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Baar forderte Regierungsgebäude in Baar
Vor 150 Jahren tagte der damals 25-jährige Kantonsrat erstmals im Saal des neuen Regierungsgebäudes am See in Zug – nicht zur Freude der Baarer.
Claudia Schneider
1863 also zehn Jahre vor der ersten Sitzung im neu erstellten Zuger Kantonsratssaal, forderten die Mitglieder der Korporation Baar-Dorf ein künftiges Regierungsgebäude nicht etwa in Zug sondern in Baar zu errichten Diese selbstbewusste Forderung basierte auch auf dem Erfolg der rasant fortschreitenden Industrialisierung Die Spinnerei an der Lorze war damals die grösste und modernste Baumwollspinnerei der Schweiz und beschäftigte über 600 Personen Im Spinnereiquartier entstanden auch die Papierfabrik Meyenberg und die Brauerei Baar Innerhalb von nur zehn Jahren (1850 bis 1860) stieg die Einwohnerzahl von 2350 auf über 3300 Personen Die meisten Neuzuzüger kamen von ausserhalb des Kantons was einerseits zur Gründung einer reformierten Kirche im katholischen Baar führte, andererseits auch liberale Stimmen in die Politik der Konservativen einbrachte
Neue Verfassungen für den Bund und die Kantone
Diese Entwicklung war auch eine Folge des letzten Bürgerkriegs in der Schweiz im November 1847 Zuvor hatten die konservativ regierten katholischen Kantone einen Sonderbund gegründet Ihr Ziel war die Abwehr der von den liberalen Ständen geduldeten Freischarenzüge gegen konservativ regierte Kantone und die Verteidigung der Katholischen Kirche Der Kanton Zug ergab
Eine Visualisierung des Zuger Regierungsgebäudes, zirka aus dem Jahr 1868 macht deutlich dass die Korporation Baar-Dorf mit ihrem Anliegen, den Regierungssitz in Baar zu erstellen, kein Gehör fand. B d: Staatsarch v Zug sich kampflos und stimmte 1848 unter Druck diverser in Zug stationierter Armee-Einheiten einer neuen Kantonsverfassung zu Auch die Schweiz bekam vor 175 Jahren eine Bundesverfassung obschon sich der Kanton Zug dagegen aussprach In Baar stimmten 803 Personen für und 1780 Personen gegen die neue Bundesverfassung
Konservativer Volksführer und Lokalpatriot aus Baar
Bei den Wahlen 1848 gewannen in Zug die Liberalen eine Mehrheit im damaligen Grossrat (ab 1873 Kantonsrat) und stiessen zahlreiche Reformen an Diese Entwicklung missfiel Oswald Dossenbach (1824–1883, Bild), dem Sohn einer reichen Bauernfamilie in der Sennweid «Er hatte seinen eigenen Kopf brach sein Studium ab da er dem Willen der Eltern Priester zu werden nicht nachkommen wollte» weiss der Baarer Gemeindearchivar Philippe Bart Um aktiv seine konservativen Ansichten einbringen zu können politisierte Dossenbach ab 1847 im Baarer Gemeinderat und im Zuger Grossrat Innerhalb von zwei Jahrzehnten stieg der Baarer zum einflussreichsten Führer der Rechtskonservativen im Kanton auf «Zahlreich und über alle staatlichen Ebenen verteilt sind die Ämter, die er ausübte: Baarer Gemeinde- und Bürgerpräsident Obergerichtspräsident Erziehungsratspräsident Regierungsrat und Ständerat» heisst es in einem Porträt Daneben engagierte sich Dossenbach ab 1872 als Teilhaber der Kreditanstalt
Fleisch
Die Dorfmetzgerei an der Dorfstrasse Christian Rogenmoser hat von seinen Eltern, den Gründern der Metzgerei Rogenmoser eine Tradition übernommen: Er verarbeitet Fleisch von Landwirten aus der nächsten Umgebung Heute prägen auch zahlreiche Innovationen, wie das tägliche Menü zum Mitnehmen den Baarer Traditionsbetrieb Seite 2
Bossard & Cie in Zug Damals gab es in der Zuger Politik noch wenig Vielfalt Frauen waren nicht stimmberechtigt und konnten kein politisches Amt annehmen Die Männer waren entweder liberal oder wie Oswald Dossenbach konservativ, wobei er nicht nur gegen die Liberalen, sondern auch gegen die gemässigten Konservativen kämpfte So stellte er sich gegen die Machtansprüche der Städte gegen die Eisenbahn und die sich in Baar ausbreitende Industrie «Der Erzkonservative fürchtete, dass die wachsende Arbeiterschaft mit sozialdemokratischen Ideen sympathisieren könnte» erklärt Philippe Bart Dossenbach trat daher für ein sozial geprägtes Fabrikgesetz ein kämpfte für den Ausbau der Volksrechte und war Mitgestalter der in diesem Sinne revidierten Zuger Kantonsverfassung von 1876 1848
Käse
Fröhliches Fest trotz Regenwetter Gemeindepräsident Walter Lipp war am Eidgenössischen Jodlerfest in Zug angetan von der höchsten Jodlerin der Schweiz und lud Karin Niederberger ein, am Nationalfeiertag in Baar die Festrede zu halten Die Zentralpräsidentin des Eidgenössischen Jodlerverbands brachte als Geschenk auch einen speziellen Käse mit Seite 3
Baarer Bilder zählte der Zuger Grossrat (Kantonsrat) 67 Mitglieder, davon stammten neun aus Baar Von elf zu sieben Mitgliedern im Zuger Regierungsrat Heute zählt die Zuger Legislative 80 Mitglieder und deren 15 leben in Baar Der Zuger Regierungsrat umfasste 1848 elf Männer davon einen (Martin Josef Müller) aus Baar; heute zählt das Gremium sieben Personen (davon zwei aus Baar)
Die erste Zuger Regierungsrätin, die Baarerin Ruth Schwerzmann-Müller (FDP), wurde im November 1994 gewählt
Die Bevölkerung st am 19 August zum Jubiläum «175 Jahre Bundesverfassung» ins Zuger Regierungsgebäude eingeladen Fürs Detailprogramm den QR-Code scannen
Spätzli
Legenden der Volksmusik Franz Marty und das ganze OK freuen sich schon auf den Ländler-Abig von Samstag 19 August im Gemeindesaal Baar Nicht nur für lüpfige Musik und Tanz bis in die frühen Morgenstunden wird gesorgt Die Gäste können sich im Festsaal auch verpflegen, beispielsweise mit Ragout und Spätzli Seite 11
Das 1873 fertiggestellte Regierungsgebäude an städtebaulich dominanter Stelle stiess bei der Bevölkerung auf Widerstand Der Neubau und Namensänderung von Grossrat zu Kantonsrat standen für ein gewandeltes Politik- und Staatsverständnis Aber noch bis in die 1930erJahre sassen sich Konservative und Liberale nach Vorbild des englischen House of Commons gegenüber. Anlässlich der ersten gründlichen Auffrischung 1938 wurde auf Hörsaalbestuhlung umgestellt Im Lauf der Zeit wurde der Saal immer wieder aktuellen Gegebenheiten angepasst so auch 1952 im Ambiente der Geistigen Landesverteidigung Damals erhielt der Baarer Künstler Gebhard Uttinger (1879–1960) den Auftrag, zwei grosse noch heute vorhandene Leinwandgemälde zu malen: «Aufnahme Zugs in den eidgenössischen Bund 1352» und «Heimkehr und Aufnahme» Uttinger stammte aus einer alteingesessenen Baarer Familie, suchte sein Glück jedoch in Deutschland, erst an der Baugewerkschule Karlsruhe dann an der Kunstakademie Dresden Ab 1909 unterrichtete er an der Kunstgewerbeschule Breslau und spezialisierte sich dort auf Kirchenmalerei 1934 konnte er an die Kunstgewerbeschule Luzern wechseln verliess sie jedoch nach vier Jahren im Streit und kehrte nach Breslau zurück 1944 zwang ihn der Krieg zurück in die Schweiz – nach Zürich, wo der Baarer Künstler aber nie richtig Fuss fassen konnte und verarmte Ein Grossteil seines Nachlasses gehört heute der Einwohnergemeinde Baar. csc