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Glaubensfragen mit der Klaus-Renft Combo
| THEATER |
MUSIKALISCH-THEATRALISCHE ERINNERUNG an die Klaus-Renft-Band im Weimarer Mon Ami
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DAS DNT WEIMAR LIEFERT MIT »ZWISCHEN LIEBE UND ZORN, 1969 — 1975« einen intensiven Konzert-Theaterabend, der die DDR-Geschichte dezent aufgreift und der einzigen DDR-Rockgruppe mit Weltniveau ein Denkmal setzt.
Im Weimarer Jugendzentrum »Mon Ami« gab es im November die Premiere von »Zwischen Liebe und Zorn, 1969 — 1975«, die neue Inszenierung von Hasko Weber (auch Regie), Intendant des Deutschen Nationaltheaters Weimar. Die musikalische Erinnerung (Musikalische Leitung: Tom Götze) an eine eigenwillige, hoch musikalische und viel zu früh zerbrochene Combo der DDR verlief gar prächtig, denn das Publikum verlangte drei Zugaben, was bei einem Theaterstück sehr selten vorkommt.
Das Ensemble besteht aus Mitgliedern des DNT, nebst zwei Gastmusikern, die bereits im Stück »A Clockwork Orange« mit Rammstein Musik brillierten. Die 16 Lieder werden durch Texte und Zitate zusammen gehalten, so dass man das Geschehen auf der Bühne richtig einordnen kann. Gesprochen wird über die DDRPolitik, die internationalen musikalischen Höhepunkte der 1970er Jahre und vor allem über die herrschende Aufbruchsstimmung in Ost und West. In der DDR war der Traum von einer demokratischen Zukunft und freier musikalischer Entfaltung allerdings schnell vorbei, denn völlige Umgestaltung und Aufbruch wurden nicht gewollt, Sprachrohre verboten.
Viele Zitate sind aus der Autobiographie des Musikbesessenen Klaus »Renft« Jentzsch, der die Gruppe 1969 in Leipzig gründete und lange Zeit durch Höhen und Tiefen führte. Für die Aussagen der Staatlichen Kommissionen für Unterhaltungskunst, die das Verbot aussprachen, hat sich die Regie etwas Besonderes ausgedacht: Sie wirken komisch, fast schon lustig. Leider waren Aussagen, wie: »Ich habe ihnen mitzuteilen … dass die Gruppe Renft als nicht mehr existent anzusehen ist.« (Ruth Oelschlägel im September 1975), oder der Satz von der Amiga-Kommission: »Die Texte haben mit der sozialistischen Wirklichkeit nichts mehr zu tun«, für Renft bitterer Ernst. Es ging um einige Lieder für die dritte LP, die sich mit den Themen Wehrdienstverweigerung (»Glaubensfragen«) und Republikflucht (»Rockballade vom kleinen Otto«) beschäftigten.
Mit dem Theaterstück, das weder Ostalgie noch Renft-Revival ist, zeigt der 1963 in Dresden geborene Hasko Weber, wie ein Leben in der DDR funktionierte. Neben der Staatssicherheit, der viele Begleittexte ›gewidmet‹ sind, wird auch auf die Vorreiterrolle der DDR eingegangen, etwa bei Themen wie Schwangerschaftsabbruch und Wohnungsbauprogramm.
Das Publikum merkt schnell, dass besonders die Texte für die DDR-Hörer wichtig waren und bei vielen noch sind. Man las zwischen den Zeilen, identifizierte sich mit den Aussagen und genoss künstlerisch Wertvolles, wie z. B. beim engagierten »Ketten werden knapper«, bei dem alles rockmusikalisch in der DDR bisher Dagewesene sprengenden »Als ich wie ein Vogel war …«, »Nach der Schlacht« oder bei »Wer die Rose ehrt«.
Allerdings kann nicht alles ersetzt werden, was Intendant und Ensemble auch gar nicht wollen. Schließlich waren die drei Sänger von Renft einmalig: Christian Kunert mit seiner jugendlich hohen Stimme, Thomas »Monster« Schoppe, zuständig für die harten und ganz sanften Songs und Peter »Cäsar« Gläser, der mit seinem rauen Organ gleichermaßen Balladen und Rockstücke umsetzen konnte. »Zwischen Liebe und Zorn« ist ein toller und intensiver Konzert-Theaterabend geworden, der die DDR-Geschichte dezent aufgreift und der einzigen DDR-Rockgruppe mit Weltniveau ein Denkmal setzt.
Bitte jetzt kein Horror-Szenarium (Musical!) mit Puhdys-Musik, die hoffentlich langsam in Vergessenheit gerät. (tbe)
Die nächsten Aufführungen für »Zwischen Liebe und Zorn. 1969 — 1975« sind am 6. und 16.03.2022, weitere dann ab April geplant. Die Konzert-Theaterabende finden jeweils im Mon Ami statt. Infos zu den Aufführungen sind unter www. nationaltheater-weimar.de abrufbar.