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OOH!–Trends & Innovationen Schweiz
from OOH - Magazin 2022-4
by APG|SGA
Die Philosophie des fairen Preises
Preise sind einer der zentralen Faktoren in der Aussenwerbebranche. Das OOH! Magazin hat den zwei größten Mitgliedern des Verbands Aussenwerbung Schweiz (AWS) identische Fragen zu ihrer jeweiligen Philosophie des Pricing gestellt. APG|SGA und Clear Channel Schweiz vertreten differenzierte Standpunkte und bieten interessante Preismodelle. Die nachfolgenden Insights sollen Werbetreibenden helfen, die Preisgestaltung für Out of Home-Medien tiefer zu verstehen.
Ein Preis kann uns in tausend Varianten begegnen, Spaß machen, herausfordern oder überraschen. Die wahrgenommene Wertigkeit schafft dabei ein grundlegendes Wert-PreisPrinzip. Der Preis ist grundsätzlich eine eindimensionale oder allenfalls geringdimensionale Größe, die analoge und digitale Werbung im öffentlichen Raum hingegen ist vieldimensional und insofern schwieriger zu taxieren. Daher stellt sich Werbetreibenden bei der Planung von Out of Home-Kampagnen stets die Frage, welche Komponenten das Pricing bei den Anbietern von Aussenwerbung beeinflussen, respektive rechtfertigen – und umgekehrt. Die beiden nachfolgenden Interviews liefern Einblicke in die Preisgestaltung von APG|SGA und Clear Channel Schweiz.
Interviews: Nadja Mühlemann, AWS-Redaktion
„Die APG|SGA führt per 2023 ein neues, attraktives und marktorientiertes Preis- und Konditionenmodell ein.“ Beat Holenstein, Leiter Marketing & Innovation, Mitglied der Unternehmensleitung bei der APG|SGA. „Die Preise von Clear Channel Schweiz basieren auf Kundenwert und Profitabilität.“ Kathrin Petrow, Head of Product Management & Data Analytics bei Clear Channel Schweiz
Wer macht bei Ihnen die Preise und worauf wird dabei geachtet?
HOLENSTEIN: Das ist grundsätzlich ein Zusammenspiel von internen wie auch externen Stakeholdern, wobei die Kunden- und Marktsicht eine zentrale Rolle einnimmt. PETROW: Die Preisgestaltung richtet sich bei uns nach Kundschaftsbedürfnissen und -nachfragen unter Berücksichtigung der finanziellen Aspekte aufgrund von Ausschreibungen. Die Ausarbeitung liegt beim Product Management, die Entscheidung über die finalen Preise werden in einer gemeinsamen Runde getroffen, der sowohl Verkauf als auch Product Management und selbstverständlich die Geschäftsleitung angehören.
Welcher Philosophie folgt Ihr Preis- und Konditionenmodell?
HOLENSTEIN: Transparenz, Fairness und Nachvollziehbarkeit sind für uns wichtige Parameter. Ich weiß, das klingt nun ein wenig wie aus dem Prospekt, aber: Ein wichtiger Werttreiber ist der SPR+-Kontakt, sowohl bei den analogen wie auch bei digitalen Flächen. Das Forschungsmodell SPR+ erfüllt die globalen Richtlinien für Aussenwerbeforschung und ist aus meiner Sicht die härteste Währung in der Medienbranche. Für unsere Kunden heißt das: Jeder Preis ist immer mit einer Leistung verknüpft, das gibt ihm Sicherheit bei der Planung. Weiter geht es darum, verschiedene Kundenverhalten zu belohnen, wenn dies für uns zu mehr Flexibilität führt. Beispiel: Der Buchungszeitpunkt mit dem Last-Minute Rabatt oder der Online-Rabatt bei Buchungen über die self-serving-Plattform „APG|SGA easy“. PETROW: Kundschaftswert und Profitabilität bilden die Grundlage unserer Preisgestaltung. Weiterhin spielen Unternehmensziele, die ebenso die Abgaben berücksichtigen, wie auch der Wettbewerb eine Rolle. Langfristige Wertschöpfung und Innovation sind zusätzliche Indikationen, um die genannten Faktoren, aber auch technologische Entwicklungen zu unterstützen.
Share of Time oder TKP: Wie haben Sie entschieden und weshalb?
HOLENSTEIN: Wir stellen das digitale Pricing per 1.1.2023 konsequent auf den Tausenderkontakt-Preis (TKP) um. Das ist der Standard im Bewegtbildmarkt. Für unsere Kunden sehr einfach: Es gibt drei TKP’s: ePanel 12 Schweizer Franken, ePanel BrandingZone 15 Schweizer Franken sowie eBoard 38 Schweizer Franken. Im Bereich Programmatic beginnt der TKP bei 12 Schweizer Franken und variiert je nach Kundenbedürfnis wie Guaranteed, Audiences, Wetter etc. Diese TKP-Philosophie hilft uns bei der Argumentation hinsichtlich Preis-/ Leistungsangebot, wonach Kunden ihre Budgets vermehrt in Aussenwerbung und weg von Online bzw. TV investieren sollen. PETROW: Wir haben bereits im Jahr 2021 den TKP eingeführt, der auf allen Verkaufskanälen (direkt und programmatisch) Anwendung findet und im Markt zu positiven Reaktionen geführt hat. Genau hier sind wir mit dem technologischen Fortschritt mitgegangen und gleichzeitig der Forderung des Marktes nach Transparenz nachgekommen. Kunden zahlen eben nicht mehr nur einen Standort, sondern die Kontakte mit den Personen, die dieser Standort generiert. Heißt: Sie erhalten die Leistung, für die sie zahlen. Zudem erleichtert der TKP unseren Kunden, sich auf eine einheitliche Währung aller Medien im Einkaufsprozess zu stützen.
Transparenz ist entscheidend fürs Budget. Was tun Sie für Fairness und Nachvollziehbarkeit der Preisstrukturen?
HOLENSTEIN: Ich versuche das in kurzen Worten zu fassen. Erstens: Wir haben die Komplexität massiv reduziert. Bei unseren analogen Flächen gibt es noch genau fünf Preise, welche für alle Formate gelten. Bei den digitalen Flächen kommen drei TKP’s zur Anwendung. Zweitens: Das Rabattmodell haben wir attraktiver gestaltet, sodass Kunden von höheren Rabattstufen profitiert. Drittens: Bei uns gilt: Jeder Preis ist transparent mit einer Leistung verknüpft. Das schafft Sicherheit und Vertrauen bei unseren Kunden. PETROW: Nebst der Einführung des leistungsbasierten Pricing kommunizieren wir unsere Preise transparent auf unserer Website. Die Zusammensetzung der Preisfindungsfaktoren erfahren unsere Kunden im direkten Gespräch mit unserem Verkauf, so dass sämtliche Unverständlichkeiten aus dem Weg geschafft werden können. Gleichzeitig adaptieren wir unsere Preise bei größeren Ereignissen in Bezug auf das Mobilitätsgeschehen. So haben wir 2020 als First Mover Bezug auf die Schweizer Mobilität genommen und die Preise entsprechend für unsere Kunden angepasst.
Steigen die Preise 2023 und um wieviel?
HOLENSTEIN: Diese Frage kann ich so nicht beantworten. Schauen Sie, das neue Preismodell der APG|SGA ist ein Paradigmenwechsel und wird per 1. Januar 2023 komplett umgestellt. Es wird teilweise große Schwankungen im Bruttopricing geben, und zwar nach oben und nach unten. Das werden unsere Kunden realisieren und spüren. Umso wichtiger ist es, dass unsere Kundinnen und Kunden unsere überarbeiteten Rabatte kennen und bestmöglich profitieren. PETROW: Clear Channel hat in den letzten Jahren keine Preiserhöhung vorgenommen. Mit der Umstellung auf das leistungsbasierte Pricing ist es an dem einen oder anderen Standort zu einer Preiserhöhung gekommen, aber gleichzeitig auch zu Preissenkungen. Um den Marktgegebenheiten gerecht zu werden, haben wir uns entschieden, 2023 höhere Produktions- und Energiekosten auf unserem Inventar einzukalkulieren. Gleichzeitig haben wir Faktoren wie Nachfrage und Leistung berücksichtigt, so dass es zu individuellen Preiserhöhungen je nach Produkt kommt. Overall bewegt es sich bei plus drei Prozent.
Was ist bei Rabatten zu beachten, damit diese von der Kundschaft verstanden und angenommen werden?
HOLENSTEIN: Wir haben darauf geachtet, entsprechendes Kundenverhalten wie Auftragsvolumen, Online-Buchungen oder Umsatzbekenntnis noch stärker als heute zu belohnen. Wir erhöhen beispielsweise den Jahresumsatzrabatt und belohnen Kunden, die intensiv mit PETROW: Die Rabatte sollten einfach und nachvollziehbar sein. Auf unserer Website sind die Rabatte aufgelistet, welche im Markt etabliert sind – JURA, volumenbezogene Rabatte, Merkmale (Lokal) und so weiter, also vor allem Formen der mengenbezogenen Preisdifferen-
uns zusammenarbeiten. Oder: Kurzentschlossene werden nun auch bei Digitalbuchungen mit einem Rabatt belohnt, welcher zum Beispiel zusammen mit unserem Online-Rabatt auf „APG|SGA easy“ in der Kumulation sehr attraktiv ist. zierung. Es gibt aber auch andere Formen, welche wir einsetzen, die sich zum Teil auch in Zukunft noch stärker durchsetzen werden. Hier reden wir von - Zeitbezogener Preisdifferenzierung: - saisonale Angebote bei weniger Nachfrage und weniger hoher Frequenz; - stündliche / Zeitschienen Preisdifferenzierung auf Basis Nachfrage; - Preis-Mengen-Steuerung (Platzkontingente) über verschiedene
Kanäle (Bundling).
Wo liegt der Hauptvorteil des Preis- und Konditionenmodells? Sie wollen ja schliesslich auch daran verdienen.
HOLENSTEIN: Lassen Sie mich das in drei Punkten zusammenfassen. Erstens: Einfachheit. Mit fünf analogen und drei digitalen Preisen sowie einem transparenten Rabattsystem werden unsere Kunden genau nachvollziehen können, was sie für ihr bei uns eingesetztes Budget erhalten. Zweitens: Attraktivität. Unsere Kunden werden bei klugem Einsatz ihres Mediabudgets von zusätzlichen Rabatten und somit auch von zusätzlicher Leistung profitieren. Drittens: Vergleichbarkeit. Mit dem neuen Pricing kann unsere Leistung im Bewegtbildmarkt, zum Beispiel mit TV und Online, sehr gut verglichen werden. Wir erhoffen uns hier Budgetshifts. PETROW: Wie gesagt, wir vereinen in unserem Preis- und Konditionenmodell die verschiedenen Aspekte der Preisgestaltung wie Kundschaftsbedürfnisse, Marktverhältnisse, Ausschreibungen und Unternehmensziele, wozu auch Rentabilität gehört. Im (Preis-)Vergleich mit anderen Medien wird in der Regel vergessen, dass die Geräte in der Aussenwerbung, auf denen die Werbung ausgespielt wird, also die so genannten Stelen (analog und digital), nicht bereits zum Gebrauchsinventar der Kunden gehören, wie beispielsweise das TV-Gerät oder andere Devices. Die Beschaffung und Wartung dieser Geräte obliegt den Kunden, wohingegen in der Aussenwerbung dies meistens die Vermarktungsfirma macht. Hinzu kommen Abgaben an Gemeinden und Privateigentümer, die in der Rentabilitätsbetrachtung bzw. schlussendlich in der Preisgestaltung ebenfalls berücksichtigt werden müssen.
Preis quo vadis: Welche Innovationen erwarten Sie hinsichtlich des Pricings für Out of Home Medien in Zukunft?
HOLENSTEIN: Die Tendenz zu leistungsbasiertem und dynamischem Pricing wird zunehmen. Dies wird durch die zunehmend flexiblen Möglichkeiten, beispielsweise Programmatic Advertising, begünstigt. Die Kunden bezahlen also je nach Saisonalität, Zeitschienen, Targeting und so weiter einen unterschiedlichen TKP. Das wird heute schon praktiziert, wird aber in Zukunft noch viel ausgeprägter der Fall sein. Für Kunden hat es den Vorteil, dass sie selber ihren price tag setzen und je nach Bedürfnis und Flexibilität profitieren können – für die Anbietenden die Optimierung ihres Yield. PETROW: Frequenzbasiertes Pricing ist im Markt etabliert, dabei die Dynamik der Mobilität berücksichtigend. Es wird keine andere Preislogik in der Aussenwerbung gegenüber anderen Medien geben. Die Vergleichbarkeit muss weiterhin gewährleistet sein genauso wie Transparenz, die in Zukunft noch wichtiger werden wird.
Das Wert-Preis-Prinzip
Das Internet hat die Kommunikations- und Informationsbedingungen verändert und beschleunigt. Heute haben Werbetreibende zahlreiche Preisvergleiche schnell zur Hand. Gleiches gilt für die Werttransparenz. Folglich ist die Preisgestaltung für Anbieter von Werbeleistungen keine enge Disziplin, sondern vielmehr eine umfassende Philosophie. Die Preisbereitschaft der Werbetreibenden und damit der für die Anbieter erzielbare Preis errechnet sich aus harten und weichen Faktoren. Das Verstehen, Schaffen und Kommunizieren von Werten ist die zentrale Herausforderung im Preismanagement.
Preisbereitschaft Die Gründe:
• Einerseits verfügen Verkaufende über immer mehr Daten und Analysemethoden, um die Bedürfnisse der Kunden gezielt abzudecken. • Andererseits sorgt das Internet seitens der Kaufenden für eine deutlich höhere Preis- und zunehmend auch Werttransparenz gegenüber den Verkaufenden.
Preistaktiken
Moderne Preiskonzepte wie Differenzierung, nichtlineare Gestaltung, Bündelung haben ihre Wurzeln in der antiken Philosophie und lassen sich insbesondere auf Aristoteles zurückführen. Seine Ideen helfen bis heute, die zugrunde liegende Logik bestimmter Preistaktiken tiefer zu verstehen.
DOOH sendet Live-Berichte
Digitale Screens lassen sich kurzfristig – ja, sogar in Echtzeit – bespielen und erreichen Millionen von Menschen. Da bietet es sich doch an, Ereignisse und historische Momente, die die Menschheit bewegen, live zu übertragen. So zum Beispiel am 18. Februar 2021, als die britische Bevölkerung bei der Perseverance-Mars-Mission live zuschauen konnte. Der spannende Eintritt in die Atmosphäre, die Landung des NASA-Rovers sowie die ersten Bilder von der Marsoberfläche wurden 60 Minuten lang live auf dem übergroßen Screen am Piccadilly Circus gezeigt. Houston, we don’t have a problem!
Alltagshelfer, Live-Reporter, Gaming-Plattform: OOH ist viel mehr als Werbung
Werbung, Werbung und nochmals Werbung … So denken wahrscheinlich die meisten, wenn sie den Begriff Aussenwerbung hören. Aber Out of Home – klassisch wie digital – kann sehr viel mehr als für Produkte und Dienstleistungen zu werben. Es bietet einen massiven gesellschaftlichen Mehrwert. Wie das konkret aussehen kann, skizziert die Agentur planus media an einigen Beispielen.
DOOH erspielt Markenerlebnisse
Gamification hält Einzug in den öffentlichen Raum. Das klingt kompliziert? Ist aber ganz einfach und macht jede Menge Spaß! In London konnten im vergangenen Jahr Kinder an der Westfield Stratford City Mall auf einem mehr als 100 Quadratmeter großen DOOH-Screen mit Lego spielen. Dafür kam modernste Gestensteuerungstechnologie zum Einsatz. Diese ermöglichte es den Kids, Legosteine virtuell zu bewegen und ihrer Kreativität unter dem Motto „Rebuild the World“ freien Lauf zu lassen. Zielgruppen interagieren auf diese Weise direkt mit Marken und deren Produkten.
OOH fördert Umweltschutz
Geprägt von einem neuen Umweltbewusstsein, hat sich nicht nur die Gesellschaft verändert. Auch die Aussenwerbung setzt sich für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz ein. Erst kürzlich sorgte die Biermarke Corona in Kanada für nachhaltiges Aufsehen: Eine schwimmende Plakatwand filterte Müll aus dem St. Lawrence River in Boucherville und machte so auf die ansteigende Verschmutzung im Fluss aufmerksam.
OOH leistet Obdachlosenhilfe
Das Leben auf der Straße ist hart, besonders im kalten Winter. Das Straßenmagazin Hinz&Kunzt ließ sich zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit zu Beginn des Jahres etwas ganz Besonderes einfallen: Auf Anhänger gebaute „City Life Billboards“, die Schutzraum für Obdachlose boten. Die Dachfläche des Anhängers wurde als Werbefläche vermietet, was nicht nur die Anschaffungskosten ausglich, sondern auch Geld in einen Fonds spülte, der dauerhafte Unterkünfte für Obdachlose finanziert. Für ein wenig Wärme sorgte eine Plakatfläche der Berliner Werbe- und Digitalagentur Glow im Jahr 2018. An der Großfläche am Berliner Alexanderplatz steckten 100 zusammengefaltete Wärmedecken in Plastiktaschen, die sich Obdachlose bei Bedarf herausnehmen konnten.
OOH unterstützt Smart Cities
Mit ein bisschen Fantasie kann OOH ein nützlicher Helfer im Alltag sein und Lösungen für Probleme bieten, mit denen Stadtbewohner häufig konfrontiert sind. Bestes Beispiel: Die „Smart Ideas for Smart Cities“-Kampagne von IBM. In Paris und London wurden klassische Werbetafeln umfunktioniert zu Sitzgelegenheiten, praktischen Rampen und Überdachungen zum Schutz vor Regen. Old but gold, denn auch nach fast zehn Jahren gilt diese Kampagne als Klassiker der Aussenwerbung.