Credo 2/2024

Page 1


«

Religionslandschaft

Zürich in Zahlen

Seite 4

Digi Kafi

Schwamendingen

Seite 12

Initiatische Schwertarbeit

Seite 16

Zuhören ist wichtiger als reden»

Mirjam Läubli vom Forum der Religionen über den interreligiösen

Dialog heute, gestern und morgen.

Ab Seite 6

Zusammen feiern

Als Katholikinnen und Katholiken sind wir nicht allein. Auch in anderen Religionstraditionen feiern und beten Menschen miteinander, sie trauern und hoffen, sie betreiben Seelsorge, sie schöpfen Kraft aus überlieferten Handlungsgeboten oder hinterfragen deren Sinnhaftigkeit für unsere Zeit. Interreligiöser Dialog bedeutet für mich darum zuerst, Menschen zu begegnen, mit denen mich ganz ähnliche Bedürfnisse und der Wunsch nach einem guten Leben verbinden, die aber von einem anderen Glaubensfundament aus kommen.

Als Synodalrat mache ich solche Begegnungen bei verschiedenen Veranstaltungen oder bei Institutionen wie dem Zürcher Forum der Religionen. Ich treffe dort auf Menschen, die in anderen Religionsgemeinschaften Verantwortung übernommen haben, und spüre auch die finanziellen Unterschiede zwischen den staatlich anerkannten Gemeinschaften und denen ohne Kirchensteuer und Kantonsbeiträge, die sehr viel mehr auf ehrenamtliches Engagement angewiesen sind. Ich bin überzeugt davon, dass wir den Wert, den Religion in der Gesellschaft und für den gesellschaftlichen Frieden hat, heute am besten interreligiös – zusammen – sichtbar machen können, und dazu Vertrauen und gegenseitige Wertschätzung auf allen Ebenen brauchen. Wenn sich Ihnen als Mitarbeitende der Katholischen Kirche im Kanton Zürich die Möglichkeit für ein interreligiöses Projekt oder eine Zusammenarbeit mit anderen Religionsgemeinschaften bietet, dann bitte ich Sie: Seien Sie offen für Neues und Ungewohntes und greifen Sie zu! Begegnen wir einander, lernen wir von einander und miteinander, helfen wir uns gegenseitig, wenn möglich beten wir zusammen, und vor allem feiern wir wenn immer möglich gemeinsam das gute Leben, das wir uns alle wünschen.

Ausläuten Musik für die Seele

Impressum credo credo erscheint vierteljährlich und Behördenmitglieder und Freiwillige der Katholischen Kirche im Kanton Zürich.

www.zhkath.ch/credo credo@zhkath.ch

Layout

Herausgeberin und Redaktion

Katholische Kirche im Kanton Zürich

Kommunikationsstelle Hirschengraben 66 8001 Zürich

Druck und Papier Zürich aus 100% Recyclingfasern und mit dem Umweltlabel «Blauer

Tobias Grimbacher, Synodalrat Bildung und Kultur

«Wer nicht mehr geniessen kann wird nach meiner Ansicht ungeniessbar.

Ich bin überzeugt, dass Gott von uns will, dass es uns gut geht und dazu gehört in Bayern eben auch Bier.»

Schwester Doris Engelhard

und ist im Kloster Mallersdorf in Deutschland beheimatet.

Zahlen & Fakten

10’000 Menschen mit hinduistischem

Glauben leben im Kanton Zürich.

30’000 orthodoxe

Christen sind in der Statistik erfasst.

100’000 Musliminnen und Muslime sind Teil der Bevölkerung Zürichs.

6’150 jüdische Gläubige sind in Zürich registriert, was rund 0,5 Prozent der Wohnbevölkerung entspricht.

Gemeinsam religiös

Wie sieht es im Kanton Zürich überhaupt aus mit der Grösse der Religionsgemeinschaften? Von den einen hört man mehr oder weniger. Aber was bedeutet das in Zahlen. Wir geben einen Überblick.

Der Kanton Zürich anerkennt verfassungsrechtlich fünf Religionsgemeinschaften. Nebst der Römisch-katholischen Körperschaft sind das die Evangelisch-reformierte Landeskirche, die Christkatholische Kirchgemeinde, die Israelitische Cultusgemeinde Zürich und die Jüdische Liberale Gemeinde Zürich Or Chadasch.

Religionsgemeinschaften, die verfassungsrechtlich nicht anerkannt sind, gewinnen im Kanton Zürich an Bedeutung. Darunter gibt es auch sehr etablierte Gemeinschaften. So sind beispielsweise über sechs Prozent der Zürcher Bevölkerung Teil der muslimischen Gemeinschaft. Auch diverse orthodoxe Kirchen sind heute im Kanton präsent sowie auch traditionelle oder neuere protestantische Freikirchen.

Der Kanton Zürich und die Religionsgemeinschaften legen grossen Wert auf den Interreligiösen Dialog. So will man damit zum Beispiel einen Beitrag zum selbstbestimmten und friedlichen Zusammenleben und Miteinander von Menschen mit unterschiedlicher Religionszugehörigkeit leisten und zu unterschiedlichen

Zugängen zu Fragen von Religion und Spiritualität. Gemeinsam setzen sich Religionsgemeinschaften in Zürich gegen Rassismus, Diskriminierung und Intoleranz einsetzen.

In den letzten 50 Jahren hat sich die Religionslandschaft in der Schweiz wie auch in Zürich stark verändert. Die grösste konfessionelle Gemeinschaft in der nach wie vor christlich geprägten Schweiz bilden die Katholiken, gefolgt von den Protestanten. Der Anteil an Personen ohne Religionszugehörigkeit hat stark zugenommen. Im Kanton Zürich sind die Mitgliederzahlen bei den Reformierten höher (373'691, Stand 2023) gegenüber 347‘602 Katholiken. Von den 6 Prozent anderen christlichen Glaubensgemeinschaften bilden die orthodoxen Kirchen mit einem Bevölkerungsanteil von gut 2 Prozent die grösste Gruppe.

Von links nach rechts: Christentum, Buddhismus, Judentum, Hinduismus, Islam

Zürich-Wipkingen

Spielabende in Guthirt

Seit einigen Jahren schon trifft sich eine Gruppe zwei Mal im Monat zu einem Spielabend in der Pfarrei Guthirt. Neben der beliebten Jassrunde werden auch andere Gesellschaftsspiele gespielt.

Was sich auf den ersten Blick eher trocken liest, ist eine gesellige Runde, die immer offen für neue Mitspielerinnen und Mitspieler ist. In der Agenda der Pfarrei finden Spielfreudige die Termine.

Weil man sich nicht mit Bestehendem begnügt, haben sich die Verantwortlichen der Pfarrei die Frage gestellt, wie sie vom Abend mit einem eher älteren Publikum zu einem Mehrgenerationenprojekt kommen kann.

Unter dem Motto: «Eile mit Weile, wer kennt das nicht? Jass und Uno sind in der Schweiz einfach Pflicht. Tridom und Mikado machen uns Spass. Kniffel und 11er raus, wie sehr liebe ich das» entstand der Spielnachmittag für alle Generationen.

Weitere Informationen unter

Personelles

Wir begrüssen

Jeanette Blings arbeitet seit April auf dem Sekretariat der JugendseelsorMaria Golini auf dem Bosco.

Anton Raphael Langensand ist seit April der neue stellvertretende Hauswart der English Mission Zürich.

Kristina Luburic betreut seit April das Sekretariat der kroatischsprachigen Mission.

Karla Tomaskovic übernahm auf dem Sekretariat der Jugendseelsorge seit April die Mutterschaftsverist seit Mai in der Finanzbuchhaltung der Verwaltung Syn-tete sie im Sekretariat der Jugendseelsorge.

David Vauthey unterstützt seit Anfang Juni den IT-Support in der Verwaltung Synodalrat.

ver-

stärkt seit 1. Juli die Spitalseelsorge im Stadtspital Triemli und am Universitätsspital Zürich.

Nic Senften übernahm ab 1. Juli eine Praktikumsstelle bei der hiv-aidsseelsorge.

Ingrid Dettling ist neu als Religionspädagogin bei der Behindertenseelsorge tätig.

Wir gratulieren

Francesca Mancuso feierte ihr dreissigstes Dienstjahr

Ingrid Dettling ihr fünfundzwanzigstes bei der Behin-

dertenseelsorge und Bernd Siemes sein zwanzigstes in der Spitalseelsorge.

ist zum Dekan des Dekanats Winterthur gewählt worden. hat ab April neu die Teamleitung im Stadtspital Triemli übernommen.

Wir verabschieden

Leah Talary, Jugendseel-

die Pfarrei Zürich-Erlöser verlassen.

Jacob Spiegelmann hat Ende April die Kochschürze bei der hiv-aidsseelsorge abgelegt.

Mario Lakenmacher von der IT-Abteilung der Verwaltung Synodalrat nahm Anfang Juni eine neue Herausforderung an.

Sekretärin der polnischsprachigen Mis-schieden.

Projektleiterin Bereich Personal in der Verwaltung des Syno28 Dienstjahren in Pension gegangen.

Pfarrer Hannes Kappeler, Pension.

Pfarrer Marius Kaiser verlässt im Sommer die Pfarrei Thalwil und zieht weiter Kanton Schwyz.

Die Geschäftsführerin des Zürcher Forums der Religionen, Mirjam Läubli, im Krishna-Tempel neben einer Statue des Hindu-Gottes Krishna,

«Zuhören ist wichtiger als reden»

Warum das mit dem gemeinsamen Beten nicht so einfach ist, was die Hürden und die Perspektiven des interreligiösen Dialogs sind und warum der auch einen sinnlichen Genuss bedeuten kann: die Geschäftsführerin des Zürcher Forums der Religionen Mirjam Läubli im Gespräch.

Simon Spengler: Zum Einstieg ins Gespräch möchte ich fragen: Was heisst für dich persönlich «interreligiöser Dialog»?

Mirjam Läubli: In allererster Linie verbinde ich damit eine Begegnung auf Augenhöhe. Das ist ein hoher Anspruch, der schwer einzulösen ist. Vor allem vor dem Hintergrund, dass gewisse Religionstraditionen bei uns öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich anerkannt sind, andere nicht.

Ist das keine Illusion: Eine grosse Landeskirche begegnet auf Augenhöhe einer kleinen Krishna-Gemeinschaft?

Es ist zumindest unser Ziel. Für alle Beteiligten gibt es da noch Lernfelder. Oft herrscht die Vorstellung vor, die grossen, etablierten Player nehmen die Kleinen an die Hand, leisten Lobbyarbeit für sie und helfen ihnen. Aber auch die Grossen können von den kleinen Religionsgemeinschaften lernen. Die Zeiten einer gewissen Selbstzufriedenheit sind vorbei, die Vormachtstellung der etablierten Kirchen bröckelt stark.

«Zürichs religiöse Vielfalt ist ein
immenser

Reichtum»

Denkst du hier vor allem an den Mitgliederschwund der Landeskirchen?

Genau, aber auch an demographische Veränderungen und ein anderes kulturelles Selbstverständnis breiter Teile unserer Gesellschaft, wenn ich an die vielen Konfessionslosen denke. Wir sehen heute die Bedeutung des Austausches unter Menschen, die sich überhaupt religiös irgendwo verorten, viel klarer, in welcher Religionstradition auch immer sie sich daheim fühlen. Es verbindet sie viel mehr, als früher wahrgenommen wurde, denn auch die Landeskirchen vertreten heute eine Minderheit der Gesellschaft.

Du bist seit knapp zehn Jahren beim Forum der Religionen als Geschäftsführerin engagiert. Wie hat sich in dieser Dekade der interreligiöse Dialog bei uns entwickelt? Gibt es überhaupt eine Entwicklung? Ja, die gibt es schon. Einmal auf der Ebene der Akteure, die in diesem Dialog engagiert sind. Da nehme ich heute eine grössere Sensibilität wahr für Fragen, wie das interreligiöse Miteinander heute und in Zukunft gestaltet werden soll. Einfach das Zusammenkommen zu einzelnen Treffen alleine genügt nicht. Auf der Ebene der Aussenwahrnehmung ist der interreligiöse Dialog heute viel breiter abgestützt, wenn man etwa an das neue Schulfach «Religion und Kultur» denkt. So kommen alle Eltern über ihre Kinder mit dem Thema in Berührung. Angesichts der vielen weltpolitischen Konflikte ist es auch klar, dass es bei uns diesen Dialog zur Wahrung des religiösen Friedens braucht, weil Religion und religiöse Identitäten in diesen Konflikten oft instrumentalisiert und Feindbilder geschaffen werden.

«Der religiöse Vollzug ist halt noch mal ganz was anderes als das

Reden über Religion»

Darauf wollte ich gerade zu sprechen kommen. Angesichts der verschärften Spannungen, vor allem nach dem 12. September, nimmt auch bei uns der Antisemitismus zu, ebenso antimuslimischer Rassismus. Das führt bei den Religionsgemeinschaften zwangsläufig zu mehr Argwohn und Vertrauensverlust. Zugespitzt gefragt: Ist der interreligiöse Dialog zwar gut gemeint, aber im Konfliktfall chancenlos?

Ich glaube nicht. Wir können hier in Zürich natürlich nicht die Probleme der Welt lösen. Aber wir können hier Individuen miteinander in Kontakt bringen, Vorurteile angehen und einander zuhören. In Bezug auf deine Eingangsfrage möchte ich ergänzen, dass in unserem Dialog das Zuhören wichtiger ist als das Reden. Dialog heisst dann auch, Unterschiede nicht einzuebnen, sondern sie zu akzeptieren. Es geht nicht darum, den kleinsten gemeinsamen Nenner der verschiedenen Religionen zu finden.

Kannst du uns das mit einem Beispiel veranschaulichen, was du vorhin mit grösserer Sensibilität gemeint hast?

Gern. Wir führen in Zürich wie in der ganzen Schweiz jährlich die «Woche der Religionen» durch. Dazu laden wir immer zu einer Schlussveranstaltung ein, die die Woche abrundet.

Bis vor sechs Jahren hiess diese «Gebet der Religionen» und fand in einer Kirche statt. Ich fragte damals verschiedene Personen aus nicht-christlichen Religionen, ob dieser Titel für sie überhaupt stimmig sei. Und es stellte sich heraus, dass sie aus einer empfundenen oder vermeintlichen Bringschuld heraus da mitmachten, dass aber der Begriff «Gebet» für sie gar nicht stimmte. Heute nennen wir dieses Format «Mosaik der Religionen». Das finde ich viel passender. Beim Mosaik ergeben zwar verschiedene Teile ein Gesamtbild, aber Brüche und Linien bleiben bestehen.

Das deckt sich mit meiner Wahrnehmung. Ich bin ja auch seit fast zehn Jahren in Zürich tätig und stelle fest, dass man sich interreligiös trifft, miteinander isst und sich austauscht. Aber man betet kaum miteinander, auch innerhalb der abrahamitischen Religionen nicht, die ja eine gemeinsame Basis für so etwas wie Gebet hätten. Das ein Imam in einer Kirche oder ein Rabbiner in einer Moschee betet, das ist doch eine seltene Ausnahme. Juden, Muslime und Christen bilden zwar Menschenketten gegen Diskriminierung, aber sie feiern kaum gemeinsame Gottesdienst.

Tatsächlich kommt das nur selten vor, aber es gibt schon solche gemeinsamen Feiern. Der religiöse Vollzug ist halt noch mal ganz was anderes als das Reden über Religion. Ich finde es spannend, dass du das so wahrnimmst.

Trifft denn meine Wahrnehmung zu?

Es scheint mir vor allem ein Bedürfnis der christlichen Kirchen zu sein. Auch einzelne Rabbiner und Imame engagieren sich in dieser Richtung. Aber er gibt eine gewisse Scheu, weil in der Vergangenheit auch Übergriffiges geschehen ist, wie vorhin geschildert. Gerade für kleine Religionsgemeinschaften bedeutet ihr religiöser Raum auch einen Ort der Sicherheit, einen Rückzugsort. Für sie ist es zum Teil undenkbar, dass jemand von aussen in diesem Raum formell das Wort ergreift. Das gilt es auch zu akzeptieren.

Aber bräuchte es in unserer säkularen und multireligiösen Gesellschaft nicht mehr Miteinander statt nur Nebeneinander der verschiedenen Religionen?

Was heisst hier «miteinander»? Diese Initiativen von gegenseitigen Einladungen zum Gebet in der Synagoge, Moschee oder Kirche betreffen zunächst mal das «theologische Personal», weniger die Gemeinschaften selbst. Trotzdem sind es natürlich wertvolle, bereichernde Erfahrungen.

Im interreligiösen Dialog engagieren sich unterschiedliche Player auf kantonaler und nationaler Ebene. Eine Übersicht:

Das Zürcher Institut für interreligiösen Dialog (ZIID)met sich dem interreligiösen Dialog zwischen

und Vernetzungstätigkeit sowie wissenschaftliche Fachpublikationen.

Das Zürcher Forum der Religionen (ZFR) wurde Es versteht sich als Zusammenschluss religiöser

Zürich und fungiert als Bindeglied zwischen den fünf sogenannten Weltreligionen. Das ZFR setzt sich sowohl für den interreligiösen Dialog als auch für den Austausch zwischen religiösen und politischen Institutionen ein.

Der Interreligiöser Runde Tisch im Kanton Zürich (IRT) wurde 2004 als Begegnungs- und

Was wäre nach deiner Ansicht die Perspektive des interreligiösen Dialogs, wo will er hin, was ist deine eigene Zielvorgabe?

Gute Frage. Aber soll der Dialog nicht auch ein Stück weit zweckfrei sein dürfen? Wir wollen unsere Anlässe freudvoll gestalten, das gegenseitige Kennenlernen sinnlich geniessen, die Heterogenität als Bereicherung erfahren. Wir wollen das Wohlwollen pflegen und den Argwohn vertreiben. Ausserdem fördert der inter-religiöse Dialog auch den intra-religiösen.

Wenn anlässlich interreligiöser Gespräche Angehörige unterschiedlicher Gemeinschaften aus derselben Religionstradition auch untereinander in Austausch kommen, kann das spannende Reflexionen auslösen.

Also nicht nur jeweils aktuelle Probleme lösen…

…sondern auch Anteil nehmen an den unerschöpflichen Schönheiten, die den verschiedenen Traditionen innewohnen.

«Wir wollen das Wohlwollen pflegen und den Argwohn vertreiben»

der im Kanton Zürich bestehenden Religionsge-den aktuelle Probleme und Projekte diskutiert und Stellungnahmen erarbeitet. Im Hintergrund leistet der Interreligiöse Runde Tisch auf verschiedenen Ebenen Vermittlungsarbeit zwischen Religionsgemeinschaften und Behörden.

Was erwartest du in dieser Situation von den grossen Kirchen, abgesehen davon, dass sie das Forum der Religionen finanzieren und deinen Lohn bezahlen?

Die Stadt zahlt übrigens am meisten, aber das nur nebenbei. Die Landeskirchen stehen natürlich weiterhin in der Verantwortung, die bestehenden Gefässe zu unterstützen oder neue zu gestalten. Die Kirchen haben auch heute Ressourcen, die den kleinen, nicht anerkannten Religionsgemeinschaften nicht zur Verfügung stehen. Damit sind die Kirchen auch in der Verantwortung. Und sie nehmen diese ja auch wahr, wofür ich sehr dankbar bin. Sie müssen aber vielleicht noch ein wenig mehr von dem Selbstbild wegkommen: «Wir sind etabliert und wissen, wie es geht, wir zeigen es

euch» hin zu einer Haltung «Wir hören zu, wir profitieren und lernen von euch.»

Also etwas mehr Demut?

Eine inhaltliche Demut ist nie verkehrt. Aber ich will nicht den Eindruck erwecken, ich sei unzufrieden. Ich schätze das Engagement der Kirchen sehr. Es macht halt einen Unterschied, ob der Pfarrer oder die Gemeindeleiterin einen guten Lohn hat, als wenn der Imam tagsüber als Dachdecker arbeitet, um in der Freizeit seine Gemeinde zu betreuen.

Gibt es das?

Natürlich!

Jesus hat auch unter der Woche als Zimmermann gearbeitet und am Wochenende gepredigt.

Ich weiss nicht, wie er das genau alles organisieren konnte (lacht), aber es ist heute tatsächlich vielen Kirchenleuten wenig bewusst, wie die Alltagsrealität in einem Moscheeverein, einem buddhistischen Verein oder in einem Hindu-Tempel aussieht. Da fliesst unfassbar viel Herzblut ins tägliche Leben ihrer Gemeinschaft.

Die Religionswissenschaftlerin Mirjam Läublischäftsführerin des Zürcher Forums der Religionen. Vorher war sie u.a. als wissenschaftliche Mitarbeiterin am religionswissenschaftlichen Institut der Uni Zürich tätig. Ehrenamtlich engagiert sie sich in der Unterstützung

Die Interreligiöse Arbeitsgemeinschaft in der und versteht sich als Interessensgemeinschaft der in der Schweiz vertretenen Religionsgemeinschaften. IRAS COTIS fördert die Begegnungen und den Austausch zwischen Angehörigen der verschiedenen Religionsgemeinin ihren Bestrebungen gegenüber von politischen «Woche der Religionen» sowie Projekte wie «Dialogue en Route» und «religion.ch».

Simon Spengler, Leiter Kommunikation, im Gespräch mit Mirjam Läubli.
Was ist für die nächste Generation wichtig für das Zusammenleben von Menschen mit verschiedenen Religionen?

Hinduismus

In der heutigen Zeit ist ein tieferes Verständnis von Religion gefordert. Verstehen wir Religion als «Konfession», als sich Bekennen, finden wir viele unvereinbare Religionen. Aus hinduistischer Sicht steht Religion jedoch nicht für ein Glaubensbekenntnis, sondern für ein Verständnis der Realität. Wir alle sind Geschöpfe desselben Schöpfers und haben denselben Ursprung. Sanatan Dharma steht für die ewige Beziehung zwischen der Seele und Gott, eine Beziehung, welche universal und konfessionslos ist. So unterschiedlich die Traditionen erscheinen, im Kern sind sie ähnlich. Es geht darum, Unterschiede anzuerkennen und gleichzeitig gegenseitige Wertschätzung und Verständnis zu kultivieren.

Eine Analogie veranschaulicht dies: Ein Hund erkennt seinen Meister in jedem Gewand, egal ob einfaches Hemd, edler Anzug oder Sportbekleidung. Der Hund erkennt ihn immer.

Wenn wir unseren geliebten Herrn nicht erkennen, wenn er in verschiedenen Gewändern anderer Religionen erscheint, haben wir vom Hund noch viel zu lernen.

Buddhismus

Es wird aus buddhistischer Sicht hilfreich sein, dass die nächste und weitere Generationen sich primär als fühlende Wesen –inklusive weiterer Lebewesen – begegnen und gerade nicht als Anhänger einer Religion. In dieser zudem bewusst proaktiven Begegnung ist eine mitfühlende und mütterliche Zuwendung mit neugierig-achtsamem Zuhören zentral. Erst in einem zweiten Schritt, bezogen auf das Zusammenleben und gemeinsamer handlungsorientierter Begegnung, könnten (müssen nicht!) Zufriedenheitserfahrungen ausgetauscht werden: Das bedeutet Austausch von Einheitserfahrungen bei mystischem Erleben.

Dann würde sich auf einer dritten Begegnungsebene nach gemeinsamem Bedarf ein inhaltlicher Austausch über Unterschiedlichkeit religiöser Konzeptionen auch hinsichtlich von Lebensund Weltgestaltung anschliessen. Wenn jeweils das Bewusstsein um Vergänglichkeit, gegenseitiger Abhängigkeit sowie Begrenztheit aller Überzeugungen im Zusammensein gelebt würde, wären wir einer allumfassenden Liebe näher.

Thomas Lempert,der katholischen Theologie. Vertritt den Buddhismus beim Zürcher Forum der Religionen.

wurde 2006 gegründet und setzt sich aus den leitenden Persönlichkeiten der drei christlichen

Organisationen zusammen. Der SCR setzt sich für die Verständigung zwischen den ReligionsgemeinSchweiz und ist Ansprechpartner für Behörden und politische Entscheidungsträger. Der Interreligiöse Think Thank (ITT) besteht seit 2008. Er ist ein institutionell unabhängigerund religionspolitische Fragen diskutieren und ihre Erkenntnisse und ihr interreligiöses Know-how der Das Interreligiöse Frauenparlament tagt im Zweijahresrhythmus. Es will Frauen unterschiedli-sellschaft sichtbar Verantwortung zu übernehmen und ihre Kenntnisse und Fähigkeiten im Dienst der

Krishna Premarupa Dasa, vertritt den Hinduismus beim Zürcher Forum der Religionen.

Islam

Grundsätzlich müsste man dazu junge Menschen befragen. Aus meiner Warte überblicke ich allenfalls einen grösseren Zeitraum und sehe, was sich verändert hat – oder auch nicht.

Junge Musliminnen und Muslime sind heute mehrheitlich Schweizerbürger und -bürgerinnen. Als solche erwarten sie, dass sie gleiche Rechte haben – nicht nur Pflichten – wie Nichtmuslime. Beispiele gefällig? Circa zehn Prozent der jungen Schweizer Rekruten sind Muslime, von denen man erwartet, dass sie im Ernstfall ihr Land verteidigen. Sollten sie aber in Ausübung dieser Pflicht ihr Leben lassen, kann nur eine kleine Minderheit damit rechnen, islamkonform bestattet zu werden, weil sich die meisten Kommunen in der Schweiz immer noch gegen Grabfelder für Muslime sperren. Und junge Frauen mit Kopftuch sind aus der Arbeitswelt weitgehend ausgeschlossen.

Muslimische junge Menschen haben Fremdzuschreibungen über sich und ihre Religion ziemlich satt und erwarten, dass man sie respektiert und es ihnen überlässt, wie sie ihre Religion interpretieren.

Islamwissenschaftlerin und Philo-sen Arbeitsgemeinschaft IRAS COTIS.

Christentum

In einer Welt, die immer mehr fragmentiert wird – in der Menschen sich in ihre eigene «Blase» zurückziehen – ist es umso wichtiger, in Dialog miteinander zu treten. Dies kann Vorurteile abbauen und Vertrauen vertiefen.

Schon viele Jahre bin ich im interreligiösen Dialog aktiv. Ich erkenne, dass sich der interreligiöse Dialog auch in interreligiöser Solidarität zeigen muss. Auslöser sind konkrete, erschütternde Ereignisse: so zum Beispiel als Antwort auf den schrecklichen Angriff auf einen orthodoxen Juden in Zürich im März dieses Jahres. Die Kirchen standen zusammen mit jüdischen und muslimischen Organisationen in einer Menschenkette auf dem Lindenhof in Zürich.

März 2019, Christchurch, New Zealand: Ein Mann erschiesst 51 Menschen in zwei Moscheen während des Freitagsgebet. Ich nahm sofort mit muslimischen Vertretern hier in Zürich Kontakt auf. Zur gleichen Zeit wie das Freitagsgebet habe ich eine Solidaritätsaktion in der Augustinerkirche organisiert. Ein Mitglied der Zürcher Regierung, der Präsident der Vereinigung der Islamischen Organisationen in Zürich und die Präsidien aller drei Landeskirchen sowie viele weitere Menschen standen schweigend nebeneinander. Miteinander stehen wir in Solidarität – in gegenseitigem Vertrauen und mit Wertschätzung.

Lars Simpson, Pfarrer der christkatholischennen und am Interreligiösen Runden Tisch.

Judentum

Tikun Olam ist hebräisch und bedeutet «Reparatur der Welt». Dieses im rabbinischen Judentum entstandene ethische Prinzip ist bis ins heutige Judentum grundlegend.

Tikkun Olam bedeut, einen Beitrag zu leisten, damit die Welt ein kleines bisschen heiler oder ganzer wird. In der heutigen Zeit von Kriegen und Klimakrisen hat das Gebet um Tikkun Olam und der Versuch, sich im Rahmen des möglichen daran zu beteiligen, eine wichtige Funktion.

Die als Antwort auf die Gräueltaten der Schoah und des Zweiten Weltkrieges entwickelten Werte von Freiheit und Menschenrechten mögen weiterhin als grundlegende Bausteine für die internationale Gemeinschaft wertgeschätzt werden.

Angesichts der zunehmenden Polarisierungen wünsche ich mir, dass unterschiedliche Perspektiven in der eigenen Religion und zwischen den Religionsgemeinschaften nicht gecancelt, sondern vielmehr als Quelle von Reichtum und Vielstimmigkeit geachtet werden. Der Versuch, die Welt zu einem etwas besseren Ort zu machen, möge zum starken Herzenswunsch werden, Tikkun Olam eben.

Brigitta Rotach,Interreligiösen Runden Tisches.

Allgemeinheit einzusetzen. Das Frauenparlament dient der Vernetzung und Kooperation und stärkt die demokratische Teilhabe der Teilnehmenden. -

Muslime bei der Religionsausübung zu unterstütund gesellschaftlichen Institutionen zu führen. Die VIOZ setzt sich für eine bessere Anerkennung der Musliminnen und Muslime im Kanton Zürich und Der Verband orthodoxer Kirchen im Kanton ist ein Zusammenschluss der immeinden. Es gibt ihn seit 2014. Er bezweckt die gegenseitige Unterstützung untereinander undten und christkatholischen Schwesternkirche. Zentrales Anliegen des Verbands ist die staatliche

«Das Lächeln und die Dankbarkeit der Digi-Kafi-Besucher sind mein Lohn»

Das Digi Kafi der Nachbarschaftshilfe Schwamendingen in der Pfarrei St. Gallus ist mehr als ein Unterstützungsangebot für digitale Fragen rund um Natel und Computer. Es ist ein Begegnungsort, an dem Experten mit Geduld und Einfühlungsvermögen ältere Menschen, die täglich digitalen Herausforderungen gegenüberstehen, begleiten.

Das erste Digi Kafi öffnete 2021 in Schwamendingen seine Türen. Weil immer mehr Dienste, Informationen und Angebote nur noch online zur Verfügung stehen und es Zeit und Unterstützung braucht, sich in der digitalen Welt zurechtzufinden, gibt es mittlerweile fünf Kafi Angebote.

Vom Schreiben einer E-Mail bis zum Fahrscheinkauf online – unser Alltag ist von digitalen Tätigkeiten durchzogen. Viele ältere Menschen haben jedoch Hemmungen ihre Unwissenheit bezüglich des Umgangs mit digitalen Medien anzusprechen. Hinzu kommt: Jüngere Familienangehörige haben oft keine Geduld oder fehlendes Verständnis für deren Anliegen. Deshalb lassen es ältere Menschen öfter ganz bleiben, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Die Digi Kafis bieten ein unterstützen-

des und ermutigendes Umfeld, in dem sich die Besuchenden wohlfühlen. Ein wichtiges Element sind freiwillige Helfer. Darunter Peter und David, die sich im Digi Kafi St. Gallus engagieren. Als ehemaliger Unternehmer beschäftigt sich der rüstige Senior Peter seit dem Aufkommen von Computern mit der digitalen Welt und ist mittlerweile ein echter «Digital Crack». Während David ein Windows-Spezialist ist, liegt Peters Expertise im Bereich Apple-Mac-Anwendungen.

Mit ihrer Erfahrung und ihrem Einfühlungsvermögen tragen beide massgeblich dazu bei, dass das Digi Kafi ein Ort ist, an dem Menschen offen über ihre digitalen Herausforderungen sprechen und sich willkommen und verstanden fühlen.

Ursprünglich war die zielgruppengerechte Ansprache eine Hürde, da die Werbung nur online zu finden war. Dies erreichte jedoch die älteren Menschen nicht, die erst lernen müssen, digitale Medien zu nutzen. Deshalb wurde die Kommunikation auf analoge Wege umgestellt, Informationsmaterialien werden nun in öffentlichen Einrichtungen verteilt. Auch Mundpropaganda spielt eine wichtige Rolle.

Beratungsgespräch bei den Digital Coaches in

Digital Coaches gesucht

Für das Projekt «Schwamendingen digital», dass neben den Kafis auch Digi Tandems, die kostenlose Beratung und Begleitung älterer Menschenden zuhause, umfasst, ist die Nachbarschaftshilfe Schwamendingen dringend auf die Unterstützung von Freiwilligen angewiesen. Wenn Sie Interesse daran haben, älteren Menschen beim Erlernen digitaler Fertigkeiten zu unterstützen und ihnen eine Brücke in die digitale Welt zu bauen, zögern Sie nicht, sich als Coach beim Digi Kafi zu engagieren. Jede helfende Hand trägt dazu bei, mehr Teilhabe am digitalen Leben zu ermöglichen.

Interessierte melden sich gerne bei Maya Bohren:schaftshilfe.ch

oder Telefon: 078 422 00 23 (Di, 14-16 Uhr und Do, 9-11 Uhr oder eine Nachricht auf den Telefonbeantworter sprechen).

Erlebnis-Tipp

Fraumünster

Vom ehemaligen zweiten Turm des Fraumünsters stehen nur noch Grundmauern, aber ab 20. August wird dort für einige Monate der neue «Katharinenturm» in den Himmel ragen. Die Kunstinstallation erinnert an die letzte Äbtissin und ihre zentrale Rolle in der Reformation. Der Turm ist mit 1000 Metern Stoff umspannt, auf dem die Namen von 500 weiteren Frauen eingewebt sind, die für Zürichs Geschichte prägend waren.

Mehr Infos unter: katharinenturm.ch

Event-Tipp

Regionaler Schöpfungstag

Am 7. September findet der Regionale Schöpfungstag auf dem Labyrinthplatz in Zürich statt. Der Anlass wird organisiert vom Katholischen Frauenbund Zürich und ist offen für alle. Die Schöpfungszeit (1. September bis 4. Oktober) steht unter dem Motto Motto «Heilige Vielfalt» und legt einen Fokus auf das Thema Biodiversität.

Mehr Infos unter:

engagement/themen/nachhaltigkeit/

Mein Hobby

Initiatische Schwertarbeit

Im Jahr 2008 habe ich die initiatische Schwertarbeit (eine Variante von Iaido) in einem Workshop kennengelernt. Ich war fasziniert und befremdet: Ich als Militärdienstverweigerer halte jetzt eine Waffe in der Hand? Hä?

Doch das hier war anders als Militärdienst: kraftvoll und fein zugleich. Die Bewegungen einfach und schlicht. Und ich merkte die Wirkung an mir selber: Ich fühlte mich erfrischt, belebt, lebendig. So vertiefte ich mich immer mehr in diese Arbeit bei Günther Maag-Röckemann. Immer wieder die gleiche Bewegung üben: schlicht, schnörkellos. Immer wieder hielt mir das Schwert einen Spiegel vor die Nase.

Mein Holz- und mein Metallschwert sind mir treue Lebensbegleiter geworden. Es ist nicht ein Hobby. Der Schwert-Weg ist zur Lebensart für mich geworden. Seit ein paar Jahren gebe ich meine Freude und meine Erfahrungen an interessierte Menschen weiter.

Daniel Burger-Müller,tive Care und Palliativbeauftragter bei der Spital- und Klinikseelsorge.

Mehr zu seinem Hobby unter

Daniel Burger-Müller dem er Schwertarbeit ausführt.

Ein interreligiöses Dach für Zürich

Marc Bundi ist Delegierter der Reforfür den Interreligiösen

Inspiriert von Projekten wie dem Berner «Haus der Religionen – Dialog der Kulturen», dem «Haus der Religionen» in Hannover» und dem Berliner «House of One» entstehen an immer mehr Orten weltweit sogenannte Mehrreligionenhäuser. Gemeinsam ist diesen Projekten, dass die Häuser gleichzeitig Orte der Religionsausübung, der Begegnung und des Dialogs sind. Die Idee für ein Mehrreligionenhaus wurde auch in Zürich diskutiert und geprüft. Eingebracht wurde sie 2021 von Philippe Dätwyler, dem vormaligen Beauftragten für interreligiösen Dialog der Zürcher Landeskirche. Das von ihm angeregte Projekt für ein «Haus der Kulturen und Religionen» in Zürich sah ein Haus an zentraler Lage vor, das der interreligiösen und interkulturellen Begegnung, Vertiefung und Bildung, aber auch der Unterhaltung dienen sollte.

Die Idee wurde in mehreren Sondierungsgesprächen mit Vertretungen

des Zürcher Instituts für Interreligiösen Dialog ZIID, des Zürcher Forums der Religionen ZFR, der katholischen und der reformierten Kantonalkirche sowie Vertretungen der Stadt und des Kantons diskutiert und auf Realisierbarkeit hin geprüft.

Nach eingehenden Überlegungen und Konsultation weiterer Anspruchsgruppen wurde entschieden, die Idee eines «Hauses der Kulturen und Religionen» an einem zentral gelegenen Ort nicht weiterzuverfolgen. Ausschlaggebend für diesen Entscheid waren finanzielle Überlegungen, aber auch die Befürchtung, dass ein zentral gelegenes Mehrreligionenhaus bereits bestehende interreligiöse Strukturen und bewährte Projekte schwächen könnte.

Es herrschte aber Konsens, dass eine in den Sondierungsgesprächen aufgekommene Idee für ein «interreligiöses Dach» über die im interreligiösen Dialog tätigen Instanzen und unter Einbezug der Kirchen und Religionsgemeinschaften weiterverfolgt werden sollte. In den Gesprächen wurde auch die Metapher eines Zeltes verwendet, unter dem sich die zahlreichen bereits bestehenden interreligiösen Aktivitäten und Initiativen besser aufeinander abstimmen, koordinieren und kommunizieren lassen. Vor-

aussetzung für das Gelingen der Idee ist, dass die unterschiedlichen Bedürfnisse der verschiedenen Anspruchsgruppen gewürdigt und abgedeckt werden. Das Operieren unter einem gemeinsamen Dach würde im Idealfall nicht nur Synergien erzeugen, sondern auch dazu beitragen, bestehende strukturelle Asymmetrien abzubauen und die Partizipationspotenziale, die sich aus der religiösen und kulturellen Pluralisierung ergeben, zu nutzen.

Mit der Idee eines über dem Stadtraum Zürich aufgespannten interreligiösen Dachs (oder Zeltes) ist auch der Gedanke verbunden, die religiöse Vielfalt und das interreligiöse Zusammenleben in der Öffentlichkeit sicht- und erlebbar zu machen. Wichtig ist dabei, den gesamten Stadtraum im Auge zu behalten und das Dach auch in den Quartieren und Stadtteilen abzustützen, wo bislang keine oder kaum interreligiöse Aktivitäten stattfinden.

Eine Spurgruppe mit Vertretungen der Stadt Zürich sowie der katholischen und der reformierten Kantonalkirche bearbeitet derzeit die Frage, welche Schritte aus ihrer Sicht für die Umsetzung der Idee eines «interreligiösen Dachs» für Zürich angebracht und notwendig sind und wie deren Umsetzung vorangetrieben werden soll.

Aeschlimann ist Seelsorgerin in den Bundesasylzentren (BAZ) Embrach und Dübendorf.

Auf dem Weg von einem BAZ zum andern steige ich im Zürcher Hauptbahnhof in den IR16. Mir folgt ein Mann an zwei Krücken. Er setzt sich mir schräg vis-a-vis. «To Bern?», fragt er. «Ja», gebe ich zur Antwort und schaue genauer hin. Sein Sichtmäppli kommt mir vertraut vor.

Wo sein Gepäck sei, frage ich.

Er habe keines.

Transfer?

Nein, kein Platz für die Registrierung in Zürich. Und er streckt mir seine Papiere entgegen.

Um Alis gebrochenes Englisch wettzumachen setzte ich mich ihm gegenüber. Sichtlich erleichtert, dass da jemand Interesse zeigt, erzählt er. Vater von fünf Söhnen und einer Tochter. Frau und Kinder in Kabul. Als Polizist sei das Leben in ländlichem Gebiet gut gewesen. Mit den Taliban an der Macht wurde es gefährlich, das Haus zerstört. Auch in Kabul, als ehemaliger Polizist, nicht sicher – es bleibt nur die Flucht, meist zu Fuss. In Polen übernachten in Wäldern, aufgespürt von Soldaten. Diese kennen nur die Sprache der Gewalt. Das Resultat ist der Bruch des linken Knies. Ein normales Weitergehen kaum möglich. Trotzdem gezwungen, Polen zu verlassen. Einsteigen in den Zug nach Berlin nur dank Mithilfe von Passanten. Und das Ganze wiederholte sich beim Umstieg in Berlin.

Im Triemli hätte er gestern Schmerztabletten bekommen. Das Knie wurde geschient, so dass er jetzt mit Krücken nach Bern reisen kann.

Ich hoffe, es bleibt trocken. Kurz vor meinem Ausstieg in Brugg versuche ich, Ali den Weg zum BAZ in Bern zu erklären. Sein Englisch reicht zum Verstehen nicht. Dafür zeigt er mir ein Foto seines jüngsten Kindes und lobt die Schweiz.

Im BAZ Bern solle er sich an meine Kollegin Beatrice wenden, sage ich noch. Sie arbeite für die Kirche, so wie ich.

Ich wünsche Ali weiterhin Menschen, die ihn auf seinem Weg helfen. Und seine Familie würde ich in mein Gebet einschliessen. Mit meinem kleinen Koffer verlasse ich den Zug… …bereichert mit dem Bild eines entwurzelten Mannes: mit nichts als mit sauberen Kleidern auf dem Leib unterwegs, ohne Jacke, Tasche. Nur Mäppchen, Wasserflasche, mit knapper Not in den Händen haltend. Das Gehen mit Krücken muss noch geübt werden. Dankbar für jede freundliche Geste, hoffend, in diesem Land des Friedens, einmal mit der Familie vereint zu sein.

Sommerliche Musik

Balsam für die Seele

Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847) ist Urheber eines Musikstückes, das wohl zu den populärsten überhaupt gehört: Der Hochzeitsmarsch! Er ist Teil der Schauspielmusik «Ein Sommernachtstraum», die Mendelssohn zu William Shakespeares Komödie «A Midsummer Night’s Dream» komponiert hat.

Die Ouvertüre von Mendelssohn entstand bereits im Sommer 1826, die öffentliche Uraufführung fand erst viel später statt, nämlich am 18. Oktober 1843 in Berlin. Bereits in der Ouvertüre fasziniert, wie Mendelssohn die Atmosphäre der Shakespeare’schen Komödie in Töne zu fassen vermag und so in die Thematik einführt. Es werden drei Themen vorgestellt: der Elfenreigen und die Festmusik, das zweite als Choralthema und das dritte mit dem Rüpeltanz. Nach der Ouvertüre folgen je nach Einspielung: Scherzo, Lied mit Chor, Allegro appassionato, Con moto tranquillo, Hochzeitsmarsch, Ein Tanz von Rüpeln und das Finale. Mendelssohn gelingt es hervorragend, musikalisch in die Welt der Elfen und Kobolde einzutauchen.

Franz Liszt äussert sich zu Mendelssohns Komposition folgendermassen: «…keiner konnte wie er den Regenbogenduft, den Perlmutterschimmer

dieser kleinen Kobolde schildern, die glänzende Emphase eines hochzeitlichen Hoffestes wiedergeben».

Der populäre «Hochzeitsmarsch» wird übrigens regelmässig bei Trauungen gewünscht. Dabei ist die Musik so gar nicht religiös, im Gegenteil. Die Thematik spielt mitten im antiken Athen, samt einem angrenzenden Wald. Es lohnt aber auch, in die anderen Teile des «Sommernachtstraums» hineinzuhören: Das «Lied mit Chor» ist ein Nachtlied mit fünfstimmigem Frauenchor, wie es das nur bei Mendelssohn in dieser Vollendung gibt. Ein Gleiches gilt für «Con moto tranquillo», gespielt von einem Ensemble von Waldhörnern. Wer die Augen schliesst, steht oder sitzt tatsächlich im Wald –und darf völlig ruhig werden.

Keine 100 Jahre nach der Uraufführung erlebte dieses einzigartige Werk ein bedrückendes Schicksal. Von sogenannten «deutschen Musikforschern» wurde Mendelssohn und damit seine Musik in einer beispiellosen antisemitischen Hetz- und Lügenkampagne aufgrund seiner jüdischen Herkunft für nicht mehr tragbar erklärt. Da der «Sommernachtstraum» jedoch zum Standardrepertoire vieler Bühnen zählte, wurden Komponierende angehalten, Neuvertonungen an-

zufertigen. Das kam dann so heraus, wie es musste: Kein einziges Werk hat sich durchgesetzt, niemand schaffte es, auch nur annähernd eine derartig geniale Komposition wie die von Mendelssohn zu komponieren. Wohl jedoch sagt es etwas aus über die Gesinnung dieser «Musikerkollegen», die glaubten, durch ihr Mitwirken Mendelssohn aus der Musikszene verbannen zu können. Unter ihnen übrigens kein Geringerer als Carl Orff, der Komponist der legendären «Carmina Burana». Gerne wurde das nach 1945 versucht zu relativieren. Tatsache ist: Keiner dieser Komponisten wurde zu irgendeiner Komposition gezwungen. Sie taten das freiwillig und aus Überzeugung. Sollten Sie irgendwann wieder den «Hochzeitsmarsch» hören, dann denken sie daran, dass gute Musik einen längeren Atem hat als menschliche Grausamkeiten. Insbesondere dann, wenn sie von einem Komponisten stammt, der in der geistlichen Musik Gott zum Klingen bringt wie Mendelssohn.

Mendelssohn: Ein Sommernachtstraum hr-Sinfonieorchester Paavo Järvi

https://youtu.be/njdTB6HxTj8

Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.