Agrarforschung Schweiz, Heft 5, Mai 2015

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AGRAR FORSCHUNG SCHWEIZ 2 0 1 5

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H e f t

5

Agroscope | BLW | HAFL | AGRIDEA | ETH Zürich | FiBL

M a i

Umwelt

Resultat-orientierter Ansatz zur Biodiversitätsförderung: Akzeptanz im Berggebiet Seite 188

Agrarwirtschaft

Einfluss des Wechselkurses auf die Schweizer Agrar- und Nahrungsmittel­exporte Seite 196

Kurzbericht

Internationaler Kongress zur Fortpflanzung von Mensch und Tier Seite 224


Inhalt Mai 2015 | Heft 5 Die Biodiversität in den Schweizer Berggebieten stellt in vielerlei Hinsicht eine wichtige Ressource dar. Forschende der ETH Zürich und des FiBL befragten Berglandwirte zu den Massnahmen- bzw. ­Resultat-orientierten Unterstützungsbeiträgen des B ­ undes zur Biodiversitäts­förderung. (Foto: Gabriela Brändle, ­Agroscope)

187 Editorial Umwelt Resultat-orientierter Ansatz zur Biodiver188

sitätsförderung: Akzeptanz im Berggebiet Sophia Rudin, Otto Schmid und Florian Knaus

Impressum Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse ist die Zeitschrift der ­landwirtschaftlichen Forschung von Agroscope und ihren Partnern. Die Zeitschrift erscheint auf Deutsch und Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus Forschung, Industrie, Lehre, Beratung und Politik, an kantonale und eidgenös­sische Ämter und weitere Fachinteressierte. Herausgeberin Agroscope Partner b Agroscope (Institut für Pflanzenbauwissenschaften IPB; Institut für Nutztierwissen­schaften INT; Institut für Lebensmittelwissenschaften ILM; Institut für Nachhaltigkeits­wissenschaften INH), www.agroscope.ch b Bundesamt für Landwirtschaft BLW, Bern, www.blw.ch b Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL, Z­ ollikofen, www.hafl.ch b Beratungszentrale AGRIDEA, Lindau und Lausanne, www.agridea.ch b Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich, Departement für Umweltsystemwissenschaften, www.usys.ethz.ch b Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL, www.fibl.org Redaktion Leitung und deutsche Redaktion Andrea Leuenberger-Minger, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Agroscope, Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 58 466 72 21, Fax +41 58 466 73 00 Französische Redaktion Sibylle Willi, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Agroscope, Postfach 1012, 1260 Nyon 1, Tel. +41 58 460 41 57 Stellvertretung Judith Auer, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Agroscope, Postfach 1012, 1260 Nyon 1, Tel. +41 58 460 41 82 E-Mail: info@agrarforschungschweiz.ch Redaktionsteam Vorsitz: Jean-Philippe Mayor (Leiter Corporate Communication Agroscope), Evelyne Fasnacht, Erika Meili und Sibylle Willi (Agroscope), Karin Bovigny-Ackermann (BLW), Beat Huber-Eicher (HAFL), Esther Weiss (AGRIDEA), ­Brigitte Dorn (ETH Zürich), Thomas Alföldi (FiBL). Abonnement Preise Zeitschrift: CHF 61.–* (Ausland + CHF 20.– Portokosten), inkl. MWSt. und Versandkosten, Online/App: CHF 61.–* * reduzierter Tarif, siehe: www.agrarforschungschweiz.ch Adresse Nicole Boschung, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Agroscope, Postfach 64, 1725 Posieux E-Mail: info@agrarforschungschweiz.ch, Fax +41 58 466 73 00 Adressänderungen E-Mail: verkauf.zivil@bbl.admin.ch, Fax +41 31 325 50 58 Internet www.agrarforschungschweiz.ch www.rechercheagronomiquesuisse.ch ISSN infos ISSN 1663-7852 (Print) ISSN 1663-7909 (Internet) Schlüsseltitel: Agrarforschung Schweiz Abgekürzter Schlüsseltitel: Agrarforsch. Schweiz © Copyright Agroscope. Nachdruck von Artikeln gestattet, bei Quellenangabe und Zustellung eines Belegexemplars an die Redaktion. Erfasst in: Web of Science, CAB Abstracts, AGRIS

Agrarwirtschaft Wie stark beeinflusst der Wechselkurs die 196

Schweizer Agrar- und Nahrungsmittel­ exporte? Andreas Kohler und Ali Ferjani Agrarwirtschaft Klassen oder Labels? 202

Rindfleischpreise und ­Qualität Stefan Mann und Daniel Erdin Pflanzenbau Ramularia collo-cygni – ein neuer 210

­Schadpilz der Gerste Peter Frei und Katia Gindro Gesellschaft Das landwirtschaftliche Wissenssystem 218

in der Schweiz neu gestalten Robert Obrist, Heidrun Moschitz und Robert Home Kurzbericht Vom Labor in die Praxis: Internationaler 224

Kongress zur Fortpflanzung von Mensch und Tier David Kradolfer, Martin Kaske und Susanne E. Ulbrich Kurzbericht Mikrobiologische und chemische 228

­Lebensmittelsicherheit Marc Mühlemann 231 Aktuell 232 Interview 235 Veranstaltungen Sortenliste Liste der empfohlenen Winterrapssorten Beilage

für die Ernte 2016 Alice Baux, Carolin Luginbühl und Yves Grosjean


Editorial

Genetische Vielfalt und Effizienz in der Züchtung Liebe Leserin, lieber Leser

Jean-Philippe Mayor und Arnold Schori, Agroscope

Die Diversifizierung des Weizens geht auf das Neolithikum zurück und damit auf die Anfänge der Landwirtschaft. Die Entwicklung der heutigen Weizensorten begann im «Fruchtbaren Halbmond» durch die spontane Kreuzung von drei wilden Gräsern. Die innovativen Fähigkeiten der Landwirte, die Migrationen der Menschen wie auch der Austausch von Saatgut haben schliesslich zur Entwicklung und Verwendung der nützlichsten Mutationen beigetragen und zur grossen Vielfalt der Sorten und Kulturen geführt, weit über die Herkunftsregion hinaus. Die genetische Vielfalt der Kulturpflanzen bildet die Grundlage für jeden Fortschritt in der Pflanzenzüchtung. Von Interesse sind dabei vor allem die Gene (und nicht die Sorten), denn diese können durch Kreuzung kombiniert werden. Im Zusammenhang mit dem Erhalt des genetischen Erbes spricht man daher von Genbanken und nicht von Sortensammlungen. Internationale Zusammenarbeit In der Sortenzüchtung werden die Gene gesucht, die den Zuchtzielen am nächsten sind. Zu diesem Zweck findet ein weltweiter Austausch von Kreuzungseltern statt. Dieser globale Austausch wird derzeit in Frage gestellt durch neue Sortenschutzsysteme, durch die Konzentration der Züchtung bei einigen wenigen Hauptakteuren und teilweise auch durch das Nagoya-Protokoll. Das Protokoll betrachtetet die genetischen Ressourcen als «nationales Erbe» und nicht mehr als «gemeinsames Erbe der Menschheit» mit möglichen negativen Konsequenzen bei der Kommerzialisierung des lebenden Materials. Die rasante Entwicklung der Gentechnik, die heute dem Patenzschutz unterstellt ist, verbietet die Verwendung einer zunehmenden Anzahl von modernen Sorten in der Züchtung. So können beim Soja für die Kreuzung praktisch keine neuen Sorten aus Nordamerika eingesetzt werden wegen der Patente und der unterschiedlichen Gesetzgebungen betreffend Anbau von gentechnisch veränderten Organismen. Die Züchter von Agroscope verfügen über ein breites internationales Netzwerk von öffentlich-rechtlichen und privaten Akteuren der Sortenveredlung für die Zusammenarbeit und den Austausch von genetischem Material. Dieses Netzwerk wurde teilweise über Jahrzehnte aufgebaut. So haben 57 % der Winterweizen und 100% der Sojasorten von Agroscope mindestens einen ausländischen Vorfahren. Dieser Austausch stellt für alle Beteiligten eine Win-win-Situation dar und ist für den genetischen Fortschritt und die Bewältigung der zukünftigen Herausforderungen wie die Anpassung an neue Krankheiten, der Klimawandel oder die ökologische Intensivierung unabdingbar. Im Bereich des Sommerweizens wird noch in diesem Jahr eine Zusammenarbeit zwischen Agroscope, der Deutschen Saatveredelung AG und Delley Semences et Plantes SA beginnen. Diese umfasst ein gemeinsames Kreuzungsprogramm, die gemeinsame Nutzung des verfügbaren genetischen Materials, der Züchtungsstandorte und -infrastrukturen wie auch der bestehenden Kompetenzen im Bereich Sommerweizen. Die Zusammenarbeit ermöglicht die Züchtung von Sorten mit Miteigentum, die Stärkung und bessere Effizienz der Programme und verbessert dadurch den Zugang zu den neuen Märkten. Unsere Mission, prioritär die Bedürfnisse der Schweiz zu erfüllen, und unsere langfristigen Ziele (Robustheit und Resistenzen, Qualität und Ertrag) werden dabei unterstützt und unser Beitrag zur weltweiten Züchtung weiter erhöht.

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U m w e l t

Resultat-orientierter Ansatz zur Biodiversitätsförderung: Akzeptanz im Berggebiet Sophia Rudin1, Otto Schmid2 und Florian Knaus1 Ecosystem Management, Departement Umweltsystemwissenschaften, ETH Zürich, 8092 Zürich, Schweiz 2 Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL, 5070 Frick, Schweiz Auskünfte: Sophia Rudin, E-Mail: sophia.rudin@gmail.com

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Resultat-orientierte Biodiversitätsmassnahmen in der Umsetzung: extensive Bergwiese unter Ökoqualität 2 für definierte Ziel- und Leitarten, umgeben von einheimischem Dornengehölz, Einzelbäumen und abgestuftem Waldrand als ökologische Vernetzungselemente. (Foto: Florian Knaus)

Einleitung Die Biodiversität in den Schweizer Berggebieten stellt in vielerlei Hinsicht eine wichtige Ressource dar, denn die Berggebiete enthalten als einmaliger Biodiversitäts-Hotspot einen reichhaltigen Genpool, eine vielfältige Fauna und Flora und bilden unterschiedlichste Lebensräume aus (Klaus 2013). Die Biodiversität im Berggebiet ist zurzeit einerseits durch die Intensivierung der Gunstlagen und anderseits durch die Aufgabe der Nutzung von Grenzertragslagen bedroht (Peter et al. 2009; Dietschi et al. 2007; MacDonald et al. 2000; Tasser et al. 2002).

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Um dem Verlust der Biodiversität im Schweizer Landwirtschaftsgebiet entgegenzuwirken, zahlt der Bund Biodiversitätsbeiträge mit einem Massnahmen-orientierten (MOA) und einem Resultat-orientierten Ansatz (ROA) (Bundesrat, 2014). Beim MOA erhalten Landwirtinnen und Landwirte Direktzahlungen, wenn sie genau festgelegte Bewirtschaftungsmassnahmen umsetzen (Burton et al. 2013). Die ungenügende ökologische Zielerreichung des MOA hat zur zusätzlichen Einführung des ROA geführt, in der Schweiz im Rahmen der Ökoqualitätsverordnung (Lachat et al. 2010; Mann 2010).


Beim ROA erhalten Bäuerinnen und Bauern Biodiversitätszahlungen, wenn sie ökologische Resultate, etwa das Vorkommen bestimmter Zielarten, erreichen (Burton et al. 2013). Welche Massnahmen die Landwirte für das Erreichen eines gewünschten ökologischen Resultats treffen, entscheiden sie selbst. Weil bestimmte Ziel- und Leitarten gezielt gefördert werden, können mit diesem Ansatz ökologische Resultate für die Biodiversität effizienter und effektiver erzielt werden als mit dem MOA (Sabatier et al. 2012). Zur erfolgreichen Umsetzung von Resultat-orientierten Massnahmen braucht es ein grosses Engagement der Schweizer Bergbäuerinnen und Bergbauern. Dieses Engagement kann sich nur entwickeln, wenn die Akzeptanz für den ROA vorhanden ist. Die Akzeptanz der Schweizer Berglandwirte für den ROA ist jedoch unbekannt, weil empirische Untersuchungen fehlen. Die vorliegende Arbeit soll diese Lücke schliessen und untersucht die Akzeptanz des ROA unter Schweizer Berglandwirten im Vergleich zum MOA sowie Gründe und Faktoren, welche die Bereitschaft für Resultat-­ orientierte Biodiversitätsförderung beeinflussen. Weiter fasst die Arbeit die aus Sicht der Berglandwirte für eine verstärkte Förderung von Biodiversität notwendigen Rahmenbedingungen zusammen. Dazu gehören Faktoren wie Beratung und Bildung zur Ökologie sowie Aspekte der Landwirtschaftspolitik.

Material und Methoden Zur Beantwortung der eingangs gestellten Fragen wurde ein achtseitiger Fragebogen auf Deutsch ausgearbeitet. Er enthielt Fragen über soziodemographische und be-triebliche Charakteristika, das bisherige Engagement der Berglandwirte für Biodiversitätsförderung, die Akzeptanz des ROA, die Bereitschaft, sich in Zukunft für Resultat-orientierte Biodiversitätsförderung einzusetzen, so-wie die gewünschte Unterstützung für die Umsetzung der Biodiversitätsförderung. Die Produktionsintensität wurde über den Tierbesatz und die Schnitthäufigkeit von Wiesen erfasst. Das bisherige Engagement für Bio­diversitätsförderung wurde anhand des Anteils von BFF verschiedener Qualitäts­ stufen im Vergleich zur gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche erfragt. Die Bereitschaft für Resultat-­ orientierte Biodiversitätsförderung wurde über Fragen zu konkreten Resultat-orientierten Biodiversitäts­ fördermassnahmen aufgenommen. Die Fragen wurden geschlossen gestellt, Mehrfachantworten wurden mit einer fünfstufigen Skala erfasst (1 = trifft nicht zu, 2 = trifft eher nicht zu, 3 = trifft teilweise zu,  4 = trifft eher zu, 5 = trifft zu).

Zusammenfassung

Resultat-orientierter Ansatz zur Biodiversitätsförderung: Akzeptanz im Berggebiet | Umwelt

Für die Biodiversität im Landwirtschafts­gebiet unterstützt der Bund Biodiversitätsförderflächen (BFF) mit zwei verschiedenen Ansätzen. Beim Massnahmen-orientierten Ansatz (MOA) werden Landwirtinnen und Landwirte für festgelegte Massnahmen, beim Resultat-orientierten Ansatz (ROA) für festgelegte Resultate entschädigt. Von diesem zweiten Ansatz, der in der Schweizer Direktzahlungsverordnung auf dem MOA aufbaut, wird eine höhere Effektivität und Effizienz erwartet. Dies ist besonders im Berggebiet wichtig, wo zukünftig vermehrt Biodiversitätsverluste erwartet werden. Zur erfolgreichen Umsetzung von Resultatorientierten Massnahmen braucht es ein grosses Engagement der Berglandwirte. Dieses Engagement kann sich nur entwickeln, wenn die Akzeptanz für den ROA vorhanden ist. Daher wurden die Akzeptanz dieses Ansatzes im Vergleich zum MOA und die Einsatzbereitschaft zur Umsetzung von Resultat-orientierten Massnahmen von Berglandwirten untersucht. Dazu wurden 146 Deutschschweizer Landwirte der Berg­zonen I bis IV schriftlich befragt. Drei Viertel der befragten Berglandwirtinnen und Berglandwirte bevorzugen den MOA gegenüber dem ROA zur Förderung von Biodiversität, weil dieser ihrer Meinung nach weniger Kontrollen mit sich bringt und sie sicherer zu ihren Direktzahlungen gelangen. Biologisch und extensiv wirtschaftende Berglandwirte haben eine höhere Bereitschaft, den ROA umzusetzen. Für einen verstärkten Einsatz für den ROA wie auch für den MOA fordern alle Befragten längerfristige Planungshorizonte und höhere Beiträge für BFF. Diese Resultate könnten für zielgerechtere, zielgruppenspezifischere und effektivere Kommunikations- und Bildungskonzepte der öffentlichen Hand für die Berglandwirte verwendet werden.

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Umwelt | Resultat-orientierter Ansatz zur Biodiversitätsförderung: Akzeptanz im Berggebiet

Der ROA ist in der Schweizer Ökoqualitätsverordnung bei den Biodiversitätsförderflächen (BFF) mit Qualitätsniveau 2 (Vorgabe der Mindestanzahl an Leitarten) sowie teilweise in Vernetzungsprojekten enthalten (Bundesrat 2014). In Deutschland und Frankreich existieren reine ROA (Nitsch 2014). In der Schweiz ist der ROA an den MOA gekoppelt, weil die Grundvoraussetzung für den Erhalt von Direktzahlungen die Einhaltung von bestimmten Massnahmen der BFF mit Qualitätsniveau 1 (Vorgaben unter anderem zum Mindestanteil der landwirtschaftlichen Fläche, zu Schnittzeitpunkt und Schnitthäufigkeit von Wiesen und Weiden) ist. Das Interesse am ROA ist im letzten Jahrzehnt europaweit gestiegen (Burton et al. 2013): Forschungsprojekte wie das vom schweizerischen Bundesamt für Landwirtschaft mitfinanzierte EU-Projekt MERIT, Merit-based income from sustainable land management in mountain farming (MERIT 2014) sind im Gange. Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in Frick und Partner aus vier europäischen Ländern im Alpenraum (Österreich, Frankreich, Italien und Slowenien) untersuchen, ob staatliche und private Fördersysteme für Naturvielfalt, die stärker Resultat-orientiert statt Massnahmen-orientiert ausgerichtet sind, für Landwirte und für die Politik in Zukunft besonders interessant sein können. Die Umweltabteilung der Europäischen Kommission organisierte zudem Ende September 2014 eine Konferenz in Brüssel zum Thema Resultat-orientierte Biodiversitätszahlungen in Agrar-Umweltprogrammen und hat dazu auf ihrer Webseite eine Informationsplattform mit Beispielen erstellt (RBAPS 2014).

Im Frühjahr 2014 wurde der Fragebogen in einer qualitativen Vorstudie mit 21 Luzerner Berglandwirten getestet, die im MERIT-Projekt mitmachen, um die Fragen auf ihre Relevanz zu prüfen und aus Praxissicht zu ergänzen. Der revidierte Fragebogen wurde im Frühling 2014 an 1000 zufällig aus der Schweizer Landwirtschaftsdaten-

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Resultate Massnahmen-orientierter Ansatz klar bevorzugt Drei Viertel aller befragten Berglandwirte bevorzugen den MOA gegenüber dem ROA zur Förderung von Biodiversität, unabhängig von soziodemographischen und betriebsspezifischen Charakteristiken (Abb. 1). Die Berglandwirte, die den MOA präferieren, unterscheiden sich

80 70 Prozent der Landwirte [%]

Resultat-orientierter Ansatz: Vergleich Schweiz – Europa

bank ausgewählte direktzahlungsberechtigte Deutschschweizer Berglandwirte verschickt. Von den 1000 Fragebogen wurden 257 in die Ostschweiz (einschliesslich Zürich), 302 in die Zentralschweiz, 13 in die Nordwestschweiz und 428 in den deutschsprachigen Teil des Espace Mittelland (Kantone Bern, Freiburg, Solothurn, Neuenburg und Jura) und des Wallis geschickt. Die Stichprobe wurde geschichtet nach den Kriterien Bergzone (Bergzonen I bis IV) und Produktionssystem (biologische Produktion versus nichtbiologische Produktion). Die geschichtete Zufallsauswahl wurde vom Bundesamt für Landwirtschaft getroffen. Insgesamt wurden 146 ausgefüllte Fragebögen statistisch ausgewertet (Rücklauf 20 %). Die Stichprobe ist bezüglich Alter, Nutzfläche und Tierbesatz repräsentativ. Bezüglich des Anteils biologisch produzierenden Betriebe ist die Stichprobe nicht repräsentativ; Biobetriebe sind in der Stichprobe übervertreten (Durchschnitt Berggebiet Schweiz: 18 %, Stichprobe 35 %). Die Fragebogen wurden mit deskriptiver Statistik und statistischen Tests (t-Tests für die Gründe der Wahl des ROA und MOA und Pearson-Korrelation bzw. Chi-Quadrat-Test für die Analyse der Einflussfaktoren) ausgewertet. Alle Berechnungen wurden mit der Software SPSS (Version 22.0., Armonk, NY: IBM Corporation) durchgeführt.

60 50 40 30 20 10 0

Resultat-orientierter Ansatz (ROA)

Massnahmen-orientierter Ansatz (MOA)

Abb. 1 | Präferenzen der befragten Berglandwirte bezüglich der ­ nsätze zur Förderung von Biodiversität (n = 146). A


Resultat-orientierter Ansatz zur Biodiversitätsförderung: Akzeptanz im Berggebiet | Umwelt

Tab. 1 | Gründe, welche die Präferenz für den ROA oder den MOA aus Sicht der befragten Berglandwirte erklären (n = 146) Grund

Ansatz

Durchschnittswert1)

Dieser Ansatz fördert die Artenvielfalt ­direkter und effektiver.

MOA

3,42

ROA

4,09

Dieser Ansatz gibt eine klarere Orientierung, was ich für die Direktzahlungen leisten muss.

MOA

4,19

ROA

3,53

Für diesen Ansatz sind weniger Spezialisten und Kontrollen für die Auswertung der ­Resultate der Massnahmen nötig.

MOA

4,10

ROA

2,87

Dieser Ansatz bringt mehr Sicherheit, dass ich die Direktzahlungen wirklich erhalte.

MOA

4,11

ROA

3,31

Dieser Ansatz ist einfacher kontrollierbar und dadurch sind für alle die gleichen Bedingungen gesetzt.

MOA

4,19

ROA

3,47

1)

P-Wert2) *** **

***

**

**

Skalenwert: 1 = trifft nicht zu, 2 = trifft eher nicht zu, 3 = weder noch, 4 = trifft eher zu, 5 = trifft zu T-Test, welcher die Werte der Präferenz für ROA und MOA vergleicht. Signifikanzniveau: *p < 0,05, ** p < 0,01, *** p < 0,001

2)

nicht signifikant von den Berglandwirten, die den ROA bevorzugen. Es gibt jedoch kleine, nicht signifikante Unterschiede zwischen den zwei Gruppen: Unter den Berglandwirten, die den ROA unterstützen, sind mehr biologisch produzierende Berglandwirte vertreten als unter den Berglandwirten, die den MOA vorziehen (45 % bzw. 35 %). Berglandwirte, die den ROA bevorzugen, weisen einen leicht tieferen Tierbesatz auf als Berglandwirte, die den MOA präferieren (1,1 DGVE bzw. 1,2 DGVE). Die Gründe für die Präferenz für einen der beiden unterschiedlichen Ansätze sind vielfältig (Tab. 1). Berglandwirte, die den MOA vorziehen, denken, dass dieser Ansatz weniger Kontrollen und Spezialisten für die Auswertung der Resultate der Massnahmen braucht, einfacher kontrollierbar ist und daher für alle Landwirte die gleichen Bedingungen gelten. Der MOA bringt für diese Berglandwirte eine klarere Orientierung, was sie für die

Direktzahlungen leisten müssen und mehr Sicherheit, dass sie die Direktzahlungen wirklich erhalten. Berglandwirte, die den ROA bevorzugen, denken, dass der ROA die Artenvielfalt direkter und effektiver fördert. Biologische und extensive Betriebe stärker engagiert Die Bereitschaft der befragten Berglandwirte, Resultatorientierte Biodiversitätsförderung umzusetzen, wird signifikant durch das bisherige Engagement für die Förderung der Artenvielfalt, die Produktionsart und die Intensität der Produktion beeinflusst (Tab. 2). Je mehr sich Berglandwirte bereits mit BFF aller Qualitätsstufen für die Biodiversität engagieren, desto eher werden sie sich in Zukunft für Resultat-orientierte Biodiversitätsförderung einsetzen. Berglandwirte, die biologisch produzieren, sind eher bereit, Biodiversität mittels ROA zu fördern im Vergleich zu Berglandwirten, die integriert nach den IP-Suisse-Richtlinien oder konventionell nach dem 

Tab. 2 | Einflussfaktoren auf die Bereitschaft der befragten Berglandwirte, Resultat-orientierte Biodiversitätsfördermassnahmen umzusetzen (n = 146) Pearson Wert bzw. Chi-Quadrat Wert

P-Wert

Bisheriges Engagement für Biodiversitäts­förderflächen (BFF)

0,234 a

**

Bisheriges Engagement für Resultat-orientierte ­Biodiversitätsfördermassnahmen

18,964 b

***

Biologische Produktion nach Bio Suisse versus i­ntegrierte ­Produktion nach IP-Suisse

5,413 b

*

Biologische Produktion nach Bio Suisse versus konventionelle Produktion nach dem ökologischen Leistungsnachweis (ÖLN)

8,610 b

**

‒0,264** a

**

‒0,250 a

**

Einflussfaktoren

Tierbesatz [DGVE/ha] Schnitthäufigkeit von intensiven Wiesen Pearson-Korrelation, bChi-Quadrat-Test Signifikanzniveau: *p < 0,05, ** p <0,01, *** p < 0,001

a

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Umwelt | Resultat-orientierter Ansatz zur Biodiversitätsförderung: Akzeptanz im Berggebiet

25%

Anteil Berglandwirte

20%

15%

10%

5%

Berglandwirte, die den Massnahmenorientierten Ansatz präferieren Berglandwirte, die den Resultatorientierten Ansatz präferieren en m m

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0%

Abb. 2 | Von den Berglandwirten genannte Faktoren zur Unterstützung der Umsetzung von Biodiversitätsförderung (n = 146; Mehrfachantworten möglich).

ökologischen Leistungsnachweis Nahrungsmittel produzieren. Berglandwirte, die intensiv produzieren, sind weniger bereit, sich für Resultat-orientierte Biodiversitätsförderung einzusetzen als Berglandwirte, die ihr Land extensiver bewirtschaften. Längerfristige Planungssicherheit gefordert Zur Steigerung der Biodiversitätsfördermassnahmen wird unabhängig von der Präferenz für einen der beiden Ansätze eine grössere und längerfristige Planungssicherheit bezüglich der Direktzahlungen gefordert. Im Weiteren bevorzugen die Berglandwirte höhere Biodiversitätsbeiträge, eine gute Beratung sowie eine grössere Nachfrage nach ihren Produkten (Abb. 2). Die Beratung wird am liebsten vom kantonalen Beratungsdienst, durch landwirtschaftliche Fachzeitschriften, über den lokalen Landwirtschaftsbeauftragten (Landwirt, der als Verbindungsperson zwischen Landwirtschaft und Gemeinde amtet) und den regionalen Bauernverband in Anspruch genommen. Für Berglandwirte, die den ROA bevorzugen, sind Weiterbildungen, soziale Akzeptanz der Massnahmen (durch die Familie, Nachbarn, Berufskolleginnen und die Gesellschaft) sowie engere Zusammenarbeit mit anderen Berglandwirten wichtiger als für Berglandwirte, die den MOA präferieren.

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Diskussion Die Mehrheit der befragten Berglandwirtinnen und Berglandwirte bevorzugen Massnahmen-orientierte Biodiversitätsfördermassnahmen vor allem aufgrund finanzieller Überlegungen, klaren Vorgaben bezüglich der Bewirtschaftung und der höheren Sicherheit, die BFF-Beiträge zu erhalten. Eine Minderheit der befragten Berglandwirte ist bereit, sich stärker mit den ökologischen Resultaten (bestimmte Zielarten) und den dafür notwendigen Massnahmen der Biodiversitätsförderung auf ihrem Betrieb auseinanderzusetzen. Aus ihrer Sicht wird die Biodiversität damit effektiver gefördert. Die Präferenz der Berglandwirte wird durch die Übervertretung der biologisch produzierenden Landwirte wahrscheinlich in Richtung des ROA verzerrt. Vergleichszahlen aus der Schweiz existieren nicht. In einer süddeutschen Studie, in welcher die biologisch produzierenden Landwirte ebenfalls übervertreten waren, bevorzugten 36 Prozent der befragten Berglandwirte den ROA (Matzdorf et al. 2010). Biologisch produzierende Landwirte weisen eine grössere Bereitschaft auf, sich für Biodiversitätsförderung zu engagieren; sie haben tendenziell eine grössere Fläche ihrer landwirtschaftlichen Nutzfläche als BFF


Resultat-orientierter Ansatz zur Biodiversitätsförderung: Akzeptanz im Berggebiet | Umwelt

Abb. 3 | Floristische und faunistische Feldaufnahmen im MERIT-Projekt auf Betrieben im Entlebuch, um Potenziale für mehr Resultat-orientierte Biodiversitätsförderflächen (Umwandlung in Öko-Qualität 2) zu bestimmen. (Foto: Otto Schmid)

angelegt (Schader et al. 2008). Je höher der Tierbesatz und damit die Produktionsintensität, desto tiefer die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Landwirt für Biodiversitätsförderung einsetzt (Dupraz et al. 2003; Wilson et al. 2000). Das bedeutet, dass biologische Produktion die Biodiversitätsförderung positiv beeinflussen kann, während eine intensive Bewirtschaftung die Biodiversitätsförderung eher negativ beeinflusst. Aus den Antworten bezüglich der Rahmenbedingungen für Biodiversitätsförderung geht hervor, dass der Anteil der BFF an der landwirtschaftlichen Nutzfläche gesteigert werden kann, wenn die Planungssicherheit für Landwirte erhöht wird. Dafür muss die Agrarpolitik längerfristig (d.h. für mehr als die derzeit üblichen vier Jahre) festgelegt werden. Zusätzlich kann mit der Erhöhung der ökologisch ausgerichteten Direktzahlungen eine Ausweitung oder Verbesserung der BFF erzielt werden. Anreize schaffen könnte eine Erweiterung der Zahlungen vor allem für extensive und wenig intensive Wiesen und Weiden oder eine Verschiebung der Anteile der Direktzahlungen hin zu Qualität und Vernetzung der BFF. Neben den finanziellen Aspekten ist eine Beratung durch regionale Berater, Landwirtschaftsbeauftragte der Gemeinde oder lokale Bauernverbände zu Möglichkei-

ten und Nutzen der Biodiversitätsförderung auf dem Betrieb hilfreich. Für Landwirte, die den ROA bevorzugen, sollte die Beratung stärker auf ökologische Zusammenhänge und Bedürfnisse von Ziel- und Leitarten ausgerichtet werden. Um Landwirte anzusprechen, die den MOA bevorzugen, sollte der Fokus auf die Vereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie auf dem Betrieb gelegt werden. Wie aus mehreren Gesprächen mit den Berglandwirten in der Vorstudie hervorging, könnten Möglichkeiten für die Umsetzung von Biodiversitätsfördermassnahmen auf dem Betrieb und deren positive Auswirkungen prominenter in die Ausbildung der zukünftigen Landwirte integriert werden. Dies steigert langfristig die Akzeptanz sowohl für Massnahmen- als auch Resultat-orientierte Biodiversitätsförderung.

Schlussfolgerungen Um dem bisher ungenügenden Erfolg des ökologischen Ausgleichs (Lachat et al. 2010) sowie dem erwarteten verstärkten Rückgang der Biodiversität im Berggebiet (Peter et al. 2009) entgegenzuwirken, ist ein breit abgestütztes Vorgehen notwendig. In Beratungs- und Bildungsangeboten sollte den unterschiedlichen Erwartun- 

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Umwelt | Resultat-orientierter Ansatz zur Biodiversitätsförderung: Akzeptanz im Berggebiet

gen und Einstellungen der Landwirte hinsichtlich des ROA und des MOA Rechnung getragen werden. Die fachliche Unterstützung sollte stärker Zielgruppen-spezifisch und Betriebs-individuell ausgerichtet werden. Grundlagenwissen über Ökologie und Biodiversität sollte vermehrt in die Lehrpläne der landwirtschaftlichen Ausbildungen aufgenommen werden. Ein besonders wichtiger Pfeiler ist die Landwirtschaftspolitik, die für eine bessere Planbarkeit auf Seiten der Landwirte inhaltlich längerfristig konstant gehalten werden sollte. Die gezielte Förderung der Biodiversität sollte mehr ins Zentrum gestellt werden; das heisst, die ökologisch ausgerichteten Direktzahlungen für BFF wären zu erhöhen, insbesondere jene für Qualität und Vernetzung. n

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▪▪ MERIT, 2014. Merit-based income from sustainable land management in mountain farming. Zugang: http://www.umweltbuero-klagenfurt.at/merit [9.6.14]. ▪▪ Nitsch H., 2014. Review on result-oriented measures for sustainable land management in alpine agriculture & comparison of case study areas. Report of Work package 1. MERIT-Project. RURAGRI Research Programme 2013–2016. Zugang: http://www.umweltbuero-klagenfurt.at/merit/reports/EU-MERIT_WP1-Report_Review_Result-oriented-measures_ Nov2014.pdf [6.2.15]. ▪▪ Peter M., Gigon A., Edwards P.J. & Luscher A., 2009. Changes over three decades in the floristic composition of nutrient-poor grasslands in the Swiss Alps. Biodiversity and Conservation, 18 (3), 547–567. ▪▪ RBAPS, 2014. Result-based agri-environment schemes: payments for biodiversity achievements in agriculture. Zugang: http://ec.europa.eu/environment/nature/rbaps/ [9.6.14]. ▪▪ Sabatier R., Doyen L. & Tichit M., 2012. Action versus Result-Oriented Schemes in a Grassland Agroecosystem: A Dynamic Modelling Approach. Plos One, 7 (4), e33257. ▪▪ Schader C., Pfiffner L., Stolze M. & Schlatter C., 2008. Umsetzung von Ökomassnahmen auf Bio- und ÖLN-Betrieben. Agrarforschung 15 (10), 506–511. ▪▪ Tasser E. & Tappeiner U., 2002. Impact of land use changes on mountain vegetation. Applied Vegetation Science, 5 (2), 173–184. ▪▪ Wilson G. A. & Hart K., 2000. Financial imperative or conservation concern? EU farmers' motivations for participation in voluntary agri-environmental schemes. Environment and Planning A, 32 (12), 2161–2185.


Approccio orientato ai risultati per la promozione della biodiversità: accoglienza nelle regioni di montagna Per conservare e promuovere la biodiversità nelle zone agricole la Confederazione sostiene le superfici per la promozione della biodiversità (SPB) con due approcci diversi. Per quanto riguarda il metodo basato sulle misure (MBM), i contadini sono indennizzati per misure definite mentre per quanto riguarda il metodo basato sul risultato (MBR) sono indennizzati per risultati definiti. Da questo secondo approccio, che nell’Ordinanza sui pagamenti diretti svizzera si fonda sul MBM, ci si aspetta una maggiore efficacia ed efficienza. Ciò è importante soprattutto nelle regioni di montagna nelle quali si prevedono maggiori perdite di biodiversità. Affinché sia possibile realizzare con esito positivo le misure basate sul risultato è necessario un grande impegno da parte dei contadini di montagna che può rinforzarsi solo se vi è consenso per il MBR. Sono pertanto stati analizzati il consenso per questo metodo rispetto al MBM e la disponibilità alla realizzazione di misure orientate al risultato da parte dei contadini di montagna. A questo scopo è stato inviato un questionario a 146 contadini della Svizzera tedesca nelle regioni di montagna da I a IV. Tre quarti dei contadini di montagna intervistati prediligono il MBM rispetto al MBR per la promozione della biodiversità perché comporta meno controlli e perché è un modo più sicuro per ottenere i pagamenti diretti. I contadini di montagna che gestiscono la propria azienda in modo biologico ed estensivo sono maggiormente disposti ad applicare il MBR. Per un maggior impegno nell’applicazione del MBR ma anche del MBM, tutti gli intervistati chiedono orizzonti di pianificazione più lunghi e contributi per SBP più elevati. I contadini di montagna che preferiscono il MBR propendono per altre condizioni quadro specifiche per la realizzazione con esito positivo delle misure basate sul risultato rispetto ai contadini che prediligono il MBM. Questi risultati potrebbero essere utilizzati dagli enti pubblici per elaborare strategie di comunicazione e di formazione più mirate ed efficaci per i contadini di montagna.

Summary

Riassunto

Resultat-orientierter Ansatz zur Biodiversitätsförderung: Akzeptanz im Berggebiet | Umwelt

Results-oriented approach to biodiversity promotion: acceptance among Swiss mountain farmers To conserve and enhance biodiversity in agricultural areas, the Swiss Confederation uses two different approaches that support biodiversity enhancement areas (Biodiversitäts-Förderflächen, BFF). The action-oriented approach (Massnahmen-orientierter Ansatz, MOA) compensates farmers for prescribed management measures, whereas the result-oriented approach (Resultat-orientierter Ansatz, ROA) compensates farmers for proven ecological results. This second approach, which in the Swiss Ordinance on Direct Payments in Agriculture builds on the MOA, is expected to be more effective and efficient. This is of particular significance in the mountain regions where future biodiversity losses are expected to increase. The successful implementation of result-oriented measures demands much commitment and initiative of the mountain farmers. To develop such commitment, farmers must first accept the ROA. To assess how mountain farmers perceive the ROA compared with the MOA and if they are willing to implement result-oriented measures, 146 Swiss German farmers in mountain zones I–IV were interviewed using a written questionnaire. Three out of four farmers interviewed prefer the MOA over the ROA for biodiversity enhancement because they think the MOA involves fewer inspections and assures more direct payments than the ROA. Organic and low-input mountain farmers are more willing to implement the ROA than conventional farmers. All respondents call for a more long-term planning horizon and higher payments for biodiversity enhancement areas to compensate them for any increased commitment with respect to both the ROA and the MOA. Mountain farmers who prefer the ROA prefer other specific framework conditions for the successful implementation of result-oriented measures than mountain farmers who prefer the MOA. These results can be used to deliver targeted and effective communications to the public sector and educational programmes to mountain farmers. Key words: result-oriented measures, biodiversity measures, ecological compensation area, Swiss mountain farmers.

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A g r a r w i r t s c h a f t

Wie stark beeinflusst der Wechselkurs die Schweizer Agrar- und Nahrungsmittelexporte? Andreas Kohler und Ali Ferjani Agroscope, Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH, 8356 Ettenhausen, Schweiz Auskünfte: Andreas Kohler, E-Mail: andreas.kohler@agroscope.admin.ch

Container-Terminal in Hamburg: Die Exporte des Schweizer Agrar- und Nahrungsmittelsektors sind ­b emerkenswert resilient gegenüber Wechselkursschwankungen. (Foto: Hapag-Lloyd AG, Hamburg)

Einleitung Seit der globalen Finanzkrise 2008 hat sich der Schweizer Franken gegenüber den Währungen der wichtigsten Handelspartner der Schweiz real stark aufgewertet. Zwar wurde die Aufwertung durch die Festsetzung eines Mindestkurses zum Euro am 6. September 2011 durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) gestoppt. Doch am 15. Januar 2015 kam der Paukenschlag: Die SNB hob den Mindestkurs nach etwas mehr als drei Jahren per sofort auf. Somit wird der Preis des Schweizer Frankens relativ zum Euro wieder frei auf den internationalen Devisenmärkten bestimmt. Da die Marktakteure offenbar zurzeit nicht erwarten, dass die Euro-Zone ihre wirtschaftlichen Probleme in naher Zukunft lösen wird, und

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die wirtschaftliche Erholung der USA auch sieben Jahre nach der Finanzkrise nur langsam Fahrt aufnimmt, flüchten viele immer noch in den Schweizer Franken als SafeHaven-Währung. So wertete sich der Schweizer Franken unmittelbar nach der Ankündigung der SNB gegenüber dem Euro und dem US-Dollar um nahezu 20 % auf. Auch wenn es sich bei dieser starken Aufwertung nur um eine anfängliche Überreaktion der Märkte handeln sollte, ist es schwierig abzuschätzen, wie stark der Schweizer Franken überbewertet ist und sich dessen Wert in naher Zukunft entwickeln wird. Dies rückt die Frage nach den Auswirkungen von Wechselkursschwankungen auf die Wettbewerbsfähigkeit von Schweizer Firmen im Ausland erneut in den Fokus der öffentlichen und politischen Aufmerksamkeit.


Wie stark beeinflusst der Wechselkurs die Schweizer Agrar- und Nahrungsmittelexporte? | Agrarwirtschaft

Zusammenfassung

Insbesondere stellt sich die Frage, wie stark die Exporte auf eine Aufwertung des Schweizer Frankens reagieren. Dieser Artikel untersucht mit Hilfe ökonometrischer Modelle die Reaktion der Schweizer Agrar- und Nahrungsmittelexporte auf Wechselkursänderungen. Wir wollen wissen, wie stark die Exporte im Durchschnitt zurückgehen, wenn der Schweizer Franken an Wert gewinnt. Das Ziel ist, eine Schätzung für die Reaktion des Sektors als Gesamtes zu erhalten, um diese mit der Reaktion der Exporte anderer Wirtschaftssektoren vergleichen zu können.

Material und Methoden Um die Frage zu beantworten, wie stark die Exporte des Agrar- und Nahrungsmittelsektors auf eine Aufwertung des Schweizer Frankens reagieren, verwenden wir die Exportstatistik der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV), Wechselkursdaten der SNB und des Statistischen Amts der Europäischen Union (Eurostat) sowie Daten zum Bruttoinlandprodukt (BIP) der Handelspartner, zur Verfügung gestellt von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Beobachtet wurden die Daten von 36 Handelspartnern, die alle OECD-Länder (ausser Chile und Griechenland) sowie Brasilien, Russland, Indien, Südafrika und Indonesien umfassen, für jedes Quartal von 1999 bis 2012. Während dieses Zeitraums gingen zwischen 80 % und 90 % aller Agrarund Nahrungsmittelexporte der Schweiz in diese 36 Länder. Dabei ist Europa mit Abstand der wichtigste Absatzmarkt, gefolgt von Asien und Amerika. Insbesondere betrachten wir die Zollkapitel 01 bis 24, die alle Agrar- und Nahrungsmittelexporte der Schweiz erfassen. Diese Zollkapitel umfassen sowohl Rohprodukte als auch verarbeitete Produkte. Die folgenden sieben Zollkapitel hatten zwischen 1999 und 2012 einen Anteil an den gesamten Agrar- und Nahrungsmittelexporten von 80 % bis 90 % (gemessen in Schweizer Franken): ••04: Milch, Eier, Honig (in dieser Kategorie dominieren Käseexporte) ••09: Kaffee, Tee, Gewürze (Nespresso-Kaffeekapseln) ••18: Kakao (Schokolade) ••19: Getreidezubereitungen (Babynahrung, Backwaren) ••21: verschiedene Lebensmittelzubereitungen (Konzentrate) ••22: Getränke und alkoholische Flüssigkeiten (EnergyDrink Red Bull und Wein) ••24: Tabak und verarbeitete Tabakersatzstoffe Dabei ist zu beachten, dass sich die Anteile innerhalb dieser sieben Zollkapitel von 1999 bis 2012 markant verschoben haben. Betrug zum Beispiel der Anteil von Kaf-

In den letzten Jahren und seit der Aufhebung des Mindestkurses durch die Schweizerische Nationalbank im Januar 2015 hat der Schweizer Franken gegenüber allen Währungen der wichtigsten Handelspartner der Schweiz stark an Wert gewonnen. Wir analysieren mit Hilfe empirischer Modelle, wie stark die aggregierten Exporte des Agrar- und Nahrungsmittelsektors auf eine Aufwertung des Schweizer Frankens reagieren. Gemäss unserer Analyse führt eine einmalige Aufwertung um 1 % nach vier Quartalen zu einem vorübergehenden Rückgang der Exporte um ca. 0,8 % im Durchschnitt. Dieser verzögerte Effekt dürfte die Folge von langfristigen Verträgen und sich langsam ändernden Konsumgewohnheiten sein. Eine anhaltende Aufwertung, bei welcher der Schweizer Franken in jedem Quartal um 1 % aufwertet, führt hingegen im Durchschnitt zu einem permanenten Rückgang der Exporte um ca. 0,9 % pro Quartal. Die geschätzten Wechselkurseffekte für die Agrar- und Nahrungsmittelexporte liegen damit in derselben Grössenordnung wie die Effekte für die Gesamtexporte der Schweiz. Somit zeigen sich auch die Exporte des Agrar- und Nahrungsmittelsektors bemerkenswert resilient gegenüber Wechselkursschwankungen. Der Grund dafür dürfte sein, dass auch die Unternehmen in diesem Sektor es schaffen, ihre Produkte erfolgreich über die hohe Qualität zu differenzieren, und sich so mindestens teilweise dem Preiswettbewerb im Ausland entziehen können.

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Agrarwirtschaft | Wie stark beeinflusst der Wechselkurs die Schweizer Agrar- und Nahrungsmittelexporte?

realer Exportwert (geglättet)

100 110 realer effektiver Wechselkursindex

1,2 1

90

0,6

0,8

realer Exportwert (Mia., CHF)

1,4

120

1,6

realer effektiver Wechselkursindex

1999q1

2000q4

2002q3

2004q2

2006q1

2007q4

2009q3

2011q2

2013q1

Quellen: EZV, SNB, Eurostat, OECD; Anmerkung: reale Exportwerte wurden mit einem gleitenden Mittelwert geglättet

Abb. 1 | Entwicklung des Wechselkursindexes und der realen Agrar- und Nahrungsmittelexporte. (1999q1: 1. Quartal 1999)

fee und Getränken im Jahr 2002 erst ca. 7 % der Exporte, lag deren Gesamtanteil 2012 bei ca. 43 % (siehe Kohler 2015 für eine detaillierte Analyse der Exportstruktur). Die Exportstatistik der Schweiz wird also von verarbeiteten Produkten wie Nespresso-Kaffeekapseln, Red Bull, Schokolade und Käse dominiert, hinter welchen grosse Firmen wie Nestlé Schweiz, Red Bull GmbH, Lindt & Sprüngli, Mondelez International oder Emmi AG stehen. Dies ist bei der Interpretation der Resultate zu berücksichtigen. In der Analyse werden die Exportwerte (in Schweizer Franken) deflationiert, d. h. durch den Mittelwertindex für Agrarpodukte und Nahrungsmittel der EZV dividiert, um die Einflüsse von Preisschwankungen zu beseitigen. Dies ermöglicht eine Aussage über die reale Entwicklung der Exporte (siehe EZV 2006). Um den Einfluss des Wechselkurses abzubilden, berechnen wir einen realen effektiven Wechselkursindex, der den Aussenwert des Schweizer Frankens gegenüber den erwähnten 36 Ländern mit deren 23 offiziellen Landeswährungen abbildet. Der reale effektive Wechselkursindex ist inflationsbereinigt und gewichtet das Austauschverhältnis zwischen dem Schweizer Franken und den 23 verschiedenen Landeswährungen mit den jeweiligen Exportanteilen der zugehörigen Länder (Fluri und Müller 2001). Da der Anteil der Exporte in die EuroZone sehr hoch ist, wiederspiegelt die Entwicklung des Indexes zu einem grossen Teil die Entwicklung des Wertes des Schweizer Frankens zum Euro. Nebst relativen realen Preisänderungen, abgebildet durch den realen effektiven Wechselkursindex, berück-

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sichtigen wir auch Änderungen der ausländischen Nachfrage nach Schweizer Agrarprodukten und Nahrungsmitteln. Die Änderung der realen Auslandnachfrage approximieren wir durch Änderungen im realen BIP der 36 betrachteten Länder, wobei das jeweilige BIP mit dem entsprechenden Exportanteil gewichtet wird (gewichtetes geometrisches Mittel). Da ein grosser Teil der Schweizer Exporte nach Deutschland, Frankreich und Italien geht, erhält das jeweilige BIP dieser Länder ein entsprechend hohes Gewicht. Um den Effekt von Wechselkursschwankungen auf die aggregierten Exporte des Schweizer Agrar- und Nahrungsmittelsektors zu schätzen, verwenden wir sowohl Zeitreihen- als auch Paneldatenmodelle (Kohler und Ferjani 2015). Insbesondere schätzen wir sogenannte Autoregressive-­distributed-lag-Modelle mit der Methode der kleinsten Quadrate (Wooldridge 2009) und dynamische Panel­datenmodelle mit der Methode von Arellano und Bond (1991). Der Vergleich zwischen Zeitreihenund Paneldatenmodellen erlaubt uns, die Sensitivität der Resultate in Bezug auf Modellspezifikation und Schätzmethode zu beurteilen. Die Modelle beschreiben die Änderung der Exporte über die Zeit in Abhängigkeit der vergangenen Exportänderungen sowie Änderungen des Wechselkursindexes und des BIP. Wir lassen ausserdem explizit zu, dass sowohl Wechselkursänderungen wie auch Änderungen der Auslandnachfrage verzögerte Effekte haben können. Weiter berücksichtigen wir in unserer Analyse saisonale Effekte sowie die Einführung des Franken-Euro-Mindestkurses.


Wie stark beeinflusst der Wechselkurs die Schweizer Agrar- und Nahrungsmittelexporte? | Agrarwirtschaft

Prozentuale Änderung Exporte in Quartal t

0,5 0 −0,5 −1,5

−1

Prozentuale Änderung reale Exporte

1

95−%−Konfidenzintervall

0

1

2

3

4

5

Quellen: EZV, SNB, Eurostat, OECD

6 Quartal

7

8

9

10

11

12

Abb. 2 | Geschätzter temporärer Wechselkurseffekt aus dem Autoregressive-distributed-lag -Modell.

Resultate und Diskussion Bevor wir die Resultate der empirischen Analyse diskutieren, ist ein Blick in die Daten aufschlussreich. Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der Agrar- und Nahrungsmittelexporte und des Wechselkursindexes, wobei ein Anstieg der Kurve eine Aufwertung des Frankens bedeutet. Die deskriptive Analyse zeigt, dass die realen Exporte selbst während der starken Aufwertung des Schweizer Frankens zwischen 2008 bis 2011 weiter gewachsen sind, allerdings mit einer tieferen Rate als zuvor. Die folgende empirische Analyse ermöglicht uns nun, den Einfluss des Wechselkurses auf die Exporte abzuschätzen und zu quantifizieren. Die zuvor diskutierten Zeitreihen- und Paneldatenmodelle ermöglichen es, zwischen temporären und permanenten Effekten zu unterscheiden. Genauer gesagt können wir die Effekte einer einmaligen von denjenigen einer anhaltendenden Aufwertung des Frankens trennen. Es zeigt sich, dass die Resultate nicht von der Modellspezifikation und Schätzmethode abhängen. Mit anderen Worten: Die geschätzten Effekte sind bei allen Modellen sehr ähnlich. Abbildung 2 zeigt die Reaktion der Exporte auf eine einmalige Aufwertung des Schweizer Frankens um 1 % zum Zeitpunkt der Aufwertung (Quartal 0) sowie ein bis zwölf Quartale danach. Wir sehen, dass eine einmalige Aufwertung des Schweizer Frankens um 1 % nach vier

Quartalen zu einem vorübergehenden Rückgang der Agrar- und Nahrungsmittelexporte um durchschnittlich ca. 0,8 % führt. Die Reaktion der Exporte nach vier Quartalen ist auf dem 5-%-Signifikanzniveau statistisch signifikant, die Reaktionen in allen anderen Quartalen sind statistisch nicht signifikant (d. h. die Null fällt in das grau gezeichnete 95-%-Konfidenzintervall in Abb. 2).1 Mit anderen Worten: Wenn der Schweizer Franken um 20 % aufgewertet wird und danach auf diesem Niveau verbleibt, zeigt sich erst nach einem Jahr ein einmaliger Rückgang in den aggregierten Exporten um ca. 16 %. Dies ist vergleichbar mit der Situation nach der Aufhebung des Mindestkurses, als der Schweizer Franken gegenüber dem Euro und US-Dollar sofort einmalig um ca. 20 % aufgewertet wurde. Die verzögerte Reaktion der Exporte dürfte durch langfristige Verträge und nur langsam ändernde Konsumgewohnheiten zu erklären sein. Weiter dürften grosse Exporteure wie Nestlé Schweiz, Red Bull GmbH, Lindt & Sprüngli und Emmi AG  ihre Wechselkursrisiken am Devisenmarkt absichern.

Die Irrtumswahrscheinlichkeit (oder das Signifikanzniveau) und das Konfidenzintervall sind beides statistische Masse dafür, wie viel Vertrauen man in die geschätzten Effekte haben kann. Die Irrtumswahrscheinlichkeit gibt an, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass die Nullhypothese (d. h. dass der geschätzte Effekt gleich null ist) fälschlicherweise verworfen wird, obwohl sie eigentlich richtig ist. Ein 95-%-Konfidenzintervall bedeutet, dass wir zu 95 % darauf vertrauen können, dass der wahre Wechselkurseffekt in unserem konstruierten Konfidenzintervall liegt. Genauer gesagt enthalten 95 % aller konstruierten Konfidenzintervalle den wahren Wechselkurseffekt.

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Agrarwirtschaft | Wie stark beeinflusst der Wechselkurs die Schweizer Agrar- und Nahrungsmittelexporte?

Wertet der Schweizer Franken hingegen in jedem Quartal um 1 % auf, so fallen die Agrar- und Nahrungsmittelexporte im Durchschnitt pro Quartal um ca. 0,9 % (auf dem 5-%-Signifikanzniveau signifikant). Eine anhaltende Aufwertung des Schweizer Frankens um 1 % führt also zu permanent tieferen Exporten pro Quartal von ca. 0,9 %. Allerdings reflektiert dieser Effekt eher ein hypothetisches Gedankenexperiment als eine reale Situation. Sehr lange Perioden anhaltender Aufwertungen sind eher selten und stellen kein Marktgleichgewicht dar, langfristig sollte sich gemäss ökonomischer Theorie der Wechselkurs so einpendeln, dass die Währungen in zwei Währungsräumen dieselbe Kaufkraft besitzen (Kaufkraftparität). Allerdings ist dieses Gedankenexperiment im Falle der Schweiz trotzdem interessant; wertete sich doch der Schweizer Franken zwischen Beginn der globalen Finanzkrise und der Einführung des Franken-EuroMindestkurses im Durchschnitt um ca. 2 % pro Quartal auf. Dies entspricht einer realen Aufwertung von fast 30 % in etwas mehr als drei Jahren. Es ist bemerkenswert, wie resilient sich die Exporte von Schweizer Agrar- und Nahrungsmitteln im Durchschnitt gegenüber Wechselkursschwankungen zeigen. Die Agrar- und Nahrungsmittelexporte reagieren im Durchschnitt somit ähnlich wie die Gesamtexporte der Schweiz. Verschiedene Studien finden, dass die Gesamtexporte im Durchschnitt um etwas weniger als 1  % zurückgehen, wenn der Schweizer Franken um 1 % aufgewertet wird (SECO 2010; Tressel und Arda 2011; Hanslin et al. 2014). Gemäss Hanslin et al. (2014) liegt die Reaktion der Agrar- und Nahrungsmittelexporte in derselben Grössenordnung wie die der Maschinenexporte, der Exporte von Präzisionsinstrumenten, Uhren und Schmuck sowie der Textilexporte. Eine geringere Reaktion zeigen z. B. die Exporte der Chemie- und Pharmaindustrie. Dies suggeriert, dass Schweizer Agrarprodukte und Nahrungsmittel im Ausland relativ schlecht substituierbar sind und deshalb die Unternehmen auch leichter Preisaufschläge durchsetzen können (z. B. beim Abschluss neuer Lieferverträge). Ein Grund für die relativ schlechte Substituierbarkeit dürfte sein, dass die Unternehmen ihre Produkte durch höhere Qualität von ihren Konkurrenten abgrenzen. Dabei werden die Qualitätsunterschiede durch kontrollierte Herkunftsbezeichnungen (z. B. bei AOC-Käse oder Fleischprodukten), Swissness (z. B. Schweizer Schokolade) oder Premiummarken (z. B. Nespresso oder Red Bull) offenbar erfolgreich kom2 Im Rahmen des «Schoggigesetzes» können Exporteure Ausfuhrbeiträge aufgrund der Differenz zwischen inländischen und ausländischen Rohstoffpreisen (Referenzpreise) beantragen. Das jährliche Budget beträgt zwischen 70 und 80 Millionen Schweizer Franken (EZV 2015).

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muniziert. Hier dürfte auch die Schweizer Agrarpolitik mit ihrer Qualitätsstrategie einen gewissen Beitrag leisten, indem sie die richtigen Anreize und Rahmenbedingungen für die Produzenten inländischer Rohstoffe schafft. Dank der Wettbewerbsstrategie der Produktdifferenzierung über die Qualität scheinen sich die Unternehmen im Durchschnitt mindestens teilweise mit Erfolg dem Preiswettbewerb im Ausland entziehen zu können. Dass importierte Vorleistungen (z. B. Kakao, Kaffee oder Tabak) bei einer Aufwertung des Schweizer Frankens tendenziell günstiger bezogen werden können, könnte eine dämpfende Wirkung auf die Reaktion der Exporte haben. Bei Produkten wie Käse und Gebäck, die inländische Rohstoffe wie Milch und Butter verwenden, dürften auch die Ausfuhrbeiträge für Erzeugnisse aus Landwirtschaftsprodukten («Schoggigesetz») eine abfedernde Rolle übernehmen.2 Letztlich scheinen die Unternehmen auch erfolgreich neue Absatzmärkte zu erschliessen, um so Wechselkursrisiken durch Diversifikation zu senken. So ist der Anteil der Exporte nach Asien und Amerika zwischen 2002 und 2012 gestiegen, während jener nach Europa gefallen ist (Kohler 2015).

Schlussfolgerungen Wie wir gesehen haben, reagieren die Exporte des Schweizer Agrar- und Nahrungsmittelsektors im Durchschnitt nicht übermässig stark auf temporäre und permanente Wechselkursänderungen. Damit liegt ihre Reaktion in derselben Grössenordnung wie die Reaktion der Schweizer Gesamtexporte. Folgt daraus, dass Wechselkursschwankungen kein Problem sind für die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Agrar- und Nahrungsmittelsektors? Nur bedingt, denn die Exportleistung eines Sektors ist nur ein Indikator für seine Wettbewerbsfähigkeit. Andere Indikatoren sind die relativen (Arbeits-)Kosten und damit verbunden die Beschäftigung. Zu den Auswirkungen von Wechselkursschwankungen auf diese Indikatoren macht unsere Analyse jedoch keine Aussagen. Allerdings lassen die Resultate unserer Analyse hoffen, scheinen doch die Auslandverkäufe dieses Sektors im Durchschnitt bemerkenswert resilient zu sein. Ein detaillierteres Bild würde eine weitergehende Studie ermöglichen, welche die Reaktion einzelner Zolltariflinien (Produktgruppen) innerhalb der Agrar- und Nahrungsmittelexporte untersucht. n


In che misura il tasso di cambio influenza le esportazioni svizzere di prodotti agricoli e alimentari? Negli ultimi anni e da quando, nel gennaio 2015, la Banca nazionale svizzera ha abolito il cambio minimo, il franco svizzero si è nettamente apprezzato rispetto a tutte le valute dei principali partner commerciali. Con l'ausilio di modelli empirici, analizziamo in che misura le esportazioni aggregate del settore agricolo e alimentare reagiscono a una rivalutazione del franco svizzero. Secondo la nostra analisi, una rivalutazione una tantum dell'1 per cento comporta dopo quattro trimestri una temporanea contrazione delle esportazioni pari in media allo 0,8 per cento circa. Questo effetto ritardato potrebbe essere la conseguenza di contratti a lungo termine e di abitudini di consumo in lento mutamento. Una rivalutazione persistente, vale a dire se il franco svizzero si rivaluta dell'1 per cento ogni trimestre, porta invece in media a una contrazione permanente delle esportazioni dello 0,9 per cento circa a trimestre. Gli effetti stimati del tasso di cambio sulle esportazioni di prodotti agricoli e alimentari sono pertanto in linea con gli effetti sulle esportazioni complessive della Svizzera. Di conseguenza, anche le esportazioni del settore agricolo e alimentare si presentano notevolmente resilienti alle fluttuazioni del tasso di cambio. Il motivo potrebbe essere che anche le imprese di questo settore riescono a differenziare efficacemente i propri prodotti grazie all'elevata qualità, sottraendosi così almeno in parte alla concorrenza dei prezzi che caratterizza i mercati esteri.

Literatur ▪▪ Arellano M. & Bond S., 1991. Some Tests of Specification for Panel Data: Monte Carlo Evidence and an Application to Employment Equations. The Review of Economic Studies 2 (2), 277–297. ▪▪ EZV, 2006. Schweizerische Aussenhandelsindizes – Benutzerleitfaden. Eidgenössische Zollverwaltung EZV, Bern. ▪▪ EZV, 2015. Ausfuhrbeiträge für Erzeugnisse aus Landwirtschaftsprodukten. Eidgenössische Zollverwaltung EZV, Bern. Zugang: http://www.ezv. admin.ch/zollinfo_firmen/04021/index.html?lang=de [30.1.2015]. ▪▪ Fluri R. & Müller R., 2001. Die Revision der nominellen und realen exportgewichteten Wechselkursindizes des Schweizer Frankens. Schweizerische Nationalbank, Zürich. Quartalsheft 19 (3), 42–47. ▪▪ Hanslin S., Lein S.M. & Schmidt C., 2014. Exchange Rate and Foreign GDP Elasticities of Swiss Exports Across Sectors and Destination Countries. Working Paper. Schweizerische Nationalbank, Zürich.

Summary

Riassunto

Wie stark beeinflusst der Wechselkurs die Schweizer Agrar- und Nahrungsmittelexporte? | Agrarwirtschaft

How strongly does the exchange rate influence Swiss agri-food exports? In the last few years, and since the abolition of the minimum exchange rate by the Swiss National Bank in January 2015, the Swiss franc has appreciated strongly against all currencies of Switzerland’s most important trading partners. With the help of empirical models, we analyse how strongly aggregate exports of the agri-food sector react to an appreciation of the Swiss franc. According to our analysis, a one-time appreciation of 1 % leads on average to a temporary decline in exports of approx. 0.8 % after four quarters. This lagged effect could be the result of long-term contracts and inert consumption habits. By contrast, a sustained appreciation in which the Swiss franc appreciates by 1 % each quarter leads on average to a permanent decrease in exports of approx. 0.9 % per quarter. The estimated exchange rate effects for agri-food exports are therefore of the same order of magnitude as those for aggregate Swiss exports. Hence, agri-food sector exports also prove remarkably resilient to exchange rate fluctuations. The reason for this may be that businesses in this sector are also able to successfully differentiate their products on the basis of quality, and hence are able – at least in part – to avoid price competition abroad. Key words: exchange rate, exports, agriculture and food sector.

▪▪ Kohler A., 2015. Determinanten der Schweizer Agrarexporte – Eine ­A nwendung des ökonomischen Gravitationsmodells. Journal of Socio-­ Economics in Agriculture 8, 21–38. ▪▪ Kohler A. & Ferjani A., 2015. Exchange rate effects: A case study of the export performance of the Swiss Agriculture and Food Sector. Agroscope Science, 20, 1–25. Agroscope, Ettenhausen. ▪▪ SECO, 2010. Aussenhandelsentwicklung der Schweiz im Jahr 2009. ­Konjunkturtendenzen Frühjahr 2010. Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, Bern. ▪▪ Tressel T. & Arda A., 2011. Switzerland: Selected Issues Paper. IMF Country Report No. 11/116. International Monetary Fund, Washington. ­Z ugang: http://www.imf.org/external/pubs/ft/scr/2011/cr11116.pdf [4.2.2015]. ▪▪ Wooldridge J.M., 2009. Introductory Econometrics: A Modern Approach. Cengage Learning EMEA, 4th edition.

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A g r a r w i r t s c h a f t

Klassen oder Labels? Rindfleischpreise und ­Qualität Stefan Mann1 und Daniel Erdin2 Agroscope, Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH, 8356 Ettenhausen, Schweiz 2 Schweizerischer Bauernverband, 5201 Brugg, Schweiz Auskünfte: Stefan Mann, E-Mail: stefan.mann@agroscope.admin.ch

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Rind- und Kalbfleisch: Die Preisunterschiede zwischen den Qualitätsklassen steigen, jene zwischen den Qualitätslabels sinken. (Bild: Proviande, Bern)

Einleitung Im Zuge der Positionierung der Schweiz auf den internationalen Märkten, die durch die Globalisierung immer expliziter vorgenommen wurde, hat sich der breite Konsens herausgebildet, dass die Schweiz allein durch Qualitätsführerschaft bestehen kann (Ortner 2000; Lobsiger und Wyss 2008; Bystricky et al. 2014). In diesem Beitrag soll das wachsende Qualitätsbewusstsein im Agrarsektor am Beispiel der Preispolitik auf dem Rindfleischmarkt nachgezeichnet und belegt werden. Die Definition unterschiedlicher Qualitäten auf

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dem Fleischmarkt erfolgt im Gegensatz zu zahlreichen anderen Märkten weniger über Markenkonzepte, sondern einerseits über Qualitätslabels, die aufgrund von Produktionsverfahren vergeben werden, andererseits über die Einstufung von Schlachtkörpern in unterschiedliche Klassen. In dieser Arbeit wird die These entwickelt und geprüft, wonach die Qualitätsorientierung in der Schweizer Fleischwirtschaft zu zwei gegenläufigen Entwicklungen führt: Einerseits wird vermutet, dass Preisunterschiede zwischen den Qualitätsklassen über die Zeit wachsen, da es sich um immer breiter akzeptierte


Standards handelt. Andererseits wird vermutet, dass die Labels in ihrer preisgestaltenden Wirkung an Bedeutung verlieren, da sie sich nur indirekt auf die Fleischqualität auswirken und damit den Klassen, welche direkt mit der Fleischqualität verknüpft sind, langfristig unterlegen sind. Um diese These zu prüfen, geben wir zunächst einen Überblick über die Schweizer Klassen und Labels sowie über die Literatur zu den Auswirkungen der Klassifizierung und ihrer Organisation. Dann werden die verwendeten Daten und ökonometrischen Modelle eingeführt, deren Ergebnisse dann in einem weiteren Abschnitt vorgestellt werden. Der Beitrag endet mit Schlussfolgerungen zur Rolle des schweizerischen Qualitätssystems CH-TAX und einzelner Labels.

Klassen und Labels auf dem Rindermarkt Vorreiter bei der systematischen Bewertung von Schlachtkörpern waren eindeutig die USA, wo die ersten Empfehlungen zu Qualitätsstandards bereits 1916 veröffentlicht wurden (USDA 1997). Seit Anfang der 1980erJahre wendet man in der Europäischen Union das sogenannte EUROP-System an (Fisher 2007). Das ähnliche CH-TAX-System der Schweiz wurde auf der Grundlage von Arbeiten von Leuenberger (1980) und Schläpfer (1988) entworfen und seit den 1990er-Jahren für Rinder und Schafe angewendet. Dabei stellt C die höchste Klasse dar und beschreibt sehr vollfleischige Tiere, die man bei Rindern an ausgesprochen breiten Stotzen und Lenden sowie an stark ausgeprägten Schultern erkennt. Umgekehrt ist X die tiefste Produktklasse und wird Rindern mit schwach entwickelten Stotzen, schmalen Lenden und flacher Schulter vergeben. Während Fleischrinder fast nie mit X taxiert werden, spielt sich die Einstufung von Milchkühen zur Verarbeitung üblicherweise in den Klassen T, A und X ab. Bis 1999 waren die Schlachthäuser für die Einstufung selbst zuständig. Seit 2000 gibt es hierfür einen Leistungsauftrag des Bundes an die Branchenorganisation Proviande, die sowohl auf den Viehmärkten als auch in den Schlachthäusern bei der Taxation präsent ist. Auch über die Auslobung von Labels wird der Schweizer Fleischmarkt qualitätsgerichtet diversifiziert. Das vielleicht traditionellste Label zur Kennzeichnung biologisch erzeugter Ware ist die Knospe, die seit 1981 in der Schweiz von der Branchenorganisation Bio Suisse, einem Zusammenschluss von kantonalen und regionalen Organisationen, vergeben wird. Die wichtigsten Bedingungen bei der Rinderhaltung sind die Fütterung mit Biofutter sowie Einschränkungen bei der Verwendung von  Antibiotika.

Zusammenfassung

Klassen oder Labels? Rindfleischpreise und ­Q ualität | Agrarwirtschaft

Der Unterschied zwischen Qualitätsklassen und Qualitätslabels ist, dass letztere aufgrund von Produktionsverfahren vergeben werden, erste aufgrund des tatsächlichen Produktionsergebnisses. Da Labels stets auch mit Ideologien verknüpft sind – Bio richtet sich z. B. gegen den Produktivismus – und diese in der Gesellschaft immer weniger Gewicht haben, könnte angenommen werden, dass die Preisunterschiede zwischen Qualitätsklassen immer grösser werden, während jene zwischen Qualitätslabels eher schrumpfen. Regressionen zum Kälbermarkt einerseits und von 4180 Datensätzen des Rindermarktes andererseits bestätigten dieses Muster im Zeitraum 2000 bis 2014 weitgehend. Zwischen den einzelnen Klassen des schweizerischen Qualitätssystems CH-TAX findet im Betrachtungszeitraum eine Preisspreizung statt, während der Aufschlag für Bioprodukte schrumpft. Für die Labels TerraSuisse und QM Schweizer Fleisch wird von vornherein keine Preisdiskriminierung identifiziert.

Agrarforschung Schweiz 6 (5): 202–209, 2015

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Agrarwirtschaft | Klassen oder Labels? Rindfleischpreise und ­Q ualität

Labels

Klassen

Produktionsmethoden

Produktionsergebnis

Abb. 1 | Unterschied zwischen Labels und Klassen.

Ein Beispiel für eine neuere Entwicklung ist das Label TerraSuisse (Birrer et al. 2012), das ausschliesslich vom Detailhändler Migros verwendet wird und damit ein wenig zwischen Label und Marke steht. Im TerraSuisseProgramm sind die Landwirte verpflichtet, an den beiden staatlichen Tierwohl-Programmen «Besonders ­tierfreundliche Stallhaltungssysteme» (BTS) und «Regelmässiger Auslauf von Nutztieren im Freien» (RAUS) zu partizipieren. Der betriebliche Export von Mist und Gülle ist untersagt. Als letztes Beispiel für ein Qualitätslabel soll noch das vom Schweizerischen Bauernverband koordinierte Programm «QM Schweizer Fleisch» (QM) erwähnt werden. Mit diesem Label sind zwar keine über die gesetzlichen Auflagen hinausgehenden Anforderungen verbunden, aber es wird eine intensivere Kontrolle der Einhaltung dieser Bestimmungen vorgenommen. Was unterscheidet Klassen von Labels? Auch wenn es nur wenige Schnittmengen zwischen der Literatur zu Qualitätsklassen und Qualitätslabels gibt, lässt sich durch die Verbindung beider Forschungsgebiete doch ein wenig Aufschluss zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden gewinnen. So formuliert VanDyke (2000) optimistisch: «When agricultural grades and standards are clearly defined and used, they provide the common language for defining product value.» (Wenn landwirtschaftliche Klassen und Standards klar definiert und gebraucht werden, dann bieten sie einheitliche Begriffe zur Definition des Produktwerts.) Dieses hohe

204

Agrarforschung Schweiz 6 (5): 202–209, 2015

Erwartungsprofil wird indirekt bestätigt durch Studien, die kritisieren, dass etwa der Fettgehalt von Fleisch (und damit ein wichtiger Parameter für Konsumenten) nicht durch das vorhandene Klassifikationssystem berücksichtigt wird (Cox et al. 1990). Der wichtige Aspekt der Zuverlässigkeit der Qualitätseinstufung wird durch Chalfant und Sexton (2002) ins Zentrum gerückt. Sie stellen fest, dass Unschärfen im Klassifizierungssystem zu einer Abnahme der Preisdifferenzierung führen werden. Diese Überlegung – die Höhe von Preisunterschieden als Indikator für die Verlässlichkeit des Systems – ist für unsere Fragestellung von besonderer Bedeutung. Hier handelt es sich um eine Parallele zu Labels, bei denen die Verlässlichkeit ebenfalls eine wichtige Bedingung für ihren ökonomischen Wert darstellt (Jahn et al. 2005). Der wesentliche Unterschied zwischen Labels und Kategorien wird jedoch in Abbildung 1 illustriert: Die Labels beziehen sich im Gegensatz zur Klasse nie auf Eigenschaften des Produkts selbst, sondern auf vereinbarte und kontrollierte Eigenschaften des Produktionsprozesses. A priori liegt damit der Verdacht nahe, dass Labels über die Qualität eines Produkts weniger präzise Aussagen machen können, als das durch Qualitätsklassen möglich ist. Gerade das Beispiel des Biolabels verdeutlicht jedoch noch einen weiteren Unterschied zwischen Labels und Klassen: Die Unterschiede in der Produktionsmethode haben oft auch eine kulturell bedingte Komponente. Der Biolandbau wurde wiederholt als Herausforderung


Klassen oder Labels? Rindfleischpreise und ­Q ualität | Agrarwirtschaft

Kälber QM CHTA

18

Preis in Fr./kg SG

16

14

12 Y-Achse: Fr./kg Schlachtgewicht Klasse C Klasse H Klasse T Klasse A 2014−01

2013−01

2012−01

2011−01

2010−01

2009−01

2008−01

2007−01

2006−01

2005−01

2004−01

2003−01

2002−01

2001−01

10

Abb. 2 | Kalbfleischpreise 2000−2014 (C = höchste Klasse, A = tiefste Klasse).

des produktivistischen Systems (Clunies-Ross et al. 1994) oder als Kampf gegen Materialisierung (Darnhofer 2005) bezeichnet. Eine solche Symbolkraft haben Qualitätsklassen nicht. Auf der Makro-Ebene wird seit dem Ende des kalten Krieges gelegentlich postuliert, Ideologien würden an Bedeutung verlieren (Betz 1992; Kalinovsky und Radchenko 2011). Es liegt nahe, dass sich diese gesellschaftliche Entwicklung auch auf der Mikro-Ebene wiederfinden lässt. Dabei sind auf der Basis der oben dargestellten Zusammenhänge die Qualitätsklassen sicher entfernter von ideologischen Lagerbildungen als die diversen Labels, die quasi a priori die Überlegenheit einer bestimmten Produktionsweise postulieren. Somit soll hier die These aufgestellt werden, wonach in den vergangenen Jahren die preisbildende Bedeutung von Labels gesunken, die preisbildende Bedeutung der Qualitätsklassen jedoch gestiegen sind.

Methode Grundlage der Untersuchung sind Monatsdaten von Preisen von Rind- und Kalbfleisch in Fr. pro kg Schlachtgewicht aus dem Zeitraum 2000­­−2014, die vom Schweizerischen Bauernverband erfasst wurden. In diesem Datensatz finden sich die Preise differenziert nach Tierarten, Qualitätsklassen und verwendeten Labels.

In einem ersten Schritt wurde am Beispiel von Kalbfleisch, das sich üblicherweise in den vier obersten Qualitätsklassen bewegt, der Preisunterschied der Qualitätsklassen C, H und A zur häufigsten Kategorie T über die Zeit ökonometrisch erklärt. Der zweite Arbeitsschritt bestand in einer breiteren Erklärung der Rindfleischpreise. Aus diesem Datensatz wurden möglichst balancierte Preisdaten aus möglichst langen Zeitreihen extrahiert, was zu einer Sammlung von 4180 Preisdaten führte, die ökonometrisch erklärt wurden. Eine kleine Stichprobe der Daten findet sich am Beispiel der nach QM produzierten Kälber der Qualitätsklassen C,H, T und A graphisch in Abbildung 2. Bereits auf den ersten Blick werden saisonale Preisschwankungen sichtbar. Ausserdem fällt auf, dass die Preise im Jahr 2004 insgesamt anstiegen, nachdem die durch den Rinderwahn (BSE) bedingte Zurückhaltung der Konsumenten auf dem Kalbfleischmarkt offensichtlich abgeschlossen war. Zuletzt lässt sich aus der Grafik auch ein wachsender Unterschied zwischen den Preisen der Qualitätsklassen herauslesen. Für die ökonometrische Erklärung der einzelnen Preisbeobachtungen wurden die in Tabelle 1 zusammengestellten Variablen verwendet. Die Notwendigkeit der zeitlichen Variablen – der Strukturbruch im Jahr 2004 einerseits, die Saisonalität andererseits – ergibt sich aus der graphischen Analyse, wobei der Herbst als Referenz- 

Agrarforschung Schweiz 6 (5): 202–209, 2015

205


Agrarwirtschaft | Klassen oder Labels? Rindfleischpreise und ­Q ualität

Tab. 1 | Deskriptive Statistik Variable

Bedeutung

Zeit

Fortlaufend ab 1 = Januar 2000 (Einheit = Monate)

95,01

Jun-04

Nach Juni 2004 = 1, sonst 0

0,73

Winter

Preis aus den Monaten Dezember, Januar, Februar

0,25

Frühling

Preis aus den Monaten März, April, Mai

0,25

Sommer

Preis aus Monaten Juni, Juli, August

0,25

Kälber

Kalbfleisch = 1, sonst 0

0,20

Verarbeitung

Kühe zur Verarbeitung = 1, sonst 0

0,18

Muni

Munis = 1, sonst 0

0,24

Ochsen

Ochsen = 1, sonst 0

0,20

Markt

Verkauf auf Viehmärkten = 1, sonst 0

0,16

franko

Preis einschliesslich Lieferung an Schlachthof = 1, sonst 0

0,27

Bio

Biologische Produktion = 1, sonst 0

0,17

QM

QM Schweizer Fleisch = 1, sonst 0

0,70

TerraSuisse

Migros-Label = 1, sonst 0

0,05

C

Klasse C = 1, sonst 0

0,08

T

Klasse T = 1, sonst 0

0,51

A

Klasse A = 1, sonst 0

0,20

X

Klasse X = 1, sonst 0

0,05

Jahreszeit dient. Dass die Art der Rinder Einfluss auf die Höhe des Preises hat, liegt ebenfalls auf der Hand. Bei Kalbfleisch und Verarbeitungsfleisch handelt es sich dabei um für den Konsumenten wahrnehmbare eigene Märkte. Daher wurden für diese beiden Märkte und den grossen Markt für Bankvieh separate Erklärungsmodelle geschätzt. Gleichzeitig wurde aber auch die Möglichkeit berücksichtigt, dass für Ochsen und Munis systematisch andere Preise gezahlt werden als für die Referenz Rinder. Zwei weitere Variablen betreffen die Vermarktungswege der Tiere. Berücksichtigt wurden die Lebendviehmärkte, auf denen ein Teil der Tiere abgesetzt wird. Ausserdem liefern manche Landwirte franko an den Schlachthof, sodass die Vermutung eines Preisaufschlags naheliegt. Tab. 2 | Ergebnisse der Regression zu Kalbfleisch, 2001−2014 Variable

Koeffizient

Klasse C

0,623** (16,78)

Klasse H

0,403** (10,86)

Klasse A

−0,491** (−13,22)

Klasse C*Zeit

0,00456** (12.21)

Klasse H*Zeit

0,00334** (8,94)

Klasse A*Zeit

−0,0072** (−19,26)

** p < 0,01; t-Werte in Klammern

206

Mittelwert

Agrarforschung Schweiz 6 (5): 202–209, 2015

Die übrigen Variablen betreffen den Kern der Fragestellung. Sowohl die beschriebenen Labels Bio, TerraSuisse und QM als auch die Qualitätsklassen C, T, A, und X (mit H als Referenz) werden zur Erklärung von Preisdifferenzen verwendet. Diese sieben Variablen wurden auch mit der Zeit-Variable multipliziert, um festzustellen, ob die Preisauf- und -abschläge sich über die Zeit verändert haben.

Resultate Die explorative Analyse am Beispiel des Kalbfleischs zeigt bereits, dass es zwischen 2001 und 2014 einen wachsenden Unterschied aller untersuchter Qualitätsklassen zur Klasse T gab, im Fall der Klassen C und H natürlich nach oben, im Fall der Klasse A nach unten. In Tabelle 3 wird das umfangreichere Erklärungsmodell für Rindfleischpreise wiedergegeben, das den wachsenden Unterschied auch für die anderen Rindfleischarten bestätigt. Die Unterschiede, die hier zur Klasse H beschrieben werden, steigen etwa im Fall der Klasse T um monatlich ein Drittel Rappen pro Kilogramm. Bei Kälbern steigt der Unterschied zwischen den Preisen für T und H sogar um über einen halben Rappen pro Kilogramm und Monat. Diese Entwicklung kann bei den Qualitätslabels nicht konstatiert werden. Für Biofleisch lässt sich zwar ein ursprünglicher Mehrpreis von fast zwei Franken pro 


Klassen oder Labels? Rindfleischpreise und ­Q ualität | Agrarwirtschaft

Tab. 3 | Ergebnisse der Regressionen des Gesamtmodells

n Zeit Jun-04 Winter Frühling Sommer

Kälber

Rest

754

854

2572

0,00688**

0,0

0,00585**

0,00620**

−5,6

−1,4

−3,8

−5

0,811**

0,916**

1,37**

0,603**

−18,3

−10,2

−13,5

−14,0

−0,262**

−0,0400

−0,216**

−0,340**

(−7,54)

(−0,57)

(−2,63)

(−10,16)

−0,546**

0,434**

−1,74**

−0,438**

(−15,78)

−6,2

(−21,33)

(−13,12)

−0,518**

0,452**

−1,96**

−0,323**

(−14,99)

−6,4

(−24,05)

−9,7

−132,5

Verarbeitung

−1,39** (−25,74) −0,153**

Muni Ochsen

−0,170**

(−3,62)

(−4,90)

0,704**

0,715**

−14,6 0,418**

Markt Franko

−17,1 −0,189

0,126*

−5,6

(−1,25)

−2,0

−0,309**

0,529**

−0,532

(−6,77)

−4,0

(−11,81)

1,84**

Bio

1,93**

−14,5

QM TerraSuisse Klasse C Klasse T Klasse A Klasse X Bio*Zeit QM*Zeit TerraSuisse*Zeit Klasse C*Zeit Klasse T*Zeit Klasse A*Zeit Klasse X*Zeit Constant

†p< 0,1;

Verarbeitung

4180

5,42**

Kälber

R2

Gesamt

−15,0

−0,149

−0,885**

−0,379**

(−1,27)

(−5,01)

(−2,95)

0,4

0,3

−1,1

−0,9

0,329**

0,2

−2,8

−0,1

−0,941**

2,50**

0,699** −5,8 −0,876**

−9,5

−19,5

−0,938**

1,04**

−0,785**

−1,01†

(−10,29)

−7,3

(−3,82)

(−1,76)

−2,27** −17,9

(−10,13)

Referenz

−0,00466**

−0,00806**

(−4,49)

(−6,93)

−0,00265**

−0,00237*

(−2,62)

(−2,22)

0,0

−0,00291

−1,5

(−1,30)

0,00192†

0,0

−1,7 −0,00312**

−0,000707

−0,000990

−0,6

(−0,89)

−0,00585**

−0,00163*

−9,5

(−0,55)

(−3,62)

(−2,27)

−0,00352**

−0,00104

−0,106**

−0,00139*

(−4,14)

(−0,71)

(−5,49)

(−1,76)

7,90**

3,02**

14,31**

8,21**

−57,6

−24,1

−126,9

−59,2

0,9

0,8

0,7

0,7

−0,00560** (−17,94)

*p < 0,05; **p < 0,01; t-Werte in Klammern

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Agrarwirtschaft | Klassen oder Labels? Rindfleischpreise und ­Q ualität

kg beobachten. Dieser sinkt aber monatlich um etwa einen halben Rappen. Noch prekärer sieht es für die übrigen Labels aus. Weder für TerraSuisse noch für QM, das immer mehr zur Basisqualität geworden ist, lässt sich gegenüber konventioneller Ware ein systematischer Mehrpreis belegen. Dagegen zeigen die Ergebnisse, dass für QM-Ware immer geringere Preise ausgezahlt wurden. Die Kontrollvariablen im Modell ergeben einige zusätzliche interessante Erkenntnisse. Dazu gehört die unterschiedliche Saisonalität der Preise. Während für Kälber der höchste Preis im Winter ausgezahlt wird, sollte man Verarbeitungskühe im Frühling oder Sommer verkaufen, um einen hohen Preis zu erzielen. Auf dem Rindfleischmarkt erwirtschaften Ochsen gut 70 Rappen mehr als Rinder, die ihrerseits leicht über den Munis liegen. Und während der Verkauf auf den Viehmärkten aus landwirtschaftlicher Sicht rentabel zu sein scheint, ist es die Lieferung ans Schlachthaus nicht. Franko gelieferte Tiere werden im Schnitt mit 30 Rappen/kg weniger bezahlt.

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Schlussfolgerungen Die empirischen Ergebnisse bestätigen die Hypothese weitgehend, wonach Preisunterschiede zwischen den Qualitätsklassen steigen, jene zwischen den Qualitätslabels sinken. Die einzige Einschränkung, die gemacht werden muss, ist die Erkenntnis, dass bestimmte Qualitätslabels, wie QM Schweizer Fleisch oder TerraSuisse, von vornherein keine positive Preisdiskriminierung erlauben. Der Bund investiert seit dem Jahr 2000 jährlich vier Millionen Franken dafür, dass alle Rinder und Schweine von unabhängiger Stelle taxiert werden. Die wachsenden Preisunterschiede zwischen den Qualitätsklassen können als Indiz dafür gewertet werden, dass dieses Geld die Qualitätsstrategie der Schweizer Landwirtschaft in Bezug auf den Rindermarkt unterstützt. n


Classi o marchi? Prezzi della carne di manzo e qualità La differenza tra classi di qualità e marchi di qualità consiste nel fatto che questi ultimi vengono assegnati sulla base del processo produttivo, le prime, invece, sulla base dell'effettivo risultato della produzione. Poiché i marchi sono costantemente legati anche a ideologie (per esempio la contrapposizione tra biologico e produttivismo) e queste ultime rivestono sempre meno importanza nella società, è lecito presupporre che, mentre le differenze di prezzo tra le classi di qualità continuano ad aumentare, quelle tra i marchi di qualità tenderanno a ridursi. Le analisi di regressione effettuate sul mercato dei vitelli, da una parte, e su 4180 set di dati del mercato dei bovini, dall'altra, confermano ampiamente questo schema tra il 2000 e il 2014. Nel periodo di osservazione, si registra infatti un ampliamento del range dei prezzi tra le singole classi del sistema di qualità svizzero CH-TAX, mentre diminuisce il rincaro dei prodotti biologici. Per i marchi «TerraSuisse» e «GQ Carne Svizzera» non viene, fin da principio, rilevata nessuna discriminazione di prezzo.

Literatur ▪▪ Betz H.-G., 1992. Postmodernism and the New Middle Class. Theory, Culture & Society 9 (2), 93−114. ▪▪ Birrer S., Balmer O., Chevillat V., Graf R., Hagist D., Jahrl I., Jenny M., Pfiffner L. & Zellweger-Fischer J., 2012. Mit Vielfalt punkten – Jahresbericht 2011, Schweizerische Vogelwarte, Sempach & Forschungsinstitut für biologischen Landbau, Frick. ▪▪ Bystricky M., Alig M., Nemecek T. & Gaillard G., 2014. Ökobilanz ausgewählter Schweizer Landwirtschaftsprodukte im Vergleich zum Import. Agroscope Science 2. Agroscope, Zürich. ▪▪ Chalfant J.A. & Sexton R.J., 2002. Marketing Orders, Grading Errors and Price Discrimination. American Journal of Agricultural Economics 84 (1), 53−66. ▪▪ Clunies-Ross T., Cox G. & Lowe P., 1994. Challenging the Productivist Paradigm: Organic Farming and the Politics of Agricultural Change. In: Regulating Agriculture (Ed. P. Lowe, T. Marsden & S. Whatmore). David Fulton Publishers, London. ▪▪ Cox L.J., McMullen B.S. & Garrod P.V., 1990. An Analysis of the Use of Grades and House Brand Labels in the Retail Beef Market. Western Journal of Agricultural Economics 15 (2), 245−253. ▪▪ Darnhofer I., 2005. Organic Farming and Rural Development: Some ­Evidence from Austria. Sociologia Ruralis 45 (4), 308−323. ▪▪ Fisher A., 2007. Beef carcass classification in the EU: an historical perspective. In: Evaluation of Carcass and Meat Quality in Cattle and Sheep (Ed. C. Lazzaroni, S. Gigli & D. Gabina). Wageningen Academic Publications, Wageningen.

Summary

Riassunto

Klassen oder Labels? Rindfleischpreise und ­Q ualität | Agrarwirtschaft

Grades or labels? Beef prices and quality The difference between quality grades and quality labels is that the latter are awarded on the basis of production processes, whilst the former are conferred on the strength of the actual production results. In the course of a de-ideologisation of society, it might be assumed that the price differences between quality grades would grow larger and larger, while those between quality labels would tend to shrink. Regressions for the calf market on the one hand and for 4180 cattle-market datasets on the other largely confirm this pattern between 2000 and 2014. In the period under consideration, a price spread occurs between the individual grades of the CH-TAX system, whilst the surcharge for organic products shrinks. No price discrimination is identified a priori for ‘Terrasuisse’ and ‘QM’ labels. Key words: labels, grades, beef, quality.

▪▪ Jahn G., Schramm M. & Spiller A., 2005. The Reliability of Certification: Quality Labels as a Consumer Policy Tool. Journal of Consumer Policy 28 (1), 53−73. ▪▪ Kalinovsky A.M. & Radchenko S., 2011. The End of the Cold War and the Third World. Taylor and Francis, New York. ▪▪ Leuenberger H., 1980. Schlachtkörperwert und Fleischqualität verschiedener Rassen und Kreuzungen des Rindes. ETH Zürich, Zürich. ▪▪ Lobsiger M. & Wyss U., 2008. Werte und Image der graslandbasierten Milchproduktion. Zugriff: http://www.lfl.bayern.de/mam/cms07/ipz/­ dateien/aggf_2008_lobsiger_wyss.pdf [12.12.2014]. ▪▪ Ortner H.M., 2000. The human factor in quality management. Accreditation and Quality Assurance 5 (4), 130−141. ▪▪ Schläpfer E., 1988. Bewertung und Einschätzung von Schlachttieren der Kategorien Kühe, Jungbullen und Kälber unter schweizerischen Verhältnissen. ETH Zürich, Zürich. ▪▪ USDA, 1997. United States Standards for Grades of Carcass Beef. U.S. ­D epartment of Agriculture, Washington. ▪▪ VanDyke J.E., 2000. The role of grades and standards . In: China in the Global Economy. Ed: Organisation for Economic Cooperation and Development OECD, Paris.

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209


P f l a n z e n b a u

Ramularia collo-cygni – ein neuer Schadpilz der Gerste Peter Frei und Katia Gindro Agroscope, Institut für Pflanzenbauwissenschaften IPB, 1260 Nyon Auskünfte: Peter Frei, E-Mail: peter.frei@agroscope.admin.ch

Starker Ramularia -Befall auf Sommergerste (Sorte Célinka).

Einleitung Sprenkelnekrosen werden nördlich der Alpen bereits seit den 1990er-Jahren beobachtet und ihre Verbreitung nimmt seither kontinuierlich zu. Als Symptome erscheinen an den Blättern, die am stärksten lichtexponiert sind,

210

Agrarforschung Schweiz 6 (5): 210–217, 2015

zuerst kleine nekrotische Flecken von einigen Millimetern Durchmesser zu Beginn des Ährenschiebens (BBCH51) und ab Beginn der Blüte der Kultur (>BBCH61). Bei günstigen klimatischen Bedingungen und insbesondere bei einem Wechsel von sehr sonnigen und bedeckten Abschnitten können sich diese Nekrosen sehr schnell auf der gesamten Blattoberfläche ausbreiten und eine vorzeitige Alterung des Blattes zur Folge haben, wobei die Fähigkeit zur Photosynthese und zu Stoffwechselvorgängen verloren geht. Diese drastische Entwicklung von Blattnekrosen kann durch quantitative und qualitative Beeinträchtigungen der Ernte hohe Ausfälle von über 20 % verursachen. Während langer Zeit wurden Blattnekrosen bei Getreide auf Störungen der Physiologie zurückgeführt. Ende des 19. Jahrhunderts beschrieb Cavara (Cavara 1892) einen neuen Pilz, den er aus dem Gewebe von Nekrosen auf den Blättern von Gerstenkulturen im Norden Italiens isolierte, und gab ihm den Namen Ophiocladium hordei. Ab 1986 gibt es Berichte über das Auftreten des Pilzes in der Schweiz, später wurde er in allen Ländern nördlich der Alpen beobachtet. Inzwischen wurde der Pilz von Ophiocladium hordei zu Ramularia collo-cygni umbenannt. Sprenkelnekrosen bei Gerste werden hauptsächlich durch den Pilz Ramularia collo-cygni hervorgerufen, der das phytotoxische Molekül Rubellin D produziert (Miethbauer et al. 2003). Sie können aber auch durch physiologischen Stress aufgrund von ungünstigen klimatischen Bedingungen ausgelöst werden. Im Falle einer fehlenden Sporenbildung lässt sich die Entstehung der Flecken allerdings nicht eindeutig auf biotische oder abiotische Stressfaktoren zurückführen. Seit 2002 gelten Sprenkelnekrosen offiziell als Pflanzenkrankheit, deren Schadschwelle erreicht wird, wenn erste Flecken auf den letzten drei Blättern sichtbar werden. Als erstes Fungizid gegen Sprenkelnekrosen wurde in der Schweiz 2003 Chlorothalonil zugelassen. Dieser Kontext veranlasste Agroscope, die Biologie, Epidemiologie und Übertragung dieser Krankheit und den Zusammenhang mit Nekrosen physiologischer Ursachen zu erforschen.


Ramularia collo-cygni – ein neuer Schadpilz der Gerste | Pflanzenbau

Physiologisch verursachte und krankheitsbedingte Sprenkelnekrosen Durch Ramularia collo-cygni verursachte Sprenkelnekrosen Mit den durchgeführten Forschungsarbeiten konnten bereits Daten zur Biologie und zum Lebenszyklus von Ramularia collo-cygni gesammelt werden (Abb. 1). Einige Punkte sind allerdings noch nicht geklärt. Dieser Pilz kann als Endophyt betrachtet werden, der sich in der Wirtspflanze entwickelt, ohne Symptome auszulösen. Das Spektrum der möglichen Wirtspflanzen ist breit und wird immer grösser. Die wichtigsten betroffenen Kulturen sind die Getreidearten Gerste, Weizen, Triticale, Hafer und Mais (Huss 2008), sowie zahlreiche weitere Gramineen wie Mäuse-Gerste (Hordeum murinum), Kriech-Quecke (Agropyron repens), Raygras (Lolium sp.), Rispengräser (Poa sp.) und Gemeiner Windhalm (Apera spica-venti). Versuche mit künstlichen Infektionen unter kontrollierten Bedingungen haben gezeigt, dass derselbe Stamm von R. collo-cygni ohne besondere Präferenzen eine Vielzahl verschiedener Wirtspflanzen infizieren kann. Bei der Gerste erscheinen die ersten Symptome an lichtexponierten Blättern zwischen der Phase des Ährenschiebens und dem Ende der Blüte. Bei feuchtem Wetter produziert der Pilz auf der Unterseite der Blätter grosse Mengen von Sporen. Dazu bildet der Pilz kleine weissli-

BBCH 0 Präsenz im Saatgut

BBCH 12 Nachweisbar mittels PCR ohne Symptome

Zusammenfassung

Resultate

Sprenkelnekrosen gefährden Gerstenkulturen und führen zu bedeutenden qualitativen und quantitativen Ertragseinbussen. Die Symptome können durch physiologischen Stress verursacht werden, aber in erster Linie sind sie auf den Befall durch den Pilz Ramularia collo-cygni zurückzuführen. Bei fehlender Sporenbildung können die zwei Arten von Blattnekrosen praktisch nicht voneinander unterschieden werden. Um den Schadpilz zu bekämpfen, hat Agroscope eine breit angelegte Studie zur Untersuchung seiner Biologie lanciert. Der Pilz wurde durch molekulare Analytik ab den frühesten Entwicklungsstadien verfolgt. Dabei zeigte sich, dass er über das Saatgut übertragen werden kann. Zudem wurden neue Verbreitungsformen entdeckt, deren Rolle für die Epidemiologie und das Überleben des Pilzes noch untersucht werden muss. Es wurden Fungizidversuche mit unterschiedlichen Applikationsstrategien durchgeführt. Diese haben gezeigt, dass eine einzige Behandlung ab dem Stadium BBCH37 genügt, um die Sprenkelnekrosen wirksam zu bekämpfen, sofern die Kultur nicht noch von weiteren Blattkrankheiten betroffen ist.

BBCH 25–31 Sporulation auf absterbenden Blättern

BBCH 37–51 Schutz durch Fungizid-Behandlung

BBCH >77

BBCH 69–73

Sporulation auf absterbenden Blättern

Symptome auf Ähren und Grannen

BBCH (41)–51 Symptome auf den Blättern

Abb. 1 | Entwicklungszyklus von Ramularia collo-cygni gemäss Walters (Walters et al . 2008, ­verändert).

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Pflanzenbau | Ramularia collo-cygni – ein neuer Schadpilz der Gerste

Abb. 2 | Auf geliertem Nährmedium von Ramularia collo-cygni produzierte verbreitungsfördernde Strukturen. A. Sklerotien (20–40 µ m). B. Mikrokonidien (2 µ m), getragen von Konidiophoren. C. Chlamydosporen (6–10 µ m). D. Vergrösserter Ausschnitt aus C.

che Büschel von Konidiophoren aus, die aus den Blattöffnungen austreten und jeweils nur eine einzige Spore tragen. Auf mikroskopischer Ebene haben die Konidiophoren eine Schwanenhals-Form, die dem Pilz seinen Namen eingetragen hat (collo-cygni = Schwanenhals). Die Sporen können nun weitere Pflanzen infizieren. Nur in dieser Phase lassen sich die Sprenkelnekrosen-Symptome eindeutig auf den Befall mit dem Pilz zurückführen. Bei einem starken Befall sind Flecken auch auf Grannen, Körnern und Blattscheiden an der Halmbasis zu beobachten. In sehr seltenen Fällen können die ersten Flecken im Frühling auf den alternden grundständigen Blättern der Pflanzen am Ende der Stadien Bestockung und Schossen (BBCH25 bis BBCH32) auftreten. In diesen

Fällen sind die sporenbildenden Flecken leicht rötlich und lassen sich sicher unterscheiden von den Symptomen anderer bekannter Krankheiten der Gerste wie Netzfleckenkrankheit (Pyrenophora teres), Rhynchosporium-Blattfleckenkrankheit (Rhynchosporium secalis) und Echter Mehltau (Erysiphe graminis). Bestehende molekularbiologische Tests konnten so angepasst werden, dass der Pilz bereits vor dem Auftreten der ersten Symptome frühzeitig nachgewiesen werden kann (Havis et al. 2006; Frei et al. 2007). Wie Laboruntersuchungen zeigten, können die Keimlinge entweder durch im Herbst produzierte Sporen oder bereits als Saatgut infiziert worden sein. Tatsächlich wurde die Pilz-DNA im Perikarp, Mehlkörper und Embryo der Körner nachge-

Tab. 1 | Verwendete Fungizide gegen Ramularia collo-cygni in den Versuchen mit Behandlung

212

Produkt

Menge / ha

Bravo 500

1,5 l

Proline

Wirkstoff

2007

2008

2009

2010

2011

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

Chlorothalonil 41,0 % (500g/l)

X

0,8 l

Prothioconazol 25,0 % (250 g/l)

Opera

1,75 l

Pyraclostrobin 12,5 % (133g/l) Epoxiconazol 4,7 % (50g/l)

Cherokee

2,5 l

Propiconazol 5,17 % (62,5 g/l) Cyproconazol 4,13 % (50,0 g/l) Chlorothalonil 31,0 % (375 g/l)

Aviator Xpro

1,25 l

Bixafen 7,5 % (75 g/l) Prothioconazol 15,0 % (150 g/l)

Bell

1,5 l

Boscalid 20,8 % (233 g/l) Epoxiconazol 6,0 % (67 g/l)

Agrarforschung Schweiz 6 (5): 210–217, 2015

2012

2013

X

X

X

X

X X X


Ramularia collo-cygni – ein neuer Schadpilz der Gerste | Pflanzenbau

Tab. 2 | Relative Erträge der bei Gerste in Goumoëns-la-Ville von 2007 bis 2013 durchgeführten Versuche gemäss den verschiedenen ­Strategien zur Bekämpfung von Ramularia collo-cygni (nicht behandelt = 100 %) 2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

Behandlung bei BBCH

Behandlung bei BBCH

Behandlung bei BBCH

Behandlung bei BBCH

Behandlung bei BBCH

Behandlung bei BBCH

Behandlung bei BBCH

Produkt Dosis

37–41

45–51

37–41

45–51

37–41

45–51

37–41

45–51

37–41

45–51

37–41

45–51

37–41

45–51

Proline 0,8 l/ha

138

129

120

128

106

110

106

110

116

114

Opera 1,75 l/ha

119

131

110

122

107

104

107

104

115

111

131

120

119

117

Bell 1,5 l/ha

129

129

123

121

120

117

Bravo 1,5 l/ha

120

112

Cherokee 2,5 l/ha

119

122

Aviator Xpro 1,25 l/ha

99

104

Hellblau gefärbte Zellen: Statistisch signifikanter Mehrertrag.

wiesen. Dies würde bedeuten, dass sich der Pilz bereits während der Keimung des Samens entwickeln kann und während des Wachstums der Pflanze schrittweise das Pflanzengewebe besiedelt. Das Myzel von R. collo-cygni wächst interzellulär und zerstört die Zellen der Wirtspflanze nicht. Die Nekrotisierung des Blattes wird hauptsächlich durch Phototoxine ausgelöst, die vom Pilz produziert werden. Diese Moleküle, die zur Familie der Rubelline gehören (Miethbauer et al. 2003), zerstören nach ihrer Aktivierung durch Licht die Zellmembranen. Diese Aktivierung erklärt, weshalb die oberen, lichtexponierteren Blätter zuerst die typischen Symptome ent-

wickeln, bei denen einige Millimeter messende, längliche braune Flecken entstehen, die von einem gelben Saum umgeben sind. R. collo-cygni lässt sich nur schwer isolieren, da dies erst in der sporenbildenden Phase möglich ist. Das Pilzmyzel lässt sich hauptsächlich auf gelierten Nährmedien wie PDA (Potato Dextrose Agar) oder SBA (Straw Bran Agar, Spreu und Weizenkleie) bis zur Sporenproduktion kultivieren. Beobachtungen auf mikroskopischer Ebene bei alten Kulturen auf PDA haben gezeigt, dass der Pilz verschiedene Sporentypen wie Chlamydosporen, Konidien und Mikrokonidien produziert (Abb. 2), die als sel- 

Tab. 3 | Relative Erträge der bei Gerste in Changins von 2007 bis 2013 durchgeführten Versuche gemäss den verschiedenen Strategien zur Bekämpfung von Ramularia collo-cygni (nicht behandelt = 100 %). In den Versuchen von 2007 und 2013 wurde wegen ungünstiger klimatischer Bedingungen nicht geerntet. 2008

2009

2010

2011

2012

Behandlung bei BBCH

Behandlung bei BBCH

Behandlung bei BBCH

Behandlung bei BBCH

Behandlung bei BBCH

Produkt Dosis

37–41

45–51

37–41

45–51

37–41

45–51

37–41

45–51

Proline 0,8 l/ha

136

133

103

108

105

108

103

108

Opera 1,75 l/ha

124

126

103

103

101

108

105

108

Bell 1,5 l/ha

37–41

45–51

109

106

100

101

Bravo 1,5 l/ha Cherokee 2,5 l/ha Aviator Xpro 1,25 l/ha

132

135 107

103

Hellblau gefärbte Zellen: Statistisch signifikanter Mehrertrag.

Agrarforschung Schweiz 6 (5): 210–217, 2015

213


Pflanzenbau | Ramularia collo-cygni – ein neuer Schadpilz der Gerste

Tab. 4 | Befallsrate von Blattkrankheiten der Gerste in nicht behandelten Parzellen der Versuche bei Gerste in Changins (CHA) und ­G oumoëns-la-Ville (GIV) von 2007 bis 2013 gemäss den verschiedenen Strategien zur Bekämpfung von Ramularia collo-cygni Jahr 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013

Standort

Rhynchosporium

Helminthosporium

Sprenkelnekrosen

CHA

---

---

---

GlV

gering

hoch

hoch

CHA

sehr gering

sehr gering

hoch

GlV

sehr gering

sehr gering

hoch

CHA

sehr gering

sehr gering

gering

GlV

sehr gering

sehr gering

gering gering

CHA

sehr gering

sehr gering

GlV

sehr gering

sehr gering

gering

CHA

sehr gering

sehr gering

gering

GlV

sehr gering

sehr gering

gering

CHA

sehr gering

sehr gering

gering

GlV

sehr gering

sehr gering

gering

CHA

sehr hoch

gering

hoch

GlV

sehr hoch

gering

gering

ten gelten (Salamati und Raitan 2006). Auf SBA kann die Bildung einer sehr grossen Menge kleiner Sklerotien (100 bis 300 µm) beobachtet werden. Die Rolle dieser verschiedenen Fortpflanzungseinheiten im epidemiologischen Lebenszyklus von R. collo-cygni muss noch geklärt werden. Ausserdem könnten die Mikrokonidien die Rolle von Spermatien bei der Bildung der geschlechtlichen Form des Pilzes spielen, aber dies muss noch nachgewiesen werden. Physiologisch verursachte Sprenkelnekrosen (Physiological Leaf Spots, PLS) Physiologische Flecken, auch Pollenflecken genannt, galten lange als Hauptursache für die Austrocknung der

Blätter. PLS (Physiological Leaf Spots) sind Flecken, die durch physiologische Faktoren verursacht werden, d.h. für die Entwicklung der Symptome sind keine Mikroorganismen verantwortlich (Obst et al. 1995; Wu & v. Tiedemann 2002). Diese Flecken können auftreten, wenn es zu abrupten Wechseln von bedecktem Himmel und starker Sonneneinstrahlung kommt. Bei solchen schnellen Wechseln der klimatischen Bedingungen öffnen sich die Stomata nicht schnell genug, wodurch es zu einer sehr schnellen Akkumulation Freiere Radikale (reaktive Sauerstoffspezies = ROS) mit phytotoxischer Wirkung kommt (Obst et al. 1995). Diese Moleküle führen auf sonnenexponierten Blättern zu Nekrosen, indem sie die Zellmembranen zerstören.

50 P. teres F

Befallsrate in %

45 40

R. secalis F-2

35

P. teres F-1

30

Sprenkelnekrosen F

25

P. teres F-2

20

Sprenkelnekrosen F-1

15

R. secalis F

10

Sprenkelnekrosen F-2

5

R. secalis F-1

0 2008

2009

2010 2011 Beobachtungsjahr

2012

2013

Abb. 3 | Befallsrate, Durchschnitt des prozentualen Anteils der befallenen Blattoberfläche von 50 Blättern pro Blatt­ etage bei den verschiedenen Blattkrankheiten der Gerste in den nicht behandelten Versuchsflächen in Changins (BBCH 69-73). P. teres: Pyrenophora teres (Netzfleckenkrankheit); R. secalis: Rhynchosporium secalis (Rhynchosporiose); Sprenkelnekrose: Ramularia collo-cygni (Ramularia-Blattflecken). F: Fahnenblatt; F-1: zweites Blatt; F-2: drittes Blatt.

214

Agrarforschung Schweiz 6 (5): 210–217, 2015


Ramularia collo-cygni – ein neuer Schadpilz der Gerste | Pflanzenbau

Durch die Wechselwirkung von ROS mit den durch R. collo-cygni produzierten Rubellinen kommt es zu einer fortschreitenden Zerstörung der Membranen und der Zellen und damit zu einer drastischen Einschränkung der Photosynthese durch die Blätter (Miethbauer et al. 2003). Bekämpfung der Sprenkelnekrosen Empfindlichkeit verschiedener Sorten Bisher wurden keine Unterschiede zwischen den Sorten von Winter- und Sommergerste beschrieben. Einzig der Zeitpunkt, zu dem die Sprenkelnekrosen auftreten, ist je nach Reifezeitpunkt der Sorten unterschiedlich. Sprenkelnekrosen erscheinen immer am Ende der Blüte und deshalb bei frühreifen Sorten entsprechend früher. Rund dreissig europäische Sorten von Winter- und Sommergerste wurden jedes Jahr im Zeitraum von 2006 – 2009 an verschiedenen Standorten in fünf europäischen Ländern angebaut (Deutschland, Österreich, Dänemark, Schottland und Schweiz). In der Schweiz erfolgte der Anbau an den beiden Westschweizer Standorten Nyon und Goumoëns-la-Ville. Aufgrund der grossen Bandbreite des Reifezeitpunkts der verschiedenen Sorten wurden diese Versuche während der Anbauperiode zu drei verschiedenen Zeitpunkten geprüft (BBCH51, 69 und 83). Ein Überblick über diese Beobachtungen (BBCH 51 bis BBCH 83) zeigt, dass alle Sorten mehr oder weniger empfindlich gegenüber Sprenkelnekrosen sind, die durch R. collo-cygni verursacht werden.

Befallsrate in %

Fungizid-Versuche Im Rahmen der Zulassungsversuche von Agroscope (2007 bis 2013) wurden zwei Behandlungsprogramme evaluiert. In einer ersten Serie wurde im Stadium BBCH37

(Erscheinen des Fahnenblattes) behandelt oder wenn die Schadschwelle für Blattkrankheiten überschritten wurde (Auftreten der ersten Sprenkelnekrosen auf den letzten drei Blättern). Bei einer weiteren Serie erfolgte die Behandlung ab Stadium BBCH45 (Blattscheide des Fahnenblattes geschwollen), vorzugsweise eine einzige Behandlung an der Grenze des letzten zugelassenen Stadiums BCH51 (Beginn des Ährenschiebens, Grannen sichtbar). In jedem Jahr wurden an den Standorten Changins (CHA) und Goumoëns-la-Ville (GlV) randomisierte Versuche (4 Wiederholungen pro Verfahren, Sorte Plaisant) durchgeführt. Die Parzellen mit einer Fläche von 9 m² wurden mit Hilfe einer Rückenspritze mit den in Tabelle 1 aufgeführten Produkten behandelt (300 l/ ha). In den nicht behandelten Parzellen wurde jedes Jahr eine epidemiologische Untersuchung durchgeführt. Die Ergebnisse sind auf der Website www.agrometeo.ch, unter der Rubrik Ackerbau / Gerste publiziert. Zwei Versuche in Changins mussten aufgrund eines starken Befalls mit dem Gelbverzwergungsvirus (2007) und wegen des Hagelunwetters vom 21. Juni 2013 abgebrochen werden. Im siebenjährigen Versuchszeitraum war der Ertrag in Goumoëns-la-Ville bei fünf Versuchen signifikant höher als bei den nicht-behandelten Kontrollflächen, mit einem maximalen Mehrertrag von 38 % im Jahr 2007 (Tab. 2). In Changins dagegen erbrachte die Behandlung nur gerade in einem einzigen Fall im Jahr 2008 einen leicht höheren Ertrag (Tab. 3). Diese Ergebnisse lassen sich mit dem Druck durch die verschiedenen Blattkrankheiten der Gerste, die in Tabelle 4 zusammengefasst sind, sowie mit der Befallsrate von Sprenkelnekrosen in den  Versuchen erklären (Abb. 3 und 4).

50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0

P. teres F R. secalis F Sprenkelnekrosen F P. teres F-1 R. secalis F-1 Sprenkelnekrosen F-1 P. teres F-2 R. secalis F-2 Sprenkelnekrosen F-2 2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

Beobachtungsjahr

Abb. 4 | Befallsrate, Durchschnitt des prozentualen Anteils der befallenen Blattoberfläche von 50 Blättern pro Blatt-­ e­t age bei den verschiedenen Blattkrankheiten der Gerste in den nicht behandelten Versuchsflächen in Goumoëns-la-Ville (BBCH 69-73). P. teres: Pyrenophora teres (Netzfleckenkrankheit); R. secalis: Rhynchosporium secalis (Rhynchosporiose); Sprenkelnekrose: Ramularia collo-cygni (Ramularia-Blattflecken) und PLS (Physiological Leaf Spots). F: Fahnenblatt; F-1: zweites Blatt; F-2: drittes Blatt.

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215


Pflanzenbau | Ramularia collo-cygni – ein neuer Schadpilz der Gerste

Schlussfolgerungen Obwohl neue Erkenntnisse zur Biologie und Epidemiologie von Ramularia collo-cygni gewonnen werden konnten und neue molekularbiologische Tests zum frühzeitigen Nachweis des Krankheitserregers zur Verfügung stehen, bleibt im Hinblick auf eine gezieltere Bekämpfung eine Reihe von Fragen offen. Die Antworten auf diese Fragen sind umso wichtiger, als die Erreger offenbar durch das Saatgut von einer Kultur auf die andere übertragen werden können und der Pilz bereits im Embryo latent vorhanden sein kann. Noch ist nicht bekannt, durch welche Faktoren der Übergang vom Zustand als Endophyt zum Verhalten als Krankheitserreger ausgelöst wird. Diese Faktoren sind aber entscheidend für die Ausbreitung des Pilzes und die Ertragseinbussen. Eine in Deutschland durchgeführte Studie hat gezeigt, dass

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Agrarforschung Schweiz 6 (5): 210–217, 2015

R. collo-cygni bereits in Saatgut von 1960 vorhanden war (Hess M., persönliche Mitteilung). Auch die genaue Rolle des Toxins, das vom Pilz insbesondere in seiner virulenten Phase bei Gerste produziert wird, muss noch geklärt werden. Die zur Verfügung stehenden zugelassenen Fungizide sind bei der Bekämpfung des Pilzes wirksam. Die Versuche von Agroscope haben gezeigt, dass eine einzige Fungizidanwendung nach dem Stadium BBCH37 im Allgemeinen genügt, um die Entwicklung des Pilzes zu beschränken. Wenn in der Parzelle vor dem Stadium BBCH37 kein massiver Befall mit Rhynchosporium, Helminthosporium, Mehltau oder Zwergrost auftritt, ist diese einzige Behandlung, die das Fahnenblatt schützt, ausreichend. Eine spezifische Behandlung wird dagegen empfohlen, wenn vor dem Stadium BBCH37 ein hoher Druck durch eine dieser Krankheiten bestand. n


Ramularia collo-cygni, un nuovo patogeno fungino dell’orzo Essendo causa di cali significativi di resa, sia sul piano quantitativo che qualitativo, le bruciature fogliari rappresentano una seria minaccia per le colture di orzo. Benché gli stessi sintomi possano anche essere dovuti a uno stato di stress di natura fisiologica, le cause sono da ricercare in primo luogo nella presenza del fungo Ramularia collo-cygni. In mancanza della sporulazione, tuttavia, è praticamente impossibile distinguere tra questi due tipi di necrosi fogliare. Per combattere questo patogeno, Agroscope ha avviato un ampio studio volto ad approfondire le conoscenze sulla sua biologia. Grazie a un monitoraggio del fungo fin dalle primissime fasi della coltivazione per mezzo di un esame genetico-molecolare, è stato possibile scoprire che la trasmissione può avvenire attraverso i semi. Sono state poi individuate anche altre modalità di diffusione, pur restando ancora da chiarire quale ruolo svolgano sul piano epidemiologico e della sopravvivenza del fungo. Una serie di test fungicidi, realizzati mettendo in atto differenti strategie d’applicazione, ha dimostrato che, in assenza di altre malattie fogliari nella coltivazione, un unico trattamento a partire dalla fase BBCH37 è del tutto sufficiente per risolvere con efficacia il problema delle bruciature fogliari dell’orzo.

Literatur ▪▪ Cavara F., 1892. Über einige parasitische Pilze auf dem Getreide. Zeitschrift für Pflanzenkrankheiten III, 16–25. ▪▪ Frei P., Gindro K. G., Richter H. & Schürch S., 2007. Direct-PCR detection and epidemiology of Ramularia collo-cygni associated with barley ­n ecrotic leaf spots. Journal of Phytopathology 155, 281–8. ▪▪ Havis N., Oxley S. J. P. , Piper S. R. & Langrell S. R. H., 2006. Rapid nested PCR-based detection of Ramularia collo-cygny direct from barley. FEMS Microbiology Letters 256, 217–23. ▪▪ Huss H., 2008. Die Sprenkelkrankheit nun auch auf Mais. Der Pflanzenarzt 11-12, 6–7. ▪▪ Miethbauer S., Heiser I. & Liebermann B., 2003. The phytopathogenic fungus Ramularia collo-cygni produces biologically active Rubellins on ­i nfected barely leaves. Journal of Phytopathology 151, 665–8.

Summary

Riassunto

Ramularia collo-cygni – ein neuer Schadpilz der Gerste | Pflanzenbau

Ramularia collo-cygni, a new pathogenic fungus of barley Leaf spot constitutes a threat to barley cultivation, leading to significant quantitative and qualitative yield losses. Although these symptoms can be due to physiological stress, they are primarily caused by infestation with the Ramularia collo-cygni fungus. In the absence of sporulation, these two types of leaf necrosis are practically impossible to tell apart. In order to control the pathogen Ramularia collo-cygni, Agroscope has launched a major study to learn more about its biology. The fungus was monitored by molecular analysis from the earliest stages of cultivation, allowing us to ascertain that it can be transmitted by seed. New forms of transmission of the disease have also been discovered whose roles in the epidemiology and survival of the fungus have yet to be determined. Fungicide trials have been conducted with different application strategies. These have shown that, in the absence of other leaf diseases in the crop, a single treatment from the BBCH 37 (flag-leaf) stage onwards is sufficient for the effective control of barley leaf spot. Key words: Ramularia collo-cygni, biology, barley, fungicides.

▪▪ Obst A., Baumer M. & Huber G., 1995. Nichtparasitär bedingte Blattverbräunungen bei Gerste – ein Problem mit zunehmender Bedeutung. ­G esunde Pflanzen 74, 308–14. ▪▪ Salamati S. & Raitan L., 2006. Ramularia collo-cygni on spring barley, an overview of its biology and epidemiology. Proccedings, 1 European ­R amularia Workshop Göttingen, 19-35. ▪▪ Walters D., Havis N. & Oxley S. P., 2008. Ramularia collo-cygni: the biology of an emerging pathogen of barley. FEMS Microbiology Letters 279, 1–8. ▪▪ Wu Y-X. & von Tiedemann A., 2002. Evidence for oxidative stress invoved in physological leaf spot formation in winter and spring barley. Phytopathology 145, 145-55.

Agrarforschung Schweiz 6 (5): 210–217, 2015

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G e s e l l s c h a f t

Das landwirtschaftliche Wissenssystem in der Schweiz neu gestalten Robert Obrist, Heidrun Moschitz und Robert Home Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL, 5070 Frick, Schweiz Auskünfte: Robert Obrist, E-Mail: robert.obrist@fibl.org

Wissensaustausch anlässlich einer Maschinenvorfühung. (Foto: Marion Nitsch)

Einleitung Neue Aufgaben für landwirtschaftliche Wissenssysteme Landwirtschaftliche Wissenssysteme (LWS) umfassen die Gesamtheit öffentlicher und privater Institutionen und Organisationen, deren Zweck die Forschung, Bildung und Beratung im Landwirtschaftssektor ist (Buess et al. 2011; Hermans et al. 2015). Im Rahmen der agrarpolitischen Reformen Ende des letzten Jahrhunderts rückte die nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raums in den Fokus der LWS. Aufgaben von technisch-produktionsorientierten Fragestellungen bis zu Umweltfragen wurden neu definiert. Aktivitäten wurden entwickelt, die allgemeine Wirtschafts- und Managementkompetenzen erforderten (Brunori et al. 2013). Diese Verschiebung des Fokus zeigte sich mit der Bindung der Direktzahlungen an den ökologischen Leistungsnachweis ab dem Jahr 1999 auch in der Schweiz (BLW 2009). Das aktuelle Ziel des schweizerischen LWS ist es, Grundlagenwissen sowohl für die

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Agrarforschung Schweiz 6 (5): 218–223, 2015

Produktion von qualitativ hochwertigen Lebensmitteln wie auch für die Sicherung öffentlicher Güter bereitzustellen, einschliesslich Tierschutz sowie Erhaltung von Kulturlandschaften und der Vitalität des ländlichen Raums (Schweizerischer Bundesrat 2012). Als Leitprinzip wurde das Konzept eines «integrierten Ernährungssystems» entwickelt, welches auf Nachhaltigkeit basiert und robust gegen äussere Störungen sein soll (Lötscher 2012). Die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung stellt sich als eine komplexe Aufgabe dar, bei der neue Lösungsansätze in der Landwirtschaft gleichzeitig mehrere Ziele verfolgen müssen. Innovationen für nachhaltige und lokal angepasste Lösungen entstehen aus der Kombination von politischen Rahmenbedingungen, wissenschaftlichen Erkenntnissen und Erfahrungswissen (Moschitz et al. 2015). Das Ziel dieses Beitrags ist zu untersuchen, wie das LWS in der Schweiz diese Herausforderungen angeht und wo Optimierungsbedarf besteht, um eine nachhaltige ländliche Entwicklung zu unterstützen. Indem wir


das gesamte System des landwirtschaftlichen Wissens betrachten, richten wir unseren Fokus darauf, wie die einzelnen Akteurinnen und Akteure im System interagieren und was diese Interaktionen fördert oder hemmt. Zunächst präsentieren wir die aktuelle Situation des LWS in der Schweiz und stellen Ergebnisse aus einem Workshop zu fördernden und hemmenden Faktoren im LWS für eine nachhaltige Entwicklung vor. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen werden Vorschläge für die Weiterentwicklung des LWS präsentiert. Das aktuelle landwirtschaftliche Wissenssystem in der Schweiz Der Informationsaustausch zwischen Institutionen, die für die Umsetzung von Gesetzen und Verordnungen zuständig sind, findet regelmässig statt und ist gut formalisiert (mit offizieller Teilnahmeliste, Traktanden und Protokoll). Die Treffen dienen dem Informationsfluss von «unten» (kantonale Ebene) nach «oben» (Bundesebene), was notwendig ist, da die Agrarpolitik weitgehend auf Bundesebene gemacht, aber auf kantonaler Ebene umgesetzt wird. Die wichtigsten Plattformen und Arbeitsgruppen bringen jeweils die Direktionen, Leitungen oder Vertretungen der verschiedenen relevanten Departemente und Fachabteilungen zusammen (z.B. Konferenz der Landwirtschaftsämter, verschiedene Arbeitsgruppen auf Bundesebene für Strukturverbesserung, Ressourceneffizienz, Direktzahlungen etc.). Vertreterinnen und Vertreter der Bundesbehörden sind üblicherweise ständige Gäste in diesen Gruppen. Der Wissensaustausch zu produktionstechnischen Fragen findet vor allem in Arbeitsgemeinschaften, Kommunikations- und Kooperationsplattformen statt, die von verschiedenen Institutionen koordiniert werden. Diese Plattformen dienen in erster Linie dem Erfahrungsaustausch und der Diskussion über gemeinsame Projekte und technische Entwicklungen in der Landwirtschaft. Innovative Projekte werden oftmals von Ad-hoc-Plattformen und -Arbeitsgruppen getragen und können auf Initiative einer oder mehrerer Institutionen des LWS, von Kantonen oder Einzelakteuren starten (Barjolle 2011; Buess et al. 2011). Beispiele für solche innovative Projekte können Bauernmärkte oder CSA-Projekte (Community Supported Agriculture = gemeinschaftlich gestützte Landwirtschaft) sein. Zunehmend werden auch weitere Stakeholder einbezogen. So sind an Fachtagungen des FiBL auch die Produktmanager des Dachverbands (Bio Suisse), Verarbeiterinnen (z.B. Getreidemühlen) und Vermarkter (Grossverteiler) in einer aktiven Rolle einbezogen. Damit steigen das gegenseitige Verständnis und die Bereitschaft zur gemeinsamen Problemlösung.

Zusammenfassung

Das landwirtschaftliche Wissenssystem in der Schweiz neu gestalten | Gesellschaft

Das landwirtschaftliche Wissenssystem (LWS) in Europa war und ist auch heute noch häufig gekennzeichnet von der Idee des linearen Wissenstransfers von der Wissenschaft zu den Landwirten. Mit der Wende in der Agrarpolitik und der Einführung der Kopplung zwischen Umweltleistungen und Direktzahlungen am Ende des 20. Jahrhunderts haben sich insbesondere in der Schweiz neue Strukturen entwickelt. Unser Ziel in diesem Beitrag ist aufzuzeigen, welche Faktoren die Erneuerung des aktuellen LWS in der Schweiz beeinflussen, damit Innovationen für eine multifunktionale und nachhaltige ländliche Entwicklung unterstützt werden können. In einem Workshop mit Vertreterinnen und Vertretern der verschiedenen Akteure des LWS wurde eine kollektive «Innovation System Performance Matrix» erarbeitet. Die Ergebnisse erlauben die Schlussfolgerung, dass sich ein Wechsel im Rollenverständnis der Beteiligten in Wissenschaft, Beratung und Ausbildung entwickelt: von reinen Informationsübermittlern zu Moderierenden, welche neues Wissen gemeinsam mit verschiedenen Akteuren produzieren. Um diesen Paradigmenwechsel zu vollziehen, braucht es eine entsprechende Weiterentwicklung des LWS auch in der Schweiz. Das Vorgehen bei der Auswahl von Forschungsthemen, die effiziente und effektive Durchführung von praxisorientierter Forschung, die Aufbereitung der Forschungsergebnisse, die Diskussion mit den Stakeholdern und die gemeinsame Umsetzung müssen noch genauer ausgestaltet werden.

Methode Um zu analysieren, welche Faktoren des LWS eine effi­ zientere Unterstützung von Innovationen für eine nachhaltige Landwirtschaft und Entwicklung des ländlichen Raums fördern oder hemmen, wurde im Rahmen des europäischen Forschungsprojektes SOLINSA1 (www. solinsa.net) ein Workshop mit zwölf Akteuren unterschiedlicher Interessengruppen des LWS durchgeführt. Im Workshop kam die Methode der kollektiven Innova-  1 Das Forschungsprojekt SOLINSA «Agricultural Knowledge Systems in Transition: Towards a more effective and efficient support of learning and innovation networks for sustainable agriculture» (www. solinsa.net) wurde finanziell unterstützt durch die Europäische Kommission (7. Forschungsrahmenprogramm, Grant Agreement Nr. 266306).

Agrarforschung Schweiz 6 (5): 218–223, 2015

219


Gesellschaft | Das landwirtschaftliche Wissenssystem in der Schweiz neu gestalten

Angewandte Forschung, Plattformen

Ausbildung

Umwelt

Kantone

ETH Grundlagenforschung

ETHZ

BLW Forschung und Beratung

Agroscope FiBL

Konferenz der kantonalen Landwirtschaftsdirektoren

Landwirtschaftsämter

SBFI Bildung, Forschung, Innovation

Universitäten, Fachhochschulen

Fachhochschulen OdA AgriAliForm

Landwirtschaftsschulen

BAFU/BLW Umwelt

ETH, Universitäten

AGRIDEA FiBL

Natur- und Umweltschutzämter

SECO Ländliche Entwicklung

Universitäten, Fachhochschulen

regiosuisse

Kantonale Ämter

BLV Tiergesundheit

Universitäten

Gesundheitsdienste

Kantonsveterinär

BAG Gesundheit der Bevölkerung

ETH

Ländliche Entwicklung

Veterinär

Öffentliche Gesundheit

Nutrinet

Privatwirtschaftlich

Kantonale Beratungsdienste

Kantonschemiker

Medien, NGOs, Private- und Firmenberatung, Berufsorganisationen, Kontroll- und Zertifizierungs-firmen

Grundlagenforschung

Interkantonal

Landwirtschaftsbetriebe

Bund

Abb. 1 | Das landwirtschaftliche Wissenssystem Schweiz, gegliedert nach Finanzierungsquellen (Barjolle 2011, ergänzt).

tion System Performance Matrix zur Anwendung, wie sie im Handbuch «Reflexive Monitoring in Action» (Mierlo et al. 2010) beschrieben ist. Während die Abbildung 1 die Struktur des LWS darstellt, dient diese Matrix dazu, die Funktionen und Interaktionen im LWS systematisch auf fördernde und hemmende Faktoren für eine nachhaltige Entwicklung zu analysieren (Tab. 1). Dabei befinden sich in den Spalten die relevanten Akteure des Systems (hier Bauernverbände, Beratung, landwirtschaftliche Schulen u.a.), in den Zeilen werden verschiedene Aspekte des Systems dargestellt: ••«Infrastruktur» im LWS meint die physische Infrastruktur, zum Beispiel Kommunikationsstrukturen zwischen Instituten und der Landwirtschaft, Transportwege, Einrichtungen für Forschung und Entwicklung oder die Finanzierung öffentlicher und privater Forschung. ••Der «gesetzliche Rahmen» umfasst die formalisierten Regeln des Systems, beispielsweise die landwirtschaftlichen Direktzahlungen. ••Unter «sozialen Institutionen» verstehen wir die Werte, Normen und kulturellen Aspekte, die beeinflussen, wie die Akteurinnen und Akteure miteinander kommunizieren, wie «gute Praxis» interpretiert wird und wie man miteinander geschäftet. ••«Interaktionen» meint die Art und Weise, wie Akteure interagieren und zusammenarbeiten. Das können lose Verbindungen oder eng geflochtene Netzwerke sein. Hierbei geht es sowohl um vertikale (zwischen

220

Agrarforschung Schweiz 6 (5): 218–223, 2015

Akteurinnen unterschiedlicher Ebenen) wie auch horizontale Beziehungen (zwischen Akteuren der gleichen Ebene). ••«Fähigkeiten» umschreibt die technischen und organisatorischen Fähigkeiten der Akteure, mit Neuerungen umzugehen und diese gegebenenfalls in ihre Praxis zu integrieren. Hierzu zählen etwa Unternehmertum und eine angemessene Ausbildung. ••«Marktstruktur» bezieht sich auf das Zusammenwirken zwischen Marktakteuren, hier zwischen Anbietenden und Nachfragenden von Wissen. Das Raster für die LWS-Matrix wurde auf ein grosses Poster aufgezeichnet. Dann wurden alle Anwesenden gebeten, die aus ihrer Sicht fördernden oder hemmenden Faktoren des LWS für eine effizientere Unterstützung der nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raums mithilfe von Klebezetteln im Raster einzutragen. Das Ergebnis wurde diskutiert, Zettel wurden umgruppiert oder neu formuliert. Am Ende stand eine Matrix, die die Gesamtheit der Perspektiven der anwesenden Stakeholder zur Situation des LWS in der Schweiz wiedergibt. Neben diesem gemeinsam erarbeiteten und anerkannten Ergebnis ist ein weiterer Effekt der angewandten partizipativen Herangehensweise, dass sich alle Akteurinnen und Akteure ein Bild der Perspektiven der anderen Teilnehmenden machen können. Obwohl die gewählte Methode explizit auch nach den Schwächen


Das landwirtschaftliche Wissenssystem in der Schweiz neu gestalten | Gesellschaft

Tab. 1 | Die Innovation System Performance Matrix des LWS der Schweiz mit der Anzahl fördernder (+) und hemmender (–) Faktoren zur ­U nterstützung einer nachhaltigen Entwicklung Akteur Aspekt Infrastruktur Gesetzlicher Rahmen Soziale Institutionen Interaktionen Fähigkeiten Marktstruktur

Landwirte/ Landwirtinnen

Bauernverbände

Branchenverbände

Staatliche Stellen

+

– +

Beratungsdienste

Berufsbildungsschulen

Hochschulen

Forschungsanstalten

+

+

+

+

Akteure der Wertschöpfungskette

Zu­ lieferer

NGOs

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––

+ –

Die Anzahl der (+) bzw. (–) gibt die Menge der fördernden bzw. hemmenden Faktoren wieder: ( ) keine; (+) 1–2; (+)(+) 3–4; (+)(+)(+) 5 und mehr.

des Systems fragt, führt die fehlende Anonymität in Workshop-Situationen tendenziell dazu, dass positive Aspekte stärker betont werden. Starke Kritik an den vertretenen Institutionen wurde während des Workshops vermieden.

Resultate Tabelle 1 zeigt das Ergebnis der Innovation System Performance Matrix für das LWS in der Schweiz in einer verkürzten Übersicht. Zu sehen sind die Faktoren des LWS der Schweiz, die Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raums fördern (+) oder hemmen (–). Im Folgenden werden die wichtigsten fördernden und hemmenden Faktoren beschrieben; eine vollständige Darstellung aller Faktoren ist aus Platzgründen hier nicht möglich. Am meisten fördernde Faktoren im LWS der Schweiz finden sich gemäss den am Workshop Teilnehmenden bei den vier Aspekten Infrastruktur, soziale Institutionen, Interaktionen und Marktstruktur. Die gute Ressourcenausstattung und stabile finanzielle Infrastruktur, insbesondere der Bildungs- und Forschungseinrichtungen, ermöglicht es, Personen mit hoher Kompetenz und Motivation zu engagieren. Gesicherte staatliche Direktzahlungen bieten Landwirtinnen und Landwirten finanzielle Ressourcen, um neue Ideen zu verwirklichen. Grundsätzlich sind alle Akteure offen, von anderen zu lernen und mit ihnen zusammenzuarbeiten – eine Voraussetzung für Innovation. Die Landwirte wurden allgemein als experimentierfreudig beschrieben. Neben diesen positiven Eigenschaften im Aspekt «soziale

Institutionen» wird die Interaktion zwischen den Akteuren verbreitet positiv bewertet. So ist Beratungsdiensten und Berufsbildungsschulen gemeinsam, dass sie gute Beziehungen zu Wissenschaft und Praxis unterhalten, wenn diese auch ausbaufähig erscheinen. Der Informationsaustausch zwischen Institutionen, die für die Umsetzung von Gesetzen und Verordnungen zuständig sind, findet regelmässig statt, ist gut formalisiert und stellt den Austausch zwischen der kantonalen und der Bundesebene sicher. Der Wissensaustausch zu produktionstechnischen Fragen findet vor allem in Arbeitsgemeinschaften, Kommunikations- und Kooperationsplattformen statt, die von verschiedenen Institutionen koordiniert werden. Diese Plattformen dienen in erster Linie dem Erfahrungsaustausch und der Diskussion über gemeinsame Projekte und technische Entwicklungen in der Landwirtschaft (Barjolle 2011). Aber auch informelle Kontakte zwischen den Akteuren spielen eine wichtige Rolle und fördern häufig Innovationen. Weitere wichtige fördernde Faktoren sind das generell hohe Ausbildungsniveau der Landwirtinnen und Landwirte (Aspekt «Fähigkeiten»), sowie die Verankerung des Nachhaltigkeitsprinzips in der Politik der Schweiz («gesetzlicher Rahmen»). Die häufigsten Hemmnisse für eine nachhaltige Entwicklung sind Faktoren, welche die Risikobereitschaft einschränken. Diese finden sich in den Aspekten «gesetzlicher Rahmen», «Marktstruktur» und wiederum «Interaktionen» – ein Aspekt, der differenziert diskutiert wurde. Starke Regulierungen in der Landwirtschaft führen bei allen Akteurinnen und Akteuren zu einer hohen Belastung mit rechtlichen und administrativen Aufga-

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Gesellschaft | Das landwirtschaftliche Wissenssystem in der Schweiz neu gestalten

ben, was den Raum für kreative Neuentwicklungen und Experimente einschränkt. Am «Wissensmarkt» spielt zwar ein Wettbewerb zwischen Angebot und Nachfrage, der die Qualität des Angebots erhöht, aber in Zeiten von Veränderungen im Wissenssystem verhalten sich viele Akteure defensiv und wenig innovativ, da sie davon ausgehen, dass dies ihre Überlebenschancen erhöht. Bezüglich der Beratungsdienste wurde vermerkt, dass Kurse mit Fokus auf Methodenkompetenzen schwer «verkauft» werden können, obwohl hier ein Schlüssel für nachhaltige Innovationen liege. Innovationshemmende Faktoren im Bereich Interaktion sind nach Meinung der Stakeholder vor allem der geringe Austausch innerhalb staatlicher Stellen sowie zwischen Beratung, Hochschulen und Forschungsanstalten in den Bereichen Forschung, Ausbildung und Beratung. Zudem seien die Akteure zu wenig offen für eine Zusammenarbeit ausserhalb bestehender Netzwerke; beispielsweise wurde darauf hingewiesen, dass landwirtschaftliche Organisationen keine Forschung finanzieren. Ausserdem fehle eine Rückkopplung zwischen den die Akteurinnen und Akteuren der Wertschöpfungskette und jenen der Forschung. Ein weiterer hemmender Faktor scheint interessant: Trotz der anerkannt guten Ausbildung der Landwirte wurde bemängelt, dass diese zu wenig als Unternehmerinnen und Unternehmer ausgebildet sind, was innovatives Verhalten für eine nachhaltige Entwicklung einschränkt.

Diskussion und Schlussfolgerungen Heute sind die landwirtschaftlichen Beratungsdienste in der Schweiz in erster Linie auf produktionstechnische Aspekte fokussiert. Dabei spielt die verkaufsorientierte Beratung im Bereich landwirtschaftlicher Produktionsmittel (Dünge-, Pflanzenschutz-, Futtermittel etc.) eine wichtige Rolle. Beratung im Bereich Betriebsentwicklung und -strategie findet häufig zum Zeitpunkt des Generationenwechsels statt. Bereits heute und sicher auch in Zukunft verändern sich die Rahmenbedingungen immer schneller, angetrieben durch die Politik (z.B. Liberalisierung der Märkte), die Gesellschaft (z.B. Nachfrage nach Umweltleistungen) oder die Natur (z.B. Klimaänderung). Damit verstärken sich auch die Anforderungen an die unternehmerischen Fähigkeiten der betriebsleitenden Personen. Zunehmend steht dabei die Entwicklung betriebsindividueller Strategien im Vordergrund. Dafür sind Kenntnisse der Stärken und Schwächen der mitarbeitenden Personen von zentraler Bedeutung. Die bestehenden vielfältigen Weiterbildungsangebote im Bereich Unternehmensführung und -entwicklung sollten in Zukunft vermehrt genutzt werden.

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Die unterschiedlichen Fähigkeiten der Auszubildenden werden in der Grundbildung mit den beiden Bildungswegen «Eidgenössisches Fähigkeitszeugnis» und «Attest» berücksichtigt. Da der Unterricht in separaten Klassen erfolgt, haben kleine Schulen zunehmend Mühe, die vorgegebenen Mindestschülerzahlen zu erreichen. Die Zahl landwirtschaftlicher Betriebe sinkt von Jahr zu Jahr. Sowohl im Pflanzenbau als auch in der Tierhaltung spezialisieren sich die Betriebe immer mehr. Die kantonalen Beratungsdienste müssen sich diesen Entwicklungen mit entsprechender Spezialisierung und neuen Kompetenzen anpassen. Die heutigen und vor allem die künftigen Herausforderungen in Bildung und Beratung sind nur mit einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen den Kantonen zu bewältigen. Dabei sind die Kompetenzen aktiver und künftiger Beratungspersonen im Dienste der Kantone zu ergänzen. Neben Spezialistinnen und Spezialisten in produktionstechnischen Bereichen und Fragen der Unternehmensführung und -entwicklung sind künftig Fachleute gefragt, die in der Lage sind, Entwicklungen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft zu initiieren, zu moderieren und zu unterstützen. In der Forschung sollten vermehrt Anreize und Möglichkeiten geschaffen werden, das Erfahrungswissen aus der landwirtschaftlichen Praxis in die Forschungsarbeit einzubeziehen. Wie Home und Moschitz (2013) darstellen, braucht es hierfür eine Reihe von Massnahmen, die sowohl bei den einzelnen Forschenden wie auch bei den politischen und institutionellen Rahmenbedingungen ansetzt. Dies würde beispielsweise bedingen, dass in der Forschungsförderung nicht mehr nur die wissenschaftliche Exzellenz der Antragstellenden geprüft wird, sondern auch ihre Fähigkeiten, mit der Praxis zusammenzuarbeiten. Auch sollten Projekte verstärkt gefördert werden, die eine Zusammenarbeit von Forschung und Praxis beinhalten. Dies kann in der Umsetzung aber nur dann zu Erfolgen führen, wenn Aspekte des Wissensaustausches zwischen Forschung und Praxis in die Ausbildung der Forschenden, der Beratungsleute und der Landwirtinnen und Landwirte integriert werden. Alle Akteure müssen befähigt werden, sich über die Grenzen ihres Arbeitsbereiches hinweg auszutauschen und unter Einbezug der unterschiedlichen Wissenskulturen Innovationen in einem gemeinsamen Lernprozess zu entwickeln (siehe auch Fry et al. 2011; Moschitz et al. 2015). n


Ridefinire il sistema della conoscenza in agricoltura in Svizzera Il sistema della conoscenza in agricoltura (SCA) in Europa era ed è tuttora spesso caratterizzato dall’idea del trasferimento lineare delle conoscenze dalla scienza agli agricoltori. Con la svolta della politica agricola e con l’introduzione della relazione tra prestazioni ambientali e pagamenti diretti alla fine del 20° secolo si sono sviluppate, soprattutto in Svizzera, nuove strutture. L’obiettivo del presente contributo è di indicare i fattori che influiscono sul rinnovamento dell’attuale SCA in Svizzera affinché possano essere sostenute innovazioni per uno sviluppo rurale multifunzionale e sostenibile. In un workshop con rappresentanti dei diversi attori dello SCA è stata elaborata una collettiva «Innovation System Performance Matrix». I risultati permettono di concludere che è in corso un cambiamento della percezione dei ruoli da parte dei partecipanti per quanto riguarda la scienza, la consulenza e la formazione: da semplici trasmettitori di informazioni a moderatori che producono nuove conoscenze assieme a diversi attori. Per realizzare questo cambiamento d’impostazione è necessario che lo SCA si sviluppi ulteriormente in tal senso anche in Svizzera. Il procedimento per quanto riguarda la scelta dei temi di ricerca, l’attuazione efficace e incisiva della ricerca orientata alla pratica, l’elaborazione dei risultati della ricerca, la discussione con le parti interessate e la realizzazione comune va ulteriormente definito.

Summary

Riassunto

Das landwirtschaftliche Wissenssystem in der Schweiz neu gestalten | Gesellschaft

Reconfiguring the agricultural knowledge system in Switzerland The Agricultural Knowledge System (AKS) in Europe has been, and often continues to be, characterised by the idea of linear knowledge transfer from science to farmers. Particularly in Switzerland, new structures have arisen as a result of the turnaround in agricultural policy and the introduction at the end of the twentieth century of cross-compliance between the provision of environmental services and direct farm payments. The aim of this paper is to illustrate the factors impacting on the reform of Switzerland’s current AKS, with a view to supporting innovation for multifunctional and sustainable rural development. A collective Innovation System Performance matrix was developed in a workshop with representatives of the various AKS stakeholder groups. From the results, we can reasonably conclude that a change is underway in the understanding of the role of stakeholders in science, extension and education, with the latter progressing from mere conveyors of information to facilitators who generate new knowledge jointly with the various actors. In Switzerland as elsewhere, the AKS must be reconfigured in order to achieve this paradigm change. There is still a need to shape more clearly the choice of research topics, the efficient and effective performance of practice-oriented research, the processing of research results, stakeholder discussions, and joint implementation. Key words: agricultural knowledge system, innovation, system performance matrix, stakeholder interactions.

Literatur

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K u r z b e r i c h t

Vom Labor in die Praxis: Internationaler Kongress zur Fortpflanzung von Mensch und Tier David Kradolfer1, Martin Kaske2 und Susanne E. Ulbrich1 1 ETH Zürich, Institut für Agrarwissenschaften, Professur für Tierphysiologie, 8092 Zürich, Schweiz 2 Rindergesundheitsdienst, Vetsuisse-Fakultät Zürich, 8057 Zürich, Schweiz Auskünfte: Susanne E. Ulbrich, E-Mail: seu@ethz.ch

Die Teilnehmenden der Februartagung im Gebäude der Agrarwissenschaft LFW der ETH Zürich. (Foto: Jochen Bick)

Mehr als 200 Fachleute aus agrarwissenschaftlicher und biomedizinischer Grundlagenforschung und klinischer Tiermedizin trafen sich in Zürich, um an der Februartagung die neusten Fortschritte auf dem Gebiet der Physiologie und Pathologie der Fortpflanzung auszutauschen. Im Anschluss fand am Tierspital ein Fortbildungskurs zum Thema «Fruchtbarkeit der Milchkuh» statt.

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Mit 216 Teilnehmenden aus 13 Ländern lag das Interesse deutlich über den Erwartungen. Vielfältig waren nicht nur die Herkunft der Teilnehmenden, sondern auch die vorgestellten Forschungsgebiete. Neben der Humanmedizin war die Reproduktion von Nutztieren wie Rindern, Schweinen und Pferden das Thema vieler Beiträge. Es wurden jedoch auch neue Erkenntnisse zu Kaninchen, Hunden, Luchsen und Dromedaren präsentiert.


Vom Labor in die Praxis: Internationaler Kongress zur Fortpflanzung von Mensch und Tier | Kurzbericht

Schnittstelle zwischen Grundlagenforschung und klinischer Forschung Ein besonderes Anliegen der Organisatoren war es, die Zusammenarbeit zwischen Grundlagenforschung und klinischer Forschung zu fördern. Die beiden Herangehensweisen können als komplementär betrachtet werden, weil sie mitunter mit den gleichen Werkzeugen an die gleichen Fragestellungen herangehen, aber mit durchaus unterschiedlicher Motivation. Der Blick des einen ist für die klinische Anwendung eines Problems geschärft und therapeutische Aspekte des Kranken stehen im Vordergrund. Die Motivation des anderen hingegen zielt darauf ab, ursächliche Mechanismen des Gesunden zu klären. Letztere können zunächst ohne klinische Anwendung sein, aber Grundlage für neue klinisch wirksame Präparate leisten. Für die Aspekte der Physiologie und Pathologie der Fortpflanzung bei Mensch und Tier ist beides unverzichtbar. Auch sind die verschiedenen untersuchten Tier­ modelle ausgesprochen hilfreich, um für die jeweilige Tierart an sich und auch für den Menschen neue Hypothesen abzuleiten. In der Fortpflanzungsmedizin von Mensch und Tier steigt die Nachfrage nach Behandlungen zwar ungebrochen an, viele grundsätzliche Regulationsmechanismen sind aber unzureichend oder gar nicht aufgeklärt. Die Anerkennung der gegenseitigen Kompetenzen trägt dazu bei, dass ein gemeinsamer Fortschritt eines so komplexen Geschehens wie der Fortpflanzung erzielt werden kann. Die Rolle des Immunsystems in der Fortpflanzung Ein Schwerpunkt der Tagung war das mütterliche Immunsystem, welches für die Fruchtbarkeit von grosser Bedeutung ist. Eröffnet wurde das Thema von Claire Wathes (Royal Veterinary College, Herts, UK) mit einem Gastvortrag über den Einfluss von metabolischem Stress auf das Immunsystem von Milchkühen. Der Energieverbrauch einer Kuh ist um die Geburt herum derart gross, dass er nur über den Abbau von körpereigenen Reserven gedeckt werden kann. Dies hat zur Folge, dass die Anzahl an neutrophilen Granulozyten, spezialisierten Immunzellen, im Blut abnimmt und die Kuh für Infektionen anfälliger wird. Dies ist insbesondere ein Problem, da während und nach der Geburt durch den geöffneten Geburtskanal Bakterien in den Reproduktionstrakt eindringen können. Bei etwa 20 – 30% der Kühe kommt es daher nach der Geburt zu einer Metritis, der Entzündung der Muskelschicht der Gebärmutter und nachfolgend zu einer Endometritis, einer Entzündung der Gebärmutterschleimhaut, welche die Fertilität der Kuh reduzieren. Studien deuten darauf hin, dass auch Viren eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Gebärmut-

terschleimhautentzündungen und Fruchtbarkeitsstörungen spielen. So wurde gezeigt, dass eine Infektion mit dem weit verbreiteten BVDV-Virus, welches eine gefährliche Durchfallerkrankung auslösen kann, die Anschaltung von Genen verhindert, welche für die Immunabwehr und die Erhaltung der frühen Schwangerschaft benötigt werden. Einen anderen Aspekt zur Endometritis präsentierte der Gastreferent Mats Troedsson (University of Kentucky, USA). Bei Stuten führt die Besamung zu einer vorübergehenden Entzündung der Gebärmutterschleimhaut, welche sich bei fruchtbaren Stuten nach 24 bis 36 Stunden wieder zurückbildet. Dies ist ein normaler physiologischer Prozess, welcher den Uterus von eingedrungenen Spermatozoen und Bakterien befreit. Etwa 10% der Stuten, meist ältere Tiere, entwickeln jedoch eine länger anhaltende Endometritis. Ist diese fünf Tage nach der Ovulation, das heisst zu dem Zeitpunkt, an dem der Embryo vom Eileiter in die Gebärmutter übertritt, noch nicht abgeklungen, hat dies niedrige Trächtigkeitsraten zur Folge. Schwangerschaft und Diabetes In einem weiteren Hauptvortrag beleuchtete Anne Navarrete Santos (Martin-Luther-Universität, Halle-Wittenberg, Deutschland) den Effekt von Diabetes während der Schwangerschaft. Diabetes Typ I führt bei Frauen zu vermehrten Schwangerschaftskomplikationen und Fruchtbarkeitsstörungen. Nebst diesen direkten Auswirkungen auf den Embryo, gibt es auch langfristige Effekte 

Kasten 1 | Februartagung Vom 11. bis 14. Februar 2015 fanden in Zürich die jährlich stattfindende internationale 48. Jahrestagung Physiologie und Pathologie der Fortpflanzung und die 40. Veterinär-­ Humanmedizinische Gemeinschaftstagung, ­sowie die beiden Satellitensymposien Reproduktion beim Pferd und Fruchtbarkeit der Milchkuh statt. Die Gruppe Tierphysiologie der ETH Zürich von Professorin Susanne Ulbrich und die Klinik für Reproduktionsmedizin der Universität Zürich von Professor Heiner Bollwein waren Gastgeber dieser Februartagung.

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Kurzbericht | Vom Labor in die Praxis: Internationaler Kongress zur Fortpflanzung von Mensch und Tier

Abb. 1 | Die Organisatoren Heiner Bollwein, Klinik für Reproduktionsmedizin der Universität Zürich (links) und Susanne Ulbrich, Professur Tierphysiologie der ETH Zürich (rechts) mit den drei Preisträgern Jan-Dirk Haeger (Mitte, bester Vortrag Postdoc, Tierärztliche Hochschule Hannover), Killian Simmet (2. v. r., bester Vortrag Doktorierende, Ludwig-Maximilians Universität München) und Jochen Bick (2. v. l., bestes Poster, ETH Zürich). (Foto: Stefan Bauersachs)

über eine metabolische Programmierung. So sind Kinder und Erwachsene vermehrt von Übergewicht und Diabetes betroffen, wenn ihre Mutter während der Schwangerschaft an Diabetes litt. Die Embryonalentwicklung des Kaninchens ist derjenigen des Menschen sehr ähnlich, daher eignet es sich gut als Tiermodell. Mit Hilfe von diabetischen Kaninchen können so die molekularen Veränderungen im Embryo während der Schwangerschaft untersucht werden. Dies ist eine wichtige Voraussetzung, um eine für den Embryo und die Mutter optimale Behandlung des Schwangerschaftsdiabetes zu finden. Satellitensymposium «Fruchtbarkeit der Milchkuh» Nach dem erfolgreichen Abschluss der Februartagung fand am folgenden Samstag eine eintägige Fortbildungsveranstaltung speziell für praktizierende Tierärzte in der Vetsuisse-Fakultät Zürich statt, die vom Rindergesundheitsdienst (RGD) der Schweiz organisiert worden war. Im Fokus stand die Fruchtbarkeit der Milchkuh. Das Interesse der Schweizer Praktiker war weit grösser als

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erwartet. Stellvertretend für den RGD konnte deren gegenwärtiger Leiter Martin Kaske über 100 Inhaber von Grosstierpraxen, Assistenten und Studierende begrüssen; etliche Anmeldungen konnten tatsächlich aufgrund der begrenzten Kapazität des Hörsaals leider nicht angenommen werden. Im Rahmen des Programms am Vormittag referierte zunächst Heiner Bollwein, Universität Zürich, über Sinn und Unsinn unterschiedlicher Hormontherapien bei Kühen mit ovariellen Störungen bedingt durch inaktive Ovarien, einer verzögerten Ovulation oder zystische Ovarfollikel. Er konnte mit Beispielen aus der Literatur und Ergebnissen eigener Studien eindrucksvoll belegen, dass der überlegte Einsatz von Prostaglandinen, GnRH und Progesteronsupplementen bei eindeutiger Indikation die Chancen für eine erfolgreiche Besamung deutlich erhöhen kann; andererseits gibt es auch zahlreiche in der Praxis eingesetzte Protokolle zur Zyklussynchronisierung und Besamung, deren Wirksamkeit nie belegt werden konnte. Es folgten Vorträge über therapeutische Optionen bei chronischer Endometritis und den


Vom Labor in die Praxis: Internationaler Kongress zur Fortpflanzung von Mensch und Tier | Kurzbericht

Wert der sonographischen Diagnostik zum Zeitpunkt der Besamung. Ulrich Witschi von der Swissgenetics stellte neue Ergebnisse vor, die belegten, dass sex-sorted Sperma in der Praxis zu befriedigenden Besamungserfolgen führt, so dass der Einsatz für den Kunden wirtschaftlich definitiv Sinn macht. Die bisherigen Erfahrungen mit dem Einsatz von SpermVital sind noch nicht eindeutig; die Auswertungen weisen jedoch auf einen besseren Erfolg bei zu früher Besamung hin. Im Beitrag von Marion Piechotta, Tierärztliche Hochschule Hannover, wurden das Potenzial sowie die Limitierungen der Trächtigkeitsdiagnostik durch Bestimmung der Konzentration von PAG (Pregnancy associated glycoproteins) in der Milch von Kühen dargestellt. Sicher wird diese Methode in der Zukunft immer bedeutender werden. Nach der Mittagspause standen Themen im Vordergrund, die weniger das Einzeltier als vielmehr die Herde betreffen. Maren Feldmann von der Tierärztlichen Hochschule Hannover erläuterte zunächst die Bedeutung von Fertilitätskennzahlen zur Beurteilung der aktuellen Herdenfruchtbarkeit und zur Erkennung spezifischer Problemfelder. Entsprechend vermitteln die Mittelwerte zu Rastzeit, Serviceperiode, Erstbesamungserfolg und die Abgangsrate wegen Infertilität einen guten Überblick, wobei fast alle Zahlen wesentlich durch die Brunsterkennungsrate beeinflusst werden. Die grosse Bedeutung der Stoffwechselsituation von Kühen in der Frühlaktation für die Fertilität wurde in den folgenden zwei Vorträgen von Rupert Bruckmaier, Veterinärphysiologie der Universität Bern und Martin Kaske, Vetsuisse-Fakultät Zürich hervorgehoben. Tatsächlich lässt sich mit steigender Milchleistung der Population ein negativer Einfluss auf Kenngrössen der Herdenfruchtbarkeit nachweisen. Eine zentrale Rolle spielt dabei die negative Energiebilanz von Hochleistungskühen während den ersten Laktationswochen. Aber auch entzündliche Erkrankungen ausgehend von der Milchdrüse oder Gebärmutter sind wichtige Ursachen für unbefriedigende Besamungserfolge. Andererseits aber gilt, dass gerade in Betrieben mit überdurchschnittlicher Milchleistung häufig eine befriedigende Herdenfruchtbarkeit nachweisbar ist – ein klares Indiz für die immense Bedeutung des Managements für die Vereinbarkeit von Tiergesundheit, Fertilität, langer Nutzungsdauer und hoher Leistung. Entsprechend wurden in den beiden letzten Beiträgen einerseits die Möglichkeiten der Stoffwechselüberwachung mit Hilfe der Ergebnisse der Milchleistungsprüfung dargestellt und andererseits Optionen besprochen, um durch eine Verbesserung des Managements die metabolische Herausforderung im Zusammenhang mit der Laktation bei Hochleistungskühen zu minimieren.

Die konzentrierte Arbeitsatmosphäre, die zahlreichen Diskussionsbeiträge und die überaus positiven Rückmeldungen der Teilnehmenden zeigten, dass dieses Symposium viele Denkanstösse und Anregungen für Rinderpraktiker vermitteln konnte. Für den RGD war es somit ein Auftakt nach Mass für die Fortbildungsveranstaltungen, die in diesem Jahr noch geplant sind. Synthese Während der vier Tage wurde das Thema Fortpflanzung aus ganz verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und ein Ausblick auf den zukünftigen Weg der Forschung gegeben. Die ETH Zürich und Universität Zürich werden gemeinsam dazu weitere wichtige Beiträge für Agrarwissenschaften und Veterinärmedizin verfassen. n

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K u r z b e r i c h t

Mikrobiologische und chemische Lebensmittelsicherheit Marc Mühlemann Agroscope, Institut für Lebensmittelwissenschaften ILM, 3003 Bern, Schweiz Auskünfte: Marc Mühlemann, E-Mail: marc.mühlemann@agroscope.admin.ch

Risikobasierte Lebensmittelsicherheit deckt die ganze Lebensmittelkette ab, beginnend mit den Rohmaterialien auf dem Niveau der Primärproduktion. Sie folgt den Produkten durch die Veränderungen, die diese während der Verarbeitung, dem Transport und der Lagerung der fertigen Produkte bei Herstellern und Verteilern wie auch beim privaten Transport und der Lagerung in den Haushalten der Konsumentinnen und Konsumenten erfahren. Fragen der Lebensmittelsicherheit enden erst mit dem Ablaufdatum oder mit der Zubereitung und dem Verzehr des Produktes durch die Konsumenten. Die Hersteller müssen die Sicherheit ihrer Produkte bis zu diesem Zeitpunkt gewährleisten. Aus diesem Grund werden die orale Aufnahme von Verunreinigungen durch Konsumenten, aber auch die Aufnahme durch Inhalation und der Hautkontakt von Anwendern von Chemikalien, berechnet. Dies geschieht anhand von computergestützten Modellsystemen sowie von Datenbanken über Lebensmittelsicherheit und öffentliche Gesundheit.

Beispiele von mikrobiologischen Verunreinigungen in einer ­Petrischale.

In Lebensmitteln können verschiedene chemische und mikrobiologische Verunreinigungen auftreten. Die Meisten davon können mit etablierten Systemen der Lebensmittelsicherheit innerhalb für die Gesundheit ungefährlicher Grenzen gehalten werden. Die vorliegende Veröffentlichung führt einige Datenbanken über mikrobiologische Lebensmittelsicherheit und öffentliche Gesundheit auf. Die grundsätzlichen Berechnungsweisen und verbreitete computergestützte Systeme zur mikrobiologischen und chemischen Risikoberechnung werden kurz vorgestellt. Darüber hinaus werden zwei Vorgehensweisen zum Vergleich von verschiedenen Risiken und Risikoklassen – wie sie zum Beispiel mikrobiologische und chemische Risiken darstellen, erwähnt.

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Grundlagen der mikrobiologischen Lebensmittelsicherheit Bezüglich mikrobiologischer Lebensmittelsicherheit existieren Modellsysteme wie zum Beispiel das PMP, ComBase sowie SymPrevius zur Darstellung der Vermehrung und Abnahme von pathogenen Mikroorganismen. Die zu Grunde liegende mathematische Formel (M. Cole 2004) ist einfach:

Ho–R+I ≤ FSO mit: FSO = Lebensmittel ­Sicherheitsziel Ho = Niveau der Ausgangskontamination R = Totale kumulative Reduktion der Ausgangskontamination I = Totale kumulative Erhöhung der Ausgangskontamination Ausformuliert bedeutet dies, dass die mikrobiologische Kontamination in den Ausgangsprodukten minus die Summe aller die Kontamination reduzierenden Effekte


Mikrobiologische und chemische Lebensmittelsicherheit | Kurzbericht

Abb. 1 | Bildschirm-Fotografie der Internet Startseite des ComBase Modell Systems.

plus die Summe aller die Kontamination erhöhenden Effekte maximal gleich hoch sein darf wie das Lebensmittel-Sicherheitsziel. Dieses ist so gewählt, dass beim Konsumenten keine negativen gesundheitlichen Folgen auftreten. Generell zeigen die Modelle die erwartete Vermehrung oder Abtötung pathogener Mikroorganismen bei verschiedenen Bedingungen der Lebensmittelproduktion und -lagerung. Sowohl PMP wie auch ComBase (Abb. 1) basieren auf dem Wachstum von im Labor gezüchteten Mikroorganismen auf Nährsubstrat. Diese zeigen gegenüber dem Wachstum von Mikroorganismen aus dem Produktionsumfeld in natürlichen Matrizes ein häufigeres und höheres Wachstum an. Eine praxisnahe Einschätzung gegebener Situationen in spezifischen Lebensmitteln und Produktionsprozessen kann auf dem kostenpflichtigen Programm SymPrevius gewonnen werden. Grundlagen der chemischen Lebensmittelsicherheit Für die Beurteilung von Chemikalien speziell wichtig sind eine ganze Reihe von Angaben: Dazu gehören a) Daten zu Absorption, Verteilung, Metabolismus und Ausscheidung in Säugern;

b) Daten zu akuter und Langzeit-Toxizität in Labortieren; c) der toxikologische W ­ irkungsmechanismus; d) In-vivo- und In-vitro-Tests zu Karzinogenität, Genotoxizität, Neurotoxizität, Reproduktions- sowie Entwicklungstoxizität; e) die Exposition oder Aufnahme einer Chemikalie und f) der Zugang zu Daten über epidemiologische Studien an Menschen. Für Substanzen mit einem toxikologischen Grenzwert werden akzeptierbare respektive tolerierbare Aufnahmen definiert, sogenannte ADI (Acceptable Daily Intake) und TDI (Tolerable Daily Intake) Werte. Diese repräsentieren die Menge, die lebenslang täglich ohne messbares Gesundheitsrisiko eingenommen werden kann. Die Werte werden sehr konservativ (im Sinne von vorsichtig) aus Daten an Labortieren und unter Anwendung eines Sicherheitsfaktors – typischerweise 100 – erhoben (Lampen, A. 2010). Kanzerogene und genotoxische Substanzen hingegen können auch in tiefsten Dosen langfristig die Gesundheit schädigen. Sie werden mit dem MoE-Konzept (Margin of Exposure) beurteilt. Dieser Wert gibt das Verhältnis zwischen einer Dosis an, welche in Tieren Tumorbildung bewirkt und der Aufnahme dieser Substanz durch Menschen. Je weniger der Mensch also von so einer Substanz aufnimmt, desto grösser resultiert der MOE und die untersuchte Substanz ist von kleinerer unmittelbarer Bedeutung für die Gesundheit des Menschen. Zur Berechnung existieren zum Beispiel das BMDModell, die ConsExpo und die PRIMo Datenbasis wie auch das PROAST Modell für Statistiker. Das BMD- Modell leitet sich aus den vorgängig beschriebenen Prinzipien ab. PRIMo arbeitet mit allen nationalen Verzehrs Daten innerhalb der EU. ConsExpo hingegen beurteilt sowohl die orale Aufnahme einer Substanz als auch deren Inhalation und dermale Aufnahme. Es dient denn auch nicht der Beurteilung von Chemikalien in Lebensmitteln, sondern von Chemikalien in Verbrauchsgegenständen wie z.B. (semi-) volatile Substanzen, Biozide, Kosmetika, Spielzeuge und Sprays. Die Priorisierung von Risiken Alte und immer dringlichere Probleme stellen der Vergleich von verschiedenen Risiken und Risikoklassen – wie sie zum Beispiel mikrobiologische und chemische Risiken sind – dar. Zur Überwindung dieses Problems wurden neuerdings Priorisierungssysteme von der FDA (Food and Drug Administration, USA) und von der ETH Zürich in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Gesundheit entwickelt. Es handelt sich um Expertensysteme, die viele spezialisierte Eingaben aus Toxikologie, Epidemiologie, Wahrscheinlichkeitsrechnung und Lebensmittel- 

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Kurzbericht | Mikrobiologische und chemische Lebensmittelsicherheit

Product x Hazard x Processing-> FLEXIBILITY

1 Human Health & 6 Exposure Criteria

Other Legitimate Criteria: relevant for value chain

Abb. 2 | Bildschirm Fotografie des Benutzer freundlichen Modells zur Priorisierung verschiedener Risiken und ­R isikoklassen.

verzehr erfordern. Daneben wurde an Agroscope ein praktisches Modell entwickelt, welches indirekte Risikomerkmale verwendet und zum aktuellen Wissensstand von Risikomanagern gehört (M. Mühlemann 2013). Als Hauptindikator für die Risikoabschätzung wird das DALY Konzept (disability adjusted life years) herangezogen. Mit dem DALY-Konzept – entwickelt von der Weltbanksoll die Bedeutung verschiedener Krankheiten auf die Gesellschaft gemessen werden. Es wird nicht nur die Sterblichkeit, sondern auch die Beeinträchtigung des normalen, beschwerdefreien Lebens durch eine Krankheit erfasst. Dieser Kennwert wird anschliessend durch zwei in separaten Blöcken zusammengefassten Einflussgrössen produkt- und kontaminationsbezogen moduliert. Ein Block fasst dabei Angaben mit Einfluss auf die Exposition zusammen, der anderer vereint Angaben, wie eine Gesellschaft auf ein Risiko reagieren könnte (Abb. 2). n

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Agrarforschung Schweiz 6 (5): 228–230, 2015

Literatur ▪▪ Cole M., 2004. Food safety objectives – Concept and current status. Mitt. Lebensm. Hyg. 95, 13–20. ▪▪ ComBase Consortium`s ComBase. Zugang: http://www.combase.cc/­ index.php/en/. ▪▪ Lampen A., 2010. Lebensmittel. In: Vohr, H. W. (ed.) Toxikologie Band 1, pp 377–406. Wiley-VCH: Weinheim. ▪▪ Mühlemann M., 2013. Practitioner framework for the evaluation and prioritization of food and feed safety hazards and related research needs. ALP science 545, 1–12. Zugang: http://www.agroscope.admin.ch/publikationen/suche/index.html?sb_pubsearch=1&pubkeywords=&pubautor =m%C3%BChlemann&pubjahrvon=&pubjahrbis=&pubtyp=&pubsprach e=&lang=de&pubsuche=Suchen. ▪▪ Food and Drug Administration Center for Food Safety and Applied Nutrition (FDA/CFSAN), Joint Institute for Food Safety and Applied Nutrition ­( JIFSAN) and Risk Sciences International (RSI). 2012. FDA-iRISK version 1.0. FDA CFSAN. College Park, Maryland. Zugang: http://irisk.foodrisk.org/


A k t u e l l

Sonntag, 31. Mai, 9.30 Uhr Aktuelles Breitenhof-Tagung 2015

Agroscope Steinobstzentrum Breitenhof in Wintersingen BL

Referate Begrüssung zur Breitenhof-Tagung

Betriebsrundgang Die Kirschessigfliege – Zahlen und Fakten

Robert Baur, Agroscope, Leiter Pflanzenschutz und Extension Obst- und Gemüsebau und Vorsitz Beirat Steinobstzentrum Breitenhof

Ausblick auf die Schweizer Steinobsternte und Vermarktung 2015 Hansruedi Wirz, Früchtezentrum Basel

Bewässerung bei Süsskirschen – so funktioniert’s! Massenware versus blaue Qualität – Zwetschgenanbau quo vadis? Ausstellung und Infostände Informationen – Gespräche – Gemütlichkeit www.agroscope.ch

Fe wirt stsc ab 1 haft 1:3 im Z 0 elt

6.6.2015 GENETIK DER TIERE

10:00 –17:00

BIENEN VORGESTELLT

VERBAND AM PFERD

TIERSCHUTZ

PONYREITEN

FORSCHUNG AM TIERSPITAL

TIERARZTSTUDIUM DAS SKILLS-LAB

PFERDEFORTPFLANZUNG

LAUFENDER OPERATIONSSAAL

HERZGERÄUSCHE SEHEN & HÖREN

RÖNTGEN RATESPIEL

im tierspital bern NEURO-UNTERSUCHUNG AM KLEINTIER

WEITERE INFOS: WWW.VETSUISSE.UNIBE.CH

WOHER KOMMT DIE MILCH?

STREICHELZOO SCHWEIN

ENTWICKLUNG ZEBRAFISCH

WILDTIER ECKE

Agrarforschung Schweiz 6 (5): 231, 2015

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I n t e r v i e w

Heidrun Moschitz: «Die Städte sollten sich verstärkt mit dem Thema Ernährung auseinandersetzen» dem Studium arbeitete ich zunächst für den Bund der deutschen Landjugend in Berlin. Auch um näher an den Bergen zu sein, suchte ich dann nach einer neuen Stelle und bin am FiBL fündig geworden. Da haben Sie sich auf eine Stellenausschreibung hin beworben? Ja, aber ich denke, die Türen hat mir meine Diplomarbeit zur «Nachhaltigen Landbewirtschaftung in den Alpen» geöffnet. Sie war eingebettet in ein europäisches Projekt, an dem auch das FiBL beteiligt war. So habe ich FiBL-Leute kennengelernt und nachdem ich ein halbes Jahr in einem Projekt in Nigeria und ein Jahr in Berlin gearbeitet hatte, erinnerte man sich am FiBL noch an mich. Es ging um die auf zwei Jahre befristete Mitarbeit in einem EU-Projekt zur Biolandbaupolitik in Zentralund Osteuropa.

Heidrun Moschitz ist seit zwölf Jahren am FiBL tätig. Die 40-jährige Agrarwissenschaftlerin aus Bayern beschäftigt sich im Departement für Sozioökonomie schwerpunktmässig mit Urban Food Systems, Ländlicher Soziologie und Fragen der Agrarpolitik. In die Schweiz hat sie neben dem Interesse am Biolandbau unter anderem die Liebe zu den Bergen geführt. Heidrun Moschitz, Sie sind in einer Kleinstadt geboren und haben keine bäuerlichen Wurzeln. Wie kommt es, dass Sie heute in einem landwirtschaftlichen Forschungsinstitut tätig sind? Ich war schon immer politisch interessiert. Agrarwissenschaften waren eine der möglichen Studienrichtungen. Noch im ersten Semester an der Uni Weihenstephan sah ich mich auch in anderen Fachrichtungen um. Entscheidend war dann, dass ich Studierende kennenlernte, auf deren Initiative der Studiengang Landbewirtschaftung und Umwelt ins Leben gerufen wurde. Dieser Fokus auf das Spannungsfeld zwischen Landnutzung, Ökologie und ländlicher Entwicklung hat mich überzeugt. Nach

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Agrarforschung Schweiz 6 (5): 232–233, 2015

Die Doktorarbeit war dann die logische Fortsetzung Ihrer Tätigkeit am FiBL? Ja, für mich war klar, dass ich promovieren wollte. Als ich im Departement für Sozioökonomie anfing, waren wir nur ein halbes Dutzend Leute und kaum jemand hatte promoviert. Deshalb war das Interesse des Departementsleiters Matthias Stolze schnell geweckt. Auch ich war schnell überzeugt: Mich faszinierte die Arbeit am FiBL, deshalb wollte ich bleiben und mich vertiefen in die politischen Zusammenhänge. Ich machte meine Doktorarbeit zum Thema «Politische Netzwerke im europäischen Biolandbau». Der heutige BLW-Direktor Bernard Lehmann, der damals noch den Agrarwirtschafts-Lehrstuhl an der ETH Zürich innehatte, zeigte sich offen für mein Anliegen und nahm mich unter seine Fittiche, obschon das Projekt, in dem die Arbeit angesiedelt war, bereits weit fortgeschritten war. Das war gut für mich und die Sozioökonomie am FiBL, weil damit der erste Kontakt zu diesem Lehrstuhl hergestellt werden konnte. Sie haben schon mehrmals Ihr Interesse an politischen Zusammenhängen erwähnt, woher rührt dieses? Woher genau das Interesse rührt, weiss ich nicht, aber ich betätigte mich schon früh politisch und in Verbänden. Vor dem Studium leitete ich beim Bund Naturschutz Bayern eine Kindergruppe. Während des Studiums war ich dann Vorstandsmitglied der Jugendorganisation des Bund Naturschutz, die mehr als 25 000 Mitglieder hat.


I n t e r v i e w

Dort führten wir viele politische Diskussionen und veranstalteten Aktionen, zum Beispiel zum Thema Gentechnologie und Bodenversiegelung. Dadurch lernte ich viel in den Bereichen Projektmanagement, Organisationsentwicklung und Sitzungsleitung. Das sind Dinge, die mir jetzt auch am FiBL zugutekommen. Wie hat sich die Sozioökonomie am FiBL in den letzten zwölf Jahren entwickelt? Wir sind einerseits personell stark gewachsen, aber es hat sich auch inhaltlich vieles verändert. Als ich anfing, bot das Departement noch Beratung in Betriebswirtschaft und Marketing an. Seither haben wir uns viel stärker zu einem Forschungsdepartement entwickelt, die sozialwissenschaftlichen und politischen Aspekte sind viel wichtiger geworden. Die Nachhaltigkeit und ihre Bewertung sind als wichtige Elemente unserer Tätigkeit neu dazugekommen, nachdem mein Kollege Christian Schader mit seiner Doktorarbeit aufgezeigt hatte, dass Biolandbau ein effizientes Instrument ist, um die wichtigsten Nachhaltigkeitsziele gleichzeitig zu erreichen. Auch mein Tätigkeitsfeld hat sich dank meiner stärkeren Beschäftigung mit soziologischen und politikwissenschaftlichen Themen erweitert. Wo liegen heute die Schwerpunkte Ihrer Arbeit am FiBL? Zurzeit befasse ich mich vor allem mit Ernährungssystemen im urbanen Raum, sogenannten Urban Food Systems in den drei Projekten «Supurbfood», «Ernährungssystem Basel» und «Better Gardens». Dazu kommen in etwas kleinerem Umfang Projekte zu innovativen Vermarktungsmöglichkeiten für seltene Getreide und zum Potenzial des Biolandbaus in Bulgarien für die Entwicklung des dortigen ländlichen Raums, der zu den ärmsten in Europa zählt. Wichtig für meine Forschung sind auch immer die Beteiligung der betroffenen Stakeholder und ein transdisziplinärer Ansatz. Es ist spannend zu schauen, wie die unterschiedlichen Perspektiven auf ein Problem und seine Lösungen wirken und wie schliesslich eine gemeinsame Perspektive erarbeitet wird.

Wo sehen Sie Ansatzpunkte? Ein wichtiger Ansatzpunkt ist die bewusstere Beschaffung in der Verpflegung durch die öffentliche Hand in der Verwaltung, Schulen, Spitälern und anderen Pflegeinstitutionen. Es braucht aber auch mehr aktive Ernährungspolitik. Dass die rund zwei Prozent landwirtschaftliche Bevölkerung das alles im Alleingang lösen sollen, ist ja zunehmend seltsam. Heute ist die Ernährungspolitik vorwiegend Agrarpolitik, und dort kommen die Konsumentinnen und Konsumenten, um deren Gesundheit es ja unter anderem geht, kaum vor. Auch sind Agrarpolitik, Umweltpolitik, Gesundheitspolitik und Raumentwicklungspolitik recht stark voneinander getrennt. Bei der Ernährung geht es aber um viel mehr als Landbewirtschaftung. Es braucht deshalb eine verstärkte Auseinandersetzung der Städter mit dem Thema Ernährung und Plattformen auf denen sich Konsumierende und Produzierende austauschen können. Daran arbeiten wir zusammen mit städtischen Behörden, Familiengärtnerinnen, Urban Gardeners, Konsumentinnen aber auch mit Landwirten. Eines der Ziele des FiBL ist ja die schnelle Adaptierung von Forschungsergebnissen in der landwirtschaftlichen Praxis via Beratung. Was könnt ihr diesen Gruppierungen offerieren? Wir befassten uns zum Beispiel im Projekt «Solinsa»* mit der Frage, welche Hindernisse der Umsetzung von Innovationen in der Praxis im Wege stehen. Aber die Ergebnisse unserer Arbeit sind nicht immer gedacht für die bäuerliche Praxis, wir arbeiten oft mit einem Politikfokus und wollen so Einfluss nehmen. n Adrian Krebs, FiBL *

Support of Learning and Innovation Networks for Sustainable Agriculture, EU-Projekt 2011–2014.

Urban Agriculture ist ja grad sehr in Mode. Das ist so, sie ist ein gutes Vehikel, um die Themen Essen und Ernährung für die Stadtbewohner sichtbar zu machen. Zudem bietet sie Gelegenheit für Hands-onErfahrung. Das Urban Food System ist aber viel mehr als die Summe der Urban Agriculture-Projekte. Es geht hier darum, was eine Stadt für ihre Ernährung tun kann. Drei Viertel der Schweizer Bevölkerung leben heute in Städten, sie haben deshalb ein enormes Potenzial, die Art der Produktion der Nahrungsmittel zu beeinflussen. Das wird heute noch wenig genutzt.

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Aktuell

Neue Publikationen

Wirtschaftlichkeit des Direktverkaufs

Ökonomie Agroscope Transfer | Nr. 61 / 2015

Wirtschaftlichkeit des Direktverkaufs Rohleistungen und Vollkosten für fünf Produktgruppen und vier Rohleistungsklassen

Pflanzen Agroscope Merkblatt | N° 19 / 2015

Bekämpfungsstrategie gegen Drosophila suzukii im Feldobstbau Autoren: Arbeitsgruppe Kirschessigfliege (Begleitgruppe Steinobst)

April 2015

März 2015

Agroscope Transfer Nr. 61 Um die Wirtschaftlichkeit des Direktverkaufs zu untersuchen, werden acht Betriebe mit einer Direktverkaufs-Rohleistung von mehr als Fr. 10 000.– analysiert. Für die fünf Produktgruppen Obst und Gemüse, Eier, Fleisch, Saft und Most sowie Wein und Spirituosen werden die erzielten Leistungen den Vollkosten gegenübergestellt. Während die drei Produktgruppen Eier, Fleisch sowie Wein und Spirituosen eine Arbeitsverwertung, d. h. eine Entschädigung von familieneigenen Arbeitskräften von mehr als Fr. 28.– pro Stunde (Opportunitätskosten) erreichen, liegen die beiden Produktgruppen Obst und Gemüse sowie Saft und Most darunter. Entsprechend ist die Wirtschaftlichkeit nach Produktgruppen sehr heterogen und eine generelle Aussage zur Wirtschaftlichkeit von verarbeiteten und unverarbeiteten Produkten nicht zulässig. Ein ähnliches Bild zeigt die Auswertung der acht Betriebe nach vier Rohleistungsklassen (Umsatz). Ein deutlicher Skaleneffekt kann nicht beobachtet werden, da die mittlere Rohleistungsklasse mit Fr. 45.80 pro Arbeitskraftstunde (AKh) eine deutlich bessere Arbeitsverwertung erreicht als die Klasse «Gross» mit etwa doppelt so hoher Rohleistung (Fr. 27.40 pro AKh). Der Einfluss von Vermarktungskanälen mit wenig Arbeits­ aufwand (z. B. Hauslieferung oder Lieferung an Detailhändler) und die Sortimentsgestaltung sind offensichtlich bedeutender als die Einsparungen aufgrund der Grösse. Die Kostenstruktur wird dominiert von den Direktkosten für die verkaufte Ware (zwei Drittel) und der eingesetzten Arbeit (ein Viertel). Die übrigen Kostenpositionen wie der Anteil an den Gemeinkosten des Betriebs machen zusammen weniger als 10 % aus. Inhaltsverzeichnis

Autoren

Hauke Reitz Daniel Hoop Markus Lips

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Foto: Lukas Egloff, Agroscope

Einleitung Methode Resultate Schlussfolgerungen Literatur Dank Impressum

Gemessen an der durchschnittlichen Rohleistung ist die Direktvermarktung der wichtigste Bereich innerhalb der Paralandwirtschaft.

Um die Wirtschaftlichkeit des Direktverkaufs zu untersuchen, werden acht Betriebe mit einer Direktverkaufs-Rohleistung von mehr als Fr. 10 000.– analysiert. Für die fünf Produktgruppen Obst und Gemüse, Eier, Fleisch, Saft und Most sowie Wein und Spirituosen werden die erzielten Leistungen den Vollkosten gegenübergestellt. Während die drei Produktgruppen Eier, Fleisch sowie Wein und Spirituosen eine Arbeitsverwertung, d. h. eine Entschädigung von familieneigenen Arbeitskräften von mehr als Fr. 28.– pro Stunde (Opportunitätskosten) erreichen, liegen die beiden Produktgruppen Obst und Gemüse sowie Saft und Most darunter. Entsprechend ist die Wirtschaftlichkeit nach Produktgruppen sehr heterogen und eine generelle Aussage zur Wirtschaftlichkeit von verarbeiteten und unverarbeiteten Produkten nicht zulässig.

Ein ähnliches Bild zeigt die Auswertung der acht Betriebe nach vier Rohleistungsklassen (Umsatz). Ein deutlicher Skaleneffekt kann nicht beobachtet werden, da die mittlere Rohleistungsklasse mit Fr. 45.80 pro Arbeitskraftstunde (AKh) eine deutlich bessere Arbeitsverwertung erreicht als die Klasse «Gross» mit etwa doppelt so hoher Rohleistung (Fr. 27.40 pro AKh). Der Einfluss von Vermarktungskanälen mit wenig Arbeitsaufwand (z. B. Hauslieferung oder Lieferung an Detailhändler) und die Sortimentsgestaltung sind offensichtlich bedeutender als die Einsparungen aufgrund der Grösse. Die Kostenstruktur wird dominiert von den Direktkosten für die verkaufte Ware (zwei Drittel) und der eingesetzten Arbeit (ein Viertel). Die übrigen Kostenpositionen wie der Anteil an den Gemeinkosten des Betriebs machen zusammen weniger als 10 % aus.

Hauke Reitz, Daniel Hoop und Markus Lips, Agroscope

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Agrarforschung Schweiz 6 (5): 234–235, 2015

Die Kirschessigfliege (KEF) hat 20 14 im F eldobstbau bei Kirschen und Zwetschgen massive Fruchtschäden verursacht. Im Grosserntejahr platzten viele Brenn- und Konservenkirschen witterungsbedingt im Ju li auf. Viele F rüchte wurden zu spät oder gar nicht geerntet, was die Massenvermehrung der KEF förderte. Um dies im F eldobstbau künftig zu vermeiden werden nachfolgend die wichtigsten Schutzmassnahmen und fla nkierenden Massnahmen dargestellt. Ziel: Populationsaufbau der KEF schon früh i m Jahr verhindern und keine Vermehrungsmöglichkeiten schaffen. Nicht abg eerntete Bäume sind Brutstätten und gefährden später her anreifende, benachbarte Bäume und Kulturen. Die Verantwortung sowie die Umsetzung von Hygienemassnahmen und des Erntemanagement liegen bei d en Produzenten.

Überwachung: Becherfalle, Agroscope Falle, PET-Falle mit 3 mm Löchern

1. Überwachung: Zur Früherkennung der KEF sind auch Feldobstbäume am Rand und im angrenzenden Umland (natürliche Habitate wie Hecken usw.) mit mehrer en Becherfallen oder vergleichbaren Modellen zu überwachen und wöchentlich auf Präsenz der Fliege zu kontrollieren. Bei F ängen ist mit Fruchtschäden zu rechne n. Flüssigkeit absieben, gefangene Insekten in weisses Gefäss klopfen und mit W asser verdünnen. Männchen anhand der Merkmal e bestimmen und zä hlen. Fänge können auch auf www.drosophilasuzukii.agroscope.ch verglichen werden. 2. Befallskontrolle: Regelmässige Befallskontrollen von mind. 50 Früchten pro Schlag helfen beim frühzeitigen erkennen des Befalls, so dass Er nte- und Pfl anzenschutzmanagement sofort an gepasst, die Hygienemassnahmen intensiviert und der Erntetermin vorgezogen werden kann. Befallsproben auf Eia blagen und Einstichlöcher kontrollieren und/oder 2h i n lauwarmes Salzwasser geben und danach auf Maden kontrollieren. 3. Hygienemassnahmen: Nicht geerntete Bäume o der zu spät geerntete Früchte sind Brutstätten für KEF und gefährden heranreifende Kulturen. Re ife Früchte müssen zum o ptimalen Pflückzeitpunkt konsequent abgeerntet werden. Befallene Früchte fachgerecht entsorgen (Gülleloch, Gärfass, Kehrrichtverbrennungsanlage, Biogasanlage; nicht kompostieren!).

Feldobstbestände sind hochattraktiv für KEF

Weibchen auf Kirsche

Drosophila suzukii: Vier neue Merkblätter wurden auf Deutsch, Französisch und Italienisch publiziert ••Drosophila suzukii im Rebbau. Empfehlungen 2015 ••Bekämpfungsstrategie gegen Drosophila suzukii in Steinobstkulturen ••Bekämpfungsstrategie gegen Drosophila suzukii im Feldobstbau ••Drosophila suzukii. Strategie 2015 für die Beerenkulturen Sie finden sie unter: www.agroscope.ch/publikationen oder in der App Publikationen Agroscope


Aktuell

Internetlinks

Veranstaltungen

Zukunftsblog der ETH Zürich

Mai 2015

www.ethz.ch/zukunftsblog

13.05.2015 Gesunde und leistungsfähige Nutztiere: Futter an ­Genotyp oder Genotyp an Futter anpassen? Fachtagung ETH Zürich, Vetsuisse Zürich und Bern, Agroscope INT ETH-Zentrum

Der Zukunftsblog der ETH Zürich behandelt Fakten und Meinungen zur Nachhaltigkeit mit folgenden Schwerpunkten: Klimawandel, Welternährung, Zukunftsstädte, Energie und natürliche Ressourcen. Im Zukunftsblog schreiben rund 50 Autorinnen und Autoren, darunter ­ Professorinnen und Professoren der ETH Zürich und weiterer Universitäten aus allen nachhaltigkeits-relevanten Fachgebieten, aber auch Studierende und Gäste aus Politik, Wirtschaft, NGOs und Behörden.

31.05.2015 Breitenhof-Tagung 2015, Treffpunkt der Steinobstbranche Agroscope Steinobstzentrum Breitenhof, Wintersingen Juni 2015 06.06.2015 Tag der offenen Türe VetSuisse Fakultät Uni Bern Vetsuisse-Fakultäten Bern und Zürich, Agroscope Tierspital Bern

Vor schau Juni 2015 / Heft 6 Getreide sind für die Ernährung von Mensch und Tier ­unverzichtbar. Die Juniaus­ gabe enthält einen Beitrag zur Saatgutqualität von Roggen und Triticale und die Liste der empfohlenen Getreide­ sorten für die Ernte 2016. (Foto: Gabriela Brändle, ­Agroscope)

••Ursachen stark schwankender Saatgutqualität von Roggen und Triticale, Thomas Hebeisen et al., Agroscope ••Prüfung von Italienischem Raigras: Bewährungsprobe für 37 Sorten, Daniel Suter et al., Agroscope ••Kartoffeln: das Imperium Pectobacterium schlägt zurück, Patrice de Werra et al., HAFL und Agroscope •• Ökobilanz von Schweizer Landwirtschaftsprodukten im Vergleich zum Import, Maria Bystricky et al., Agroscope ••Quantitatives Potenzial zur Verwertung von Molke in Lebensmitteln in der Schweiz, Katrin Kopf-Bolanz, HAFL, Agroscope und ESU-services GmbH ••Bienengesundheit in der Schweiz, Anja Ebener und Benjamin Dainat, Bienengesundheitsdienst BGD ••Phosphor in der Landwirtschaft, Klaus Jarnosch, ­ ETH Zürich ••Saatgutthemen im Fokus, Thomas Hebeisen, ­Agroscope ••Liste der empfohlenen Getreidesorten für die Ernte 2016, Agroscope

13.06.2015 Schweizer Bio-Ackerbautagung FRI, Ebenrain, Bio Suisse, agridea, FiBL und Sativa Courtételle JU Informationen: www.bio-ackerbautagung.ch 14. – 17.06.2015 54. IALB-Tagung ( Internationale Akademie landund hauswirtschaftlicher Beraterinnen und Berater) 3. EUFRAS-Konferenz Effizienz in der Land- und Ernährungswirtschaft Agridea Solothurn Informationen: http://url.agridea.ch/IALB2015 25.06.2015 Agroscope: 125 Jahre Forschung in Wädenswil Jubiläumsveranstaltung von Agroscope Wädenswil Oktober 2015 29.10.2015 Selection and spread of antibiotic resistances in ­agro-ecosystems and food production environments Agroscope INT Landwirtschaftliches Institut Grangeneuve LIG, 1725 Posieux

Informationen: Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen

Agrarforschung Schweiz 6 (5): 234–235, 2015

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Schweizer Bio-Ackerbautag 13. Juni 2015 in Courtételle JU • Maschinen-Demos • Anbautechnik • Sorten und Düngung • Für Bio- und ÖLN-Betriebe

Besuchen Sie vor dem Schweizer Bio-Ackerbautag innovative Biobetriebe aus der Region am Freitag 12. Juni 2015.

Erfahren Sie mehr über die Betriebsbesuche (am Freitag) und die Hauptveranstaltung (am Samstag) auf www.bio-ackerbautag.ch.

Veranstalter

Donnerstag, 29. Oktober 2015

Selection and spread of antibiotic resistances in agro-ecosystems and food production environments

Topics: • Fate and effects of antibiotics in organic fertilizers on soil bacteria: Dr Kornelia Smalla • Antibiotic resistance in environmental microbiomes and their selective transfer: Dr Fiona Walsh • Rational antimicrobial use in animals: from theory to practice, Dr Luca Guarabassi • Preliminary results of the Agroscope research program “REDYMO”, which emphasizes on the reduction and dynamics of antibiotic-resistant and persistent microorganisms along the food chain, and other Swiss research projects on antibiotic resistance in the environment

Wissenschaftliches Zielpublikum: Agronomen, Tierärzte, Mikrobiologen, Umweltspezialisten, weitere Interessierte Vortragssprache: Englisch Ort: Landwirtschaftliches Institut Grangeneuve LIG, 1725 Posieux Zeit: 09:00-15:00 Uhr Kosten: Mittagessen zu Lasten der Teilnehmenden Anmeldung und Auskünfte: sophie.thanner@agroscope.admin.ch Anmeldefrist: 30.09.2015


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