Zug Kultur Magazin - Dezember 2020 (#75)

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SCHULEN

Kulturblick Schule Regula Werder, , Oberstufenlehrerin an der Schule Menzingen «Kultur findet an der Schule oft in Form von Projekten statt. Es tut allen gut, wenn der Schulalltag mal etwas aufgemischt wird. Wenn die Schüler*innen mit anderen Gruppen oder jahrgangsdurchmischt zusammenarbeiten, gibt das ein anderes Gefühl und einen anderen Wert in den Schulalltag. Ich finde es wichtig, dass es ab und zu in eine ungewohnte Richtung geht, dass man ins Philosophieren kommen kann oder Haltungen diskutiert werden. Kultur öffnet den Spielraum für neue Themen. Ein spontanes Projekt, das nach dem Lockdown im Frühling entstand, ist unser ‹Champion-Projekt›. Angefangen hat es mit dem Song ‹The Champion› von Carrie Underwood. Ich hatte das Lied zufällig gehört und fand, dass der Text super auf die damalige Situation passte. Da in der Schule strenge Corona-Einschränkungen herrschten, kam mir die Idee, das Lied einzeln mit den Klassen zu singen, sie zu filmen und das zu einem Gemeinschaftswerk zusammenzuschneiden. Das Projekt wuchs rasch und war organisatorisch recht anspruchsvoll. Aber der Aufwand war vergessen, als wir mit dem Einstudieren des Liedes anfingen. Da hat es eine Riesendynamik angenommen. Die Schüler*innen waren begeistert. Ein Schüler sagte zu mir: ‹Sie, mein Bruder im Kindergarten singt das auch!› Plötzlich war diese Verbindung, dieses Gemeinsamkeitsgefühl da, trotz Social Distancing! Das war eigentlich das Schönste an diesem Projekt. Viele Eltern waren begeistert, und das Video ging viral im ganzen Kanton. Auch generell ist für Kulturprojekte Begeisterung wichtig. Wenn Lehrpersonen für etwas brennen, lassen sich die Schüler*innen meist leicht anstecken. Wichtig ist auch, dass die Schulleitung dahintersteht. Sie muss den Mehrwert erkennen und bereit sein, etwas in Kulturprojekte zu investieren. Ein flexibles Team, das sich auf Projekte mit offenem Ausgang einlassen kann, ist ebenfalls wertvoll. Es ist toll, dass bei uns in Menzingen diese Voraussetzungen erfüllt sind. Ausserdem schätze ich es, wenn es einen besonderen Rahmen für Kulturprojekte gibt – wenn man Zeit hat, einzutauchen, ein Thema zu vertiefen, und es nicht in -minütige Lektionen packen muss. Dann kann bei den Schüler*innen etwas angestossen werden.» Aufgezeichnet von Maria Brosi

SCHULEN

Trotz Distanz zum Wir-Gefühl Ein Musikvideo mit Hunderten Schüler*innen drehen trotz Abstandsregeln und Sicherheitskonzept? Das ist eine ziemlich aufwendige Büez. Dass sich ein solches Projekt dennoch lohnt, hat die Schule Menzingen gerade bestens bewiesen. Ein Schulprojekt, bei dem gesungen und getanzt wird und bei dem insgesamt  Kinder, vom herzigen Chindsgikind bis zum pubertären Sekschüler, mitmachen? Das klingt, als stamme es aus einer anderen Zeit. Aus einer, in welcher der Begriff «Social Distancing» noch für Schulterzucken sorgte und Masken höchstens mit der Fasnacht in Verbindung gebracht wurden. Aber nein. Das musikalische Gemeinschaftswerk der Schule Menzingen entstand mitten in der Pandemie. Immer mit dem nötigen Abstand Das erarbeitete Video wirkt zunächst recht einfach: Ein Chor von Kindern interpretiert das Lied «The Champion» von Carrie Underwood. Die Kids singen, tanzen, rappen vor unterschiedlichen Hintergründen. Alles Corona-konform, mit dem nötigen Abstand. Der Hünenberger Filmemacher Michael Werder, der zuständig war für die Bildaufnahmen des Menzinger Projekts, erklärt: «Meine Frau, die als Lehrerin an der Schule Menzingen arbeitet, hatte dieses Projekt angerissen. Dies, nachdem man beschlossen hatte, dass aufgrund der Pandemie kein gemeinsamer Schulabschluss stattfinden könne.» Regula Werder fand eine Alternative. «Es entstand die Idee, dass die Schulklassen einzeln ein Lied erarbeiten, welches zwar separat aufgenommen, jedoch später zu etwas Gemeinsamem zusammengeführt wird», sagt Michael Werder. Komplexes Projekt «Obwohl das Video auf den ersten Blick simpel aussieht, handelt es sich um ein ziemlich aufwendiges Projekt. Ich konnte nicht einfach drauflosfilmen, da wir die Corona-Regeln zu befolgen hatten. Ein Umstand, der einen beträchtlichen organisatorischen sowie logistischen Aufwand mit sich brachte.» Werder weiter: Nachdem die einzelnen Klassen das Stück während mehrerer Wochen geübt hatten, wurden diese gefilmt. «Damit die Klassen möglichst wenig Aufwand hatten, war der Zeitplan ziemlich durchgetaktet. Mit jeder Gruppe nahmen wir zwei bis drei Takes auf, bei denen die Kinder das Lied jeweils ganz durchsangen», sagt Werder. «Es war schön zu sehen, wie die Kinder bei jedem Durchgang mehr auftauten und motivierter wurden.» Jeweils drei Videoaufnahmen in insgesamt  Klassen, dazu kamen die entsprechenden Tonaufnahmen. «Ich habe das Lied ‹The Champion›

somit etwa  Mal von A bis Z gehört», sagt der Filmemacher, lacht und fügt an: «Was wiederum Unmengen an Filmmaterial hervorbrachte.» Grosses Zusammenfügen Die richtige Büez begann deshalb erst nach dem Filmen: «Dann nämlich ging’s ans Schneiden. Wir hatten den Anspruch, dass jede Klasse zumindest in einem Bild zu sehen ist. Und die Bilder wiederum mussten jeweils zum Ton passen.» Während des knapp fünfminütigen Films hört man nämlich nicht nur einen einzigen Chor,

«Es entstand die Idee, dass die Schulklassen einzeln ein Lied erarbeiten.» Michael Werder, Filmemacher sondern immer mal wieder auch nur einzelne Klassen. «Die älteren Schüler*innen rappten, andere spielten Instrumente oder sangen, je nach Stufe, nur gewisse Teile des Liedes. Dass das musikalisch nicht in einem grossen Kuddelmuddel endete, ist Tonmeister Silvan Gretener zu verdanken», sagt Werder. Gestaffelt auf die Wiese Am Ende des Videos stehen  Schüler*innen auf und neben dem Sportplatz und werden von einer Drohne gefilmt. «Aus schutztechnischen Gründen durften die Klassen nicht durchmischt werden. So kamen alle nacheinander auf den Platz, wir filmten eine halbe Stunde, danach verliessen die Klassen erneut gestaffelt die Wiese», erklärt der Filmemacher. Bereits auf der Zielgeraden Flurin Egler ist Lehrer an der Schule Menzingen. Als der Film im Juli entstand, befanden sich seine Schüler*innen der . Oberstufe bereits auf der schulischen Zielgeraden. «Weil alle bereits Anschlusslösungen hatten und ausserdem kein Schullager stattfand, hatten wir mehr Zeit als andere, uns mit dem Projekt zu befassen.» Sie erarbeiteten deshalb den komplexeren Mittelteil des Liedes, der gerappt wird. Mitten in der Pubertät, in einem Alter, in dem es Menschen in der Regel schwer fällt, über den eigenen Schatten zu springen: Wie war’s da mit der Motivation? «Tatsächlich haben das meine Schüler sehr gut gemacht. Sie waren gegenüber


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