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Ab in den Süden

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Bernina Express

AB IN DEN SÜDEN!

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Chur-Tirano | Die Zugvögel treten bald ihre Rückreise an. Uns aber zieht es gerade jetzt, im Frühling, Richtung Süden. Zwischen März und Mai, so behaupten wir, ist nämlich die allerschönste Zeit für eine der eindrucksvollsten Bahnreisen der Schweiz. Die Fahrt mit dem legendären Bernina Express der Rhätischen Bahn führt dann vom Churer Frühling durch den tiefsten Bergwinter und endet im Pusch-

laver oder Veltliner Frühsommer. Dazwischen liegen 122 Kilometer

UNESCO Welterbe mit grandiosen Aussichten und Kulturbauten.

Rhätische Bahn Bahnhofstrasse 25 7001 Chur +41 (0)81 288 65 65 rhb.ch

Spot Tipps: Mit dem Bernina Express Bus kann die Reise verlängert und als Rundreise über das Tessin geplant werden. Alternativ zum Mittag in Tirano, können Sie auch schon in Poschiavo aussteigen und einen längeren Aufenthalt geniessen. Grün. Grün, soweit das Auge reicht. Vor wenigen Wochen waren in Chur noch Mützen und Handschuhe angesagt. Jetzt aber erstrahlt die älteste Stadt der Schweiz im frischen Frühlingsgrün. Fasziniert hängen wir am grossen Panoramafenster. Wir stehen am Anfang einer aussergewöhnlichen Reise, die in 4.5 Sunden durch drei Jahreszeiten führt. Erst der Frühling, die blühende Alpenstadt, die frisch ergrünten Weiden, Rebberge und Wälder, die zarten Frühlingsboten am Ufer des Rheins. Dann der zweite Bergwinter, Hütten, Gipfel und Pässe tief verschneit. Und schliesslich der Frühsommer, hell, warm und mediterran mit seinen Palmen, Palazzi und dem Gläschen Wein im Sonnenschein. Im Bernina Express der Rhätischen Bahn erlebt man den Wandel der Jahreszeiten und Landschaften am eigenen Leib. Gleichzeitig ist die Alpenüberquerung von Chur nach Tirano nicht nur die höchste auf Schienen und eine der steilsten ohne Zahnräder, sondern auch eine der spektakulärsten.

Dass sich die Strecke so harmonisch in die Gebirgswelt von Albula und Bernina einfügt, ist kein Zufall. Die Route über den 2’235 Meter hohen Berninapass war von Anfang an als Aussichtsbahn konzipiert. Damit Reisende während der Fahrt die Naturschönheit Graubündens bestaunen können, tüftelten Ingenieure lange an einer möglichst attraktiven Strecke. Das Resultat ist eine technische Meisterleistung mit Steigungen von bis zu 70 Promille, 55 Tunnel und 196 Brücken. So bemerkenswert sind Linienführung und Kunstbauten, dass die mehr als 100 Jahre alte Bahnlinie zwischen Thusis und Tirano 2008 zum UNESCO Welterbe erkoren wurde.

Kaum losgefahren, liegt die Alpenstadt schnell hinter uns – wir winken dem Frühling nach, den blühenden Kirsch- und Tulpenbäumen, deren süsser Duft uns noch in der Nase liegt. Ein schneller, letzter Blick ins Grüne auf die Burggemeinde Domleschg mit den gelben von Löwenzahn übersäten Wiesen, bevor die Kulisse auf hochalpine Berglandschaften umschaltet. Hinter Thusis, dem Tor zum Albulatal, beginnt die 122 km lange Welterbestrecke. Ab hier geht es sukzessive dem Winter entgegen.

Mit den steigenden Höhenmetern wird die Natur rauer, die Berge werden schroffer; die Gipfel sind nun schneebedeckt. Bald hängen Eiszapfen von Felsvorsprüngen direkt am Streckenrand. Fasziniert kleben wir weiterhin am Fenster. Durchsagen sorgen dafür, dass wir keines der Streckenhighlights verpassen. Wem dies nicht ausreicht, loggt sich über das eigene Smartphone oder Tablet in das Infot(r)ainment-System ein. Auf dem digitalen Reisebegleiter stehen in Wort, Bild und Ton zusätzliche Informationen, Hörgeschichten sowie eine interaktive Streckenkarte mit Live-Updates zur Verfügung.

Mit all diesen Hilfsmitteln ist es ein Kinderspiel, die Kamera rechtzeitig gezückt zu haben, bevor der Zug kurz vor Filisur über das elegant geschwungene, 65 Meter hohe Landwasserviadukt rollt, das an einer senkrecht abfallenden Felswand endet – der Bernina Express verschwindet im Tunnel. Oder später bei der kunstvollen Montebello-Kurve und dem kreisrunden Viadukt im Tal bei Brusio.

In unseren bequemen 1. Klasse-Sitzen werden wir zu Flaneuren und tun etwas, das wir in der heutigen durchgetakteten Zeit viel öfter machen sollten: Wir reisen nicht, um anzukommen, sondern um unterwegs zu sein und geniessen die Langsamkeit des Expresszuges, der entgegen seines Namens das Zugfahren als Mussekunst zelebriert. Zwischendurch schlürfen wir Kaffee mit Engadiner Totenbeinli aus der rollenden Minibar oder schlemmen ein «Bernina Express Plättli» mit Extraportion Alpkäse, serviert auf einem Buchenholzbrettchen mit Sackmesser und Birnenbrot.

Beim «Ospizio Bernina» erreichen wir auf dem Bernina Pass schliesslich die höchstgelegene Station der Rhätischen Bahn. Meterhoch stapelt sich hier der Schnee. Grandios ist die Aussicht auf die zugefrorenen Seen Lago Bianco und Lej Nair, auf denen ein paar Schneeschuhwanderer mutige Schritte wagen. Wir machen ein paar Schnappschüsse, packen dann aber die Kamera gar nicht wieder weg. Als Nächstes folgt nämlich der wohl spektakulärste Teil der Albula- und Berninastrecke. Auf seiner Fahrt Richtung Tirano (429 m ü. M.) überwindet der Bernina Express über 1’800 Höhenmeter. Atemberaubend sind dabei nicht nur die Ausblicke ins Puschlav, ins Veltlin und bis zu den Bergamasker Alpen. Nahe des pittoresken Dorfes Poschiavo, wo wir heute verfrüht aussteigen, wird der Express vorübergehend zum mitten auf der Kantonsstrasse verkehrenden Tram, bevor er sich bei Brusio durch den berühmten Kreisviadukt schraubt. Noch bevor wir die erste Palme erblicken, sind wir gefühlt längst im Süden und damit im Frühsommer angekommen. Wir können sie förmlich schon riechen, die «Capunet» und das Glas Veltliner Rotwein im «Albrici» auf der Piazza. Die Reise hält, was sie verspricht: Es lohnt sich wahrhaftig auch im Frühling Richtung Süden zu reisen!

PRAKTISCHES: BERNINA EXPRESS

Strecke: Chur – Tirano – Chur (ganzjährig, täglich), zusätzliche Verbindungen ab 8. Mai 2021. Dann fährt der Bernina Express zweimal täglich ab Chur. Falls die Verbindung nach Italien noch nicht gewährleistet werden kann, schlagen wir Poschiavo als Destination vor. Obligatorische Sitzplatzreservierungen (online oder unter +41 (0)81 288 65 65). Für die Reservierung ist ein Zuschlag zu bezahlen.

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