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Knabenschiessen

Text: André Füglister, ehemaliger Synodalrat

Ein halbes Menschenalter vor der Reformation hat Hans Leu der Ältere das Martyrium der Stadtpatrone um 1500 als Altarbild gestaltet. In der Erfassung der menschlichen Figuren und in der Wiedergabe der zeitgenössischen Landschaft erkennen wir, dass inzwischen die weltfreudige Renaissance über die Alpen gekommen war, während die Leidensgeschichte der Glaubenszeugen einer langen mündlichen Überlieferung und dem Bericht des Mönches Florencius um 780 folgte. Dieser Verfasser der Passion erzählte, wie weitere 500 Jahre früher im Alpenraum Felix und Regula einem militärischen Massaker entkamen und über das Urserental und das Glarnerland den Glauben an Jesus Christus aus dem Mittelmeerraum nach Zürich gebracht hätten. Berührend strahlen die Opfer ihre gelassene Sicherheit im Glauben aus, sie überstehen die Tortur, ja sogar den Tod werden sie um vierzig Schritt überwinden, wenn sie am Schluss ihre Häupter an den Ort des späteren Grossmünsters tragen. Als die Reformatoren den Heiligenkult beendeten, schleppte ein verbannter Urner dessen Reliquien in seine Heimat hinauf, wo sie in der Ortskirche von Andermatt erneut zu Ehren kamen. In den Glaubenskämpfen setzten sich die Neugläubigen in unseren Städten und im Mittelland durch, dem alten Glauben verblieben weitgehend die Voralpen und Alpen. Wiederum 400 Jahre nach der konfessionellen Fehde brauchte die Industrie rund um Zürich Arbeitskräfte aus der Innerschweiz; sie kamen und brachten ihren Gottesdienst in die Stadt zurück. In der Hard konnten sie zwischen ihren Arbeits- und Wohnorten – mit Hilfe ihrer Glaubensbrüder in der Urschweiz – ihre eigene Kirche bauen, die sie Felix und Regula weihten.

Im Mittelgrund des Bildes unterhalb des Lindenhofes hat Leu einen Scheibenstand und ein Seilbähnchen zum Rücktransport der Pfeile eingetragen: Die ursprüngliche Kirchweih am 11. September war ein Volksfest mit Wettschiessen. Wenn er auch die Patroziniumsmesse abschaffte, mochte Zwingli den Zürchern das Fest nicht nehmen! Heute steht die zweite Kirche der Stadtheiligen erneut Immigranten von weit her offen: Sie kommen aus Portugal.

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