. Sie stammen aus der Umgebung von Gletschern und deren Tätigkeit in der Vergangenheit. Durch den Einfluss des Menschen und durch die verschiedensten Nutzungsformen (Brandrodung, Entwaldung, intensive Beweidung, landwirtschaftliche Nutzung) sind »anthropisch« veränderte Böden entstanden. Der Hangschutt setzt sich aus Trümmergesteinen unterschiedlicher Gesteins- und Korngröße zusammen und wird am Fuße der Hänge oder Felswände abgelagert. Die Frostsprengung (zusammen mit der chemischen Verwitterung) und die Schwerkraft sind die Ursachen für Entstehung des Hangschuttes. Durch das ständige Gefrieren und Auftauen des Schuttmaterials geht die Verwitterung der Gesteine weiter. Die Schuttmassen weisen keine geschichtete Lagerung auf (wie sie für Flussablagerungen typisch sind), wenn auch die größeren Gesteinsblöcke am Hangfuß liegen. Werden die Schuttmassen am Fuße der steilen Hänge oder Felswände abgelagert, spricht man von Hangschutt, die fächerförmigen Ablagerungen am Talausgang werden als Schuttkegel bezeichnet. Diese verschiedensten Formen der Hangschuttablagerungen sind charakteristische Landschaftselemente in den Alpen, aber auch in den Apenninen. Besonders ausgeprägt sind diese Ablagerungen in den Kalkbergen (z. B. Dolomiten oder auch im Ortlergebiet). Für die Bildung des Schuttmaterials und der Böden ist die Verwitterung durch Frostsprengung die Hauptursache, während feine Substrate auch vom Wind angeweht werden oder sie stammen aus freigelegten fossilen Böden. In den Alpen ist dieses Verwitterungsmaterial oft am Hangfuß abgelagert, aber viel häufiger bedecken Verwittungsböden die gesamten, weniger steilen Hänge oder füllen die Talböden. Flussablagerungen Die Täler sind durch die dynamischen Kräfte des Wasser, durch Erosion und Ablagerung geprägt. Die Abtragung des felsigen Untergrundes betrifft mehr den Oberlauf der Fließgewässer und beruht auf der Schürfkraft des Wassers und des mitgeführten Sandes und Schotters. In besonderen Fällen entstehen dadurch auch die sogenannten Gletschermühlen. Im Kalkgestein ist auch

die lösende Wirkung des Wassers für die Erosion von Bedeutung. Durch die Erosionskraft des Wassers entstehen typische großräumige Landschaftsformen (V-Täler, Schluchten, Gräben) oder sie wird verstärkt, wenn beispielsweise der Wasserspiegel eines Sees durch äußere (klimatische) Einwirkungen abgesenkt wird. Flussablagerungen bilden die Schwemmböden, die wichtige Grundwasserspeicher bilden und daher von großer ökonomischer Bedeuung sind. Mit nachlassendem Gefälle verringert sich die Fließgeschwindigkeit, so dass im Unterlauf der Flüsse immer feineres Material abgelagert wird. Eine besondere fluvial geschaffene Landschaftsform sind die Flussterrassen. Sie sind Reste ehemaliger Talböden, die nach einer weiteren Eintiefung des Tals am Hang zurückbleiben. Hochwasserereignisse und zerstörerische Kräfte Wasser kann auch große zerstörerische Kräfte entwickeln. Im Alpenraum werden manche Gebiete immer wieder von Hochwasserereignissen heimgesucht, die das Landschaftsbild in einem Talabschnitt völlig verändern können. Ganz allgemein könnte man sagen, dass im Falle eines solchen Ereignisses gewissermaßen eine (Zer)Störung des Gleichgewichtes erfolgt, das instabile Folgesituationen nach sich zieht, die sich auf den Boden oder das Gelände auswirken, wobei das Wasser, neben anderen Ursachen, meistens einen direkten oder entscheidenden Einfluss hat. Katastrophale Ereignisse dieser Art sind Überschwemmungen, Muren, Schuttsröme, Erdrutsche und Bodenabtrag. In vielen Fällen werden diese Katastrophen durch die Aktivitäten des Menschen beeinflusst oder gar ausgelöst.


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Die Seen im Nationalpark Stilfserjoch

Nationalpark Stilfserjoch

50 42

Die Gletscher im Nationalpark Stilfserjoch Parkteil

Anzahl Gletscher

Mittlere max. Höhe (m.ü.m.)

Mittlere min. Höhe (m.ü.m.)

Fläche (ha)

Volumen gesamt (m3)

entsprech. Wasservol. (m3)

Lombardei

66

3.221

2.897

3.600

1.383.391.707

1.258.886.456

Südtirol

57

3.590

2.536

4.761

1.476.905.559

1.343.984.061

26

3.530

2.650

2.650

466.456.371

424.475.296

11. Der Wasserhaushalt

Trentino

Der Nationalpark weist ein dichtes Fließgewässernetz auf und zahlreiche alpine Seen, von denen viele noch sehr naturbelassen sind. Dieser Wasserreichtum ist aus ökologischer Sicht für die Lebensgemeinschaften von Tieren und Pflanzen in diesen hoch gelegenen Lebensräumen sehr bedeutend. Er stellt auch einen ökonomischen Wert für den Tourismus und die Sportfischerei dar und, im Falle der Stauseen, auch für die Erzeugung von Strom. Das Gewässernetz kann in fünf Haupteinzugsgebiete eingeteilt werden: Einzugsgebiet der Adda, des Spöl, des Oglio, des Noce und der Etsch. Einzugsgebiet der Adda Die Adda fließt durch das ganze Veltlin. Die Quellen liegen im Nationalpark Stilfserjoch (Laghi Alpisella, 2.237 m). Im ersten Abschnitt fließt das Wasser in kleinen Bachläufen mit alpinem Charakter. Die zahlreichen Ableitungen für die hydroelektrische Nutzung haben den Wasserhaushalt stark beeinträchtigt, der Bachlauf selbst ist oft verbaut und begradigt. Zuflüsse zur Adda, die wenigstens zum Teil in das Parkgebiet fallen, sind der Frodolfo, ein typischer Gebirgsbach, der an den Gletschern des Ortler-Cevedale entspringt, der Braulio, der vom Stilfser Joch abfließt, und der Rezzalasco, der seit der Erweiterung im Jahre 1977 im Parkgebiet liegt. Zum gleichen Einzugsgebiet gehören auch die Gewässer, die die Heilbäder von Bormio und Valdidentro speisen. Zahlreich sind die Gletscherseen: Lago Bianco, Lago della Manzina, Lago Nero di Trela, Lago delle Scale, Lago del Confinale, Lago delle Rosole und die Laghetti d’Alpisella. Von besonderer Bedeutung sind die großen Stauseen von San Giacomo und Cancano im Valdidentro und jener bei Livigno, die Anfang der 1930er Jahre errichtet wurden. Sie bestanden bereits vor der Gründung des Nationalparks und sind daher schon lange fester Bestandteil dieser Landschaft. Die Seen wirken sich in hohem Maße auf die Umwelt, die Ökologie und die anthropogene Landschaft aus. Einzugsgebiet des Spöl Der Spöl gehört zum Einzugsgebiet der Donau und entwässert in das Schwarze Meer. Die ersten drei Kilometer des Baches sind unberührt. Danach belasten Ableitungen und Pegelschwankungen sowie Abwässer den Bach. Hinter dem Passo di Fraele entspringt der Gallo, der in den rechten Seitenarm des Stausees von Livigno mündet.

Einzugsgebiet des Oglio Der Oglio, ein typischer Gebirgsfluss, beginnt am Zusammenfluss der Bäche Frigidolfo und Arcanello, die teilweise im Park-gebiet liegen. Seine Wasserführung ist durch zahlreiche Ableitungen für die Stromgewinnung beeinträchtigt. Diese erfolgen zwar außerhalb des Schutzgebietes, die Auswirkungen auf die Wasserqualität sind dennoch gegeben. Im Abschnitt der Valcamonica sind die Ufer teilweise noch unberührt, teilweise aber verbaut. Außer den schon genannten Frigidolfo und Arcanallo, die das Valle delle Messi und das Val di Viso durchfließen, gibt es noch die Bäche Fumeclo im Val Canè und Val Grande im gleichnamigen Tal, die teilweise das Parkgebiet durchfließen. Die genannten Bäche entspringen alle aus Quellen, weisen noch einen naturnahen Lebensraum ohne Eingriffe in die Ufer oder den Bachlauf selbst auf, mit Ausnahme von kurzen Abschitten oder eingebauten Sperren. Im Einzugsgebiet des Oglio liegen mehrere alpine Seen, darunter die acht Seen auf der Hochebene von Ercavallo oder die 13 Seen der Laghi Saroti. Sie sind teilweise mit einer kargen Ufervegetation bewachsen, die einer vielfältigen Insektenwelt, Amphibien, Reptilien und Fischen Lebensraum bietet. Einzugsgebiet des Noce Der Noce beginnt beim Zusammenfluss des Noce Bianco aus dem Val de La Mare und dem Noce des Val del Monte und mündet nach 67 km in die Etsch. Nur die Abflüsse aus dem Peio- und Rabbital betreffen das Parkgebiet. Im Peiotal wird das Wasser des Noce für hydroelektrische Zwecke genutzt, sowohl im Val del Monte mit dem Stausee von Pian Palù wie im Val de La Mare, wo sich der Stausee Careser befindet. Im Rabbital fließen die Bäche Rabbies und Ragaiolo teilweise innerhalb des Schutzgebietes. Die Gewässer der beiden Täler werden nicht nur für die Stromgewinnung genutzt. Die Thermalbäder von Peio und Rabbi, deren Heilwirkungen schon seit dem 17. Jahrhundert bekannt sind, werden jährlich von tausenden Gäste aufgesucht. Viele kleine Seen liegen in Senken und Gletschermulden, so etwa der Lago di Covel, Lago delle Marmotte, der Lago Lungo und Nero, die Laghi di Sternai, der Lago Corvo und der Lago del Soprasasso. Einzugsgebiet der Etsch Die Etsch entspringt am Reschen nahe der Grenze zu Österreich und fließt dann durch den Vinschgau. Viele Seitenbäche,

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Anzahl der Seen

40 natürlich künstlich Ursprung unbekannt

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20 16 12

11

10 5 3

0

teilweise auch aus dem Parkgebiet, wie der Sulden- und Trafoibach, die Plima und die Falschauer, münden in den Fluss. Der Suldenbach fließt im Unterlauf durch das Trafoital ab; seine Wasserführung ist stark von den Gletschern abhängig. Längs des Bauchlaufes gibt es einige Ableitungen zur Stromerzeugung. Deutlich stärker ist die hydroelektrische Nutzung des Wassers im Martelltal mit dem Zufritt-Stausee und im Ultental mit dem Grünsee und dem Weißbrunnsee, die fünf E-werke betreiben. Das Münstertal wird vom Rambach durchflossen, der unterhalb des Ofenpasses in der Schweiz entspringt und bei Glurns in die Etsch mündet. Im Parkgebiet liegen eine Reihe von hochalpinen Seen, darunter die Flimseen, der Grün- und Gelbsee, Göflaner See, Schwarzsee und Goldsee. Die Kennzeichen alpiner Seen Als alpine Seen werden jene bezeichnet, die oberhalb der Waldgrenze liegen. Folgende Merkmale unterscheiden diese hochalpinen Seen von jenen tieferer Lagen: sechsbis achtmonatige Eisbedeckung, geringe Ausmaße, einfache Lebensgemeinschaften, die durch kurze saisonale Wachstumsphasen charakterisiert sind und Nährstoffarmut, die auf die geringe Größe, die tiefen Temperaturen und den geringen menschlichen Einfluss zurückzuführen sind. Die alpinen Seen können in drei Kategorien eingeteilt werden: • Natürliche Gebirgsseen, wenn sie durch natürliche Prozesse entstanden sind, wie etwa durch die Schürftätigkeit der Gletscher. • Künstliche Seen, wenn sie neu entstanden sind, etwa durch den Bau eines Staudammes. • Erweiterte natürlich Gebirgsseen, wenn ein Natursee durch den Bau eines Dammes künstlich erweitert wird. Im Nationalpark Stilfserjoch wurden insgesamt über 90 Seen erfasst. Sie können alle als Gebirgsseen bezeichnet werden, da sie alle oberhalb von 1.800 m liegen, ja teilweise sogar Höhen von 3.000 m erreichen. Nicht für alle Seen im Parkgebiet kann eine Aussage über ihre Naturausstattung und ihren öko-biologischen Zustand gemacht werden. Es handelt sich vorwiegend um kleine Seen und für die Mehrzahl dieser wurden nie limnologische Untersuchungen gemacht. Innerhalb des Schutzgebietes wurden dagegen acht große Stauseen zur Stromerzeugung gebaut.

Südtirol

3

Lombardei

2

1

Trentino

Die Gletscher Die ausgedehnten Gletscher der Ortler-Cevedale-Gruppe prägen in besonderer Weise die Landschaft und sind zudem ein enormer Wasserspeicher. Dieser natürliche Wasserspeicher hat quantitativ wie qualitativ eine große Bedeutung. Zur Zeit der Gletscherschmelze während der Sommermonate versorgen sie in besonderem Maße und bisweilen ausschließlich die Quellen, Bäche und kleinen Seen und tragen so entscheidend zum Wasserhaushalt der Region bei. Die Abflüsse von den Gletschern wirken sich im Sommer auch auf die Wasserversorgung im Alpenvorland bzw. der Ebenen aus, weil sie den Grundwasserspiegel versorgen und Mindestwassermengen garantieren. Das Schmelzwasser der Gletscher ist lebensnotwendig für die Wirtschaft mancher Gebiete im Park, wie etwa für das Obere Veltlin oder den Vinschgau, die zu den trockensten Regionen des Alpenraums zählen. Die Gletscherbäche sind schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts für hydroelektrische Zwecke genutzt worden. Heute versorgen fast alle Gletscher über die Stauseen die Kraftwerke mit dem nötigen Wasser. Die sogenannte »Kleine Eiszeit« hatte bis vor etwa 150 Jahren einen letzten Gletschervorstoß zur Folge. Seither – und im verstärkten Maße seit dem laufenden Temperaturanstieg – nehmen die Gletscher stark ab. Von der Mitte der 1960er bis 1980er Jahre waren kurzzeitig auch Zunahmen des Eises zu verzeichnen, doch der allgemeine Trend hält an und die Gletscher nehmen an Masse und Ausdehnung ab. Trotz dieser negativen Tendenz weist das Parkgebiet noch eine beachtliche Vergletscherung auf, mit etwa 150 kleineren und größeren Gletschern und einer Gesamtfläche von über 10.000 Hektar.


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Nationalpark Stilfserjoch

Die Vegetation im Nationalpark Stilfserjoch 40

Anteil in % der Gesamtfläche

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12. Die Vegetation

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24

22

20

12

10

9

9 4

3

2

0

Die Höhenstufen der Vegetation Die Höhenstufen im Parkgebiet reichen von 720 m in der Nähe von Göflan im Vinschgau bis knapp 4.000 m Höhe in der OrtlerCevedale Gruppe. Folgende Höhenstufen lassen sich unterscheiden: die colline, montane, subalpine, alpine und nivale Stufe. Die colline Stufe betrifft nur die untersten Randlagen der großen Täler in der Ortler-Cevedale-Gruppe (Sulzberg, Vinschgau und Teile des Veltlin im Gebiet von Sondalo). Das Parkgebiet selbst ist nur mit einem kleinen Gebiet am Eingang des Martelltales mit einem termophilen Buschwald mit Flaumeiche und Mannaesche betroffen. Die montane Stufe reicht vom Talboden bis 1.250 bis 1.400 m Höhe und umfasst im Parkgebiet den oberen Bereich der Fichtenwälder und in sehr kleinen Flächen auch Tannenwälder, während Buchenwälder vollständig fehlen. Die subalpine Höhenstufe ist gekennzeichnet durch Krummholzgewächse und einzeln stehende Bäume und Baumgruppen. Der untere Bereich dieser Höhenstufe wird vom supalpinen Fichtenwald beherrscht, der sich von 1.350/1.400 m bis 2.100 m auf der Trentiner Seite erstreckt und bis auf 2.250 auf der Vinschgauer Seite. Ab 2.300 bis 2.400 m schließt die alpine Stufe an, beginnend mit den Schwingel-Weiderasen (Festucetum halleri) und den Krummseggenrasen (Curvuletum), denen nach oben die untere nivale Stufe mit Pionierpflanzen und die obere mit Moosen und Flechten folgt. Andere wichtige Grenzlinien zwischen Höhenstu-

Die Pflanzendecke Die Vegetation eines Gebietes hängt von den klimatischen Faktoren, den Bodeneigenschaften und der Bewirtschaftung durch den Menschen ab. Zusammenfassend lassen sich vier große Bereiche unterscheiden: die Kulturlandschaft, der Wald, die alpinen Weiden und die Fels- und Schneeregion. Täler und Talböden sind geprägt von den Kulturlandschaften, wo der Mensch schon seit Jahrhunderten entwaldet und gerodet hat und sich die Siedlungen befinden. Diese Kulturlandschaft breitet sich unterhalb der unteren (künstlichen) Waldgrenze aus, mit Wiesen und Feldern sowie Obstgärten, Siedlungen mit Unkrautund Hochstaudenfluren, Heckenreihen mit Berberitze und Heckenrose und Feldgehölzen mit Haselnuss und Zitterpappel. Teil dieser Kulturlandschaft sind auch die mittleren Höhenlagen mit einzelnen Höfen und Schupfen auf den Rodungsinseln. Der Waldstreifen beginnt unmittelbar oberhalb der Kulturlandschaften und reicht bis zur Waldgrenze. Er umfasst folgende Vegetationseinheiten: trockene Föhrenwälder, montane Fichtenwälder, Tannenwälder, subalpine Fichtenwälder, Lärchen-Zirbenwälder, reine Lärchenwälder je nach Bewirtschaftung durch den Menschen und Latschenfelder. Der weite Bereich der alpinen Weiden breitet sich oberhalb der Waldgrenze aus. Es lassen sich Weide- bzw. Rasengesellschaften auf Silikatböden (Krummseggen- und Horstseggenrasen) und solche auf Kalkböden (Blauseggenrasen) unterscheiden. Sie sind nur im nordwestlichen Teil des Parks anzutreffen. Die Wald- und Weidegesellschaften haben eine große Bedeutung für die Biodiversität der alpinen Höhenstufen. In der Schnee- und Felsregion

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6 2

2

0,1

fen sind die Baumgrenze mit isolierten Bäumen (Zirbe und Lärche steigen höher als die Fichte), die Strauch- und Zwergstrauchstufe (Nanophanerophyten und Chamaephyten) und die Rasengesellschaften (Hemikryptophyten). Diese Grenze ist gekennzeichnet durch den Übergang von den Zwergsträuchern (Alpenrose und Wacholder) zu den alpinen Rasen. Die oberen alpinen Rasengesellschaften werden von den Krummseggenrasen und Blaugras-Horstseggenrasen (Curvuluetum und Seslerio-Semperviretum) gebildet. Oberhalb dieser Höhenstufe können bisweilen noch kleinere Weideflächen auftreten, aber meistens ist die Vegetation schon eher lückenhaft mit Moosen und Flechten sowie Polsterpflanzen ausgebildet. Die Schneegrenze liegt im Ortler-Cevedalegebiet auf einer Höhe von etwa 3.100 Metern.

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7

Die Vegetation bildet gewissermaßen die Grundlage für den Aufbau und die Funktion der Ökosysteme, vor allem weil die Pflanzen als Primärproduzenten die unterste Stufe in der Nahrungskette bilden, aber auch wegen der verschiedenen anderen Funktionen, die sie erfüllen. Struktur und Aufbau der Vegetation bilden Ökosysteme, die Lebensraum und Nahrungsraum für Tiere sind. An den Talhängen hat die Pflanzendecke eine wichtige hydrogeologische Schutzfunktion gegen Erosion und Lawinen, aber auch für den Wasserhaushalt. Für den Boden schafft die Vegetation durch die Bereitstellung organischer Substanzen die lebenswichtigen Voraussetzungen zur Bildung von Humus. Die Vegetation stellt, vor allem was den Wald betrifft, durch die hochwertige Holzproduktion auch einen bedeutender ökonomischen Wert dar, aber auch einen sozio-kulturellen, prägt das Pflanzenkleid doch die Landschaft und erfüllt eine bedeutende Erholungsfunktion.

Wiese Alpine Rasen Unproduktiv Legföhre, Latsche Intensivkulturen Gletscher Laubwald Nadelwald

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Südtirol

ist die Vegetation kaum noch von Bedeutung und ist nur mehr fleckenhaft mit einzelnen Grasbüscheln und Polsterpflanzen oder mit Moosen und Flechten auf den Felsen vertreten. Diese Höhenstufe hat große Bedeutung für den Artenschutz und für die biologische Vielfalt. Prioritäre Lebensräume von gemeinschaftlichem Interesse Die FFH-Richtlinie hat 164 verschiedene Lebensraumtypen definiert, die von »gemeinschaftlichem Interesse« sind und für deren Erhalt die entsprechenden Flächen als Schutzgebiete auszuweisen sind. Darunter befinden sich die sogenannten »prioritären Lebensräume«, Lebensräume, die Gefahr laufen zu verschwinden. Im Nationalpark Stilfserjoch sind 42 von der Richtlinie anerkannte Lebensräume bekannt, von denen neun zu den prioritären zählen. Von diesen sind drei sehr lokal begrenzt und zwei stark gefährdet und die Gefahr laufen, für immer verloren zu gehen. Zu diesen zwei zählen die letzten Auwaldreste im Vinschgau und die Steppenhänge in den Vinschgauer Leiten, in denen sehr seltene Pflanzenarten vorkommen. Weitere prioritäre Lebensräume sind die Latschen- oder Legföhrenbestände, verbreitet in den Kalkgebieten des Parks, und die Horstseggenrasen in der subalpinen und unteren alpinen Stufe. Diese sind in weiten Teilen des Parkgebietes anzutreffen. Der Großteil der Vegetationsflächen wird von 18 verschiedenen Lebensräumen von gemeinschaftlichem Interesse eingenommen. Die Belastungen für die Vegetation Die Vegetation ist im Parkgebiet verschiedenen Belastungen, besonders von Seiten des Menschen, ausgesetzt. Schon vor Jahrtausenden begann der Mensch durch Schlägerungen an der oberen Waldgrenze Weideland zu gewinnen und er hat in der Folge die Waldgrenze laufend gesenkt. Nach dem zweiten Weltkrieg stieg die Waldgrenze durch den nachlassenden Weidedruck und die Klimaerwärmung wieder an. Ursprünglich waren die Berghänge geschlossen bewaldet. Heute weisen viele Waldbereiche noch Lücken auf, die auf die Schlägerungen zur Gewinnung von Weideland und Bergwiesen zurückzuführen sind. Der Wintersport ist eine der Aktivitäten, die wohl die schwerwiegendsten Eingriffe und Belastungen auf die Vegetation haben. Dazu zählen vor allem Aufstiegsanlagen und Schipisten. Gerade die Schipisten sind artenarm und können nitrophile Unkrautfluren aufweisen. In einigen Fällen wurden künstliche Begrünungen

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Lombardei

1

2 0 0

Trentino

mit fremdländischem Samengut durchgeführt. Der Bau neuer Pisten hat oft große Schlägerungen und Rodungen zur Folge, wie das letzthin in S. Caterina Valfurva anlässlich der Weltmeisterschaften 2005 passiert ist. Auch die Beweidung stellt teilweise eine starke Belastung dar, gerade weil die Beweidung auf immer höher gelegenen Flächen erfolgt. Aber auch die hohen Dichten von Huftieren wirken sich im Sommer negativ auf die alpinen Weideflächen aus, im Winter auf die Wälder. Dennoch ist zu sagen, dass eine schonende Beweidung für die Vegetation verträglich ist, wenn die Auftriebszahlen, Dauer und Örtlichkeit der Beweidung entsprechend berücksichtigt werden. Die Waldbrandgefahr ist im Parkgebiet gering, weil die Zeit der größten Brandgefahr in die Wintermonate fällt, während der die Schneedecke einen ausreichend natürlichen Schutz bietet. Aus der Literatur sind Waldbrände aus dem Vinschgau bekannt. 1983 brannte am Monte Reit in der Gegent von Bormio eine Latschenfeld ab. Die Wiederbesiedlung, wissenschaftlich begleitet durch ein LIFE-Projekt, verlief auf dem schotterigen und humusarmen Boden äußerst langsam, vor allem aufgrund der Tatsache, dass sich die Latschen nur durch Samen und nicht durch Stockausschlag vermehren.


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Nationalpark Stilfserjoch

13. Der Wald Im Nationalpark hat der Wald mit etwa 35.000 ha einen Anteil von 26 % an der Gesamtfläche des Schutzgebietes. Die Zusammensetzung und die Struktur der Wälder hängen von den topografischen, geologischen und klimatischen Verhältnissen ab. Die Fichtenwälder sind im Park am weitesten verbreitet und wachsen vorwiegend in der montanen und subalpinen Stufe. Mit etwa 17.000 ha beträgt der Anteil etwa die Hälfte der Waldfläche. Der Fichtenwald hat in den günstigen Lagen wegen der Holzproduktion eine hohe wirtschaftliche Bedeutung, während er auf den steilen Hängen vorwiegend die Schutzfunktion erfüllt. In der montanen Stufe wächst in den niederen Lagen und an trockenen Standorten im Vinschgau die Waldföhre. In den unteren Lagen auf mikroklimatisch feuchteren Standorten ist in einem geringen Anteil die Tanne vertreten. In der subalpinen Stufe tritt die Fichte dagegen häufig in Gesellschaft mit der Zirbe und vor allem mit der Lärche auf. Die Lärchenwälder sind im Park zum Teil auch ein Ergebnis der Bewirtschaftungsweise des Menschen, der die immergrünen Nadelbäume entfernt und den Waldbestand gelichtet hat, um so den Wald sowohl für die Holzproduktion als auch für die Weide zu nutzen. Die Verjüngung dieser Waldgesellschaft hängt von den klimatischen Bedingungen ab: an den trockenen Hängen verhindert die dichte, verfilzte Grasschicht eine natürliche Verjüngung, während an den feuchteren Standorten mit mäßiger Weidebelastung das Aufkommen der Fichte begünstigt wird. Junge Lärchen sind eine beliebte Futterquelle für das Schalenwild, so dass auch aus diesem Grund die Verjüngung erschwert wird. In den höheren Lagen bilden die Lärchenwälder dagegen die natürliche Waldgesellschaft, wobei oft auch die Zirbe beigemischt auftritt. Im Unterwuchs wachsen Alpenrose, Heidelbeere und Wacholder. Der Anteil der Lärchenwälder beträgt mit etwa 4.000 ha ungefähr 11 % der Waldfläche im Park. Reine Zirbenwälder kommen nur sehr lokal vor, meistens treten Lärche und Zirbe mit unterschiedlichem Anteil auf. Zirbenwälder erfüllen besonders an der Waldgrenze eine wichtige Schutzfunktion. Die Verjüngung dieser Waldgesellschaft verläuft dank der Samenverbreitung durch den Tannenhäher leichter und erfolgreicher. Lärchen-Zirbenwälder wachsen etwa auf 5.500 ha, was einem Anteil von 16 % entspricht. Die Legföhre wächst auf den Kalkböden im nordwestlichen Teil des Parkgebietes (auf etwa 4.600 ha Fläche), in den trockeneren Lagen in Gesellschaft mit dem Heidekraut, in den feuchteren mit der Alpenrose. Legföhren verhindern die Bodenerosion und sind kaum dem Fraßdruck der Wildtiere ausgesetzt, auch weil sie wegen ihrer gekrümmt-niederliegenden Wuchsform im Winter meistens unter einer Schneedecke liegen. Die Waldföhre hat für den Waldbestand im Parkgebiet nur geringe Bedeutung, wächst sie doch nur an wenigen Standorten im mittleren Vinschgau, in der collinen Stufe in Gesellschaft mit Laubgehölzen oder in geringerem Ausmaß mit Fichte und Lärche (etwa 700 ha). Einige interessante Waldföhrenbestände stocken auf Kalkboden in Boscopiano und auf Silikat am Eingang des Val di Rezzalo im Veltlin.

Folgende Laubwaldgesellschaften sind im Park anzutreffen: • Grünerlengebüsch, an schattigen Standorten mit hoher Feuchtigkeit und langer Schneebedeckung; • Birkenbruchwälder, eine typische Pioniergesellschaft auf Erosions- oder Brandflächen; • Termophile Gesellschaft der montanen Stufe, bestehend aus Flaumeiche und Mannaesche; kommt vor allem auf felsigen, sonnigen und warmen Hängen vor. • Gehölzformation mit Haselnuss und Zitterpappel; Gesellschaft der montanen Stufe auf Weiden oder aufgelassenen Wiesen. • Auwälder, vertreten vor allem durch Grauerlenwälder längs

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der Bach- und Flussläufe; nur im Vinschgau sind noch letzte Reste von Schwarzerlenwäldern verblieben. Die Laubwälder im Parkgebiet haben keine große wirtschaftliche Bedeutung, da die Bäume nur begrenzt als Brennholz genutzt werden. Sie erfüllen aber ihren Wert als Lebensraum und Nahrungsgebiet für die Tierwelt und erhöhen die bio-ökologische Vielfalt der Waldgesellschaften. Die Waldflächen nehmen etwa im Ausmaß der aufgelassenen Landwirtschaftsflächen zu, ein Phänomen, das im gesamten Alpenraum zu beobachten ist. Seit jeher erfolgte im Nationalpark Stilfserjoch die Nutzung der Wälder und die Ausweisung des Schutzgebietes hat sich auf diese Nutzung kaum ausgewirkt. Die Waldnutzung wurde scho-

nend und nachhaltig durchgeführt und versuchte eine natürliche Waldentwicklung ebenso zu fördern wie eine unterschiedliche Bestandesstruktur und eine reiche Biodiversität. Der Wald im Parkgebiet ist mit wenigen Ausnahmen in öffentlichem Besitz. Aufgrund der guten Standortsbedingungen hat die Holznutzung im Südtiroler Teil die größte Bedeutung, mit einem mittleren jährlichen Einschlag von 22.500 m3. Im Vergleich dazu liegt der Holzeinschlag im Trentiner Teil bei 5.000 m3 und im Lombardischen Teil bei 3.400 m3.


Die wichtigsten Waldgesellschaften im Nationalpark Stilfserjoch Fichtenwald Zirbenwald Legföhrenbestand Lärchenwald Laub- und Buschwald Föhrenwald Tannenwald 0

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5000

10000

15000

20000

Fläche (in Hektar)

Im Südtiroler Teil des Parks hat der Wald einen Flächenanteil von 52%, je zur Hälfte Ertragswald und Schutzwald bildend. 95% der Waldfläche wird mit 26 Waldwirtschaftsplänen verwaltet. Die Wälder sind fast ausschließlich in öffentlicher Hand. Die Bewirtschaftung ist den sogenannten Separatverwaltungen übertragen und wird von diesen durchgeführt. Im Veltlin sind die Wälder zum Großteil in Gemeindebesitz und werden von einem Konsortium verwaltet, dem die sechs Parkgemeinden angehören. Die Wälder werden nur teilweise für die Holzbringung genutzt und oft verarbeiten die lokalen Sägebetriebe Holz aus fremdländischer Herkunft. Der Anteil des Waldes beträgt 22%, davon 7% Nutzwald und 15% Schutzwald; über 90% wird mit Wirtschaftsplänen verwaltet.

Im Gebiet der Valcamonica liegt der Waldanteil bei 33%, wobei 17% Nutzwald und 16% Schutzwald und Buschwald sind. 86% der Waldfläche wird mit Wirtschaftplänen von einem Waldkonsortium verwaltet, zu dem die Gemeinden der oberen Valcamonica mit Ausnahme von Edolo zählen. Im Trentiner Teil hat der Wald 5% Anteil an den Wald-Weideflächen im Parkgebiet. Dabei handelt es sich zu 31% um Nutzwald, 17,5% um Schutzwald und 1,5% um Buschwald. Im Peiotal werden die öffentlichen Wälder von einer autonomen Körperschaft (Separatverwaltung) verwaltet. In der Gemeinde Rabbi sind es hingegen die sogenannten »Consortele«, uralte Vereinigungen mit öffentlichem Recht, die schon bald nach der Besiedlung des Tales eingerichtet wurden. Ihnen wurde das Recht

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der Verwaltung und Bewirtschaftung der Wälder übertragen. Die gesamte Waldfläche wird mit Bewirtschaftungsplänen verwaltet, der Ertrag aus der Holznutzung ist gut. Sowohl in der Gemeinde Peio wie in Rabbi existieren Sägebetriebe und Tischlereien, die zum Teil auch das Holz aus den eigenen Wäldern verarbeiten.


Nationalpark Stilfserjoch

14. Nutzung des Bodens

Das Programm CORINE Im Jahre 1985 verabschiedete die Kommission der Europäischen Union das Programm CORINE (COoRdination de l’INformation sur l’Environnement) oder »koordinierte Erfassung von Informationen über die Umwelt« mit dem Ziel, die Umweltdaten einheitlich zu erfassen, die Länder der Gemeinschaft über den Zustand der Umwelt zu informieren, die Auswirkungen zu kontrollieren und Korrekturmaßnahmen auszuarbeiten. Als weiteres Ziel sollen mit diesem Programm einheitliche Methoden und Standards definiert und verbreitet werden, um so einen internationalen Austausch der Daten und deren Vergleichbarkeit zu ermöglichen. Im Rahmen des CORINE Programms wurde das CORINE Landcover Projekt durchgeführt, das eine einheitliche europaweite Erfassung der Bodenbedeckung bzw. Landnutzung auf einer Kartengrundlage im Maßstab von 1: 100.000 vorsieht. Das Projekt wurde 1986 mit einem Pilotprojekt für Portugal gestartet, um die technischen Anforderungen und Methoden der Erfassung genauer zu definieren. CORINE Landcover wurde inzwischen in den Ländern der Europäischen Gemeinschaft abgeschlossen bzw. auch auf die osteuropäischen Länder, die später zur EU kamen, und auf die Mittelmeerländer ausgedehnt. Die kleinste Erhebungseinheit beträgt 25 ha, was bei dem gewählten Maßstab einer Größe von 5 mm Seitenlänge entspricht. Diese Größenordnung reicht für die folgenden Anforderungen: • garantiert die Lesbarkeit der Karten und erleichtert die Fotointerpretation; • ermöglicht, die grundlegenden Bodennutzungsarten darzustellen; • erlaubt die Verfügbarkeit der finanziellen Mittel für das Projekt zu respektieren. Die CORINE Landcover Nomenklatur unterscheidet drei Stufen: Die erste Stufe umfasst fünf Einheiten, die im Allgemeinen die Bodennutzungsart beschreiben, und zwar: Bebaute Fläche, Landwirtschaft, Wälder und naturnahe Flächen, Feuchtflächen und Wasserflächen. Die zweite Stufe unterscheidet 15 Großeinheiten, die in einem Maßstab 1 : 500.000 / 1.000.000 darstellbar sind, und die dritte schließlich 44 kleinere Einheiten, darstellbar im Maßstab 1. 100.000. Diese Nomenklatur gilt der Einheitlichkeit wegen für alle europäischen Länder, kann aber für genauere Beschreibungen durch weitere Unterstufen verfeinert

werden. Kurz zusammengefasst der Ablauf für die Erstellung der kartografischen Unterlagen: • vorbereitende Arbeiten; • Erstellung digitaler Satellitendaten (Landsat D-TM und SpotHRV); • Produktion der Interpretationsgrundlagen mit Berücksichtigung weiterer Datenquellen (thematische Karten, statistische Daten, Luftbildaufnahmen); • Digitalisierung; • Auswertung der Datenbanken. Die CORINE Landcover Nomenklatur bildet die Grundlage für die geografischen und thematischen Bezugseinheiten des CORINE Informationssystems. Die Umsetzung von CORINE Landcover in Italien In Italien wurde die Landnutzungsskarte CORINE im Jahre 1990 für fünf Regionen abgeschlossen (Abruzzen, Basilicata, Kalabrien, Molise und Apulien), bis 1996 für alle weiteren Regionen. Die Kartengrundlagen werden von den Regionen und Autonomen Provinzen sowie vom Überregionalen Zentrum kostenlos zur Verfügung gestellt. Die CORINE Landnutzungskarte ist die einzige einheitliche Kartengrundlage im Maßstab 1 : 100.000, die das gesamte Staatsgebiet abdeckt.

32

Landnutzung im Nationalpark Stilfserjoch 0.2%

1.8%

17.4% 42.0% 3.3%

42.6%

1.3% 6.8%

0.3%

12.8% 22.4%

TRENTINO

4.8%

21.2%

27.1%

LOMBARDEI

Legende CORINE, vereinfacht Nackte Felsen, Klippen, Felsformationen, Aufschlüsse Nadelwälder Gletscher und Dauer-Schneeregion Strauch- und Buschvegetation Vegetationsarme Flächen, Rasengesellschaften und Bergwiesen Landwirtschaftsflächen Andere

33.5%

4.6%

0.8% 25.9%

9.5% 21.5%

SÜDTIROL

0.3%


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Nationalpark Stilfserjoch

15. Die Vielfalt der alpinen Lebensräume

Die alpine Region weist eine hohe Vielfalt an Natur- und Kulturlandschaften auf. Gleichzeitig stellt der Alpenraum eine homogene biogeografische Region in Europa dar, die im überregionalen Interesse besonderen Schutz verdient (Alpenkonvention, FFH-Richtlinie). Vor diesem Hintergrund erscheint es nur folgerichtig, überregionale Schutzmaßnahmen vorzusehen, die auf einheitliche und vergleichbare geografische Datengrundlagen zurückgreifen. Die alpinen Schutzgebiete haben die Aufgabe, möglichst viele natürliche und naturnahe Lebensräume zu erhalten und so einen bedeutenden Beitrag zum Netzwerk Natura 2000 zu leisten. Ein ausreichender Schutz dieser Lebensräume erfordert eine umfassendere Sichtweise, die den Alpenraum als Ganzes sieht, und daher nationale und lokale Ansätze unter Nutzung vergleichbarer Karten zusammenführt. Das Projekt HABITALP (Alpine Habitat Diversity) verfolgt das Ziel, langfristig die Umweltveränderungen in den Lebensräumen durch den Einsatz vergleichbarer und standardisierter Methoden zu überwachen. In den alpinen Schutzgebieten erfolgt dies mit Hilfe von Infrarot-Luftbild-Aufnahmen. Das Projekt HABITALP wurde von der Europäischen Union im Rahmen des Interreg III B Alpenraumprogramms finanziert. An diesem Projekt haben sich 11 Schutzgebiete aus dem gesamten Alpenraum beteiligt, die sich auf folgende fünf Länder verteilen: Österreich (1), Frankreich (3), Deutschland (1), Italien (5) und Schweiz (1). Die Gesamtleitung des Projekts hatte der Nationalpark Berchtesgaden inne. Der Nationalpark Stilfserjoch war einer der italienischen Projektpartner. Das Projekt HABITALP hat folgende Bereiche bearbeitet. Aufnahme von Flugbildern Die Infrarot-Luftbild-Aufnahmen werden durch den Einsatz von speziellen Filmen und Filtern gemacht, wobei durch den Gelbfilter eine Farbumkehr auf den drei sensiblen Fotoschichten des Films erfolgt und die Farbschicht Blau durch eine Infrarot empfindliche Schicht ersetzt wird. Das Ergebnis nach der Entwicklung ist ein so genanntes »Falschfarbenbild«, mit Rot für die Belichtungen auf der ersten, Blau auf der zweiten und Grün auf der dritten Schicht. Das für das menschliche Auge unsichtbare Infrarot-Licht wird dadurch sichtbar gemacht und damit auch alle Objekte, die dieses Licht aussenden, beispielsweise die

Vegetation. Infrarot-Aufnahmen werden in großem Umfang für die Erfassung der Lebensraumtypen eingesetzt. Die Produktion der Infrarot-Aufnahmen war ein ehrgeiziges und gleichzeitig anspruchsvolles Unterfangen. Im alpinen Gelände ist es wegen der unterschiedlichen Lichtverhältnisse und Einfallswinkel des Lichts sowie der kurzen Vegetationsperiode nicht leicht, vergleichbare Aufnahmen zu machen. Der günstigste Zeitpunkt für die Aufnahmen liegt im Hochsommer, in der Zeit mit der geringsten Schneebedeckung und der maximal entwickelten Vegetation. Aufgrund der unterschiedlichen Wettersituationen zogen sich die Aufnahmen in die Länge. Das Ergebnis war schließlich aber sehr zufriedenstellend. Heute stehen den beteiligten Partnern dafür wertvolle vergleichbare Grundlagen für weitere grenzüber-

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schreitende Untersuchungen und Maßnahmen zur Verfügung. Um für alle vergleichbare Aufnahmen zu erhalten, wurden dieselben Aufnahmegeräte verwendet (Leica RC 30 oder Zeiss RMK TOP 30), der gleiche Film (Kodak IR 2443) und ähnliche Maßstäbe für die Aufnahmen (1:10.000 – 1:17.000). Für Italien wurden die Arbeiten einem Konsortium unter der Leitung der Firma AVT ZT GmbH von Imst / Österreich übertragen. Insgesamt wurden für das Projekt 97.100 Aufnahmen gemacht, die eine Fläche von 173.000 Hektar abdecken. Methoden der Interpretation Ein Hauptanliegen des Projektes war die Ausarbeitung eines einheitlichen, standardisierten Interpretationsschlüssels für die

Auswertung der Aufnahmen (HABITALP Interpretation Key – HIK). Die Grundlage dafür bildete die verwendete Kodierung bei der Landnutzungskarte, der Lebensraumtypen und der Geländestruktur des Nationalparks Berchtesgaden, ausgehend von eben der Fotoauswertung der Infrarot-Aufnahmen. Die Kodierung wurde nach der Klassifikation der Lebensraumtypen in Deutschland, veröffentlicht vom Bundesamt für Naturschutz, erstellt. Im Rahmen des Projektes HABITALP wurde diese Kodierung so gemacht, dass alle Lebensräume des Alpenraums berücksichtigt wurden. Trotz der großen sprachlichen Hürden konnte ein mehrsprachiger Interpretationsschlüssel und eine Anleitung für die Abgrenzung und Interpretation der Luftbildaufnahmen erstellt werden.


Luftbildinterpretation Die Interpretation der Luftbilder wurde von den einzelnen Projektpartnern selbst ausgeführt. Um vergleichbare Ergebnisse zu erzielen, wurden von allen Bildauswertern der gleiche Interpretationsschlüssel und die entsprechende Anleitung dazu verwendet. Es wurden eigene Fortbildungsveranstaltungen organisiert, an der insgesamt 30 an der Luftbildauswertung interessierte Personen teilnahmen. Die kartografische Arbeit sieht die stereoskopische Bildauswertung und die digitale Erfassung der Daten in einem territorialen Datenbanksystem vor, mit der geografischen Abgrenzung der Flächen und der Beschreibung der Lebensräume nach dem Interpretationsschlüssel. Dank dieser Arbeit verfügen die Schutzgebiete nun über ein sehr detailliertes Inventar der Lebensräume. In einigen Parks wurde die Bildauswertung für das gesamte Gebiet erstellt, in anderen wurde diese nur zum Teil durchgeführt. Im Nationalpark Stilfserjoch wurde die Bildauswertung vorerst auf drei Flächen in den jeweiligen Parkanteilen begrenzt.

• Interpretationsschlüssel; • Informationsebene der klassifizierten Habititate; • Entsprechende Algorithmen zwischen den verschiedenen Versionen der Interpretationsschlüssel; • Vergleichstabelle der Klassen zwischen HABITALP und NATURA 2000; • Digitale Landschaftsmodelle; • Metadaten. Alle Daten und Informationen sind dank einer MapserverAnwendung (WebGis) übers Internet zugänglich. In nächster Zukunft wird ein verstärkter Einsatz im Schutzgebietsmanagement, in der Forschung und in der Öffentlichkeitsarbeit notwendig sein, um die Ergebnisse des Projektes HABITALP aufzuwerten und auch umzusetzen.

Im Rahmen von HABITALP wurden weitere Anwendungsbereiche (work packages) ausgearbeitet, um 1. die Beziehungen zwischen den HABITALP-Lebensräumen zu den Lebensraumtypen von Natura 2000 zu definieren und so die Verbreitung der Natura 2000-Lebensräume in den Schutzgebieten kartieren zu können; 2. die Vielfalt der Ökosysteme auf der Grundlage der Habitattypen und der Landschaft in Anwendung von HABITALP bestimmen zu können. Für das Anliegen unter Punkt 1 wurde eine relationale Datenbank zwischen den Kategorien HABITALP und den Lebens-raumtypen von Natura 2000 erstellt, mit dem Ergebnis, dass eine Zuordnung zwischen den beiden Kategorien nur teilweise möglich ist. Eine unmittelbare Zuordnung der aus der Luftbildinterpretation klassifizierten Lebensräume zu den Natura 2000 Habitattypen ist auch deshalb schwierig, weil die terrestrische Kartierungsmethode einen anderen Ansatz hat. Die Luftbildauswertung kann aber dazu dienen, mögliche Natura 2000 Gebiete abzugrenzen, um dann genauere Felderhebungen zu machen. Die Diversität der Erhebungen und der Habitate wurde als methodischer Ansatz gewählt, um so die Vielfalt der Landschaft zu bestimmen.Alle Methoden wurden von den Partnern in enger Zusammenarbeit auf ihre Anwendbarkeit diskutiert und entwickelt. Für den Wissenstransfer wurde eine eigene Software erstellt, die es ermöglicht, unabhängig von den verwendeten lokalen geografischen Informationssystemen (GIS) die Parameter für die Landschaftselemente zu bestimmen. Die umfangreichen Daten, die im Rahmen des Projektes HABITALP gesammelt wurden und frei zugänglich sind, wurden in einer relationalen Datenbank übersichtlich aufgelistet. Die Elemente der Datenbank sind: • Luftbilder;

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Nationalpark Stilfserjoch Vogelschutz-Richtlinie 79/409 Anhang I: Auf die im Anhang I aufgeführten Arten sind besondere Schutzmaßnahmen hinsichtlich ihrer Lebensräume anzuwenden, um ihr Überleben und ihre Vermehrung in ihrem Verbreitungsgebiet sicherzustellen.

Anzahl der beobachteten Arten der jeweiligen Wirbeltierklasse im Nationalpark Stilfserjoch und Zuordnung zu den Schutzkategorien der europäischen Richtlinien Anzahl der Arten

16. Die Tierwelt

Gruppe

Südtirol

Lombardei

Trentino

Fische

8

5

5

6

Amphibien

5

3

4

Reptilien

9

8

178(5) 59

Vögel Säugetiere

FFH-RL 92/43 EWG

VRL 79/409 EWG

Park gesamt

Anh. I

Anh. II

Anh. III

Anh. II

Anh. IV

Anh. V

2

2

1

9

7

2

124

172(4)

119(1)

55

57

55

2

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26

Vogelschutz-Richtlinie 79/409 Anhang III: für die aufgeführten Arten sind in den Mitgliedstaaten erlaubt oder können erlaubt werden: der Verkauf, der Transport für den Verkauf, der Besitz für den Verkauf, Verkaufsangebote von lebenden und toten Vögeln oder jedweder Art von leicht erkennbaren Produkten und Kunstgegenständen von Vögeln. Die Vögel müssen aber durch erlaubte Tätigkeiten getötet oder gefangen oder auf andere Weise legal erworben worden sein. FFH-Richtlinie 92/43/EWG Anhang II: Tier und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse, für deren Erhaltung besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen. FFH-Richtlinie 92/43/EWG Anhang IV: Streng zu schützende Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse.

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Die Zahl in den Klammern gibt die Anzahl der Arten an, für die es keine gesicherten Nachweise gibt.

Die Kenntnisse über die Tierwelt und die Biodiversität des Parks sind nicht für alle vorkommenden Arten gleich gut erforscht. Die letzte systematische Studie mit Erhebungen im Gebiet geht auf das Jahr 1969 zurück (Cagnolaro et al., 1969). Eine gute Aktualisierung erfolgte im Jahre 2003 mit dem Umweltbericht »Rapporto sullo Stato dell’Ambiente del Parco« (Pirovano C. et al., 2003). Die Parkverwaltung hat eine systematische Sammlung und Erfassung aller faunistischen Erhebungen des vergangen Jahrzehntes veranlasst und gezielte Untersuchungen zu einzelnen Tiergruppen durchgeführt. Für die wirbellosen Tiere besteht die bereits erwähnte Studie aus dem Jahre 1969 (Ranzi in Cagnolaro et al., 1969). Danach wurden keine systematischen Untersuchungen in größerem Umfang gemacht. Erwähnenswert sind dennoch zwei wichtige Studien. Die erste betrifft die Naturausstattung des Val de la Mare (Peio, TN), in der besonders auch die Wirbellosen der Wasserlebensräume erfasst wurden (Lencioni V. & B. Maiolini, 2002). Die zweite ist eine wichtige Erfassung und systematische Beobachtung der Zweiflügler (Dipteren) im Südtiroler und Lombardischen Anteil des Parkgebietes (Ziegler J. (Hsg.), 2008). Eine weitere Untersuchung der Insektenfauna wurde im Trentiner Teil des Parks gestartet, mit dem Ziel, die Änderungen und Auswirkungen auf die Biodiversität in den Lebensräumen durch den Einfluss des Menschen und der Wirbeltiere zu bewerten (Lencioni & Gobbi, 2009). Der Kenntnisstand über die einzelnen Wirbeltiergruppen ist gegenwärtig sehr unterschiedlich. Was die Herpetofauna betrifft, gibt es eine Studie von Pozzi (1980) über das Vorkommen und die Verbreitung der Amphibien und Reptilien im Park. Jüngeren Datums sind neue Untersuchungen im Lombardischen Teil mit besonderer Berücksichtigung der Feuchtgebiete (Gentili et al., 2007). Seit 2005 werden alle Beobachtungen in einer eigens eingerichteten Datenbank erfasst. Zur Erfassung der Vogelwelt werden seit 2006 gezielt längs von Transekten und an Hörpunkten Beobachtungen durchgeführt. Längerfristig soll so das gesamte Schutzgebiet erfasst werden. Zu diesen Untersuchungen kommen laufend noch die Beobachtungen und gesammelten Daten der Forstwachen dazu (von 1985 bis 1993 als Staatlicher Forstkorps, in der Folge mit Außenamtsdirektion in Bormio und den Forstdiensten der Provinzen Trient und Bozen). Kürzlich sind auf ausgewählten Flächen spezifische Erhebungen zu Arten von besonderer Bedeutung (Raufußhühner) durchgeführt worden. Was die Säugetiere betrifft, werden jährlich nach standardisier-

Vogelschutz-Richtlinie 79/409 Anhang II: Die im Anhang II aufgeführten Arten dürfen aufgrund ihrer Populationsgröße, ihrer geographischen Verbreitung und ihrer Vermehrungsfähigkeit in der gesamten Gemeinschaft im Rahmen der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften bejagt werden. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die Jagd auf diese Vogelarten die Anstrengungen, die in ihrem Verbreitungsgebiet zu ihrer Erhaltung unternommen werden, nicht zunichte macht.

ten Methoden genaue Zählungen der Rothirsche, Gämsen und Steinböcke durchgeführt. In den Datenbanken werden weiters alle Beobachtungen der Forstwachen und der bei den Feldstudien tätigen Personen gesammelt. Auch in diesem Fall werden die Daten durch eigene Studien über jene Arten ergänzt, die für den Artenschutz von besonderer Bedeutung sind. Durch die Sammlung und Verwaltung aller Informationen in entsprechenden georeferenzierten Datenbanken war es möglich, Verbreitungskarten der verschiedenen Arten zu erstellen (siehe die Verbreitungskarten auf den folgenden Seiten) und die aktuelle Situation der Wirbeltiere im Schutzgebiet darzustellen. Gegenwärtig kommen acht Fischarten vor, davon zwei gebietsfremde aus Amerika und drei vom Menschen eingesetzte Arten. Weiters sind im Park derzeit fünf Arten von Amphibien und neun Reptilienarten verbreitet. Ihr Bestand ist im Schutzgebiet naturgemäß eher niedrig, da auf Grund der vorwiegend alpinen und hochalpinen Lagen die äußeren Bedingungen für wechselwarme Tiere nicht besonders günstig sind. Es ist kein Zufall, dass die größere Artenzahl im Lombardischen Teil des Parks zu verzeichnen ist, der niedrigere und nach Süden ausgerichtete Höhenstufen aufweist. Der Vogelbestand weist 178 Arten auf (für fünf weitere Arten konnte noch kein sicherer Nachweis erbracht werden). Von den Säugetieren kommen insgesamt 59 Arten vor (inklusive Braunbär und Luchs, die als gelegentliches Vorkommen eingestuft werden). Von diesen gehören 20 Arten zu den Fledermäusen, die nicht nur im Sinne der Europäischen Habitatsrichtlinie einen besonderen Naturschutzwert darstellen. Die Kenntnis über Vorkommen und Verbreitung der einzelnen Arten von Fledermäusen sind sehr dürftig, und teilweise wurden die Informationen über den Artenbestand auf der Grundlage biogeografischer und ökologischen Daten ergänzt. Die Welt der Wirbellosen Die Ergebnisse der Untersuchungen von 1969 über die Wirbellosenfauna, die an das mitteleuropäische Artenspektrum anschließt, haben gezeigt, dass im Siedlungsbereich und in der Kulturlandschaft zwar eine Kleintierfauna von einer gewissen Bedeutung vorkommt, allerdings auch mit vielen gewöhnlichen oder häufigen Arten, während im naturnahen Umland noch eine ausgewogene Vielfalt festzustellen ist. Die Bedeutung des Parkgebietes für den Schutz der Wirbellosenfauna besteht vor allem in tiergeografischer Hinsicht, kreuzen sich hier doch mitteleuropäische, mediterrane und osteuropäische Faunenelemente.

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22

4

FFH-Richtlinie 92/43/EWG Anhang V: Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse, deren Entnahme aus der Natur und Nutzung Gegenstand von Verwaltungsmaßnahmen sein können.

Die Wirbeltiere Fische. Von besonderem Interesse für die heimische Fischfauna sind die autochthonen Arten wie Bachforelle, Marmorierte Forelle und der Seesaibling. In einigen Gewässern kommen auch noch die Regenbogenforelle, die Äsche und der Bachsaibling als eingebürgerte, gebietsfremde Arten sowie die Koppe (Mühlkoppe) und die Elritze vor. Amphibien. Der Grasfrosch ist im Parkgebiet weit verbreitet; der Alpenmolch weist nur eine sehr lokale Verbreitung auf, begrenzt auf einige Gebiete im Lombardischen Teil des Parks. Das Vorkommen des Feuersalamanders und der Erdkröte beschränkt sich auf die untersten Höhenstufen. Reptilien. Die Bergeidechse und die Kreuzotter sind auf Grund ihrer ökologischen Ansprüche die häufigsten und verbreitetsten Reptilien im Schutzgebiet. Lückenhaft und weniger bekannt ist die Verbreitung der Blindschleiche, der Schlingnatter, der Aspisviper und der Ringelnatter. Relativ selten und nur in den niederen Lagen kommen die Smaragdeidechse, die Karbonarnatter und die Mauereidechse vor. Vögel. Die historischen Aufzeichnungen, die Daten nicht systematischer Beobachtungen, die seit 1985 vom Aufsichtspersonal des Parks und im Rahmen der speziellen Studien gesammelt wurden, haben es ermöglicht, insgesamt 178 Vogelarten für die drei Parkanteile auszuweisen. Im Parkgebiet finden sich 54 Arten von Standvögeln, 51 Arten brütender Sommervögel, 61 Zugvogelarten und 12 weitere Arten treten nur gelegentlich auf. Säugetiere. Die Huftiere sind zweifelsohne die bedeutendsten großen Säugetiere im Parkgebiet. Vorkommen und Bestand schwanken jedoch von Gebiet zu Gebiet und werden im Detail in den jeweiligen Karten dargestellt. Sicher nachgewiesen sind gegenwärtig 8 Arten von Fleischfressern, 21 Fledermausarten, 8 Arten von Insektenfressern, 2 Hasenartige und 17 Kleinsäugerarten. Große Beutegreifer kommen derzeit im Schutzgebiet nur gelegentlich vor. In jüngster Zeit wurde vereinzelt der Luchs nachgewiesen, relativ häufig sind in den letzten fünf Jahren die Beobachtungen von jungen männlichen Braunbären. Wissenschaftliche Studien und Schutz der Fauna Für den Schutz der Tierwelt trifft die Parkverwaltung eigene Maßnahmen durch die Regelung der menschlichen Aktivitäten (Parkplan und Parkreglement) sowie durch wissenschaftliche Untersuchungen und das Monitoring. Die Bestände von Rothirsch, Gämse und Steinbock werden jährlich gezählt, wobei

das Parkgebiet in Beobachtungseinheiten eingeteilt wird. Die gesammelten Daten bilden die Grundlage für Analysen zum aktuellen Bestand und die weitere Entwicklung der Populationen. Die Situation des Rothirsches ist gut erfasst. Das Management des Rotwildes ist derzeit besonders delikat wegen der verursachten Schäden am Jungwuchs und weiterer negativer Auswirkungen auf die Biodiversität im Schutzgebiet. Die Parkverwaltung hat jüngstens eine Untersuchung zur Bestandessituation des Rehwildes in Auftrag gegeben. Im letzten Jahrzehnt wurden Fangaktionen durchgeführt, Rothirsche, Gämse und Steinböcke mit Sendern ausgestattet oder markiert oder Exemplare an andere Verwaltungen zur Wiederansiedlung übergeben. Der Nationalpark Stilfserjoch ist Partner eines wichtigen internationalen Projektes zum Schutz des Bartgeiers. Hauptziele des Projektes sind der Aufbau eines Netzwerkes von Beobachtern und das laufende Monitoring der neuen Brutpaare. Weiters werden die Brutaktivitäten beobachtet. Maßnahmen zur Zunahme des Bestandes und zum Schutz der Art sollen hiermit gewährleisten werden. Auch der Steinadler ist Studienobjekt in mehreren alpinen Schutzgebieten, wobei vor allem sein Revierverhalten, der Bruterfolg und die Verwandtschaftsverhältnisse der Brutpaare untereinander untersucht wurden. Im Rahmen des Projektes ASPER (Alpine Squirrel Population Ecology Research), koordiniert von der Universität Varese, werden die Rolle und die Bedeutung des Eichhörnchens im alpinen Ökosystem untersucht. Das Projekt Mo.Ha.Re. (Mountain Hare Research) versucht, weitere Erkenntnisse über die ökologischen Ansprüche des Schneehasen (Lepus timidus varronis) im alpinen Raum zu gewinnen. Im Jahre 2008 ist ein dreijähriges Monitoring-Projekt über die Raufußhühner und Hühnervögel in den drei Parkanteilen angelaufen, um die Kenntnisse über die fünf vertretenen Hühnerarten zu vertiefen und die entsprechenden Schutzmaßnahmen zu verbessern. Im Jahre 2008 wurden weitere Studien über die Insektenfresser, die Nagetiere und die Laufkäfer begonnen.


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Nationalpark Stilfserjoch

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Nationalpark Stilfserjoch Steinadler Der Steinadler (Aquila chrysaetos, Ordnung Falconiformes, Familie Accipitridae) ist der einzige große Beutegreifer, der trotz der Verfolgung des Menschen im Alpenraum nie ausgestorben ist. Der Steinadler ist der drittgrößte Greifvogel in Italien, der nur vom Bartgeier (Gypaetus barbatus) und vom Gänsegeier (Gyps fulvus) übertroffen wird. Die gesamte Körperlänge beträgt 7588 cm, die Schwanzlänge 26-33 cm, die Flügelspannweite 204220 cm und das Gewicht 3,7-5 kg. Das Weibchen ist etwa 10% größer als das Männchen, das Gewicht kann bis zu 20% höher sein. Die Einteilung in Altersklassen erfolgt durch den Wechsel und die unterschiedliche Färbung des Gefieders in den ersten Lebensjahren. Im Laufe der Jahre verringern sich die weißen Flecken auf den Flügeln und dem Schwanz, bis das Individuum schließlich das Alterskleid erreicht.

von 2004 – 2009 betrug im Schnitt 0,50 flügge Jungvögel/Paar. Das Verhältnis der Anzahl der Jungvögel zu den erfolgreichen Brutpaaren beträgt 1,12, ein Wert, der durchaus vergleichbar ist mit den europäischen Werten.

Der Steinadler ist eine anpassungsfähige Art, bevorzugt aber die felsigen Hochgebirgsregionen mit weiten und offenen Flächen für die Jagd. In den Alpen brütet er in Höhen zwischen 760 m und maximal 2.350 m. Nur ausnahmsweise brütet er auch an höheren Stellen, bis zu einer Höhe von 2.550 m. Die Horste, eine große Ansammlung von Ästen, werden meistens in Felswänden, seltener auf Bäumen errichtet. Sie erreichen teilweise beachtliche Ausmaße, bis zu einem Meter Höhe und bis zu zwei Meter im Durchmesser.

Schutzstatus: Der Steinadler ist aufgeführt im Anhang III der Berner Konvention und im Anhang I der Vogelschutz-Richtlinie. In Italien wird er nach der Roten Liste der gefährdeten Tierarten Italiens als gefährdet eingestuft und als nicht jagdbar seit 1977, da er nach dem Staatlichen Rahmengesetz zum Schutze der Fauna und zur Jagdnutzung als besonders geschützte Art geführt wird. Im Park ist die Art nicht gefährdet.

Ergebnisse der Steinadler-Erhebungen im Park 30 Adlerreviere im Winter Adlerreviere im Herbst Erfasste Adlerreviere

Anzahl der Adler

Der Steinadler ist eine monogame Art, der über mehrere Jahre sein Brutgebiet verteidigt. Die Population wird in der Regel von adulten Paaren gebildet und von umherschweifenden Individuen (Jungvögel, nicht ausgewachsene Vögel), sogenannte »floaters«, die auch große Distanzen zurücklegen können. In den italienischen Alpen liegt der Anteil von noch nicht territorialen Steinadlern bei etwa 30% des Bestandes. Vom fünften Lebensmonat an entfernen sich die Jungvögel im weiter vom Horst. Die Entfernungen schwanken je nach Geschlecht und Lebensraumbedingungen. In den Alpen erfolgen die Paarungen zwischen Februar und April, die Ablage der Eier zwischen Mitte März und Mitte April. Die Eier werden von beiden Eltern über 42-45 Tage bebrütet. Die Jungen schlüpfen etwa Mitte Mai, nach 65-85 Tagen fliegen sie aus. In den meisten Fällen wird nur ein Junges flügge, selten zwei. Beim Steinadler ist, wie bei mindestens 27 weiteren Adlerarten, das Phänomen des Kainismus zu beobachten: der Erstgeborene drängt sich vor, holt sich das von den Eltern herbeigebrachte Futter, so dass das Jüngere verhungert und stirbt. Der Steinadler ernährt sich vorwiegend von Säugetieren und Vögeln mit einem Gewicht zwischen einem halben und fünf Kilogramm. Lebende Beutetiere überwiegen, die er während des ganzen Jahres schlägt. Im Winter frisst er auch Aas. Meistens machen ein oder zwei Beutetier-Arten den Hauptanteil seiner Nahrung aus, dies ist aber von Gebiet zu Gebiet sehr unterschiedlich. Der Nationalpark Stilfserjoch weist eine der dichtesten Steinadlerpopulationen des Alpenraums auf. Gegenwärtig kommen im Schutzgebiet mindestens 26 Paare vor, von denen 14 im Lombardischen, vier im Trentiner und acht im Südtiroler Teil brüten. Für die 18 im Lombardischen und Trentiner Gebiet vorkommenden Adlerpaare ist das jeweilige Brutgebiet genau erfasst worden. Es wurden 100 Horststandorte festgestellt, davon 72 im Lombardischen Teil (Oberes Veltlin und Valcamonica) und 28 im Trentiner Teil (Peio- und Rabbital). Im Südtiroler Teil sind 32 Horste und fünf im Engadin bekannt. Insgesamt sind 137 Horste gezählt worden, im Schnitt sind das 5,27 Horste/Paar (mind. 4 bis max. 8 pro Paar). Die durchschnittliche Arealgröße beträgt bei den 18 Paaren im Lombardischen und Trentiner Gebiet 67,6 km². Die durchschnittliche Höhenlage von 121 bekannten Horsten betrug 1992 ± 428 m. Darunter befanden sich auch die höchsten Brutstandorte Europas. Der Bruterfolg im Zeitraum

In den letzten sechs Jahren betrug der Prozentsatz der erfolgreichen Brutpaare zu den Brutpaaren im Gebiet 44,7 %. Dieser Wert ist charakteristisch für eine Adlerpopulation nahe dem Sättigungsgrad. Er steht für eine hohe Dichte, wie dies auch in 24 anderen Studien in verschiedenen europäischen Gebirgen festgestellt wurde. Im Nationalpark Stilfserjoch entsprechen die Reviergrößen den geschätzten Größen in anderen Gebieten des Alpenraums mit ähnlich hohen Dichten. Dieser Umstand weist auf eine hohe Verfügbarkeit an Beutetieren und gute Brutmöglichkeiten hin.

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10

0

2004/05

2005/06

2006/07

2007/08

2008/09

Jahr

Bruterfolg des Steinadlers im Park 2004

2005

2006

2007

2008

2009

total

Kontrollierte Paare

10

10

11

11

11

11

64

Paare mit Eiablage

8

8

9

9

6

5

45

Paare mit Bruterfolg

7

5

5

6

3

4

30

Paare mit 1 juv

7

4

5

5

2

4

27

Paare mit 2 juv

0

1

0

1

1

0

3

Ausgeflogene Jungvögel

7

6

5

7

4

4

33

0,7

0,6

0,45

0,64

0,37

0,37

0,52

Jungvögel/PmB

1

1,2

1

1,17

1,33

1

1,1

PmB/SP (%)

70

50

45,5

54,5

27,3

36,4

46,9

87,5

62,5

55,6

66,7

50

80

66,7

Nachwurchsrate

PmB/PmE (%)

PmB = Paar mit Bruterfolg SP = Steinadlerpaare PmE = Paare mit Eiablage

40


Bartgeier

Das Wiederansiedlungsprojekt

Der Bartgeier (Gypaetus barbatus) wurde zu Beginn des vorigen Jahrhunderts durch die Verfolgung des Menschen ausgerottet. Dank eines internationalen Projektes zur Wiedereinbürgerung ist der Bartgeier wieder Brutvogel in den Alpen. Er wurde zur Symbolfigur erfolgreicher Maßnahmen zum Schutze der Wildtiere auf europäischer Ebene. Der Bartgeier ist der größte brütende Greifvogel in Italien, gefolgt vom Gänsegeier (Gyps fulvus) und dem Steinadler (Aquila chrysaetos). Die Körperlänge beträgt 110-150 cm, die Flügelspannweite 250-280 cm und das Gewicht 5-7 kg. Das Weibchen ist in der Regel etwa größer, der Unterschied ist in der freien Natur aber nicht immer leicht auszumachen. Beim Altvogel ist der Kopf zur Gänze weißlich befiedert. Durch das Baden in eisenoxidhaltigem Schlamm wird das ursprünglich weiße Gefieder an Kopf, Brust und Bauch rostrot eingefärbt. Der wirkliche Grund für dieses Färbebaden ist bis heute nicht geklärt. Mögliche Erklärungsversuche reichen von der Funktion eines Statussignals über Thermoregulation und Schutz vor Parasiten. Jungvögel sind dagegen vorwiegend dunkel gefärbt und weisen eine etwas plumpere Körperform auf.

Das Wiederansiedlungsprojekt, koordiniert von der Internationalen Bartgeierstiftung »Foundation for the Conservation of the Bearded Vulture (FCBV)«, sieht die Freilassung von in Aufzuchtstationen aufgezogenen Jungvögeln vor (bis heute sind über 160 Individuen freigesetzt worden), bis schließlich ein Bestand aufgebaut ist, der ausreichend groß ist, um sich selbst fortzupflanzen und zu erhalten. Noch nicht flugfähige Jungvögel werden im Alter von drei Monaten an geeigneten Standorten ausgesetzt, die natürlichen Horstnischen sehr ähnlich sehen. Hier werden sie ohne direkten Kontakt mit dem Menschen solange gefüttert, bis sie ausfliegen. Nach dem Ausfliegen schweifen die Jungen für mehrere Jahre weit umher, bis sie schließlich ein eigenes Revier besetzen und sich verpaaren. Die freigesetzten Jungvögel werden mit Farbringen markiert, an den Schwanzfedern mit einem Satellitensender ausgestattet und einige Federn der Hand- oder Armschwingen werden gebleicht, so dass sie bis zur ersten Mauser auch im Freiland eindeutig zu erkennen sind. Seit dem Jahre 2000 wurde ein Monitoring-Projekt (International Bearded Vulture Monitoring-IBM) gestartet. Die Zählungen haben ergeben, dass derzeit etwa 120 bis 140 Exemplare im Alpenraum leben. Gegenwärtig sind 17 Brutpaare bekannt, von denen zehn sich fortpflanzen. Das Projekt verzeichnet sehr gute Erfolge, dennoch kann die Population noch nicht als stabil eingestuft werden. Die Freilassungen werden erst abgebrochen, wenn die Zahl der erfolgreichen Freilandbruten jene der jährlichen Freilassungen von 8-9 Individuen erreicht. In den Alpen schwankt der Bruterfolg noch stark: im Nationalpark Stilfserjoch gibt es derzeit die einzigen Freilandbruten in Italien, in Österreich gelang der erste Bruterfolg im Jahre 2010.

Der Bartgeier ist ein reiner Aasfresser mit Vorliebe für Knochen und das energiereiche Knochenmark. Für die Suchflüge nach Tierkadavern verbringen Bartgeier bis zu 80 % der Tageszeit. Beobachtungen zeigten, dass Bartgeier bis zu 150 km in etwa drei Stunden und täglich bis zu 700 km zurücklegen können. Der Lebensraum dieses Geiers ist das Hochgebirge oberhalb der Waldgrenze, mit reich strukturiertem felsigem Gelände mit Felswänden und Schluchten zum Bau der Horste. Weitere Voraussetzungen sind offenes Gelände für die Nahrungssuche und ein reiches Angebot wild lebender Huftiere und von Haustieren. Die durchschnittliche Reviergröße für ein Paar beträgt 120-150 km2. Eine Bartgeier-Population setzt sich aus Altvögeln und nicht Revier gebundenen Individuen (Jungvögel, nicht ausgewachsene Vögel), sogenannte »floaters«, zusammen. Letzter können große Distanzen zurücklegen (Arealgrößen von 9.000 – 13.000 km²).

Der Nationalpark bietet für den Bartgeier ideale Lebensraumbedingungen mit den weiten Hochflächen oberhalb der Waldgrenze und dem guten Nahrungsangebot wegen des hohen Bestandes an Huftieren. Die ersten Beobachtungen gehen auf das Jahr 1987 zurück; seit 1991 sind innerhalb des Parkgebietes 24 markierte Bartgeier beobachtet worden und fünf in den angrenzenden Gebieten. Im Parkgebiet und angrenzend haben vier Paare ihr Revier bezogen: das Paar von Bormio (1998), das Paar von Livigno (1999), das Paar in Valfurva (2002) und das Paar am Ofenpass. Seit der ersten erfolgreichen Brut sind im Parkgebiet 27 Jungvögel geschlüpft, das entspricht einem Anteil von 47 % der ausgeflogenen Jungvögel im Alpenraum. Zwischen den Jahren 2000 und 2008 wurden 11 junge Bartgeier im Schludertal, einem Seitental des Martelltales freigelassen.

In der Regel leben Bartgeier monogam; die Brut beginnt mit der Ablage des ersten Eies, nach 3-5 Tagen wird das zweite gelegt. Nur eines der beiden Jungen wird überleben und im Monat Juli ausfliegen. Die Aufzucht fällt in die Zeit des größten Nahrungsangebotes (Mai bis Juni), wenn nach der Schneeschmelze die Kadaver der umgekommenen Huftiere ausapern. Der Bruterfolg des Bartgeiers ist sehr niedrig so wie auch die Lebenserwartung der Jungvögel für die ersten vier Jahre. Erwachsene Bartgeier können dagegen ein hohes Alter von 20 bis 25 Jahren erreichen. Zu den Nesträubern (Eier und Jungvögel) zählen der Kolkrabe, der Uhu und der Fuchs. Bedeutende Gefahrenquellen stellen die Elektroleitungen, Seilbahn- und Aufstiegsanlagen, Windkrafträder und der starke Besucherdruck in den Hochgebirgen dar. Eine weitere Gefährdung besteht durch die Bleivergiftung, die vor allem während der Jagdzeiten und danach festzustellen ist.

Schutzstatus: aufgeführt im Anhang III der Berner Konvention und im Anhang I der Vogelschutz-Richtlinie. In Italien wird der Bartgeier nach der Roten Liste der gefährdeten Tierarten Italiens als gefährdet eingestuft und nach dem Staatlichen Rahmengesetz zum Schutze der Fauna und zur Jagdnutzung als besonders geschützte Art geführt. Im Park ist die Art nicht gefährdet.

Bruterfolg des Bartgeiers im Park 1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

gesamt

Kontrollierte Paare

1

2

2

2

3

3

3

3

4

4

4

4

35

Paar mit Eiablage

1

2

2

2

3

3

3

3

3

4

4

4

34

Paare mit flüggem Jungvogel

1

0

2

1

3

1

3

3

3

4

3

3

27

Paare mit Bruterfolg (%)

100

0

100

50

100

33,3

100

100

75

100

75

75

75,7

41


Nationalpark Stilfserjoch Die Hühnervögel Zu den alpinen Hühnervögeln gehören Arten, die zu den »charakteristischsten und bedeutendsten Vertretern der gesamten alpinen Fauna« (Scherini 2001) zählen. Sie werden den zwei Familien, nämlich den Raufußhühnern (Tetraonidae) und den Glattfußhühnern (Phasianidae) zugeordnet. Seit Jahrzehnten nehmen die Bestände der alpinen Hühnervögel laufend ab. Ursachen dafür sind die Veränderungen der alpinen Lebensräume durch geänderte Nutzungen in der Alm- und Forstwirtschaft, die Störungen durch die Freizeitaktivitäten und in den lezten Jahren wohl auch durch die Auswirkungen des Klimawandels. Die Auflassung der traditionellen Wald-Weide-Wirtschaft und der zunehmende Druck durch Erholungssuchende haben einerseits zu Veränderungen der Lebensräume wie auch der möglichen Nutzung derselben durch die Hühnervögel geführt. Auch die höheren Wildbestände, vor allem des Rothirsches, wirken sich negativ auf die Bestände der Raufußhühner aus, die mehr an die subalpinen Wälder gebunden sind. Vor allem ist es die fortschreitende Zerstörung des Unterwuchses. Gegenwärtig laufen im Parkgebiet mehrere Projekte für den Schutz und die Verbesserung der Lebensräume dieser Arten. In diesem Zusammenhang wird vor allem versucht, für das Birkhuhn die waldgrenznahen Lebensräume zu verbessern, indem die Vielfalt der Kleinstrukturen erhöht und das fortschreitende Aufkommen der Strauchvegetation eingedämmt werden soll. Die alpinen Hühnervögel weisen durchwegs einen gedrungenen und robusten Körperbau auf, mit kurzen und gerundeten Flügeln. Weibchen und Jungvögel tragen ein ähnliches Federkleid, während die Männchen ein deutlich anderes Gefieder tragen, speziell bei den polygamen Arten wie Auer- und Birkhuhn. Alle Arten ernähren sich vorwiegend von pflanzlicher Kost. Nur die Jungvögel fressen in ihren ersten Lebensmonaten vor allem Insekten. Zu den Hauptbeutegreifern zählt der Steinadler, aber auch andere Greifvögel der Waldlebensräume gehören dazu, die Eier und Jungvögel erbeuten können. Von den Säugetieren sind die beiden Marderarten und der Fuchs die gefährlichsten Beutegreifer, auch für die Altvögel. Haselhuhn (Bonasa bonasia). Verbreitet von den Ostalpen über die Zentralalpen bis zum Val d’Ossola in Höhenstufen zwischen 800 und 1.800 m. Das Haselhuhn zählt zu den heimlichsten Waldbewohnern. Es lebt in dichten, unterwuchsreichen Wäldern, wobei es die Laub-Nadel-Mischwälder bevorzugt und unterschiedliche Hangneigungen keinen Einfluss haben. Es zählt zu den kleinsten Raufußhühnern, ausgestattet mit einem tarnfarbenem Gefieder. Sehr gewandt bewegt es sich durch den Unterwuchs wie auch auf den Bäumen. Gewöhnlich verbringt es die Nächte auf den Bäumen, im Winter kann es auch auf offenen Flächen nächtigen, wobei es Höhlen in den Schnee gräbt. Als einziges Waldhuhn lebt es monogam und nur für drei Monate im Familienverband. Das Revier wird gegen Eindringlinge verteidigt. Birkhuhn (Tetrao tetrix). Verbreitet in ganz Europa, im gesamten Alpenraum und auch in den Voralpen. Es besiedelt die Höhenstufe zwischen 1.700 und 2.300 m, bevorzugt aber den Bereich der Waldgrenze zwischen 1.900 und 2.200 m Höhe, dort, wo der Nadelwald sehr aufgelichtet ist und Alpenrose, Heidelbeere, Grünerle und Birke die Strauchvegetation bilden. Die polygamen Birkhühner leben gesellig. Im Frühjahr finden sich die Hähne zur Gruppenbalz mit eindrucksvollen Balzspielen auf den traditionellen Balzplätzen ein, wobei schließlich nur wenige »auserwählte« Hähne die Hennen begatten können. Um Nestbau, Brut oder Aufzucht kümmern sich die Hähne nicht. Für die Brut und Aufzucht wählen die Hennen günstige, locker bestandene Habitate, die meistens in etwa 1.800 m Höhe liegen und über mehrere Jahre genutzt werden.

Auerhuhn (Tetrao urogallus). In Europa weit verbreitet, im Alpenraum nur in den Ost- und Zentralalpen. Die besiedelten Höhenstufen liegen zwischen 800 und 1.880 m Höhe, wobei die oberen Lagen bevorzugt werden. Als typischer Waldvogel bewohnt er vorwiegend struktur- und beerenreiche Nadelwälder mit hohem Altholzanteil. Im Nationalpark Stilfserjoch ist das Auerhuhn im Südtiroler und Trentiner Teil noch vertreten, während im Lombardischen Teil Beobachtungen fehlen, die auf ein stabiles Vorkommen schließen lassen. Die Brutzeit beginnt mit spektakulären Balztänzen auf den angestammten Balzplätzen, wobei die Hähne sowohl auf den Bäumen als auch am Boden balzen. Nach der Balzzeremonie erfolgt die Begattung der Hennen. Der scheue Vogel verbringt die meiste Zeit am Boden, zur Nachtruhe baumt er auf. Auf die Störungen des Menschen reagiert er empfindlich. Schneehuhn (Lagopus mutus). Im Alpenraum ist es von Ligurien bis Friaul verbreitet. Es fehlt nur in den Provinzen Varese und zum Teil in der Provinz Como, wo geeignete Lebensräume selten sind. Es hält sich vorwiegend in Höhen zwischen 2.200 und 2.700 m Höhe auf. Eine besondere Eigenheit ist der jährliche Gefiederwechsel: als einzige Vögel tauschen sie im Spätherbst ihr braunes Sommerkleid mit dem weißen Winterkleid. Obwohl des Fliegens mächtig, hält sich das Schneehuhn meistens am Boden auf und fliegt nur bei Gefahr kürzere oder auch weitere Strecken, um sich dem Beutegreifer zu entziehen. Die Nacht verbringt es in kleinen Verstecken, im Winter gräbt es tiefe Schneelöcher, um sich vor der Kälte zu schützen. Obwohl monogam, lebt es gerne gesellig. Im November rotten sich die Schneehühner zu kleinen Gruppen zusammen. Die Bedeutung dieses Verhaltens ist nicht geklärt. Steinhuhn (Alectoris graeca). Das Steinhuhn gehört zu den Glattfußhühnern und ist in den Gebirgen Eurasiens mit verschiedenen Unterarten verbreitet. Im Alpenraum kommt die Unterart A. g. saxatilis vor. Es handelt sich um eine mediterrane Art, so dass sie in den Lebensräumen der Alpen an die Grenzen ihrer Ansprüche und Anpassungsfähigkeit stößt. Dort bewohnt das Steinhuhn bevorzugt sonnige, südexponierte, grasige und steinige Hänge, die keinen oder nur geringen Strauchbewuchs aufweisen. Im Winter ist das Huhn kaum oberhalb von 1.800 m Höhe anzutreffen. Es hält sich vorwiegend am Boden auf und fliegt nur kurze Strecken. Die Reviertreue ist auf die Brutzeit beschränkt, außerhalb dieser streifen sie umher und scharen sich gerne zu kleinen Gruppen zusammen. Im Winter suchen sie auch Schutz in der Nähe von Heuschupfen und Almhütten.

Die Zählungen In allen Parkanteilen werden seit 2008 Zählungen durchgeführt (im Trentiner und Lombardischen Teil seit 2002 und 2003). Die Zählungen erfolgen in ausgewählten Versuchsflächen mit guten Lebensraumbedingungen und haben das Ziel, Kenntnisse über Verbreitung, Bruterfolg und Größe der Population zu erhalten. Beim Haselhuhn werden im Frühjahr die Zählungen der Männchen und/oder der Paare mit Hilfe von Lockrufen gemacht, im Spätsommer-Herbst erfolgen Stichprobenzählungen der adulten und jungen Vögel, immer mit Lockrufen. Beim Schneehuhn werden Hähne und/oder Paare im Frühjahr erfasst und die Zählung der Bruten mit Hilfe von Vorstehhunden im Spätsommer. Auerhuhn und Birkhuhn werden im Frühjahr an den Balzplätzen gezählt und die Bruten im Spätsommer mit Hilfe von Vorstehhunden. Das Steinhuhn wird im Frühjahr mit Hilfe von Lockrufen gezählt, die Erhebungen im Spätsommer erfolgen ebenso mit Hilfe von Vorstehhunden. Die Verbreitungskarten wurden auf der Grundlage der systematisch erfassten Daten der Jahre 2008 und 2009 sowie Beobachtungen seit 1985 erstellt.

42


43


Nationalpark Stilfserjoch

Bestandesentwicklung der Gämse in den jeweiligen Parkgebieten

Gämse (Rupicapra rupicapra)

Bestand (Anzahl Individuen)

2000

Trentiner Gebiet und Val di Sole Veltliner Gebiet Gebiet Valcamonica Südtiroler Gebiet

1500

1000

500

0 1973

1982

1991 Jahr

2000

2009

Altersstruktur der Gämse im Park >2

Altersklasse (Jahre)

Die Gämse kann als eines der Symboltiere für den Nationalpark Stilfserjoch bezeichnet werden. Sie kommt im Park tatsächlich seit seiner Gründung vor. Ihr Bestand hat sich, ausgehend von lokalen Populationen (zwischen dem Martelltal, dem Rabbi- und Zebrù-Tal) positiv entwickelt. Im Jahre 1968 wurde ein Bestand von etwa 450 Exemplaren geschätzt, von denen sich etwa 300 im Trentino, 110 in Südtirol und 40 in der Lombardei aufhielten. Die später an den Park angegliederten Gemeinden Livigno und Valdidentro wurden schon vorher von Populationen aus dem angrenzenden Schweizer Nationalpark aufgesucht, während die Täler im Brescianer Teil erst nach der Eingliederung in den Park besiedelt wurden. Historische Zählungen sind seit 1973 verfügbar und beruhen auf Schätzungen durch Beobachtungen des Aufsichtspersonals. Ab 1999 (ab 1993 für den Trentiner Teil) werden in den Monaten Juli bis September standardisierte Zählungen durchgeführt. Gegenwärtig hat die Gämse alle geeigneten Lebensräume im Park besiedelt und in vielen Revieren haben die Bestände entsprechend der verfügbaren Nahrungsgrundlagen stabile Größen erreicht. Seit einigen Jahren wird der Bestand auf etwa 4.350 Individuen geschätzt, die sich auf einer Fläche von 650 km² verteilen, was einer Populationsdichte von 6,7 Exemplaren pro Quadratkilometer entspricht. In den letzten 13 Jahren wurde im Trentiner Teil ein Rückgang der Bestände festgestellt. Die Ursachen dafür sind auf eine natürliche Regulation der zu hohen Dichten und auf mehrere schneereiche Winter zurückzuführen. Nicht zuletzt dürfte auch eine intraspezifische Konkurrenz durch den Rothirsch mitverantwortlich für den Rückgang sein, da dieser immer mehr die Weideflächen der alpinen Rasen aufsucht. Schutzstatus: aufgeführt im Anhang III der Berner Konvention und im Anhang V der FFHRichtlinie. Keine Gefährdung im Park.

Geißen Böcke

1-2

0-1

50

40

30 20 10 Anteil (%)

0

10

20 30 40 Anteil (%)

50

44


Wiedereinbürgerungen von Steinböcken im Parkgebiet Jahr

Freigelassene Tiere

Gebiet der Einbürgerung

Herkunft der Tiere

1967-68

19 (14M 15W)

Val Zebrù

Nationalpark Gran Paradiso und Albris

1984

7 (4M 3W)

Val Canè

Val Zebrù

1992

7 (2M 5W)

Passo Gavia

Val Zebrù

1992

15 (6M 9W)

Val del Gallo

Val Zebrù

1993

3 (1M 2W)

Val Canè

Val Zebrù

1993

9 (1M 8W)

Val di Rezzalo

Val Zebrù

1994

5 (1M 4W)

Val di Rezzalo

Val Zebrù

1994

7 (1M 6F)

Valle dell’Alpe

Val Zebrù

Altersstruktur des Steinbockes im Park Altersklassen (in Jahren)

Der aktuelle Bestand des Steinbocks in den Alpen geht auf Wiedereinbürgerungen zurück. Aufgrund der starken Bejagung war der Steinbock zu Beginn des 19. Jahrhunderts bis auf einen kleinen Bestand von 50-60 Tieren im Gran Paradiso ausgerottet. Mit der Gründung eines Jagdreservates durch das Königshaus Savoyen im Jahre 1836 wurden alle Steinböcke geschützt. Nach der Gründung des Nationalparks Gran Paradiso 1923 stieg die Population in relativ kurzer Zeit auf 2.700 Exemplare an. Alle heute in den Alpen lebenden Steinbockkolonien stammen von diesem kleinen Restbestand ab. Die letzten Nachweise von Steinböcken im Nationalpark Stilfserjoch liegen aus dem Jahre 1830 vor. Seine Rückkehr geht auf eine Wiedereinbürgerung im Zebrù-Tal in den Jahren 1967 und 1968 zurück. Zwischen 1915 und 1920 begannen Steinböcke, ausgehend vom Piz Albris auf Schweizer Seite, das Gebiet von Livigno zu besiedeln. In den Jahren von 1967 bis 1994 hat die Parkverwaltung ein langjähriges Wiedereinbürgerungsprojekt gestartet, mit Fangaktionen und Freilassungen, um die bereits laufende Wiederbesiedlung noch zu beschleunigen. Die erste Freilassung erfolgte im Zebrù-Tal im Jahre 1967-68, mit Tieren, die vom Piz Albris/Schweiz (25) und vom Nationalpark Gran Paradiso (4) stammten. Die Einbürgerung verlief wegen der guten Lebensraumverhältnisse gut. Bis zum Jahre 1973 wuchs der Bestand bereits auf etwa 80 Steinböcke an, erreichte 1984 etwa 220 Stück und stabilisierte sich im Jahre 2000 mit etwa 700 Exemplaren. Mit gefangenen Individuen aus dieser Kolonie wurden vom Park weitere Freilassungen organisiert. 1984 und 1993 wurden 10 Steinböcke in Cortebona – Val Canè (BS) ausgesetzt. Zwischen 1992 und 1994 wurden weitere neue Kolonien gegründet: am Gaviapass – Valle delle Messi (7 Stück), in Prà Grata – Valle del Gallo (15 Stück) und in Valle dell’Alpe – Val di Rezzalo (20 Stück), die sich in der Folge zur Kolonie von Val Canè vereinigten. Ein erster Einbürgerungsversuch im Jahre 1941 im Martelltal schlug fehl, vor allem wegen wiederholter Wildererei und eigener Fehler bei der Umsetzung der Freilassung. Gegenwärtig weist der Lombardische Teil die höchsten Bestände auf, eine kleine Kolonie hält sich im Südtiroler Teil in der Nähe zur Schweiz auf und eine weitere Kolonie hat sich im Peiotal an der Grenze des Schutzgebietes angesiedelt. Insgesamt bestehen derzeit sechs getrennte Kolonien, auch wenn sporadische Beobachtungen außerhalb derselben sich immer mehr häufen: a) Livigno: diese Kolonie umfasst etwa 200 Steinböcke, die auch grenzüberschreitende Wanderungen in die Schweiz durchführen; im gesamten Gebiet von Livigno dürften an die 400 Exemplare leben. b) Valdidentro – Fraele mit 75 Stück; c) Zebrù – Braulio etwa 680 Stück; d) Canè – Dombastone – Rezzalo: geht ursprünglich auf mehrere Freilassungen zurück und umfasst etwa 110 Individuen; e) Gavia – Viso – Redival: ist noch in zwei Kolonien aufgeteilt und umfasst etwa 95 Steinböcke, davon 30 im Trentiner Teil; f) Chavalatsch: ist Teil der Schweizer Kolonie um den Umbrail, etwa 20 Tiere suchen die Hänge zwischen Stilfs und dem Stilfser Joch auf. Im Lombardischen Teil werden seit 2001 standardisierte Zählungen nach der »block-count-Methode« durchgeführt. Dabei wird das Untersuchungsgebiet in genau festgelegten Untereinheiten (Beobachtungsgebiete) unterteilt. Die bisher gesammelten Daten weisen auf weitere Zuwächse der Kolonien innerhalb des Parks hin, mit Ausnahme der historischen Kolonie vom Val Zebrù – Valle del Braulio, die vermutlich ihre maximale Kapazität erreicht hat. Der Nationalpark hat derzeit einen Gesamtbestand von etwa 1150 Steinböcken. Die höchsten Dichten sind in der Kolonie von Zebrù – Braulio mit 15 Exemplaren pro Quadratkilometer zu verzeichnen. Wanderungen von Steinböcken aus dem Gebiet der Lombardei nach Südtirol finden kaum statt. Obwohl der Steinbock im Südtiroler Teil schon lange in kleinen Kolonien vertreten ist, hat sich der Bestand noch nicht stabilisiert. Dazu haben wohl auch wie-

>11 6-10 >3

3-5

1-2

1-2 Geißen Böcke

Kitze

40

30 20 10 Anteil (%)

0

10

20 30 Anteil (%)

Kitze

40

Entwicklung des Steinbockbestandes im Park 1500

Bestand (Anzahl Individuen)

Steinbock (Capra ibex)

1000

500

0 1973

1982

1991 Jahr

2000

2009

derholte illegale Abschüsse beigetragen. Auch im Trentiner Teil sind die aus der Lombardei eingewanderten Exemplare durch illegale Abschüsse verschwunden. Dennoch nehmen die Beobachtungen im Gebiet von Val del Monte (Peio) in den letzten Jahren zu. Schutzstatus: aufgeführt im Anhang III der Berner Konvention und im Anhang V der FFH-Richtlinie, kaum gefährdet nach der Roten Liste der gefährdeten Tierarten Italiens und geschützte Art nach dem Staatlichen Rahmengesetz zum Schutze der Fauna und zur Jagdnutzung. Im Park ist die Art nicht gefährdet.

45


Nationalpark Stilfserjoch

Der Rothirsch (Cervus elaphus)

Tote Hirsche Gezählte Hirsche Logistische Kurve Schneehöhe

500 400

1100

300 200

550

100

0 1973

1982

1991 Jahr

2000

Schneehöhe (cm)

Bestand (Anzahl Individuen)

1650

2009

Populations- und Altersstruktur der Rothirsche im Park mehr als 11 11

Altersklassen (in Jahren)

Der Nationalpark Stilfserjoch und die angrenzenden Gebiete haben für die Rückkehr und die Bestandesentwicklung des Rotwildes in den italienischen Alpen einen wesentlichen Beitrag geleistet. Der Rothirsch war zwar immer schon in den Alpen vertreten, verschwand aber in der Mitte des 19. Jahrhunderts aus dem derzeitigen Gebiet des Nationalparks durch den Druck des Menschen. Zum Schutz hat die Gründung des Schweizer Nationalparks im Jahre 1914 entscheidend beigetragen. Er war Ausgangspunkt für die Besiedlung der angrenzenden Gebiete. Im Oberen Vinschgau verschwand der Rothirsch um 1860. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wechselten die ersten Exemplare aus der Schweiz ins Gebiet von Glurns, die Dichte blieb aber weiterhin gering. Erst ab den 1950er und stärker ab den 1960er Jahren nahm die Zahl deutlich zu. Im Trentiner Teil trat das Rotwild in den ersten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts wieder auf, im Lombardischen Teil in den 1930er bis 1940er Jahren. Die Besiedlung erfolgte vom Engadin aus. In den Brescianer Tälern waren zur Zeit der Angliederung an den Park nur wenige Individuen zu verzeichnen, die das Gebiet aus dem angrenzenden Val di Sole besiedelten. Im Jahre 1967 wurde im Lombardischen Teil ein Jagdverbot erlassen, das im Jahre 1983 auf das ganze Parkgebiet ausgedehnt wurde. Seit 1973 werden vom Aufsichtspersonal in allen drei Parkteilen Zählungen der Bestände durchgeführt. Diese Zählungen, auch wenn wissenschaftlich nicht abgesichert, haben eine Einschätzung der Bestandesentwicklung ermöglicht. Seit 1998 werden standardisierte Erhebungen durchgeführt, mit jeweils drei Zählungen im Zeitraum von Mitte April bis Anfang Mai.

Entwicklung der Rothirschbestände im Park 2200

10 9 8

Hirschkühe 1980-1985 1993-1998

Hirschstiere 1980-1985 1993-1998

7 6 5 4 3 2 1 0

0.4 0.3 0.2 0.1 0.0 -0.1 0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 Anteil (%) Anteil (%)

46


Mit einem Bestand, der in den letzten fünf Jahren zwischen 6.000 und 7.000 Stück schwankt (über 10.000 Stück, wenn man die angrenzenden Gebiete dazu zählt, mit einer geschätzten Dichte zwischen 5 und 25 Stück je Quadratkilometer, je nachdem, welches Einzugsgebiet berücksichtigt wird), stellt die Rothirschpopulation einen der wichtigsten Wildtierbestände des gesamten Alpenraumes. Dieser Bestand ist umfassend zu schützen und mit großer Umsicht zu verwalten. Die Population besiedelt im Sommerhalbjahr alle verfügbaren und geeigneten Lebensräume. Im Winter dagegen sammeln sich die Tiere in günstigeren, sonnenexponierten Lagen, wo sie bei meist niedriger Schneedecke leichter Futter finden. Aus diesem Grunde legen die Rothirsche oft auch weite Wanderungen zurück, um sowohl im Winterquartier wie in den Sommer-Einstandsgebieten ruhige Orte und gute Nahrungsbedingungen zu finden. Das Parkgebiet weist wegen der hohen Gebirgsgruppen an manchen Orten nur für den Sommer geeignete Standorte auf. Daher ist es notwendig, die Schutzmaßnahmen auf größere Einheiten auszudehnen, die eine gesamte Population umfassen mit ihren Sommer- und Winter-Einstandsgebieten. Das Rotwild hat in manchen Gebieten Bestandesdichten erreicht, die auch zu Konflikten mit der Bevölkerung des Parks führen. Eine zu hohe Dichte führt unweigerlich zu Schäden im Wald und in der Kulturlandschaft, wo die Bewirtschaftung der Wiesen und Felder in den ungünstigern Bergregionen ohnehin schon schwierig genug ist. Die Parkverwaltung hat daher ein mehrjähriges Projekt »Rothirsch« gestartet, das die Auswirkungen zu hoher Rotwildbestände auf das Ökosystem untersucht und Vorschläge für den Erhalt und den Schutz der Biodiversität ausarbeiten soll. Seit 1997 werden in einigen Gebieten im Südtiroler Teil des Parkgebietes gezielt Abschüsse getätigt, die in Zukunft auch auf die anderen Teile des Parks ausgedehnt werden sollen. Schäden an der Vegetation Rothirsch und Reh sind ausgesprochene Waldtiere, für die der Wald Lebensraum und Nahrung bietet, vor allem im Winter, wenn Schnee die Nahrungsaufnahme auf den Lichtungen verhindert. Die jungen Bäume, die für die Verjüngung des Waldes wichtig sind, bilden gerade während der kalten Jahreszeit eine wichtige Nahrungsgrundlage. Die erhöhten Ansammlungen von Rothirschen im Winter führen daher beim Jungwuchs zu starken Verbissschäden. In Gebieten mit sehr hohen Dichten wird auch der Unterwuchs geschädigt oder dermaßen verändert, dass sich negative Folgen etwa für das Auerwild zeigen, das für die Aufzucht der Brut eine abwechslungsreiche Bodenvegetation und einen hohes Insektenangebot braucht. Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass hohe Rotwilddichten aufgrund ähnlicher Lebensraum- und Nahrungsansprüche während der Sommermonate zu einer Verdrängung des Rehwildes führen. Im Nationalpark zeigen sich ähnliche Auswirkungen auch auf das Gamswild, da sich die Nahrungsräume der beiden Huftiere im Sommer zunehmend überlappen. Die erhöhte Dichte hat beim Rotwild eine Art Selbstregelung des Bestandszuwachses ausgelöst, und zwar durch eine Verringerung der Geburtenrate und hoher winterlicher Verluste.

konnten die Huftiere im Winter die Talböden aufsuchen, die heute durch Siedlungen und landwirtschaftliche Nutzung oder durch Abzäunungen nicht mehr verfügbar sind. Dies alles hat einerseits zu einem Ungleichgewicht in der Nutzung der Lebensräume und andererseits zu erhöhten Wilddichten in einigen begrenzten Gebieten geführt. Die Diskussion für ein notwendiges Rotwild-Management konzentriert sich auf mögliche Lösungen einer natürlichen Selbstregulierung der Populationen. In vielen Schutzgebieten müssen bereits Entscheidungen für direkte Maßnahmen und Eingriffe in die Wildbestände getroffen werden, bevor die Zusammenhänge und Abläufe in diesen Ökosystemen ausreichend wissenschaftlich geklärt werden können. Im spezifischen Fall scheint sich im Nationalpark Stilfserjoch eine gewisse Selbstregulierung auf hoher Wilddichte einzustellen, die ohnehin schon beachtlichen Schaden an den Ökosystemen verursacht. Das bedeutet, dass die Festlegung von klaren Zielen und Begründungen auch die gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Überlegungen berücksichtigen muss. Im gegenwärtigen Zustand des Ungleichgewichts zwischen Gebieten im Park und außerhalb des Parks kann das Problem nur durch kontrollierte Entnahmen im Park gelöst werden, wenn gleichzeitig im Val di Sole Ruhegebiete geschaffen werden, um den Rothirschen eine Rückkehr zum Wanderverhalten zu ermöglichen. Die Wildbestandsregelung sieht einen jährlichen Abschuss von bestimmten Stückzahlen vor, um so im Laufe der Zeit den Bestand und die Dichte konstant zu halten und die möglichen negativen Auswirkungen zu reduzieren. Im Parkgebiet wurde eine Studie zur Feststellung der Verbissschäden durchgeführt. Die festgestellten Schäden haben gezeigt, dass der Verbiss im Parkgebiet höher ist als in anderen Gebieten des Alpenraums. Die Verbissschäden werden vorwiegend vom Rothirsch verursacht. Die Schäden waren in jenen Gebieten am höchsten, wo die Hirsche im Winter in hoher Dichte auftreten. Die von den Huftieren verursachten Schäden an der Vegetation und damit an den physiologischen Aufgaben derselben sind sehr unterschiedlich. Verbiss: Durch das Abbeißen der Knospen und Triebspitzen verursachen die Huftiere eine Verzögerung im Höhenwachstum. Die negativen Auswirkungen auf die Waldverjüngung sind umso mehr gegeben, je intensiver und je länger der Verbiss erfolgt. Dieses Äsungsverhalten wirkt sich besonders in Bergwäldern negativ aus (Reduktion der Schutzfunktion, Erhöhung der Erosions- und Lawinengefahr). Fegeschäden: Es handelt sich um Schäden durch das Reh- und Rotwild, die an jungen Bäumen durch das Fegen des Geweihs zum Abstreifen des Bastes verursacht werden. Zu stark gefegte Pflanzen sterben im Laufe der Saison ab. Schälschäden: Bei Nahrungsknappheit im Winter reißen oder knabbern Rothirsche die Rinde junger Bäume ab. Durch die Schäden sterben die Pflanzen entweder ab oder werden durch Krankheitskeime geschwächt. Schutzstatus: Der Rothirsch ist im Anhang III der Berner Konvention und im Anhang IV der FFH-Richtlinie aufgeführt. Im Park ist die Art nicht gefährdet.

Die von Wildtieren im Wald angerichteten Schäden stellen für die Ökosysteme in der Regel kein Problem dar, da das Gleichgewicht zwischen der Pflanzenwelt, den Pflanzen- und den Fleischfressern durch natürliche dynamische Abläufe geregelt werden. Dort, wo der Mensch dieses natürliche Gleichgewicht verändert hat, zeigen sich die negativen Auswirkungen und sie können in bestimmten Gebieten auch zu entsprechenden Konflikten führen. Die Hauptgründe für die Verschärfung des Problems in den Gebirgsregionen sind das Verschwinden der großen Beutegreifer und die Veränderungen und Nutzungen der Lebensräume durch den Menschen. In der Vergangenheit

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Nationalpark Stilfserjoch

17. Die Bevölkerung

Der Anteil der ganzjährig innerhalb der Grenzen des Parks lebenden Bevölkerung beträgt etwa 19% der Bewohner von Gemeinden im Nationalpark Stilfserjoch, das sind 12.132 Einwohner. Dazu sind im Sommerhalbjahr noch jene Bewohner zu zählen, die in dieser Zeit auf den Almen arbeiten. In den meisten betroffenen Gemeindegebieten ist die Bevölkerungszahl zwischen 1991 und 2002 gestiegen. Die größten Zuwächse sind im Trentiner und Südtiroler Teil zu verzeichnen. Im Lombardischen Teil leben nur 9,6% der Bevölkerung innerhalb der Parkgrenze. Dieser Mittelwert täuscht und zeigt nicht die großen Unterschiede zwischen den einzelnen Gemeinden. So leben etwa in der Gemeinde Valfurva 81,8% im Parkgebiet, während andere Gemeinden keine Dauerbewohner innerhalb der Grenzen des Nationalparks haben (Gemeinden der Valcamonica, Sondalo, Livigno und Valdidentro). Im Trentiner Teil leben etwa 50% der Bevölkerung der beiden Gemeinden Peio und Rabbi im Parkgebiet, während der Anteil in Südtirol nur bei 24,4% liegt.

Seit über 20 Jahren nimmt die Bevölkerung im Veltlin konstant zu. Diese Zunahme ist jedoch auf die besondere Situation der Gemeinde Livigno und die hohen wirtschaftlichen Aktivitäten in diesem Gebiet zurückzuführen. Trotz des allgemeinen Trends eines Anstiegs des Lebensalters ist ein höherer Anteil der jüngeren Altersklassen gegenüber dem Durchschnitt der Provinz Sondrio festzustellen (vor allem in Livigno). Anders ist die Situation im Gebiet der Valcamonica, das die kritischste demografische Entwicklung der gesamten Provinz Brescia zeigt. Aus einer Untersuchung der Handelskammer und der Umweltschutzorganisation Legambiente geht hervor, dass unter den vom Aussterben bedrohten italienischen Gemeinden allein neun im Gebiet Valcamonica liegen. Eine dieser Gemeinden ist Vione. Mit Ausnahme von Vezza d’Oglio, weisen auch die anderen drei Gemeinden einen Bevölkerungsrückgang auf. Die Gemeinden Rabbi und Peio weisen eine sehr niedrige Bevölkerungsdichte auf. Besonders auffallend ist der Bevölkerungsrückgang in der Gemeinde Rabbi, wo im Zeitraum von 1921 – 2001 die Bevölkerung um 50% abgenommen hat. In den Südtiroler Gemeinden ist die Mehrsprachigkeit und die kulturelle Vielfalt eine Besonderheit. Der Anteil der italienischsprachigen Bevölkerung ist mit 3,5% gegenüber der deutschsprachigen mit 97,5% gering. Es leben auch ladinischsprachige Bürger im Gebiet, mit einem maximalen Anteil in Schlanders von nur 0,2%.

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Bevölkerungsstruktur Anteil Veltlin

Altersklassen (in Jahren)

Auf die Gesamtbevölkerung bezogen war in den letzten 130 Jahren eine Zunahme von 35% zu verzeichnen, der jedoch vorwiegend für die Situation im Vinschgau gilt, während im Trentiner und Lombardischen Teil die Bevölkerungszahl in den letzten 10 Jahren rückläufig war. In den Nationalparkgemeinden leben heute etwa 64.000 Menschen, wobei Männer und Frauen etwa den gleichen Anteil daran haben. Die bevölkerungsreichste Gemeinde ist Schlanders, gefolgt von Livigno und Latsch. Vione hat die niedrigste Einwohnerzahl. Die Bevölkerungsdichte ist in Bormio und Glurns am höchsten, in Martell, Stilfs und Rabbi am geringsten.

Fast alle Südtiroler Gemeinden des Parkgebietes weisen einen Zuwachs der Bevölkerung auf. Nur die Gemeinden Martell und Stilfs haben ein negatives Bevölkerungssaldo. Bei der Altersstruktur weist die Altersstufe zwischen 14 – 44 Jahre den höchsten Anteil auf (im Mittel etwa 47% der Gesamtbevölkerung). Dieser folgt die Alterstufe der 45 – 64jährigen (20%), die 0 – 13jährigen und schließlich die über 65jährigen.

Anteil Valcamonica

>65

>65

45-64

45-64

14-44

14-44

0-13

0-13

10

20

30

40

50

10

20

Anteil Südtirol

Altersklassen (in Jahren)

Der Alpenraum ist nicht zur Gänze von der Abwanderung betroffen, wie man annehmen könnte: die Zentralalpen zeigen eine positive Entwicklung, während in den Westalpen das Gegenteil der Fall ist. Im Zeitraum von 1870 – 1990 hatten die meisten Gemeinden des Parkgebietes eine positive demografische Entwicklung (Oberes Veltlin und der Großteil des Vinschgaus). Fünf Gemeinden (Martell, Stilfs, Temù, Ponte di Legno und Peio) hatten einen Stillstand und nur drei (Rabbi, Vione und Vezza) einen Rückgang in der Bevölkerungsentwicklung zu verzeichnen.

>65

45-64

45-64

14-44

14-44

0-13

0-13

20

30 40 Abbundanz (%)

40

50

Anteil Trentino

>65

10

30

50

10

20

30 40 Abbundanz (%)

50


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Nationalpark Stilfserjoch

Gesamte Landwirtschaftsfläche im jeweiligen Parkgebiet und tatsächlich genutzte Fläche 9000 Gesamtfläche landwirtschaftlich genutzt

Fläche (ha)

6000

18. Die Landwirtschaft

3000

0

Die Landwirtschaft im Parkgebiet Im Jahre 2000 wurden im Parkgebiet 3.600 landwirtschaftliche Betriebe gezählt, die meistens auf zerstückelten Flächen arbeiten, wie es für Berggebiete charakteristisch ist. Der Großteil betreibt Viehzucht (vor allem Rinderhaltung), eine leichte erklärbare Tatsache, werden doch 98% der Landwirtschaftsfläche als Wiesen und Weiden genutzt. Ackerflächen nehmen nur mehr einen sehr geringen Anteil ein, vorwiegend im Vinschgau, so wie dies auch für die Obstkulturen und Hausgärten der Fall ist. Im Südtiroler Teil blüht die Landwirtschaft. Die landwirtschaftliche Nutzfläche hat im Zeitraum von 1970 bis 2000 (gesamt 41.013 ha) nur um 3,8% abgenommen. Den größten Anteil an der landwirtschaftlichen Produktion hat die Großviehhaltung, auch wenn der Obstanbau, vor allem Äpfel und Marillen, seit dem Jahre 1971 um 56% deutlich zugenommen hat. In Südtirol werden etwa 10% der europäischen Apfelernte produziert, davon stammt ungefähr ein Drittel aus dem Vinschgau. Nach der jüngsten Neuabgrenzung des Nationalparks Stilfserjoch, die eine Ausklammerung der intensiv bewirtschafteten Talböden vornahm, sind nur mehr wenige Obstkulturen im Parkgebiet verblieben. Im Jahre 2000, noch vor der Neuabgrenzung, wurden 2.700 bäuerliche Betriebe gezählt. In der Regel sind es familiär geführte Kleinbetriebe. Etwa 40% (entspricht etwa 1.100 Betrieben) befinden sich innerhalb des Parkgebietes. Ein kritischer Faktor in diesem Gebiet ist das trockene und niederschlagsarme Klima. Die damit verbundene Wasserarmut zwang die Bauern schon seit jeher, ihre Kulturflächen, auch in höheren Regionen, zu bewässern. Auf der anderen Seite sind gerade diese klimatischen Bedingungen (die milder sind im Vergleich zu anderen Gebieten im Alpenraum) vorteilhaft und ermöglichen eine Obstproduktion mit hoher Qualität. Im Lombardischen Teil weist die Berglandwirtschaft die größte Gefahr der Auflassung (und Abwanderung) auf. Dieser Rückgang ist nicht zuletzt auf die zunehmende Verlagerung der Aktivitäten in den touristischen Bereich zurückzuführen. Dennoch ist nach den Erhebungen des ISTAT im Veltlin eine Zunahme der landwirtschaftlich genutzten Flächen um 17% zu verzeichnen, die sich vor allem in der Valdidentro bemerkbar machte. 99% der landwirtschaftlich genutzten Fläche sind Dauerwiesen und Weiden. Tatsächlich halten auch die meisten Betriebe

vor allem Großvieh, aber auch die Ziegenhaltung wird immer mehr praktiziert (im Veltlin ist der höchste Ziegenbestand im Parkgebiet zu verzeichnen). Ackerflächen sind im Rückgang. In der Vergangenheit wurde vor allem Roggen und Buchweizen angebaut. Sie lieferten auch die Zutaten für die typischen lokalen Speisen und Lebensmittel. Heute werden diese Getreideprodukte importiert. Das Verschwinden dieser Kulturen betraf den gesamten Alpenraum. Obwohl die landwirtschaftlich genutzten Flächen zunahmen, ging die Anzahl der Betriebe in den letzten 30 Jahren immer weiter zurück. Im Jahre 2000 zählte man nur noch 694 Höfe. Im Gebiet der Valcamonica befindet sich die Landwirtschaft in einer schweren Krise, denn die Produktionsfläche verringerte sich in den letzten 30 Jahren um 41,8%. Gleichzeitig ging auch die Zahl der Betriebe um 75% zurück und im Jahre 2000 gab es davon nur noch 99, wobei sich die Hälfte davon in der Gemeinde Vezza d’Oglio befindet. Es handelt sich fast immer um kleine und kleinste Gehöfte mit Viehhaltung und familiärem Betrieb. Im Trentiner Teil hat die Berglandwirtschaft mit vorwiegend Viehhaltung trotz der allgemeinen Krise noch eine gewisse Bedeutung (auch wenn die Zahl der Beschäftigten in der Landwirtschaft um die Hälfte zurückging). Die Bewirtschaftung der Weiden und Wälder wird in diesem Gebiet von historischen sozio-ökonomischen Strukturen betrieben: den »ABSUC« (Eigenverwaltungen der bürgerlichen Nutzungsrechte) in Peio und den »Consortele« (Interessensgemeinschaften zur Verwal-

tung der Nutzungsrechte im Wald) in Rabbi. Die landwirtschaftlich genutzten Flächen bestehen zu 99,9% aus Wiesen und Weiden, während die restlichen kleinen Ackerflächen sich vor allem im Gemeindegebiet von Peio befinden (Anbau von Erdbeeren, Radicchio und Kartoffeln). Im Jahre 2000 gab es nur noch 204 Höfe, ein Rückgang um die Hälfte in den letzten 30 Jahren. Die bewirtschaftete Fläche nahm hingegen zu, gleichzeitig auch die Betriebsgröße. Die Förderung der Berglandwirtschaft Die Landwirtschaft ist eine Tätigkeit, die eng an Grund und Boden gebunden ist. Die Berglandwirtschaft hat außerdem große Auswirkungen auf die alpine Landschaft. Die Unterstützung der Berglandwirtschaft ist daher grundlegend, sei es um die Vielfalt der wirtschaftlichen Tätigkeiten im Gebiet als auch die typische, traditionelle Kulturlandschaft zu erhalten. Das Land Südtirol sieht daher entsprechenden Ausgleichzahlungen und Landschaftspflegeprämien, die vor allem den kleinen Bergbauernhöfen zugute kommen. Im Lombardischen Teil übernehmen diese unterstützenden Maßnahmen die Berggemeinschaftenals Zusammenschluss der Gemeinden: die »Comunità Montana Alta Valtellina« gewährt Beiträge für das Mähen der Bergwiesen und die Sanierung von Almgebäuden sowie für die Viehhaltung und fördert gemeinsame Initiativen. In der Valcamonica übernimmt die Comunità Montana Valle Camonica diese Aufgaben mit einer Reihe von Förderungsmaßnahmen für die Berg-, Forst- und

Angestellte nach Arbeitsbereichen in den Gemeinden des Parks Südtiroler Teil

Valcamonica

Veltliner Teil

Trentiner Teil

Handwerk

3883

2365

580

328

Handel

1223

1646

391

117

Andere Dienste

3179

4172

1043

446

Institutionen

3422

2860

311

103

50

Südtirol

Val Camonica

Trentino

Veltlin

Almwirtschaft. Mit finanziellen Beiträgen wird die Instandhaltung des Wegenetzes gefördert, es werden Gebäude saniert und Ausgleichszahlungen gewährt. Einige Fördermittel werden auch von der Provinz Brescia und den Gemeinden bereitgestellt. Die Provinz Trient sieht Maßnahmen zur Unterstützung der Berglandwirtschaft vor: Ausgleichszahlungen, Beiträge für den Erhalt und die Sanierung von Gebäuden und Mähprämien. Sie werden auf Antrag der Bauern gewährt. Die Parkverwaltung ihrerseits bezahlt die entstandenen Wildschäden an den Wiesen und Kulturen. Biologische Landwirtschaft Die biologische Landwirtschaft arbeitet im vollen Einklang mit der Natur und mit Rücksicht auf die Umwelt. Eine weitere Ausdehnung dieser Wirtschaftsweise wäre daher nicht nur innerhalb des Parks wünschenswert. Im Nationalpark wird die biologische Wirtschaftsweise noch in sehr geringem Ausmaß praktiziert, auch wenn die Zunahme der Biobetriebe in den letzten Jahren hoffen lässt. Es gibt derzeit 70 biologisch wirtschaftende Betriebe, davon 20 in Latsch, 17 in Schlanders und 12 in Bormio. Vorwiegend handelt es sich dabei um Gemüse- und Obstkulturen im Vinschgau, wo die Apfelsorte Golden Delicious zu 2 – 3% im biologischen Anbau, die restlichen 97 – 98% im integrierten Anbau produziert werden. Weiters gibt es 38 Vieh haltende Biobetriebe, 19 davon im Landwirtschaftsinspektorat in Schlanders im Vinschgau, 9 in Bormio und 5 in Ulten. Typische Produkte Im Südtiroler Teil des Parkgebietes werden zahlreich typische lokale Produkte erzeugt, darunter der Burgeiser Halbfett-Käse und der Stilfser Käse (mit geschützter Ursprungsbezeichnung) oder der Südtiroler Speck g.g.A. (geschützte geografische Angabe), Backwaren aus Roggenmehl und verschiedene Süßspeisen. Im Lombardischen Teil gibt es 19 typische Produkte, darunter zwei mit geschützter Ursprungsbezeichnung (die Käsesorten Bitto und Casera) und eine mit geschützter geografischer Angabe (Bresaola). Im Trentiner Teil werden acht typische Produkte erzeugt, darunter die Käsesorten Casolet und Grana Trentino, beide mit geschützter Ursprungsbezeichnung.


51


Nationalpark Stilfserjoch

19. Die Viehhaltung

Die Viehzucht prägt wohl am stärksten die bäuerlichen Betriebe im Parkgebiet, wobei vorwiegend Rinder gehalten werden. Die Betriebsgröße ist durchwegs eher klein. Die für die Berggebiete typische Almwirtschaft ist in allen Alpenregionen rückläufig. Dies ist vor allem auf die niederen Milch- und Fleischpreise zurückzuführen, die den mühevollen Arbeitsaufwand nicht ausreichend entschädigen. Die weitere Bewirtschaftung der Almen ist aber wichtig für den Erhalt der landschaftlichen Vielfalt und der Umwelt der alpinen Gebiete sowie der kulturellen Identität. Sie ist somit ein wichtiges gesellschaftspolitisches Anliegen. Im Südtiroler Teil blüht die Viehwirtschaft noch: die Anzahl der Rinder stieg seit 1970 um 289 Stück an, auch wenn in den letzten zehn Jahren ein Rückgang zu verzeichnen war. Im Jahre 2000 (5. Landwirtschaftszählung des staatlichen statistischen Institutes ISTAT) wurden gezählt: 16.805 Rinder, 10.351 Schafe (entspricht 32% der Haustiere ohne Hühner und Kaninchen), 3.346 Schweine (10%) und 1.510 Ziegen (4,7%) und 282 Haflinger Pferde, eine lokale Rasse, die anteilsmäßig mehr als die Hälfte der gehaltenen Pferde in den Parkgemeinden ausmacht. Die Schafhaltung ist seit 1982 im Aufschwung, ein Umstand, der wohl auch auf die Förderung durch die Leader-Programme und die Vermarktung von Lammfleisch zurückzuführen ist. Die Aufzucht und Haltung der Haustiere erfolgt fast ausschließlich mit Futtermitteln aus heimischer Produktion. Je nach Heuproduktion wird auch in geringem Ausmaß Futter von außen dazugekauft. Die produzierte Milch wird zum Großteil zur zentralen Verarbeitung nach Bozen geliefert. Dank lokaler Käsereibetriebe und eigener Käsereien auf den Almen wird ein Teil der Milch vor Ort verarbeitet und Käse hergestellt. Die Bewirtschaftung der Almen wird in der Regel von sogenannten Interessentschaften durchgeführt. Die erzielte Wertschöpfung wird entsprechend der erzielten Milchproduktion anteilsmäßig an die Mitglieder verrechnet. Die zulässigen Auftriebszahlen werden jährlich durch das Forstinspektorat kontrolliert. Im Gebietsanteil der Lombardei ist die Lage im Veltlin und im Gebiet der Valcamonica kritisch, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Im Jahre 2000 wurden im Veltlin 3.519 Rinder, 2.190 Schafe und 2.097 Ziegen gehalten, wobei vor allem die Anzahl der Ziegen deutlich höher liegt als in anderen Gebieten. Im Oberen Veltlin gibt es neun kleine Sennereien, die aber große wirtschaftliche Schwierigkeiten haben. Im Unterschied

zu anderen Gebieten im Park verhindert hier die mangelnde Zusammenarbeit eine höhere Produktion und damit bessere Wertschöpfung. In der Valcamonica ist die Lage noch kritischer, mit einem starken, anhaltenden Rückgang der Viehbestände in den bäuerlichen Betrieben seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die erzeugte Milch wird zum Großteil an die Sennerei von Capo di Ponte geliefert, ein Teil an Sennereien außerhalb des Tales und ein Teil wird lokal verarbeitet und verkauft. Im Lombardischen Teil werden 58% der Flächen kontrolliert beweidet, während der Rest im Wanderbetrieb beweidet wird. Von etwa 30 Almbetrieben wird die Milch teilweise oder zur Gänze auf den Almen selbst verkauft.

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Im Trentiner Teil wurden im Jahre 2000 1.576 Rinder, 237 Schafe und 90 Ziegen gezählt. Zwischen 1970 und 1982 waren die Bestände rückläufig, dann nahmen sie wieder zu. Die Almwirtschaft lebt noch: fast der gesamte Viehbestand wird aufgetrieben. In Peio werden noch acht, in Rabbi etwa zehn Almen bewirtschaftet, und zwar als Kaser oder Almställe. Die Almen gehören den Agrargemeinschaften, den Gemeinden oder auch Eigentümern außerhalb des Tales.


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Nationalpark Stilfserjoch Übernachtungen (Anzahl Personen)

2000000

20. Der Tourismus

Entwicklung der Übernachtungen in den jeweiligen Parkgebieten (Anzahl Personen)

1500000

Südtirol Veltlin Valcamonica Trentino

1000000

500000

0

1987

1992

1997

2002

Jahr

Belastungsgrenzen und nachhaltiger Tourismus Die Anfänge einer touristischen Entwicklung im Nationalpark Stilfserjoch gehen auf das 17. Jahrhundert zurück. Inzwischen ist der Tourismus zu einem Massenphänomen geworden. Im Lombardischen Teil entwickelte sich das Gebiet zu einem starken Zentrum des alpinen Tourismus, während der Südtiroler Teil einen weniger starken Andrang erlebte. Der Tourismus zählt zu den institutionellen Anliegen des Schutzgebietes, hat dank der starken Zunahme eine große wirtschaftliche Bedeutung für die lokale Bevölkerung und wirkt der Abwanderung entgegen. Er führt aber auch zu entsprechenden Belastungen und negativen Auswirkungen auf die Landschaft und Umwelt. Eine nicht gesteuerte und unkontrollierte Entwicklung des Tourismus, besonders wenn sie einseitig ausgerichtet ist, kann zu kulturellen Belastungen und Einbußen einer Region führen. Unterschiedlich ausgerichtete touristische Angebote sind gerade in einem alpinen Lebensraum, wie wir ihn im Parkgebiet vorfinden, die Grundlage eines nachhaltigen Tourismus. Wünschenswert wäre auch eine bessere Verteilung der Touristenströme über das ganze Jahr. Dies würde einerseits zu einer geringeren Belastung im Verkehrsaufkommen führen und andererseits gerade während der Hochsaisonen im Sommer und Winter auch die Umwelt durch Abfälle, Abwasser, erhöhtem Wasserverbrauch, Lärm und Luftverschmutzung weniger belasten. Gegenwärtig verteilt sich das Fremdenverkehrsaufkommen im Parkgebiet auf die Hochsaisonen im Winter und im Sommer. In Südtirol, wo der Anteil deutscher Gäste gegenüber den italienischen Herkunftsgebieten größer ist, sind Ankünfte und Nächtigungen etwas besser über das ganze Jahr verteilt. In fast allen Gemeinden des Schutzgebiets macht der Sommertourismus den Hauptanteil aus. Die Wintersaison ist vor allem auf das alpine Schifahren ausgerichtet. Der Wintersport zeigt gerade in jenen Gebieten, wo er die Haupteinnahmequelle bildet, auch seine negative Kehrseite. Im Nationalpark befinden sich die Schigebiete in Valfurva, im Peiotal, am Stilfser Joch, in Sulden und Trafoi. Weitere bedeutende Schigebiete in den umliegenden Gebieten des Parks liegen in Livigno, Bormio, Tonale/Ponte di Legno/Temù, Valdidentro, im Ultental und auf der Tarscher Alm im Gemeindegebiet von Latsch. Für die alpinen Schi-Weltmeisterschaften 2005 wurden die Anlagen und Schipisten in S. Caterina Valfurva erweitert, mit schweren Eingriffen in die alpinen Lebensräume. Die intensive Bautätigkeit ist eine weitere negative Auswirkung

einer unkontrollierten Entwicklung des Tourismus. Dies zeigte sich besonders im Oberen Veltlin und im oberen Teil der Valcamonica durch den Bau von Aufstiegsanlagen und Schipisten. Die Umsetzung des Parkplans und des Parkreglements müsste eine weitere Verbauung verhindern und einen besseren Schutz des Gebietes gewährleisten und gleichzeitig Lösungen und Maßnahmen für eine lokale gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung ermöglichen. Das Rabbital wurde vor einer weiteren Verstädterung großteils bewahrt, wo es noch reichlich Natur und naturnahe Angebote gibt. Ähnliches gilt für den gesamten Südtiroler Teil, wo es gelungen ist, eine positive touristische Entwicklung im ländlichen Gebiet voranzutreiben, etwa durch den Urlaub auf dem Bauernhof, durch die Sanierung der Wohngebäude und Anpassung für den touristischen Bedarf sowie durch Maßnahmen, die das traditionelle Wirtschaften in der Berglandwirtschaft fördern. Ein touristisches Angebot muss Rücksicht auf die Anliegen des Umweltschutzes nehmen und daher folgende Ziele verfolgen: möglichst sparsamer Einsatz der Energien, geringe Produktion von Abfällen und niedrige Belastung der Luft und des Wasserhaushaltes. Die Qualitätsbescheinigungen (Umweltsiegel nach ISO 14001) sind im Parkgebiet noch nicht durchgeführt bzw. umgesetzt worden, mit Ausnahme bei der Schutzhütte Vioz im Trentiner Teil. Die Aufnahmefähigkeit und die Touristenströme Es ist notwendig, eine Unterscheidung zu treffen zwischen der Beherbergungskapazität der Gastbetriebe und der Privatzimmervermieter. Während für die erste Kategorie zuverlässige Daten vorliegen, wird die Zahl der zweiten Kategorie wegen der Zweitwohnungen und der tatsächlich vermieteten Appartements wohl leicht unterschätzt. Nach den Informationen der Tourismusvereine ist das Angebot der Beherbergungsbetriebe hoch, besonders im Südtiroler Teil. Sie stellen auch den größten Anteil der Bettenkapazität. Im Trentiner und Lombardischen Teil überwiegt das Angebot von Campings, des Agritourismus, der Schutzhütten, Zweitwohnungen, Appartements, Zimmervermieter u. a. Im Parkgebiet gibt es Ganzjahres- und Saison-Campingplätze und einige, die nur zeitweise geöffnet haben. Immer häufiger wird Urlaub auf dem Bauernhof angeboten. Im Parkgebiet gibt es etwa 30 Schutzhütten. Auf der Grundlage der Erhebungen des ISTAT im Jahre 2001 war es möglich, von der Anzahl der nicht dauerhaft bewohnten Häuser (Zweitwohnungen), die Bettenkapazität zu schätzen. Demnach sind zu den offiziellen 22.425

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Betten noch etwa 64.000 Betten zu zählen, womit sich insgesamt eine Kapazität von 86.425 Betten von Privatvermietern ergibt. Die gesamte Kapazität im Parkgebiet liegt also bei etwa 111.000 Betten. Der Zweitwohnungstourismus ist besonders im Lombardischen Teil sehr stark ausgeprägt. Er wirkt sich sowohl wegen der erhöhten Bettenkapazität als auch der Zunahme des Tourismus insgesamt negativ auf das Gebiet aus. Die Nächtigungszahlen in den Gastbetrieben haben im Südtiroler Teil in den letzten 10 Jahren um 4% abgenommen, dagegen im Trentiner Teil um 30% und im Lombardischen um 5% zugenommen. Der Großteil der Touristen übernachtet aber in Zweitwohnungen. Viele Ausflügler besuchen den Park, ohne zu übernachten. Die Aufenthaltsdauer der Gäste wird immer kürzer, sowohl im Sommer wie im Winter. Sie beträgt eine Woche oder weniger. Thermalbäder Die Thermalbäder und der damit verbundene Tourismus zählen zu den verträglichsten Nutzungsformen im Schutzgebiet. Bedeutende Einrichtungen dazu gibt es in Bormio, Rabbi und Peio. Das schwefelhaltige und radioaktive Thermalwasser von Bormio weist eine Temperatur von 36 bis 42°C auf. Bereits Plinius der Ältere (23 – 79) hat in seiner »Naturalis Historia« das erste Mal über Bormios Thermalwasser geschrieben. Die eindeutig erste historisch dokumentierte Erwähnung stammt aus dem 6. Jahrhundert. Mit der Eröffnung der Stilfser Jochstraße im Jahre 1825 wurden die Neuen Bäder (Bagni Nuovi) geplant und gebaut. 1977 wurde das Gran Hotel Bagni Nuovi geschlossen und nach umfangreichen Restaurierungsarbeiten erst 2003 und die Thermen 2004 wieder eröffnet. Die Umbauarbeiten betrafen auch die Bagni Vecchi. Seit dem Jahre 1920 wurde das Thermalwasser auch im Zentrum von Bormio selbst genutzt. Die erste Anlage wurde abgerissen und in den 1960er Jahren wieder aufgebaut. Zwischen 2002 und 2006 erfuhr das Thermalbad eine bedeutende qualitative Aufwertung. Das Thermalwasser von Rabbi ist säuerlich, natrium-, bikarbonat- und eisenhaltig und weist eine hohe Konzentration an Kohlensäure auf. Die erste Nachricht über die Natur und die besonderen Eigenschaften des Wassers geht bereits auf das Jahr 1668 zurück. Die ersten Thermalbäder wurden um 1700 errichtet, während die eigentliche Thermalanlage mit Hotel um die Mitte des 19. Jahrhunderts erbaut wurde. Das »starke Wasser« von Rabbi hat bis heute seine positiven Eigenschaften erhalten und wurde immer bekannter wegen seiner Heilwirkung gegen

verschiedene Erkrankungen. Geschichtlich wurden die besonderen Eigenschaften des Thermalwassers von Rabbi bereits 1650 erwähnt. Im Laufe der Jahrhunderte wuchs der Bekanntheitsgrad immer mehr, besonders während der Zeit der Österreich-Ungarischen Monarchie und Rabbi wurde zum beliebten Kurort. Drei Quellen mit unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung werden genutzt. Zwei historische Quellen, die im Parkgebiet liegen, sollen erwähnt werden. Die Quelle in Valfurva, Fraktion der Gemeinde Santa Caterina, war über drei Jahrhunderte lang wegen des eisenhaltigen Wassers bekannt. Valfurva war deshalb lange Zeit ein beliebtes Ziel für eine gehobene Gästeklasse. 1985 wurde die Quelle wegen der Schiweltmeisterschaften und des Baus der entsprechenden Anlagen definitiv geopfert. Die zweite historische Quelle befindet sich in Sant’Apollonia im Valle delle Messi, nördlich der Ortschaft Ponte di Legno. Es handelt sich um ein frisches, kohlensäureeisenhaltiges Mineralwasser. Wandern im Schutzgebiet Das dichte Wanderwegenetz bietet dem Besucher sehr gute Möglichkeiten, die Schönheiten der Natur und Landschaft zu erleben. Die Wege sind gut markiert und in Wanderkarten dokumentiert. Im Lombardischen und Trentiner Parkanteil wurde erst kürzlich das gesamte Wegenetz erfasst und eine aktuelle Wanderkarte im Maßstab 1 : 50.000 herausgegeben. Dem Wanderer stehen auch eine Reihe von Schutzhütten und Biwak-Unterkünften zur Verfügung, die es ihm erlauben, auch mehrtägige Wanderungen im Parkgebiet durchzuführen. Alpinschifahren Dank der geografischen Lage und der Topographie ist das Ortler-Cevedale-Gebiet für den Wintersport besonders geeignet. Die Angebote der Wintersportanlagen sind auf das Alpinschifahren ausgerichtet. Die Folge war eine starke Bautätigkeit mit Errichtung von Infrastrukturen wie Aufstiegsanlagen und Schipisten auch in den oberen, sensiblen Höhenstufen bis hinauf auf die Gletscher. Die Parkverwaltung sieht sich laufend mit weiteren Anträgen zur Erweiterung oder gar Neubau von Schigebieten konfrontiert. Die Anlagen und das Schifahren selbst wirken sich negativ auf die Umwelt aus. So werden die Lebensräume zerschnitten, die Landschaft durch die Eingriffe stark verändert, die Ökosysteme und die Tierwelt während des Schibetriebes gestört, der Boden verdichtet und der Wasserhaushalt durch die Erzeugung des Kunstschnees belastet.


Anzahl Schipisten

Anzahl Aufstiegsanlagen

L채nge der Langlaufloipen (km)

Livigno*

61

30

40

Valfurva

16

10

15

Valdisotto* (Bormio 2000 e S. Colombano)

25

17

7

Bormio (Passo Stelvio)

6

6

12

Gemeinde (Ortschaft) und Einzugsgebiet

Valdidentro*

6

7

25

Ponte di Legno - Tonale -Tem첫*

40

30

20

Peio

12

7

10

Rabbi

--

--

5

Stilfs - Sulden - Trafoi

25

4

11

Latsch* - Martell

2

4

15

Ulten*

10

6

25

* Schigebiete ausserhalb des NPS

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Nationalpark Stilfserjoch

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21. Die Grundparzellen Der italienische Kataster wurde mit einem Gesetz im Jahre 1886 eingerichtet, mit dem der Neue Grundkataster geschaffen wurde, der den alten Einheitskataster und den Gebäudekataster ersetzt. Mit dem neuen italienischen Kataster wurde ein einheitlicher Kataster für das gesamte Staatsgebiet eingerichtet und die alten Ungleichheiten damit eliminiert. Zum Zeitpunkt der Gründung der Einheit Italiens waren in der Tat verschiedene Kataster der eingegliederten Gebiete in Kraft, aufgeteilt auf neun Katastereinheiten. Vor dem Ersten Weltkrieg waren 43% des Staatsgebietes im Neuen Kataster erfasst. Nach dem Ersten Weltkrieg und mit dem Anschluss der Regionen Venetien und Friaul an das Königreich Italien wurde auch das österreichischungarische Grundbuchsystem übernommen, das parallel zum italienischen Kataster Gültigkeit hatte. Im Laufe der Jahre wurde der Kataster mehreren Revisionen unterzogen und unter vier Hauptkriterien weiterentwickelt: 1.) Mechanisierung und Automatisierung des Katasters; 2.) Einrichtung des Gebäudekatasters; 3.) Zugang der Freiberufler zum Kataster und zur Verwaltung desselben; 4.) Übergang der Kataster an lokale Ämter. In den Berggebieten haben die Grundstücke eine dermaßen starke Aufteilung (Zersplitterung) erfahren, dass damit der Lebensunterhalt der bäuerlichen Betriebe nicht mehr gewährleistet war. Dieses Phänomen tritt innerhalb des Parkgebietes vor allem im Lombardischen Teil auf, während in Südtirol die Aufteilung der Grundstücke durch die Einrichtung des »geschlossenen Hofes« vermieden wurde. Als geschlossener Hof gelten sämtliche Liegenschaften, zu denen das Wohn- und Wirtschaftsgebäude sowie die landwirtschaftlichen Grundstücke gehören. Die Geschichte des geschlossenen Hofes geht auf das 15. und 16. Jahrhundert zurück, als Regelungen erlassen wurden, um eine weitere Aufteilung der Grundstücke zu vermeiden. Der Landesfürst von Tirol, Erzherzog Ferdinand I, der im Jahre 1502 eine Verordnung erließ, nach der ein einziger Erbe den gesamten Hof ungeteilt übernehmen musste. Kaiserin Maria Theresia hat im Jahre 1775 die rechtliche Grundlage für den geschlossenen Hof durch die Einführung des Theresianischen Katasters noch weiter gefestigt. Die Theresianische Verordnung baut auf vier grundlegenden Verfügungen auf: • Einführung des geschlossenen Hofes als unteilbare Einheit; • Möglichkeit der Hofgründung nur, wenn Wohn- und Wirtschaftsgebäude sowie die landwirtschaftlichen Gründe es erlauben, wenigstens ein fünfköpfige Familie zu ernähren; • Recht der Hofübernahme durch Vererbung an einen der Söhne, meistens den ältesten und Auszahlung der anderen Erben; • Eintragung des Besitzes als geschlossenen Hof im Grundbuch. Nach dem Anschluss Südtirols an Italien im Jahre 1918 wurde das Tiroler Höfegesetz außer Kraft gesetzt, aber dennoch weiterhin die bewährte Praxis des geschlossenen Hofes beibehalten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde durch das Autonomiestatut die Landesverwaltung ermächtigt, auf Landesebene ein Gesetz zum Schutz des geschlossenen Hofes zu erlassen. Das erste Südtiroler Höfegesetz (1954) hat die Grundsätze der Theresianischen Verordnung übernommen. Aufgrund der neuen

Regelungen des Familienrechts und verschiedener gesellschaftlicher Erneuerungen und Entwicklungen musste auch das Höfegesetz mehrmals angepasst werden, insbesondere was die Gleichstellung von Mann und Frau betrifft sowie den Schutz der Rechte für die einzelnen Erben und die hinterbliebene Ehefrau. Heute gibt es in Südtirol über 13.300 geschlossene Höfe. In den letzten 10 Jahren wurden im Mittel 67 neue geschlossene Höfe gegründet, 20 wieder aufgelöst und damit von der spezifischen Norm entbunden. Obwohl von einigen der geschlossene Hof als mittelalterliches Überbleibsel eingestuft wird, hat er noch immer seine gesellschaftliche Bedeutung, garantiert er doch einer Familie ein ausreichendes Einkommen aus der landwirtschaftlichen Tätigkeit.

Die Interessentschaften Im Parkgebiet sind Wälder, Weiden und Quellen oft Eigentum von Gemeinschaften, Körperschaften oder Interessentschaften. Die Interessentschaften sind Zusammenschlüsse im öffentlichen Interesse und verwalten und bewirtschaften ihre Grundstücke, meistens Wald- und Weidegebiete. Die Interessentschaft kann sich bisweilen mit einer Verwaltungseinheit wie Gemeinde oder Fraktion decken, kann aber auch davon losgelöst rein privaten Charakter haben. Die Interessentschaften verwalteten und nutzten in den ländlichen Gebieten gemeinschaftlich die Liegenschaften oder betreiben dies heute noch so. Der gemeinsame Besitz darf weder verkauft werden, noch darf er Gegenstand veränderter Zweckbestimmungen sein, nachdem er ein

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Natur-, Kultur- und Wirtschaftsgut in Miteigentum darstellt. Oft zählen auch Dienstleistungen zum Aufgabenbereich der Interessentschaften. Im Trentiner Teil des Parkgebietes sind die Interessentschaften und Berggemeinschaften noch sehr lebendig und aktiv, mit bedeutenden Auswirkungen auf die Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt. Es kommt nicht von ungefähr, dass diese Verwaltungsgemeinschaften gerade in jenen Tälern noch aufrecht sind, wo die Bevölkerung noch eng mit dem Gebiet verbunden ist und die Berglandwirtschaft und Forstwirtschaft noch blühen. Dort aber, wo neben der bergbäuerlichen Wirtschaft auch der Wintertourismus einen bedeutenden Anteil in der Bevölkerung hat, ist das Interesse der gemeinsamen Nutzung der Berggebiete laufend gesunken.


Nationalpark Stilfserjoch

Literaturverzeichnis

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