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MS GEORG BÜCHNER
Zum zehnten Mal jährt sich der Untergang der MS Georg Büchner, die bis 2013 ihren Heimathafen in Rostock hatte. Auf ihrer letzten Fahrt ins litauische Kalipeda sank das ehemalige Ausbildungsschiff vor der Danziger Küste. Dort liegt es und bewegt noch immer die Gemüter, denn bis heute ist nicht eindeutig geklärt, warum die Büchner gesunken ist.
„
M ei ne erste Schiffsreise ging vom 13.10. bis 22.12.1973. Sie begann auf dem ehemaligen Lehr- und Frachtschiff MS
‚Georg-Büchner‘ und führte mich in die Niederlande, nach Kuba und Schweden. Ich hatte somit das Glück, als frischgebackener Matrosenlehrling eine solche Reise bereits im ersten Ausbildungsjahr zu absolvieren. Bereits beim besteigen des Schiffes packte mich die unendliche Erwartung und Sehnsucht andere Länder kennenzulernen. […]“ Das waren die ersten Sätze, die der heutige Schifffahrts-Journalist
Udo Horn in sein Tagebuch schrieb, um seine Reise auf der MS Georg Büchner zu beschreiben. Und ähnlich wie ihm ging es vielen jungen Vollmatrosen in der DDR, die auf dem Schiff einen Teil ihrer Ausbildung absolvierten. Besuchen können sie die Georg Büchner, die lange im Rostocker Stadthafen lag, aber nicht mehr. Der ehemalige Frachter ist am 30. Mai 2013 vor der polnischen Halbinsel Hel auf dem Weg von Rostock nach Klaipeda/Litauen mit einer Schlagseite von 45 Grad gesunken. Die Ursache für den Untergang ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Eine Theorie geht davon aus, dass das Schiff absichtlich durch den Schlepper
AJAKS versenkt wurde. Der Zick-Zack-Kurs, den der Schlepper mit der Büchner vollzog, könnte dies unterstreichen. Nach einem Artikel der Internetseite „Schiffe-und Kreuzfahrten“ aus dem Jahr 2013 würde eine solche Sternfahrt durchaus dazu dienen ein Schiff abzuwimmeln, aufzuschaukeln oder eine bestehende Schlagseite zu verstärken. Möglich ist auch, dass die marode Georg-Büchner den Belastungen einer Schiffsfahrt nicht mehr gewachsen war. Nach Aussagen der Reederei, die mit dem Transport der Büchner beauftragt worden war, habe das Schiff nicht mehr selbst navigieren können und sei ohne eigenen Antrieb durch die Ostsee gezogen worden. Zudem wurden vor dem Abschleppen einzelne Bullaugen, die einen knappen Meter über der Wasserlinie lagen, noch einmal verschweißt, um eine Fahrt überhaupt erst möglich zu machen. In Onlineforen wurde der Vorwurf geäußert, dass dies nicht sorgfältig passiert wäre und so ein eindringen von Wasser ermöglicht wurde. Unterstützt wird diese Aussage durch Eric Van Hooydonk, Vorsitzender des belgischen Vereins Watererfgoed Vlaanderen. (Sein Verein wollte die Georg Büchner über mehrere Jahre nach Antwerpen zurück holen und sie in ein Museum, Hotel und Restaurant umbauen.) Angeblich soll nach Aussagen von Augenzeugen das Schiff bei Verlassen des Rostocker Hafens bereits leichte Steuerboard Schlagseite gehabt haben. (Quelle: NDR/Schiffe und Kreuzfahrten) Warum das Schiff überhaupt den Hafen verlassen hat, ist demnach fraglich. Der damalige Hafenkapitän Gisbert Ruhnke kommentierte in mehreren Interviews, dass das Schiff regelmäßig auf Tauglichkeit geprüft wurde, auch wenn es in den letzten Jahren nur einmal seinen Liegeplatz von Schmarl in den Rostocker Stadthafen wechselte. Die Hülle des Schiffs soll nach seiner Aussage ebenfalls dicht gewesen sein. Mit dem bestehenden guten Wetter und einer üblichen Schleppgeschwindigkeit von vier Knoten hätte also eigentlich nichts schief gehen können. Ob somit eine der Theorien stimmt, ist nicht zu beantworten.
VON DER BELGISCHEN CHARLESVILLE
ZUR DEUTSCHEN MS GEORG BÜCHNER
Die Georg Büchner wurde von 1950 bis 1952 in Antwerpen/Belgien gebaut. Dort fuhr sie als Fähre unter dem Namen „Charlesville“ zwi- schen Belgien und Belgisch-Kongo und Angola. 1967 wurde sie von der DDR aufgekauft und zur MS Georg Büchner umgetauft. Zehn Jahre fungierte sie in dieser Zeit als Frachter und Ausbildungsschiff künftiger Seeleute nach Kuba und Mexiko. Udo Horn absolvierte 1973 als einer von rund 14 000 Seeleuten auf ihr einen Teil seiner Ausbildung zum Vollmatrosen. „Ich wollte was von der Welt sehen. Ich hatte das Glück, gleich im ersten Lehrjahr aufs Schiff zu gehen.“ Es folgten zwei Monate von Rostock nach Kuba mit Zwischenstopp in den Niederlanden. „Dann war ich mit 17 Jahren das erste Mal im kapitalistischen Ausland gewesen. In Kuba lagen wir dann zwei bis drei Wochen, weil der Frachter unter anderem Früchte und Tabakballen laden musste. Ich hatte durch die Hitze eine Art Abszess am Arm bekommen. Es war ja nicht so wie heute auf den Schiffen, auf denen ausgebildetes medizinisches Personal mitfährt. Da haben sie mir dann Alkohol auf die Wunde geträufelt und an Board aufgeschnitten.“ Zurück fuhren sie über Schweden und landeten kurz vor Weihnachten wieder im Heimathafen Rostock. Udo Horn fuhr danach kein weiteres Mal auf der Georg Büchner. Beendete aber seine Ausbildung nach zwei Jahren erfolgreich. Der Frachter war noch bis 1977 immer Mal wieder nach Kuba unterwegs bevor die Georg Büchner 1977 zum Ausbildungsschiff des VEB Deutsche Seereederei Rostock (DSR) wurde. 1991 wurde sie für den symbolischen Preis von 1 D-Mark zum Eigentum der Stadt Rostock, um es schon damals vor der Abwrackung zu bewahren. Zuletzt diente sie als Jugendherberge und Hotelschiff im Rostocker Stadthafen, bewirtschaftet vom Rostocker Förderverein Traditionsschiff. Dieser verkaufte das damals unter Denkmalschutz stehende Schiff an die Gesellschaft Argent Ventures Limited auf den Seychellen für angeblich 740.000 Euro, um
Udo Horn absolvierte 1973 als einer von rund 14000 Seeleuten auf der „Büchner" einen Teil seiner Ausbildung zum Vollmatrosen. (Foto privat) die Schulden des insolventen Trägervereins zu decken. Abzüglich aller Kosten brachte der Verkauf der Hansestadt Rostock nach Angaben des NDR 200.000 Euro ein, die der damalige Bürgermeister Roland Mehtling für den Erhalt des Eisbrechers „Stephan Janzen“ einsetzen wollte. Bis heute halten sich Theorien, dass die Georg Büchner aufgrund eines Versicherungsbetrugs sinken musste. Dies dementierte der Insolvenzverwalter Tobias Schulze des Förderveins Tradtionsschiff mehrfach, da die Deckungsumme niedriger als der eigentlich Kaufpreis war.
Der Dokumentarfilm
Der Kameramann Merlin Franke hat zu dem Schiff und dessen Untergang über mehrere Jahre den Dokumentarfilm „Georg Büchner – ein Schiff mit Geschichte“ gedreht. In ihm kommen Zeitzeugen aus Antwerpen und Rostock zu Wort. Das auf Grund liegende Schiff wird ebenfalls einen Platz bekommen. Franke konnte, dank einer Sondererlaubnis, das Wrack abfilmen. Ein Vorgang, der ausschließlich Experten des polnischen Meeresamtes Gdingen (Gdynia) erlaubt ist. Die Dokumentation wird am 28. Mai 2023 auf dem Traditionsschiff „Dresden“ „Schifffahrtsmuseum Rostock“ im IGA Park in Rostock/ Schmarl Premiere feiern.
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