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Agrar forschung schweiz 2 0 1 2

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H e f t

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Agroscope | BLW | HAFL | AGRIDEA | ETH Zürich

M ä r z

Agrarwirtschaft

Alpprodukte und Alpdienstleistungen – ­Angebot in ausgewählten Regionen der Schweiz Seite 124

Nutztiere

Populationsstruktur und genetische Diversität von Schweizer Schafrassen

Pflanzenbau

Langfristige Wirkung von organischen Düngern auf die Bodeneigenschaften

Seite 140 Seite 148


Das Sömmerungsgebiet der Schweiz umfasst rund ein Drittel der landwirtschaftlich genutzten Fläche. ­Alpprodukte und -dienstleistungen sind eine Ertragsquelle der Alpwirtschaft. Forscherinnen der WSL machten eine Angebots­erhebung zu Alpprodukten und -dienstleistungen in sechs Regionen der Schweiz. (Foto: Gabriela Brändle, ART)

Inhalt März 2012 | Heft 3 123 Editorial

Impressum Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse ist die Zeitschrift der landwirtschaftlichen Forschung von Agroscope und ihren Partnern. Die Zeitschrift erscheint auf Deutsch und Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus Forschung, Industrie, Lehre, Beratung und Politik, an kantonale und eidgenös­sische Ämter und weitere Fachinteressierte. Herausgeberin Agroscope Partner b Agroscope (Forschungsanstalten Agroscope Changins-Wädenswil ACW; Agroscope Liebefeld-Posieux und Schweizerisches Nationalgestüt ALP-Haras; Agroscope Reckenholz-Tänikon ART) b Bundesamt für Landwirtschaft BLW, Bern bH ochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL, ­Zollikofen b Beratungszentrale AGRIDEA, Lindau und Lausanne b Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich, Departement für Umweltsystemwissenschaften Redaktion Andrea Leuenberger-Minger, Agrarforschung Schweiz / ­Recherche Agro­nomique Suisse, Forschungs­anstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 26 407 72 21 Fax +41 26 407 73 00, E-Mail: info@agrarforschungschweiz.ch Judith Auer, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW Postfach 1012, 1260 Nyon 1, E-Mail: info@agrarforschungschweiz.ch Redaktionsteam Vorsitz: Jean-Philippe Mayor (Direktor ACW), Sibylle Willi (ACW), Evelyne Fasnacht (ALP-Haras), Etel Keller-Doroszlai (ART), Karin Bovigny-Ackermann (BLW), Beat Huber-Eicher (HAFL), Philippe Droz (AGRIDEA), Jörg Beck (ETH Zürich). Abonnement Preise Zeitschrift: CHF 61.–* (Ausland + CHF 20.– Portokosten), inkl. MWSt. und Versandkosten, Online: CHF 61.–* * reduzierter Tarif siehe: www.agrarforschungschweiz.ch Adresse Nicole Boschung, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, ­Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 26 407 72 21 Fax +41 26 407 73 00, E-Mail: info@agrarforschungschweiz.ch Adressänderungen E-Mail: verkauf.zivil@bbl.admin.ch, Fax +41 31 325 50 58 Internet www.agrarforschungschweiz.ch www.rechercheagronomiquesuisse.ch ISSN infos ISSN 1663-7852 (Print) ISSN 1663-7909 (Internet) Schlüsseltitel: Agrarforschung Schweiz Abgekürzter Schlüsseltitel: Agrarforsch. Schweiz © Copyright Agroscope. Nachdruck von Artikeln gestattet, bei Quellenangabe und Zustellung eines Belegexemplars an die Redaktion. Erfasst in: Web of Science, CAB Abstracts, AGRIS

Agrarwirtschaft Alpprodukte und Alpdienstleistungen – 124

­ ngebot in ausgewählten Regionen der A Schweiz Rosa Böni und Irmi Seidl Nutztiere Klimawandel beeinflusst das Tierwohl 132

bei Milchkühen Jürg Fuhrer und Pierluigi Calanca Nutztiere Populationsstruktur und genetische 140

Diversität von Schweizer Schafrassen Alexander Burren, Christine Flury, Christian Aeschlimann, Christian Hagger und Stefan Rieder Pflanzenbau Langfristige Wirkung von organischen 148

Düngern auf die Bodeneigenschaften Alexandra Maltas, Hansrudolf Oberholzer, Raphaël Charles, Vincent Bovet und Sokrat Sinaj Pflanzenbau Ertrag und Stickstoffdüngung im 156

­P flanzenbau: Langfristige Wirkung ­organischer Dünger Alexandra Maltas, Raphaël Charles, Vincent Bovet und ­Sokrat Sinaj Kurzbericht Eine neue Methode zur Bestimmung 164

von Bröckelverlusten Joachim Sauter, Roy Latsch und Oliver Hensel Kurzbericht Gemeinsam für den Boden 168 Bruno Arnold und André Chassot 171 Porträt 172 Aktuell 175 Veranstaltungen


Editorial

«New Agroscope» Liebe Leserin, lieber Leser

Jean-Philippe Mayor, Präsident Agrarforschung Schweiz

Die Zukunft soll man nicht ­voraussehen wollen, sondern möglich machen. Antoine de Saint Exupéry

In unserer Spezialausgabe vom Dezember 2011 hat der BLW-Direktor drei Postulate präsentiert, die aufzeigen, dass die Agrarforschung lebenswichtig ist für unsere Gesellschaft und für unser Land – heute und in Zukunft, national wie auch international. Man ist geneigt zu glauben, die Agrarforschung sei ein langer, ruhiger Fluss und könne aufgrund ihres starken Rückhalts in der Praxis von ruhiger Warte aus die Verteilungskämpfe beobachten, die sich die andern Akteure der Schweizer Forschung um finanzielle Mittel liefern. Dem ist aber nicht so. Seit ihrem Bestehen haben sich die Forschungsanstalten ständig weiterentwickelt. Breite Anerkennung erhielten die damaligen Versuchsstationen erst, als sie zu eidgenössischen Forschungsanstalten, dann zu sechs Forschungsanstalten mit Namen Agroscope geworden sind. 2006 wurden sie auf die drei heute bestehenden Forschungsanstalten reduziert. Sie teilen sich die Kompetenzbereiche Pflanzenbau und Produkte pflanzlicher Herkunft (ACW), Tierproduktion und Produkte tierischer Herkunft (ALP-Haras), Agrarökologie und -ökonomie (ART). Aber schon führt eine Neuausrichtung der Agrarforschung zu einer weiteren Reorganisation. Agroscope wird erneut umstrukturiert, und zwar dem Beispiel dieser drei Institutionen folgend: Agridea, die Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittel­ wissenschaften (HAFL, ehemals SHL) sowie die ETH-Zürich mit ihrem neuen Departement Umweltsystemwissenschaften. Diese Institutionen haben uns gezeigt, wie es geht. BLW-Direktor Bernard Lehman hat mit Bundesrat Johann Schneider-Ammann die Weichen dafür gestellt, dass Agroscope künftig gestärkt und als eine einzige Institution auftreten kann. Die neue Organisation von Agroscope tritt ab dem 1.1.2013 in Kraft. Ein wesentliches Merkmal der neuen Organisation ist die Stärkung der strategischen und operativen Führung: ••Es wird ein Direktor Agroscope eingesetzt, welcher der Geschäftsleitung vorsitzt. ••Als strategisches Leitungsorgan wird der Agroscope-Rat gebildet, geleitet vom BLW-Direktor. ••Der Geschäftsleitung und dem Agroscope-Rat wird ein international besetzter Wissenschaftsrat für die langfristige strategische Ausrichtung von Agroscope zur Seite stehen sowie ein Stakeholder-Rat, der die Tätigkeiten in einen engen Bezug zu den Bedürfnissen der Kunden und Anspruchsgruppen stellt. Diese Neuerungen stellen eine klare Verbesserung der heutigen Organisationsform von Agroscope dar und dienen dazu, Agroscope national wie international noch besser zu positionieren und eine noch grössere wissenschaftliche Unabhängigkeit zu erreichen. Offen ist noch die Organisation der operativen Einheiten. Diese wird definiert im Zuge des laufenden Analyseprozesses, in welchem eine Strategie für Agroscope festgelegt werden soll. Wir werden Sie über die wichtigen Etappen auf dem Laufenden halten. Während dieser gesamten Planungs-, Entscheidungs- und Implementierungsphase gilt es, unsere Forschungsarbeit weiterzuführen. Ihnen allen, die einen wertvollen Beitrag dazu leisten, danke ich herzlich dafür.

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A g r a r w i r t s c h a f t

Alpprodukte und Alpdienstleistungen – ­Angebot in ausgewählten Regionen der Schweiz Rosa Böni und Irmi Seidl Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald Schnee und Landschaft WSL, 8903 Birmensdorf Auskünfte: Rosa Böni, E-Mail: rosa.boeni@wsl.ch, Tel. +41 44 739 21 11

Alpwirtschaft im Obertoggenburg. Die Bewirtung auf der Alp erhöht die Wertschöpfung und dient als Absatzkanal für Alpprodukte. (Foto: WSL)

Einleitung Das Sömmerungsgebiet der Schweiz umfasst rund ein Drittel der landwirtschaftlich genutz­ ten Fläche beziehungsweise rund einen Achtel der Landesfläche. Knapp 50  % der tierhaltenden Landwirtschafts­ betriebe sömmern Tiere, insgesamt gut 400 000 GVE (Grossvieheinheiten) respektive knapp 300‘000 NST (Normalstösse) im Jahre 2009 (Lauber et al. 2011). Ausgelöst u.a. durch den Strukturwandel der Heimbetriebe im Tal- und Berggebiet (Baur et al. 2007, Lauber et al. 2011) wandelt sich die Alpwirtschaft.

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Alpprodukte und -dienstleistungen sind eine Ertragsquelle der Alpwirtschaft. Mit dem stattfindenden Strukturwandel finden die Wertschöpfungspotenziale von Alpprodukten und -dienstleistungen zunehmend Beachtung (z.B. Matscher/­Schermer 2009). Seit dem Inkrafttreten (2007) der Berg- und Alp-Verordnung können Alpprodukte gezielter vermarktet werden. Die positiven Merkmale der Alpprodukte könnten ihnen in heutigen und zukünftigen Märkten zu grösseren Anteilen verhelfen. Doch um das Angebot auszudehnen, ist mehr Wissen über die bisher angebotenen Produkte, die Anbieter, die Märkte sowie die Konsumen-


Alpprodukte und Alpdienstleistungen – ­A ngebot in ausgewählten Regionen der Schweiz | Agrarwirtschaft

Zusammenfassung

ten nötig. Bislang gibt es dazu keine systematischen Erhebungen, abgesehen von der von der Treuhandstelle Milch (TSM) erfassten verarbeiteten Alpmilchmenge und Alpkäsemenge. Im Hinblick auf das Angebot stellen sich u.a. folgende Forschungsfragen: 1) Welche Alpprodukte und -dienstleistungen werden angeboten und über welche Vertriebskanäle abgesetzt? 2) Wie hat sich das Angebot in den letzten Jahren entwickelt, welche Vorhaben bestehen für die Zukunft? 3) Was sind die Gründe für die Produktion und den Kauf von Alpprodukten? 4) Wie wird ein allfälliges Label für Alpprodukte beurteilt? 5) Wie wirken gesetzliche Vorgaben auf die Herstellung von Alpprodukten? Der vorliegende Beitrag bezieht sich auf das Angebot von Alpprodukten und -dienstleistungen und stellt die Resultate einer schriftlichen Bewirtschafterbefragung im Jahr 2010 in den sechs AlpFUTUR-Fallstudienregionen (vgl. Tab. 1) vor. Überblick über die Alpprodukt-Palette «Alpprodukte» sind landwirtschaftliche Erzeugnisse (Lebensmittel) sowie Dienstleistungen aus dem Sömmerungsge­ biet, die von Alpwirtschaftsbetrieben hergestellt werden. Nachfolgend werden unter «Alpprodukten» auch Alpdienstleistungen verstanden. Im Sömmerungsgebiet produzierte Lebensmittel sind in erster Linie Milch, Käse und ande­re Molkereiprodukte aus der Milch gealpter Kühe, Schafe und Ziegen. Alpkäse ist das mengen- und umsatzmässig wichtig­ste Produkt. In den letzten Jahren nahm die Alpkäseproduktion von rund 4400 Tonnen (2003) auf 5150 Tonnen (2009) zu  (TSM 2009 und 2010).

Alpprodukte sind Nischenprodukte, die auf öffentliches Interesse stossen. An einer ­Angebotserhebung zu Alpprodukten und -dienstleistungen beteiligten sich 262 Alp­ bewirtschafter aus sechs Regionen. Diese Befragung zeigt, dass der Produktionsund Angebotsschwerpunkt beim traditionellen Produkt Alpkäse liegt; dieser wird oft direkt – in kleinen Mengen – vermarktet. Während die schweizweite Alpkäse-Produktion in den letzten Jahren stieg, ist bei 85 % der antwortenden Betriebe die Anzahl der Produkte stabil. Abgesehen von der traditionellen Alpgastronomie ist das Angebot an Alpdienstleitungen marginal. Tradition und Tierbesatz sind die wichtigsten Gründe für die Herstellung von Alpprodukten. Die überbetriebliche Kooperationsrate im Bereich Produktion und Vermarktung von Alpprodukten ist tief. Wichtig ist den Produzenten (63 %) eine Unterscheidung von Berg- und Alpprodukten. Ein Label für Alpprodukte befürworten jedoch nur 31 %. Insgesamt ist das Angebot traditionsverhaftet, Potenzial für Ausbau und Weiterentwicklung besteht.

Tab. 1 | Charakteristische Merkmale der Alpen in den AlpFUTUR-Fallstudienregionen1 Fallstudien­gebiet

Unter­engadin GR

Bezirk Moesa GR Kanton Obwalden

Diemtigtal/ Vallée de Joux VD Täler um Visp VS Niedersimmental BE

Merkmale Dominierende Tier­ gattungen

1

Mutter- und Milchkühe, Mutterkühe, Schafe Milchkühe, Jungvieh Jungvieh, Schafe

Geografische Lage

Östliche Zentralalpen

Grösse und Stafeln der Alpbetriebe

Grosse Alpen, ein- und zweistafelig

Auslastung des Normalbesatzes (2008)

88,9 %

Alpensüd­flanke

Alpennordflanke, Zen­tralschweiz

Jungvieh, Milchkühe

Jungvieh, Milchkühe

Schafe

Alpennordflanke

Jura

Westliche ­Zentralalpen

Grosse bis mittlere Alpen, einstafelig

Grosse wie auch kleine Alpen, ein- und zweistafelig

96,1 %

82,4 %

Grosse wie auch klei- Kleinere bis mittlere Kleinere bis mittlere ne Alpen, ein- und ­Alpen, vorwiegend A ­ lpen, ein- und zweizwei­stafelig ­z weistafelig stafelig 80,5 %

94,7 %

92,6 %

Quellen: Werthemann/Imboden 1982, AlpFUTUR-interne Erhebungen.

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Agrarwirtschaft | Alpprodukte und Alpdienstleistungen – ­A ngebot in ausgewählten Regionen der Schweiz

Tab. 2 | Anzahl befragter Alpbetriebe und Rücklauf in % Unter­engadin GR

Bezirk Moesa GR

Kanton Obwalden

Diemtigtal / Niedersimmental BE

Vallée de Joux VD

Täler um Visp VS

Angeschriebene Alpbetriebe

22

34

212

267

120

29

Antwortende Alpbetriebe

9

9

89

96

46

13

41%

26%

42%

36%

38%

45%

Fallstudien­gebiet Merkmale

Rücklauf

2009 betrug die auf den Alpen verwertete Kuhmilch 58 500 Tonnen (58 % der Gesamtalpkuhmilch, TSM 2010). Die nicht auf den Alpen verarbeitete Milch wird ins Tal geliefert und dort als Verkehrs- oder Käsereimilch verarbeitet. Mit der zunehmenden Haltung von Milchziegen in den letzten Jahren stieg auch die verkäste Milchmenge dieser Tiere. Im Jahr 2009 betrug die Käseproduktion aus Ziegenmilch im Sömmerungsgebiet 112 Tonnen (TSM 2010). Die Schafmilch- beziehungsweise Schafkäseproduktion im Sömme­rungsgebiet ist (noch) unbedeutend. Obwohl gemäss BAlV (Berg- und Alp-Verordnung) das Fleisch gesömmerter Tiere als «Alpfleisch» vermarktet werden kann, wird solches bisher nur in wenigen Fällen abgesetzt. Dabei handelt es sich meist um Alpschweine und Erzeugnisse daraus. Gelegentlich bieten Alpbetriebe weitere tieri­ sche und pflanzliche Produkte an wie z.B. in Öl und Kräuter eingelegten Frischkäse, Eier, Beeren und Erzeugnisse daraus, Holundersirup, Honig, frische und getrocknete Kräuter oder Heilpflanzen. Unter die Kategorie alptouristische Dienstleistungen fallen Bewirtung, Übernachtungsmög­ lichkeiten, Animations- und Unterhaltungsangebote für Einzelpersonen, Familien oder Gruppen wie z.B. Zu­schauen beim Melken oder Käsen, Baden im Holzzuber oder «AlpSeminare». Weiter gibt es z.B. «Kuh-Leasing» mit Arbeitseinsatz auf der Alp, geführte Wanderungen, Alpengolf, Alpkräuterkurse, Esel- oder Ziegentrekking. Während sich in touristisch geprägten Regionen eine einfache Bewirtung seit Jahrzehnten etabliert hat, sind differenziertere Dienstleistungen erst in den letzten Jahren entstanden. Es gibt keine Zahlen über deren Umfang.

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Vorgehen und Methoden Basis für die Angebotserhebung war zunächst eine Literaturrecherche, die nationale und kantonale gesetzliche Bestimmungen für die Produktion und den Vertrieb von Alpprodukten einschloss.2 Diese beeinflussen folgende Aspekte der Alpproduktherstellung: Arbeitsaufwand (z.B. Arbeitsverfahren, Kontrollen), Investitionen (z.B. Ausstattung der Produktionsräume), mögliche Produktarten (z.B. Bedingungen für die Herstellung von Rohmilchkäse) sowie Produktbezeichnung. Nach der Literaturrecherche wurden acht Experten aus der Alpwirt­schaft (Produktion/Vermark­tung/Handel/ Vertrieb) sowie je eine Person aus Konsumentenschutz und Trendforschung mittels eines standardisierten Interviewleitfadens befragt. Die Fragen bezogen sich auf das Angebot an Alpprodukten, innovative Produktbeispiele, Herstellung und Vermarktung, Vertrieb, gesetzliche Grundlagen und Nachfrage. Der achtseitige Fragebogen, der an Bewirtschaftende von Alpbetrieben gesandt wurde, entstand auf der Basis der Literaturübersicht, der Experteninterviews sowie des Austausches mit Forschenden des AlpFUTURVerbundprojektes. Mit drei Bewirtschaftern wurde ein Pretest durchgeführt. Der Fragebogen wurde im April 2010 an 684 Alpbetriebe in den sechs Fallstudienregionen verschickt – in den Sprachen deutsch, französisch und italienisch – begleitet durch eine Medienmitteilung an die regio­nale landwirtschaftliche Print- und Internetpresse. 2 Lebensmittelgesetz (LmG), Sömmerungsbeitragsverordnung (SöBV), Berg- und Alp-Verordnung (BAlV), Hygienevorschriften (Hygieneverordnung HyV, Milchqualitätsverordnung MQV und Verordnung des EDI über die hygienische Milchverarbeitung in Sömmerungsbetrieben).


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100% 90% 80% 70% 60%

Vertriebskanäle in den Regionen 4

1

5 1 5

9

1

2

4

5

2

10

2

2

3

5 9

3

1

1

13

3

50% 2

1

40% 30%

2

2 30 4

20%

andere Restaurant/Hotellerie Händler Grossverteiler Dorfläden Direktverkauf

41 4

6

3

Vallée de Joux VD

Bezirk Moesa GR

10% 0%

Kanton Obwalden

Unterengadin GR

Diemtigtal/ Niedersimmental BE

Täler um Visp VS

Abb. 1 | Vertriebskanäle für Alpprodukte in % der antwortenden Betriebe und Anzahl Nennungen (in Balken) pro Fallstudiengebiet ­( Mehrfachnennungen möglich).

279 Fragebogen wurden retourniert (40 %), davon waren 17 ungenügend ausgefüllt. Der verwertbare Rücklauf von 262 Frage­bogen ergibt eine Rücklaufquote von 38 %. Zur Repräsentativität der Befragungen: Mit 262 antwortenden Betrieben haben wir knapp 4 % der Schweizer Alpbetriebe (2009) erfasst; im befragten Gebiet wurden 2008 11 % der schweizweiten Normalstösse (32 700 von 293 400) gesömmert (2008, AGIS-Daten) und 12 % der schweizweiten Alpkäsemenge produziert (623 Tonnen in 2009, TSM-Daten). Betriebe mit Alpprodukten dürften sich überdurchschnittlich an der Befragung beteiligt haben. Auch wenn die AlpFUTUR-Fallstudienregionen zentrale Strukturen der Schweizer Alpwirtschaft erfassen, so können sie die enorme Heterogenität der Schweizer Alpwirtschaft nicht widerspiegeln. Die Rücklaufquote von 38 % ist zufriedenstellend, doch variiert der regionale Rücklauf (Tab. 2). Dabei haben die drei Regionen mit geringer Zahl von Befragten (Unterengadin, Moesa, Täler um Visp) auch geringe Grundge­samtheiten. Sie produzieren geringe Mengen von Alpkäse (9 % der in allen sechs Regionen hergestellten Käsemenge gemäss TSM, 2009) und in ihnen werden 21  % der NST aller AlpFUTUR-Fallstudienregionen gesömmert (2008, AGIS-Daten). Ihr kleineres Gewicht aufgrund der kleinen Zahl antwortender Betriebe spiegelt sich also in alpwirtschaftlichen Indikatoren.

Resultate Angebot von Alpprodukten und ihr Vertrieb Hauptprodukt der Alpwirtschaft: Die Befragung der ­Produzenten bestätigt, dass Alpkäse das am häufigsten hergestellte Alpprodukt ist (82  % der antwortenden Betriebe mit Alpprodukten produzieren Alpkäse). 11 % produzieren andere Milchprodukte, 9 % Fleisch, 2 % bieten Bewirtung und 3  % andere Dienstleistungen an (Mehrfachnennun­gen möglich). Preise für Alpkäse: Die Preise im Direktverkauf (verschiedene Typen und Reifegrade) betragen CHF 12.– bis 28.– pro kg, wobei 80 % der Nennungen zwischen CHF 15.– und 23.– liegen. Diese Zahlen basieren auf der Aussage von 73 Betrieben (56 % der Betriebe mit Alpprodukten).3 Vertriebskanäle: Der bedeutendste Vertriebskanal für Alpprodukte ist der Direktverkauf (88 von 130 Alpprodukte herstellenden Betrieben verkaufen an Direktkunden). Abbildung 1 zeigt die genannten Vertriebskanäle und ihre regionalen Anteile. Die Produzenten wurden 

3 Alpbetriebe im Kanton Tessin wurden nicht befragt. Dort liegen die Preise für Alpkäse erfahrungsgemäss höher als in der übrigen Schweiz (z.B. einjähriger ­Alpkäse zwischen CHF 40.– und 50.–/kg im Direktverkauf).

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Anzahl Betriebe

Überbetriebliche Zusammenarbeit: 107 der 130 Betriebe mit Alpprodukten haben sich zur Frage der überbe­ trieblichen Zusammenarbeit im Bereich Alpprodukte geäussert. Demnach kooperieren lediglich 16 Betriebe mit anderen Alpbetrieben/Personen – dies vor allem im Bereich Produktion, teilweise auch bei der Affinage, Vermarktung oder Sonstigem.

Alpkäsemengen im Direktverkauf

25 20 15 10 5 0

600 – 1000

bis 500

1100 – 3000 3100 – 5000 6000 – 10 000 Kilogramm

Gründe für Produktion und Kauf von Alpprodukten aus Anbietersicht Gründe für die Produktion von Alpprodukten: Abb. 3 zeigt die Argumente für die Produktion von Alpprodukten. Die roten Balken schlüsseln die Antworten zur offenen Antwortkategorie «andere Gründe» auf. Kaufgründe: Die Bewirtschaftenden wurden gefragt, weshalb ihrer Meinung nach die Konsu­menten Alpprodukte kaufen (vgl. Abb.4). Dabei sind in den Deutschschweizer Fallstudienregionen qualitative Gründe und der Preis für den Kauf bedeutend, während in den lateinisch-sprachigen Fallstudienregionen ideelle Merkmale (traditionelle, regionale Produkte) wichtiger sind.

Abb. 2 | Abgesetzte Mengen Alpkäse im Direktverkauf (n: 58). 4 4 n bedeutet: Anzahl der Betriebe oder sonstigen Gesamtheit, die zu der jeweiligen Frage geantwortet haben.

über ihre Zufriedenheit mit den Absatzka­nälen befragt. «Zufrieden» sind 71 %, «nicht zufrieden» sind 12 % und «teilweise zufrieden» sind 17 % (n: 161). Absatzmengen von Alpkäse im Direktverkauf: Abbildung 2 zeigt die Verkaufsmengen. Der Median liegt bei einer Tonne. Kundschaft im Direktverkauf: Sie besteht vor allem aus Stammkunden (bei 78 von 95 auf diese Frage antwortenden Betrieben) und Kun­den aus der Region. Veränderungen des Produktangebotes: Nach der Entwicklung des Angebotes in den letzten fünf Jahren befragt, gaben 157 von 185 antwor­tenden Betrieben an, die Anzahl ihrer Produktkategorien sei gleich geblieben; bei 15 Betrieben hat die Anzahl der Produktkategorien zu- und bei 13 Betrieben abgenommen.

Gesetzliche Rahmenbedingungen Gesetzlicher Verbesserungsbedarf: Von 194 antwortenden Betrieben sehen 36 % keinen Verbesserungsbedarf bei den alpprodukt-relevanten Gesetzen und Verordnungen. 15 % orten einen solchen und 49 % haben dazu keine Meinung. Weiter wurden in 33 Fragebogen kritische Einzelkommentare abgegeben. Sie betreffen v.a. die Vielzahl

Gründe für die Produktion von Alpprodukten 45 65

40

66

35

%

30

47

25

46

39

20 15 10

12

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6

7

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7

7

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Abb. 3 | Gründe der Produzenten, Alpprodukte herzustellen in % der antwortenden Betriebe und Anzahl Nennungen (auf Balken), Mehrfachnennungen möglich.

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Alpprodukte und Alpdienstleistungen – ­A ngebot in ausgewählten Regionen der Schweiz | Agrarwirtschaft

Kaufgründe für Alpprodukte 70 blau = Qualität, gelb = ideelle Gründe, grün = Kaufsituation, rot = Preis 60

%

50 40 30 20 10

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Abb. 4 | Gründe für den Kauf von Alpprodukten aus Sicht der Produzenten in % der antwortenden Betriebe (Mehrfachnennungen möglich).

Diskussion Der hier identifizierte Anteil von 40 % der Betriebe, die 2009 Alpkäse herstellten, liegt etwas höher als der Anteil von 34 %, den eine Erhebung zur Situation der Alpbetriebe (anderer Betriebe) für das Jahr 2009 errechnete (von Felten 2011). Doch gemäss TSM produzierten 2009 lediglich 20 % der Alpbetriebe Käse. Wie ist die Differenz 

Unterscheidung von Berg- und Alpprodukten 70

130

60 50 %

der Bestimmungen und die Schwierigkeit, diese auf dem Alpbetrieb umzusetzen (z.B. aufgrund der Infrastruktur). Alpkontrollen: Mit den gesetzlichen Richtlinien sind Alpkontrollen verbunden. Von 205 Betrieben gaben 80 % an, in den letzten fünf Jahren kontrolliert worden zu sein. Die Kontrollen scheinen mehrheitlich keine grosse Mühe zu machen: für 77 % der darauf Antwortenden (n: 158) waren sie unproblematisch, für 13 % mühsam und 10 % hatten dazu keine Meinung. Kennzeichnung der Alpprodukte: Die BAlV legt fest, worin sich ein Alpprodukt auszuzeichnen hat. Es wurde gefragt, ob zwischen Berg- und Alpprodukten unterschieden werden soll (vgl. Abb.5). Zustimmung für ein Alplabel: Eine Mehrzahl der Befragten ist nicht der Ansicht, dass ein Alplabel zur besseren Kennzeich­nung der Produkte Sinn machen würde; konkret 46 % sind gegen ein Alplabel, 31 % befürworten es, 23 % haben dazu keine Meinung (n: 203). 75 Betriebe gaben zusätzliche Kommentare ab. Das Hauptargument der Befürworter ist die positive Wirkung eines Labels auf den Absatz. Die Gegenstimmen fürchten zusätzliche administrative und finanzielle Bürden sowie Konfusion statt Differenzierung.

40 30 20

42

34

10 0

Berg- und Alpprodukte nicht unterscheiden

Berg- und Alpprodukte unterscheiden

Keine Meinung

Abb. 5 | Erwünschtheit einer Unterscheidung von Berg- und Alpprodukten in % der antwortenden Betriebe und Anzahl Nennungen (auf Balken).

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Agrarwirtschaft | Alpprodukte und Alpdienstleistungen – ­A ngebot in ausgewählten Regionen der Schweiz

erklärbar? Zum einen erfassen die TSM-Daten jene Betriebe nicht, die Alpkäse lediglich für den Eigenbedarf produzieren. Dies sind bei der hier präsentierten Umfrage mindestens 10 % der Betriebe. Zum anderen ist davon auszugehen, dass sich bei den genannten Befragungen v.a. Betriebe beteiligt haben, die Alpprodukte herstellen. In den sechs Erhebungsgebieten bieten 2  % der antworten­den Betriebe gastronomische und 3 % auch andere Dienstleistun­gen an. Demgegenüber gaben in der schweizweiten Erhebung zur Situation der Alpbetriebe 16 % (n: 667) an, auf ihrer Alp eine Bergwirtschaft zu haben (von Felten 2011). Diese Stichprobe war jedoch grösser und umfasste auch Regionen mit grösserer Dichte an Alpgastronomie. In persönlichen Interviews mit Fachleuten wurden neue Dienstleistungsangebote wie z.B. Schaukäsen oder Wellness-Angebote wiederholt genannt. Doch tatsächlich ist ihre Verbreitung gering: gemäss der Befragung führen lediglich 3 % solche Angebote. Diese Angebote dürften also Einzelfälle sein, auch wenn sie dank Internet gut bekannt und zugänglich sind. Nicht überraschend ist der hohe Direktvermarktungsanteil von Alpprodukten (68 %). Er lässt sich erklären mit den betriebsspezi­fisch relativ geringen Absatzmengen von Alpkäse und mit den besseren Margen, wie der folgende Vergleich zeigt: am Alpkäsemarkt in Muotathal (Oktober 2010) lag der Kilopreis bei CHF 19.50, während z.B. in der Befragung ein Preis von CHF 9.40 pro kg beim Verkauf an den Käsehandel genannt wurde. Alpwirtschaftsnahe Fachpersonen vermitteln in Gesprächen verschiedentlich den Eindruck, die Vielfalt an Alpprodukten hätte im letzten Jahrzehnt zugenommen. Dem steht entgegen, dass bei 85 % der Bewirtschafter die Anzahl der Produktkategorien seit fünf Jahren unverändert ist. Beim Rest hat sie zu etwa gleichen Teilen zu- beziehungsweise abgenommen. Insgesamt muss die Angebotsseite des Alpproduktmarktes also als eher träge bezeichnet werden. Allerdings ist aus den Daten der TSM (2009, 2010) ersichtlich, dass weniger Milchalpen (seit 2000 Rückgang um rund 18 %) mehr Alpkäse produzieren (seit 2003 Zunahme um 17 %). Wir vermuten den Grund in der Aufgabe kleinerer Milchalpen oder einer veränderten Ausrichtung von Milchalpen (v.a. Aufgabe von Milchkuhhaltung), im Ausbau bestehender Milchalpen und beim Bau grösserer Alpsennereien. Hier finden ähnliche Konzentrationsprozesse statt wie in der übrigen Landwirtschaft.

Gründe dafür dürften u.a. die in den letzten Jahren verschärften gesetzlichen Vorschriften sein (v.a. im Bereich Hygiene und Tierhaltung). Weiter fällt auf, dass Traditionsgründe und Tierbesatz für die Produktion von Alpprodukten häufiger als Hauptgründe genannt wurden als Rentabilität oder Absatzmöglichkeiten. Doch dies besagt nicht, Rentabilität und Absatzmöglichkeiten seien schlecht. Immerhin sind 71 % der Betriebe mit den Absatzkanälen zufrieden. Als letztes sei angesprochen, dass in Expertengesprächen verschiedentlich der Eindruck entsteht, die gesetzlichen Regelungen der Alpwirtschaft brächten Unmut. Tatsächlich aber orten in der schriftlichen Befragung nur 15  % der Antwortenden Verbesserungsbedarf (neben 49  % ohne Meinung). Die geringe Unzufriedenheit drückt sich auch darin aus, dass 77 % der Betriebe die gesetzlichen Kontrollen nicht als Problem empfinden. Die hier aufgezeigte Befragung zu den Kaufgründen deckt nur die Anbietersicht ab. Im Rahmen der laufenden Nachfrageerhebung unseres laufenden Projektes Alpprodukte finden Konsumentenbefragungen und Fokusgruppengespräche statt.

Schlussfolgerungen und Ausblick Insgesamt zeigt sich, dass die Alpwirtschaft im Hinblick auf Alpprodukte bislang eher tradi­tions- und strukturverhaftet reagiert und in der Tallandwirtschaft stattfindende Entwicklungen kaum in der Alpwirtschaft angekommen sind: Entwicklungen wie neue und innovative Produkte und Dienstleistungen anbieten, die Zusatznutzen betonen und einen grösseren Teil der Wertschöpfungskette in eigenen Händen halten. Dass dies auch für die Alpwirtschaft beziehungsweise Teile davon erfolgreich sein kann, kann vermutet werden. Das Verfolgen einer solchen Strategie auf breiterer Basis bedarf der Beantwortung vor allem folgender Fragen: Ist die Nachfrage vorhanden? Unter welchen Bedingungen können einzelne Alpwirtschaftsbetriebe von einer erhöhten Produktion von Alpprodukten profitieren? Würden die damit einhergehenden Veränderungen der Alpwirtschaft von dieser und der Gesellschaft akzeptiert? Gäbe es ausreichend qualifiziertes Alppersonal? Verschiedene dieser Fragen werden durch das Projekt Alpprodukte sowie andere AlpFUTUR-Teilprojekte (z.B. Alppersonal, n AlpFusion, Gesellschaft) bearbeitet.5

5 Die Forschung für diesen Beitrag wird von der Ernst Göhner Stiftung und der Fondation Sur-La-Croix finanziell unterstützt. Unser Dank gilt den unterstützenden Stiftungen sowie den Alpbewirtschaftern, die sich an der Umfrage beteiligt haben.

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Prodotti d’alpe e prestazioni degli alpeggi – Offerta in regioni svizzere selezionate I prodotti d’alpe sono prodotti di nicchia, che destano molto interesse presso la popolazione. Ad un’inchiesta relativa all’offerta di prodotti e alla prestazione degli alpeggi hanno partecipato 262 alpigiani provenienti da sei regioni. Questa inchiesta mostra che il formaggio d’alpe costituisce il prodotto più importante per quanto riguarda la produzione e l’offerta. Questo prodotto viene spesso immesso sul mercato – in piccole quantità – in modo diretto. Mentre la produzione di formaggio d’alpe svizzero è aumentata negli ultimi anni, nell’85 % delle aziende alpestri che hanno partecipato al sondaggio, il numero dei prodotti è rimasto stabile. Oltre la gastronomia d’alpe, l’offerta di prestazioni è marginale. La tradizione e la disponibilità di animali sono i fattori che maggiormente motivano la produzione di prodotti d’alpe. La cooperazione interaziendale nell’ambito della produzione e della vendita di prodotti d’alpe è limitata. Per i produttori (63 %) è importante differenziare i prodotti di montagna dai prodotti d’alpe. Nonostante ciò, solamente il 31 % dei partecipanti all’inchiesta sostiene l’idea di un marchioper i prodotti d’alpe. In generale l’offerta è strettamente legata alla tradizione ed esiste potenziale per l’ampliamento e lo sviluppo ulteriore dell’offerta.

Summary

Riassunto

Alpprodukte und Alpdienstleistungen – ­A ngebot in ausgewählten Regionen der Schweiz | Agrarwirtschaft

Alpine products and services – supply situation in selected Swiss regions Alpine products are niche products that generate public interest. In an investigation of the supply situation in six Swiss case study regions, 262 producers from summering farms were surveyed. The results show that the most important of the produced and marketed alpine products is alpine cheese, which is often sold directly to consumers and in small quantities. While production of alpine cheese in Switzerland has increased in the past years, the variety of alpine products on offer has remained stable in 85 % of the participating summer farms. Apart from the traditional alpine gastronomy, few services are provided by summer farms. Tradition and livestock are the most important reasons for the production of alpine products. The cooperation rate of farms in the production and marketing of alpine products is low. Although 63 % of the producers find it important to differentiate «Alpine» and «Mountain» products, only 31 % agree upon the desirability of establishing a label for alpine products. Overall, the supply side tends to cling to tradition, yet potential for extension and further development exists. Key words: products of Swiss summer farms, services on alps, alpine dairy products, regulations.

Literatur ▪▪ Baur P. et al., 2006. Alpweiden im Wandel. Agrarforschung 14 (6), 254–259. ▪▪ Lauber S. et al., 2011. Evaluation der Sömmerungsbeitragsverordnung (SöBV) und alternativer Steuerungsinstrumente für das Sömmerungsgebiet. Schlussbericht des AlpFUTUR-Teilprojektes 13 «Politikanalyse», WSL. Birmensdorf. ▪▪ Matscher A. & Schermer M., 2009. Zusatznutzen Berg? Argumente für den Konsum von Bergprodukten. Agrarwirtschaft 58 (2), 125–134. ▪▪ TSM, 2009 und 2010. Zahlen zu Alpmilchproduktion und -verwertung 2001 – 2008 sowie 2009 nach Kantonen. TSM. Bern. ▪▪ von Felten S., 2011. Situation der Alpwirtschaftsbetriebe in der Schweiz. Resultate einer Befragung von Sömmerungsbetrieben. WSL. Birmensdorf. ▪▪ Werthemann A. & Imboden A., 1982. Die Alp- und Weidewirtschaft in der Schweiz. Bern.

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N u t z t i e r e

Klimawandel beeinflusst das Tierwohl bei Milchkühen Jürg Fuhrer und Pierluigi Calanca Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8046 Zürich Auskünfte: Jürg Fuhrer, E-Mail: juerg.fuhrer@art.admin.ch, Tel. +41 44 377 75 05

Mit dem Klimawandel steigt das Risiko von Hitzestress bei weidenden Tieren. (Foto: ART)

Einleitung Die Klimaentwicklung der letzten Jahrzehnte zeigt für die Schweiz deutlich steigende Temperaturen. Die Jahresmittelwerte stiegen zwischen 1981 und 2010 je nach Region zwischen 0,9 und 1,4 °C (Ceppi et al. 2010). Aufgrund der neusten Klimaprojektionen für drei Regionen der Schweiz (Nordost-, Nordwest-, Südschweiz) wird für die Zukunft ein weiterer Anstieg erwartet. Gegenüber den letzten 30 Jahren beträgt dieser bis zum Ende des Jahrhunderts 3,2 bis 4,8 °C (A2-Emissions-Szenario) und 2,7 bis 4,1 °C (A1B-Emissions-Szenario; CH2011 2011). Dieser Trend hin zu wärmeren Temperaturen mit häufiger werdenden Extremtemperaturen hat weitreichende Folgen für Mensch, Tier und Umwelt. Dazu gehört, dass

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sich die klimatischen Bedingungen für die landwirtschaftlichen Nutztiere vielerorts verschlechtern (IPCC 2007). Diesem Aspekt des Klimawandels wurde aber bisher noch wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit beeinflussen Tierwohl und Leistungsmerkmale direkt. Bei Milchkühen bedeuten steigende Temperaturen bei hoher Luftfeuchtigkeit eine Abnahme der Futteraufnahme und der Milchleistung, und Veränderungen in der Milchqualität (West 2003). Zusätzlich steigt der Flüssigkeitsbedarf. Weitere Folgen länger dauernder Hitzelast betreffen Reproduktion, Wachstum und Gesundheit (Kadzere et al. 2002). Während in geschlossenen Stallsystemen die klimatischen Bedingungen mit technischen Mitteln geregelt und für jede Tiergattung optimal eingestellt wer-


den können, ist dies in offenen Stallsystemen und bei der Weidehaltung nicht möglich. Es stellt sich somit die Frage, ob und in welchem Ausmass die Aussenbedingungen für Nutztiere mit dem Klimawandel in der Schweiz ungünstiger werden und in welchem Ausmass eine Beeinträchtigung des Tierwohls zu erwarten ist. In der vorliegenden Analyse wird anhand eines einfachen Indikators für den Temperatur-Feuchte-Stress bei Kühen untersucht, wie stark sich die steigenden Temperaturen seit 1981 bereits negativ auf das Risiko für Hitzestress ausgewirkt haben, und wie sich die Situation im Zeitfenster um 2050 unter verschiedenen Klimaprojektionen weiter verändert haben könnte.

Methoden Temperatur-Feuchte-Index Zur Charakterisierung von Hitzestress bei Nutztieren stehen verschiedene Indizes unterschiedlicher Komplexität zur Verfügung, welche aus Temperatur und Luftfeuchtigkeit berechnet werden (Bohmanova et al. 2007). Für die vorliegende Betrachtung wurde ein TemperaturFeuchte-Index gewählt (Temperature-Humidity-Index, THI), der sich aus den Tagesmittelwerten von Temperatur (T) und relativer Luftfeuchtigkeit (rF) zusammensetzt. Der Vorteil des THI liegt darin, dass die rF im Gegensatz zur absoluten Luftfeuchtigkeit auch mit steigenden Temperaturen als relativ konstant betrachtet werden kann (Willett et al. 2007). Die Berechnung des THI erfolgte nach folgender Formel (nach Thom 1958):

Zusammenfassung

Klimawandel beeinflusst das Tierwohl bei Milchkühen | Nutztiere

Mit dem Klimawandel steigen die Temperaturen in der Schweiz. Damit nimmt auch das Risiko für Hitzestress bei Nutztieren zu. Basierend auf der Auswertung eines Temperatur-Feuchte-Indexes für ausgewählte Standorte konnte gezeigt werden, dass dieses Risiko im Tagesdurchschnitt für Milchkühe während der letzten 30 Jahre an mehreren Orten bereits deutlich angestiegen ist, während sich die Extremwerte dieses Indexes kaum veränderten. Die künftige Entwicklung des Risikos für Hitzestress wurde auf der Basis von zwei Klimaszenarien für den Zeithorizont 2036 bis 2065 untersucht. Diese Projektionen zeigen, dass das Risiko besonders an wärmeren Standorten beträchtlich sein kann. Besonders ausgeprägt ist die Zunahme der Anzahl Tage mit Hitzebelastung. Die Ergebnisse belegen den Bedarf für Massnahmen in der Milchviehhaltung zur Anpassung an den künftigen Klimawandel.

THI = 0,8 × T + (rF / 100) × (T − 14,4) + 46,4 Zur Beurteilung der berechneten THI Werte für Milchkühe wurde die unter anderen von Armstrong (1994) vorgeschlagene Einteilung verwendet: <72: Kein Stress 72−78: Milder Stress 79−89: Moderater Stress >89: Ausgeprägter Stress Zur Beurteilung der Entwicklung der Hitzebelastung in der Vergangenheit wurde für die Referenzperiode der Index THI aus den täglichen Messdaten für acht ausgewählte Stationen berechnet. Untersucht wurden der Verlauf des Jahresmittelwertes und des maximalen Tagesmittelwertes des THI, sowie der Anzahl Tage mit einem THI >72. In einem zweiten Schritt wurden dieselben Parameter anhand der Klimaszenarien für den Zeithorizont 2050 (2036−2065) berechnet, um die künftige  Entwicklung der Hitzebelastung abzuschätzen.

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Nutztiere | Klimawandel beeinflusst das Tierwohl bei Milchkühen

85

85 Magadino

Sion 80

Moderat

80

75

75

THI

Mild 70 65

70 Kein Stress

60 1975 85

80

1980

65

1985

1990

1995

2000

2005

2010

2015

1980

1985

1990

1995

2000

2005

2010

2015

THI THI

60 1975 85

1980

1985

1990

1995

2000

Changins

2015

2005

2010

2015

Tänikon 80

75

Mild

70 Kein Stress 65

1980

1985

1990

1995

2000

2005

2010

2015

60 1975 85

1980

1985

1990

1995

2000

Payerne

Moderat

2005

2010

2015

Davos

80

THI

2010

65

70

80

75

Mild

70

70 Kein Stress 65

60 1975

2005

Kein Stress

Moderat

65

2000

75

80

75

1995

70

60 1975 85

60 1975 85

1990

Bern

70

65

1985

80

Mild

75

1980

Aigle

Moderat

75

65

60 1975 85

1980

1985

1990

1995

2000

2005

2010

2015

60 1975

1980

1985

1990

1995

2000

2005

2010

2015

Abb. 1 | Verlauf des Jahresmittels (blaue Symbole) und des maximalen Tageswertes (rote Symbole) des Temperatur-Feuchte-Indexes THI in den Jahren 1981 bis 2009 (mit linearer Trendlinie) an ausgewählten Standorten. Gestrichelte Linien stellen die Grenzen zwischen «keinem» und «mildem» sowie zwischen «mildem» und «moderatem» Hitzestress dar.

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Klimawandel beeinflusst das Tierwohl bei Milchkühen | Nutztiere

Tab. 1 | Klimadaten (Jahresmittelwerte) für die Referenzperiode 1981 – 2009 Station

Temperatur (°C)

Relative Luftfeuchtigkeit (%)

Davos

4,0

71,0

Tänikon

8,7

75,9

Bern

9,3

74,8

Payerne

9,6

76,0

Aigle

10,1

75,4

Changins

10,5

72,2

Sion

10,5

68,3

Magadino

11,7

70,5

Klimadaten und -szenarien Für die Berechnungen wurden acht ländliche Stationen in verschiedenen Landsteilen ausgewählt, die einen möglich grossen Bereich von T und rF abdecken. Mittelwerte für die beiden Schlüsselgrössen sind in Tabelle 1 zusammengestellt. Der Bereich für T reicht von 4 °C am alpinen Standort Davos bis gegen 12 °C im Tessin (Magadino), die Spannweite der rF Werte ist dagegen geringer (68−76 %). Tägliche Daten für T und rF für die Referenzperiode 1981 bis 2009 wurden von der Datenbank von Meteoschweiz (www.meteoschweiz.ch) bezogen. Die Simulation des THI unter zukünftigen Klimabedingungen erfolgte auf der Basis von zwei Klimaszenarien. Diese nehmen Bezug auf Klimasimulationen für 1951 bis 2100 des EU-Projektes ENSEMBLES (van der Linden und Mitchell 2009), nämlich die Simulationen mit den regionalen Klimamodellen ETHZ-CLM und SMHIRCABCM (für Details siehe http://ensemblesrt3.dmi.dk/). Für die Schweiz liefern diese zwei Modellläufe in etwa eine obere («extremes» Szenario) beziehungsweise untere («mildes» Szenario) Grenze der möglichen Klimaentwicklungen, die aus der Gesamtheit der ENSEMBLES-Szenarien resultierten. Ausgehend vom A1B-Emissionsverlauf (ausgewogener Energiemix unter der Voraussetzung, dass alle Energiequellen einen ähnlichen technologischen Fortschritt erfahren) liefert die Simulation mit ETHZ-CLM für die Zeitspanne 2036 bis 2065 eine Zunahme der saisonalen Mitteltemperatur gegenüber 1981 bis 2010 von 2 bis 2,5 °C in den Monaten Oktober bis Juni und von 3 bis 3,5 °C in den Monaten Juli, August und September. Die Temperaturzunahme bis 2036−2065 ist mit SMHIRCA-BCM moderater, das heisst um +1 °C in Winter/Frühling und Herbst, und gegen +1,5 °C während der Sommermonate.

Da die Berechnung des THI auf Tagesbasis erfolgte, musste die aus ETHZ-CLM und SMHIRCA-BCM gewonnene, saisonale Information zeitlich disaggregiert werden. Dies geschah für Temperatur und Globalstrahlung mit Hilfe eines statistischen Verfahrens, einem sogenannten stochastischen «Wettergenerator» (LARS-WG nach Semenov 2007 sowie Semenov und Stratonovitch 2010), der aufgrund beobachteter Zeitreihen synthetische Wetterdaten für die gewünschten Standorte generierte. Statistische Tests zeigten, dass die tägliche Variabilität des Wetters sehr gut wiedergegeben wird. Allerdings wird die Jahr-zu-Jahr-Variabilität der saisonalen Witterung unterschätzt, da dafür kein statistisches Modell verfügbar ist. Daten für rF wurden folgendermassen berechnet. Zuerst wurde die Annahme getroffen, dass der mittlere Jahresgang von rF im künftigen Klima unverändert bleibt (Willett et al. 2007). In einem weiteren Schritt wurde dann die tägliche Abweichung vom mittleren Jahresgang als Funktion der Globalstrahlung berechnet. Hier wurde von der Hypothese ausgegangen, dass bei heiterem Himmel die Minimalwerte von rF am frühen Nachmittag kleiner ausfallen als bei bewölktem Himmel oder bei Regen. Zuletzt wurde eine kleine stochastische Rauschkomponente addiert, welche die restliche Variabilität in den Beobachtungen simuliert. Für die ausgewählten Standorte zeigte der Vergleich zwischen den in der Vergangenheit (Referenzperiode 1981−2009) beobachteten und den mit dieser Methode berechneten Werten für rF, dass diese Vorgehensweise zuverlässige Resultate liefert. 200 Jahre synthetischer Wetterdaten wurden mit LARSWG sowohl für die Referenzperiode (1981−2009) als auch für jedes der beiden Szenarien für den Zeithorizont 2050 (2036−2065) generiert, und daraus entsprechende THI-Werte berechnet.

Resultate Entwicklung 1981 bis 2009 In einem ersten Schritt wurde die zeitliche Entwicklung des THI über die letzten 30 Jahre betrachtet. Die Daten für die ausgewählten acht Stationen zeigen einen unterschiedlichen Verlauf (Abb. 1). Die Zunahme des mittleren THI ist für die Stationen Sion und Magadino ausgeprägt, für die übrigen Standorte ist eine solche nur schwach oder gar nicht (Changins) vorhanden. Im Gegensatz zum mittleren THI veränderte sich der maximale Tageswert des THI im betrachteten Zeitraum kaum, mit Ausnahme der Station Magadino im Tessin und ganz schwach in Davos. Der Unterschied im Verlauf zwischen Mittel- und Maximalwert ist dadurch bedingt, dass die 

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Nutztiere | Klimawandel beeinflusst das Tierwohl bei Milchkühen

90 Beobachtung 1981–2009 Simulation Referenzperiode 1981–2009

85

Moderat

Szenario SMHI-BCM (2050) Szenario ETH-CLM (2050)

Jahresmaxima, THImax

80

75

Mild

70

65

60 55

Kein Stress Davos

Tänikon

Bern

Payerne

Aigle

Changins

Sion

Magadino

Abb. 2 | Jährlicher Maximalwert des Temperatur-Feuchte-Index THI an ausgewählten Standorten für die letzten 30 Jahre und für zwei verschiedene Klimaszenarien. Boxplot mit Median, 25/75-%-, 19/90-%- und 5/95-%-Perzentilen. Horizontale gestrichelte Linien stellen die Grenzen zwischen «keinem» und «mildem» sowie zwischen «mildem» und «moderatem» Hitzestress dar.

Minimaltemperaturen stärker anstiegen als die Maxima. Die Werte für den mittleren THI bewegten sich im Bereich des Schwellenwerts für eine milde Stressbelastung, das heisst bei einem THI um 72. Die höchsten Werte im Bereich «milder Stress» (THI 72−78) traten erwartungsgemäss an den wärmsten Standorten auf (Sion, Magadino), die tiefsten am höher gelegenen Standort Davos. Der maximale THI bewegte sich im Grenzbereich zwischen «mildem» zu «moderatem» (THI 79−89) Stress. Ausgeprägte Stressbedingungen mit THI >89 traten in der gewählten Zeitperiode nicht auf. Künftige Entwicklung Sowohl für die jahresmaximalen Werte des THI als auch für die Anzahl Tage mit THI >72 sind die mittels LARS-WG für die Referenzperiode (1981−2009) berechneten Klimadaten mit jenen vergleichbar sind, die für diesen Zeitraum anhand der gemessenen Stationsdaten ermittelt wurden (Abb. 2 und 3). Für den jahresmaximalen THI sind neben den Mittelwerten auch die Streubereiche vergleichbar, während für die Anzahl Hitzestresstage

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(THI >72) die Streubereiche aufgrund der LARS-WG Simulationen kleiner sind, was mit der Unterschätzung der Jahr-zu-Jahr-Variabilität der saisonalen Witterung einhergeht. Insgesamt ergaben die Berechnungen, dass sowohl die Durchschnittswerte des jahresmaximalen THI als auch dessen 5-%-Perzentil mit beiden Klimaszenarien an fast allen Standorten über den Schwellenwert von 72 ansteigen (Abb. 2). Die Ausnahme bildet Davos; für diesen Standort wurde auch mit dem «extremen» Klimaszenario kein erhöhtes Stressrisko festgestellt. Demgegenüber nimmt die Anzahl Tage pro Jahr mit THI-Werten von über 72 an den wärmeren Standorten Payerne, Changins, Magadino und Sion deutlich zu (Abb. 3). Die Auswirkung der Klimaszenarien ist bei der Anzahl Tage mit THI >72 deutlicher erkennbar als bei den maximalen Tageswerten. Die Daten zeigen, dass die Anzahl solcher hitzebelastender Tage gegenüber der Referenzperiode mit dem «extremen» Klimaszenario an mehreren Standorten um einen Faktor 2 bis 3 höher liegt. In einzelnen Jahren stieg an fünf der untersuchten Standorte die Anzahl der


Klimawandel beeinflusst das Tierwohl bei Milchkühen | Nutztiere

70 Beobachtung 1981–2009

60

Simulation Referenzperiode 1981–2009 Szenario SMHI-BCM (2050)

Anzahl Tage (THI > 72)

50

Szenario ETH-CLM (2050)

40 30 20 10 0

Davos

Tänikon

Bern

Payerne

Aigle

Changins

Sion

Magadino

Abb. 3 | Anzahl Tage mit THI >72 (milder Hitzestress) an ausgewählten Standorten für die letzten 30 Jahre und für zwei verschiedene Klimaszenarien. Boxplot mit Median, 25/75-%-, 19/90-%- und 5/95-%-Perzentilen.

Tage mit THI >72 auf über 50. Im Gegensatz dazu liegt die Anzahl kritischer Tage mit dem «milden» Klimaszenario bei den meisten Standorten noch innerhalb des Streubereichs der Ergebnisse, die aus den Beobachtungen für die Referenzperiode 1981 bis 2009 berechnet wurden.

Diskussion Die Klimaentwicklung der vergangenen Jahre und die Projektionen bis Mitte des Jahrhunderts lassen erwarten, dass die klimatischen Bedingungen für Nutztiere in der Schweiz in Zukunft im Zuge des Klimawandels häufiger ungünstig sein werden, wie das für andere Regionen der Welt bei bereits geringer Erwärmung erwartet wird (IPCC 2007). Diese Veränderung betrifft sowohl Tiere in Weidehaltung als auch Tiere in offenen Stallsystemen. Entscheidend dabei ist die Zunahme der Temperatur, während rF auch bei steigender absoluter Feuchte der Atmosphäre einigermassen konstant bleibt (Willett 2007). Diese Klimaentwicklung wirkt sich nachteilig auf das Wohl und die Leistung von Nutztieren aus. Für Milch-

kühe heisst das, dass die Tiere ohne geeignete Gegenmassnahmen zunehmend unter Hitzestress leiden und Milchleistung (West 2003) und -qualität (Palmquist et al. 1993) sinken könnten. In der Schweiz war dies bisher nur in extremen Jahren wie im Sommer 2003 der Fall, als die THI-Werte zum Beispiel am Standort Bern in den Monaten Juli/August um bis zu 15 Einheiten höher lagen als im «Normaljahr» 2002. Nach Fischer et al. (2005) war im Sommer 2003 in Milchproduktionsbetrieben Brandenburgs die Futteraufnahme bei Milchkühen trotz moderner Fütterungstechnik und Stallhaltung hitzebedingt um bis zu 15 % reduziert, was mit einer um zirka 10 % geringeren Milchleistung einher ging. Besonders an bereits wärmeren Standorten wird bei einem künftigen, starken Temperaturanstieg von über zirka 2 °C (extremes Szenario) die Zeit mit THI-Werten über 72 gegen zwei Monate betragen. Als mögliche Reaktion auf eine solche Häufung von Tagen mit Stressbelastung bieten sich Veränderungen im Weidemanagement an, wie zum Beispiel der vermehrte Einsatz von Nachtweide. Weitere geeignete Massnahmen sind das 

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Nutztiere | Klimawandel beeinflusst das Tierwohl bei Milchkühen

Abb. 4 | Beschattungsmöglichkeiten auf der Weide werden im Zuge des Klimawandels wichtiger. (Foto: ART)

Anbieten von Schatten auf der Weide (Abb. 4) und im Laufhof (Schütz et al. 2008, 2009; Tucker et al. 2008), die Installation von Berieselungsanlagen zur Kühlung der Tiere (Legrand et al. 2011, Schütz et al. 2011) oder die Verlagerung der Weidehaltung in höhere Gebiete, wodurch die Bedeutung der voralpinen und alpinen Gebiete für die Milchviehhaltung steigt und die Sömmerung ein neues Gewicht bekommen könnte. Auch in Bezug auf die Zucht bestehen Anpassungsmöglichkeiten, indem Rassen und Zuchtlinien von Milchkühen bevorzugt werden, die besser an wärmere klimatische Bedingungen angepasst sind (West 2003). Solche Massnahmen können aber Kosten verursachen, wenn es um notwen-

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dige Investitionen für Schutzeinrichtungen geht. Es wird abzuwägen sein, welche Massnahmen unter Berücksichtigung von Nutzen und Kosten vorzugsweise eingesetzt werden sollen. Die Ergebnisse der Studie machen aber deutlich, dass mittel- und langfristig mit dem Klimawandel − trotz bestehender Unsicherheiten in den Klimaprojektionen – die eine oder andere Anpassung in der Milchviehhaltung unumgänglich sein dürfte. Darüber hinaus ist zu erwarten, dass auch andere Nutztierarten wie zum Beispiel Schweine oder Geflügel in der Schweiz zunehmend einer Hitzebelastung ausgesetzt sein werden und deren Haltung entsprechend n angepasst werden muss.


Il cambiamento climatico incide sul ­benessere delle vacche da latte In Svizzera, il cambiamento climatico comporta un innalzamento delle temperature, con conseguente aumento del rischio di stress termico per gli animali da reddito. Sulla base della valutazione di un indice di temperatura-umidità incentrato su località selezionate è stato possibile dimostrare che durante gli ultimi trent'anni il rischio medio giornaliero per le vacche da latte ha già subito un sensibile incremento in diversi luoghi, mentre i valori estremi sono rimasti pressoché invariati. L'evoluzione futura del rischio di stress termico è stata studiata sulla base di due scenari climatici temporali per gli anni 2036–2065. Tali proiezioni indicano che il rischio potrà essere notevole soprattutto nelle regioni più calde. Particolarmente marcata è la crescita del numero di giorni di canicola. I risultati documentano la necessità di misure d’adeguamento al cambiamento climatico nell’ambito della detenzione di bestiame da latte.

Literatur ▪▪ Allen R. G., Pereira L. S., Raes D. & Smith M., 1998. Crop Evapotranspiration. Guidelines for Computing Crop Water Requirements. FAO Irrigation and Drainage Paper 56. Food and Agriculture Organization (FAO) of the United Nations, Rome, 300 pp. ▪▪ Armstrong, D. V., 1994. Heat stress interaction with shade and cooling. ­J . Dairy Sci. 77, 2044–2050. ▪▪ Bohmanova J., Misztal I. & Cole J. B., 2007. Temperature-humidity indices as indicators of milk production losses due to heat stress. J. Dairy Sci. 90, 1947–1956. ▪▪ Ceppi P., Scherrer S. C., Fischer A. M. & Appenzeller C., 2010. Revisiting Swiss temperature trends 1959–2008. Int. J. Clim., DOI: 10.1002/ joc.2260 ▪▪ Fischer A., Eulenstein F., Willms M., Müller L., Schindler U. & Mirschel W., 2005. Mögliche Auswirkungen des Klimawandels auf die Tierproduktion in Nordostdeutschland. In: Wiggering H., Eulenstein F., & Augustin J. [Hrsg.]: Entwicklung eines integrierten Klimaschutzmanagements für Brandenburg: Handlungsfeld Landwirtschaft, (DS 3/6821-B): 59–65; Müncheberg (Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung). ▪▪ IPCC, 2007. Climate Change 2007: Working Group II: Impacts, Adaptation and Vulnerability. Parry M. L., Canziani O. F., Palutikof J. P., van der Linden P. J. & Hanson C.E. (eds). Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA. ▪▪ Kadzere C. T., Murphy M. R., Silanikove N. & Maltz E., 2002. Heat stress in lactating dairy cows: A review. Livest. Prod. Sci. 77, 59–91. ▪▪ Legrand A., Schütz K. E. & Tucker C. B., 2011. Using water to cool cattle: Behavioral and physiological changes associated with voluntary use of cow showers. J. Dairy Sci. 94, 3376–3386. ▪▪ Palmquist D. L., Beaulieu A. D. & Barbano D. M., 1993. Feed and animal factors influencing milk fat composition. J. Dairy Sci. 76, 1753–1771.

Summary

Riassunto

Klimawandel beeinflusst das Tierwohl bei Milchkühen | Nutztiere

Climate change affects welfare of dairy cows Climate change is leading to higher temperatures across Switzerland, increasing the risk of heat stress in livestock. Analyzing a «Temperature-Humidity Index» at various locations, it could be shown that the risk for dairy cows already grew substantially on a daily average over the past 30 years, whereas the maximum of the index did not change much. Future trends of the index were analyzed on the basis of two climate scenarios for the time period 2036–2065. These projections show that, at the warmer sites in particular, future risks could be substantial. Especially marked is the increase in the number of days with heat stress. The results emphasize the need for measures to be taken in order to adapt animal husbandry to future climate change. Key words: climate change, heat stress, livestock, animal welfare.

▪▪ Schütz K. E., Cox N. R. & Matthews L. R., 2008. How important is shade to dairy cattle? Choice between shade or lying following different levels of lying deprivation. Appl. Anim. Behav. Sci. 114, 307–318. ▪▪ Schütz K. E., Rogers A. R., Cox N. R. & Tucker C. B., 2009. Dairy cows prefer shade that offers greater protection against solar radiation in summer: Shade use, behavior and body temperature. Appl. Anim. Behav. Sci. 116, 28–34. ▪▪ Schütz K. E., Rogers A. R., Cox N. R., Webster J. R. & Tucker C. B., 2011. Dairy cattle prefer shade over sprinklers: Effects on behavior and physiology. J. Dairy Sci. 94, 273–283. ▪▪ Semenov M., 2007. Development of high-resolution UKCIP02-base climate change scenarios in the UK. Agricult. Forest Meteorol. 144, 127–138 ▪▪ Semenov M. & Stratonovitch P., 2010) Use of multi-model ensembles from global climate models for assessment of climate change impacts. Clim. Res. 41, 1–14. ▪▪ Thom E. C., 1958. Cooling-degree days. Air conditioning, heating and ventilation. Trans. Am. Soc. Heat 55, 65–72. ▪▪ Thom E. C., 1958. The discomfort index. Weatherwise 12, 57–60. ▪▪ Tucker C. B., Rogers A. R. & Schütz K. E., 2008. Effect of solar radiation on dairy cattle behaviour, use of shade and body temperature in a pasture-based system. Appl. Anim. Behav. Sci. 109, 141–154. ▪▪ van der Linden P. & Mitchell J. F. B. (eds.), 2009. ENSEMBLES: Climate Change and its Impacts: Summary of research and results from the ENSEMBLES project. Met Office Hadley Centre, FitzRoy Road, Exeter EX1 3PB, UK. 160 pp. ▪▪ West J. W., 2003. Effects of heat-stress on production in dairy cattle. J. Dairy Sci. 86, 2131–2144. ▪▪ Willett K. M., Gillett N. P., Jones P. D. & Thorne P. W., 2007. Attribution of observed surface humidity changes to human influence. Nature 449, 710–712

Agrarforschung Schweiz 3 (3): 132–139, 2012

139


N u t z t i e r e

Populationsstruktur und genetische Diversität von Schweizer Schafrassen Alexander Burren1, Christine Flury1, Christian Aeschlimann2, Christian Hagger1 und Stefan Rieder3 Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaft HAFL, 3052 Zollikofen 2 Schweizerischer Schafzuchtverband, Caprovis Data AG, 3000 Bern 3 Schweizerisches Nationalgestüt ALP-Haras, 1580 Avenches Auskünfte: Stefan Rieder, E-Mail: stefan.rieder@haras.admin.ch, Tel. +41 26 676 62 09

1

Braunlöpfiges Fleischschaf (BFS)

Schwarzbraunes Bergschaf (SBS)

Walliser Schwarznasenschaf (SN)

Weisses Alpenschaf (WAS)

Die vier grössten Schafpopulationen der Schweiz. (Fotos: Schweizer Schafzuchtverband)

Einleitung Im Jahr der Biodiversität 2010 hat der Schweizerische Schafzuchtverband die Abstammungsdaten (Pedigrees) der vier grössten Schweizer Schafpopulationen Braunköpfiges Fleischschaf (15 %, n=10 858), Schwarzbraunes Bergschaf (15 %, n=10 964), Walliser Schwarznasenschaf (20 %, n=14 371) und Weisses Alpenschaf (44 %, n=32 169) für genetische Diversitätsanalysen zur Ver­ fügung gestellt1. Die Analysen dieser Herdebuchdaten erlauben einerseits Aussagen zum Aufbau der vier Populationen, andererseits ermöglichen sie die Bestimmung verschiedener populationsgenetischer Parameter. Letztere erlauben Aussagen zum Stand und Trend der genetischen Diversität. Auf dieser Grundlage lassen sich im Bedarfsfall Managementmassnahmen ableiten.

140

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Das Braunköpfige Fleischschaf (BFS) ist eine schwere Schweizer Schafrasse und entstand im 19. Jahrhundert durch Kreuzung der Schweizer Grabserschafe mit Englischen Oxfordschafen und Deutschen Schwarzköpfigen Fleischschafen. Beide Rassen werden auch heute noch für Veredlungskreuzungen genutzt (SZV 2010). Beim Schwarzbraunen Bergschaf (SBS) handelt es sich um eine sehr alte Rasse, welche aus verschiedenen lokalen Landschlägen hervorgegangen ist. Ihr Ursprung geht auf das Frutiger Schaf zurück. Es wird vermutet, dass die braune Farbe durch Einkreuzung mit dem braunen Walliser Roux de Bagnes Schaf erzielt wurde. Vor der Rassenvereinheitlichung in der Schweiz 1925 wurden die In Klammer werden der Anteil am gesamten aktiven Herdebuchbestand in Prozent sowie die Anzahl aktiver Herde-buchtiere vom 1. Mai 2010 angegeben, die älter als 6 Monate sind.

1


braunen Schafe aus dem Berner Oberland mit verschiedenen schwarzen Schafrassen aus dem Jura, dem Saanen- und dem Freiburgerland gekreuzt, woraus letztlich das Schwarzbraune Bergschaf hervorging. Seit dem Jahr 1925 wurde auf die Einkreuzung fremder Rassen verzichtet (SBSVS 2010; SZV 2010). Auch beim Walliser Schwarznasenschaf (SN) finden sich Aufzeichnungen die bis ins 14. Jahrhundert zurückreichen. Es wird vermutet, dass die Rasse von den Vispertalschafen abstammt, welche mit Bergamasker Schafen aus der Lombardei gekreuzt wurden. Der Ausdruck «schwarznasige» Rasse wird erstmals Ende des 19. Jahrhunderts verwendet und steht möglicherweise mit der Einkreuzung von Cotswold Schafen aus England und Deutschland im Zusammenhang (Baars et al. 2006). Das Weisse Alpenschaf (WAS) entstand aus verschiedenen Landschlägen des weissen Gebirgsschafes. Durch Einkreuzung von deutschen Merinoland und französischen Ile-de-France Schafen konnte die Fleisch- und Wollleistung nachhaltig verbessert werden. Die Rasse Ile-de-France wird nach wie vor zu Veredlungskreuzungen eingesetzt (SZV 2010).

Tiere, Material und Methoden Für die Auswertungen wurden alle Herdebuchtiere der Geburtsjahre 1970  –  2008 berücksichtigt. Tiere mit Geburtsdatum vor 1970 oder unbekanntem Geschlecht wurden von den Analysen ausgeschlossen. Genetische Parameter wie beispielsweise der Inzuchtund Verwandtschaftsgrad werden massgeblich durch die Vollständigkeit und die Länge eines Pedigrees beeinflusst (Sölkner und Baumung 2001). Im vorliegenden Fall fällt die Vollständigkeit der vier Pedigrees vor dem Geburtsjahr 1996, u.a. aufgrund nicht-elektronischer Datenerfassung, stark ab (Abb. 2). Aus diesem Grund werden alle untersuchten Parameter erst ab dem Jahr 1996 dargestellt. Tiere die zwischen 1970 und 1995 geboren wurden, fliessen jedoch als Ahnen in die Berechnungen ein. Für die Auswertung der Wurfgrösse wurden die Programme SAS und Excel verwendet. Berücksichtigt wurden dabei alle Tiere mit bekanntem Geburtsdatum und bei der Wurfgrösse jene mit zwei bekannten Eltern. Zur Identifikation von Mehrlingsgeburten dienten das Geburtsdatum und die Identitätsnummern der Eltern. Die Pedigrees wurden mit den Programmen CFC ­(Sargolzaei et al. 2006), PEDIG (Boichard 2002) und POPREPORT (Groeneveld et al. 2009) ausgewertet. Um geschlechterspezifische Auswertungen über eine gewisse Zeitperiode zu ermöglichen, verarbeiten die beiden letzteren Programme, nebst den eigentlichen 

Zusammenfassung

Populationsstruktur und genetische Diversität von Schweizer Schafrassen | Nutztiere

Das Jahr 2010 wurde von den Vereinten Nationen zum Jahr der Biodiversität erklärt. Der Schweizerische Schafzuchtverband stellte in diesem Kontext Herdebuchdaten der vier grössten Schweizer Schafrassen zur Analyse der genetischen Diversität zur Verfügung. Untersucht wur-den das Braunköpfige Fleischschaf (BFS; n=10 858), das Schwarzbraune Bergschaf (SBS; n=10 964), das Walliser Schwarznasenschaf (SN; n=14 371) und das Weisse Alpenschaf (WAS; n=32 169). Die Analysen beruhen auf allen Herdebuchtieren der Geburtsjahre 1996–2008 und ihren Ahnen bis und mit Geburtsjahr 1970. Ausgewertet wurden die Daten mit gängiger Software für populationsgenetische Fragestellungen. Die grösste Zunahme beim mittleren Inzuchtkoeffizienten konnte im untersuchten Zeitraum bei der Rasse SN (5,9 → 9,3 %) gefolgt von den Rassen BFS (2,4 → 4,3 %), SBS (2,4 → 3,8 %) und WAS (1,4 → 2,5 %) beobachtet werden. Obwohl die Inzuchtraten im Zeitraum 1996 bis 2008 teilweise starke Schwankungen aufwiesen, zeigte sich bei allen vier Rassen grundsätzlich ein steigender Trend. Damit einher ging ein sinkender Trend bei der effektiven Populationsgrösse. Die grösste Anzahl an effektiven Gründertieren, Ahnen und Gründergenomen fanden sich beim weissen Alpenschaf. Bei allen vier Rassen war bei diesen drei Para­metern im Laufe der Jahre eine sinkende Tendenz erkennbar, wobei die Abnahme bei der Rasse WAS im Vergleich mit den anderen Rassen viel ausgeprägter war. Ein weiterer Indikator für eine abnehmende genetische Vielfalt von 1996 bis 2008 ist der marginale Genanteil des wichtigsten Ahnen. Dieser ist bei allen vier Rassen angestiegen (SN 11,05 → 19,79 %; BFS 7,67 → 11,27 %; SBS 4,45 → 5,19 %; WAS 2,84 → 4,69 %). Aufgrund der Ergebnisse stellt sich die Frage nach gezielten Managementmassnahmen nur bei der SN-Population. Bei den anderen drei Rassen sollten die Trends der genetischen Diversitäts-parameter jedoch regelmässig überprüft werden.

Agrarforschung Schweiz 3 (3): 140–147, 2012

141


Nutztiere | Populationsstruktur und genetische Diversität von Schweizer Schafrassen

Kasten 1 | Kasten: Untersuchte genetische Parameter Die Pedigreevollständigkeit nach MacCluer et al. (1983) und Boichard et al. (1997). Der additiv genetische Verwandtschaftsgrad (f) zwischen zwei Individuen sowie dessen Veränderung pro Jahr (Δf). Der Verwandtschaftsgrad entspricht dem doppelten Verwandtschaftskoeffizienten, welcher die Wahrscheinlichkeit ausdrückt, dass ein Allel an einem zufälligen Genort des einen Individuums mit einem Allel am gleichen Genort eines anderen Individuums herkunftsgleich ist. Verwendet wurde hier die Methode von Boichard (2002). Der Inzuchtkoeffizient (F), welcher der Wahrscheinlichkeit entspricht, dass zwei zufällig herausgegriffene Allele an einem Genort eines Individuums abstammungsidentisch sind sowie die Inzuchtrate (ΔF) pro Generation (Falconer und Mackay 1996). Die effektive Populationsgrösse (Ne), welche der Anzahl Individuen in einer idealen Population2 entspricht, die zum gleichen Inzuchtzuwachs bzw. zur gleichen Varianz der Allelfrequenzen führt, wie sie in einer realen Population zu beobachten ist (Schüler et al. 2001). Für die Berechnung wurde die Formel Ne=1/(2×ΔF) verwendet, die auf der Inzuchtzunahme pro Generation basiert (Falconer und Mackay 1996).

«Die effektive Anzahl Gründertiere (fe) ist als jene Zahl von Gründern definiert, welche, unter der Voraussetzung jeweils gleiche Beiträge zur aktuellen Population zu liefern, dieselbe genetische Variabilität erwarten lässt, wie sie tatsächlich beobachtet wird.» «Die effektive Anzahl Ahnen (fa) entspricht der Mindestzahl an Vorfahren (müssen keine Gründertiere sein), die notwendig sind, um die gesamte genetische Diversität der aktuellen Population zu erklären.» Im Gegensatz zu fe wird bei fa auch der Verlust von Genen durch Flaschenhälse3 berücksichtigt. «Die effektive Anzahl Gründergenome (fge) beschreibt die Wahrscheinlichkeit, dass ursprüngliche Gene aus der Gründerpopulation bis in die aktuelle Population überlebt haben und wie gleichmässig diese verteilt sind.» Da fge nebst dem unbalancierten Zuchteinsatz, der Varia­ tion in der Familiengrösse und Flaschenhälsen auch zufällige Drift4 berücksichtigt, ist fge immer kleiner als fe bzw. fa (Sölkner und Baumung 2001). Die marginalen Genanteile der wichtigsten Ahnen am Gesamtgenpool (Boichard 2002; Boichard et al. 1997). Der Begriff «marginal» steht dabei für den Genanteil, welcher nicht bereits durch andere Ahnen erklärt wurde (Sölkner und Baumung 2001).

Die effektive Anzahl an Gründertieren, Ahnen und Gründergenomen (Boichard et al. 1997; Caballero und Toro 2000 sowie Lacy 1989), welche Sölkner und Baumung (2001) wie folgt beschreiben: Bei einer Idealpopulation handelt es sich um eine grosse Population mit Zufallspaarung ohne Selektion, Mutation und Migration mit konstanten Genotyp- und Allel­ frequenzen von einer Generation zur nächsten (Schüler et al. 2001) 3 Wenn eine Population z. B. durch eine Seuche stark reduziert wird und anschliessend neu aufgebaut werden muss, geht sie durch einen sogenannten Flaschenhals (Schüler et al. 2001). 4 Zufällige Änderung der Genfrequenzen (allenfalls Verlust von Genen) von einer Generation zu nächsten, ohne erkennbares Muster (Schüler et al. 2001). 2

Abstammungsdaten Tier-, Vater- und Mutteridentität, auch das Geburtsdatum und das Geschlecht der jeweiligen Tiere. Tiere mit unbekanntem Geschlecht und/oder Geburtsdatum wurden dabei nicht berücksichtigt. Da im Programm CFC diese beiden Parameter nicht verarbeitet werden, variieren die Stichprobengrössen zwischen den drei Programmen in Abhängigkeit der Anzahl Tiere mit unbekanntem Geburtsdatum. Nebst verschiedenen deskriptiven Grössen wurden mit den drei Programmen die genetischen Parameter im Kasten untersucht.

142

Agrarforschung Schweiz 3 (3): 140–147, 2012

Resultate und Diskussion Die Herdebuchbestände der vier Rassen variierten zwischen 160 463 und 533 758 Tieren (Tab. 1). Das Pedigree der Rasse WAS war im Vergleich zu den drei übrigen Populationen deutlich grösser, wies einen höheren Anteil an unbekannten Vätern und den geringsten Anteil an ingezüchteten Tieren auf. Die SN Schafe wiesen den tiefsten Anteil an Tieren ohne Nachkommen und den höchsten Anteil an Müttern auf. Bei allen vier Rassen gab es deutlich mehr unbekannte Väter als unbekannte Mütter.


Populationsstruktur und genetische Diversität von Schweizer Schafrassen | Nutztiere

Tab. 1 | Anzahl Tiere in den vier Pedigrees (Geburtsjahrgänge 1970 – 2008) Kategorie

BFS

SBS

SN

WAS

Tiere

%

Tiere

%

Tiere

%

Tiere

%

168 469

100

160 463

100

157 185

100

533 758

100

Väter

7095

4,21

5524

3,44

7842

4,99

19 056

3,57

Mütter

43 175

25,63

33 719

21,01

50 299

32

132 952

24,91

Tiere ohne ­Nachkommen

118 199

70,16

121 220

75,54

99 044

63,01

390 712

73,2

1737

1,03

1018

0,63

1980

1,26

8590

1,61

Vater bekannt, Mutter unbekannt

0

0

1

0,001

0

0

0

0

Vater unbekannt, Mutter bekannt

5744

3,41

7257

4,52

4819

3,07

64 441

12,07

Tiere mit unbekanntem Geburtsdatum

1578

0,94

735

0,46

1662

1,06

5 503

1,03

152 179

90,33

148 126

92,31

143 704

91,42

406 020

76,07

Total Tiere

Tiere mit unbekannten Eltern (Gründer)

Ingezüchtete Tiere

Entwicklung der Geburten von 1996 – 2008 Die Anzahl Geburten hat sich bei drei Rassen im betrachteten Zeitraum wenig geändert, während sie beim weissen Alpenschaf seit dem Jahr 2001 stark gesunken ist (Abb. 1). Die männlichen SN Tiere waren im Zeitraum 1996  –  2008 mit einem durchschnittlichen Alter von 2,3 Jahren bei der Reproduktion im Durchschnitt etwas jünger als jene der anderen Rassen (BFS: 2,5; SBS: 2,6; WAS: 2,7 Jahre). Bei den weiblichen Tieren wiesen die WAS mit 3,5 Jahren das höchste durchschnittliche Alter bei der Geburt der Nachkommen auf. Die Mütter der anderen drei Rassen waren bei der Reproduktion im Durchschnitt 3,1 (BFS), 3,0 (SBS) und 3,1 (SN) Jahre alt. Unterschiede zwischen den vier Rassen konnten auch bei der Wurfgrösse beobachtet werden (Tab. 2). So fanden sich Würfe aus denen sechs Lämmer hervorgin-

BFS

40000

SBS

SN

WAS

Geborene Lämmer

35000 30000 25000

gen nur bei der Rasse SBS und solche mit fünf Lämmern bei den Rassen SBS und WAS. Bei den Rassen BFS und SN wurden maximal vier Lämmer pro Wurf geboren. Der Anteil an Mehrlingsgeburten hat von 1996 bis 2008 bei allen vier Rassen zugenommen (Zunahme = SN: 9,34 %; WAS 8,87 %; SBS: 5,49 %; BFS: 2,68). Pedigreevollständigkeit Sowohl bei der Rasse BFS als auch bei den SBS Tieren lag die Pedigreevollständigkeit nach MacCluer et al. (1983) in der ersten Generation nie unter 93 % und erreichte auch in der sechsten Generation ab Mitte der 90er Jahre noch 90 % (Abb. 2). Weniger vollständig war das SN Pedigree, welches in der ersten Generation erst ab 1976 eine Vollständigkeit von über 90 % erreichte. In der fünften und sechsten Generation waren nie mehr als 90 % der Tiere bekannt. Das Pedigree der Rasse WAS war im Vergleich zu den übrigen Rassen am unvollständigsten und erreichte eine maximale Vollständigkeit von 91,8 % in der ersten Generation im Jahr 2007. Diese tiefere Pedigreevollständigkeit ist ein Resultat des offenen Herdebuches und Zuchtprogrammes dieser Rasse, da von den Einkreuzungstieren in der Regel nur wenige Ahnen ins WAS-Herdebuch übernommen werden.

20000 15000 10000 5000 00 20 01 20 02 20 03 20 04 20 05 20 06 20 07 20 08

20

98

99

19

97

19

19

19

96

0

Jahr Abb. 1 | Entwicklung der Geburten.

Inzucht und Verwandtschaft Während bei den Rassen BFS, SBS und WAS die Inzuchtsteigerung nahezu linear verlief, gab es bei den SN Schafen grössere Schwankungen (Abb 3). Der höchste mittlere Inzuchtkoeffizient aus den Geburtsjahren 1996 bis 2008 konnte bei der Rasse SN mit 7,2 %, gefolgt von den Rassen BFS (3,3 %), SBS (3,0 %) und WAS (1,8 %) beob- 

Agrarforschung Schweiz 3 (3): 140–147, 2012

143


100

100

80

80 60

BFS

SBS

40 20

0

0 19 70 19 74 19 78 19 82 19 86 19 90 19 94 19 98 20 02 20 06

20

Geburtsjahr

60

06

02

20

82

19

19

78

0

19

0

74

20

70

20

98

WAS

40

19

40

20

SN

19

60

94

80

19

80

90

100

19

100

19 70 19 74 19 78 19 82 19 86 19 90 19 94 19 98 20 02 20 06

ø Pedigreevollständigkeit [%]

Geburtsjahr

86

40

19

60

19 70 19 74 19 78 19 82 19 86 19 90 19 94 19 98 20 02 20 06

ø Pedigreevollständigkeit [%]

Nutztiere | Populationsstruktur und genetische Diversität von Schweizer Schafrassen

Geburtsjahr

Geburtsjahr 1. Generation

3. Generation

5. Generation

2. Generation

4. Generation

6. Generation

Abb. 2 | Pedigreevollständigkeit der vier Rassen BFS, SBS, SN und WAS.

SBS

SN

1996

1998

2000

2002 Geburtsjahr

2004

Abb. 3 | Durchschnittlicher Inzuchtkoeffizient.

144

WAS

Agrarforschung Schweiz 3 (3): 140–147, 2012

2006

2008

900 800 700 600 500 400 300 200 100 0

BFS (Ne)

SBS (Ne)

SN (Ne)

WAS (Ne)

BFS ( F)

SBS ( F)

SN ( F)

WAS ( F)

0,012 0,010 0,008 0,006 0,004 0,002 0,000 -0,002 -0,004 -0,006

Inzuchtrate [ F]

BFS

19 96 19 97 19 98 19 99 20 00 20 01 20 02 20 03 20 04 20 05 20 06 20 07 20 08

0,1 0,09 0,08 0,07 0,06 0,05 0,04 0,03 0,02 0,01 0

Dies ist auf die inverse Beziehung zwischen Ne und ΔF zurückzuführen (siehe Tiere, Material und Methoden). Im Jahr 2000 war ΔF bei der Rasse SN sehr klein und ein Jahr später sogar negativ. Deshalb stieg die Ne bei den SN Tieren zuerst stark an und konnte im Jahr 2001 nicht ermittelt werden, da die Ne nur für positive Inzuchtraten berechnet werden kann. Diese starken Schwankungen in den Schätzungen für ΔF und Ne entsprechen sicherlich nicht der Realität. Solche Artefakte werden unter anderem auf die Ahnenstruktur und Unvollständigkeit der Stichprobe zurückgeführt. So fanden auch Flury und Rieder (2011) bei der Schweizer Eringerpopulation ­ starke Ausreisser bei der geschätzten Ne, welche sie hauptsächlich auf das unvollständige Pedigree zurückgeführt haben.

Effektive Populationsgrösse [Ne]

ø Inzuchtkoeffizient

achtet werden. Diese Ergebnisse decken sich mit der Studie von Hagger (2002), der mittels zweier Stichproben der Rassen WAS und SBS aus den Geburtsjahren 1996 bis 1998 einen durchschnittlichen Inzuchtkoeffizienten von 1,61 % (WAS) und 2,75 % (SBS) nachgewiesen hatte. Die Anteile ingezüchteter Tiere mit Geburtsjahrgang 1996 bis 2008 betrugen 96,7 % (SN), 94,7 % (BFS), 94,5 % (SBS) und 82,1 % (WAS). Der durchschnittliche additiv genetische Verwandtschaftsgrad belief sich in derselben Periode auf 2,6 % (BFS), 1,7 % (SBS), 3,2 % (SN) und 0,8 % (WAS). Obwohl die Inzuchtraten im Zeitraum 1996 bis 2008 teilweise starke Schwankungen aufwiesen, zeigte sich bei allen vier Rassen grundsätzlich ein steigender Trend (Abb. 4). Damit einher ging umgekehrt eine sinkende Ne.

Geburtsjahr

Abb. 4 | Inzuchtrate und effektive Populationsgrösse.


Populationsstruktur und genetische Diversität von Schweizer Schafrassen | Nutztiere

Tab. 2 | Häufigkeit der Wurfgrössen von 1996 bis 2008 [%]

Rasse

Anzahl Lämmer pro Wurf

Anteil Mehrlingsgeburten

1

2

3

4

5

6

BFS

48,95

47,32

3,66

0,07

-

-

51,05

SBS

43,97

48,18

7,32

0,52

0,016

0,002

56,03

SN

66,53

33,15

0,32

0,004

-

-

33,47

WAS

54,24

43,58

2,13

0,05

0,001

-

45,76

Die Inzuchtraten und die effektiven Populationsgrössen der vier untersuchten Schafrassen lagen im Mittel der Geburtsjahrgänge 1996 bis 2008 bei 0,008 % bzw. 63 (BFS), 0,007 bzw. 74 (SBS), 0,005 % bzw. 145 (SN) und 0,005 % bzw. 109 (WAS). Dabei können Schafpopulationen basierend auf ihrer effektiven Poulationsgrösse in folgende Gefährdungsstufen eingeteilt werden (BLW 2002): < 25 kritisch gefährdet, 25 – 39 ­ gefährdet, 40 – 66 minimal gefährdet, 67 – 200 potentiell gefährdet, > 201 normal. Die Gefährdungsstufen charakterisieren dabei das Risiko, genetische Information durch Änderung der Genfrequenzen als Folge von Einkreuzung, Inzucht, genetischer Drift und Selektion zu verlieren. Dabei gilt es zu beachten, dass die Gefährdungsstufen je nach Quelle und Expertenmeinung stark variieren.

200200

Effektive Anzahl Gründer, Ahnen undAnzahl Gründergenome Effektive Gründer, Ahnen und Gründergenome

200200

160160

160160 120120

Die grösste Anzahl an effektiven Gründertieren, Ahnen und Gründergenomen konnte man im Zeitraum 1996 bis 2008 beim WAS beobachten (Abb. 5). Bei allen Rassen war bei den drei Parametern im Laufe der Jahre eine sinkende Tendenz erkennbar, wobei die Abnahme bei der Rasse WAS viel ausgeprägter als bei den übrigen Rassen war. Wenn alle Gründertiere denselben Anteil Allele an die Nachkommen weitergeben würden, entspräche fe der aktuellen Anzahl an Gründertieren in der Tabelle 1. Da fe bei allen Rassen deutlich darunter lag haben einzelne Gründer keine oder nur wenige Nachkommen hervorgebracht. Ihre Gene gingen somit verloren. Die grössten genetischen Verluste durch Flaschenhälse und Drift konnten bei der Rasse SN beziehungsweise WAS beobachtet werden, da die Differenz zwischen fe und fa respektive fa und fge im Vergleich  zu den übrigen Rassen ausgeprägter war.

BFSBFS

SBSSBS

120120

80 80

80 80

40 40

40 40

0 0 19961996 19981998 20002000 20022002 20042004 20062006 20082008

0 0 19961996 19981998 20002000 20022002 20042004 20062006 20082008

Geburtsjahr Geburtsjahr

Geburtsjahr Geburtsjahr

Effektive Anzahl Gründer, Ahnen undAnzahl Gründergenome Effektive Gründer, Ahnen und Gründergenome

200200

200200

160160 120120

160160 SN SN

WAS WAS

120120

80 80

80 80

40 40

40 40

0 0 19961996 19981998 20002000 20022002 20042004 20062006 20082008

0 0 19961996 19981998 20002000 20022002 20042004 20062006 20082008

Geburtsjahr Geburtsjahr

Geburtsjahr Geburtsjahr fe fe

fa fa

fge fge

Abb. 5 | Effektive Anzahl Gründer, Ahnen und Gründergenome.

Agrarforschung Schweiz 3 (3): 140–147, 2012

145


Ahne mit dem grössten marginalen Genanteil [%]

Nutztiere | Populationsstruktur und genetische Diversität von Schweizer Schafrassen

25 BFS

SBS

SN

WAS

20 15 10 5 0

E ♂

A ♂ C ♂

F ♂

1996

A ♂C

F ♂

1997

A ♂C

F ♂ ♂

1998

A ♂

C G ♂ ♂

1999

E ♂

E ♂

E ♂

E ♂

E ♂

B ♂

C G ♂ ♂

2000

B ♂

B ♂

C G ♂ ♂

2001

D G ♂ ♂

B ♂ D G ♂ ♂

2002 2003 Geburtsjahr

B ♂ A G ♀ ♂

2004

B ♂ D G ♂ ♂

2005

B ♂ D G ♂ ♂

2006

E ♂

E ♂

E ♂

E ♂

E ♂

E ♂

E ♂

B ♂ D G ♂ ♂

2007

B ♂ D G ♂ ♂

2008

Abb. 6 | Marginaler Genanteil des wichtigsten Ahnen am Genpool eines Jahrgangs.

Eine sinkende Tendenz zeigte sich im Zeitraum 1996 bis 2008 auch bei der Anzahl Ahnen, die aufgrund ihres marginalen Genanteils 50 % der genetischen Information eines Jahrgangs erklären (BFS 23→13, SBS 27→22, SN 22→14, WAS 48→28). Wie bei der effektiven Anzahl an Gründertieren, Ahnen und Gründergenomen wies die Rasse WAS die grösste Anzahl an Ahnen auf, die 50 % der genetischen Information erklären. Andererseits resultierte für diese Rasse aber auch die grösste Abnahme in dem genannten Parameter im Zeitraum 1996 bis 2008. Ein weiterer Indikator dafür, dass die genetische Diversität von 1996 bis 2008 abgenommen hat, ist der marginale Genanteil des wichtigsten Ahnen (Abb. 6). Während der marginale Genanteil des wichtigsten Ahnen bei den SN Tieren von 11,05 % (1996) auf 19,79 % (2008) angestiegen ist, beobachtete man in diesem Zeitraum bei den Rassen BFS (7,67→11,27 %), SBS (4,45→5,19 %) und WAS (2,84→4,69 %) weniger grosse Zunahmen. Bei den SN Tieren war es in den 13 Jahren der Untersuchungsperiode immer das männliche Tier E, welches den grössten marginalen Genanteil der Population erklärte. Bei den Rassen BFS und WAS waren es in diesem Zeitraum die männlichen Tiere A und B beziehungsweise F und G, die den grössten marginalen Genanteil aufwiesen. Am meisten Tiere fanden sich bei den schwarzbraunen Bergschafen mit den männlichen Tieren C und D sowie dem weiblichen Tier A. Diese Ergebnisse decken sich mit jenen von Hagger (2002), der bei den Rassen SBS und WAS im Jahr 1996 einen marginalen Genanteil der wichtigsten Ahnen von 4,4 % respektive 2,9 % gefunden hatte.

Schlussfolgerungen Die genetische Diversität hat bei allen vier Schafrassen in der Periode 1996 bis 2008 kontinuierlich abgenommen. Mögliche Gründe dafür sind die genaueren Herdebuch-

146

Agrarforschung Schweiz 3 (3): 140–147, 2012

führung, die Intensivierung des Zuchtprogrammes (Leistungsprüfungen) und die Selektion. Die Abnahme der genetischen Diversität kann nach Schüler et al. (2001) längerfristig zu Leistungsdepressionen bei Fitness- und Reproduktionsmerkmalen führen. Weiter verliert man dadurch aber auch genetisches Potenzial für den weiteren Züchtungsfortschritt sowie die Möglichkeit, auf sich ändernde Umweltbedingungen reagieren zu können. Um den Zielkonflikt zwischen Zuchtfortschritt und Erhaltung genetischer Diversität zu lösen, gilt es die Selektion so zu optimieren, dass bei maximalem Zuchtfortschritt ein minimaler Inzuchtzuwachs pro Generation realisiert wird. Als Beispiel sei auf Hasler et al. (2011) verwiesen welche beim Freibergerpferd Hengste mit hohen Zuchtwerten und tiefer durchschnittlicher Verwandtschaft zu den Stuten identifizierten. Eine solch optimierte Selektion wäre auch bei den vier vorliegenden Schafrassen denkbar, zumal bereits Zuchtwerte für Leistungsmerkmale vorliegen. Jedoch stellt sich die Frage nach gezielten Managementmassnahmen aufgrund der vorliegenden Ergebnisse vorerst nur für die SN-Population. Bei allen anderen Rassen sollten die Trends der hier diskutierten Parameter regelmässig überprüft werden. Andere Massnahmen drängen sich derzeit allerdings nicht auf. Die Praxis der Verpaarung von eng verwandten Tieren ist generell sehr zurückhaltend zu verfolgen. Als Folgestudie wird für alle untersuchten Rassen die Quantifizierung des Einflusses von Inzucht auf Merkmale der Fitness, der Reproduktion und der generellen Leistungen vorgeschlagen. n


Struttura della popolazione e diversità ­genetica delle razze ovine svizzere L’anno 2010 è stato dichiarato dalle Nazioni Unite anno della biodiversità. In questo contesto la Federazione svizzera d’allevamento ovino ha messo a disposizione, in vista dell’analisi sulla diversità genetica, i dati sulle quattro razze principali svizzere, contenuti nel registro delle mandrie. Sono state esaminate la pecora da carne dalla testa bruna (BFS; n=10 858), la nera/bruna di montagna (SBS; n=10 964), la naso nero del Vallese (SN; n=14 371) e la bianca delle Alpi (WAS; n=32 169). Le analisi si basano su tutti i registri delle mandrie degli anni dal 1996 al 2008 e dei loro antenati fino all’anno di nascita 1970. Questi dati sono stati valutati con un software standard per elaborare quesiti sulla genetica delle popolazioni. Il maggiore incremento nel coefficiente medio di consanguineità ha potuto essere osservato nel periodo esaminato nelle razze SN (5,9 → 9,3 %) seguito dalle razze BFS (2,4 → 4,3 %), SBS (2,4 → 3,8 %) e WAS (1,4 → 2,5 %). Sebbene i tassi di consanguineità nel periodo dal 1996 al 2008 ha mostrato alcuni forti oscillazioni, per tutte le quattro razze si è potuto osservare una sostanziale tendenza al rialzo. Questa è accompagnata da una tendenza al ribasso nella dimensione effettiva della popolazione. Il maggior numero di animali fondatori effettivi, antenati e genoma fondatore sono stati rilevati nella bianca delle Alpi. In tutte e quattro le razze si è riscontrato una tendenza al ribasso in questi tre parametri con una diminuzione nella razza WAS molto più pronunciata rispetto alle altre razze. Un ulteriore indicatore di diminuzione della diversità genetica tra il 1996 ed il 2008 è rappresentato dal contributo marginale di geni del principale antenato. Esso è aumentato per tutte le quattro razze (SN 11,05 → 19,79 %; BFS 7,67 → 11,27 %; SBS 4,45 → 5,19 %; WAS 2,84 → 4,69 %). Sulla base di questi risultati, solo la popolazione SN richiede pratiche gestionali mirate per il mantenimento della diversità genetica. Nelle altre tre razze, i parametri di diversità genetica dovrebbero essere monitorati regolarmente.

Summary

Riassunto

Populationsstruktur und genetische Diversität von Schweizer Schafrassen | Nutztiere

Population structure and genetic diversity of Swiss sheep breeds The year 2010 was declared by the United Nations as the International year of biodiversity. During that year, the Swiss Sheep Breeding Association made herd book data of its four largest breeds available for genetic diversity analyses. Those were Brown Headed Meat Sheep (BFS; n=10 858), Black Brown Mountain Sheep (SBS; n=10 964), Valais Black Nose Sheep (SN; n=14 371) and White Alpine Sheep (WAS; n=32 169). The analyses included pedigree data from herd book animals born between 1996 and 2008. Ancestors were considered as far back as year of birth 1970. All data was analysed with common population genetic software tools. Within the studied time span the largest increase in mean inbreeding coefficient was found for the SN breed (5,9 → 9,3 %), followed by the BFS breed (2,4 → 4,3 %), the SBS breed (2,4 → 3,8 %) and the WAS breed (1,4 → 2,5 %). Although the rate of inbreeding within the mentioned period from 1996 to2008 fluctuated to some extent, all four breeds showed a general upward trend. This is accompanied by a general downward trend in effective population size. The White Alpine breed revealed the largest number of founder equivalents, effective ancestors and founder genome equivalents. Over the course of the years, all four breeds showed a downward trend for these three parameters, but the decline in the WAS breed was found much more pronounced compared to the others. A further indicator of a declining genetic diversity is the marginal contribution of the most important ancestor. This parameter increased in all four breeds (SN 11,05 → 19,79 %; BFS 7,67 → 11,27 %; SBS 4,45 → 5,19 %; WAS 2,84 → 4,69 %) during the studied time span from 1996 to 2008. Our results suggest that, for the short term, targeted population management should be envisaged for the SN breed only. However, genetic diversity analyses on a regular basis are recommended for all breeds. Key words: swiss sheep breeds, genetic diversity, pedigree analysis, inbreeding.

Literatur Die Literaturliste kann beim Autor bezogen werden.

Agrarforschung Schweiz 3 (3): 140–147, 2012

147


P f l a n z e n b a u

Langfristige Wirkung von organischen Düngern auf die Bodeneigenschaften Alexandra Maltas1, Hansrudolf Oberholzer2, Raphaël Charles1, Vincent Bovet1 und Sokrat Sinaj1 Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, 1260 Nyon 2 Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8046 Zürich Auskünfte: Sokrat Sinaj, E-Mail: sokrat.sinaj@acw.admin.ch, Tel. + 41 22 363 46 58

1

stoffbilanzen nach 29 Versuchsjahren untersucht. Die vorliegende Studie ergänzt diese Arbeiten, indem sie insbesondere die Auswirkungen dieser Düngemittel auf (i) die Eigenschaften des Bodens bezüglich der organischer Substanz nach 34 Versuchsjahren untersucht und neue Daten zu (ii) den chemischen und biologischen Eigenschaften des Bodens liefert.

Material und Methoden

Ausbringen von Stickstoffdünger. (Foto: ACW)

Einleitung Der erleichterte Zugang zu Mineraldüngern und die Spezialisierung der landwirtschaftlichen Betriebe haben einen spektakulären Rückgang der Hofdüngernutzung in den Betrieben ohne Nutztierhaltung zur Folge. Dabei verursacht der Wegfall dieser organischen Dünger grosse Verluste an organischer Substanz (OS) in den Böden, falls keine Massnahmen ergriffen werden, um diese zu ersetzen (Maltas et al. 2011; Vullioud et al. 2006). Die gewöhnlich vorgeschlagenen Massnahmen sind das Belassen der Ernterückstände von Getreide auf dem Feld, Einschub einer Gründüngung als Zwischenfrucht sowie die Reduktion der Bodenbearbeitung. Diese Verfahren wirken sich bekanntlich positiv auf die Entwicklung der OS in den landwirtschaftlich genutzten Böden aus (Lal 2009; Maltas et al. 2011). Ihre Wirkung unter Schweizer Bedingungen soll langfristig geprüft werden. Zu diesem Zweck werden seit 1976 in Changins (VD) verschiedene organische Dünger (Gründüngung, Getreidestroh und Hofdünger) und mineralische Dünger verglichen. Vullioud et al. (2006) haben die Auswirkungen dieser Düngemittel auf die Einlagerung der OS, auf die Erträge und die Nähr-

148

Agrarforschung Schweiz 3 (3): 148–155, 2012

Versuchsbeschreibung Der Versuch wird in Changins (VD, 430 m. ü. M., mit einer Niederschlagsmenge von 970 mm und einem Temperaturjahresmittel von 9,5 °C) auf Parabraunerde mit einer Gründigkeit von 70 – 100 cm, mit 14 % Ton und 39 % Schluff durchgeführt. Er begann im Jahr 1976. Damals betrug der Humusgehalt des Bodens 2,0 % und der pHH2O 7,2. Die Gehalte an mittels CO2 gesättigtem Wasser extrahierbarem Phosphor (P) und Kalium (K) betrugen 4,35 respektive 23,24 mg kg-1. Der Gehalt an CaCl2 extrahierbarem Magnesium (Mg-CaCl2)- betrug 20,00 mg kg-1. Die Versuchsanordnung besteht aus einer Split-plotAnlage mit sechs Verfahren und vier Unterverfahren, die vier Mal wiederholt werden. Die Verfahren unterscheiden sich durch die Art der zugeführten organischen Dünger und die Unterverfahren durch die ausgebrachte Menge Mineralstickstoff (Tab. 1 und 2). Jede der 96 Parzellen weist eine Fläche von 90 m² auf. Durch den Fruchtwechsel wechseln sich Sommer- und Winterkulturen ab, und es kann alle zwei Jahre eine Gründüngung eingeschoben werden. Bei den fünf bis sechs Jahre dauernden Rotationen werden 60 bis 70 % Getreide sowie Raps und Mais angebaut. Mais- und Rapsstroh werden gehäckselt und danach in den Boden eingearbeitet. Getreidestroh wird abgeführt, ausser im «Getreidestroh»-Verfahren, wo dieses dem Boden zurückgeführt wird. Hofdünger (Mist und Gülle) werden alle drei Jahre nach Mais und Raps ausgebracht, ausser zwischen 1976 und 1993; in dieser Periode wurde die Gülle alljährlich zugeführt. Der Boden wird mit dem Pflug kurz vor der Aussaat bearbeitet (20 – 25 cm).


Langfristige Wirkung von organischen Düngern auf die Bodeneigenschaften | Pflanzenbau

Messungen und statistische Analysen Eine quantitative Bestimmung der oberirdischen Biomasse der Gründüngungen wurde 1988, 1990, 1992 und 1996 durchgeführt (Tab. 3). Die Biomasse des Getreidestrohs sowie die N- ,P-, K-, Kalzium (Ca)- und Magnesium (Mg)-Gehalte wurden in den Jahren 1993, 1998, 2004, 2006, 2007 und 2009 erhoben (Tab. 3). Die Gehalte an Gesamt-Trockenmasse (TM), an N, P, K, Ca und Mg des Mists und der Gülle wurden jedes Jahr vor deren Ausbringung bestimmt (Tab. 3). Die biologischen Eigenschaften des Bodens wurden im Jahr 1999 gemäss den Methoden der Forschungsanstalten ART& ACW (2011) untersucht. Die Bodenproben wurden im frühen Frühjahr entnommen. Im Jahr vor der Probenahme wurde kein Hofdünger zugeführt. Einzig im Verfahren «Stroh» wurde das Stroh aus der vorangehenden Frucht (Hafer) eingearbeitet. Im C-Unterverfahren (optimale N-Düngung) wurde der Humusgehalt in den ersten zwanzig Zentimetern in den Jahren 1987, 1993, 1999 und 2007 erhoben. Die Bodenproben wurden immer nach einer Getreideernte entnommen. Im Jahr 2009 wurden die chemischen Bodeneigenschaften in der Tiefe 0 – 20 cm bei allen Verfahren  und Unterverfahren bestimmt (Tab. 4).

Die Auswirkungen unterschiedlicher Düngungsverfahren werden von der Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW am Standort Changins seit 1976 getestet. Einerseits wurden organische (Gründüngung, Getreidestroh, 35 bzw. 70 t ha-1 Mist alle drei Jahre und 60 m3 ha-1 Gülle alle drei Jahre) andererseits mineralische Dünger (vier abgestufte Stickstoffmengen) eingesetzt. Diese Studie untersucht die Langzeiteffekte dieser Düngungsverfahren auf die chemischen und biologischen Eigenschaften des Bodens. Nach 34 Versuchsjahren nimmt bei optimaler Stickstoffdüngung der Kulturen der Humusgehalt im Boden beim Verfahren «mineralische Dünger» um 0,50 g/100 g Boden ab, bei «Gründüngung» und «Getreidestroh» um 0,20 g/100 g sowie bei «Mist 35 t ha-1 alle drei Jahre» und «Gülle 60 m3 ha-1 alle drei Jahre» um 0,18 g/100 g. Einzig das Verfahren «Mist 70 t ha-1 alle drei Jahre» zeigt eine Zunahme des Humusgehaltes im Boden um 0,15 g/100 g. Die organischen Dünger beeinflussen ausser den Gehalten an Spurenelementen die Haupteigenschaften des Bodens nicht signifikant. Die Verfahren mit Mist und Gülle führen zu höheren Gehalten an Ammonium-Acetat EDTA extrahierbarem Kupfer, Eisen, Zink und Mangan als bei der Kontrolle «mineralische Dünger». Auch wirken sich die organischen Dünger signifikant positiv auf die mikrobielle Biomasse und Aktivität aus, wobei sie deren Populationszusammensetzung zu verändern scheint.

Zusammenfassung

Die in allen Behandlungen optimalen P- und K-Zufuhren basieren auf den gültigen Empfehlungen, mit Berücksichtigung des Düngewertes der Strohdüngungen und der Nachwirkungen der Mist- und Güllegaben, jedoch ohne Bodenfruchtbarkeitskorrekturen (Ryser et al. 1987).

Tab. 1 | Beschreibung der Verfahren und Unterverfahren Organische Düngung Verfahren Stroh

Hofdünger

Gründüngung

MinD

Getreide: Abfuhr

Nein

Nein

GD

Getreide: Abfuhr

Nein

Senf alle 2 Jahre vor der Frühjahrskultur

Keine Stroh-Abfuhr

Nein

Mi35

Getreide: Abfuhr

35 t ha Mist alle drei Jahre

Nein

Mi70

Getreide:Abfuhr

70 t ha-1 Mist† alle drei Jahre

Nein

Getreide: Abfuhr

60 m ha Gülle jedes Jahr von 1976 bis 1993, ­danach alle drei Jahre

Stroh

-1

3

Gü60

† ‡

-1

Unterverfahren

Mineralische ­ N-Düngung

A

Kontrolle ohne N

B

reduzierte Düngung

C

optimale Düngung

D

erhöhte Düngung

Nein †

Nein

: Stapelmist (Michvieh) auf unbewachsenen Boden ausgebracht und durch Pflügen eingearbeitet. : verdünnte Gülle (Milchvieh, Verdünnung 1/1) auf bewachsenen Boden ausgebracht.

Agrarforschung Schweiz 3 (3): 148–155, 2012

149


Pflanzenbau | Langfristige Wirkung von organischen Düngern auf die Bodeneigenschaften

Tab. 2 | Mineralische Stickstoffdüngung † (kg/ha)

B

C

D

A

B

C

D

A

B

C

D

A

alle Kulturen

B, C, B, C, A A D D

B

C

D

Norm+40

A

Weizen

Norm††

105

D

2006 – 2010

Norm-40

70

C

0

35

B

Raps

150

0

A

70

D

2003 – 2004

Weizen, Mais, Raps

105

C

Gerste, Hafer

70

B

Mais, Raps

35

A

Weizen

0

Gerste, Hafer

Verfahren

1994 – 2002 und 2005

110

1976 – 1993

0

30

200 150

0

150 100

40

100 50

0

0

150 110

0

110 70

Mi70

70

Mi35

30

Stroh

0

GD

0

MinD

Gü60 †

: Ammoniumnitrat in zwei oder drei Gaben ausgebracht.

††

: Gemäss Methode der korrigierten Normen (Ryser et al., 1987).

Resultate und Diskussion

Es wurden vier Humusbilanzierungsmodelle getestet: das Schweizer Modell SALCA (Neyroud et al. 1997; Oberholzer et al. 2006), die deutschen Modelle VDLUFA (Vdlufa 2004) und HUMOD (Brock et al. 2009) sowie das französische Modell SIMEOS-AMG, das von Agro-Transfert Ressources et Territoires und dem INRA von Laon (Saffih-Hdadi et al. 2008) entwickelt wurde. Die Kohlenstoff(C)-Vorräte in 0 – 25 cm Tiefe wurden im Jahr 2009 mittels vier Modellen simuliert und mit den beobachteten Kohlenstoff-Vorräten verglichen. Angesichts der Pflugtiefe wurde angenommen, dass der gemessene Humusgehalt bei 0 – 20 cm demjenigen bei 0 – 25 cm entspricht. Für die statistische Auswertung wurde das Programm XLSTAT 2010, Copyright Addinsoft 1995 – 2009, sowie der Fisher-Test zum Vergleich der Mittelwerte der Verfahren und Unterverfahren verwendet.

Humusgehalt und Humusbilanzierung Die Beprobung zur Humus-Bestimmung erfolgte immer während der gleichen Periode. Trotz dieser vorsorglichen Massnahme waren die Zwischenjahresschwankungen bei dieser Messung gross (Abb. 1). Es empfiehlt sich deshalb, den Humusgehalt an verschiedenen Zeitpunkten zu erheben, bevor Schlüsse bezüglich der langfristigen Entwicklung der organischen Substanz im Boden gezogen werden. Wenn die Kulturen eine optimale N-Düngung bekommen (C-Unterverfahren) nimmt der Humusgehalt gegenüber dem im Jahr 1975 festgestellten Gehalt bei allen Verfahren ab, ausser bei Mi70 (Abb. 1). Im Gü60Verfahren beginnt der Humusgehalt nach 1993 abzu-

Tab. 3 | Zufuhr von Trockenmasse und Makroelementen durch die verschiedenen organischen Substanzen: Gründüngung, Getreidestroh, Mist und Gülle. Die Zahlen stellen den Mittelwert der während der Periode 1975 – 2009 verfügbaren Werte dar. Die Werte in Klammern entsprechen den Standardabweichungen bezüglich der Jahresmittel.

Organische Substanz

Trockenmasse

N total

N-NH4

P total

K total

Ca total

Mg total

-

-

-

kg ha-1

dt ha-1 Gründüngung1

27 (6)

Weizenstroh2

44 (3)

14 (4)

-

3 (1)

45 (9)

11 (2)

2 (0,4)

36 (6)

13 (4)

-

4 (2)

113 (33)

12 (1)

2 (1)

Haferstroh

2

Mist- 35 t Frischmasse ha

-

-

-

-1

71 (12)

192 (47)

20 (15)

52 (19)

227 (133)

169 (43)

34 (7)

Mist- 70 t Frischmasse ha-1

142 (24)

384 (94)

40 (30)

105 (39)

454 (39)

337 (86)

67 (13)

20 (10)

101 (28)

54 (22)

19 (9)

171 (58)

52 (22)

12 (5)

Gülle3 - 60m3 ha-1

: oberirdische Gesamtbiomasse, die im C-Unterverfahren des GD-Verfahrens geerntet wurde. : im C-Unterverfahren des «Stroh»-Verfahrens geerntete Proben. 3 : verdünnte Gülle (1/1-Verdünnung). Gemäss den Referenzmethoden von Agroscope durchgeführte Analysen (Forschungsanstalten ART& ACW. 2011). 1 2

150

Agrarforschung Schweiz 3 (3): 148–155, 2012


Langfristige Wirkung von organischen Düngern auf die Bodeneigenschaften | Pflanzenbau

Tab. 4 | Wirkung der Verfahren und der Unterverfahren auf die Bodenfruchtbarkeit im Jahr 2009 A minD

Analysen†

GD

Stroh

B Mi35

Mi70

Gü60

C

Mittelwert Mittelwert

D

Mittelwert Mittelwert

Chemische Eigenschaften OS (g/100g)

1,35

c

1,70

ab

1,65

bc

1,73

ab

2,00

a 1,75

ab

1,70

B

1,78

AB

1,82

A

1,83

A

N total (g/100g)

0,115

b

0,135

ab

0,125

ab

0,128

ab

0,143

a 0,135 ab

0,130

A

0,135

A

0,138

A

0,138

A

Verhältnis C/N

6,85

c

7,30

bc

7,61

abc

7,85

ab

8,14

a 7,51 abc

7,54

A

7,66

A

7,70

A

7,68

A

KAK (meq)

8,75

a

9,88

a

9,55

a

9,78

a

9,83

a 9,53

a

9,55

A

9,78

A

9,53

A

9,68

A

pH-H2O

7,05

a

7,10

a

7,25

a

7,05

a

7,23

a 7,10

a

7,13

A

7,06

A

7,05

A

7,03

A

764,8

a

817,0

a

760,1

a

740,7

a

765,7

a 745,4

a

765,6

A

747,6

A

737,6

A 732,2

A

249,3

a

255,5

a

257,6

a

239,6

a

270,7

a 266,4

a

256,5 A

265,1

A

268,0

A 264,3

A

98,15

a

103,93

a

115,35

a

92,73

a

104,48 a 97,20

a

101,97 A

91,27

AB

81,69

B

81,50

B

Boden-Phosphor (mg kg-1) P total† Organischer P P-AAE

Boden-Kationen (mg kg ) -1

K-AAE

150,4

a

162,5

a

141,2

a

145,2

a

159,9

a 159,3

a

153,1

A

137,1

B

135,2

B

131,1

B

Mg-AAE

79,28

a

86,83

a

76,78

a

86,05

a

108,08 a 85,15

a

87,03

A

81,68

A

84,17

A 84,99

A

Ca-AAE

3202

a

4756

a

2265

a

3402

a

5810

a 2124

a

3593

A

2641

A

3099

A

3390

A

6,7

a 7,0

a

6,5

A

6,9

A

6,8

A

6,5

A

a

324,9

A

314,5

AB

269,3

B A

Spurenmetalle (mg kg ) -1

Cu -AAE2

6,1

a

6,4

a

6,4

a

6,5

a

Fe -AAE

286,5

b

298,0

ab

327,0

ab

315,5

ab

1,7

c

1,8

c

2,0

c

2,3

bc

3,2

a 2,7

ab

2,3

A

2,2

A

2,3

296,0

a

318,3

a

310,3

a

305,0

a

325,3

a 329,8

a

314,1

A

313,5

A

304,9

2

Zn -AAE

2

Mn-AAE

2

347,8 ab 374,5

301,9 AB 2,3

A 308,6

A A

† : Die Analysen des Gesamt-P und des organischen P werden gemäss der Methode von Saunders und Williams (1955) durchgeführt; alle anderen Analysen werden gemäss der Referenzmethoden von Agroscope (Forschungsanstalten ART& ACW. 2011) durchgeführt. Verschiedene Grossbuchstaben auf derselben Zeile weisen auf signifikante ­Unterschiede zwischen den Mittelwerten der verschiedenen Unterverfahren bei der 5 %-Schwelle gemäss Fisher-Test hin. Verschiedene Kleinbuchstaben auf derselben Zeile weisen auf signifikante Unterschiede zwischen den Mittelwerten der verschiedenen Verfahren bei der 5 %-Schwelle gemäss Fisher-Test hin.

3,0

OS (g/100g)

2,5

2,0

1,5

1,0 1975

1980

1985

1990

MinD

GD

Stroh

1995 Mi35

2000 Mi70

2005

2010 Gü60

Abb. 1 | Auswirkung der Verfahren auf die Entwicklung des Humusgehaltes auf den ersten 20 Zentimetern ­(C-Unterverfahren). Die senkrechten Balken entsprechen der Standardabweichung.

Agrarforschung Schweiz 3 (3): 148–155, 2012

151


simulierte ∆Stock-C [t C ha-1 Jahr-1] simulierte ∆Stock-C [t C ha-1 Jahr-1]

Pflanzenbau | Langfristige Wirkung von organischen Düngern auf die Bodeneigenschaften

1 a)

1 b)

0,5

y = 3,32x + 0,61 R² = 0,79

0

-0,2 -0,1 0 beobachtete ∆Stock-C [t C ha-1 Jahr-1]

0,1

y = 2,95x + 0,52 R² = 0,79

1 c) 0,5

Linie 1:1

-1 -0,3 1

-0,2 -0,1 0 beobachtete ∆Stock-C [t C ha-1 Jahr-1]

Linie 1:1 -0,5 -0,2 -0,1 0 beobachtete ∆Stock-C [t C ha-1 Jahr-1] MinD

GD

0,1 Stroh

0,1

d) y = 0,98x + 0,12 R² = 0,82

0,5 0

0

-1 -0,3

0 -0.5

-0,5 -1 -0,3

y = 1,95x + 0,21 R² = 0,89

0.5

Linie 1:1

-0,5 -1 -0,3

-0,2 -0,1 0 beobachtete ∆Stock-C [t C ha-1 Jahr-1]

Mi35

Mi70

0,1

Gü60

Abb. 2 | Beobachtete (X-Achse) und durch die Modelle a) SALCA, b) VDLUFA, c) HUMOD et d) SIMEOS-AMG­s imulierte (Y-Achse) mittlere Veränderung des C-Vorrates pro Jahr in 0 – 25 cm zwischen 1975 und 2009. Die vier Punkte für ein gleiches Verfahren entsprechen den Unterverfahren der Stickstoffdüngung.

nehmen. Es ist auch der Zeitpunkt, ab dem die Gülle nicht mehr jährlich, sondern alle drei Jahre ausgebracht wurde. Die bei den Verfahren GD, Stroh und Mi35 zwischen 1975 und 2009 beobachteten Abnahmen betragen -0,20, -0,20 respektive -0,18 g/100 g Boden (Abb. 1). Der Einschub von Senf alle zwei Jahre (GD-Verfahren) und die Rückführung vom Getreidestroh (Stroh-Verfahren) haben also die gleiche Wirkung auf die Entwicklung des Humusgehaltes wie die Zufuhr von 35 t ha-1 Mist alle drei Jahre (Mi35-Verfahren). In diesem Versuch vermögen diese drei Dünger nicht, die Humusgehalte im Boden zu halten. Die starke Abnahme des Humusgehaltes lässt sich vermutlich durch die grossen, durch die Mineralisation und/oder Erosion verursachten Verluste in diesen Pflug-Systemen erklären. Auf einer benachbarten Versuchsanlage konnten Maltas et al. (2011) auch zeigen, dass bei Getreidestrohabfuhr die Zufuhr von 12 t Mist ha-1 Jahr-1 den Humusgehalt eines gepflügten Bodens nicht zu erhalten vermag. Die Autoren konnten dabei jedoch beobachten, dass die gleiche Menge auf einem oberflächlich bearbeiteten Boden eine Erhöhung der Menge organischer Substanz im Boden ermöglichte. Die mittels SALCA, VDLUFA, HUMOD und SIMEOS-AMG ermittelten Veränderungen der Kohlenstoffmengen (ΔStockC) korrelieren gut mit den beobachteten Daten (r2 = 0,79, 0,89, 0,79 beziehungsweise 0,82, Abb. 2). Mit den vier Humusbilanzierungsmodellen können somit unsere verschiedenen Verfahren gut miteinander verglichen werden. SIMEOS-AMG ist dabei das Modell, das die absolute Wirkung der organischen Dünger am besten

152

Agrarforschung Schweiz 3 (3): 148–155, 2012

wiedergibt (Regressionsgerade nahe der gestrichelten Linie 1:1, Abb. 2d). Die in diesem Versuch eingesetzten Hofdünger (insbesondere der Mist) sind ärmer an Kohlenstoff als diejenigen, die in den vier Modellen angenommenen Dünger. Bei SALCA, VDLUFA und HUMOD wird die Wirkung der Hofdünger überbewertet. Zur Umgehung dieses Problems wurde die in SIMEOS-AMG angegebene Hofdüngermenge angepasst, um die mit den Hofdüngern effektiv zugeführte KohlenstoffMenge zu erreichen. Das ergibt eine gute Simulation der Bodenanreicherung mit Kohlenstoff aus organischen Düngern (Abb. 2d). Im SIMEOS-AMG-Modell werden die Änderungen der Kohlenstoff-Vorräte ebenfalls etwas überschätzt, aber der Fehler ist für die sechs Verfahren vergleichbar (Regressionsgerade parallel zur Linie 1:1). Der Fehler des Modells ergibt sich offenbar aus einer Unterschätzung der Mineralisierung der organischen Bodensubstanz oder einer Überschätzung der Kohlenstoff-Zufuhr über die Wurzeln der Kulturen. Im Jahr 2009 ist die Wirkung einer N-Düngung (Auswirkung der Unterverfahren) auf das Kohlenstoff-Mengen im Boden positiv, wenn auch schwach (Tab. 4). VDLUFA (ausser im Mi70-Verfahren) und SIMEOS-AMG bilden diesen Effekt am besten ab (Abb. 2). SALCA simuliert keinen Effekt der mineralischen N-Düngung, und HUMOD überschätzt ihn (Holenstein 2009). Chemische Eigenschaften des Bodens Die Ergebnisse in Tabelle 4 zeigen die Auswirkungen der organischen Düngung und der abgestuften minera­


Langfristige Wirkung von organischen Düngern auf die Bodeneigenschaften | Pflanzenbau

Tab. 5 | Auswirkung der Verfahren und der Unterverfahren auf die biologischen Eigenschaften des Bodens im Jahr 1999 Mittel Analysen

minD

GD

Stroh

Mi35

Mi70

Gü60

A

B

C

D

Mittelwert

Mittelwert

Mittelwert

Mittelwert

Mikrobielle Biomasse bcd 353

abc

368

ab

379

a

341

A

349

A

342

A

363

A

cd 54,8

bc

57,1

ab

59,7

ab 62,3

a

53,4

A

55,0

A

54,9

A

58,2

A

a

a

6,2

a

6,2

a

6,1

a

6,4

A

6,4

A

6,3

A

6,3

A

0,27

cd 0,30 bcd 0,33

bc

0,35

b

0,43

a

0,31

A

0,32

A

0,35

A

0,32

A

c

0,54

c

0,59

bc

0,60

bc

0,61

b

0,68

a

0,57

A

0,60

A

0,62

A

0,60

A

b

0,83

b

0,87

b

0,95

ab

0,96

ab

1,14

a

0,91

A

0,92

A

1,02

A

0,88

A

mikrobieller C (ppm)

316

d

331

cd

mikrobieller N (ppm)

47,6

d

50,8

Verhältnis C/N

6,6

a

6,5

mineralisierter C (mg C-CO2 kg Boden-1 h-1)

0,26

d

mineralisierter N (mg N-NO3 kg Boden-1 d-1)

0,55

qCO2 (mg C-CO2 g-1 C-mic h-1) 0,85

346

6,3

Mikrobielle Aktivität

Verschiedene Grossbuchstaben auf derselben Zeile weisen auf signifikante Unterschiede zwischen den Mittelwerten der verschiedenen Unterverfahren bei der 5%-Schwelle gemäss Fisher-Test hin. Für ein bestimmtes Verfahren entsprechen die Wiederholungen den Werten des betreffenden Verfahrens in den 4 Unterverfahren. Verschiedene Kleinbuchstaben auf derselben Zeile weisen auf signifikante Unterschiede zwischen den Mittelwerten der verschiedenen Verfahren bei der 5%-Schwelle gemäss Fisher-Test hin. Für ein bestimmtes Unterverfahren entsprechen die Wiederholungen den Werten des betreffenden Unterverfahrens in den 6 Verfahren.

lischen Stickstoffdüngung auf die im Jahr 2009, d. h. 34 Jahre nach dem Versuchsstart, beobachteten chemischen Eigenschaften des Bodens. Ausser auf das C/N-Verhältnis wurde keine bedeutende Wechselwirkung zwischen Verfahren und Unterverfahren festgestellt. Auswirkungen der organischen Dünger Die 2009 im Unterverfahren A (ohne mineralischen Stickstoff) gemessenen Humusgehalte zeigen signifikante Unterschiede zwischen den verschiedenen Verfahren. Wie vorgängig im C-Unterverfahren beobachtet (Abb. 1), ist in den Verfahren mit Zufuhr von organischen Düngern der Humusgehalt höher als in der Kontrolle (MinD). Die organischen Dünger wirken auf den Gesamtstickstoffgehalt ähnlich wie auf den Humsgehalt. Zudem scheint die Zusammensetzung der organischen Substanz des Bodens von den organischen Düngern beeinflusst zu sein: Das C/N-Verhältnis der Verfahren mit organischen Düngern ist grösser als der Kontrolle MinD (Tab. 4). Yang et al. (2007) machten ähnliche Beobachtungen. Eine Erhöhung des C/N-Verhältnisses der organischen Bodensubstanz weist auf einen höheren Anteil an frischer, teilweise abgebauter organischer Substanz hin. Obschon die Kationen-Austauschkapazität (KAK) mit dem Humusgehalt positiv korreliert (R = 0,61), beeinflussen die Verfahren nach 34-jährigem Einsatz die KAK nicht signifikant (P > 0,05; Tab. 4). Es ist davon auszugehen, dass dazu die Humusgehalte noch nicht genügend differenzieren. Der pH-H2O wird ebenfalls nicht signifikant von den Verfahren beeinflusst. Die Nitrifizierung des in den Hofdüngern (Tab. 3) in grossen Mengen vorhandenen Ammoniak-Stickstoffs (N-NH4) setzt Protonen

frei, aber die austauschbaren, durch die Hofdünger zugeführten Basen (K, Ca, Mg) (Tab. 3) gleichen diese Säure vermutlich aus. Über ein Ausbleiben der Bodenversauerung bei Anwendung von Hofdüngern wurde ebenfalls von Maltas et al. berichtet (2011). Die gemessenen Gehalte an organischem P im Jahr 2009 weisen keine signifikanten Unterschiede zwischen den Verfahren auf (Tab. 4), obschon die in diesem Versuch eingesetzten organischen Dünger (GD, Stroh, Mi35, Mi70 und Gü60) den Boden gegenüber der Kontrolle mit organischer Substanz anreichern. Der in den Ernterückständen und den Hofdüngern enthaltene P wird nämlich schnell mineralisiert und kann als anorganischer P angerechnet werden (Fardeau 2000). Der P- und K-Düngewert der organischen Dünger wurde in der Düngungsberechnung berücksichtigt. Es ist deshalb logisch, in den sechs Verfahren im Jahr 2009 vergleichbare Gehalte an Ammonium-Azetat EDTA (AAE)extrahierbarem P und K zu beobachten (P > 0,05; Tab. 4). Für die Mg-Düngung ist es jedoch nicht der Fall, obwohl die mineralische Mg-Zufuhr bei allen Verfahren gleich ist (35 kg ha-1 in 1997 und 2008) trotz nicht unterschätzbarer Mg-Einträge durch den Mist und die Gülle (35, 70 und 12 kg ha-1 im Mittel per Eintrag bei Mi35, Mi70 resp. Gü60; Tab. 3). Diese zusätzlichen Mg-Einträge durch Hofdünger könnten den höheren, im Verfahren Mi70 beobachteten Mg-AAE-Gehalt erklären, trotz nicht signifikantem Unterschied (Tab. 4). Die Hofdünger führen generell zu einer Zufuhr von Spurenelementen wegen deren Zusatz als Probiotika in das Viehfutter (Li et al. 2010). So zeigen Li et al. (2010), dass die Applikation von Mist die Mengen der im Boden 

Agrarforschung Schweiz 3 (3): 148–155, 2012

153


Pflanzenbau | Langfristige Wirkung von organischen Düngern auf die Bodeneigenschaften

enthaltenen DTPA (Diethylentriaminpentaessigsäure) extrahierbaren Spurenelemente signifikant erhöht. In diesem Versuch wurden die Gehalte der Spurenelemente in den Hofdüngern nicht gemessen, aber als bedeutend angenommen, da ja ähnliche Ergebnisse wie bei Li et al. (2010) beobachtet wurden: der Mist und die Gülle reichern den Boden signifikant mit AAE- extrahierbaren Zink (Zn) und Eisen (Fe) und tendenziell mit Kupfer (Cu) und Mangan (Mn; Tab. 4) an. Als schwach konzentrierte Mikronährstoffe begünstigen die Spurenelemente das Pflanzenwachstum. Bei hohen Konzentrationen können sie für Pflanzen und die Bodenlebewesen toxisch werden (Marschner 1995). Während dieser Studie scheinen die Spurenelemente weder die Kulturen (Ergebnisse nicht vorgestellt) noch die mikrobielle Biomasse (Tab. 5) beeinträchtigt zu haben. Die längerfristigen Auswirkungen der Hofdünger müssen jedoch noch beurteilt werden. Wirkung der mineralischen Stickstoffgaben In den Proben von 2009 nimmt der Humusgehalt mit der steigender N-Düngung signifikant zu (Tab. 4). Diese Zunahme kann mit der erhöhten Biomassen der dem Boden zugeführten Ernterückstände in Zusammenhang gebracht werden. Diese Wirkung bleibt jedoch bescheiden, und es zeigen sich nur bei den am stärksten abweichenden Unterverfahren signifikante Unterschiede (A und D; Tab. 4). Khan et al. (2007) schreiben diese schwache Wirkung der N-Düngung auf die C-Einlagerung einer höheren Mineralisierung der organischen Bodensubstanz und der Ernterückstände mit zunehmender N-Düngung zu. Wegen der schwachen Wirkung der Unterverfahren auf den Humusgehalt unterscheiden sich der Gesamtstickstoff, das C/N Verhältnis und die KAK nicht ­signifikant. Auch der pH-H2O wird nicht signifikant von den Unterverfahren beeinflusst, obschon er tendenziell mit zunehmender N-Düngung abnimmt. Die Nitrifizierung des in den ammoniakhaltigen Düngern vorhandenen NH4–N führt generell zu einer Versauerung des Bodens (Pernes-Debuysera und Tessier 2004). Die N-Düngung führt auch zu einer signifikanten Abnahme der Gehalte an DTPA-extrahierbaren P, K und Fe sowie generell zu einer Abnahme der anderen mit AAE-extrahierbaren Elemente (Mg, Ca, Cu, Zn und Mn). Durch ihre günstige Wirkung auf den Ertrag der Kulturen erhöht die N-Düngung die Abfuhr der Nährstoffe durch die Ernten (Ergebnisse nicht vorgestellt), falls die mineralische Düngung nicht dem Ertrag angepasst ist. In diesem Versuch ist die mineralische P- und K-Düngung dem Verfahrensniveau angepasst, sie ist aber in den vier Unterverfahren identisch.

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Agrarforschung Schweiz 3 (3): 148–155, 2012

Biologische Bodeneigenschaften Die 1999 gemessenen mikrobiellen Biomassen und Aktivitäten sind höher in den Verfahren, in denen regelmässig organische Dünger zugeführt werden (GD, Stroh, Mi35 und Mi70, Gü60, Tab. 5). Die Mikroorganismen scheinen in humusreicheren Böden bessere Wachstumsbedingungen vorzufinden (Abb. 1). Dabei wirken sich Hofdünger auf die Mikroorganismen am günstigsten aus (Tab. 5). Die Gülle fördert die mikrobielle Aktivität stärker als der Mist, die Menge Hofdünger (Vergleich Mi35 und Mi70) scheint hingegen eine geringe Wirkung zu haben. Das mikrobielle C/N-Verhältnis steigt ebenfalls tendenziell bei regelmässiger Zufuhr von organischen Düngern (Tab. 5). Yang et al. 2007 haben ähnliche Beobachtungen gemacht. Eine Veränderung des mikrobiellen C/N-Verhältnisses könnte auf eine Veränderung der Zusammensetzung der Mikroflora hindeuten (Fließbach et al. 2007). Diese Veränderung könnte die bei Verfahren mit organischen Düngern höheren beobachteten metabolischen Quotienten (qCO2) erklären. Es könnte sein, dass in diesen Verfahren die Mikroorganismen den Bodenkohlenstoff schneller abbauen. Höhere qCO2 können aber auch auf eine leichter abbaubare organische Bodensubstanz hindeuten. So wurde bereits erwähnt, dass die organische Substanz von Böden, die mit organischen Düngern versorgt werden, einen höheren Anteil an frischer, teilweise abgebauter organischer Substanz aufzuweisen scheinen (Tab. 4). Die Menge des mineralischen N-Düngers hat hingegen keine signifikante Wirkung auf die mikrobielle Biomasse und die Aktivität (Tab. 5).

Schlussfolgerungen Der Anbau einer Gründüngung alle zwei Jahre, die systematische Rückführung des Getreidestrohs oder die Zufuhr von 35 t ha-1 Mist alle drei Jahre wirken sich auf die Kohlenstoffmengen in den Böden gleich aus. Die Anwendung der einzelnen Massnahmen konnte den Humusgehalt in den gepflügten Böden dieses Versuchs nicht erhalten. Sie müssen deshalb kombiniert eingesetzt werden. SIMEOS-AMG ist das Humusbilanzierungsmodell, das am besten die quantitative Wirkung der organischen Dünger und der Stickstoffdüngung auf die Entwicklung der Kohlenstoffvorräte wiedergibt. Es wird an die lokalen Bedingungen angepasst werden müssen, bevor es als Entscheidungshilfe in der Beratung eingesetzt werden kann. Nach 34 Versuchsjahren erhöhten organische Dünger (Gründüngung, Getreidestroh, Mist oder Gülle) den Humusgehalt im Boden im Vergleich zur Kontrolle, wo nur mineralische Dünger zugeführt wurden. Die organi-


Langfristige Wirkung von organischen Düngern auf die Bodeneigenschaften | Pflanzenbau

Effetto a lungo termine dei fertilizzati organici sulle proprietà del suolo Dal 1976 a Changins sono testate le conseguenze dell’uso di diversi fertilizzanti organici (sovescio, paglia di cereali, 35 e 70 t ha-1 ogni 3 anni e 60 m3 ha-1 di liquame ogni tre anni) e chimici (quattro dosi di azoto). Questo studio analizza i loro effetti a lungo termine sulle proprietà organiche, chimiche e biologiche del suolo. Dopo 34 anni di prove, quando alle colture è apportata una fertilizzazione azotata ottimale, il tenore in materia organica diminuisce di 0,50 g/100 g di terra per il procedimento «fertilizzanti minerali», di 0,20 g/100 g per «sovescio» e «paglia» e di 0,18 g/100 g per «letame 35 t ha-1 ogni 3 anni» e «liquame 60 m3 ha-1 ogni 3 anni». Unicamente il procedimento letame 70 t ha-1 ogni 3 anni mostra un aumento del tenore del suolo di 0,15 g/100 g. I fertilizzanti organici non influenzano significativamente le principali proprietà chimiche del suolo, fatta eccezione per i tenori di elementi presenti in tracce. I procedimenti che ricevono letame e liquami presentano dei tenori in rame, ferro, zinco e manganese estraibili attraverso ammonio acetato EDTA più importanti rispetto al testimone «concimi minerali». Anche i concimi organici ottengono un effetto significativamente positivo sull’attività e la biomassa microbica e sembrano modificare la composizione di quest’ultima.

Die Stickstoffdüngung verbessert den Humusgehalt des Bodens, aber ihre Wirkung ist schwach. Sie führt zudem tendenziell zu einer Versauerung des Bodens und zu einer Abnahme seines Gehaltes an AAE-extrahierbaren P, K und Mg. Die regelmässig mit organischen Düngern versorgten Böden weisen höhere mikrobielle Biomasse und Aktivitäten auf als diejenigen, die nur mit mineralischen Düngern versorgt werden. Die Zusammensetzung dieser Biomasse scheint n ebenfalls durch diese Einträge beeinflusst zu werden.

Summary

Riassunto

schen Dünger haben hingegen wenig Einfluss auf die chemischen Eigenschaften des Bodens. Die KAK, der pH und der Gehalt an AAE-extrahierbaren Makroelementen werden von diesen nicht beeinflusst. Einzig der Gehalt an AAE-extrahierbaren Spurenelementen nimmt mit dem regelmässigen Ausbringen von Mist oder Gülle zu. Während dieser Studie scheinen diese Spurenelemente weder die Kulturen noch die mikrobielle Biomasse beeinflusst zu haben. Ihre längerfristigen Wirkungen müssen jedoch noch beurteilt werden.

Long-term effect of organic fertilizers on soil properties Consequences of the use of different organic fertilizers (green manure, cereal straw, manure at 35 and 70 t ha-1 every 3 years and cattle slurry at 60 m3 ha-1 every 3 years) and mineral fertilizer (four doses nitrogen) are tested in Changins since 1976. This study analyses their long-term effect on organic, chemical and biological soil properties. After 34 years of trial, when crops receive optimal nitrogen fertilizer, the soil organic matter (SOM) content decreases 0,50 g/100 g of soil for the treatment «mineral fertilizer», 0,20 g/100 g for the treatments «greenmanure» and «straws» and 0,18 g/100 g for the treatments «manure 35 t ha-1 every 3 years» and «slurry 60 m3 ha-1 every 3 years». Only the treatment «manure 70 t ha-1 every 3 years» shows an increase in the SOM content of 0,15 g/100 g. Organic fertilizers do not significantly affect the main soil chemical properties, except for trace element contents. The treatments receiving manure and cattle slurry present higher amounts of copper, iron, zinc and manganese extractable in ammonium acetate EDTA than the control «mineral fertilizer». Organic fertilizers have also a positive significant effect on the activity and microbial biomass and seems to change the composition of this last. Key words: organic fertilizers, mineral fertilizer, soil organic matter, soil properties, long-term field experiment.

Literatur Die Literaturliste kann bei der Autorin bezogen werden.

Agrarforschung Schweiz 3 (3): 148–155, 2012

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P f l a n z e n b a u

Ertrag und Stickstoffdüngung im Pflanzenbau: Langfristige Wirkung organischer Dünger Alexandra Maltas, Raphaël Charles, Vincent Bovet und Sokrat Sinaj Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, 1260 Nyon Auskünfte: Sokrat Sinaj, E-Mail: sokrat.sinaj@acw.admin.ch, Tel. + 41 22 363 46 58

C

D

A

B

D

A

B

C

Auswirkung der Stickstoffdüngung auf das Wachstum beim Mais (A-Unterverfahren: keine N-Düngung; B-Unterverfahren: N-Unterdüngung; C-Unterverfahren: N-Norm und D-Unterverfahren: N-Überdüngung). Im Jahr 2011 wirkt sich bei Mais die fehlende Stickstoffdüngung (A-Unterverfahren) stärker im GD-Verfahren (Bild links) als im Gülle-Verfahren (Bild rechts) aus, was auf einen stärkeren N-Mangel im Verfahren mit Gründünger hinweisen dürfte.

156

Einleitung

Material und Methoden

Seit 1976 werden in Changins vier Techniken zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit getestet: systematische Rückführung des Getreidestrohs, Einsatz von Gründüngern während der Zwischenfrucht, regelmässige Beigabe von Hofdünger und Ausbringen von Mist oder Gülle. Diese vier Techniken basieren auf der regelmässigen Einfuhr von «organischen Düngern». Getreidestroh, Gründünger und Hofdünger führen nämlich Nährstoffe in organischer Form zu, die nach der Mineralisierung verwertet werden können, aber auch solche in mineralischer Form, die durch die Kulturen direkt verwertet werden können. In diesem Sinne kommt ihnen eine verbessernde und düngende Rolle zu. Maltas et al. (2011a) haben die Wirkung dieser Dünger auf die organischen, chemischen und biologischen Bodeneigenschaften untersucht. Die vorliegende Studie ergänzt diese Arbeit, indem deren Wirkung auf den Ertrag der Kulturen und den mineralischen Stickstoffgehalt (N) des Bodens gemessen und dabei der N-Düngewert dieser Dünger quantifiziert werden.

Versuchsbeschreibung Der in Maltas et al. (2012) eingehend beschriebene Versuch nahm seinen Anfang im Jahr 1976 in Changins (VD, 430 m. ü. M.). Die Versuchsanordnung besteht aus einer Split-Plot Anlage mit vier Wiederholungen. Sechs Verfahren ermöglichen es, Art und Dosis der organischen Dünger zu testen: minD (Kontrolle, wo nur mineralische Dünger zugeführt wurden), GD (zweijährlicher Einschub von Senf-Gründüngung), Stroh (Rückführung von Getreidestroh), Mi35 (35 t ha-1 Rindermist dreijährlich), Mi70 (70 t ha-1 Rindermist dreijährlich) und Gü60 (von 1975 – 1993 alljährlich 60 m3 ha-1 und nach 1993 alle drei Jahre verdünnte Rindergülle). Die Unterverfahren A, B, C und D beinhalten steigende mineralische Stickstoffgaben (Maltas et al. 2012). Das Unterverfahren A erhält keinen mineralischen Stickstoff, während das Unterverfahren D stickstoffüberdüngt wird (je nach Kultur 105 – 200 kg N ha-1). In den Jahren 2003 und 2004 wurden die Modalitäten des minD-Verfahrens (keinerlei organische Düngerzugabe) zur Untersuchung der Effekte der Verfahren und

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Unterverfahren bei allen sechs Varianten umgesetzt. Das Unterverfahren A erhält durchgehend keinen Stickstoff und die Unterverfahren B, C und D erhalten allesamt die gleich hohe Stickstoffdosis (30 kg N ha-1 im Jahr 2003 und 40 kg N ha-1 im Jahr 2004). Im Jahr 2003 wird eine Rapskultur, im Jahr 2004 eine Winterweizenkultur gewählt. Bei der Fruchtfolge wechseln sich Sommer- und Winterkulturen ab und erlauben so die zweijährige Einfuhr von Gründüngung. Bei den fünf bis sechs Jahre dauernden Rotationen werden 60 bis 70 % Getreide sowie Raps und Mais eingesetzt. Mais- und Rapsstroh werden zermahlt und danach in den Boden eingearbeitet. Mit Ausnahme des Verfahrens «Stroh», wo dieses dem Boden zurückgeführt wird, wird das Getreidestroh nach der Ernte abgeführt. Die PhosphorKalium-Düngung (als Superphosphat und Kaliumsalz) ist gemäss Grundlagen für die Düngung im Ackerbau bei allen Verfahren optimal (Ryser et al. 1987). Sie berücksichtigt den Düngewert der zurückgeführten Ernterückstände und die Nachwirkungen von Mist und Gülle (Ryser et al. 1987). Messungen und statistische Auswertung Die Körnerausbeute wurde jedes Jahr zum Erntezeitpunkt bei allen Verfahren gemessen. Die ohne N-Begrenzung erhaltenen Erträge wurden als potenzielle Erträge bezeichnet. Bezogen auf das gleiche Jahr und das identische Verfahren, entsprechen diese Erträge dem Ertragsdurchschnitt der Unterverfahren, die keinen signifikanten Unterschied zum Verfahren mit dem maximalen Ertrag aufweisen (in der Regel das D-Unterverfahren). Der Düngewert der organischen Dünger wurde jedes Jahr folgendermassen berechnet: durch Vergleich der Ertragszunahme, die durch die organischen Dünger bewirkt wurde, mit der Ertragszunahme, die durch die Stickstoffdüngung erreicht wurde. Dabei hat man folgende Gleichung angewendet: Düngewert = (ErtriA- ErtrminDA) * DosisminDB/ (ErtrminDB – Ertr minDA ErtriA, ErtrminDA und ErtrminDB: Körnerausbeute des i-Verfahrens, A-Unterverfahren, des minD-Verfahrens, A-Unterverfahren respektive des minD-Verfahrens, B-Unterverfahren, in dt ha-1 ausgedrückt; Dosis minD B: Stickstoffdüngergabe im minD-Verfahren, B-Unterverfahren, in kg N ha-1 ausgedrückt. Wir setzen somit voraus, dass die Antwort der Pflanzenkulturen auf die N-Gabe linear ist. Der N-Mangel der Kulturen in den A- und B-Unterverfahren dürfte genügen, um diese Hypothese zu berechtigen. In den Jahren 2003 und 2004 wurde der N-Gehalt der Pflanze (Körner und Stroh) in den A-Unterverfahren gemessen, um den von der Kultur aufgenommene Stick stoff zu bestimmen.

Zusammenfassung

Ertrag und Stickstoffdüngung im Pflanzenbau: Langfristige Wirkung organischer Dünger | Pflanzenbau

Seit 1976 werden an der Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW in Changins die Auswirkungen des Einsatzes verschiedener organischer Dünger (Senf-Gründüngung, Getreidestroh, 35 und 70 t ha-1 Mist alle drei Jahre und 60 m3 ha-1 Gülle alle drei Jahre) getestet. Diese Studie untersucht deren langfristige Auswirkungen (34 Jahre) auf die Erträge der Kulturen, den Bedarf an Stickstoffdünger und den mineralischen Stickstoffgehalt des Bodens. Ist der Stickstoff (N) nicht begrenzend, wirken sich die organischen Dünger unterschiedlich auf den Körnerertrag der Kulturen aus. Im Jahr der organischen Einfuhr sowie in den Folgejahren erhöhen der Mist und die Gülle den Ertrag der Kulturen im Vergleich zur Kontrolle ohne organischen Dünger, während ihn die Zufuhr von Gründünger und die systematische Rückführung des Getreidestrohs verringern. Im Schnitt der 34 Versuchsjahre bleibt diese Wirkung jedoch gering. Ist dagegen der Stickstoff begrenzend, zeigen sämtliche organischen Dünger einen positiven Effekt auf den Ertrag der Kulturen. Die direkte Wirkung (Jahr der Einfuhr) der organischen Dünger kann positiv oder negativ ausfallen. Die ungedüngte Gründüngung erhöht den Bedarf an Stickstoffdünger im Jahr, in dem sie verbraucht wird, senkt ihn aber im darauffolgenden Jahr. Wird sie mit 60 kg N ha-1 gedüngt, senkt sie den Bedarf an Stickstoffdünger sowohl im Jahr, in dem die Gründüngung zersetzt wird, als auch im Folgejahr. Der Düngungseffekt von Getreidestroh ist vernachlässigbar. Mist und Gülle senken den Stickstoffdüngerbedarf signifikant während der drei Jahre, nach denen sie ausgebracht worden sind. Wird der Düngungseffekt der Hofdünger nicht mitberücksichtigt, ist der mineralische Stickstoffgehalt bei der Ernte in den Forschungsreihen mit Hofdüngern höher als bei der Kontrolle ohne organischen Dünger.

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Pflanzenbau | Ertrag und Stickstoffdüngung im Pflanzenbau: Langfristige Wirkung organischer Dünger

Tab. 1 | Wirkung der Verfahren auf die potenziellen Körnererträge (ohne Stickstoffbegrenzung). Die Erträge sind in Prozent der Kontrolle minD ausgedrückt (= 100%). Mais

Verfahren

(n1=6) minD

100 (76)

Weizen nach Mais

Sommergerste

Raps

(n1=5)

(n1=5)

(n1=5)

100 (48)

2

2

100 (48)

100 (32)

2

Sommerhafer

Weizen nach Hafer

(n1=5)

(n1=5)

2

100 (48)

2

Durchschnitt 1976 – 2010

100 (53)2

100,0 a

GD

93

98

96

97

100

98

96,4 b

Stroh

90

92

96

96

102

97

95,3 b

Mi35

97

96

100

105

105

102

100,5 a

Mi70

101

100

102

104

106

99

102,2 a

Gü60

98

92

104

104

106

101

100,4 a

: Anzahl Jahre. : Maximaler, beim minD-Verfahren beobachteter Körner-Trockenertrag (dt ha -1). Verschiedene Kleinbuchstaben innerhalb einer Kolonne weisen auf signifikante Unterschiede zwischen den Mittelwerten der verschiedenen Unterverfahren bei der  %-Schwelle gemäss Fisher-Test hin.

1 2

Im Jahr 2009 wurden die mineralischen Stickstoffvorräte im C-Unterverfahren kurz vor der Aussaat am 26. März und einen Monat nach der Ernte am 24. August (Forschungsanstalten ART& ACW 2011) gemessen. Die Horizontproben 0 – 30; 30 – 60 und 60 – 90 cm wurden mit Hilfe eines Erdbohrers entnommen. Jede Probe setzte sich aus acht bis zehn Karotten zusammen. Es wurden vier Wiederholungen vorgenommen. Die Varianzanalysen wurden mithilfe der Software XLSTAT 2010, Copyright Addinsoft 1995 – 2009, vorgenommen. Für den Vergleich der Mittelwerte der Verfahren und Unterverfahren wurde der Fisher-Test angewendet.

Resultate und Diskussion Potenzieller Ertrag der Kulturen Ist der Stickstoff nicht begrenzend, so liegen die beobachteten Erträge bei Mais, Weizen, Gerste, Raps und Hafer (Tab. 1) nahe bei den Düngungsgrundlagen, d. h. bei 81, 51, 47, 33 respektive 47 dt trocken ha-1 (Sinaj et al. 2009). Die Wirkung der Verfahren auf den potenziellen Ertrag bleibt kulturunabhängig konstant, da ja die Wechselwirkung von Verfahren und Kultur nicht signifikant ist (P > 0,05). Im Schnitt der 34 Versuchsjahre ist

130

Relativer potenzieller Ertrag (%)

120 110 100 GD

y = -0,16x + 408 R2 = 0,06; ns

Stroh

y = -0,04x + 176 R2 = 0,005; ns

Mi35

y = 0,20x - 304 R2 = 0,12; *

Mi70

y = 0,38x - 652 R2 = 0,36; ***

90 80 70 60 1975

1980

1985

1990

1995

2000

2005

2010

Gü60 y = 0,29x - 474 R2 = 0,13;***

Abb. 1 | Entwicklung der relativen potentiellen Erträge (minD =100%) in den Verfahren mit ­o rganischen Düngern. ns: nicht signifikante Regression bei der 10 %-Schwelle gemäss Fisher-Test. *: signifikante Regression bei der 10 %-Schwelle gemäss Fisher-Test. **: signifikante Regression bei der 5 %-Schwelle gemäss Fisher-Test. ***: signifikante Regression bei der 1 %-Schwelle gemäss Fisher-Test.

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80

30

-20 GD Jahre mit GD -70 1976 1979 1982 1985 1988 1991 1994 1997 2000 2003 2006 2009

Düngewert (kg N/ha)

80

30

-20 Stroh Jahre mit Getreidestroh -70 1976 1979 1982 1985 1988 1991 1994 1997 2000 2003 2006 2009

Düngewert (kg N/ha)

80

30

-20 Mi35 Mi70 Jahre mit Mist

-70 1976 1979 1982 1985 1988 1991 1994 1997 2000 2003 2006 2009

80 Düngewert (kg N/ha)

die Wirkung der organischen Dünger signifikant, bleibt aber gering (-4,7 bis +2,2% im Vergleich zu minD, Tab. 1). Das GD-Verfahren weist einen signifikant tieferen potenziellen Ertrag als das Kontrollverfahren minD (-3,6%, Tab. 1) auf. Duval (1996) hat zudem beobachtet, dass insbesondere Gründünger auf Basis von Kreuzblütlern (vor allem Senf) sich wegen des Vorkommens pflanzentoxischer Verbindungen in deren Rückständen negativ auf die Folgefrucht auswirken können. In diesem Versuch wurde die vermutete allelopathische Wirkung des Senfs sowohl an den auf die Gründüngung folgende Kulturen (Mais und Gerste) als auch an den danach folgenden Kulturen (Weizen und Raps, Tab. 1) beobachtet. Hafer scheint als einzige Kultur nicht betroffen zu sein. Der Ertrag beim Stroh-Verfahren ist 4,7% tiefer als derjenige beim Kontrollverfahren minD (Tab.1). Die Rückführung des Getreidestrohs in einer getreidelastigen Fruchtfolge förderte vermutlich Getreidekrankheiten (Charles et al. 2011). Die durchschnittliche Wirkung der Hofdünger (Mi35, Mi70 und Gü60) über den Zeitraum 1976 – 2010 ist äusserst gering (+0,4 bis +2,2% verglichen mit minD, Tab. 1) und nicht signifikant. Diese Verfahren bringen es jedoch alle zu höheren potenziellen Erträgen als die Kontrolle minD. Dieses Ergebnis stimmt mit einem anderen in Changins durchgeführten Langzeitversuch überein, der mit Hofdüngern eine durchschnittliche Zunahme der potenziellen Erträge von 2 bis 13 % über zwölf Versuchsjahre zeigte (Maltas et al. 2012). Diese Zunahme kann einer Wirkung der organischen Masse, welche die physikalischen, hydrologischen und biologischen Eigenschaften des Bodens verbessert (Lal 2009), und/oder einer Zunahme der Nährstoffverfügbarkeit (Zhang et al. 2009) zugeschrieben werden. In den Verfahren mit Hofdünger haben die Böden nämlich höhere Gehalte an organischer Substanz (OS) als in der Kontrolle, aber auch höhere Gehalte an mit Ammonium-Azetat EDTA extrahierbarem Zink und Eisen (Maltas et al. 2011a). Die Mikronährstoffe Zink und Eisen fördern in tiefen Konzentrationen das Pflanzenwachstum, können jedoch bei Überschreitung einer gewissen Schwelle toxisch wirken (Marschner 1995). Wegen der starken zwischenjährlichen Schwankungen des relativen potenziellen Ertrages ist es schwierig, eine signifikante Entwicklung der Verfahrenseffekte (Abb. 1) nachzuweisen. Die Wirkung der GD- und StrohVerfahren ändert sich mit der Zeit nicht, hingegen nimmt diejenige der Hofdünger signifikant zu. Diese Wirkungen bleiben aber auch nach 34 Eintragsjahren bescheiden (+4, +9 resp. +6 % bei Mi35, Mi70 resp. Gü60; Abb. 1).

Düngewert (kg N/ha)

Ertrag und Stickstoffdüngung im Pflanzenbau: Langfristige Wirkung organischer Dünger | Pflanzenbau

30

-20 Gü60 Jahre mit Gülle -70 1976 1979 1982 1985 1988 1991 1994 1997 2000 2003 2006 2009

Abb. 2 | Jahresdüngewert der organischen Dünger von 1976 bis 2009.

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Pflanzenbau | Ertrag und Stickstoffdüngung im Pflanzenbau: Langfristige Wirkung organischer Dünger

Tab. 2 | Nachwirkungen der Verfahren auf die relativen Körnererträge (minD = 100 %) nach 27 Versuchsjahren. Beim A-Unterverfahren wurde 2003 und 2004 kein Stickstoff eingetragen, und in den Unterverfahren B, C und D wurden 2003 je 30 kg N ha -1 und 2004 je 40 kg N ha -1 zugeführt.

Mittelwerte 2003 – 2004 (% minD) Verfahren A-Unterverfahren

Unterverfahren B, C und D

minD

100 b

100 b

GD

108 ab

100 b

Stroh

102 b

99 b

Mi35

113 ab

105 b

Mi70

128 a

117 a

Gü60

113 ab

108 b

Verschiedene Kleinbuchstaben innerhalb einer Kolonne weisen auf signifikante ­Unterschiede zwischen den Mittelwerten der verschiedenen Unterverfahren bei der 5 %-Schwelle gemäss Fisher-Test hin.

Düngewert der organischen Dünger Der Düngewert der fünf Arten organischer Dünger (GD, Stroh, Mi35, Mi70 und Gü60), der von 1976 bis 2010 erhoben wurde, zeigt grosse Unterschiede (Abb. 2). Wegen des Berechnungsverfahrens beinhalten die vorgestellten Werte die direkte, durch rasch verfügbaren Stickstoff bedingte Wirkung sowie die indirekte, durch die Mineralisierung der im Boden gespeicherten OS bedingte Wirkung. Trotz der stets zunehmenden Anreicherung des Bodens an OS in den Verfahren mit organischer Düngung nimmt der Düngewert der organischen Dünger mit der Zeit nicht zu (Abb. 2) (Maltas et al. 2011a). Die Düngewerte ändern sich hingegen mit der Anzahl der Jahre, die seit der letzten Zufuhr von organischem Material vergangen sind. Zwischen 1994 und 2010 betrug der

Düngewert des Gründüngers durchschnittlich - 27 kg N ha-1 im Jahr seiner Vernichtung und +7 kg N ha-1 im folgenden Jahr (Abb. 2). Der Gründünger nimmt den Stickstoff auf und vermindert dadurch das N-Angebot für die nächste Kultur im Vergleich zur Kontrolle minD. Ein Teil dieses Stickstoffs wird im nächsten Jahr bei der Mineralisierung der Gründüngerrückstände wieder zur Verfügung gestellt. Vor 1993 wurde diese negative Wirkung der Gründüngung auf das N-Angebot im Jahr, in welchem es zersetzt wurde, nicht beobachtet (Abb. 2). Deren Düngewert betrug damals +20 kg N ha-1 im Jahr, in welchem es zersetzt wurde, und +17 kg N ha-1 im Folgejahr (Abb. 2a). Offenbar vermochten die vor 1993 auf den Gründünger ausgetragenen 60 kg N ha-1 den von diesem aufgenommenen Stickstoff zu kompensieren und sogar das N-Angebot für die nächsten Kulturen zu erhöhen. Wird Senf gedüngt, liegt sein Düngewert in den zwei Jahren nach seiner Zersetzung bei 37 kg N ha-1 und ohne Düngung bei -20 kg N ha-1. Der Unterschied von 57 kg N ha-1 entspricht ziemlich genau den 60 kg N ha-1, die über dem Senf ausgetragen wurden, was zeigt, dass dieser Stickstoff in geringem Mass aus dem Boden-Pflanzen-System entwichen ist. Dagegen kann der im Boden verfügbare Stickstoff möglicherweise schlechter aufgenommen werden und eher durch Auswaschung verloren gehen. Der Düngewert des Getreidestrohs ist sehr gering (Abb. 2b). Er liegt bei durchschnittlich -3 kg N ha-1 im Jahr der Stroh-Einarbeitung und bei +3 kg N ha-1 im folgenden Jahr. Das Getreidestroh weist ein hohes C/NVerhältnis auf, was im Jahr der Einarbeitung eine Stickstoff-Immobilisation durch die mikrobielle Biomasse bewirkt. Im darauffolgenden Jahr wird dieser Stickstoff durch den Abbau der mikrobiellen Biomasse wieder verfügbar. Sinaj et al. (2009) empfehlen deswegen in der Schweiz eine Erhöhung der N-Düngung um 10 kg N ha-1 bei Sommerkulturen, falls Getreidestroh eingearbeitet wird.

Tab. 3 | Nachwirkungen der Unterverfahren B, C und D auf die Körnererträge nach 27 Versuchsjahren. Die Rapskultur erhielt 30 kg N ha -1 im Jahr 2003 und die Weizenkultur 40 kg N ha -1 im Jahr 2004

Jahr/Kultur

Körnererträge (dt ha-1) B-Unterverfahren

C-Unterverfahren

D-Unterverfahren

20031- Raps

19,9

A

20,8

A

21,2

A

2004- Weizen

45,0

A

46,6

A

46,7

A

Besonders trockenes Jahr. Verschiedene Grossbuchstaben innerhalb einer Zeile weisen auf signifikante Unterschiede zwischen den Mittelwerten der verschiedenen Unterverfahren bei der 5 %-Schwelle gemäss Fisher-Test hin.

1

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Ertrag und Stickstoffdüngung im Pflanzenbau: Langfristige Wirkung organischer Dünger | Pflanzenbau

Der Düngewert der Hofdünger ist positiv und nimmt ab mit der Anzahl der Jahre, die seit der letzten organischen Gabe vergangen ist. Im Eintragsjahr, beziehungsweise ein und zwei Jahre nach der Gabe betragen die Düngewerte +31, +15 respektive +10 kg N ha-1 bei Mi35 (Abb. 2c); +58, +28 resp. +21 kg N ha-1 bei Mi70 (Abb. 1c) und +38, +18 respektive +10 kg N ha-1 bei Gü60 (Abb. 2d). Die Düngewerte als Prozentsatz des durch die organische Düngung zugeführten Gesamtstickstoffs geben einen Hinweis auf den Anteil des von den Kulturen verwerteten Gesamtstickstoffs. So beträgt mit Mist (Durchschnitt Mi35 und Mi70) der Anteil des von den Kulturen verwerteten Gesamtstickstoffs im Eintragsjahr 16%, ein Jahr nach dem Eintrag 8% und zwei Jahre nach dem Eintrag 5 %. Mit Gülle erreichen diese Werte 37 %, 18 % respektive 10 %. Die in der Gülle vorhandene OS ist allgemein weniger stabil als diejenige des Mists (Lecomte 1980) und wird somit schneller abgebaut (Su et al. 2006), was die höheren Werte bei Gülle erklärt. Die Grundlagen für die Düngung im Ackerbau schlagen Düngewerte von Laufstall-Mist in der gleichen Grössenordnung wie in diesem Versuch vor (20 % des Gesamtstickstoffes im Eintragsjahr und 10 % im darauffolgenden Jahr, Sinaj et al. 2009). In diesem Versuch wurde die Gülle etwas langsamer abgebaut als in den Grundlagen für die Düngung im Ackerbau vorgeschlagen (45 % des Gesamtstickstoffes im Eintragsjahr und 5% im darauffolgenden Jahr, Sinaj et al. 2009). Die Güllen lassen sich in diesem Versuch anscheinend schlechter abbauen. Deswegen bedürfte ihre organische Substanz einer qualitativen Analyse. Heute wird in den Stickstoffdüngungsnormen der Düngewert von Hofdüngern zwei Jahre nach dem Eintrag nicht mehr berücksichtigt (Sinaj et al. 2009). Diese Ergebnisse sowie jene von Maltas et al. (2011b) zeigen, dass der Düngewert des Mistes sowie der Gülle zwei Jahre nach dem Eintrag noch hoch ist und einberechnet werden sollte. Nachwirkung In den Jahren 2003 und 2004 wurde bei keinem Verfahren organisches Material zugeführt, was eine Schätzung der Verfahrensnachwirkungen ermöglicht. Diese wurden bei vermeintlich mit Stickstoff unterversorgten Kulturen untersucht, nämlich im Unterverfahren A ohne Stickstoff und im Durchschnitt der Unterverfahren B, C und D, wo 2003 je 30 kg N ha-1 und 2004 je 40 kg N ha-1 zugeführt wurden (Tab. 2). Bei Stickstoffmangel weisen alle Verfahren, die regelmässig organische Dünger erhalten, höhere Erträge als die Kontrolle minD auf (Tab. 2). Die Nachwirkung ist im A-Unterverfahren ohne Stickstoff betonter als in den Unterverfahren B, C und D, die 30 bis 40 kg N ha-1 erhielten. Das heisst, dass je grösser

Tab. 4 | Auswirkung der Verfahren auf den mineralischen Stickstoffgehalt (N min) in 0–90 cm Tiefe im C-Unterverfahren im Jahr 2009 minD vor Aussaat Behandlungen

minD nach Ernte

_________ kg N ha-1_________

minD

44 c

GD

28 d

47 b

Stroh

41 c

49 b

Mi35

50 bc

56 b

Mi70

76 a

75 a

Gü60

58 b

61 ab

45 b

Verschiedene Kleinbuchstaben innerhalb einer Kolonne weisen auf signifikante ­Unterschiede zwischen den Mittelwerten der verschiedenen Unterverfahren bei der 5 %-Schwelle gemäss Fisher-Test hin.

der N-Mangel der Kultur ist, umso stärker ist die Nachwirkung der Verfahren. Diese Nachwirkung ist also offenbar auf ein besseres N-Angebot in den Böden zurückzuführen, die regelmässig organische Dünger erhalten. Das stimmt mit den vorhergehenden Ergebnissen überein, die für alle organischen Dünger positive Düngewerte im Jahr nach dem Eintrag gezeigt haben. Das erhöhte Angebot an N könnte vor allem auf eine stärkere Mineralisierung bei besserer OS-Versorgung dieser Böden beruhen (Maltas et al. 2011). Die Nachwirkung der Unterverfahren (B, C und D) wurde im Durchschnitt der Verfahren in den Jahren 2003 und 2004 untersucht (Tab. 3). Die Erträge weichen nicht signifikant von den verschiedenen Unterverfahren ab, nehmen aber tendenziell mit der vorhergehenden Stickstoff-Düngung zu (Tab. 3). Das lässt sich offenbar durch die positive Wirkung der Stickstoffdünger-Dosis auf den OS-Gehalt des Bodens erklären (Maltas et al. 2011). Mineralischer Stickstoffgehalt Die mineralische Stickstoffgehalt in den ersten 90 Zentimetern Boden (Nmin) wurde im Jahr 2009, vor der Saat und nach der Sommerhafer-Ernte gemessen (Tab. 4). Das Stroh der vorangehenden Kultur (Raps) wurde in allen Verfahren eingearbeitet; im GD-Verfahren wurde eine Senf-Gründüngung vor der Haferkultur eingeschoben und keine Hofdünger (Mist oder Gülle) ausgetragen. Hofdünger wurden hingegen im Jahr 2008 bei Mi35, Mi70 und Gü60 zugeführt. In allen Verfahren wurden die Nmin in den C-Unterverfahren, wo überall 90 kg N ha-1 zugeführt wurde, gemessen. Vor der Saat und nach der Ernte unterscheiden sich die Nmin des Strohverfahrens wenig von denjenigen beim minD-Verfahren (Tab. 4), was mit dem schwachen Dünge- 

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Pflanzenbau | Ertrag und Stickstoffdüngung im Pflanzenbau: Langfristige Wirkung organischer Dünger

wert des Getreidestrohs übereinstimmt, der im Jahr nach dessen Austragung beobachtet wurde (Abb. 2a). Das GD-Verfahren wirkt sich vor der Saat negativ auf den Nmin (Tab. 4) aus. Ungedüngter Senf nimmt also tatsächlich Stickstoff auf, der für die Folgefrucht dann nicht mehr verfügbar ist. Die höchsten Nmin-Werte vor der Saat werden in den Verfahren mit Hofdünger (Mi35, Mi70 und Gü60; Tab. 4) beobachtet. Diese Werte könnten auf die starke Mineralisierung der Boden-OM (Maltas et al. 2012) verbunden mit der Mineralisierung der frischen, im Vorjahr zugeführten OM beruhen. Die starke Mineralisierung in diesen Verfahren zieht jedoch auch nach der Ernte höhere minN nach sich. In den Verfahren mit Mist und Gülle ist somit das Stickstoff-Auswaschungsrisiko nach der Ernte höher, falls deren Nachwirkungen in der Berechnung der N-Düngung nicht berücksichtigt werden.

Schlussfolgerungen ••Bei nicht begrenzender Stickstoffdüngung sind die Wirkungen der organischen Dünger auf den Körnerertrag der Kulturen unterschiedlich. Im Jahr des Eintrags und in den Folgejahren wird der Ertrag durch die Gabe von Hofdünger, Mist oder Gülle höher (durchschnittlich + 0,4 bis + 2,2 %), hingegen durch den Einschub von Senf-Gründüngern und systematische Rückführung des Getreidestrohs tiefer (-3,6 resp. -4,7%).

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••Bei N-Mangel in den Kulturen haben alle organischen Dünger eine positive Auswirkung auf den Ertrag. Das könnte auf ein besseres Stickstoffangebot in diesen OS-reicheren Böden zurückgeführt werden. ••Die Senf-Gründüngung ohne N-Düngung erhöht den N-Düngerbedarf im Jahr der Vernichtung (um 27 kg N ha-1) und senkt diesen im Folgejahr (um 7 kg N ha-1). Wird der Gründünger mit 60 kg N ha-1 versetzt, so verringert sich der Bedarf der nachfolgenden Kultur im Jahr der Vernichtung und im Folgejahr (um 20 resp. 17 kg N ha-1). ••Der Düngewert des Getreidestrohs ist sowohl im Jahr der Einarbeitung (-3 kg N ha-1) wie im Folgejahr ­(+3 kg N ha-1) vernachlässigbar. ••Mist und Gülle zeigen deutlich positive Düngewerte in den drei Jahren nach dem Eintrag. Der durch den Mist zugeführte Stickstoff entspricht 16, 8 und 5 % des Gesamtstickstoffs, der im Eintragsjahr, respektive ein und zwei Jahre danach zugeführt wird. Für Gülle erreichen diese Werte 37, 18 respektive 10 %. Werden diese Düngewerte in der Berechnung der Stickstoffdüngung nicht berücksichtigt, so steigt der mineralische Stickstoffgehalt bei der Ernte und somit n das Auswaschungsrisiko.

▪▪ Maltas A., Oberholzer H., Charles R. & Sinaj S., 2012. Langfristige Wirkung von organischen Düngern auf die Bodeneigenschaften. Agrarforschung Schweiz 3 (3), 148–155. ▪▪ Marschner H., 1995. Mineral nutrition of higher plants. (Ed. Academic press). Harcourt Brace & compagny Publishers, London. 889 S. ▪▪ Sinaj S., Richner W., Flisch R. & Charles R., 2009. Données de base pour la fumure des grandes cultures et des herbages (DBF-GCH). Revue suisse d'Agriculture 41 (1), 1–98. ▪▪ Stations de recherche ART& ACW, ed. 2011. Méthodes de référence des stations de recherche Agroscope. Agroscope. Zurich-Reckenholz. Vol. 1 | 30 p. ▪▪ Su Y. Z., Wang F., Suo D. R., Zhang Z. H. &. Du M. W., 2006. Long term effect of fertilizer and manure application on soil carbon sequestration and soil fertility under wheat-wheat-maize cropping system in Northwest China. Nutrient Cycling in Agroecosystems 75, 285–295. ▪▪ Zhang H., Xu M. & Zhang F., 2009. Long-term effects of manure application on grain yield under different cropping systems and ecological conditions in China. J. Agri. Sci. 147, 31–42.


Effetti a lungo termine dei fertilizzanti organici sulla resa e la concimazione azotata delle colture Dal 1976 a Changins sono testate le conseguenze dell’uso di diversi fertilizzanti organici (senape da sovescio, paglia di cereali, 35 e 70 t ha-1 di letame ogni 3 anni e 60 m3 ha-1 di liquame ogni 3 anni). Questo studio analizza i loro effetti a lungo termine (34 anni) sulla resa delle colture, il bisogno di concimazione azotata e lo stock d’azoto (N) minerale nel suolo. Quando N non è limitante, i fertilizzanti organici producono degli effetti contrastati sulla resa in semi delle colture. Nell’anno dell’apporto organico e negli anni successivi, letame e liquame aumentano la resa delle colture rispetto al testimone senza fertilizzante organico, mentre l’inclusione di sovescio e la restituzione sistematica di paglia di cereali la diminuisce. Tuttavia, questi effetti, sulla media di questi 34 anni di prove, restano deboli. Per contro, quando l’azoto è limitante, i concimi organici raggiungono tutti un effetto retroattivo positivo sulla resa delle colture. L’effetto diretto (nell’anno dell’apporto) di fertilizzanti organici può essere positivo o negativo. Il sovescio senza apporto di concimi accresce i bisogni di fertilizzanti azotati nell’anno della sua distruzione, ma li riduce l’anno seguente. Quando è concimato con 60 kg di N ha-1, riduce i propri bisogni sia nell’anno della sua distruzione fino all’anno successivo. Il valore fertilizzante della paglia da cereali è insignificante. Nei tre anni successivi al loro apporto, letame e liquame riducono le esigenze in fertilizzante N in modo significativo. Quando il valore fertilizzante del letame non è preso in considerazione, lo stock di azoto minerale presente al raccolto risulta più elevato nei procedimenti con letame rispetto al controllo senza fertilizzanti organici.

Summary

Riassunto

Ertrag und Stickstoffdüngung im Pflanzenbau: Langfristige Wirkung organischer Dünger | Pflanzenbau

Long-term effect of organic fertilizers on crop yield and nitrogen fertilization Consequences of the use of different organic fertilizers (green manure, cereal straw, manure at 35 and 70 t ha-1 every 3 years and cattle slurry at 60 m3 ha-1 every 3 years) and mineral fertilizer (four doses nitrogen) are tested in Changins since 1976. This study analyses the long-term effect (34 years) on crop yield, the need for nitrogen fertilizer and the stock of mineral nitrogen (N) in the soil. When N is not limiting, organic fertilizers have different effects on grain yield. The year of organic input and the subsequent years, manure and slurry increase yields compared to the control without organic fertilizer, while green manure and systematic restitution of the cereal straw decrease it. However, on average over the past 34 years, these effects remain weak. On the contrary, when nitrogen is limiting, all forms of organic fertilizers have a positive long term effect on crop yields. The direct effect of organic fertilizer (first year of field application) may be positive or negative. The non fertilized green manure increases the need for nitrogen fertilizer during the year of its destruction but reduces it the following year. When fertilized with 60 kg N ha-1, it decreases the need for nitrogen fertilizer the year of its destruction as well as the following year. The fertilizing value of the cereal straw is negligible. Manure and slurry reduce significantly the need for N fertilizer on the three years following the application. When the fertilizer value of manure is not taken into account, the stock of mineral N in the soil present at harvest was higher in treatments with manure than in the control without organic fertilizer. Key words: crop yield, organic fertilizers, nitrogen fertilization, long-term field experiment.

Agrarforschung Schweiz 3 (3): 156–163, 2012

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K u r z b e r i c h t

Eine neue Methode zur Bestimmung von ­Bröckelverlusten Joachim Sauter1, Roy Latsch1 und Oliver Hensel2 Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8046 Zürich 2 Agrartechnik am Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften Universität Kassel, 37213 Witzenhausen Auskünfte: Joachim Sauter, E-Mail: joachim.sauter@art.admin.ch, Tel. +41 52 368 31 31

1

Abb. 1 | Die Differenzmethode ist sehr arbeitsaufwändig. (Foto: ART)

Zur Bereitung von Heu muss das Futter mehrmals gewendet und anschliessend geschwadet werden. Jede Bearbeitung verursacht mechanische Verluste durch abfallende Blätter oder Blattteile, die als ­Bröckelverluste bezeichnet werden. Die Bestimmung

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Agrarforschung Schweiz 3 (3): 164–167, 2012

der Verluste ist sehr zeitaufwändig. Eine neue Methode, welche die Bestimmung der Bröckelverluste vereinfacht, wurde an der Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART einem ersten Test unterzogen.


Eine neue Methode zur Bestimmung von ­B röckelverlusten | Kurzbericht

Abb. 2 | Bei den Saugermethoden werden auch organische Pflanzenrückstände – wie z. B. organischer Dünger – als Verluste gewertet. (Foto: ART)

Mit dem Einzug der Mechanisierung der Raufutterernte rückten die Bröckelverluste in das Interessenfeld der landwirtschaftlichen Praxis und der Forschenden (Bergmann und Höhn 1971; Bergmann et al. 1972). Während 40 Jahren Forschungstätigkeit wurden verschiedene Methoden zur Bestimmung der Verluste eingesetzt, die systembedingt mit entsprechenden Zeitaufwändungen und Messfehlern behaftet sind. Ein 2009 von der Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART neu entwickelter Ansatz, der in Zusammenarbeit mit der Universität Kassel erprobt wurde, könnte das Erfassen der Bröckelverluste vereinfachen und präzisere Ergebnisse liefern. Bestimmung der Verluste durch Wiegen «Differenzmethode» Höhn (1986) ermittelte die Verluste mittels einer Differenzmethode, die darauf beruht, dass er die Futtererträge von Versuchsparzellen nach den jeweiligen Bearbeitungsschritten wog (Abb. 1). Das Wiegen an sich stellt jedoch eine zusätzliche Bearbeitung dar, die Verluste verursachen kann, da hierzu das Futter zusammengerecht, gewogen und anschliessend zur weiteren Trocknung verteilt werden muss. Ausserdem ist diese Art der Beprobung sehr zeit- und arbeitsaufwändig.

Verluste aufsaugen Beckhoff et al. (1979) wählten einen anderen Ansatz. Die Bröckelverluste wurden durch Absaugen definierter Testflächen bestimmt. Das Aufsaugen kann dabei punktförmig (zirka 1 m²) oder auch flächenförmig erfolgen. Die punktförmige Probeentnahme wird häufig als «Staubsaugermethode» bezeichnet. Eine flächige Probeentnahme bezeichnet man oft analog zum verwendeten Gerät mit «Laubsaugermethode» (Abb. 2). Eigene Versuche haben gezeigt, dass die Verluste nicht gleichmässig auf der Fläche verteilt sind, sondern zur Schwadmitte hin ansteigen. Dies ist bei der Auswahl der Standorte zur Probeentnahme zu berücksichtigen. Bei der Laubsaugermethode behilft man sich dadurch, dass die Probeentnahme schräg zur Schwadrichtung erfolgt, sodass die Teststrecke ein bis zwei Arbeitsbreiten des Schwaders enthält. Ahmels (1989) weist darauf hin, dass durch das Saugen nicht nur Bröckelverluste, sondern auch anderweitig organisches Material wie zum Beispiel Güllereste, abgestorbene Pflanzenteile und durch Mehrfachschnitte erzeugte Kleinteile miterfasst werden. Selbst das zweiphasige Saugen beinhaltet Fehler. Bei dieser Variante werden ausgewählte Streifen gleich nach der Mahd freigeräumt, markiert, abgesaugt und anschliessend wieder mit dem Erntegut bedeckt. Die zweite Phase dient der Bestimmung der Bröckelverluste. Aber auch hier werden abgestorbene Teile erfasst, die sich in der Zwischenzeit von den Pflanzen gelöst haben. Eigene Beobachtungen zeigten, dass bei langen Stoppeln oder bei einer Probeentnahme nach einem Regenschauer nicht alle Pflanzenbröckel vollständig aufgesaugt werden. Ebenso erschweren dichte Grasnarben von Naturwiesen die vollständige Aufnahme zurückgebliebener Verluste. Trotz aller Schwierigkeiten entwickelte sich die Laubsaugermethode zum Standard für die Bestimmung von Bröckelverlusten. Auf ihr beruhen zahlreiche Systemvergleiche (Frick und Rühlmann 1991; Frick und Ammann 1999, 2000; Frick 2002; Sauter et al. 2002; Sauter 2008). Messungen unter standardisierten Bedingungen Um unbekannte Einflüsse möglichst auszuklammern, gab es bereits früh Ansätze, die Verluste unter standardisierten Bedingungen zu erfassen. So machte Ahmels (1989) seine Untersuchungen auf festem Untergrund. Das Erntegut wurde per Hand auf einen Wagen geladen, auf einer asphaltierten Fläche zu einem Schwad geformt, anschliessend entsprechend der Versuchseinstellung bearbeitet und dann per Hand oder mittels Pickup geladen. Bei diesem Verfahren blieb allerdings offen, in welchem Mass die Messwerte durch die nicht vorhanden Stoppeln, welche die Arbeit der Zinken von Wendern 

Agrarforschung Schweiz 3 (3): 164–167, 2012

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Kurzbericht | Eine neue Methode zur Bestimmung von ­B röckelverlusten

Tab. 1 | Die Differenzen zwischen den Ernteerträgen werden von den künstlichen Stoppeln besser abgebildet (Lucas 2009) Verlustbestimmungsmethode

Verfahren

Laubsauger

künstliche Stoppeln

Verluste (dtTM/ha)

s2

Verluste (dtTM/ha)

s2

Schwadwender

18,4

1,7

0,727

1,0

0,381

p = 0,116

Konventionell

16,8

2,0

0,761

2,9

0,023

p = 0,067

Differenz

1,6

0,3

oder der Pick-up unterstützen, verfälscht werden. So konnte Ahmels feststellen, dass bei der Bergung abhängig vom Einsatz einer Pickup oder eines Handrechens unterschiedliche Verlustraten gemessen werden. Manns (2007) erarbeitete einen Prüfstand, den er zusammen mit Hensel (2009) vorstellte. Die zentralen Elemente dieses Prüfstandes sind aus Streckmetall ­ ge­fertigte Gitterroste sowie eine rotierende, drehzahlregulierte Scheibe, an der die Werkzeuge der Heuwendersysteme montiert werden. Die Roste sind im Wirkungsbereich der Werkzeuge sowie im Wurfbereich aufgestellt, auf welchen das handzugeführte Gut zu liegen kommt. Durch das Streckmetall fallende Pflanzenteile werden als Bröckelverluste gewertet. Auch wenn diese modellierte Anordnung der Wendevorgänge die Realität nicht exakt abbildet, konnte mit vergleichenden Versuchen der Einfluss der Werkzeuggeschwindigkeit auf die daraus resultierenden Bröckelverluste bestimmt werden. Ähnlich wie bei der Untersuchung von Ahmels (1989) verzichtete Manns auf Stoppeln. Es ist daher ungewiss, in wie weit diese Versuchsanordnung die Realität widerspiegelt. Einfache, praxisnahe Messung mit künstlichen Stoppeln Mit dem Ziel die Realität besser abzubilden, wurde in Zusammenarbeit mit der Universität Kassel ein neuer Ansatz erprobt (Lucas 2009). Acht 50 × 25 cm (0,125 m²) grosse Holzbretter mit 8 cm langen Kunststoffborsten aus Nylon wurden nach der Mahd auf einer angesäten Futterfläche ausgelegt (Abb. 3). Der Grünlandbestand war durch einen hohen Kleeanteil an Trifolium pratense und Trifolium repens (50 % bzw. 7 % Bestandesanteile) gekennzeichnet. Während des Ernteprozesses entstehende Bröckelverluste sammelten sich zwischen den Borsten an und wurden nach der Ernte ausgewertet. Ein Teil der Erntefläche wurde konventionell mit einem Krei-

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p-Value (t-test)

Erträge dtTM/ha

Agrarforschung Schweiz 3 (3): 164–167, 2012

1,9

selzettwender Typ Krone KW6.62/4 (zwei Durchgänge) sowie einem Schwader Typ Krone Schwadro 38 bearbeitete. Der zweite Teil der Fläche wurde mit dem Schwadwender Typ Dion 6096 in drei Durchgängen bearbeitet. Parallel zu den Versuchen mit den künstlichen Stoppeln wurden die Verluste auch mit der Laubsaugermethode bestimmt. Beide Methoden zeigten, dass bei der kon-

Abb. 3 | Künstliche Stoppeln sind noch in der Erprobung. (Foto: ART)


Eine neue Methode zur Bestimmung von ­B röckelverlusten | Kurzbericht

ventionellen Bearbeitung höhere Verluste als beim Einsatz des Schwadwenders entstehen (Tab. 1). Zwischen den Messmethoden konnten keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden. Dies zeigt, dass beide Methoden zur Bestimmung der Bröckelverluste geeignet sind. Höhere Verluste führen zu Unterschieden im Ernteertrag. Unterstellt man, dass die Versuchsfläche einen homogenen Aufwuchs hatte, spiegeln sich die Ertragsunterschiede zwischen den Ernteverfahren im unterschiedlichen Verlustniveau wider. Der Ertragsunterschied zwischen der konventionell und der mit dem Schwadwender bearbeiteten Fläche betrug 1,6 dt TM/ha. Die Laubsaugermethode ermittelte Verlustunterschiede von 0,3 dt TM/ha zwischen den beiden Ernteverfahren. Mit den Ergebnissen der künstlichen Stoppeln können die tatsächlichen Ertragsunterschiede besser erklärt werden (1,9 dt TM/ha). Weiterführende Untersuchungen können die ersten Erfahrungen bestätigen. n

Literatur ▪▪ Ahmels H.-P., 1989. Intensives Aufbereiten (Reissen) von Halmgut, Auswirkungen auf Trocknungsverhalten und Qualität, Dissertation. ­F orschungsbericht Agrartechnik des Arbeitskreises Forschung und Lehre der May-Eyth-Gesellschaft (MEG) 155, Christian-Albrechts-Universität Kiel, Kiel, 160 S. ▪▪ Beckhoff J., Dernedde W., Honig H. & Schurig M., 1979. Einfluss neuer Mähaufbereiter auf Trocknung und Feldverluste bei der Gewinnung von Anwelksilage und Heu. Das wirtschaftseigene Futter 25 (1), 5–19. ▪▪ Bergmann F. & Höhn E., 1971. Beschleunigung des natürlichen Abtrocknungsprozesses von Rauhfutter durch Futteraufbereitung. Eidgenössische Forschungsanstalt für Betriebswirtschaft und Landtechnik (FAT), Blätter für Landtechnik 17, Tänikon, 3 S. ▪▪ Bergmann F., Bisang M. & Höhn E., 1972. Aktuelle Probleme der Rauhfutterernte. Eidgenössische Forschungsanstalt für Betriebswirtschaft und Landtechnik (FAT), Blätter für Landtechnik 33, Tänikon, 5 S. ▪▪ Frick R. & Rühlmann M., 1991. Witterung und Nutzung entscheiden über Erfolg. Eidgenössische Forschungsanstalt für Agrarwirtschaft und Landtechnik (FAT), FAT-Berichte 408, Tänikon, 11 S. ▪▪ Frick R. & Ammann H., 1999. Einsatz von Intensivaufbereitern in der Futterwerbung. Eidgenössische Forschungsanstalt für Agrarwirtschaft und Landtechnik (FAT), FAT-Berichte 532, Tänikon, 19 S.

▪▪ Frick R. & Ammann H., 2000. Futterwerbung mit dem Schwadwender. Eidgenössische Forschungsanstalt für Agrarwirtschaft und Landtechnik (FAT), FAT-Berichte 545, Tänikon, 12 S. ▪▪ Frick R., 2002. Gezogene Aufbereiter im Vergleich. Eidgenössische Forschungsanstalt für Agrarwirtschaft und Landtechnik (FAT), FAT-Berichte 584, Tänikon, 12 S. ▪▪ Höhn E., 1986. Feldverluste bei der Futterente. Eidgenössische Forschungsanstalt für Betriebswirtschaft und Landtechnik (FAT), ­FAT-Berichte 285, Tänikon, 7 S. ▪▪ Lucas L., 2009. Vergleich verschiedener Heuwendemaschinen hinsichtlich der Bröckelverluste. Bachelor, Universität Kassel, Kassel, 147 S. ▪▪ Manns C., 2007. Optimierung der Grünfutterbergung im ökologischen Landbau, Diplomarbeit. Universität Kassel, Kassel, 147 S. ▪▪ Manns C. & Hensel O., 2009. Bestimmung der Bröckelverluste bei der ­L uzernebergung unter Prüfstandbedingungen. Landtechnik 64 (5), 360–362. ▪▪ Sauter G. J., Kirchmeier H. & Neuhauser H., 2002. Ernte von Luzernenheu mittels Schwadwendeverfahren. Landtechnik 57 (4), 202 – 203. ▪▪ Sauter J., 2008. Verluste bei der Futterbergung – Vom Schwader bis zur Ballenpresse. In: Landtechnik im Alpenraum (Eds. Kaufmann R. & Hütl G.), 14.–15. Mai 2008, Feldkirch, Österreich, ART-Schriftenreihe 7, Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, Ettenhausen, 29–33.

Agrarforschung Schweiz 3 (3): 164–167, 2012

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K u r z b e r i c h t

Gemeinsam für den Boden Bruno Arnold1 und André Chassot 2 1 AGRIDEA, 8315 Lindau 2 AGRIDEA, 1006 Lausanne Auskünfte: Bruno Arnold, E-Mail: bruno.arnold@agridea.ch, Tel. +41 52 354 97 78

Das Bodenprofil fand beim Publikum grosse Beachtung und bot eine imposante Kulisse für interessante Führungen und angeregte Diskussionen rund um den Boden und seine ackerbauliche Nutzung. (Foto: Agridea)

«Pflanzenbau, der in die Tiefe geht» – unter diesem Motto präsentierte Agridea in Zusammenarbeit mit Agroscope, der Fachstelle Bodenschutz des Kantons Bern und der Firma Agroline an den Feldtagen vom 8. bis 10. Juni 2011 in Kölliken eine Sonderschau zum Thema Bodenfrucht-

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Agrarforschung Schweiz 3 (3): 168–170, 2012

barkeit. Diese vier Institutionen aus Forschung, Beratung, Vollzug und Praxis sind dem Boden verpflichtet. Aber wie gelingt es, das Fachpublikum für einen schonenden Umgang mit dem Boden zu sensibilisieren und von konkreten Massnahmen im Arbeitsalltag zu überzeugen?


Gemeinsam für den Boden | Kurzbericht

Der Boden ist das Kapital der Bauernfamilien – ihm gilt es Sorge zu tragen. Was nützen bestes Saatgut, gezielte Düngung und Pflanzenschutzmassnahmen, wenn die Produktionsgrundlage Boden in seiner Struktur geschädigt ist? Um den Boden vor Verschlämmung, Erosion, Verdichtung und Humusschwund zu schützen gilt: ­«Vorbeugen ist besser als heilen». Denn ist die Bodenstruktur einmal geschädigt, ist eine «Reparatur» oft langwierig und teuer. Steigender Druck auf den Boden Dass der Boden der zentrale Produktionsfaktor ist und dass mit dieser kostbaren Ressource nachhaltig umgegangen werden muss, wird in der Landwirtschaft niemand bestreiten. Trotz dieser weit verbreiteten Erkenntnis wirken die Trends in der Praxis in vielen Fällen gegen eine schonende Bewirtschaftung. Dem wirtschaftlichen Druck auf die Landwirtschaftsbetriebe wird mit einer Erhöhung der Schlagkraft begegnet. Dies führt zu immer grösseren und schwereren Landmaschinen, wodurch das Risiko von Strukturschäden steigt. Die Tendenz, Arbeiten an Dritte zu vergeben, führt dazu, dass die für Feldarbeiten verfügbare Zeit oft knapp ist. Durch ab­ nehmende Flexibilität geht die Möglichkeit verloren auf die ­Witterung Rücksicht zu nehmen. Feldeinsätze mit schweren Maschinen erfolgen vermehrt bei ungünstig hoher Bodenfeuchte. Folgen sind Schäden an der Bodenstruktur durch Verdichtung, Verknetung und Verschmierung. Die Trends zu Spezialisierung (z.B. im Feldge­müseund Kartoffelbau) und zu Arbeitsextensivierung (z.B. viehlose Ackerbaubetriebe) führen zu immer mehr Flächen mit engen Fruchtfolgen, intensiver Bodenbearbeitung oder einem Humusverlust infolge fehlender Hofdüngergaben. Solch spezialisierte Bewirtschaftung birgt die Gefahr einer Überbeanspruchung der Böden, beziehungsweise einem längerfristigen Verlust ihrer Fruchtbarkeit. Öffentlichkeitsarbeit im Bodenschutz Diese Entwicklungen sind zwar allgemein bekannt, trotzdem finden Themen wie Bodenschutz und Erhalt der Bodenfruchtbarkeit oft wenig Beachtung. Das kann daran liegen, dass die Prozesse im Boden komplex sind und langsam ablaufen und deshalb für private Initiativen wenig attraktiv sind. Das öffentliche Interesse an den Umweltleistungen, die ein intakter Boden erbringt, ist hingegen gross: Sicherung der Nahrungs- und Futtermittelproduktion, Filterung des Sickerwassers und Trinkwasserneubildung oder Überschwemmungsschutz durch hohe Wasseraufnahmefähigkeit und hohes Wasserrückhaltevermögen. Im Alleingang fehlen den Institutionen des Bundes und der Kantone oft die Ressourcen, oder sie

haben keinen entsprechenden Informationsauftrag, um die Bodenschutzanliegen einem breiten Publikum zu präsentieren. Feldtage mit nationaler Ausstrahlung Die Düngemittelfirma Agroline organisiert im dreijährigen Turnus die Feldtage, welche sich mittlerweile zum wichtigsten pflanzenbaulichen Event der Schweiz entwickelt haben. So haben dieses Jahr rund 6000 Personen die zahlreich vertretenen Organisationen und Firmen an der Ausstellung besucht. Herzstück der Feldtage sind die Sortenversuche der wichtigsten Ackerkulturen, die unter Praxisbedingungen angelegt wurden und in den Anbauintensitäten ÖLN und Extenso verglichen werden. Diese Anbauversuche sind Besuchermagnet für ein interessiertes Fachpublikum aus der ganzen Schweiz. Die Feldtage bieten dadurch eine ideale Plattform um Themen aus der landwirtschaftlichen Praxis anzugehen, denn die ambitionierten Landwirte und Lohnunternehmer, sogenannte «Opinion leader», sind anwesend. Beratung und Forschung bietet sich eine gute Gelegenheit, um von der Praxis wahrgenommen zu werden, wichtige Anliegen vorzustellen und mit engagierten Landwirtinnen und Landwirten ins Gespräch zu kommen. Sonderschau zur Bodenfruchtbarkeit Agridea, Agroscope, Fachstelle Bodenschutz Bern und Agroline setzten es sich zum Ziel, an den Feldtagen 2011 ihre gemeinsame Botschaft für den Boden zu verbreiten. Um mit einem ansprechenden Auftritt die Aufmerksamkeit der Besucherinnen und Besucher gewinnen zu können, wurde ein praxisnaher Demonstrationsversuch mit den Kulturen Mais, Eiweisserbsen, Kunstwiese und Gründüngung und den Mais-Anbauverfahren Pflug und Streifenfrässaat angelegt. Quer zu den Kulturstreifen wurde ein eindrückliches Bodenprofil von 20 Metern Länge, 3 Metern Breite und 1,5 Metern Tiefe ausgehoben (Abb. 1). Indem der Blick auf normalerweise Verborgenes freigegeben wurde, eröffnete sich dem Besucher eine faszinierende Perspektive in den Boden. Das Bodenprofil lud die Besucher ein, sich mit den Wechselwirkungen zwischen Boden, Pflanzen und Bewirtschaftungsmassnahmen auseinanderzusetzen. Es konnte der Aufbau des Bodens erkundet und die Durchwurzelung der angebauten Kulturen miteinander verglichen werden. Die vor dieser Kulisse abgehaltenen Führungen von Urs Zihlmann, Raphaël Charles (beide Agroscope) und Andreas Chervet (Fachstelle Bodenschutz Bern) deckten ein breites Themenfeld ab: Vom Aufbau und Funktionen des Bodens über Schutz vor Erosion und Verdichtung bis zur Förderung der Bodenfruchtbarkeit durch regelmässiges «Füttern» der  Bodenorganismen mit Zwischenbegrünung.

Agrarforschung Schweiz 3 (3): 168–170, 2012

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Kurzbericht | Gemeinsam für den Boden

Abb. 1 | Nach dem Aushub durch den Bagger folgte aufwändige Handarbeit: Urs Zihlmann und Andreas Chervet beim präparieren des ­B odenprofils. (Foto: Agridea)

Der Boden (Bodentyp: Parabraunerde) des FeldtagGeländes ist aus Schotterablagerungen der letzten Eiszeit (Würm) entstanden und hat ein geschätztes Alter von ca. 12 000 Jahren. Beim Öffnen der Grube erwies sich der Boden als überaus tiefgründig und im Untergrund sehr steinig. Urs Zihlmann erklärte, dass solch ein Boden zu den wertvollsten Ackerböden (Fruchtfolgeflächen) unseres Landes gehört und bis zu 200 Liter Wasser pro Quadratmeter pflanzenverfügbar speichern kann. So hatten die Pflanzen an diesem Standort auch nach dem trockenen Frühjahr 2011 nicht unter Wassermangel gelitten. Dies beeindruckte die Besucher, die nach den Erfahrungen in diesem Jahr allgemein sehr empfänglich für alle Tipps zum Thema Wasserkonservierung bei ackerbaulicher Nutzung waren. Die Führungen durch das Bodenprofil wurden durch zahlreiche Plakate zu verschiedenen Aspekten des Themas Boden (z.B. Humusbilanz) ergänzt. Anhand zweier Plakate mit Druckzwiebeln wurde die Belastung des Bodens unter (imaginären) Rädern von unterschiedlich schweren Landwirtschaftsfahrzeugen dargestellt. Andreas Chervet erläuterte dazu die Problematik hoher Achslasten und die Vorteile vom On-land im Vergleich zum herkömmlichen Pflug.

170

Agrarforschung Schweiz 3 (3): 168–170, 2012

Erfolgreiches Gemeinschaftsprojekt Als Bindeglied zwischen Forschung, Beratung, Gesetz und Vollzug tätig, machte es sich Agridea zur Aufgabe, gemeinsam mit den Partnern Agroscope, Fachstelle Bodenschutz des Kantons Bern und Agroline an den Feldtagen präsent zu sein und dem Boden eine Plattform zu bieten. Die ausgewählten Projektpartner setzen sich seit Jahren für den nachhaltigen Umgang mit der Ressource Boden ein. Die Agridea unterstützt sie dabei mit Publikationen, Kursen und pflegt Netzwerke wie z.B. die Plattformen «BeraterInnengruppe Düngung Umwelt» und «Couverts végétaux». Mit vereinten Kräften konnte mit der Sonderschau «Pflanzenbau, der in die Tiefe geht» ein wichtiger Beitrag zur Sensibilisierung der landwirtschaftlichen Praxis und darüber hinaus geleistet werden. Die Aktion ist ein Beispiel für eine erfolgreiche institutionsübergreifende Zusammenarbeit, die Ressourcen bündelt und dadurch n eine grössere Wirkung erzielt. Dank

Herzlicher Dank für die fruchtbare Zusammenarbeit und das grosse Engagement gebührt Agroline für die unkomplizierte Hilfe bei der Logistik, UFA Samen für die Bereitstellung des Saatgutes und dem Bundesamt für Umwelt für die finanzielle Unterstützung, welche die Realisation dieses Projekts erst ermöglichte.


P o r t r ä t

Achim Walter: das Pflanzenwachstum durchleuchten Vor einem Jahr trat Achim Walter die Nachfolge von Peter Stamp als Professor für Kulturpflanzenwissenschaften am Institut für Agrarwissenschaften der ETH Zürich an. Der Aufbau einer neuen Forschungsgruppe und die Übernahme zahlreicher Lehrveranstaltungen sind bis heute in vollem Gange. An der ETH Zürich zurechtge­ funden hat sich Walter schnell. Ein Stipendium brachte den Heidelberger Physikstudenten anfangs der 1990er für ein Jahr nach Zürich an das Departement für Umweltnaturwissenschaften, wo er sich für die Biologie zu begeistern begann. Nach den Diplomen in Physik und Biologie promovierte er 2001 mit einer Arbeit über die Erkundung von Blatt- und Wurzelwachstum mit bildverarbeitenden Methoden. Im Jahr 2002 begab sich Walter mit seiner jungen Familie in die Wüste von Arizona, USA, um in der künstlichen Umwelt des «Biosphere 2 Center» die Auswirkungen von Klimaveränderungen auf die Physiologie von Pflanzen zu untersuchen. Anschliessend übernahm Walter die Leitung einer Arbeitsgruppe am renommierten Forschungszentrum Jülich in Deutschland. Hier setzte er den Forschungsschwerpunkt auf die Weiterentwicklung optischer Methoden zur nichtinvasiven Analyse des Wachstums einzelner Blätter und Wurzeln in Echtzeit. Manche Pflanzen wachsen vor allem am frühen Morgen, andere am Abend, wieder andere scheinen keine bevorzugte Hauptwachstumszeit zu haben. Welche Vorteile es für die jeweiligen Pflanzen hat, zu unterschiedlichen Tageszeiten maximal zu wachsen, diesem Geheimnis will Achim Walter auch weiterhin auf den Grund gehen. Zunehmend verlagerten sich seine Interessen jedoch auf die Erforschung von Kulturpflanzen und auf die Relevanz seiner Erkenntnisse für die Agrarwissenschaften. Seit seiner Ankunft an der ETH Zürich lancierte der junge Professor daher verschiedene Projekte mit Mais, Kartoffeln, Buchweizen und anderen Pflanzen. Ziel seiner Gruppe ist es, durch Analysen im Labor und auf dem Feld zu verstehen, welche Mechanismen den Erfolg von Agrarsystemen beeinflussen. Mit Hilfe von konventionellen Techniken, vor allem aber mit selbst entwickelten Verfahren, die Röntgenaufnahmen, Thermographiebilder und weitere Techniken nutzen, wird der Phänotyp von Pflanzen in verschiedenen Szenarien analysiert. Die verbesserte Phänotypisierung wird der Züchtungsforschung und der Agronomie grosse Fortschritte ermöglichen. «Und so», ist Walter überzeugt, «können wir es schaffen, neue Technologien zu etablieren, die überall in der Welt einen Beitrag zur Ernährungssicherheit leisten».

Achim Walter: «Die verbesserte Phänotypisierung wird der Züchtungsforschung und der Agronomie grosse Fortschritte ­ermöglichen». (Foto: Susi Lindig)

Als Studiendelegierter des Studienganges Agrarwissenschaft liegt Achim Walter die Lehre besonders am Herzen. Er weiss, echte Innovation basiert auf einem soliden Fundament. Nur wer die Grundlagen seines Fachs beherrscht, kann es wirklich voran bringen. Die Zusammenarbeit mit den Umweltnaturwissenschaften innerhalb des neuen Departements Umweltsystemwissenschaften (D-USYS) versteht er als Chance. «Die kürzeren Wege zwischen Umwelt- und Agrarwissenschaften werden dazu beitragen, von beiden Forschungsrichtungen das Beste zusammenzuführen und tragfähige Agrarsysteme zu etablieren». Jörg Beck, Departement für Umweltsystemwissenschaften, ETH Zürich

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A k t u e l l

Aktuell Maiswurzelbohrer ist in Europa die ­grösste Herausforderung In Freiburg i. Br. tauschten sich Expertinnen und Experten aus aller Welt über Schädlingsprobleme im Maisanbau aus.1 Die Bekämpfung des westlichen Maiswurzelbohrers ist in Europa die grösste Herausforderung. Der aus den USA eingeschleppte Käfer breitet sich rasch aus. In der Schweiz ist der Wurzelschädling seit dem Jahr 2000 im Tessin ansässig. Nördlich der Alpen konnte sich wegen strengen Fruchtfolgevorschriften bis jetzt keine Population in der Schweiz etablieren. In den letzten Jahren vermehrten sich die Käfer jedoch in Bayern, BadenWürttemberg und im Elsass. Somit steht der Schädling kurz vor den Toren des Schweizer Mittellandes, dem Hauptmaisanbaugebiet der Schweiz. Diskutierte Pflan-

zenschutzmassnahmen umfassen neben der Fruchtfolge auch Bodeninsektizide und die Saatgutbeizung mit Insektiziden. Grosse Hoffnung wird auf die Entwicklung eines biologischen Produkts mit Nematoden gesetzt. Gentechnisch veränderter Bt-Mais, der ein spezifisch gegen den Käfer wirkendes Eiweiss produziert, wird in den USA erfolgreich auf grossen Flächen angebaut. Er ist in Europa aber nicht zum Anbau zugelassen. 24th Conference of the IOBC International Working Group on Ostrinia and other maize pests (www.iwgo.org)

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Michael Meissle, Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART

Neue Publikationen

Weideempfehlungen für Bio-Milchvieh­ betriebe

ALP aktuell

Weideempfehlungen für Bio-Milchviehbetriebe Merkblatt für die Praxis

Nr. 43 | 2012

Autor

Impressum Herausgeber: Agroscope Liebefeld-Posieux ALP-Haras www.agroscope.ch Redaktion: Gerhard Mangold, ALP Gestaltung: RMG Design, Fribourg Druck: Tanner Druck AG, Langnau im Emmental Copyright: Nachdruck, auch auszugsweise, bei Quellenangabe und Zustellung eines Belegexemplars an die Herausgeberin gestattet. ISSN 1660-7570

alp actuel 43_all.indd 1

Gabriela Brändle, ART

Fredy Schori Agroscope Liebefeld-Posieux ALP-Haras Tioleyre 4 CH-1725 Posieux fredy.schori@alp.admin.ch

Im RAUS-Programm, das für Bio-Milchbetriebe obligatorisch ist, wird während der Vegetationsperiode an 26 Tagen pro Monat Auslauf auf einer Weide gefordert. Im Grasland Schweiz ist dies kein Problem, da genügend Wiesen- bzw. Weideflächen vorhanden sind und wegen günstiger klimatischer Bedingungen reichlich Gras wächst. Die Milchproduktion auf Weidebasis ist auch sinnvoll, da die Kuh als Wiederkäuer das Gras effizient verwerten kann und somit nicht in direkter Nahrungskonkurrenz zum Menschen steht. Weiter bieten weidebetonte Produktionssysteme ökonomische Vorteile und sind nachhaltig. Nur bei guter Weideführung ist Gras reich an Nährstoffen und nur bei effizienter Nutzung ein preiswertes Futtermittel. In der Regel nehmen auch die Umweltbelastungen pro Produktionseinheit bei optimaler Nutzung ab. Bezüglich Weideführung gibt es noch sehr

viel Verbesserungspotenzial. Dieses Merkblatt soll aufzeigen, wie die Weidenutzung effizienter gestaltet werden kann. Die Empfehlungen stützen sich auf mehrjährige Untersuchungen auf dem Biobetrieb „Ferme de l’Abbaye“ in Sorens und können sowohl bei Biobetrieben als auch bei konventionellen Betrieben mit weidebetonten Milchproduktionssystemen zur effizienteren Weidenutzung umgesetzt werden. Folgende Themen stehen dabei im Vordergrund: • Graswachstum und Weideflächenbedarf • Grasqualität und Mineralstoffergänzung • Futteraufnahme auf der Weide • Bestandeshöhe als Führungsinstrument

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ALP aktuell 43 Im RAUS-Programm, das für Bio-Milchbetriebe obligatorisch ist, wird während der Vegetationsperiode an 26 Tagen pro Monat Auslauf auf einer Weide gefordert. Im Grasland Schweiz ist dies kein Problem, da genügend Wiesen- bzw. Weideflächen vorhanden sind und wegen günstiger klimatischer Bedingungen reichlich Gras wächst. Die Milchproduktion auf Weidebasis ist auch sinnvoll, da die Kuh als Wiederkäuer das Gras effizient verwerten kann und somit nicht in direkter Nahrungs-

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konkurrenz zum Menschen steht. Weiter bieten weidebetonte Produktionssysteme ökonomische Vorteile und sind nachhaltig. Nur bei guter Weideführung ist Gras reich an Nährstoffen und nur bei effizienter Nutzung ein preiswertes Futtermittel. In der Regel nehmen auch die Umweltbelastungen pro Produktionseinheit bei optimaler Nutzung ab. Bezüglich Weideführung gibt es noch sehr viel Verbesserungspotenzial. Dieses Merkblatt soll aufzeigen, wie die Weidenutzung effizienter gestaltet werden kann. Die Empfehlungen stützen sich auf mehrjährige Untersuchungen auf dem Biobetrieb «Ferme de l’Abbaye» in Sorens und können sowohl bei Biobetrieben als auch bei konventionellen Betrieben mit weidebetonten Milchproduktionssystemen zur effizienteren Weidenutzung umgesetzt werden. Folgende Themen stehen dabei im Vordergrund: ••Graswachstum und Weideflächenbedarf ••Grasqualität und Mineralstoffergänzung ••Futteraufnahme auf der Weide ••Bestandeshöhe als Führungsinstrument Fredy Schori, Agroscope Liebefeld-Posieux ALP-Haras


A k t u e l l

ART-Bericht 749

Milchproduktion auf Berg- und Hügelbetrieben in der Schweiz und Österreich Ein Kostenvergleich

Oktober 2011

Autorinnen und Autoren Christian Gazzarin, Raphaela Brand, Gregor Albisser, Nicole Wettstein, Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, Tänikon 1, CH-8356 Ettenhausen; Leopold Kirner, Bundesanstalt für Agrarwirtschaft, Marxergasse 2, A-1030 Wien, E-Mail: Christian. Gazzarin@art.admin.ch Impressum Herausgeber: Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Tänikon, CH-8356 Ettenhausen, Redaktion: Etel Keller, ART Die ART-Berichte/Rapports ART erscheinen in rund 20 Nummern pro Jahr. Jahresabonnement Fr. 60.–. Bestellung von Abonnements und Einzelnummern: ART, Bibliothek, 8356 Ettenhausen T +41 (0)52 368 31 31 F +41 (0)52 365 11 90 doku@art.admin.ch Downloads: www.agroscope.ch ISSN 1661-7568

Schweizer Bergbetriebe produzieren graslandbasierte Milch in einem hohen Kostenumfeld, was zu einem grossen Teil die hohen Kostendifferenzen erklärt. Ein beachtlicher Teil der Schweizer Milch wird in Form von Käse in die EU exportiert. Während sich die Milchpreise zunehmend an das EU-Niveau annähern, bleiben die Kosten unverändert hoch. Im Rahmen einer möglichen Handelsliberalisierung mit der EU interessiert aus Schweizer Sicht deshalb die Wirtschaftlichkeit von Milchviehbetrieben in der Berg- und Hügelregion unter EU-Bedingungen. Österreich ist ein EU-Land mit weitgehend vergleichbaren Strukturen und ähnlichen natürlichen Bedingungen wie die Schweiz. Aus verschiedenen Datenquellen (International Farm Comparison Network, Fallstudien) werden die Produktionskosten der beiden Länder verglichen. Die Vergleichsgruppen repräsentieren die österreichische Milchproduktion angesichts der regi-

onalen Auswahl oder des eher überdurchschnittlichen Betriebsmanagements nur bedingt. Doch auch unter Korrektur dieser Effekte, lässt sich feststellen, dass österreichische Betriebe deutlich günstiger produzieren. Je nach Vergleichsgruppe produzieren die Betriebe in Österreich ein Kilogramm Milch zu 30 bis 45 Prozent tieferen Fremdkosten als die entsprechenden Schweizer Betriebe. Der Milchpreis-Unterschied zur Schweiz liegt bei diesem Vergleich noch bei rund 9 Rappen (2010). Neben dem hohen Preisniveau in der Schweiz, das sich bei den Löhnen, beim Land, beim Kraftfutter und bei weiteren Produktionsmitteln auswirkt, ist auch der hohe Arbeitszeitaufwand für die Differenz verantwortlich. Zusätzlich weisen die Schweizer Betriebe höhere Maschinen-

Milchproduktion auf Berg- und Hügelbetrieben in der Schweiz und Österreich ART-Bericht 749 Ein beachtlicher Teil der Schweizer Milch wird in Form von Käse in die EU exportiert. Während sich die Milchpreise zunehmend an das EU-Niveau annähern, bleiben die Kosten unverändert hoch. Im Rahmen einer möglichen Handelsliberalisierung mit der EU interessiert aus Schweizer Sicht deshalb die Wirtschaftlichkeit von Milchviehbetrieben in der Berg- und Hügelregion unter EU-Bedingungen. Österreich ist ein EU-Land mit weitgehend vergleichbaren Strukturen und ähnlichen natürlichen Bedingungen wie die Schweiz. Aus verschiedenen Datenquellen (International Farm Comparison Network, Fallstudien) werden die Produktionskosten der beiden Länder verglichen. Die Vergleichsgruppen repräsentieren die österreichische Milchproduktion angesichts der regionalen Auswahl oder des eher überdurchschnittlichen Betriebsmanagements nur bedingt. Doch auch unter Korrektur dieser Effekte, lässt sich feststellen, dass österreichische Betriebe deutlich günstiger produzieren. Je nach Vergleichsgruppe produzieren die Betriebe in Österreich ein Kilogramm Milch zu 30 bis 45 Prozent tieferen Fremdkosten als die entsprechenden Schweizer Betriebe. Der Milchpreis-Unterschied zur Schweiz liegt bei diesem Vergleich noch bei rund 9 Rappen (2010). Neben dem hohen Preisniveau in der Schweiz, das sich bei den Löhnen, beim Land, beim Kraftfutter und bei weiteren Produktionsmitteln auswirkt, ist auch der hohe Arbeitszeitaufwand für die Differenz verantwortlich. Zusätzlich weisen die Schweizer Betriebe höhere Maschinen- und Gebäudekosten auf. Diese Strukturkosten werden auch wesentlich vom Management der Betriebsleitung bestimmt. Ein Einsparungspotenzial wäre insofern gegeben, als die Einsatzmengen der direkten Produktionsmittel sowie von Arbeit, Maschinen und Gebäuden auf das Notwendigste beschränkt werden. Dies spricht für eine Minimierung der konservierten Futtermengen, ein verbessertes Arbeitsmanagement und eine maximal mögliche Auslastung der vorhandenen Kapazitäten (Gebäude, Maschinen). Andernfalls können die Kosten nur gesenkt werden, wenn die Produktionsmengen je Betrieb deutlich gesteigert werden. Christian Gazzarin, Raphaela Brand, Gregor Albisser, Nicole Wettstein, Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART

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Aktuell

Medienmitteilungen

www.agroscope.admin.ch/medienmitteilungen www.agroscope.admin.ch/medienmitteilungen 23.02.2012 Traubenreife zerstörungsfrei messen Ein Winzer schaut sich im Rebberg die Trauben an und erkennt ohne aufwändige Analysen, wie reif sie sind. Ist so etwas möglich? In den letzten Jahren sind neue optische Messgeräte auf den Markt gekommen, welche den Reifegrad von Weintrauben im Rebberg prüfen können. Agroscope hat die Geräte getestet und stellt die ersten Ergebnisse vor.

13.02.2012 Trendwende in den Resultaten der Futtermittel­ kontrolle Die Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALPHaras hat den Auftrag, alle in der Schweiz in den Handel gebrachten Futtermittel für Nutz- und Heimtiere zu kontrollieren. Damit stellt sie die erste Kontrollinstanz entlang der Lebensmittelkette dar. Im vergangenen Jahr

AGrAr ForSchUNG Schweiz recherche AGroNomiqUe SUiSSe

wurden 1411 Proben erhoben und analysiert. Bei den Futtermitteln für Nutztiere gab es im Vergleich zum Vorjahr weniger Beanstandungen und auch beim Petfood hat sich die Situation weiter verbessert.

09.02.2012 Trotz Kälte: Schädlinge sterben nicht aus Klirrende Kälte hatte die Schweiz im Februar fest im Griff. Sterben deshalb die meisten Pflanzen-Schädlinge? Sind unsere Früchte und Gemüse somit im kommenden Frühjahr sicher vor gefrässigen Raupen und Maden? Die Antwort der Insektenspezialisten von Agroscope ist: Nein. Einheimische Insekten – auch die Schädlinge unter ihnen – sind gut an den Frost angepasst. Entscheidend für eine starke Vermehrung sind die Bedingungen nach der Winterruhe.

Aktuelle Forschungsergebnisse für Beratung und Praxis: Agrarforschung Schweiz publiziert 10-mal im Jahr Forschungsergebnisse über Pflanzenbau, Nutztiere, Agrarwirtschaft, Landtechnik, Lebensmittel, Umwelt und Gesellschaft. Agrarforschung ist auch online verfügbar unter: www.agrarforschungschweiz.ch Bestellen Sie jetzt Ihre Gratisausgabe! Name/Firma

Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse ist die zeitschrift der landwirtschaftlichen Forschung von Agroscope und ihren Partnern. Partner der zeitschrift sind das Bundesamt für Landwirtschaft, die hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaft hAFL, die Beratungszentralen AGriDeA, die eidgenössische Technische hochschule eTh zürich, Departement für Umweltsystemwissenschaften und Agroscope, die gleichzeitig herausgeberin der zeitschrift ist. Die zeitschrift erscheint in Deutsch und Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus Forschung, industrie, Lehre, Beratung und Politik, an kantonale und eidgenössische Ämter und an weitere Fachinteressierte.

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Vorname Strasse/Nr PLZ/Ort Beruf E-Mail Datum Unterschrift Talon einsenden an: redaktion Agrarforschung Schweiz, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP-haras, Postfach 64, 1725 Posieux Tel. +41 26 407 72 21, Fax +41 26 407 73 00 e-mail: info@agrarforschungschweiz.ch | www.agrarforschungschweiz.ch

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Aktuell

Internetlinks

Veranstaltungen

Wildpflanzen-Infostelle www.wildpflanzen.ch Die Wildpflanzen-Infostelle will das Wissen über einheimische und regional angepasste Wildpflanzen fördern und zu deren Einsatz anregen. Die Datenbank enthält eine Fülle von Informationen über Wildpflanzen. Die Informationen stehen auf der Website gratis zur Verfügung.

März 2012 13. – 14.03.2012 18. Arbeitswissenschaftliches Kolloquium Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Tänikon 16.03.2012 20 Jahre Integrierte Produktion im Ackerbau Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Reckenholz, Zürich 23.03.2012 Jahrestagung der SGPW Schweizerische Gesellschaft für ­Pflanzenwissenschaften Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Reckenholz, Zürich

Vor schau April 2012 / Heft 4 Der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen muss laut Gentechnikgesetz in der Schweiz von einem Umweltmonitoring begleitet werden. Dieses trägt dazu bei, mögliche negative Auswirkungen auf die Umwelt frühzeitig zu erkennen und allfällige Massnahmen zu ergreifen. Agroscope analysiert die Schwierigkeiten des Umweltmonitorings und diskutiert eventuelle Massnahmen. (Foto: Gabriela Brändle, ART)

••Herausforderungen beim Umweltmonitoring von gentechnisch veränderten Pflanzen, Olivier Sanvido et al., ART ••Alpwirtschaft in der Schweiz: Befragungen zu Situation und Wahl der Sömmerungsbetriebe, Stefanie von Felten et al., WSL und ART ••Heimfutterfläche – Schlüsselparameter der Sömmerungsnachfrage, Markus Fischer et al., WSL und ART ••Chromosomenstudien und andere Erhebungen an Equidenkreuzungen, Gerald Stranzinger et al., ETH Zürich ••Die Bedeutung von Ästhetik bei der Umstellung auf Direktsaat, Flurina Schneider und Stephan Rist, Universität Bern

29.03.2012 AGFF-Generalversammlung/Frühlingstagung Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Landwirtschaftliches Zentrum Liebegg, Gränichen April 2012 13.04.2012 7. NATUR Kongress 2012 Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Congress Center, Basel 19.04.2012 Siebte Jahrestagung Netzwerk Pferdeforschung Schweiz Schweizerisches Nationalgestüt SNG Avenches 27.04. – 06.05.2012 BEA PFERD 2012 Schweizerisches Nationalgestüt SNG Bern Mai 2012 09. – 10.05.2012 Landtechnik im Alpenraum Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Feldkrich, Oesterreich

••Motivation für die Umsetzung von Ökoausgleichsmassnahmen, Ingrid Jahrl et al., FiBL ••Ein Qualitätsschema für Dinkel, Geert Kleijer et al. ACW

Informationen: Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen

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Freitag, 23. März 2012, 10.15 –16.00 Uhr

Energieeffiziente Pflanzenproduktion

Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Pflanzenbauwissenschaften SGPW

Hauptreferate • Energiebilanzen im Pflanzenbau Thomas Nemecek, Agroscope ART • Verbesserung der Energieeffizienz von Landwirt schaftsbetrieben Werner Schmid, Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft LEL, Schwäbisch-Gmünd, DE • Approches pour une économie d'énergie en cultures sous serres Céline Gilli, Agroscope ACW Posterausstellung

Kurzreferate zu diesen Themen (Referate in Deutsch) Biologische Stickstofffixierung, energieeffiziente Agrartechnik, Energiesituation im Kontext der gesamtbetrieblichen Nachhaltigkeit (RISE), Nachhaltigkeit Schweizer Zuckergewinnung, Schweizer Pflanzenbau im Kontext globaler Energieverknappung, AgroCleanTech Plattform Informationen – Gespräche – Geselligkeit Treffen der Schweizer Pflanzenbaufachleute Anmeldung bis 15.3.2012 auf http://sgpw.scnatweb.ch oder an der Tageskasse

inserat_a5_tagung_sgpw.indd 1

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harasnational.ch

7ème réunion annuelle du Réseau de recherche équine en Suisse 19 avril 2012 9 h - 17 h, Théâtre du Château, Avenches -

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Journée ouverte à tout public avec exposés et posters Echange et transmission d’un savoir scientifique aux détenteurs, cavaliers, meneurs et éleveurs Thèmes: Prévention et maladies ; Elevage et génétique ; Bien-être et détention ; Définition des besoins Prix (y. c. les repas): Participants CHF 120.- (€ 100.-) Participants au cycle Equigarde® CHF 100.- (€ 85.-) Etudiants et doctorants CHF 40.- (€ 35.-) Inscription* obligatoire Schweizerische Eidgenossenschaft Confédération suisse Confederazione Svizzera Confederaziun svizra

Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement EVD Département fédéral de l'économie DFE Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP -Haras Station de recherche Agroscope Liebefeld-Posieux ALP-Haras

Siebte Jahrestagung Netzwerk Pferdeforschung Schweiz 19. April 2012 9 - 17 Uhr, Théâtre du Château, Avenches - Öffentliche Tagung mit Vorträgen und Ausstellung - Wissenschaftlicher Austausch und Wissenstransfer zu den Haltern, Reitern, Fahrern und Züchtern - Themen: Prävention und Krankheiten; Zucht und Genetik; Wohlbefinden und Haltung; Definition der Bedürfnisse - Tagungsgebühren (inkl. Verpflegung): Teilnehmer CHF 120.- (€ 100.-) CHF 100.- (€ 85.-) Equigarde®-Teilnehmer Studenten und Doktoranden CHF 40.- (€ 35.-) - Anmeldung* obligatorisch *Anmeldungen und Infos: / * Inscriptions et renseignements : Tel. 026 676 63 00 Fax: 026 676 63 04 sabine.begert@haras.admin.ch


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