Maria Lauber: ‹Chüngold in dr Stadt›

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Chüngold in dr Stadt Maria Lauber – Erzählung

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Kulturgutstiftung Frutigland (Hg.)

ChĂźngold

in dr Stadt

Maria Lauber Erzählung

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Die Herausgeberin und der Verlag danken herzlich für die Unterstützung: Gemeinde Adelboden

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Inhalt Vorwort der Kulturgutstiftung Frutigland ................................................................................. 7 Einleitung von Christian Schmid ....................................................................................................... 9 ‹Chüngold in dr Stadt› Es grosses Ziil ............................................................................................................................................. 21 I fründen Gasse ......................................................................................................................................... 30 Es Tach uber em Huut ......................................................................................................................... 37 Sövel elinzige .............................................................................................................................................. 49 In der Schuel ................................................................................................................................................ 54 Näbel in den Gasse ................................................................................................................................. 62 Di grossi Trüuwi ....................................................................................................................................... 72 Tappochti Art .............................................................................................................................................. 81 Var Chraft cho ............................................................................................................................................. 96 Zur Qwelen emzrugg ........................................................................................................................ 103 Trotz u Troscht ......................................................................................................................................... 115 Am Ziil ........................................................................................................................................................... 126 Di jungi Leäreri ....................................................................................................................................... 132 Über ‹Chüngold in dr Stadt› Lebens- und Werkdaten von Maria Lauber .................................................................... Erich Blatter: Zur Entstehung von ‹Chüngold in dr Stadt› ............................... Barbara Traber: Chüngold findet Rückhalt in den Deutschstunden im Mädchenseminar Bern ........................................................................................................ Rudolf Dellsperger: Maria Lauber und ihr Religionslehrer Emil Ryser: Eine verpasste Begegnung? ...................................................................... Lucien Criblez: Die Lehrerinnenbildung in Bern zur Zeit des Seminarbesuchs von Maria Lauber ................................................................................. Pressestimmen und Selbstzeugnisse zu ‹Chüngold in dr Stadt› .................. Anhang Abbildungsverzeichnis .................................................................................................................... Worterklärungen und editorische Notizen von Erich Blatter ......................... Zur Schreibweise des Frutigdeutschen im Werk von Maria Lauber samt einigen Bemerkungen zur Aussprache von Erich Blatter ................ Dank ................................................................................................................................................................

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Vorwort der Kulturgutstiftung Frutigland (Hg.) «Wen ig doch og esmal chönnti e Leäreri gä!»

An einem Märzmorgen 1907 wird dieser verwegene Wunsch des Bergbauernmädchens von Prasten konkreter. Erwartungsvoll, ängstlich sitzt Chüngold im Zug nach Bern zur Aufnahmeprüfung ins Lehrerinnenseminar. Drei Jahre später fährt die nun 19-Jährige zurück ins Frutigland, um dort eine Gesamtschule mit knapp 40 Kindern zu übernehmen. «U jitz stiit ds Chüngi vur syr iigete Schuel.» Zwischen diese beiden Ereignisse spannt Maria Lauber den Bogen ihrer stark autobiografisch geprägten Mundarterzählung. Sie beschreibt mit eindrücklicher Beobachtungsgabe Chüngolds Erlebnisse im Seminar, ihren Alltag in der unbekannten Stadt und ihre Gefühle von Einsamkeit, Selbstzweifel und Heimweh. Der Weg des Erwachsenwerdens der scheuen Frutigtalerin, die mit ihrem Anderssein durch Herkunft und fremdem Dialekt und mit finanziellen Sorgen fertig werden muss, ist schwierig: Das Mädchen vom Berg wird in der Stadt nie heimisch, saugt jedoch mit Fleiss und Begeisterung das Bildungsangebot des Seminars auf. Wie erholsame Inseln sind jeweils die Ferienaufenthalte daheim, in der Familie, in den vertrauten Bergen. Fünf Beiträge zur Erzählung bereichern das Buch. In der Einleitung stellt Christian Schmid ‹Chüngold in dr Stadt› in den geschichtlichen Kontext, vergleicht Maria Laubers Seminarerinnerungen mit jenen ihrer Mundartschriftsteller-Kollegen und weist auf die starke Prägung Maria Laubers durch ihre Herkunft hin. Barbara Traber stellt die wegweisenden Lehrkräfte Maria Laubers vor: Gottlieb Stucki und Emma Graf, die ihre Schülerin auch zum Schreiben ermunterte. Rudolf Dellsperger beschreibt den religiösen Konflikt zwischen der streng evangelikal aufgewachsenen Seminaristin und ihrem Religionslehrer, dem liberalen Theologen Emil Ryser. Lucien Criblez beleuchtet die Lehrerinnenbildung in Bern zu Maria Laubers Seminarzeit. Einen bedeutenden Beitrag leistet Erich Blatter, der den Mundarttext in die – von ihm – überarbeitete Schreibweise übertragen hat, versehen mit ausführlichen Kommentaren und ergänzt mit der Entstehungsgeschichte von Maria Laubers Erzählung. ‹Chüngold in dr Stadt› zeigt ausserdem ein Bild der Stadt Bern in raschem Wandel unterwegs in die moderne Zeit des 20. Jahrhunderts. Wir wünschen den Leserinnen und Lesern auch viel Freude beim Entdecken des Reichtums der Frutigtaler Mundart; vielleicht vermag Maria Laubers Erzählung sogar Erinnerungen an die eigene Adoleszenz zu wecken. Urs Gilgien, Vizepräsident der Kulturgutstiftung Frutigland 7


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Maria Lauber und die Macht des Herkommens

Anmerkungen S. 180

von Christian Schmid1 I. Maria Lauber besuchte von 1907 bis 1910 das Städtische Lehrerinnenseminar Monbijou in Bern. Von dieser Zeit handelt die Erzählung ‹Chüngold in dr Stadt›, denn Chüngold ist das Alter Ego der Autorin Maria Lauber. Damals waren die Menschen zu Fuss, zu Pferd und nur wenige Wagemutige auf dem modernen Velociped unterwegs; noch nicht einmal jeder Zehnte besass ein solches Gefährt und wer eines hatte, wurde deswegen bestaunt. Der auf dem Krautberg im emmentalischen Oberthal geborene Bauernsohn Fritz Schwarz (1887–1958), der spätere Freiwirtschaftler, erzählt in seinen Erinnerungen ‹Wenn ich an meine Jugend denke› von 1959: «Ein- oder zweimal ging ich am Sonntagnachmittag nach Zäziwil und setzte mich dort an den Strassenrand, um etwas zu erwarten, von dem ich schon öfter gehört hatte. Am zweiten Sonntag hatte ich Glück. Vom Dorf her hörte ich rufen: ‹As chunnt iine, as chunnt iine!› Und es kam wirklich einer, nämlich ein Radfahrer, auf einem etwa zwei Meter hohen Rad mit einem ganz kleinen Hinterrädchen.»2 Auf Strassen und Wegen zogen Pferde, Ochsen und Kühe Wagen und Kutschen. Einige Bessergestellte hatten Reitpferde. Motorfahrzeuge waren sehr selten, denn im Kanton Bern wurden «1904 nach offiziellen Angaben 64 Motorfahrzeuge und 1910 286 Personenwagen, 28 Lastwagen und 624 Motorräder gezählt». Das lesen wir im Buch ‹Die Strassengeschichte des Kantons Bern vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart› von 2011.3 Obwohl Bern bereits Strom produzierte – in Laubers Geburtsjahr, am 10. August 1891, hatte in der Matte das erste «Elektricitäts- und Wasserkraftwerk» der Stadt Bern seinen Betrieb aufgenommen –, geht Chüngold noch im Licht von Gaslampen durch die Stadt und hantiert dort, wo sie wohnt, mit Öllampen. Das Radio gab es nicht und mit dem Telefon machte sie offenbar keine Bekanntschaft. Chüngold bewegte sich also während ihrer Ausbildungszeit in einer Welt, in der sie zwar die Eisenbahn benutzte, aber in der andere Dinge, welche in der Folge helfen sollten, diese Welt völlig umzugestalten, nicht oder für sie nur am Rande existierten: Motorfahrzeuge, der elektrische Strom, das Radio und das Telefon. Als ‹Chüngold in dr Stadt› 1954, nach zwei Weltkriegen, erschien, nahm der motorisierte Strassenverkehr richtig Fahrt auf, im Kanton Bern fuhren in diesem Jahr bereits um 80 000 Motorfahrzeuge. In den meisten Wohnräumen gaben 9


Glühbirnen Licht und an Steckdosen schloss man elektrische Geräte an, z. B. das Radio in der Stube, das mit seinen Nachrichten den Blick auf die Welt öffnete, zur Bildung beitrug und unterhielt. An der Flurwand hing das Telefon, das Gespräche über weite Distanzen ermöglichte, ab 1956 auch nach Übersee, und damit Handel und Wandel beschleunigte. Doch nicht nur in dieser Hinsicht entwirft die Geschichte, die das Buch erzählt, ein Gegenbild zu seiner Erscheinungszeit. Im Jahr seines Erscheinens lassen sich Vorboten eines Kulturbruchs feststellen, der in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre die Gesellschaft auch in der Schweiz veränderte. Als ‹Chüngold in dr Stadt› in die Buchhandlungen kam, war der britische Soldat und spätere Sänger, Entertainer und Schauspieler Chris ‘Mr. Pumpernickel’ Howland mit ‹Rhythmus der Welt› auf dem Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR), den man auch in der Schweiz empfangen konnte, schon ein Jahr auf Sendung als einer der ersten bundesdeutschen Schallplatten-Jockeys, wie man damals englisches disc jockey übersetzte. Im Erscheinungsjahr selbst nahmen Bill Haley mit ‹Rock Around the Clock› und Elvis Presley mit ‹That’s All Right› Titel auf, die dem Rock’n’Roll und dem Rockabilly zum internationalen Durchbruch verhelfen sollten. Auch erschien der Roman ‹Stiller› von Max Frisch und schrieb Eugen Gomringer mit dem Aufruf ‹vom vers zur konstellation› das Gründungsmanifest der konkreten Dichtung, welche die moderne Mundartdichtung stark beeinflussen sollte. Im Jahr 1955 kam der Film ‹… denn sie wissen nicht, was sie tun› mit James Dean in die Kinos. Wir stellen fest, dass ‹Chüngold in dr Stadt› erschien, als ein von städtischen Zentren ausgehender, internationaler kultureller Wandel begann, dessen Hauptmerkmale die Ablehnung überlieferter Normen und die Anglisierung von Kultur und Sprache waren. Wir stellen auch fest, dass Maria Laubers Erzählung in vielem der Stossrichtung des Wandels entgegengesetzt ist. Chüngold, die Bergbauerntochter, verlässt zwar den elterlichen Hof und geht in die Stadt. Sie lässt sich dort zur Lehrerin ausbilden und tritt damit aus dem bäuerlichen Milieu heraus. Doch die Stadt als Lebensraum, der ihr am Anfang vorkommt wie ein Irrgarten, bleibt ihr fremd. Ihr ganzes Empfinden, ihr Sehnen und der Trost, den die oft Einsame sucht, richten sich auf ihr Herkommen, dessen Symbol, das man auch von der Stadt aus sieht, die Berge sind. Dies hat, bezogen auf die Autorin, zwei Gründe: Die empfindsame Maria Lauber hat die Bergwelt ihrer Kindheit, die wir aus der Erzählung ‹Chüngold› kennen, so verinnerlicht, dass sie sie mit aussergewöhnlicher Genauigkeit evozieren kann, wo immer sie ist. Um ihr Innenleben zu entfalten, braucht sie sie wie die Luft zum Atmen. Ihr Tal war für sie, wie sie in einem Gedicht sagt, «emitts, mitts in der Wäld». 10


Dass sie den Blick auf die Berge, als Symbol des Heilen, richtet, die Stadt im Rücken, hat aber, das soll nicht verschwiegen werden, auch ideologische Gründe. Die ideologische Bastelei des Schweizer Alpenlandes stellt die Schweiz als von Bergen umgürteten, hochgelegenen idealen Ort im Herzen von Europa dar, in dem freie Menschen die beste Luft atmen, die beste Nahrung zu sich nehmen, das reinste Wasser trinken und das beste Leben führen. Schlechtes kann nur von aussen kommen. Die Schweizer-Alpenland-Ideologie spielte vom 18. Jahrhundert bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts, z. B. bis zum Réduit-­ Gedanken, im Selbstverständnis vieler Schweizer und Schweizerinnen eine wichtige Rolle und brachte solche Missgeburten hervor wie Johann Jakob Scheuchzers homo alpinus helveticus.4 Maria Lauber, die in der Regel aus ihrem Erleben schreibt und sich nicht patriotisch äussert, verbindet just in der Erzählung ‹Chüngold in dr Stadt› Berge und Schweizerkreuz, und zwar in einer Szene des Kapitels ‹Trotz u Troscht›. Der Berner Professor Otto von Greyerz, der Maria Lauber ermuntert hatte, Frutigdeutsch zu schreiben, behauptete in seinem Buch ‹Die Mundartdichtung der deutschen Schweiz› von 1924, der Gegenstand der Mundartliteratur sei «das in allem Wechsel bleibende, gegen seinen Untergang im internationalen Gemisch der Menschen und Ideen ankämpfende Schweizertum».5 Er verordnete der Mundartliteratur damit die Verengung des Blicks auf die traditionelle ländliche Welt, eine antimodernistische, patriotische Haltung, sozusagen die Aussicht auf den Bergwall des Schweizer Alpenlandes mit dem Rücken zur Stadt. ­Diese vor allem im Berner Mundartschrifttum bis in die frühen 1960er-Jahre stark verinnerlichte Haltung heroisierte den traditionellen Bauern und schenkte der Mechanisierung der Landwirtschaft und dem beginnenden Bauernsterben keine Beachtung. Obwohl in den Erzählungen und Gedichten von Maria Lauber kaum Volkserzieherisches zu finden ist, weil sie ihr eigenes Empfinden und Erleben über alles stellte, ist sie von diesem mundartliterarischen Zeitgeist nicht frei. Er beeinflusst die Grundhaltung der Autorin so stark, dass in der Erzählung ‹Chüngold in dr Stadt› nicht das Bildungserlebnis am Seminar, das sie geistig beweglicher und freier machen sollte, im Zentrum steht, sondern das Leiden der jungen Frau an der Stadt und ihre unstillbare Sehnsucht nach den Bergen. Das macht bereits der Titel deutlich. Ihre Gänge nach Hause lesen sich wie Wallfahrten zum Gnadenort; einmal an Pfingsten pilgert sie denn auch zu Fuss nach Hause, obwohl sie nur zwei Tage frei hat. Wenn sie sich in der Stadt trösten will, denkt sie sich heim. Chüngold zieht eine klare Linie zwischen Berglern und Städtern, und Letztere beurteilt sie nicht immer freundlich. Als sie, wiederum im Kapitel ‹Trotz u Troscht›, im Unterricht die Soldanelle beschreiben soll, ist nicht sie, die 11


Bergbauerntochter, fähig dazu, wohl aber einige Stadtmädchen. Erst viel später, erfahren wir, habe sie begriffen, dass ihre Kenntnis der Bergwelt mit der Arbeit verbunden gewesen sei und nicht mit dem Vergnügen, und fügt, immer noch verletzt durch die erlittene Schmach, hinzu: «Die in der Stadt, die chöne saaft! Di chönen i d Ferie höi i d Bärga, u we si uber d Läger ewägg gah, su hii si linggs e Tokter u rächts süscht e Gleärta näbe ne, wan all Bluemen un ire Name hii gstudiert, aber äs, ds Chüngi, denn, het müesse wärhe.» Die Städter können sich vergnügen, die Bauern arbeiten: Das war ein Vorwurf, den ich mir als Kind von einigen bäuerlichen Verwandten mehr als genug anhören musste. II. Machen wir den Rahmen enger und blicken auf das mundartliterarische Umfeld, in dem ‹Chüngold in dr Stadt› erschienen ist, stellen wir fest, dass Maria Lauber in dieser Erzählung einen Stoff behandelt, der zu ihrer Zeit in der Mundartliteratur nicht neu war: die Seminarzeit. Viele Mundartautorinnen und -autoren waren Lehrerinnen und Lehrer, die Seminarzeit für sie ein wichtiger Lebensabschnitt. Die bekanntesten Lehrpersonen, die in Maria Laubers Lebenszeit Mundartwerke veröffentlichten, waren die Berner Simon Gfeller (1868–1943), Karl Grunder (1880–1963), Elisabeth Müller (1885–1977), Karl Uetz (1902–1965) und Ernst Balzli (1902–1959), der Solothurner Josef Reinhart (1875–1957), die Aargauerin Sophie Hämmerli-Marti (1868–1942) und Laubers Jahrgänger, der Schaffhauser Albert Bächtold (1891–1981). Niemand hat bis heute darüber nachgedacht, wie diese Lehrerdominanz, die übrigens auch zu Beginn der modern-mundart-Bewegung anhielt mit Ernst Eggimann, Ernst Burren, Fritz Widmer und anderen, zu erklären ist und was sie z. B. bezüglich des Selbst- und Weltverständnisses dieser Autoren, ihrer literarischen Themen, ihres häufigen autobiografischen Ansatzes beim mundartliterarischen Schreiben und der volkserzieherischen Tendenz in vielen ihrer Mundartwerke für Folgen hatte. Den Grundstein für die mundartliche ‘Seminarliteratur’ legte, soweit ich den Bereich überblicke, Simon Gfeller mit ‹Seminarzyt›, das 1937 erschienen ist. In diesem Episodenbuch, das den Untertitel ‹Chrütli u Uchrütli us eme Jugetgarte› trägt, erinnert sich Gfellers Alter Ego Fabian Hummel als älterer Mann an seine Seminarzeit. Er fungiert als Sprachrohr Gfellers, der beim Erscheinen des Buches 69 Jahre alt war und als erfahrener Volksschullehrer an der Art, wie er am Seminar ausgebildet worden war, kaum einen guten Faden lässt. Im Kapitel ‹Vom Reglemänt u Paragraph› moniert Fabian Hummel, dass der Unterricht auf Misstrauen aufgebaut gewesen sei und nicht auf Vertrauen. Im darauffol12


genden Kapitel ‹Zöglinge!› empört er sich darüber, dass die Seminaristen dreieinhalb Jahre als «Zögling» bezeichnet und mit dieser Bezeichnung erniedrigt worden seien, denn das Wort gehöre in eine Reihe mit «Säugling, Weichling, Schwächling, Särbling, Fürchtling, Feigling, Flüchtling, Frächling, Sträfling». In ‹Vo Pappen u Gips› ärgert er sich über den Zeichenunterricht, in dem Farbe kaum vorgekommen sei, der nie im Freien stattgefunden und ihm, dem begeisterten Zeichner, das Zeichnen verleidet habe. In ‹Schwarmzyt› nennt er, was er vorgesetzt bekommen hat, «Bildungsabsud», der ihm in diesem «Widerchäuerbetrib» vorgesetzt worden sei. Er beklagt die «trocheni Ruschtig i de Lehrbüechere», die ihn dazu veranlasst habe, nachts in eine Rumpelkammer zu schleichen, um dort zwischen Glasschränken Heftchenromane zu lesen: «I de Glaschäschten inne het es ganz Reie Schädle, Biis u Gripp gha u usgstopfeti Tier verschidener Art. U die Gripp u das Usgstopfete hätti ou für die meischten angere Fächer chönnen als Zilpunkten u Sinnbilder gälte. Meh oder minger het schier der ganz Lehrstoff müessen abghutet, usgmetzget u usbeindlet wärde, für nes subers, bruuchbars Examegripp usez’ubercho.»6 Das Buch endet denn auch mit der Ermahnung, dass derjenige, der erziehen will, selbst erzogen sein und unablässig an sich arbeiten muss. Deshalb sei Lehrer «eine vo de schwärschte Bruefe, aber ou eine vo de adeligischte».7 Simon Gfellers ‹Seminarzyt› ist eine Fundamentalkritik, die dem damaligen Lehrbetrieb im Seminar Hofwil vorwirft, er sei auf Unterordnung und Misstrauen aufgebaut, einseitig auf trockene, systematische Stoffvermittlung ausgerichtet gewesen und habe alles Lebendige und Menschliche vermissen lassen; die Lehrer, mit Ausnahme des Musiklehrers Hans Imbart, hätten vergessen «Möntscheseele z’förme».8 Weil sich Simon Gfeller, wie bereits in ‹Drätti, Müetti u dr Chlyn›9, nicht entscheiden kann zwischen Erzählen und Belehren, wirkt das Buch wie eine misslaunige Standpauke. Otto von Greyerz bemerkt im Brief an Gfeller vom 13. Dezember 1936, ‹Seminarzyt› sei «die erste Arbeit von Dir, die mir einen mühsamen Eindruck macht und die einzige, die mich nicht von Herzen freut». Hummels Seminarzeit komme ihm vor «wie eine Schlafzeit ohne Weckruf».10 Ein Jahr später, also 1938, erschien ‹Lehrzyt. Gschichten und Bilder us mym Läbe› des auf einem Hof in Galmis aufgewachsenen Solothurners Josef Reinhart. Das Buch enthält dreizehn Erzählungen, von denen sich nur die ersten drei, ‹Frog und Antwort›, ‹Dr Herr Pedäll› und ‹Dr Röteli›, auf Reinharts Seminarzeit in Solothurn beziehen. Die in der Ich-Form geschriebenen Episoden schildern drei misslungene Streiche, an denen der Ich-Erzähler beteiligt ist, und die, weil die betroffenen Personen klug reagieren, zu Lebenslehren für den Autor geworden sind. Die Geschichten Reinharts, der sich stark von seinem 13


unermüdlichen Berater Otto von Greyerz leiten liess, sind ganz der Erbauung und der Volkserziehung verpflichtet. Ein Werk von ganz anderem Charakter legte der Schaffhauser Albert Bächtold 1947 mit dem Roman ‹De Studänt Räbme› vor, dem dritten Teil der Mundart­ romanreihe über Peter Rebmann, einer biographie romancée, in der er seine Lebensgeschichte niederschrieb. Der Klettgauer Bauernsohn Peter Rebmann, ein Einzelkind, ist ein aufmüpfiger Bursche, der früh seinen Vater und kurz vor dem Eintritt ins städtische Seminar auch die Mutter verloren hat. Er will studieren, damit er wegkommt aus dem Dorf, in dem ihn nichts mehr hält, nachdem der elterliche Hof versteigert worden ist. In dieser Hinsicht ist er eine Gegenfigur zu Chüngold. ‹De Studänt Räbme› ist ein veritabler, farbiger Roman mit einer geschlossenen Handlung, welche deutlich macht, dass Peter Rebmann während seiner Seminarzeit einerseits geistig gefördert wird, andererseits in eine weltanschauliche Krise gerät, aus der ihm niemand hinaushilft. Wie Simon Gfeller erteilt Bächtold der allzu intellektuellen Wissensvermittlung, welche die Gefühle erstickt, eine Absage. Sein Protagonist, der sich als Bauernjunge aus dem Dorf im städtischen Milieu oft zurückgesetzt fühlt und deshalb aufbrausend ist, verhaut beinahe sein Abschlussexamen, weil er, aus Ärger über schlechte Noten in Mathematik und Naturkunde, das Aufsatzthema ‹Wie stelle ich mir meine Zukunft vor› benutzt, um die Ausbildung am Seminar zu kritisieren und seinen Lehrern die Leviten zu lesen. Farbe gibt dem Roman auch die fiktionale Kontrastfigur des steinreichen und frühreifen Joe Massey, eines Schwarzen aus Brasilien. Massey verkörpert Bächtolds Hang zur Extravaganz, welchem er in einer späteren Lebensphase, als er wohlhabend war, Raum gab. Der Bächtold-Biograf Kurt Bächtold schreibt in ‹Mundartdichter Albert Bächtold 1891–1981› von 1978: «Im ‹Studänt Räbme› lässt Albert Bächtold seine Erlebnisse während der Pubertätszeit mit all ihren Ängsten, Sehnsüchten, Illusionen und Hoffnungen an unseren Augen vorüberziehen. Die meisten Begebenheiten stimmen mit der Wirklichkeit überein, andere hat er in dichterischer Freiheit hinzugefügt. Was er über die Eindrücke und Erfahrungen des Bauernbuben in der Stadt schrieb, dürfte allgemeine Gültigkeit haben.»11 III. Mit Blick auf ‹Chüngold in dr Stadt› ist Kurt Bächtolds Behauptung von der «allgemeinen Gültigkeit» fragwürdig. Heutige Leserinnen und Leser müssen zur Kenntnis nehmen, dass Peter Rebmann und Chüngold, die aus einfachen bäuerlichen Verhältnissen in die Stadt kommen, um sich am Seminar ausbilden 14


zu lassen, aufgrund ihrer Kleidung, ihrer geringeren finanziellen Möglichkeiten, und Chüngold auch wegen ihrer Mundart, auffallen. Während sich Peter Rebmann gegen dieses Anderssein aufbäumt, dann durch Fürsprache eines Lehrers finanzielle Hilfe bekommt und besser integriert wird, bleibt es für Chüngold, die während ihrer ganzen Seminarzeit in äusserst prekären finanziellen Verhältnissen lebt, die bestimmende Kraft, an der sie alles misst, was ihr widerfährt und begegnet. Wer das Buch liest, bekommt den Eindruck, dass die junge Frau zwar mit Lehrstoff gefüttert, sonst aber allein gelassen wurde. Die Folge ist, dass die Kluft zwischen «ich» und «die in der Stadt», ob es sich um Seminarkolleginnen, manchmal als ‘Stadttächtere’ bezeichnet, Lehrpersonen, Vermieterinnen oder andere Leute handelt, grundsätzlich unüberbrückbar bleibt. In dieser Kluft, in der sich Scham festsetzt, weil Chüngold von Geld lebt, das sich ihre Eltern vom Mund absparen müssen, nistet sich bei Maria Lauber unüberhörbar ein gewisses Ressentiment ein. Eine Schlüsselszene ist Chüngolds Ankunft in der Stadt. Es ist Nacht und sie wird von niemandem abgeholt: «Wa söll äs hii? Un es schemt sig, dass für inis nieme het gsorget.» Eine ältere Kandertaler Seminaristin bringt sie in eine Mädchenherberge. Die Angst, das Dach über dem Kopf zu verlieren, bleibt eine ständige Begleiterin Chüngolds. Einmal vergleicht sie den Nebel in Bern mit einem «Totelylache» und behauptet, es gebe «eghis Läben in däm grauwe Wubb». Ganz verschieden seien die Welt im Unterland und diejenige zu Hause, meint sie und behauptet halbherzig, sie sei «schöe am beäden Orten». Doch die beiden Orte liegen weit auseinander, sowohl geografisch als auch in ihr. Nicht zwischen der Stadt und der Welt ihrer Herkunft verläuft die Hauptzäsur für Gfellers Fabian Hummel und Bächtolds Peter Rebmann, sondern zwischen dem pädagogischen Ungenügen des Seminars und den nichtbeachteten emotionalen Bedürfnissen der Studierenden. Beide männlichen Autoren fühlen sich aufgrund ihrer Lebenserfahrung berechtigt, das Ungenügen zu kritisieren. Simon Gfeller macht es, literarisch wenig überzeugend, in Form einer Standpauke, für deren Argumente er Gültigkeit beansprucht. Albert Bächtold entwickelt seine Kritik implizit und literarisch gekonnt im Handlungsbogen eines farbigen, vielstimmigen Romans. Es dürfte interessant sein, die beiden Bücher heute zu lesen mit Blick auf die kapitalistischen Wirtschaftlichkeitsforderungen an die Schulen in einer Welt, deren Zustand gerade wegen des blinden Effizienzstrebens immer prekärer wird. Oder im Zusammenhang mit der aktuellen Humanismus-Diskussion, zu der Volker Gerhardt mit dem Buch ‹Humanität. Über den Geist der Menschheit› von 2019 einen gewichtigen Beitrag beigesteuert hat. 15


Über das peremtorisch urteilende Selbstbewusstsein ihrer beiden Schriftstellerkollegen verfügt Maria Lauber nicht, in unserer genderbewussten Zeit mag das eine wichtige Feststellung sein. Sie weiss nur, was sie während ihrer Seminarzeit gefühlt und erlitten hat, und durch den Filter dieser erinnerten inneren Befindlichkeit und Befangenheit blickt sie zurück. Deshalb bleibt Chüngolds Fremdsein übermächtig und die erlebten Seminarepisoden, seien sie positiv wie die gelungenen Aufsätze, die sie der Klasse vorlesen darf, das Erlebnis guter Dichtung, die sie existenziell ergreift, und der wunderbare Moment, in dem ihr das erste Gedicht gelingt, das sie akzeptieren kann, seien sie negativ wie die Unfähigkeit, sich auszudrücken oder eine Soldanelle zu beschreiben, flackern wie Sterne in die Düsternis existenzieller Verlorenheit, die bis zur Patentfeier anhält. An Margaret Rieder-Trafelet schrieb Maria Lauber noch 1961 über «alles Schwere, das [sie] im Seminar erlebt»12 habe. Sie war eine von der Seminarzeit Gezeichnete und es vergingen Jahre, bis sie sich wieder getraute, nach Bern zurückzukehren. Streng genommen ist Maria Laubers ‹Chüngold in dr Stadt› kein Buch über die Seminarzeit, sondern eine Studie über die Unmöglichkeit, sich von der Welt ihres Herkommens zu lösen. Viel mag dazu beigetragen haben: Erstens die anerzogene Pflicht zur Bescheidenheit, die auch verlangte, dass man nur sprach, wenn es nötig war. «Ja, chöne rede», klagt Chüngold an einer Stelle: «We ds Chüngi das hetti chöne! Die Stadttächteri syn ufgstanden in der Schuel, we si in der ‹Iphigenie› hii gläse, u hii greferiert u prichtet, mi hetti chöne miine, si hetten di Frou bchennt. […] Die vam Land syn di Stillere gsy, hii meä gschwügen ol oppa es churzes Sätzi g’antwortet u sy blybe sitze. Äs, ds Chüngi, het nüt chöne säge.» Nur im Schreiben kann sich Chüngold einen beschränkten Freiraum öffnen, in dem sie nicht zweifelt und nicht angezweifelt wird. Ihre Schöpferin, Maria Lauber, blieb zeitlebens eine schlechte Rednerin, sie fragt 1966 in einem Entwurf für eine kleine Rede: «Wie weän ig og zum Schrybe cho, wen ig chönnti rede.»13 Aus Bescheidenheit und Sprachlosigkeit erwächst die Einsamkeit, der sich Chüngold schmerzlich bewusst ist und unter der sie leidet: «Un es hetti eso gäären e Mentsch ghabe, wa’s mengischt hetti chönem by ma syn u mit ma rede.» Zweitens der auf strengen Bibelglauben gegründete Protestantismus, der für Maria Lauber die Sünde zu einem übermächtigen Problem machte; sie durfte keine Sünde begehen, aber sie wusste nicht, was eine Sünde eigentlich ist. Chüngolds Schrecken über den bibelkritischen Religionslehrer im Seminar spricht Bände: «Wi tarf dä Maa, wi tarf e Mentsch sig uber d Bibli stele!» Und: 16


«Iis Wunder nam anderen ischt usbbiindlet u zergrüblet un erklärt worde, bis dass nüt meä drand ischt gsy.» Chüngold wirft dem Seminar gar vor, es erziehe zur Ungläubigkeit. Drittens das Wissen, dass die Ausbildung gelingen musste und dass eine Liebschaft nicht möglich war, weil sie einen Verrat an den Eltern bedeutet hätte. Viertens die Unfähigkeit der Lehrpersonen, die tiefe Verstörtheit von Chüngold zu erkennen und ihr zu helfen. Dieser ganze vernetzte Kosmos an Einschränkungen und Grenzen wird in ‹Chüngold in dr Stadt› mit einer minutiösen Genauigkeit entfaltet, die Bewunderung verdient, aber zuweilen auch irritiert. Einen Gedanken der Existenzphilosophie verwendend lässt sich zu ‹Chüngold in dr Stadt› sagen: Der Mensch ist seine Existenz, daran kann auch das Seminar nichts ändern. Dies deutlich zu machen, ist das Hauptverdienst des Buches. Ich kenne kein anderes Mundartbuch, das eine zutiefst erschütterte Frauenpsyche derart eindringlich beleuchtet. ‹Chüngold in dr Stadt› wurde von der Leserschaft etwas weniger warm empfangen als ‹Chüngold›, die Geschichte des Bergbauernkindes im gehätschelten Schweizeralpenland, das als Idylle lesen konnte, wer nicht gezwungen war, dieses karge Leben selbst zu leben. Dabei ist ‹Chüngold in dr Stadt› einfach die andere Seite der Medaille. Chüngold ist in der fremden, für sie kafkaesken Welt der Stadt in gewisser Weise aus der Gnade gefallen und sie weiss wie der Landvermesser K. in Kafkas ‹Schloss› nicht, wer sie wofür schuldig gesprochen hat. Editorische Notiz zu ‹Maria Lauber und die Macht des Herkommens›: Der hier erstmals veröffentlichte Aufsatz ‹Maria Lauber und die Macht des Herkommens› wurde von Christian Schmid eigens als Einleitung für die vor­lie­gende ‹Chüngold in dr Stadt›-Ausgabe verfasst.

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ChĂźngold

in dr Stadt

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Es grosses Ziil

Anmerkungen S. 180 ff.

Ds Chüngi1 giit di eärschte Jahr i d Schuel. Es ischt uf em Bsetzistuel2 gläge. Es het saaft3 chöne. D Arbiit ischt grad gmachti gsy, d Mueter nüt umewäg u net z fürchte, dass4 öpper rüeft: «Chüngi, chumm hilf mer!» – «Chüngi, gang riich mer!» Für Ggauwelochtigi5 het’s der Sack, wan da am Siil ischt ghanget, gnun6 u het ne mit iir Hand ot7 ma an der Wand feschtghabe, dass er ischt wien en Umhang uber ma gsy. Di luubi8, warmi Suna het dür d Lückeni zwüss9 de Fäden düürgschinen un ischt i tuusig goldige Zwitzerstrahlen10 uber sys G ­ sichti ggange. Uber ali Matta ewägg hii d Höuwstruffla11 gsunge mit höejen u tüüffe Stime. «Sum-m-m-mer, Sum-m-m-er», het’s gmacht. Un ischt doch gar net wahr gsy. Der Summer mit syne tuusig Farben uf em Riindi12 ischt verby gsy, ud13 di maschtig14 grüeni Eämdwiid15 mit de Zytlosen16 drind het gnuegsam17 darta, dass’s Herbscht ischt. «Wen ig doch og esmal chönnti e Leäreri gä!» Ds Chüngi ischt sälber fascht draab erchlüpft, dass ima18 underiinischt19 där Gedanken dür ds Hüüti20 gfahren ischt. Grad eso, wi’s im Ustig21 d Säämeni vam Süuwblueme22 het gseä flüge. Mi het net gwüsse, wahar dass si chöme. Uf ds Mal sy si da gsy, verbygritten im Luft ol23 hii sig am nen Ort nidergla. U jitz ischt ima, net zämezelt24, es söligs Säämi i ds Huut. E Röeti ischt ma i d Wängeni gfahre, endig25 bloss het se sig ufgha für z gugge, ob imel nieme26 twäga27 sygi. Nii, im Öpfelbüümi näb em Gartezun wiigget28 es Bletti iisderdar29 der glyhewäg in der Sune, wes dass’s wellti säge: «Wier wüsse va nüt.» Ds Chüngi het sys Huut umhi nider uf e herte Stuel. U sinet30 u sinet wyter. E Leäreri hii si drum uberchon uf der Sunnsyte.31 Sie, wa süscht ging32 numen e Schuelmiischter hii ghabe. Un es gseät sig inhachon i d Schuelstuba am eärschte Tag, wa si ischt da gsy. Aber33 z speäts. Oh, wie het se sig gschemt! Ali sitzen in irem Benken u lose, dertwylt dass iis het erzelt, öppis us der Religion. U d Leäreri sitzt da uf em Pult, grediuuf u grossi, u gnädig u luubäärtig34 tüttet si mit dem Huut ja zun däm, wa ds Chind erzelt. En iifacha Umbinderschurz35 het si and ghaben un am Hals­ chrägli e Prosche, grossi win es Täli36 mit Chrälene37 zringetsum. Eso gseät se sa vur ma u würd sa va jitz aa ging däwäg gseä. Si isch ma luubi worden u, für sches vorewäggz’näh, es Vorbild speäter sys Läbe lang. U jitz – wen äs og esmal e Leäreri – – Schrybe wellte se si leäre, di Chlyne. Jitz e Zyla eso, ud di anderi däwäg – schöe müesste si schryben u Flys38 müsste si ha. Es gseät, wi se sig also grosses va syr Höeji aha het zun iim u ma d Taafela nahigugget.39 Un es wellti e Luubi sy zue ne, aber uh, si müesste ma folge! Un äs wohnti im Schuelhuus u hetti all Tag Brot z Morge, net Röeschti ol fürschig40 nug gsotte Härdöpfla, wi sie undermale41 müesse ha, we net gnueg 21


Häbla42 sy für Röeschti. Nie meä bruchti’s ds Brot z sparen u d Schnätzeni z zele – was sägen ig: Brot! Weggleni hetti’s z Zmorge, rundi, wyssi Weggleni, all Morge! U zringetsum um en grosse Tisch seässe syner Chind, un ali hette Weggleni z Zmorge. Ud der Vatter – nii, Maa wellti’s eghina.43 Da weän eghi Vatter. Es weän drum alz angnoni Chind. De bifuli nieme wyter wan äs. U zun de Pfeäschteren inha guggeten di höeje Tani, wa vur em Schuelhuus stah – «Chünga-a! Wa bii-ischt? – Ga Holz riihe!» «Oh du – » Ds Chüngi chnirschet mit de Zende, wa’s ufhet. Ging chnirschet’s mit de Zende, we’s tuubs ischt u nüt tarf säge. U meä wan iinischt es Tags isch’ ggrüetlets.44 Ol es bysst sig für45 Tüübi i chlyne Finger ol uf en undere Muläschpe.46 Iismal het’s es Stücki Holz z chlyne Fätzene zerbisse. D Mueter het glychgültig glachet, wa si’s gseä het. Das gäbi starch Zend, het si gmacht. Aber iinischt, wa’s es vam Schrybe hii gsprenggt47 u’s destwäge für Wuet der Griffel am obere Rand zermürdet48 het, da isch’ druuf schüüchter49 gruwwes50 gsy: si hii net Gält für aliwyl nüuw Griffla. Da isch’s de nug biliger cho – aber ds Chüngi schemt sig, we’s dra sinet – isch’ nüüschti51 tüendliger52 gsyn iismal, wa ma ds Chrischteli53 sys Mässi net het welen gän u ses het i Trog ahighyt: mitsant54 sym engge wuligen Ermel, wa fürhachon ischt bis zum Chnödli, het’s ds Ärmli embraab gsteckt i ds Wasser, dass das z Zubenen55 ischt dervaanglüffe, wa’s d Hand mit dem Mässer umhi het emuehazoge. Aber dass si due nug däwäg glachet hiin uber sy hülflosi Wuet, wa’s drind ischt erworget56, dass si hii möge lache, ds Chrischtetli u ds Elsi57, wan dernäbe gstanden ischt, das het’s net chöne vergässe. Wurdi äs, wan eso tuubs würd, e Leäreri chönen gä? Ach wass! Es möchti doch niemale gcho im nen Exame! 58 Syder däm summerlige Herbschttag het ds Chüngi mengischt dran gsinet, wi’s wurdi sy, wen äs wellti prabiere Leäreri z wärde. Aber, wa wellte si imel og ds Gält harnäh! Sie, wa müesse gugge, wi’s chöne zinse! U wi söllti äs möge gcho! Nume – wärum säge si denn ging, äs sygi es gschichts? Gwüni59, wa ds Chüngi der lescht Winter ischt z Schuel ggange, het’s gwüsst, dass’s sövel wyt ischt: dass’s chan ga gugge, ob’s mögi gcho für i ds Seminar. Un, oh där luub Att! Er gluubi, er chöni’s scho mache, het er dem Schuel­ miischter zlescht gsiit, wan ging het a ma tramächtet60, für sy Tächter61 la z bschuele.62 Oh, der luub Att! Er gangi uf d Kassa63 u ga gugge für ne Kredit. Nume, jitz het ds Chummeren eärscht angfange für ds Chüngi. Uf inis inzig un elinzige chunnt’s jitz drufab, ob’s chöni Läereri wärden ol net, ob’s disewäg gangi ol en andera Wäg. 22


Maria Laubers Geburtshaus an Prasten / Frutigen U nie het’s es dem Elseli vergässe, wi’s es tröeschtet het esmal. En grauwa Sunntignamittag isch’s gsy. Sii zwüü iinzig in der Stube. Ds Zyt an der Wand het pigget u pägget64 liechtlig65 in der Stili iisderdar. Si syn am Tisch gsässen u hii mitenanderen öppis prichtet ud ddorffet.66 Jitze schwüge si. Ds Chüngi het sig uber e Tisch yngla67, stützt sig uf d Ällbogen u gugget zum Pfeäschter uus, wan der Näbel dervor hanget win es grosses, grosses graus Tuech. Uf sym Gsicht un i synen Uugne widerschynt das bliichtaa68 Liecht. «Was sinischt eso? – Was hescht?», fragt na nere Lengi ds Elseli. «Wen ig doch glych net mag gcho.» «Sinischt du jitz all69 numen däm nahi!» Un es Verwunderen u schier es Ufatme lyt i ds Elsis Stimm. «Du muescht net Chummer ha. Du magscht sicher gcho.» «Aber us öeser Schuel, eso va wyt näbenuus. Müesse möge gcho, mit dänen us der Stadt.» «Ds Marili va Ried70 het og inhi möge.» «Das het drum nug es Jahr lenger gmacht. Das chönnt ig net. ,We d’ ds eärscht Mal net magscht gcho, es zweits Mal tarfscht net ga prabiere’, het d Mueter gsiit.» 23


«Du magscht scho gcho.» Un es ischt e söligi Zueversicht un e söligi Lüübi71 in däm Tröeschte, dass ds Chüngi rüewigs72 würd. Andersch, toocht’s es jitz, schlaji ds Zyt wan dervor, u feät’s net in de Näbelfäälde73 vur em Pfeäschter aa walen74 u sig lüfte?75 U ds Chüngi het ufghaben un ischt usi i d Chuchi ga Zvieri mache, wi’s ma ischt bifoles gsy. Oh, du luubs Elseli. Was het ds Chüngi für ne Flys ghaben där Winter! Gleärt u gleärt. Niemale meä het’s das gmacht, wa’s iinischt het wele prabiere, wa’s ischt an de Rächnige z mache gsyn in der hindere Stube. Ds Becks Frideli het’s esmal der Ufsatz dürhigläsen, de Feälere twägen76, u het due derfüür es Läsihefti van däma ubercho. Due grächet’s77 ds Rächnigsbüechli uf e Tisch, Tinta u Fädera u Papyr u schleät nug ds Geografiebuech uuf dernäbe. Aber under em Buech under het’s das Läsihefti ghabe. Jitz het’s der iint Buechtechel uuf u stützt ne wien e Wand a sys Wang78 uf der Syte gäge d Stubestür u list im Hefti z rüuwenewys79 u rächnet denn umhi dernäben u list – Due giit d Stubestür uuf, u d Mueter wott öppis ga riihe. Es het ds Buech ahiglan uf ds Heftli, ischt mit dem Finger enere Zyle nahigfahren im Rächnigsbüechli u het ta, wes dass’s tüüf i syne Rächnige vergrabes weä. Aber es gspürt nüt wan80 der Blick va syr Mueter, wan uber sys Huut un uber syner Büeher giit, en inziga, grossa Blick: «Du bischt woloppa81 net ging am Leäre.» Es Verwyssen82 u schier gar um d Weli83 es Tröuwen84 ischt in däm Wort. Es ghöert ses säge wi van obehar85, wen uber en arme Sünder ds Urtiil gsproche würd u si der Stab brächen uber ma86, wi d Mueter esmal het zelt87, dass si tüejen im Gricht. Nu lang isch’ ma gsy, wes dass sys Huut mitts ina weän im Ruusche vam nen grosse Wasser, eso het ma ds Bluet gwalet i synen Ohrnen un i sym Gmüet. Nüt, gar nüt cha ma mache, wa d Mueter net merkt. Oh, jitz hette’s es niemeä prabiert. Jedi fryji Stund, wa’s het ghabe, isch’s ga leäre. Sulang dass ds Liecht in der Stuben ischt gsyn ud di andere hii Härd­öpfla gschöent88 ol Strümpf griiset89, het’s in der Stube gleärt; het d Mueter d Lampa i d Chuchi gnu für ds Znacht z rüschte90, ischt äs og usi u het sig a Schaft gstellt näb e Chuchitisch u het gleärt, steändligse, dass’s niemem der Platz furtnämi un am Wäg sygi. U lengerschig meä isch der Winter vorgrückt, u ds Examen ischt byjer91 cho. Zlescht usi92 het ds Chüngi angfangen u het nug d Nacht zum Leäre gnu. D Nacht, wan ali syn am Schlafe gsyn u sövel e Stili ischt gsyn in der Stube. Dr Att, wa’s süscht nie hetti tolet93, dass nug iis weän ufbblibe, wen die anderen under sy, scho wäg em Öel z bruhe, er het gschwügen un ischt i ds Bett. Ds Chüngi sitzt am Tisch u leärt. Dann ud wann94 es Blatt litzt’s vürersch, dernah het’s d Uuge zue u prabiert, ob’s jitz usswendig wüssi, was’s gläse het. Für inis sälber het se sig e Plan gmacht u widerholt d Gschicht u d Geografie, 24


wa’s vur Jahre het gleärt in der Schuel. Es schleäferet’s nüt. Undermale tuet’s em Blick zur schwarzwyss tschäggete Chatz, wan uf em Ofe schlaft, d Nasa aha uf der Stiimblatten u d Ohre laassi.95 Es würd se chum innd96, was’s gseät. «Chüngold, gang jitz og i ds Bett!» Vam Bett har, wan in der Stube stiit, mahnet dr Att mit mildter Stimm. Er ischt yngschlafna gsyn un umhi erwachet. Er cha net schlafe, we nug öpper liechtet.97 Ds Chüngi tschaargget98 es bröesi99 mit de Schuenen u liit es par100 Büeher vürersch, dass dr Att miini, es sygi am Denarume101, u leärt wyter. Yfriger jitzen u fascht mit Härzchlopfe. Dr Att würd nug iinischt rüeffe, ud de muess’s denn gah. Es leärt u leärt. «Als Napoleon mit seinen Truppen in Russland einzog ... » Vur den Uugne van däm föfzähjehrige Chind, innerlig, tuet sig di wyti, wyti russischi Steppen uuf, Soldate marschiere – Aber hie, vur de Pfeäschtere, gruppet di stili, chydigi102 Nacht. «Chüngi, gang under!» Ds Chüngi isch zämezückt. Es stiit uuf u rugget mit dem Stuel. Dernah setzt se sig umhi u leärt. Jitz nug: «Die Flüsse Nordamerikas – die Ströme Indiens heissen – » «Chüngold!» Schier win öppis Weätües103 lyt’s in där Stimm, wa ds Chüngi fascht bhärziget104, ud denn glych umhi win öppis schier Tezidierts. «Ja», siit’s hurtig, rumt zäme, stiit uuf u ziet ab. Net es iinigs105 Mal weä’s sym luube Müni106 uber ds Pelzi gstriche, eäb107 dass’s ds Liecht het glöscht u sig het nidergliit. I tüüffe, rüewige Züüge ziet’s der Atem u lüuwet.108 Was jitz passiert ischt in de leschte Wuche, in der Schuel ud dahiime, das ischt dem Chüngi alz viil tüüffer inhi wa süscht, u sums109 het’s speäter, dür sys Läben düür, nie vergässe. Da ischt afen das gsy vam Ani.110 Ds Ani het ds Schnydere gleärts ghaben u jitz undermalen öppis chöne verdiene. Aber es ischt nug grüüselig weänig gsy, was’s het mögen ergä: hie e Tropf ud da e Tropf. U net mit Fränkene het’s sys Verdienscht zämezelt, das ischt um Halbfränkeni, Zwenzgeni u Zächnera ggange. U nieme van inen ale het eso ghuset111, wi ds Ani het ghuset. Im bblüemelete Schäftli het’s es Chächti112 ghabe. Da dry het’s alz ta, wa’s verdienet het. Zähe Halbfränkeni gä ja schon es Täli u vier Täleni es Näppi113 – ds Ani het iina gääre ghaben114 u hetti vüür u vüür115 öppis welen aaschaffe, dass’s de chönnti hürate. Ud due esmal, wa ds Chüngi ischt am Leäre gsyn in der hindere Stube, chunnt ds Ani inha un öppis uber ds Schäftli.116 Dernah cheärt se sig um. «Gugg, da hescht e Zächner. We d’ esmal oppa umhi es Heft mangtischt z ha.» Ud dermit tuet’s d Schäftlistür zue u giit emdürhi117 in di anderi Stuba. Ds Chüngi het’s zeärscht fascht net törfen anguggen u gsinet, es hüüschi 118 ma’s umhi emzrugg. Es het der Bätze fescht in der Hand u gugget zur Tür. 25


Wan dia zuegiit, gschouwet’s das Gält ud dreäit ses um u chäärt119 ses der anderwäg: ja, das ischt sys. Tüüffer het’s jitz ds Huut, wa’s wyterrächnet, un um d Weli schier wott’s es an de Hende schütte. Eso ischt ds Ani, un äs – äs het ses iismal veranteret120, wa’s ma het bifole, es söli ga Holz riihe. U ds Elseli. Das ischt jitz im ene Platzli121 gsyn u het gäbig verdienet. Spare het’s net eso chöne wi ds Ani. Da het ds Chüngi es Sunntigs zue ma chöne. Es isch by ma gsyn u het ma zueggugget, wi’s het ghushalteret bi syr Herrschaft. Dernah ischt ds Elsi mit ma obeny122 i sys Stübli. Uf ds Mal tuet’s sys Ggumödeli uuf u ziet öppis Wysses vürha. «Gugg, das machen iig für diig. We d’ denn im Seminar bischt, mangtischt gäbigs Undergwand123 z ha.» U ziigt ma us lindem, wyssem Parchet angfangnu zwüü Paar Underhosi. Di lenge Neät sy scho gmachtu, es manglet124 nume nug ds Chlindera. Un in Gedankne gseät ds Chüngi sy Schweschter am Aabe, müedi vam Diene, wie se sig uber ira Neäjeta125 het u neäit, bis dass ra d Fingera aafeä gstabet wärden im chalte Stübli. Un äs söllti net Flys han u Tag u Nacht leäre? Oh, mengischt ischt dem Chüngi eso wohl gsyn in däne Tage, eso liecht, un es het gsinet, wohl, es chömi doch de nug esmal alzen guet. Imel denn, wa si gsunge hiin in der Schuel un es Lied hii güebt. Van ale Klasse sy si binenandere gsy, e Huuffe Chind. Si syn ufgstandni gsyn u hii gsunge, baal disa Satz u baal dä. Es Lied für ds Exame het’s sölen gä. Ussenaha, vur de Pfeäschtere, ischt nug der Schneä gläge, dicka u wyssa. Em bliihi Suna ischt druber gsy, un er het inhazüntet in di feäschteri Stuba. «Wie klein und schwach begannen die starken Wettertannen.» Eso hii si gsunge, vlicht es Dotze Mal, zeärscht di eärschti, dernah di zweiti Stimm, ud denn der Pass. U we si’s zwenzgmal sunge, es weän dem Chüngi rächt. Chönnti net us ima, wa jitz nu nüt ischt, og esmal öppis wärde? Di grossi Schärmtana126 gseät’s, innerlig, omna in ire Wiid, bartigi u ghudli.127 Der Luft fert dür scha düür, tüttlig ghöert’s, wi’s suuset in den Eschte, aber eghi Wiiggi128 tuet der Stamm. U wa si jitz umhi drachömen a ds Singe, da schmätteret’s usa us voller Ggäuwe129, was’s mag: «Wie klein und schwach begannen», dass der Schuelmiischter ma em Blick git un allwäg sinet, es tüeji’s. Aber iis ischt jitz gsy, wa ma het schwer gmacht, schüüchter schwer, syt es par Tage. Si hiin es Hefti ubercho, sie zwüü, wan i ds Seminar hii wele. E Proschpäckt, het ma der Schuelmiischter gsiit. Dadrind ischt dartas gsy, was si denn alz wurde chöne leären in där nüuwe Schuel. Numen es par Wort sy’s gsy, wan druus dem Chüngi i d Uuge gstoche hii: «Literatur ... die Werke der deutschen 26


Meister ... Lektüre und Betrachtung ... » Oh, esmal chöne läse, läsem bis gnueg, das wurdi’s sy! U sys Härz würd wyts für Früüd. Aber unerwartet het’s gcheärt. Mit däm Proschpäckt hii’s es zum Pfarer gschickt. Es het speäter nie meä rächt gwüsst, westwägen iigetlig. Es het sig notti130 eso gschemt, denn. Scho zum Pfarer z müesse, ischt öppis gsy, wa ma süscht net sövel gääre het gmacht. Aber jitz het äs nu müessen gan es Bröetli riihen i ds Dorf131 u het das söle hiimbringe. U wiis gar net, wahiin dass äs der Drüpfünder söll tue, dertwylt dass’s i ds Pfarhuus giit. U mues wääger, mit däm dickem brunem Brot under em Ärmli, d Stäga uehi un i d Studierstuba. Der Pfarer gschouwet dä Proschpäckt u bletteret drind. Dernah gugget er uuf u fragt: «Ja, woscht du jitz in das Seminar?»132 Er het nu meä gsiit, net viil, aber ds Chüngi ghöert süscht nüt wan di Frag. Uf em ganze Hiimwäg, uber ali Gassa uehi, lyt ma ging nug di Frag in den Ohrne. Es gseät sig stah vur dem Pfarer, mit sym Bröetli under em Ärmli, es ghöert sig säge: «Ds Notarsch Luiseli giit og in das», gseät, win der Pfarer jitz ufstiit, ds Heftli zutuet u ma’s umhi git un inis lat lan gah. Schritt für Schritt giit’s d Gassa uehi. Ja, es wiiss’s, dass viil i ds ander Seminar133 gah. Aber ds Luiseli het gsiit, das sygi ds Stündeliseminar, un äs het sövel viil uber d Stündeler134 ghöert spotte, dass äs net zun däne wott. Dernäbe het äs ja net gwüsst, was denn da iigetlig der Underschiid weä. Dahiimen erzelt’s der Mueter, was der Pfarer het gsiit. Es ischt Samstigznacht, d Mueter het ds Huupttagwärch gmachts u lüuwet es bröesi. Ging nug speäter gseät sa ds Chüngi sitzen am Pfeäschter, in ira iifachen Umbinderschurz, wa schier ging der glych ischt gsyn ud doch nie dräckiga; si niflet135 am Pfeäsch­ terrigeli, trybt ses mit iim Finger ging hin u har, wi si gääre tuet, we si dasitzt un öppisem nahisinet. «Es choschteti drum meä im andere Seminar», macht ds Chüngi. «Das isch’ äbe», siit d Mueter u gugget’s aa. «Aber we’s der an der Seäl söllti schade – si syge net fromi in där Schuel, wa d’ jitz dry woscht, het ds Marilis Mueter gsiit – » Dernah siit si nüt meä, aber si blybt da sitze, lang, u gugget zum Pfeäschter uus. Ud dem Chüngi isch’ sövel schwer, wa’s jitz var Mueter giit, in di hinderi Stuba, für dahiimen ga ds gringer Gwendli aalege. Weä’s net besser, es geängi vlicht doch i ds ander Seminar? We s’es für diz vermöge, vermöchte’s es vlicht für ds andera og. Aber wär wurdi mit ma gah, we’s de wellti ga ds Exame mache? Es wüssti nüt, wahii. Ds Marilis Mueter, das ischt ds Chüngis Basa136 gsy, ds Götti Köbis137 Frou. Wa’s ds eärscht Mal zue ra chunnt, hüuwt’s es aa:138 «Ud du woscht jitz i ds stedtisch Seminar?» Si ischt bim Tisch am Ässe gsy. Si git dem Chüngi em Blick, 27


giit dernah mit eneren Gableten gäg ds Mul u fert wyter: «Ja nu, mi würd da og chöne rächt sy», u redt van öppis anderem. Di luubi Basa. Ds Chüngi bchennt sa guet gnueg, für z wüsse, dass dia’s net liecht nimmt, we’s um ds Giischtliga giit. Su isch ma das, was si gsiit het, e söliga Troscht. Ud di leschte Wuchi sy vergange, un esmal ischt die leschti vur em Exame cho. Lang nu speäter het ds Chüngi an die leschti Wucha gsinet. Es het scho starch angfangen ustagen139, denn. Es gseät sig sitzen an ere sunige Schürliswand. In der Lüuwstund140, wa’s in der Schuel git zwüsse Vurmittag u Namittag. Di andere syn dahiimen am Lüuwen ol sy vlicht am Spiil mache. Äs sitzt hie, uf de Chnöuwnen es Buech, un ischt am Leäre. Nieme stört’s hie. Da isch der Wald u druber der blau Himel. In der Wyde, wa näb em Schürli stiit, flüge d Byjeni. Mengischt giit der Schatte van iima141 uber sys Buech. Aber es leärt. «Das Scharbockskraut ... mit seinen saftigen Blättern und den gelben Blüten ... » Iinischt gugget’s uuf. Würd’s ächt söligs müesse wüssen am Exame? Es bchennt ds Scharbockschrut nüt. Wär wurdi ma’s chöne ziige? «Scharbockskraut – » Vur ima, wyt änet an de Schlafeggflüene142, stübt’s uuf. E Wolhe va Schneä. E Louwena.143 – Für nes Umenti144 gugget das Chind uuf zun de Flüenen un im blauwe Himel, wan druber ischt. «Di Vatter ischt hüt bi mym Papa gsy», het ds Notarsch Luisi dem Chüngi gsiit zmorndrischt145 in der Schuel. Due hetti ds Chüngi in der Geografie bin iim Haar e schlächti Nota gha. Iisderdar a syn Atte het’s müesse sine. «Der Notar ischt my Huuptma gsy», het’s ne ghöert säge nuu iis Morgets, «i will zue ma, dass d’ mit ne chönischt, wen er mit syr Tächter i d Stadt giit, ga ds Exame mache.» Der luub Att. Es cha sig vorstele, dass er net sövel gääre mit dem Heer ischt ga rede. Aber er ischt ggange. U ds Chüngi gseät ne stahn i sym älbe146 Fäckerock147 vur däm fürnäme Maa. Für inis. Ging di Taga druuf het’s müessen dra sine. Sövel viil het dr Att für inis ta. Un äs? Het äs ne net iismal angloge? Das cha’s net vergässe, u sterher wachet’s ma jitz umhi uuf. Söllti’s ächt net gahn u söllti ma säge: «I ha glogen, denn?» Oh nii! Es cha net. Er wurdi schüüchter grüüselig tuuba. Es cha net vur ma stah. Är, wa’s sövel spitz148 nimmt mit der Wahrhiit. Är, wa miint, er hiigi d Chind erzoge, dass si wüsse, was das hiist: zur Sach stah. Dass’s eghim niemale149 numen i Sii cheämi, ima öppis z säge, wa net weä. Un äs het syn Att angloge. Es chan u cha ma’s net ga säge. Wi wurdi’s ne hert ha, das z erfahre. Jitz – jitz, wa’s angens150 furt wott van dahiime, jitz cha’s ma’s net ga säge. Speäter esmal vlicht – . Wi isch’ iigetlig gsyn, denn? In der Schuelstube, vur der Schuel. Si syn umhagsprunge, hiin enanderen der Lescht ggän151 ol öppis 28


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