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Agrar forschung schweiz 2 0 1 2

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H e f t

Agroscope | BLW | HAFL | AGRIDEA | ETH Zürich

A p r i l

Pflanzenbau

Herausforderungen beim Umweltmonitoring von gentechnisch veränderten ­P flanzen Seite 180

Agrarwirtschaft

Alpwirtschaft in der Schweiz: Befragungen zu ­Sömmerungsbetrieben

Umwelt

Motivationen für die Umsetzung von ­Ökoausgleichsmassnahmen

Seite 186

Seite 208

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Inhalt April 2012 | Heft 4 Der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen muss laut Gentechnikgesetz in der Schweiz von einem Umwelt­monitoring begleitet werden. Dieses trägt dazu bei, mögliche negative Auswirkungen auf die Umwelt frühzeitig zu erkennen und allfällige Massnahmen zu ergreifen. Agroscope analysiert die Schwierigkeiten des Umweltmonitorings und diskutiert eventuelle Massnahmen. (Foto: Gabriela Brändle, ART) Impressum Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse ist die Zeitschrift der landwirtschaftlichen Forschung von Agroscope und ihren Partnern. Die Zeitschrift erscheint auf Deutsch und Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus Forschung, Industrie, Lehre, Beratung und Politik, an kantonale und eidgenös­sische Ämter und weitere Fachinteressierte. Herausgeberin Agroscope Partner b Agroscope (Forschungsanstalten Agroscope Changins-Wädenswil ACW; Agroscope Liebefeld-Posieux und Schweizerisches Nationalgestüt ALP-Haras; Agroscope Reckenholz-Tänikon ART) b Bundesamt für Landwirtschaft BLW, Bern bH ochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL, ­Zollikofen b Beratungszentrale AGRIDEA, Lindau und Lausanne b Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich, Departement für Umweltsystemwissenschaften Redaktion Andrea Leuenberger-Minger, Agrarforschung Schweiz / ­Recherche Agro­nomique Suisse, Forschungs­anstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 26 407 72 21 Fax +41 26 407 73 00, E-Mail: info@agrarforschungschweiz.ch Judith Auer, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW Postfach 1012, 1260 Nyon 1, E-Mail: info@agrarforschungschweiz.ch Redaktionsteam Vorsitz: Jean-Philippe Mayor (Direktor ACW), Sibylle Willi (ACW), Evelyne Fasnacht (ALP-Haras), Etel Keller-Doroszlai (ART), Karin Bovigny-Ackermann (BLW), Beat Huber-Eicher (HAFL), Philippe Droz (AGRIDEA), Jörg Beck (ETH Zürich). Abonnement Preise Zeitschrift: CHF 61.–* (Ausland + CHF 20.– Portokosten), inkl. MWSt. und Versandkosten, Online: CHF 61.–* * reduzierter Tarif siehe: www.agrarforschungschweiz.ch Adresse Nicole Boschung, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, ­Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 26 407 72 21 Fax +41 26 407 73 00, E-Mail: info@agrarforschungschweiz.ch Adressänderungen E-Mail: verkauf.zivil@bbl.admin.ch, Fax +41 31 325 50 58 Internet www.agrarforschungschweiz.ch www.rechercheagronomiquesuisse.ch ISSN infos ISSN 1663-7852 (Print) ISSN 1663-7909 (Internet) Schlüsseltitel: Agrarforschung Schweiz Abgekürzter Schlüsseltitel: Agrarforsch. Schweiz © Copyright Agroscope. Nachdruck von Artikeln gestattet, bei Quellenangabe und Zustellung eines Belegexemplars an die Redaktion. Erfasst in: Web of Science, CAB Abstracts, AGRIS

179 Editorial Pflanzenbau Herausforderungen beim Umwelt­ 180

monitoring von gentechnisch ­veränderten Pflanzen Olivier Sanvido, Jörg Romeis und Franz Bigler Agrarwirtschaft Alpwirtschaft in der Schweiz: 186

­Befragungen zu Situation und Wahl der Sömmerungsbetriebe Stefanie von Felten, Markus Fischer und Stefan Lauber Agrarwirtschaft Heimfutterfläche – Schlüsselparameter 194

der Sömmerungsnachfrage Markus Fischer, Stefanie von Felten und Stefan Lauber Nutztiere Chromosomenstudien und andere 202

Erhebungen an Equidenkreuzungen Gerald Stranzinger, Josef Achermann, ­Fengtang Yang und Dominik Burger Umwelt Motivationen für die Umsetzung von 208

­Ökoausgleichsmassnahmen Ingrid Jahrl, Christine Rudmann, Lukas Pfiffner und Oliver Balmer Umwelt Die Bedeutung von Ästhetik bei der 216

­Umstellung auf Direktsaat Flurina Schneider, Stephan Rist Kurzbericht Bewertungsschema für die Qualität 224

des Dinkels Geert Kleijer, Cécile Brabant, Andreas Dossenbach, Franziska Schärer und Ruedi Schwaerzel Merkblätter Beilagen Kartoffelsorten Antina, Celtiane und

Challenger 228 Porträt 229 Aktuell 231 Veranstaltungen


Editorial

Grüne Gentechnologie – Herausforderung für die Forschung Liebe Leserin, lieber Leser Neue Technologien wie nanobeschichtete Fensterscheiben, Induktionsherde oder GPS werden meist ohne systematische Abklärung von Risiken in den Markt eingeführt. Ein sichtbarer Nutzen ohne offensichtliches Risiko reicht uns, sie anzuwenden. Anders bei der grünen Gentechnologie, bei der Politik und Gesellschaft entschieden, dass vor der Markteinführung umfangreiche Abklärungen von ­ möglichen Risiken zu machen sind.

Michael Winzeler, ­F orschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART

Der Gesetzgeber fordert die Forschung heraus Gentechnikgesetz und Freisetzungsverordnung fordern, dass eine Bewilligung gentechnisch veränderter Pflanzen nicht ohne Risikobewertung für Mensch und Umwelt erfolgt und dass der Anbau solcher Pflanzen durch ein Umweltmonitoring zu begleiten ist. Zum Zeitpunkt der gesetzlichen Verankerung war noch unklar, ob und wie diese Massnahmen umzusetzen sind. Die Forschung ist gefordert, die adäquaten Methoden zu entwickeln. Der Artikel von Sanvido, Romeis und Bigler in dieser Ausgabe analysiert die vier grössten Herausforderungen für ein anbaubegleitendes Umweltmonitoring von gentechnisch veränderten Pflanzen. Langjährige Forschungserfahrung bei Agroscope Bereits 1995 − ein Jahr vor dem erstmaligen kommerziellen Anbau gentechnisch hergestellter Pflanzen − begann Agroscope mit der Biosicherheitsforschung und baute in 17 Jahren eine breite, auch international beachtete Expertise auf. Im NFP59 konnten erstmals Methoden für die Erfassung ökologischer Effekte unter Feldbedingungen getestet werden. Der Schritt vom Gewächshaus ins Freiland ist aus wissenschaftlicher Sicht sehr wichtig. Er erlaubt es, die Funktion der Pflanze und ihre Wechselwirkung mit der Umwelt zu untersuchen. Sollte dies in Zukunft weiterhin möglich sein, ist die Errichtung einer «Protected Site», das heisst eines geschützten Versuchsstandortes, angezeigt. Wissen bereitstellen und Ausbildung ermöglichen Eine solche, von der öffentlichen Hand getragene Infrastruktur wäre die Basis für eine innovative und unabhängige Forschung. Sie würde es jungen Forschenden in der Schweiz erlauben, sich im Bereich der grünen Gentechnologie auszubilden. Zudem könnten für Landwirtschaft, Gesellschaft und Politik Grundlagen zur Meinungsbildung erarbeitet werden. Denn, während bei uns die Skepsis anhält, entwickelt sich die grüne Gentechnologie weltweit rasant: Gentechnisch veränderte Pflanzen werden auf 140 Millionen Hektaren angebaut, was etwa 10 % der weltweiten Ackerfläche entspricht. In den USA wurden 2010 insgesamt 101 Feldversuche mit 27 gentechnisch veränderten Pflanzenarten bewilligt. Unabhängig davon, welchen Weg die Schweiz wählt, wird sie sich in Zukunft mit verschiedensten Aspekten der grünen Gentechnologie konfrontiert sehen.

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P f l a n z e n b a u

Herausforderungen beim Umweltmonitoring von gentechnisch veränderten Pflanzen Olivier Sanvido, Jörg Romeis und Franz Bigler Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8046 Zürich Auskünfte: Jörg Romeis, E-Mail: jörg.romeis@art.admin.ch, Tel. +41 44 377 72 99

Tagfalterpopulationen in der Schweiz unterliegen einer grossen zeitlichen und räumlichen Variabilität. (Foto: ART)

Einleitung Die Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen (GVP) ist generell strenger reguliert als diejenige von konventionell gezüchteten Sorten. Im Allgemeinen verlangen die gesetzlichen Grundlagen weltweit, dass GVP Sorten speziell geprüft werden müssen. Die Bewilligung basiert auf einer Risikobewertung für Mensch und Umwelt. Auf deren Basis sollen inakzeptable negative Auswirkungen so weit als möglich ausgeschlossen werden. Einige Länder verlangen zudem, dass der Anbau von GVP von einem Umweltmonitoring begleitet sein muss. Mit dessen Hilfe sollen eventuelle negative Auswirkungen auf die Umwelt, die auf Grund der Risikobewertung nicht ausgeschlossen werden können, rechtzeitig erkannt werden. Die Zulassungsbehörden müssen

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auf der Basis, der im Umweltmonitoring erhobenen Daten, entscheiden, ob der Anbau von GVP zu Umweltschäden in einem bestimmten Schutzgut führen könnte. Obwohl der Bewertung von Umweltveränderungen wissenschaftliche Kriterien zu Grunde liegen, spielen für die Beurteilung von Schaden oder Nutzen auch subjektive Werte eine wichtige Rolle. In der Praxis basieren Entscheidungsprozesse deshalb niemals nur auf wissenschaftlichen Daten, sondern werden durch ethische Wertvorstellungen sowie politische, soziale und wirtschaftliche Faktoren beeinflusst (Devos et al. 2008). Ein Umweltschaden wird gemäss den gängigen Definitionen als eine relevante, negative Umweltveränderung charakterisiert, die ausserhalb der gewöhnlich auftretenden Schwankungen liegt. Im Folgenden analysieren wir wieso es so schwierig ist, negative Umweltverände-


rungen als relevante Umweltschäden zu bewerten. Nach unserer Auffassung stellen sich dem Umweltmonitoring von GVP vier grundsätzliche Herausforderungen. Die in diesem Artikel präsentierten Ideen wurden im Rahmen von mehreren Projekten erarbeitet, die vom Bundesamt für Umwelt BAFU (Forschungsprogramm «Biosicherheit im Bereich der ausserhumanen Gentechnologie») und vom Schweizerischen Nationalfonds (Nationales Forschungsprogramm NFP 59 «Nutzen und Risiken der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen») finanziert wurden. Herausforderung Nr. 1: Die Variabilität von Umwelt­ bedingungen ist schwierig zu beurteilen «Ungewöhnliche» von «gewöhnlichen» Umweltveränderungen abzugrenzen ist eine grundlegende Herausforderung für die Entscheidungsfindung während des Umweltmonitorings von GVP, insbesondere wenn keine Langzeitbeobachtungen vorliegen, die als Vergleichs­ basis herangezogen werden können. Naturwissenschaftliche Methoden sind nur teilweise in der Lage, die Variabilität von Indikatoren, die Umweltveränderungen anzeigen sollen, mit angemessenem Aufwand und genügender Genauigkeit zu erheben. So können ökologische Methoden zwar die Abundanz eines bestimmten Indikators (z. B. von Tagfaltern) in einer Agrarlandschaft erheben. Oft ist es jedoch schwierig zu entscheiden, ob eine beobachtete Veränderung ausserhalb der «gewöhnlichen» Variabilität eines bestimmten Indikators liegt. Bei GVP Anbau müssten die Behörden jedoch kurzfristig entscheiden können, ob es sich bei den beobachteten Umweltveränderungen um ein «ungewöhnliches» Ereignis handelt und Massnahmen (z. B. ein Anbauverbot) zu treffen sind. Lösung Nr. 1: Definition einer geeigneten Vergleichsbasis Die Wahl einer geeigneten Vergleichsbasis ist essenziell, um zu ermitteln, welche Umweltveränderungen einen Schaden darstellen. Ein möglicher Ansatz, der innerhalb der relativ kurzen Zeitspanne, die für die Entscheidungsfindung bei GVP zur Verfügung steht, sinnvoll wäre, ist die Umweltauswirkungen von GVP mit den Auswirkungen bekannter landwirtschaftlicher Praktiken zu vergleichen (ACRE 2007; Sanvido et al. 2012). Bei diesem Ansatz wird die GVP in den Kontext ihres jeweiligen Anbausystems gestellt, das heisst das Anbausystem wird beispielsweise mit dem Pestizidverbrauch, der Boden­bearbeitung, der Fruchtfolge und der Sortenwahl der klassischen Landwirtschaft verglichen. Um die Umweltauswirkungen verschiedener landwirtschaftlicher An-bausysteme miteinander vergleichen zu können, benötigt man Methoden wie beispielsweise das Multi-Attribut Modell

Zusammenfassung

Herausforderungen beim Umweltmonitoring von gentechnisch veränderten Pflanzen | Pflanzenbau

Der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen (GVP) muss laut Gentechnikgesetz in der Schweiz von einem Umweltmonitoring begleitet werden. Das Umweltmonitoring soll dazu beitragen, mögliche negative Auswirkungen auf die Umwelt möglichst frühzeitig zu erkennen und allfällige Massnahmen zu ergreifen. Entsprechend müssen die Behörden in der Lage sein, Umweltveränderungen zu erkennen und als Umweltschaden einzustufen. Aus unserer Sicht ist ein Umweltmonitoring jedoch nur bedingt geeignet, um Unsicherheiten zu reduzieren, die nach der Risikobewertung von GVP noch existieren könnten. Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es vier Schwierigkeiten bei solchen Entscheidungen. Die ersten drei Schwierigkeiten betreffen methodische Einschränkungen bei der wissenschaftlichen Datenerhebung. Die vierte Schwierigkeit resultiert aus der kontroversen Bewertung von Umweltauswirkungen von GVP. So ist heute unklar, welche Umweltveränderungen effektiv als Schaden zu bewerten sind. In diesem Artikel analysieren wir die vier Herausforderungen und schlagen mögliche Strategien vor, wie diesen begegnet werden könnte. Verbleibende Unsicherheiten sollte man besser während der Risikobewertung vor der Zulassung überprüfen. Zulassungsbehörden sollten die Einschränkungen von Umweltmonitoringprogrammen für die Entscheidungsfindung beim Anbau von GVP anerkennen.

DEXi (Bohanec et al. 2008) oder die Ökobilan­ zierung (Nemecek et al. 2011), mit denen verschiedene Kriterien miteinander verglichen werden können. Solche Methoden sind besonders wichtig, da der Anbau von GVP im Vergleich zur gegenwärtigen Praxis auch positive Umweltauswirkungen haben könnte. Herausforderung Nr. 2: Umweltveränderungen sind selten einer bestimmten Ursache zuzuschreiben Behörden benötigen nicht nur verlässliche Informationen zu Veränderungen des Umweltzustandes, sondern auch zu den Ursachen dieser Veränderungen (Vos et al. 2000). In der Regel ist es jedoch schwierig, eine Umweltveränderung einer bestimmten Ursache (wie z. B. dem 

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Pflanzenbau | Herausforderungen beim Umweltmonitoring von gentechnisch veränderten Pflanzen

Unerklärbare Variabilität

(1) Anbauregion 26 %

Total erklärbare Variabilität: 53 %

47 %

(2) Habitat Habitattyp 5 % Abiotische Bedingungen 0,5 % Anbaupraxis 1,4 %

19 %

Summe der Interaktionen (Region x Landschaft x Habitat)

(3) Landschaft 1,5 % % halbnatürliche Habitate

Partielle Redundanz Analyse RDA, P < 0,05 Aviron et al. (2006), J Consum Protect Food Safety, Supp 1: 85−88

Abb. 1 | Variabilität in Tagfalterpopulationen im Schweizer Mittelland, die durch die Erhebung von 31 Einflussfaktoren erklärt werden konnte (Aviron et al. 2009; Aviron et al. 2006). Die total erklärbare Variabilität beträgt 53 %, während 19 % der Variabilität sich aus der Summe der Interaktion verschiedener Faktoren erklären. Grösster Einflussfaktor ist mit 26 % die Anbauregion (Ackerbau, Futterbau oder gemischter Anbau).

Anbau von GVP) zuzuschreiben. Dies liegt an der Komplexität der Umwelt und an der hohen Zahl an Faktoren, die einen Einfluss auf die Umwelt haben. Obwohl diese Schwierigkeit für die ökologische Forschung im Allgemeinen gilt, ist sie besonders relevant, wenn man die Veränderung einer bestimmten Ursache zuordnen muss, wie dies beim Umweltmonitoring von GVP der Fall ist. Im Folgenden soll die Schwierigkeit, die Ursachen einer Umweltveränderung zu bestimmen, am Beispiel einer Studie von Aviron und Kollegen illustriert werden (Aviron et al. 2009; Aviron et al. 2006). In der Studie wurde der Einfluss von diversen Faktoren auf die Variabilität von Tagfaltern in der Schweiz untersucht. Die Studie basierte auf einem umfassenden Datensatz, der sowohl die Präsenz als auch die Abundanz von Tagfaltern in drei Regionen des Schweizer Mittellandes beinhaltete. Zusätzlich zum Vorkommen der Tagfalter wurden auch 31 beschreibende Faktoren erhoben, so beispielsweise die biogeographische Region, Landschaftsmerkmale, Habitattypen und landwirtschaftliche Nutzung. Die Analyse zeigte, dass Tagfalterpopulationen eine grosse zeitliche und räumliche Variabilität aufweisen (Abb. 1). Trotz des ausführlichen Datensets, das verwendet wurde, konnte beinahe die Hälfte der Variabilität (47 %) keinen bekannten Ursachen zugeordnet werden. Auf die einzelnen Faktoren bezogen, erklärte sich der grösste Anteil der Variabilität (26 %) durch die Anbauregion (Ackerbau, Futterbau oder gemischte Nutzung), gefolgt vom Habitattyp (5 %), der Landschaftsstruktur (1,5 %), der landwirtschaftlichen Nutzung (1,4 %) und den Standorteigenschaften (0,5 %). Neunzehn Prozent der Variabilität erklärten sich durch ein Zusammenspiel der einzel-

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nen Einflussfaktoren. Abgesehen von der Anbauregion hatten die anderen Faktoren nur einen geringen Einfluss auf die gesamte Variabilität. Dieses Beispiel zeigt, dass ein einzelner Faktor (wie z. B. der Anbau von Bt-Mais) einen erheblichen Effekt auf Tagfalter haben müsste, um von den anderen Einflussfaktoren unterscheidbar zu sein. Aus unserer Sicht ist es jedoch unwahrscheinlich, dass ein so markanter Effekt nicht schon bei der Risikobewertung vor der Zulassung der GVP entdeckt worden wäre (siehe auch Punkt 3) und man die Bt-Sorte deshalb überhaupt für den Anbau bewilligt hätte. Lösung Nr. 2: Die Ursachen für die Variabilität von ­ökologischen Indikatoren sollten bestimmt werden Das Ausmass und die Ursachen der Variabilität von In­dikatoren sollten so gut als möglich quantifiziert werden. Statistische Datenanalysen können bei der Bestimmung der Gesamtvariabilität helfen, sowie Trends und Langzeitveränderungen aufzeigen (Ferguson et al. 2008). Für das Verständnis der Interaktionen zwischen ökologischen Faktoren und landwirtschaftlichen Anbausystemen sollte ein hierarchischer Ansatz gewählt werden (Baudry et al. 2000). Zwei räumliche Massstäbe sind für das Umweltmonitoring von GVP besonders relevant: die Feldebene, welche Landnutzung und landwirtschaftliche Anbaupraxis beschreibt, sowie die Landschafts­ ebene, welche die regionale landwirtschaftliche Nutzung und das Anbaumuster beschreibt. Landschaften können zudem mit Hilfe von Landschaftsklassifikation und -typisierung (Bailey und Herzog 2004; Groom et al. 2006) klassifiziert werden. Stratifizierte Zufallsstichproben, das heisst die Gruppierung von Landschaften und


Herausforderungen beim Umweltmonitoring von gentechnisch veränderten Pflanzen | Pflanzenbau

Habitaten in relativ homogene Untergruppen, können den Vergleich von Monitoringdaten vereinfachen. Sollen die Ursachen von Veränderungen bestimmt werden, so ist es essenziell, nicht nur einen bestimmten Indikator zu erheben (z. B. die Abundanz von Tagfaltern) sondern möglichst viele Faktoren zu erfassen, die zur Erklärung der Variabilität beitragen, wie dies am Beispiel der Tagfalter im Schweizer Mittelland gezeigt wurde. Herausforderung Nr. 3: Lange Zeiträume sind nötig, ­damit Veränderungen sichtbar werden Umweltveränderungen manifestieren sich in der Regel erst nach langen Zeiträumen. Oft ist es schwierig zu entscheiden, ob beobachtete Daten einen Trend, einen Zyklus oder ein Hintergrundrauschen darstellen (Usher 1991). Ein gutes Beispiel für die Interaktion dieser drei Faktoren stellt die Bestandsentwicklung der einheimischen Brutvögel im Landwirtschaftsgebiet dar. Obschon der Bestand der Zielarten1, wie sie im Bericht «Umweltziele Landwirtschaft» (BAFU/BLW 2008) definiert werden, einen deutlichen Rückgang von 1990 bis 2009 zeigt, verläuft der Index der Leitarten in diesem Zeitraum ohne langfristigen Trend (Birrer et al. 2011). Die Abnahme der einheimischen Brutvogelarten war lange nicht erklärbar, da der Rückgang nicht auf einen einzelnen Faktor zurückzuführen war. Heute weiss man, dass die Veränderung durch das Zusammenspiel einer Reihe von Faktoren ausgelöst wurde, wie beispielsweise durch die Intensivierung der landwirtschaftlichen Praxis und die damit verbundene Reduktion der Habitatsqualität, sowie durch die allgemeine Homogenisierung von Agrarlandschaften (Lachat et al. 2010). Lösung Nr. 3: Das Monitoring muss klare Hypothesen adressieren Umweltmonitoringdaten sind oftmals wenig aussagekräftig für Entscheidungsfindungen, da lange Zeiträume erforderlich sind, um ökologische Trends sichtbar zu machen. Daher sollte ein Umweltmonitoring nur etabliert werden, wenn es geeignet erscheint, bestimmte Effekte in einer geeigneten Zeitspanne zu detektieren. Die Entscheidung, ein Umweltmonitoring und speziell eine fallspezifische Überwachung2 durchzuführen, ver-

Zielarten sind lokal bis regional vorkommende, aber national gefährdete Arten, die erhalten und gefördert werden sollten und für welche die Schweiz in Europa eine besondere Verantwortung hat. Leitarten sind charakteristisch für eine Region und repräsentativ für ein bestimmtes Habitat und dienen damit als Indikatoren für die Qualität des Lebensraums, den sie besiedeln.

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Das Umweltmonitoring von GVP wird in der Regel in eine fallspezifische Über­ wachung und in eine allgemeine Umweltbeobachtung unterteilt. 2

langt offene Fragen aus der Risikobewertung, die einer wissenschaftlichen Unsicherheit unterliegen (Europäische Gemeinschaft 2001; FrSV SR 814.911). Es muss eine logische Risikohypothese formuliert werden können, wie eine spezifische GVP ein bestimmtes Schutzgut beeinträchtigen könnte (Sanvido et al. 2004). Doch kann auch die beste Hypothese zu unsicheren Schlüssen führen, wenn sie nicht rigoros getestet wird (Romeis et al. 2011). Um als Grundlage für behördliche Entscheidungen zu dienen, müssen die Tests so durchgeführt werden, dass die definierte Risikohypothese mit der grösstmöglichen Sicherheit bestätigt wird. Dies führt zur Frage, unter welchen Bedingungen das Vorhandensein der vermuteten Effekte mit der grösstmöglichen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden können. Wie das Beispiel über die Variabilität der Tagfalter im Schweizer Mittelland gezeigt hat, werden Umwelteffekte durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Sofern ein bestimmter Stressor (z. B. das Bt-Toxin) nicht einen relativ grossen Effekt verursacht, erzeugen eine Anzahl von Einfluss­ faktoren wahrscheinlich verschiedene sich überlappende Effekte. Der Einfluss der einzelnen Faktoren wird nur schwer zu unterscheiden sein. Es könnte daher sehr schwierig werden, die Kausalität zwischen einem bestimmten Effekt und dem Faktor, der ihn ausgelöst hat, zu bestimmen. Ein relevanter Effekt wird deshalb viel eher in einer kontrollierten Umgebung entdeckt, in der nur ein paar wenige Faktoren variieren, als in einer multifaktoriellen Umgebung, wie sie typisch für ein Monitoringprogramm ist. Je nach Risikohypothese kann das Testen der Hypothese unter kontrollierten Bedingungen (wie dem Labor oder dem Halbfreiland) deshalb aufschlussreicher sein, als das Testen unter realistischen Bedingungen im Freiland. Herausforderung Nr. 4: Schutzgüter werden unterschiedlich gewichtet Die unterschiedliche Bewertung von wissenschaftlichen Daten beeinflusst die Entscheidungsfindung durch Behörden. Umweltauswirkungen von GVP werden unterschiedlich bewertet, da die zu schützenden ökologischen Einheiten im Gesetz relativ vage formuliert sind. So sind beispielsweise die im Gentechnikgesetz (GTG SR 814.91) verankerten Schutzziele wie «Schutz der Umwelt» oder «Erhalt der biologischen Vielfalt» so breit gefasst, dass sie zu viel Raum für Interpretationen zulassen und deshalb operationalisiert werden müssen. Verschiedene Interessengruppen interpretieren unscharf formulierte Schutzziele unterschiedlich mit dem Resultat, dass die Vorstellungen, was durch den Anbau von GVP nicht beeinträchtigt werden sollte, weit auseinander liegen. Ein gutes Beispiel für solche Kontroversen stellt die 

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Pflanzenbau | Herausforderungen beim Umweltmonitoring von gentechnisch veränderten Pflanzen

Interpretation der Resultate der UK Farm Scale Evaluations (FSE) dar. In den FSE wurden konventionelle und gentechnisch veränderte herbizidtolerante (GVHT) Kulturen von Zuckerrübe, Raps und Mais hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Biodiversität von Unkräutern und Arthropoden verglichen. In GVHT Zuckerrübe und in GVHT Raps fanden die Forschenden geringere Mengen an Schmetterlingen und Bienen. Im Gegensatz dazu wurden in GVHT Mais, aufgrund der grösseren Anzahl an Unkräutern im Feld, generell grössere Populationen bei Schmetterlingen und Bienen gefunden als in der nicht-GVHT Kultur (Haughton et al. 2003). Die britischen Behörden schlossen aus diesen Ergebnissen, dass der Anbau von konventionellem, nicht GVHT Raps und konventioneller Zuckerrübe besser für eine Vielzahl von Artengruppen ist (DEFRA 2005). In ihrer Bewertung der FSE Resultate beurteilten die englischen Behörden das Vorhandensein von Unkräutern im Feld als ein Schutzgut, da Unkräuter als wichtiger Bestandteil von Agrarökosystemen betrachtet wurden (Marshall et al. 2003). Im Gegensatz zur Interpretation der englischen Behörden argumentierten die australischen Behörden in einem Bericht, dass sie den Erhalt von Unkräutern auf landwirtschaftlichen Feldern nicht als Ziel ihrer nationalen Biodiversitätsstrategie betrachten (CSIRO 2003). Dieses Beispiel zeigt, dass, je nach Wertvorstellungen, Behörden unterschiedliche Ansichten über die Frage haben können, ob Unkräuter in landwirtschaftlichen Feldern geschützt werden sollen, um als Nahrungsgrundlage für Wirbellose und Vögel zu dienen. Lösung Nr. 4: Schutzgüter für landwirtschaftliche Anbausysteme definieren und operationalisieren Um Daten aus dem Umweltmonitoring eindeutig interpretieren zu können, benötigen Behörden klare Vorgaben, welche Schutzgüter durch den Anbau von GVP nicht beeinträchtigt werden sollen und welche Beeinträchtigung einen Schaden darstellt. Gegenwärtig bieten die gesetzlichen Vorgaben, die den Schutz der Biodiversität vor Auswirkungen durch GVP regeln, zu viel Interpretationsspielraum. So entstehen Unklarheiten, wie zum Beispiel die Frage, ob und in welchem Grade man Unkräuter in landwirtschaftlichen Feldern schützen soll. Zukünftige Entscheidungsprozesse könnten intransparent und nur schwer nachvollziehbar erscheinen, da exakte Vorgaben zur Bewertung der Auswirkungen von GVP fehlen. Um dieses Problem zu beheben, schlagen wir einen Ansatz vor, mit dessen Hilfe die Behörden, die sich mit der Zulassung von GVP befassen, eine Definition der Begriffe «Umwelt» und «Biologische Vielfalt» vornehmen können (Sanvido et al. 2011). Idealerweise sollte eine Bestimmung der Umweltgüter, die konkret zu

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schützen sind, in einem transparenten Prozess bestimmt werden, bei dem alle relevanten Akteure (d. h. Regulierer, Antragstellende und wissenschaftliche Expertinnen und Experten) involviert werden.

Schlussfolgerungen Die in diesem Artikel erwähnten Schwierigkeiten zeigen eine Reihe von Herausforderungen bei der Analyse von Umweltmonitoringdaten für regulatorische Entscheidungsprozesse beim Anbau von GVP. Das Monitoring von GVP könnte sowohl vom Zeitaufwand wie auch von den Kosten her eine enorm anspruchsvolle Aufgabe werden, die unter Umständen wenig Daten liefert, die bei behördlichen Entscheidungen verwendet werden können. Die Zulassungsbehörden sollten sich der Limiten von Umweltmonitoringprogrammen für behördliche Entscheidungen bewusst sein. Aus unserer Sicht wäre es oftmals effizienter und aussagekräftiger, verbleibende Unsicherheiten zu den Umweltauswirkungen von GVP während der Risikobewertung vor der Zulassung zu untersuchen. Beim Monitoring beobachtete Umweltveränderungen können zudem meist nicht einer einzigen Ursache, wie beispielsweise dem Anbau von GVP, zugeordnet werden, da langjährige Messungen nötig sind, um Trends zu eruieren und oft zwischen den Jahren grosse natürliche Schwankungen auftreten. Um erhobene Monitoringdaten nutzen zu können, benötigen die Behörden eine Vergleichsbasis, die Daten aus bestehenden Beobachtungen berücksichtigt. Leider gibt es in der Schweiz kaum langjährige Datensätze zur Biodiversität in Agrarräumen, die man für ein Umweltmonitoring eines kommerziellen GVP Anbaus beiziehen könnte. Da Entscheidungen oftmals relativ kurzfristig gefällt werden müssen, könnte man statt dessen die Umweltauswirkungen von GVP mit Hilfe von Ökobilanzen und Multi-Attribut Verfahren (ACRE 2007; Sanvido et al. 2011b) mit den Auswirkungen bekannter landwirtschaftlicher Praktiken vergleichen. Dabei würde der Anbau von GVP in den Kontext des jeweiligen Anbausystems gestellt und die Vor- und Nachteile des jeweiligen Systems würden aus der Sicht der Nachhaltigkeit beurteilt. Dieser Ansatz berücksichtigt, dass Technologien, die ähnliche Umweltauswirkungen haben, nach demselben regulatorischen Ansatz reguliert werden sollten. Es gibt keine überzeugenden Argumente, eine strengere Regulierung für eine bestimmte Technologie anzuwenden, falls eine andere Technologie zu ähnlichen Umweltn auswirkungen führt.


Sfide nel monitoraggio ambientale di piante geneticamente modificate In virtù della legge sull'ingegneria genetica, in Svizzera la coltivazione di piante geneticamente modificate (PGM) deve essere abbinata a un monitoraggio ambientale al fine di individuare per tempo eventuali effetti negativi sull'ambiente e adottare i provvedimenti del caso. Le autorità devono essere in grado di riconoscere delle variazioni ambientali e di classificarle come danno ambientale. Noi riteniamo che un monitoraggio ambientale è adatto solo in parte per ridurre le incertezze che potrebbero ancora sussistere dopo la valutazione del rischio delle PGM. Dal profilo scientifico, simili decisioni presentano quattro difficoltà: le prime tre riguardano restrizioni metodologiche nella rilevazione scientifica dei dati, la quarta risulta dalla valutazione controversa sugli effetti ambientali delle PGM. A oggi non è quindi ancora stato chiarito quali variazioni ambientali debbano essere effettivamente considerate come danni. Nel presente articolo analizziamo le quattro difficoltà che si pongono, proponendo possibili strategie per affrontarle. Sarebbe opportuno verificare le rimanenti incertezze durante l'analisi del rischio prima dell'omologazione. Le autorità preposte all'omologazione dovrebbero riconoscere le restrizioni dei programmi di monitoraggio ambientale nel processo decisionale in vista della coltivazione di PGM.

Summary

Riassunto

Herausforderungen beim Umweltmonitoring von gentechnisch veränderten Pflanzen | Pflanzenbau

Challenges in the environmental monitoring of genetically modified plants According to genetic engineering legislation in Switzerland, the cultivation of genetically modified plants (GMPs) must be accompanied by environmental monitoring. This environmental monitoring is intended to identify any negative effects on the environment as early as possible so that necessary remedial measures can be taken. Accordingly, the authorities must be in a position to recognise changes in the environment and classify them as environmental harm. In our opinion, however, environmental monitoring is only partially suitable for reducing uncertainties which might still exist after the risk assessment of GMPs. From a scientific point of view, there are four difficulties with such decisions. The first three difficulties concern methodological limitations in scientific data collection. The fourth difficulty stems from the controversial assessment of the environmental effects of GMPs. Thus, it is nowadays unclear just which environmental changes are effectively to be evaluated as constituting harm. In this article, we analyse the four challenges and suggest possible strategies for countering them. Any remaining uncertainties should ideally be investigated during risk assessment before approval is granted. Regulatory authorities should recognise the limitations of environmental-monitoring programs for decision-making during cultivation of GMPs. Key words: regulatory decision-­ making, biodiversity, environmental monitoring, genetically modified plants, environmental harm.

Literatur Das Literaturverzeichnis kann beim Autor bezogen werden.­

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A g r a r w i r t s c h a f t

Alpwirtschaft in der Schweiz: Befragungen zu Situation und Wahl der Sömmerungsbetriebe Stefanie von Felten1, Markus Fischer2 und Stefan Lauber1 Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, 8903 Birmensdorf 2 Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8046 Zürich Auskünfte: Stefan Lauber, E-Mail: stefan.lauber@wsl.ch, Tel. +41 44 739 24 83 1

Abb. 1 | Alp Langermatte, Lenk BE. (Foto: Stefan Lauber)

Einleitung Der bislang vergleichsweise geringe Stellenwert des Sömmerungsgebietes in der Schweizer Agrarpolitik (Baur et al. 2007) widerspiegelt sich darin, dass es erst zwei gesamtschweizerische Erhebungen zur Alpwirtschaft gab: Einerseits die Schweizerische Alpstatistik

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(1891/1911) und anderseits das Schweizerische Alpkataster (1954/1982). Daneben gibt es seit 1980 die Sömmerungsbeitragsstatistik, doch erlaubt diese keine umfassende Abbildung der aktuellen Situation der Schweizer Alpwirtschaft, da sie vor allem die Anzahl der Betriebe und der gesömmerten Tiere erfasst. Für eine effektive und effiziente Ausgestaltung der Agrarpolitik, die von


der Praxis mitgetragen wird, sind mehr Informationen über die Sömmerungspraxis nötig, inklusive der Ziele, Absichten und Erwartungen der die Sömmerungsweiden bestossenden Tierhalterinnen und Tierhalter. Das Teilprojekt «Politikanalyse», das im Rahmen des Verbundprojektes «AlpFUTUR – Zukunft der Sömmerungsweiden in der Schweiz» durchgeführt wurde, will dazu beitragen, das Wissen zur Situation der Alpwirtschaft und zu den Faktoren, welche die Entscheidung für oder gegen eine Sömmerung von Tieren beeinflussen, auf den aktuellen Stand zu bringen.1 Während sich der vorliegende Artikel auf ausgewählte Aspekte der aktuellen Alp- und Landwirtschaftsstrukturen und der Wahl des Sömmerungsbetriebes konzentriert, legt der in diesem Heft nachfolgende Artikel von Fischer et al. (2012) den Schwerpunkt auf die Bedeutung der Heimfutterfläche für die Alpwirtschaft und die generellen Entscheidungsfaktoren für oder gegen die Sömmerung. Die in diesen beiden Artikeln aus Platzgründen nicht präsentierten Ergebnisse und Schlussfolgerungen der drei durchgeführten Befragungen sind in Lauber et al.  (2011) zusammengestellt. Verbundprojekt AlpFUTUR: www.alpfutur.ch; Teilprojekt 13 «Politikanalyse»: www.alpfutur.ch/politikanalyse

1

Fragebogen und Auswahl der Adressaten Die Fragebogen wurden in Deutsch erstellt und ins Französische (Fischer 2011) bzw. Französische und Italienische (von Felten 2011a und 2011b) übersetzt. Alle Sprachversionen sind jeweils im Anhang der entsprechenden Publikationen zu finden. Die Adressaten der Befragungen wurden als zufällige Stichproben aus der Datenbank des Agrarinformationssystems (AGIS) des Bundesamtes für Landwirtschaft BLW gezogen. Für das Jahr 2008 waren dort 7194 Alpbetriebe (Sömmerungsbetriebe) und 53 519 Heimbetriebe (Ganzjahresbetriebe) registriert. Die Gesamtheit aller Alpbetriebe wurde nach Kanton und Sömmerungsdauer (≥ 100 Tage, < 100 Tage) in Schichten eingeteilt. Bei den Heimbetrieben wurden zuerst Betriebe ohne Tiere sowie reine Spezialkultur- und Veredlungsbetriebe ausgeschlossen. Die verbleibenden 46 322 Betriebe wurden in sömmernde (22 262) und nicht sömmernde (24 060) und danach in Schichten nach Kanton und Produktionszone (3 Stufen: Tal- und Hügelzone, Bergzonen I und II, Bergzonen III und IV) eingeteilt.

Zusammenfassung

Alpwirtschaft in der Schweiz: Befragungen zu Situation und Wahl der Sömmerungsbetriebe | Agrarwirtschaft

Parallel zur Landwirtschaft im Talgebiet befindet sich auch die Alpwirtschaft im Wandel. Im Rahmen des Verbundprojektes AlpFUTUR wurden drei repräsentative schriftliche Befragungen durchgeführt: Bewirtschaftende von Alpbetrieben sowie sömmernder und nicht-sömmernder Heimbetriebe wurden zu Fakten, Meinungen und Einschätzungen befragt. Die Ergebnisse zeigen unter anderem die nach wie vor starke Verankerung der Alpwirtschaft in der Schweizerischen Landwirtschaft: 48 % der Landwirtschaftsbetriebe mit Tierhaltung geben im Sommer Tiere auf die Alp. Über die Hälfte der Befragten massen der Tradition ebenso viel Bedeutung bei wie der Wirtschaftlichkeit. Während die traditionelle Arbeitsteilung zwischen Milchviehhaltung auf den Heimbetrieben und Jungviehaufzucht auf der Alp weiterhin besteht, nimmt die Bedeutung der Mutterkuhhaltung auch auf den Alpen zu. Als eindeutiger Schlüsselfaktor für die Wahl der Alp erweist sich kompetentes, gut ausgebildetes Alppersonal.

Dann wurden proportional zu den Schichtgrössen zu­ fällige Stichproben von insgesamt 1000 Alpbetrieben, 2500 sömmernden und 600 nicht sömmernden Heimbetrieben aus der jeweiligen Grundgesamtheit gezogen. Die Stichproben entsprechen somit bezüglich den gewählten Schichten der Verteilung der Betriebe in der Schweiz. Effektiv angeschrieben wurden schliesslich 964 Alp­ betriebe, 2458 sömmernde und 586 nicht sömmernde Heimbetriebe (einige Betriebe konnten nicht mit einer gültigen Adresse in Verbindung gebracht werden). Nach zwei Wochen wurde, ausser bei den sömmernden Heimbetrieben, den nicht antwortenden Betrieben ein Erinnerungsschreiben mit Fragebogen zugesandt. Die Befragungen erfolgten anonym. Die Daten konnten durch Abgleichen von anonymisierten Laufnummern mit bereits in der AGIS-Datenbank vorhandenen Strukturdaten (z. B. Standortgemeinde, Angaben zu den gesömmerten Tierkategorien, Besatz und Normalbesatz sowie Produktionszone) zusammengeführt werden.

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Agrarwirtschaft | Alpwirtschaft in der Schweiz: Befragungen zu Situation und Wahl der Sömmerungsbetriebe

Private Besitzer

Einzelpächter

24,5

13,1

Öff.-rechtl. Körperschaft

7,8

Privatrechtliche Körperschaft

2,8

Bewirtschaftung

Genossenschaft/ Korporation

Einzelner Anteiler

0,5

0,4

17,3

13,9

2,8

4,8

7,6

4,6

Besitz Privatperson

Abb. 2 | Typisierung der Alpen nach Besitz und Bewirtschaftung der Alpweiden. Gezeigt werden die Anteile (%) jeder Besitz- und Bewirtschaftungsform (Zeilen und Spalten, graue Flächen) sowie der verschiedenen Kombinationen am Total (Grösse der blauen Kreisflächen). Die Abbildung basiert auf 567 eindeutigen Antworten von Alpbetrieben (weitere 119 Mehrfachantworten für Besitz oder Bewirtschaftung wurden ausgeschlossen). (Quelle: von Felten 2011a, Abb. 4)

Methoden Grundlage dieses Artikels bilden drei schriftliche Befragungen, die zwischen Dezember 2009 und September 2010 durchgeführt wurden. Sie richteten sich an Bewirtschaftende von Alpbetrieben (von Felten 2011a), Bewirtschaftende von sömmernden Heimbetrieben (von Felten 2011b) und Bewirtschaftende von Heimbetrieben, die keine Tiere (mehr) sömmern (Fischer 2011). Die Ausgestaltung der Fragebögen (siehe Kasten) basierte auf Literaturstudium und zwölf leitfadengestützten Interviews mit Experten, vorwiegend aus der land- und alpwirtschaftlichen Beratung.

Die meisten Umfrageresultate wurden direkt ausgewertet. Antworten auf offene Fragen wurden in geeignete Kategorien eingeteilt, so zum Beispiel die Gründe, die für einen Alpwechsel genannt wurden. Auch bei einigen komplexen Fragen wurden aus den Antworten abgeleitete Variablen gebildet, so beispielsweise dort, wo die sömmernden Heimbetriebe die Anzahl gehaltener und gesömmerter Tiere verschiedener Tierkategorien nannten. Wir berechneten daraus die Grossvieheinheiten (GVE) für jede Tierkategorie und bildeten die Variablen «Tierhaltungstyp» (z. B. Milchkuhhalter, Jungviehhalter) zur Charakterisierung des auf dem Heimbetrieb gehaltenen Tierbestandes und «Sömmerungstyp»

Alpbetriebe

Sömmernde Heimbetriebe Sömmerung muss rentieren (39 %)

Tradition & Wirtschaftlichkeit (44 %)

Tradition sehr wichtig (17 %)

Sömmerung muss rentieren (30 %)

Tradition & Wirtschaftlichkeit (56 %)

Tradition sehr wichtig (14 %)

Abb. 3 | Wirtschaftlichkeit und Tradition der Sömmerung. Antworten auf die Frage «wie wichtig erscheint Ihnen die Wirtschaftlichkeit der Sömmerung im Vergleich zur Bewahrung der Tradition?». Die Abbildung basiert auf 663 Antworten von Alpbetrieben (links, Quelle: von Felten 2011a, Abb. 30) sowie 834 Antworten von sömmernden Heimbetrieben (rechts, Quelle: von Felten 2011b, Abb. 19).

188

Agrarforschung Schweiz 3 (4): 186–193, 2012


Alpwirtschaft in der Schweiz: Befragungen zu Situation und Wahl der Sömmerungsbetriebe | Agrarwirtschaft

Tierkategorie

Milchkühe

Jungvieh

Mutterkühe

Produktionszone Talzone

11,7

25,1

23,3

8,4

10,8

9,5

Bergzone 1

8,4

16,4

16,6

Bergzone 2

28,4

21,5

13,5

Bergzone 3

28,0

15,8

21,9

Bergzone 4

15,1

10,4

15,3

Voralpine Hügelzone

Abb. 4 | Herkunft der gesömmerten Rindviehkategorien nach landwirtschaftlicher Produktionszone in % (gemessen an der Anzahl der Tiere). Die Abbildung basiert auf 852 Antworten von sömmernden Heimbetrieben. (Quelle: von Felten 2011b, Abb. 9)

(z. B. Milchkuhsömmerung) zur Beschreibung des gesömmerten (Teil-)Bestandes. Die Typisierung folgt jener von Raaflaub und Durgiai (2010), die je Tierkategorie einen Typ bilden, wenn mindestens 60 % der gehaltenen bzw. gesömmerten GVE zu einer Tierkategorie gehören.

Resultate Rücklauf Der Rücklauf der Fragebogen war sehr hoch: 686 Alpbetriebe (71 % der angeschriebenen Betriebe), 856 sömmernde (35 %) und 233 nicht sömmernde (40 %) Heimbetriebe sandten ihren Fragebogen ausgefüllt zurück. Das entspricht in Bezug auf die jeweilige Grundgesamtheit 9,5 % der Alpbetriebe, 3,8 % der sömmernden und 1,0 % der nicht sömmernden Heimbetriebe. Breite Verankerung der Alpwirtschaft Die starke Verankerung der Sömmerung in der Schweizer Landwirtschaft zeigt sich darin, dass 42 % aller Schweizer Heimbetriebe im Jahr 2008 Tiere sömmerten. Schliesst man Betriebe ohne Tiere, sowie reine Spezialkultur- und Veredlungsbetriebe aus, sömmerten sogar 48 %. Die Kombinationen von Besitz- und Bewirtschaftungsverhältnissen der Alpweiden sind vielfältig. Am häufigsten sind: Besitz durch eine Privatperson mit Bewirtschaftung durch den privaten Besitzer, Besitz durch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft mit Bewirtschaftung durch einen Einzelpächter oder eine Genossenschaft beziehungsweise Korporation, sowie Besitz durch eine Privatperson mit Bewirtschaftung durch einen Einzelpächter (Abb. 2).

Tradition ist wichtig Die Befragungen von Alp- und Heimbetrieben ergaben übereinstimmend, dass die Tradition beim Sömmerungsentscheid eine grosse Rolle spielt: Einer Mehrheit der Befragten ist beides, Wirtschaftlichkeit und Bewahrung der Tradition, wichtig und rund ein Sechstel findet alleine Tradition sehr wichtig (Abb. 3). Seitens der Alpbetriebe ist Wirtschaftlichkeit wichtiger («Sömmerung muss rentieren»), während Heimbetriebe der Tradition etwas mehr Gewicht geben. Diese Gewichtungen könnten sich damit erklären, dass die Alpverantwortlichen den Alpbetrieb häufig selbst bewirtschaften (von Felten 2011a) und daher wirtschaftlich stärker vom Alpbetrieb abhängig sind. Die gesömmerten Tiere Das gesömmerte Vieh der befragten sömmernden Heimbetriebe stammt aus allen Produktionszonen, wobei die Milchkühe eher aus den Bergzonen (v. a. BZ II und BZ III) kommen, während viele Jungtiere und Mutterkühe aus der Talzone stammen (Abb. 4). Die Typisierung der sömmernden Heimbetriebe in Tierhaltungs- und Sömmerungstypen (siehe Methodenteil) ergab Milchkuhhaltung als häufigsten Typ auf dem Heimbetrieb (63  %), jedoch Jungviehsömmerung als häufigsten Typ in Bezug auf die gesömmerten Tiere (39 %). Bei den gesömmerten Tieren folgte Milchkuhsömmerung als zweithäufigster Typ (29 %), gefolgt von gemischter (14 %), Mutterkuh- (9 %), Schaf- (6 %) und Galtviehsömmerung (2 %). Seltenere Sömmerungstypen waren Ziegen-, Milchziegen-, und Milchschafsömmerung (alle < 1 %). Die Befragung der Alpbewirtschaftenden nach erfolgten Änderungen bei den gesömmerten 

Agrarforschung Schweiz 3 (4): 186–193, 2012

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Agrarwirtschaft | Alpwirtschaft in der Schweiz: Befragungen zu Situation und Wahl der Sömmerungsbetriebe

Letzte 10 Jahre Zunahme

Galtkühe

Jungvieh + Rinder

Milchkühe

Mutterkühe

Schafe

Ziegen

Diverse

Unbekannt

Abnahme 1

Galtkühe Jungvieh + Rinder

3

1

Milchkühe

4

15

Mutterkühe

3 14

25

1

22

1

1

1

3

4

1

1

1

Schafe

2

Diverse

3

Unbekannt

1

1

10

3

23

1

1

1

Nächste10 Jahre Zunahme

Galtkühe

Jungvieh + Rinder

Milchkühe

Mutterkühe

Ziegen

Diverse

Unbekannt

1

1

6

2

Abnahme Galtkühe

1

Jungvieh + Rinder

1

Milchkühe

2

Schafe

1 1

8

9

1

1

1

2

Diverse Unbekannt

5

1

10

22

4

Abb. 5 | Anzahl Sömmerungsbetriebe mit Umstellung bei den Tierkategorien. Oben: Umstellungen in den letzten zehn Jahren (22 % der Alpen). Insgesamt antworteten 395 Bewirtschaftende von Sömmerungsbetrieben, wobei 148 eine Umstellung nannten. Die Zeile bzw. Spalte «Unbekannt» enthält Fälle, wo nur über eine zunehmende bzw. abnehmende Tierkategorie berichtet wurde. Unten: geplante und mögliche Umstellungen in den nächsten zehn Jahren (11 % der Alpen). Es antworteten 405 Bewirtschaftende, davon planen 74 eine Umstellung und 26 halten eine für möglich. Gezeigt sind hier nur Antworten, die mindestens eine Angabe über eine zunehmende bzw. abnehmende Tierkategorie enthalten. (Quelle: von Felten 2011a, Abb. 27 und 28)

Tierkategorien (letzte zehn Jahre) und nach möglichen zukünftigen Umstellungen (kommende zehn Jahre) ergab übereinstimmend eine Zunahme der gesömmerten Mutterkühe (Abb. 5). Wer sömmert Tiere? Die Bewirtschafterinnen und Bewirtschafter von sömmernden Heimbetrieben waren durchschnittlich 48 Jahre alt. Die meisten sind selbst in der Landwirtschaft aufgewachsen (84 %). Sie haben mehrheitlich (63 %) eine landwirtschaftliche Lehre oder Schule absolviert, etwa ein Fünftel hat die Meisterprüfung (19 %) und immerhin ein Viertel (25 %) hat eine andere, nicht-landwirtschaftliche Ausbildung (Mehrfachantworten möglich).

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Agrarforschung Schweiz 3 (4): 186–193, 2012

Ein vergleichsweise hoher Anteil (62 %) der sömmernden Heimbetriebe sind Vollerwerbsbetriebe (d. h., das ausserlandwirtschaftliche Einkommen beträgt weniger als 10 %). Im Schweizer Durchschnitt betrug der Anteil der Vollerwerbsbetriebe hingegen im Jahr 2004 nur 33 % (BLW 2004). Gut die Hälfte (51 %) der sömmernden Heimbetriebe verfügt weder über eine eigene Alp noch über Alprechte. Alprechte bei einer öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Genossenschaft besitzen 44 %, eine eigene Alp nur 10 %. Etwa ein Fünftel pachtet eine Alp oder Alprechte (21 %). Während 19 % auf der Alp selbst für ihre Tiere sorgen, gibt der Rest der sömmernden Heimbetriebe nur Tiere auf die Alp. Das Kriterium, ob eine


Alpwirtschaft in der Schweiz: Befragungen zu Situation und Wahl der Sömmerungsbetriebe | Agrarwirtschaft

Bewirtschafter, die Tiere selbst alpen (n=144)

0 500

250

50

250

0 500

0 100

0 500

250

50

250

0 500

0 100

0 500

250

50

250

0 500

0 100

0 500

250

50

250

0 500

0 100

0 500

250

50

250

0 500

0 100

0 500

250

50

250

0 500

0 100

0 500

250

50

250

0 500

0 100

0 500

250

50

250

0 500

0 100

0 500

250

50

250

0 500

0 100

0 500

250

50

250

0 500

0 100

0 500

250

50

250

0

0

0

gar nicht wichtig

Gute Infrastruktur (Alpgebäude, Stall, Käserei, Unterstand/Schneeflucht)

250

0 100

trifft nicht zu

Geringe Distanz zum Heimbetrieb

50

0 500

sehr wichtig

Produktion von Alpkäse

250

eher wichtig

Kostengünstige Sömmerung

0 500

gar nicht wichtig

Kostengünstiger Transport

0 100

trifft nicht zu

Gute Dienstleistungen (z.B. Klauenpflege, Stierverfügbarkeit, Transport)

250

0 500

sehr wichtig

Lange Sömmerungsdauer

50

eher wichtig

Eigene Alp vorhanden

0 500

250

gar nicht wichtig

Gute Erschliessung der Alp (gute Zufahrtswege)

0 100

eher nicht wichtig

Geringes Absturz- und Unfallrisiko

250

0 500

trifft nicht zu

Eigene Alprechte vorhanden

500

50

sehr wichtig

Beweisungssystem (Behirtung, Umtriebsweide, ungekoppelte Weide)

100

250

eher wichtig

Gute Erfahrungen mit der Alp

500

eher nicht wichtig

Kompetentes, gut ausgebildetes Personal

Bewirtschafter, die Tiere nicht selbst alpen (n=627)

eher nicht wichtig

Alle Bewirtschafter von sömmernden Heimbetrieben (n=771)

Abb. 6 | Gründe für die Wahl der Alp bei sömmernden Heimbetrieben. Gezeigt werden die Anzahl Antworten für jeden Grund, rangiert nach der Wichtigkeit des Grundes (Rangmittelwert der hellgrauen Antwortkategorien, als gestrichelte Linie) für alle Bewirtschaftenden (linke Spalte, Summe der mittleren und rechten Spalte). Die Anzahl Antworten «trifft nicht zu» (dunkelgrau) wurden für die Rangierung nicht berücksichtigt. (Quelle: modifiziert nach von Felten 2011b, Abb. 18)

Bewirtschafterin oder ein Bewirtschafter selbst zur Alp geht, hat sich für die Wahl der Alp und die Beweggründe zur Sömmerung als sehr wichtig herausgestellt (siehe dazu Abb. 6 und Abb. 2 in Fischer et al. 2012, in diesem Heft). Von den befragten Alpbewirtschaftenden waren die meisten als private Selbstbewirtschaftende selbst auf der Alp (62 %). 81 % bewirtschaften auch einen Heimbetrieb. Auf 38 % der befragten Sömmerungsbetriebe arbeitete angestelltes Personal (von Felten 2011a). Darunter waren viele «Auswärtige», etwa ein Sechstel von ausserhalb des Alpkantons und ein knappes Viertel aus dem Ausland. Kriterien für die Wahl der Alp Die drei wichtigsten Kriterien für die Wahl der Alp waren für sömmernde Heimbetriebe im Allgemeinen kompetentes, gut ausgebildetes Personal, gute Erfahrungen mit der Alp und das Beweidungssystem (Abb. 6, links).

Betrachtet man nur die Antworten jener Minderheit von Bewirtschaftenden, die ihre Tiere selbst sömmern, sind das Vorhandensein einer eigenen Alp beziehungsweise eigener Alprechte, und ebenfalls gute Erfahrungen mit der Alp die wichtigsten Gründe (Abb. 6, Mitte). Wichtiger als für die anderen Betriebe sind für diese Bewirtschaftenden ausserdem die gute Erschliessung der Alp, die geringe Distanz zum Heimbetrieb, die lange Sömmerungsdauer und eine kostengünstige Sömmerung. Weniger wichtig sind hingegen gute Dienstleistungen der Alp und ein geringes Absturz- und Unfallrisiko. Hingegen rangiert letzteres bei Bewirtschaftenden, die ihre Tiere nicht selbst sömmern, auf dem 3. Platz (Abb. 6, rechts). Gründe für einen Alpwechsel Über die Hälfte der Befragten sömmert seit mehr als 20 Jahren auf demselben Betrieb. Trotz dieser insgesamt

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Agrarwirtschaft | Alpwirtschaft in der Schweiz: Befragungen zu Situation und Wahl der Sömmerungsbetriebe

grossen Treue zum Alpbetrieb gaben 26 % der Bewirtschaftenden von sömmernden Heimbetrieben an, die Alp schon einmal gewechselt zu haben. Folgende fünf Gründe wurden in einem offenen Antwortformat am häufigsten angegeben: schlechte Tierbetreuung, Entfernung vom Heimbetrieb, kein Platz mehr für die Tiere, «Mutterkühe», und Unzufriedenheit mit dem Alppersonal oder der Organisation. Die Antworten zum Thema «Mutterkühe» umfassten Alpwechsel wegen Umstellung auf Mütterkühe auf dem Heimbetrieb, wenn aber etwa die Alp weiterhin nur von Milchkühen bestossen wurde. Es gab aber auch Fälle, wo die Alp auf Mutterkühe umstellte, während ein Heimbetrieb weiterhin die bisherige Tierkategorie sömmern wollte und deshalb die Alp wechseln musste.

Diskussion Im Folgenden wird auf zwei Themen näher eingegangen. Eine umfassende Diskussion aller Ergebnisse und Schlussfolgerungen ist in Lauber et al. (2011) nachzulesen. Entwicklung der gesömmerten Tierkategorien Die Auswertung der sömmernden Heimbetriebe nach Tierhaltungs- und Sömmerungstyp zeigt noch immer das Muster der traditionellen, arbeitsteiligen Aufzucht zwischen Tal- und Berglandwirtschaft. Während Heimbetriebe primär Milchkühe halten, dominiert die Jungviehsömmerung. Zwischen 2000 und 2010 hat sich die Zahl der gesömmerten Mutterkühe von 13 854 auf 32 343 Normalstösse erhöht (+133 %, BLW 2008 und 2011). Diese Zunahme ist ein Abbild der vermehrten Haltung von Mutterkühen auf Schweizer Landwirtschaftsbetrieben. Die Mutterkühe verzeichneten in den letzten zehn Jahren die stärkste Zunahme, während die Zahlen der anderen Rindviehkategorien rückläufig waren. Die Abnahme der gesömmerten Milchkühe und des Jungviehs fällt nicht ganz so stark ins Gewicht, weil sie teilweise das Resultat von Umstellungen auf Mutterkühe ist, die ihrerseits teilweise auch wieder gesömmert werden (Lauber et al. 2011, S. 16; siehe auch Abb. 5, oben). Die Alpbewirtschaftenden erwarten in den nächsten zehn Jahren eine weitere Zunahme der gesömmerten Mutterkühe und einen Rückgang der Milchkühe (Abb. 5, unten). Diese Entwicklung ist gemäss den befragten Bewirtschaftenden von sömmernden Heimbetrieben einer der fünf wichtigsten Gründe für einen Alpwechsel, denn die Kombination von Milch- und Mutterkühen auf derselben Alp gilt als problematisch. Entsprechend können geplante und realisierte Umstellungen auf Mutterkuhhaltung auf den Alpen Konflikte mit sich bringen.

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Agrarforschung Schweiz 3 (4): 186–193, 2012

Bedeutung des Alppersonals Unsere Ergebnisse zeigen deutlich, welche Schlüsselstellung dem Alppersonal zukommt. Kompetentes, gut ausgebildetes Personal hat sich als wichtigstes Kriterium für die Wahl der Alp herausgestellt und schlechte Tierbetreuung wurde als häufigster Grund für einen Alpwechsel genannt. Die Leistungen des Alppersonals sind besonders für jene Tierhaltenden essentiell, die nicht selbst auf die Alp gehen, und dadurch häufig mit angestelltem Personal zu tun haben (Abb. 6, rechts). Der Erhalt von Sömmerungsbeiträgen ist gemäss Sömmerungsbeitragsverordnung (SöBV) nicht an eine alpwirtschaftliche Ausbildung des Alppersonals gebunden. Es zeigt sich hier ein klassisches Dilemma: Das Alppersonal ist ein Schlüsselfaktor für den Erfolg einer Alp, aber die Sömmerungsbeiträge von der Ausbildung des Personals abhängig zu machen, würde möglicherweise viele Alpbetriebe vor das Aus stellen, aufgrund der im Vergleich zum Angebot hohen Nachfrage nach Alppersonal. Um bei einer vermehrt nicht-landwirtschaftlichen Herkunft des Personals (Schweizer 2001) dennoch eine hohe Qualität der Arbeit zu gewährleisten, sind gute Arbeitsbedingungen zentral, denn nur so lässt sich die Fluktuation tief halten, was Investitionen in die Ausbildung der Einzelnen lohnend macht. Ansonsten drohen unzureichende Qualifikation und Wissensverlust.

Schlussfolgerungen Nach wie vor ist die Alpwirtschaft in der Schweizer Landwirtschaft stark verankert. Dies zeigt der hohe Anteil sömmernder Heimbetriebe. Es ist anzunehmen, dass dies nicht zuletzt einem starken Traditionsbewusstsein zu verdanken ist. Bei den gesömmerten Tieren beginnen sich die alten Muster aufzuweichen und die Mutterkuhsömmerung löst teilweise die traditionelle Milchkuh- und Jungviehsömmerung ab. Diese Veränderung des Tierbesatzes erfordert in Zukunft eine gute Planung, auf welcher Alp welche Tiere gesömmert werden sollen. Eine andere Herausforderung wird es sein, der Schlüsselrolle des Alppersonals für die n Attraktivität einer Alp Rechnung zu tragen.

www.alpfutur.ch


Economia alpestre in Svizzera: ­sondaggi sulla situazione e scelta delle aziende d'estivazione Come accade per l'agricoltura nella regione di pianura, anche l'economia alpestre sta attraversando una fase di profondi cambiamenti. Nell'ambito del progetto collettivo AlpFUTUR, sono stati condotti tre sondaggi scritti a campione rappresentativo, tra i gestori di aziende alpestri e di aziende principali che estivano o non bestiame per conoscere fatti, opinioni e valutazione. Dai risultati emerge, tra le altre cose, che in Svizzera il vincolo dell'economia alpestre con l'agricoltura continua a essere forte: d'estate, il 48 per cento delle aziende agricole che allevano animali estiva proprio bestiame sull'alpe. Più della metà degli intervistati attribuisce alla tradizione la stessa importanza che alla redditività. Oltre alla suddivisione tradizionale del lavoro tra detenzione di bestiame da latte nelle aziende principali e allevamento di bestiame giovane sull'alpe, aumenta anche l'importanza della detenzione di vacche madri sugli alpeggi. Il fattore chiave che porta alla scelta delle aziende d’estivazione è la presenza di personale addetto competente e ben formato.

Summary

Riassunto

Alpwirtschaft in der Schweiz: Befragungen zu Situation und Wahl der Sömmerungsbetriebe | Agrarwirtschaft

Alpine summer farming in Switzerland: surveys on the situation and choice of alpine summer farms In parallel with agriculture in the lowlands, alpine summer farming is also currently in a state of change. Within the framework of the inter- and transdisciplinary research programme AlpFUTUR, three representative written surveys were carried out in which managers of alpine summer farms as well as of summer-pasturing and non-summer-pasturing home farms were asked for facts, opinions and ratings. The results show inter alia that alpine summer farming is still strongly rooted in Swiss agriculture, with 48 % of livestock-keeping farms arranging for summer-pasturing of animals. Over half of those surveyed attributed as much importance to tradition as to economic efficiency in the decision to do so. Whilst the traditional division of labour between dairy farming on the home farm and heifer rearing on alpine pastures continues to exist, the importance of suckler-cow farming is also increasing on the Alps. A competent, well-trained workforce emerged as a clear key factor in the choice of alpine summer farms. Key words: alpine summer farming, deciding factors, livestock keeping.

Literatur ▪▪ Baur P., Müller P. & Herzog F., 2007. Alpweiden im Wandel. Agrarforschung 14 (6), 254 – 259. ▪▪ BLW, 2004. Agrarbericht 2004. BLW, Bern. ▪▪ BLW, 2008. Agrarbericht 2008. BLW, Bern. ▪▪ BLW, 2011. Agrarbericht 2011. BLW, Bern. ▪▪ Fischer M., 2011. Einflussfaktoren der Sömmerungsnachfrage. Unter ­w elchen Umständen würden Sie Tiere sömmern? WSL, Birmensdorf. 2 ▪▪ Fischer M., von Felten S. & Lauber S., 2012. ­H eimfutterfläche – Schlüsselparameter der Sömmerungsnachfrage. Agrarforschung Schweiz 3 (4), 194–201. ▪▪ Lauber S., Calabrese C., von Felten S., Fischer M. & Schulz T., 2011. ­­Evaluation der Sömmerungsbeitragsverordnung (SöBV) und alternativer Steuerungsinstrumente für das Sömmerungsgebiet. ART, Ettenhausen, und WSL, Birmensdorf. 2

▪▪ Raaflaub M. & Durgiai B., 2010. Typisierung von Sömmerungsbetrieben in der Schweiz und ihre Kriterien. SHL, Zollikofen. ▪▪ Schweizer A., 2001. Von StädterInnen, die z’Alp gehen. Diplomarbeit ­U niversität Bern, Bern. ▪▪ von Felten S., 2011a. Situation der Alpwirtschaftsbetriebe in der Schweiz. Resultate einer Befragung von Sömmerungsbetrieben. WSL, Birmensdorf. 2 ▪▪ von Felten S., 2011b. Weshalb sömmern Sie Ihre Tiere? Resultate einer Befragung von sömmernden Heimbetrieben. WSL, Birmensdorf. 2

Zugang zu allen Berichten des Teilprojektes: http://www.alpfutur.ch/politikanalyse [20.03.2012]

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A g r a r w i r t s c h a f t

Heimfutterfläche – Schlüsselparameter der Sömmerungsnachfrage Markus Fischer1, Stefanie von Felten2 und Stefan Lauber2 1 Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8046 Zürich 2 Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, 8903 Birmensdorf Auskünfte: Stefan Lauber, E-Mail: stefan.lauber@wsl.ch, Tel. +41 44 739 24 83

Abb. 1 | Können die Heimbetriebe ihre Futterfläche vergrössern, verzichten sie künftig allenfalls auf die Sömmerung. (Foto: Markus Fischer)

Einleitung und Methode Die allgemeinen gesellschaftlichen Veränderungen und der Agrarstrukturwandel der Heimbetriebe wirken sich auch auf die Alpwirtschaft aus. Grund ist die traditionell starke Verknüpfung zwischen Alpwirtschafts- und Heimbetrieben des Berg- und Talgebietes (Kirchengast 2006, Lauber et al. 2008). Aus Sicht der Heimbetriebe ist die Erweiterung der Futterbasis das wichtigste Motiv für die Sömmerung von Tieren (Rudmann 2004). Veränderun-

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gen der Heimfutterfläche wirken sich dadurch auf die Bestossung des Sömmerungsgebietes aus. Geben Betriebe bei einer Erweiterung der Heimfutterfläche die Sömmerung auf, werden die freiwerdenden Sömmerungsplätze nicht zwingend wiederbesetzt. Um den uneindeutigen Trend der Bestossungsentwicklung1 richtig interpretieren zu können, müssen jedoch nebst produktionsbezogenen, betriebswirtschaftlichen Entscheidungsfaktoren auch kulturelle und traditionelle Werte betrachtet werden (Rudmann 2004).


Heimfutterfläche – Schlüsselparameter der Sömmerungsnachfrage | Agrarwirtschaft

Zusammenfassung

Der vorliegende Artikel, ist im Rahmen des Teilprojektes 13 «Politikanalyse» im Verbundprojekt «AlpFUTUR – Zukunft der Sömmerungsweiden in der Schweiz» entstanden. Er fokussiert auf Befragungsresultate zur ­ Heimfutterfläche und zu den Einstiegsbarrieren nichtsömmernder Betriebe, die aus den schriftlichen Befragungen sömmernder (von Felten 2011) und nicht-sömmernder Heimbetriebe (Fischer 2011) im Jahre 2010 gewonnen wurden. Erhebungsmethoden, Stichprobe, Rücklauf und Auswertung sind im Beitrag von von Felten (2012, vorliegendes Heft) beschrieben. Die hier vorgestellten Resultate basieren vorwiegend auf quantitativen Auswertungen. Die Erfassung der Gründe der Sömmerungsaufgabe erfolgte qualitativ (offene Frage), die Antworten wurden nach inhaltlichen Kriterien kategorisiert und anschliessend auf der Ebene dieser Kategorien diskutiert.

Resultate aus den Befragungen Weshalb Heimbetriebe Tiere sömmern Bewirtschaftende von Heimbetrieben, die Tiere auf die Alp geben (n = 856), wurden nach den wichtigsten Sömmerungsgründen befragt (von Felten 2011). Im Fragebogen wurden insgesamt 15 potenzielle Gründe vorgegeben, welche die Befragten auf einer vierstufigen Skala (von «gar nicht wichtig» bis «sehr wichtig») oder als «trifft nicht zu» bewerten konnten. Die wichtigsten Sömmerungsgründe für die Gesamtheit der befragten Betriebe sind (1) die Erweiterung der Futterfläche des Heimbetriebes, (2) die positive Wirkung auf die Tier­gesundheit und (3) die Arbeitsentlastung auf dem Heimbetrieb. Abbildung 2 zeigt dabei die Wichtigkeit der erfassten Gründe sowohl für die Gesamtheit der Bewirtschaftenden von sömmernden Heimbetrieben (links), wie auch getrennt nach Betrieben, die Tiere selbst alpen (Mitte) beziehungsweise Tiere nicht selbst alpen (rechts). Die Erweiterung der vorhandenen Futterfläche auf dem Heimbetrieb ist dabei für beide Gruppen der wichtigste Sömmerungsgrund. Ebenso wird die positive Wirkung auf die Tiergesundheit von der Gesamtheit der Betriebe als sehr wichtig beurteilt. Dass die Arbeitsentlastung auf dem Heimbetrieb während der Sömmerungszeit mitunter ein entscheidender Grund ist, liegt an jenen Bewirtschaftenden, die nicht selbst mit den Tieren auf die Alp gehen (Abb. 2, rechts). Denn wer selbst auf die Alp geht, erfährt oft keine Arbeitsentlastung, sondern eher eine Mehrbelastung (Abb. 2, Mitte: 41 % der Bewirtschaftenden antworteten in der Kategorie «trifft nicht zu»). Bei dieser Gruppe sind neben der Erweiterung der Futterfläche als wichtigstem Sömmerungsgrund oftmals vorhandene Alprechte bzw. das Vorhandensein einer eigenen Alp ein zentraler Grund für die Sömmerung.

Die Entwicklung der Alpwirtschaft hängt stark von der Entwicklung der Heimbetriebe ab. Gemäss repräsentativen Befragungen sömmernder (n = 856) und nicht-sömmernder Heimbetriebe (n = 233) in der Schweiz ist die vorhandene Futterfläche auf den Heimbetrieben ein Schlüsselparameter der Sömmerungsnachfrage: Sie ist sowohl wichtigster Sömmerungs- und Nicht-Sömmerungsgrund als auch potenzieller und tatsächlicher Ausstiegsgrund. In den kommenden Jahren ist ein Szenarium mit vermehrten Sömmerungsausstiegen wahrscheinlich, denn die Hälfte der Betriebe äussert den Wunsch, die Futterbasis auf dem Heimbetrieb zu vergrössern. Hinzu kommt gemäss Umfrageergebnissen ein geringes Potenzial an Bewirtschaftenden für einen Neu- oder Wiedereinstieg in die Sömmerung: Einerseits werden gemäss Umfrage Betriebe, die noch nie Tiere auf die Alp gegeben haben, kaum in die Sömmerung einsteigen. Anderseits kann nicht mit einem gehäuften Wiedereinstieg von ehemals sömmernden Betrieben gerechnet werden, denn der Sömmerungsausstieg erfolgte mehrheitlich aufgrund grösserer und damit wohl längerfristiger Veränderungen auf dem Heimbetrieb, wie zum Beispiel einer Erweiterung der Futterfläche.

Die Zahl der gesömmerten Normalstösse von 2000 (Jahr der Umstellung der Sömmerungsbeitragsstatistik auf Normalstösse) wurde seither nie mehr erreicht. Seit dem absoluten Tiefpunkt im Jahr 2004 sind jedoch regelmässig höhere Normalstosszahlen erreicht worden, was die Befürchtungen von Mack und Flury (2008) etwas relativiert, die den steigenden Sömmerungsbeiträgen die Kraft zum Stoppen des rückläufigen Trends absprechen (Lauber et al. 2011). 1

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Agrarwirtschaft | Heimfutterfläche – Schlüsselparameter der Sömmerungsnachfrage

Kombination von Sömmerung mit agrotouristischen Angeboten

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Schlecht arrondierter Heimbetrieb

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Unterstützung der Arbeitsteilung zwischen Tal- (Produktion) und Berglandwirtschaft (Aufzucht)

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Sömmerungsbeiträge

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Tradition; die Betriebe meiner Region sömmern i. d. R.

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Alpprodukte für Eigenbedarf

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Gute Wertschöpfung durch Verkauf von Alpprodukten (Alpkäse u.a.)

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Eigene Alp vorhanden

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Freude an Alpwitschaft und am Leben auf der Alp

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Eigene Alprechte vorhanden

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Arbeitsentlastung auf dem Heimbetrieb

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Positive Wirkung auf die Tiergesundheit

Bewirtschafter, die Tiere nicht selbst alpen (n = 597)

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Erweiterung der Futterfläche des Heimbetriebes

Bewirtschafter, die Tiere selbst alpen (n = 134)

gar nicht wichtig

Alle Bewirtschafter von sömmernden Heimbetrieben (n = 731)

Abb. 2 | Die Sömmerungsgründe der Heimbetriebe. Die Antwortkategorien auf der x-Achse vervollständigen jeweils den vorgegebenen Satz «Das Kriterium ist für die Sömmerung…». Gezeigt werden die Anzahl Antworten für 15 Sömmerungsgründe, rangiert nach Wichtigkeit (Rangmittelwert der hellgrauen Antwortkategorien als gestrichelte Linie). Die Anzahl Antworten «trifft nicht zu» ist jeweils dunkelgrau dargestellt und wurde für die Berechnung des Rangmittelwerts nicht einbezogen. Dargestellt sind die Diagramme für alle Bewirtschaftenden (linke Spalte, Summe der mittleren und rechten Spalte), für Bewirtschaftende, die Tiere selbst alpen (Mitte), und Bewirtschaftende, die Tiere nicht selbst alpen (rechts). (Es sind nur Betriebe berücksichtigt, die bei allen 15 Sömmerungsgründen eine Antwort gegeben haben.)

Weshalb Heimbetriebe keine Tiere sömmern In der Umfrage bei nicht-sömmernden Betrieben (n = 233; Fischer 2011) wurden 24 potenzielle Gründe, weshalb die Befragten keine Tiere sömmern, vorgegeben. Diese Gründe der Nicht-Sömmerung konnten die Befragten in einer fünfstufigen Antwortskala (von «trifft überhaupt nicht zu» bis «trifft völlig zu») bewerten. Nicht alle Gründe sind unabhängig voneinander. Mit einer Faktorenanalyse (Hauptkomponentenanalyse) konnten fünf voneinander unabhängige Faktoren bestimmt werden. Acht der 24 vorgegebenen Gründe wurden aus statistischen und inhaltlichen Gründen schrittweise aus der Faktorenanalyse ausgeschlossen, so

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dass 16 Gründe in die endgültige Analyse zur Faktorenbildung einflossen. Die extrahierten Faktoren repräsentieren jeweils eine Gruppe von mindestens zwei verschiedenen Nicht-Sömmerungsgründen (siehe Tab. 1).2 Ebenfalls aus statistischen Gründen von der Faktorenanalyse ausgeschlossen wurde der Einzelgrund «genügend Heimfutterfläche vorhanden». Als möglicher Sömmerungsgrund ist er jedoch von Wichtigkeit und wird daher zusammen mit den gebildeten Faktoren betrachtet. 2 Weiterführende Informationen und statistische Kennzahlen zur Analyse sind in Fischer (2011) beschrieben.


Heimfutterfläche – Schlüsselparameter der Sömmerungsnachfrage | Agrarwirtschaft

Tab. 1 | Einflussfaktoren der Nicht-Sömmerung. Dargestellt sind die 16 vorgegebenen Gründe, welche die fünf aus der Faktorenanalyse (Hauptkomponentenanalyse) extrahierten Faktoren definieren. Diese erklären 68,0 % der Gesamtvarianz (in Klammern Beitrag der Faktoren). Für die Faktoren wurden Skalenmittelwerte gerechnet (siehe Abb. 4). Vorgegebene Nicht-Sömmerungsgründe Ich sömmere keine Tiere, weil…

Einflussfaktoren

… ich keine Alprechte oder keine eigene Alp habe … es schwierig ist, Alprechte zu erlangen … mir niemand Sömmerungsplätze angeboten hat … mir der persönliche Kontakt zu einer Alp fehlt

Faktor 1: Begrenzter Kontakt zur ­Alpwirtschaft (32,1 %)

Faktor 2: Ökonomische, organisatorische und administrative Gründe (13,1 %)

… die Alpungskosten im Verhältnis zum finanziellen Nutzen zu hoch sind … die Kosten für den Tiertransport zu hoch sind … die Sömmerungsbeiträge zu tief sind … der Aufwand, sich um einen Tierplatz zu kümmern, zu gross ist … der bürokratische Aufwand (viele Formulare) zu gross ist

Faktor 3: Personal (8,4 %)

… das Alppersonal schlecht ausgebildet ist … das Alppersonal häufig wechselt … es schwierig ist, eine gut geführte Alp zu finden

Faktor 4: Tierwohl (8,0 %)

… das Unfall- und Absturzrisiko auf der Alp zu gross ist … das Risiko krank zu werden, für die Tiere zu gross ist

Faktor 5: Futterangebot (6,4 %)

Abbildung 3 zeigt die Anzahl Antworten für jeden der 16 potenziellen Nicht-Sömmerungsgründe, die in die Faktorenanalyse eingingen, sowie den Einzelgrund «genügend Heimfutterfläche vorhanden» (jeweils für Betriebe mit und ohne Sömmerungsabsichten3). Mehr als drei Viertel (79 %) der Betriebe ohne Sömmerungs­ absichten bewerten die ausreichende Heimfutterfläche als wichtigen bis sehr wichtigen Grund, keine Tiere auf die Alp zu geben. Diesen Grund nannten immerhin auch 54 % der Betriebe, die sich eine Sömmerung in den nächsten zehn Jahren vorstellen können. Abbildung 4 zeigt die Mittelwerte der fünf extrahierten Faktoren sowohl für Betriebe mit und ohne Sömmerungsabsichten als auch für Betriebe, die keine eindeutige Sömmerungsabsicht zum Ausdruck bringen. Der Einzelgrund «genügend Heimfutterfläche vorhanden» ist wiederum dargestellt.

… die Futterqualität auf der Alp für meine Tiere nicht ausreicht … die Sömmerungszeit zu kurz ist

Weshalb Heimbetriebe die Sömmerung aufgeben (würden) Die sömmernden Betriebsleitenden wurden sowohl nach der Wahrscheinlichkeit eintretender Veränderungen auf ihrem Betrieb in den nächsten zehn Jahren befragt («Wie wahrscheinlich sind die in der Tabelle aufgeführten Veränderungen auf Ihrem Heimbetrieb

oder auf der Alp in den nächsten zehn Jahren?») als auch nach der Wahrscheinlichkeit einer Sömmerungsaufgabe, sollten die Veränderungen tatsächlich eintreten (von Felten 2011). Es wurden wiederum verschiedene Gründe vorgegeben, welche die Befragten auf einer vier- respektive dreistufigen Skala4 bewerten konnten. Für 48 % der Betriebe ist es wahrscheinlich, dass die Heimfutterfläche in den nächsten zehn Jahren erweitert wird. Falls dies tatsächlich so erfolgt, wäre gemäss Antworten für 28 % der Betriebe eine Aufgabe der Sömmerung wahrscheinlich. Daneben gilt auch der Wegfall von mitarbeitenden Generationen (Eltern oder Kinder) als wahrscheinliche eintreffende Veränderung (für 41 % der Betriebe), die einen Sömmerungsausstieg begünstigen würde. 26  % der Betriebe halten in diesem Fall einen Ausstieg ebenfalls für wahrscheinlich. Das Vorhandensein genügend eigener Futterfläche war der am meisten genannte Grund für die Aufgabe der Sömmerung jener 47 nicht-sömmernder Heimbetriebe, die zwischen 2000 und 2010 mindestens einmal Tiere auf die Alp gegeben haben (Fischer 2011). Dies ist das Ergebnis einer offenen Frage nach den drei wichtigsten Ausstiegsgründen (wichtigster Grund, zweitwichtigster Grund, drittwichtigster Grund).

30 % der Leitenden nicht-sömmernder Betriebe können sich vorstellen, in den nächsten zehn Jahren Tiere auf die Alp zu geben («Betriebe mit Sömmerungsabsicht»). Zusammen mit den 17 % der Betriebsleitenden, die dazu keine eindeutige Meinung haben («vielleicht sömmernde Betriebe») können demnach rund die Hälfte der Betriebe (47 %) als potentiell Sömmernde angesehen werden. 53 % der Betriebsleitenden wollen auch in Zukunft keine Tiere sömmern («Betriebe ohne Sömmerungsabsicht») (n = 233).

4 «Nicht möglich», «unwahrscheinlich», «wahrscheinlich», «trifft bereits zu» bzw. «nicht möglich», «unwahrscheinlich», «wahrscheinlich».

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Agrarwirtschaft | Heimfutterfläche – Schlüsselparameter der Sömmerungsnachfrage

Betriebe mit Sömmerungsabsichten (n = 62) ... auf dem Heimbetrieb genügend Futterfläche vorhanden ist ... ich keine Alprechte oder keine eigene Alp habe ... mir der persönliche Kontakt zu einer Alp fehlt ... es schwierig ist, Alprechte zu erlangen ... die Kosten für den Tiertransport zu hoch sind ... die Sömmerungsbeiträge zu tief sind ... die Alpungskosten im Verhältnis zum finanziellen Nutzen zu hoch sind ... es schwierig ist, eine gut geführte Alp zu finden ... der bürokratische Aufwand (viele Formulare) zu gross ist ... mir niemand Sömmerungsplätze angeboten hat ... das Alppersonal häufig wechselt ... der Aufwand, sich um einen Tierplatz zu kümmern, zu gross ist ... das Unfall- und Absturzrisiko auf der Alp zu gross ist

Betriebe ohne Sömmerungsabsichten (n = 108)

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... das Risiko krank zu werden, für die Tiere zu gross ist

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... die Sömmerungszeit zu kurz ist

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... das Alppersonal schlecht ausgebildet ist

... die Futterqualität auf der Alp für meine Tiere nicht ausreicht

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trifft überhaupt nicht zu

trifft mittelmässig zu

trifft völlig zu

trifft überhaupt nicht zu

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Abb. 3 | Gründe, weshalb Heimbetriebe nicht sömmern. Antworten auf die Frage, wie stark die vorgegebenen Gründe, keine Tiere zu sömmern, zutreffen («Ich sömmere keine Tiere, weil …»). Gezeigt werden die Anzahl Antworten (Mittelwert als gestrichelte Linie) für die 16 Gründe, die für die in Abbildung 4 dargestellten Einflussfaktoren von Bedeutung sind, sowie der Einzelgrund der Nicht-Sömmerung «genügend Heimfutterfläche vorhanden». Dargestellt sind die Resultate für Betriebe mit (links) und ohne Sömmerungsabsichten (rechts). Es sind nur Betriebe berücksichtigt, die bei allen 16 Nicht-Sömmerungsgründen eine Antwort gegeben haben.

Diskussion Dass die verfügbare Heimfutterfläche als Schlüsselkriterium für den Sömmerungsentscheid gelten kann, zeigt sich in den Umfrageresultaten mehrfach: Erstens ist die Erweiterung der Futterfläche der wichtigste Sömme-

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rungsgrund sömmernder Heimbetriebe, zweitens ist eine genügend grosse Futterfläche auf dem Heimbetrieb zugleich der wichtigste Nicht-Sömmerungsgrund wie auch – drittens – potenzieller Ausstiegsgrund sömmernder Heimbetriebe und viertens tatsächlicher Ausstiegsgrund nicht mehr sömmernder Betriebe.


Heimfutterfläche – Schlüsselparameter der Sömmerungsnachfrage | Agrarwirtschaft

Sömmerungsabsicht des Betriebes Ja Vielleicht Nein Einzelgrund: genügend Heimfutterfläche vorhanden (n = 222)

3,80 3,68 4,43

Faktor 1: begrenzter Kontakt zur Alpwirtschaft (n = 216)

3,22 3,19 2,79

Faktor 2: ökonomische, organisatorische und administrative Gründe (n = 210)

2,91 2,96 2,77

Faktor 3: Personal (n = 213)

2,54 2,64 2,39

Faktor 4: Tierwohl (n = 210)

2,27 2,54 2,35

Faktor 5: Futterangebot (n = 215)

1,98 2,26 2,03

trifft überhaupt nicht zu

Mittelwert aller Betriebe

trifft mittelmässig zu

trifft völlig zu

Abb. 4 | Bedeutung der Einflussfaktoren für die Nicht-Sömmerung (Balken geben Sömmerungsabsichten der Betriebe wieder, Zahl am linken Balkenrand steht für jeweiligen Mittelwert). Neben den fünf aus der Faktorenanalyse (siehe Tab. 1) extrahierten Faktoren (Skalenmittelwerte) ist, wie auch in Abbildung 3, der Einzelgrund «genügend Heimfutterfläche vorhanden» separat dargestellt. Der Mittelwert dieses Grundes ist bedeutend höher als es die Mittelwerte der extrahierten Faktoren sind. Dabei bewerten Betriebe ohne Sömmerungsabsichten den Hauptgrund der Nicht-Sömmerung (genügend Heimfutterfläche) deutlich stärker als Betriebe mit Sömmerungsabsichten.

Erhöhte Ausstiegswahrscheinlichkeit Die Erweiterung der Heimfutterfläche ist das entscheidende Sömmerungsargument für landwirtschaftliche Betriebe. Obwohl die Alpwirtschaft in der Schweizer Landwirtschaft nach wie vor stark verankert ist – 48 % aller tierhaltenden Betriebe in der Schweiz sömmern Tiere (von Felten 2012) – scheint ein Szenarium mit vermehrten Sömmerungsausstiegen in den nächsten Jahren wahrscheinlich. Jeder zweite Heimbetrieb hält eine Erweiterung der Futterfläche auf dem Heimbetrieb in den nächsten zehn Jahren für möglich und sieht diese Veränderung als Grund für einen allfälligen Sömmerungsausstieg (von Felten 2011). Inwieweit die Erweiterungsperspektiven realistisch oder aber reines Wunschdenken sind, lässt sich aufgrund der Befragungen allerdings nicht sagen. Für die in den letzten zehn Jahren aus der Sömmerung ausgestiegenen Betriebe jedenfalls war das Vorhandensein genügend eigener Futterfläche der wichtigste Ausstiegsgrund.

Die Bedeutung der Heimfutterfläche als zentraler Entscheidungsfaktor für die Sömmerung bestätigt die Ergebnisse von Rudmann (2004). Die von ihr befragten Alpbewirtschafter schätzten die «Ergänzung der Futterbasis» der Heimbetriebe ebenfalls als wichtigsten Nutzen der Sömmerung ein. Futterqualität, Dauer der Sömmerung und Aspekte des Tierwohls fallen beim Entscheid, nicht zu sömmern, kaum ins Gewicht. In dieser Beziehung scheinen kaum Bedenken zu bestehen. Wenig Potenzial bei Neueinsteigenden Den potenziell Aussteigenden steht ein nur geringes Potenzial an Neueinsteigenden gegenüber. Die befragten nicht-sömmernden Betriebe, die sich einen Sömmerungseinstieg vorstellen könnten (30 %), sind vorwiegend Betriebe, die in den letzten zehn Jahren aufgrund grösserer Veränderungen auf dem Heimbetrieb (z.  B. Erweiterung der Futterfläche) aus der Sömmerung ausgestiegen sind (Fischer 2011). Die Tatsache, dass vor

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allem Betriebe mit Sömmerungsvergangenheit einen Wiedereinstieg in Betracht ziehen, zeigt, dass auch kulturelle und traditionelle Faktoren (z. B. Sömmerungstradition und -erfahrung) beim Sömmerungsentscheid eine Rolle spielen (von Felten 2012, Rudmann 2004). Gleichwohl ist aber davon auszugehen, dass es vor allem die verfügbare Futterfläche und die zukünftige Betriebssituation auf dem Heimbetrieb sind, die den Sömmerungsentscheid in Zukunft wesentlich prägen, vor allem bei Bewirtschaftenden, die nicht selbst auf die Alp gehen oder keine Alprechte besitzen. Mehr als die Hälfte der befragten nicht-sömmernden Betriebe wollen auch in den nächsten zehn Jahren keine Tiere sömmern. Für viele dieser Betriebe, die einen Sömmerungseinstieg ausschliessen, ist die Sömmerung aufgrund ihrer Betriebsausrichtung und -situation uninteressant. Obwohl die Bewirtschaftenden nicht-sömmernder Betriebe gegenüber alpwirtschaftlichen Funktionen und ihren Leistungen sensibilisiert sind und der Alpwirtschaft in vielen Belangen eine hohe Bedeutung zuweisen (Fischer 2011), werden neben dem Vorhandensein genügend eigener Futterfläche auf dem Heimbetrieb vor allem ökonomische, organisatorische und administrative Gründe gegen die Sömmerung ins Feld geführt. Neben rein monetären Faktoren wie den Alp- und Transportkosten hält auch der administrative Aufwand davon ab, Tiere zu sömmern.

Schlussfolgerungen Die Sömmerungsnachfrage hängt stark von der verfügbaren Futterfläche auf dem Heimbetrieb ab. Die Heimfutterfläche kann daher als Schlüsselparameter für den Sömmerungsentscheid angesehen werden. Je nach Betriebsstruktur und -situation beeinflussen neben der Heimfutterfläche, insbesondere bei Betrieben mit Sömmerungserfahrung und -tradition, immer auch weitere Kriterien den Sömmerungsentscheid wesentlich mit. Betriebe, die bislang noch nie gesömmert haben, werden auch in Zukunft kaum in die Sömmerung einsteigen, da bei ihnen Überlegungen zur Sömmerung bei der Betriebsplanung kaum eine Rolle spielen. Damit künftig mehr bislang nicht sömmernde Betriebe in die Sömmerung einsteigen, könnte einerseits bei der Mobilität der Alprechte zwischen den Heimbetrieben und beim persönlichen Kontakt zwischen Alp- und Heimbetrieben angesetzt werden. Anderseits sind die Transportkosten und Sömmerungsbeiträge weiterhin wichtige Stellgrössen der Alpbestossung. n

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Superficie foraggiera propria: parametro chiave della domanda d'estivazione Lo sviluppo dell'economia alpestre è fortemente legato a quello delle aziende principali. Secondo i sondaggi a campione rappresentativo tra le aziende principali che estivano (n = 856) e non (n = 233), in Svizzera la superficie foraggiera disponibile sull’azienda di base costituisce un parametro decisivo per la domanda d'estivazione: è il fattore principale in base al quale si decide di estivare o no il bestiame ed è un motivo potenziale ed effettivo di abbandono della stessa. Nei prossimi anni si prospetta un'ulteriore flessione degli animali estivati, considerato che la metà delle aziende auspica di ingrandire la superficie foraggiera dell’ azienda di base. I risultati dei sondaggi indicano, inoltre, la disponibilità di solo pochi gestori a cominciare o a riprendere l'estivazione. Da un lato, saranno pochissime le aziende che non hanno mai estivato i propri animali sull'alpe e cominceranno a farlo; dall'altro non si può contare sulla ripresa dell'estivazione da parte di aziende che la facevano in passato, poiché nella maggior parte dei casi l'avevano abbandonata in seguito a cambiamenti a lungo termine nell'azienda di base, come l'estensione della superficie foraggiera.

Summary

Riassunto

Heimfutterfläche – Schlüsselparameter der Sömmerungsnachfrage | Agrarwirtschaft

Home-farm forage area – a key ­parameter of summer-grazing demand The development of alpine summer farming strongly depends on the development of the home farms. According to representative surveys of summer-pasturing (n = 856) and nonsummer-pasturing (n = 233) home farms in Switzerland, the available forage area on the home farms is a key parameter of the demand for summer pasturing, being both the most important reason for summer pasturing or not, as well as a potential and actual reason for exiting summer pasturing. In coming years, a scenario of increased opting-out is probable, since half of the farms articulate a wish to increase the homefarm forage area. Added to this, according to survey results, is the low likelihood of farmers entering or returning to the summer-pasturing option. For one thing, the survey indicates that very few farms that have previously never sent animals for summer grazing in alpine pastures will start to do so. Moreover, the return of large numbers of farms which previously summer-pastured their livestock is not to be expected, since opting out was in most cases a result of major – and therefore probably fairly long-term – changes on the home farm such as e.g. expansion of the forage area. Key words: alpine summer farming, deciding factors, forage area, livestock keeping, summer farm exit.

Literatur ▪▪ Fischer M., 2011. Einflussfaktoren der Sömmerungsnachfrage. Unter ­w elchen Umständen würden Sie Tiere sömmern? WSL, Birmensdorf. 5 ▪▪ Kirchengast C., 2006. ALP Austria. Programm zur Sicherung und Entwicklung der alpinen Kulturlandschaft. Kulturwissenschaftliche Perspektiven. Zugang: http://www.almwirtschaft.com/images/stories/fotos/alpaustria/ pdf/Kirchengast_KulturwissenschaftlichePerspektiven.pdf [15.06.2011]. ▪▪ Lauber S., Seidl I. & Herzog F., 2008. Sömmerungsgebiet vor vielfältigen Herausforderungen. Agrarforschung 15 (11–12), 548–553. ▪▪ Lauber S., Calabrese C., von Felten S., Fischer M. & Schulz T., 2011. ­­­Evaluation der Sömmerungsbeitragsverordnung (SöBV) und alternativer Steuerungsinstrumente für das Sömmerungsgebiet. ART, Ettenhausen, und WSL, Birmensdorf. 5

▪▪ Mack G. & Flury C., 2008. Wirkung der Sömmerungsbeiträge. A ­ grarforschung 15 (10), 500–505. ▪▪ Rudmann C., 2004. Langfristige Sicherung der Funktionen der schweizerischen Alpbetriebe. Dissertation ETH Zürich. Zugang: http://e-collection. ethbib.ethz.ch/show?type=diss&nr=15680 [05.01.2011]. ▪▪ von Felten S., 2011. Weshalb sömmern sie ihre Tiere? Resultate einer ­B efragung von sömmernden Heimbetrieben. WSL, Birmensdorf. 5 ▪▪ von Felten S., Fischer M. & Lauber S., 2012. Alpwirtschaft in der Schweiz: Befragungen zu Situation und Wahl der Sömmerungsbetriebe. Agrarforschung Schweiz 3 (4), 186–193. 5 Zugang zu allen Berichten des Teilprojektes: http://www.alpfutur.ch/politikanalyse [20.03.2012]

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N u t z t i e r e

Chromosomenstudien und andere Erhebungen an Equidenkreuzungen Gerald Stranzinger1, Josef Achermann2, Fengtang Yang3 und DominikBurger4 ETHZ und Vetsuisse Zürich, 8092 Zürich 2 Genetica AG, 8001 Zürich 3 The Wellcome Trust-Sanger Institute., Wellcome Trust Genome Campus, Hinxton, Cambridge, UK 4 Schweizerisches Nationalgestüt ALP-Haras, 1580 Avenches Auskünfte: Gerald Stranzinger, Im Grund 27, 8123 Ebmatingen 1

Alpha (Kreuzungsstute) mit Betafohlen Trolle (Vater Begase).

Einleitung Die Familie der Equiden umfasst die Chromosomenzahl von 2n = 32 (E. zebra hartmannae) bis 2n = 66 (E. przewalskii), (Ryder, Epel und Benirschke 1978). Das Hauspferd (E. caballus) mit der Chromosomenzahl 2n = 64 stammt nicht vom Przewalskipferd ab, sondern die evolutionäre Trennung erfolgte vor ca. zwei Millionen Jah-

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ren (Oakenfull et al. 2000, Graphodatsky und Yang 2008) und die direkten Vorfahren unserer Hauspferde sind ausgestorben. Bei den heute noch lebenden Equidenspecies ist die Fruchtbarkeit der Kreuzungsprodukte sehr stark eingeschränkt, mit Ausnahme zwischen Hauspferd und Przewalski. Maultiere und Maulesel (2n = 63) als Kreuzungen zwischen Pferd und Esel sind fast zu 100 % unfruchtbar und die Gonadenentwicklung zwischen den


Geschlechtern ist sehr unterschiedlich ausgeprägt. Weibliche Maultiere und Maulesel zeigen eine fast vollständige Ovarienentwicklung mit einer Oozytenreifung und Ovulation. Die männlichen Maultiere und Maulesel entwickeln eine degenerative Spermatogenese bis zur Geschlechtsreife und haben kaum Spermien im Ejakulat (Allen and Short, 1997). Auch wurde die X-Chromosomen­ inaktivierung (Lyons Hypothese, Lyon 1961) bei weiblichen Maultieren untersucht und eine bevorzugte Inaktivierung des Esel-X-Chromosoms beobachtet, wobei mit dem Alter eines Individuums eine Selektion gegen die Zellen mit dem aktiven Esel-X auftreten kann, sodass die Zellen mit dem aktiven Pferde-X dominieren. Pferde-X und Esel-X-Chromosomen unterscheiden sich auch morphologisch, indem das Pferde-X metazentrisch und das Esel-X-Chromosom akrozentrisch ist. Zwischen den autosomen Esel und Pferdechromosomen bestehen mehrere strukturelle Unterschiede, die mit Bänderungsfärbungen z.T. dargestellt werden können (Yang et al. 2003, Tifonov et al. 2008). Bei Hauspferd und Przewalski sind die X Chromosomen morphologisch identisch und nur eine Robertson'sche Fusion zwischen den Chromosomen 23 und 24 reduzieren die Chromosomenzahl beim Hauspferd auf 2n = 64, wobei daraus das typische Pferde Chromosom Nr. 5 entstanden ist. Genzuweisungen konnten diesen Tatbestand dokumentieren (Ahrens, 2004) helfen. Die fast ausgestorbenen Przewalski Pferde konnten in Zoos in den letzten 50 Jahren derart gut vermehrt werden, dass heute Auswilderungsprogramme in die Mongolei möglich wurden. Dabei treten natürlich neue Fragen auf, die mit genetischen Analysen, Verhaltensstudien und weiteren wissenschaftlichen Untersuchungen beantwortet werden können (Feh und Munkhtuya 2008). Vergleichende Chromosomenkarten und Genanalysen haben wesentlich dazu beigetragen, dass die Abgrenzung der Equiden möglich wurde, besonders haben sich dabei auch die Bänderungsfärbungen, in situ Hybridisierungen und Genomscananalysen an den Chromosomen als sehr hilfreich erwiesen (Ansari et al. 1988, Bowling et al. 1997, Yang et al. 2003; Trifonov et. al. 2008). Kreuzungsversuche zwischen Equidenarten können aus rechtlichen und biologischen Gründen nur sehr eingeschränkt durchgeführt werden, obwohl daraus sehr wertvolle Erkenntnisse gewonnen werden können, wie dies aus den folgenden Ausführungen dargestellt werden kann.

Material und Methoden Der Przewalski Hengst (EPR) stammt aus dem Tierpark der Stadt Zürich (Langenberg), wo eine Przewalskiherde und Sammeltiere für den Aussetzungsversuch in die Mongolei

Zusammenfassung

Chromosomenstudien und andere Erhebungen an Equidenkreuzungen | Nutztiere

Kreuzungen zwischen Pferd und Esel treten in der Natur auf und sie werden als Maultiere und Maulesel in der Landwirtschaft verwendet. Andere Kreuzungstypen sind selten und wenig erforscht. Systematische Kreuzungsversuche werden nur mit Ausnahmeregelungen erlaubt, sind sehr zeit-und kostenaufwendig und werden daher selten durchgeführt. In dieser Arbeit werden Kreuzungstiere aus der Kombination Hauspferd, Przewalski und Esel zytogenetisch und histologisch untersucht und deren Verhalten in speziellen Fortpflanzungseigenschaften beschrieben. Alle Tiere zeigten einen normalen Chromosomensatz bei entsprechender Segregation der möglichen Kombinationen. Die zytogenetischen Ergebnisse konnten mit einem partiellen Genom­ scan an den Geschlechtschromosomen und den EPR 23 und 24 bestätigt werden Die Auswirkungen in der evolutiven Entwicklung werden diskutiert.

gehalten werden. Ein Junghengst wurde aus einer Dreiergruppe isoliert (Betäubung mittels Nar­ kosegewehrTeleinject-France, wiederverwendbare 3 ml Spritze S300V) und in einer speziellen Umzäunung mit einer Haflingerstute (ECA) (Abb.1 a) zur Paarung zusammengebracht. Der Paarungs-Trächtigkeits- und Geburtsverlauf wurde per Videokamera festgehalten. Auch die Aufzucht des Fohlens Alpha (Abb. 1 b), dessen Entwicklung, Besamung mit Eselsperma (EAS) des Hengstes Babalu (Abb. 1 c) und Begase (Abb. 1 d) und die Geburt der vier Fohlen (Beta Jojo, Beta Lars, Beta Jasmin – Vater Babalu - und Beta Trolle – Vater Begase -) (Abb. 1 e, f, g, h) wurden genau erfasst und dokumentiert. Von allen Tieren wurden Blutund Haarproben entnommen und Kurzzeit-Leukozytenkulturen angefertigt. (Humanchromosomenprotokoll der Genetica) für die Chromo­ somenanalyse durchgeführt. Ausserdem wurden bei den Foundertieren Muskelbiopsien entnommen und Fibro­ blastenkulturen angelegt (Ahrens 2004). Die Q.gebänderten Chromosomenpräparate wurden mit dem Zeiss Analysensystem ausgewertet und von den Elterntieren und Alpha Karyogramme erstellt. Zusätzlich wurden einige Tiere auf deren Testosterongehalt untersucht (Tab. 2). Vom Kreuzungstier Alpha wurde bei der ersten Geburt des Fohlens Beta Jojo auch eine histologische Untersuchung der Plazenta (Abb. 2 a), wie auch vom männlichen Fohlen Beta Lars eine hodenhistologische Untersuchung (Abb. 2 b) durchgeführt. Die meiotischen Untersuchungen beim männlichen Kreu- 

Agrarforschung Schweiz 3 (4): 202–207, 2012

203


Nutztiere | Chromosomenstudien und andere Erhebungen an Equidenkreuzungen

a) Przewalski Hengst(66) und Haflinger-Stute (64)

b) Haflinger-Stute (64) mit Fohlen Alpha (65)

c) Eselhengst Babalu

e) Alpha mit Beta Jojo (64)

f) Beta Lars (63)

g) Beta Jasmin (64)

d) Eselhengst Begase (62)

h) Alpha und Beta Trolle (64)

Abb. 1 | Kreuzungsfamilie zwischen Pferd, Przewalski und Esel – a) Haflinger Stute und Przewalski Hengst; b) Haflinger Stute mit F1 Fohlen Alpha; c) Eselhengst Babalu; d) Eselhengst Begase; e) Alpha mit Beta Jojo; f) Beta Lars; g) Beta Jasmin; h) Alpha mit Beta Trolle (in Klammer = 2n Chromosomenzahl).

zungstier wurden sowohl mit der konventionellen Präparations­methode für die Darstellung von Diakinesen als auch durch eine synaptonemale Complex Untersuchung erfasst. Alle speziellen Verhaltenserscheinungen wurden dokumentiert.

Resultate Zytogenetische Untersuchungen In der Tabelle 1 werden die chromosomalen Ergebnisse aller untersuchten Tiere der Kreuzungsfamilie zusammengestellt ( Tab. 1 ). Die Darstellung der Karyogramme erfolgte nur bei den Foundern und der Alpha Stute, wobei die Reihenfolge der Chromosomen in den Karyogrammen nach Hsu und

Benirschke (1967), (Reading Konf. 1976 in Ford et al. 1980) durchgeführt wurde. Es wurden keine Abweichungen von Literaturangaben festgestellt und in der Dissertation von Ahrens 2004 veröffentlicht Die X-Geschlechtschromosomen zwischen Esel und Pferd können eindeutig durch die Zentromerposition unterschieden werden. Das Pferde-X ist metazentrisch, das Esel-X submentazentrisch bis akrozentrisch. Zwischen Pferde- und Przewalski-XChromosomen besteht kein Unterschied, sodass deren Segregation in der Beta. Generation nicht ermittelt werden konnten, da keine Markeruntersuchungen durchgeführt wurden. Bei den weiblichen Beta Nachkommen kann das Esel-X-Chromosom identifiziert werden. Auch im Genomscan ist diese Situation klar erkennbar, d. h. nur die Esel-X-Chromosomen sind identifizierbar., der Rest

Tab. 1 | Ergebnisse der Chromosomenanalyse und Besonderheiten bei allen untersuchten Tieren Geschlecht

Anzahl Untersuchungen

Chromosomenzahl

Besonderheit

Haflinger

weibl

2

64

keine

Przewalski

männl.

1

66

keine

Alpha

weibl.

mehrere

65

Besamung

Beta Jojo

weibl.

mehrere

64

starke Rosse

Beta Lars

männl.

mehrere

63

Kryptorchid

Beta Jasmin

weibl.

mehrere

64

keine

Beta Trolle

männl.

1

64

keine

Esel, 2 Tiere

männl.

mehrere

62

keine

Tier

Alpha und Beta - Bezeichnung symbolisiert auch die Generationenfolge.

204

Agrarforschung Schweiz 3 (4): 202–207, 2012


Chromosomenstudien und andere Erhebungen an Equidenkreuzungen | Nutztiere

a) Alpha 2n 65

b) Babalu 2n 62

c) Trolle 2n 64

d) Lars 2n 63

e) Jasmin 2n 64

f) Jasmin 2n 64

Abb. 2 | Darstellung der Metaphasen : a) Alpha Kreuzungsstute (inverted G-Band); b) Eselhengst (Q-Band); c) Beta Trolle männlich(Q-Band); d) Beta Lars männlich(Q-Band); e) Beta Jasmin(Q-Band); f) Beta Jasmin - Genom Scan (blauweiss X Chromosomen, grün EPR 23, rot EPR 24) ECA = Equus caballus; EPR = Equus przewalski; EAS = Equus asinus.

besteht aus den zufällig segregierten ECA und EPR Chromosomen (Abb. 2).In der Abbildung 2 f können in der GenomScan Metaphase von Beta Jasmin auch die Przewalski Chromosomen EPR 23 und 24 klar von den homologen Esel EAS 23 und 24 unterschieden werden, da die EPR keine Trans­lokationselemente (rote Teile) haben. Das ECA 5 hat nur der Hengst Beta Lars (Abb. 1 f und Abb. 2 d) mit der «Anzahl (n) Chromosomenzahl von 63 erhalten, wobei ECA 5q = EAS 16 (metazentrisch) und ECA 5 p = EAS 25 (acrozentrisch) ist; alle anderen Nachkommen von Alpha besitzen die EPR 23 und 24 (Beta Jojo, Beta Jasmin und Beta Trolle). Dies wird auch mit der 2n Chromosomenzahl von 64 dokumentiert. Testosteronbestimmung Wie in der Tabelle 2 dargestellt wird, liegen die Testosteronwerte bei allen Tieren im Normalbereich, wobei der Eselhengst Begase sehr niedrige Werte (1,31myg/l) und Alpha als weibliches Tier einen relativ hohen Wert (0,19 myg/l) aufweist. Histologische und zytologische Gonaden- und Placenta­ untersuchungen Beta Lars zeigte in den Hodenpräparationen keine Spermatogenese, jedoch degenerative Formen der Sperma-

togonien (Abb. 3 b), sodass von seiner vollkommenen Sterilität ausgegangen werden kann. Dies wurde auch mit zytologischen Präparationen für Meiosestadien und mit synaptonemalen Complexpräparationen bestätigt. Histologische Präparationen am Uterusgewebe bei Alina (Haflingerstute, Mutter von Alpha) und bei Alpha zeigen keine Unterschiede (Abb. 3 a). Verhaltensbeobachtungen Das Deckverhalten bei Alpha war bei verschiedenen Versuchen besonders auffallend, da mit Pferdehengsten und Eselhengsten keine Deckung möglich war. Die Hengste wurden normalerweise im Gestüt für Paarungen verwendet, sodass deren Deckverhalten bekannt  Tab. 2 | Testosteronwerte der Versuchstiere Tierbezeichnung

Testwert

Referenzwert

Eselhengst Babalu

5,31 myg/l

(0,5 - 4,0)

Eselhengst Begase

1,31 myg/l

Beta Lars (Kryptorchid)

< 0,02 myg/l

(0,1 – 0,3)

Alpha

0,19 myg/l

(0,02)

Beta Jasmin

<0,02 myg/l

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205


Nutztiere | Chromosomenstudien und andere Erhebungen an Equidenkreuzungen

a) Plazenta Alpha

b) Hoden Beta Lars

Abb. 3 | Histologische Schnitte der a) Plazenta von Alpha und b) Hoden von Beta Lars (präpariert von Prof. Dr. A. Pospischil, Vetsuisse Fak. Univ. Zürich).

war. Alpha zeigte ein derart dominantes Verhalten, dass alle Hengste einen Deckakt verweigerten, von Alpha Abstand nahmen und kein weiteres Interesse mehr zeigten. Alpha konnte nur über eine Besamung zur Trächtigkeit gebracht werden. Besonders erwähnt werden muss, dass Alpha immer nach der ersten Besamung trächtig wurde und vier Fohlen zur Welt brachte. Der Geburtsverlauf war immer normal und ohne Probleme in der Nacht abgelaufen und die Aufzucht der Fohlen verlief immer ohne Krankheiten oder Verletzungen bei sehr guten täglichen Zunahmen. Der Embryonalstatus von Alpha wurde mit Ultraschall ermittelt, die Geburt mit Kameras erfasst und die weitere Entwicklung fotographisch festgehalten. Alpha und die Beta-Tiere wurden normal wie andere Fohlen betreut und geführt. Das Verhalten der Beta-Tiere entsprach normalen Maultierfohlen.

Diskussion Die zytogenetischen Untersuchungen haben bei allen Tieren keine Anomalien, weder in der strukturellen, noch in der numerischen Form gezeigt. Die Segregation in den Beta-Tieren scheint den biologischen Gesetzen zu folgen, da beide Formen für das ECA 5 und die Homologen EPR 23 und 24 gefunden wurden. In den Beta-Kreuzungstieren sind durch die Eselschromosomen in mehreren Fällen keine Homologien zu erkennen (DiMeo et al. 2009). Da diese in den Bänderungsstrukturen und der Zentromerposition voneinander leicht abweichen und somit nicht nach dem Pferde-oder Eselbänderungsstandard gruppiert werden konnten, wurde auf eine Karyotypenerstellung verzichtet. Die abweichende strukturelle Form der EAS Chromosomen zu den ECA und EPR Chromosomen ist bekannt und trifft auch für die Beta Tiere zu, sodass deren Fruchtbarkeitsstatus den Maultieroder Mauleselformen entsprechen könnte. Die Diskussion über «reine» Przewalskis und »andere» Przewalskis

206

Agrarforschung Schweiz 3 (4): 202–207, 2012

ist daher mehr eine emotionale Diskussion ohne Kenntnisse der biologischen Realitäten. In den vorgelegten Studien konnte gezeigt werden, dass die Verhaltenseigenschaften der F1-Tiere zwischen Pferd und Przewaslki eine grössere Rolle bei der Fortpflanzung spielen als die biologischen Fakten der Chromosomenunterschiede. Interessant wären Crossing over-Studien bei den BetaTieren, wobei zwischen ECA und EPR Chromosomen eher mit Crossing over zu rechnen ist als zwischen EPR und EAS Chromosomen. Da der Beta Lars Hengst keine Spermatogenese zeigte, sind die meiotischen Phänomene nicht relevant. Bei den weiblichen Beta-Tieren dürfte nach den Erfahrungen bei weiblichen Maultieren von Zong und Fun (1989) eine Oogenese stattfinden, sodass die meiotischen Abläufe von Interesse wären. Das ECA 5 stellt beim Pferd eine reines Fusionschromosom dar, welches zwar grösstenteils aus den EPR 23 und 24 besteht, jedoch können in allen autosomen Chromosomen Genaustauschphänome (Crossing over) mit typischen Allelen stattfinden, die dann in speziellen Paarungen zum Ausdruck kommen können. Aus dieser Sicht ist die exklusive Paarung innerhalb der Przewalski Tiere für die «Reinerhaltung» der Wildpferde vorteilhaft, jedoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass trotzdem ECA Allele in der Population vorkommen. Bei der Aussetzung von Przewalskies in der Mongolei können Kreuzungen mit Pferdestuten vorkommen; der umgekehrte Fall ist jedoch auf Grund unserer Beobachtungen seltener, Kreuzungsstuten dürften mit dominanten Przewalski Hengsten Nachkommen erzeugen. Pferdehengste und Kreuzungshengste haben mit Sicherheit gegenüber Przewalski Hengsten einen Verhaltensnachteil. Das älteste weibliche Tier (Beta Jojo) zeigte 2009 sehr starke Rosse, sodass sie mit Hormonpräparaten ruhig gestellt werden musste. Die Betrachtung von Zwangspaarungen und Besamung kann bei Freilandhaltung in grossen Revieren ausgeschlossen werden. n


Studi cromosomici e altre indagini su incroci equini Incroci tra cavallo e asino si verificano in natura e il risultato di tale incrocio è utilizzato in agricoltura come muli o bardotti. Altri generi di incrocio sono rari e poco studiati. Esperimenti sistematici di incrocio sono autorizzati solo con permessi speciali, sono molto impegnativi in termini di costi e tempo e, pertanto, effettuati raramente. In questo lavoro incroci derivati dalla combinazione tra cavallo domestico, Przewalski e asino sono stati esaminati citogeneticamente e istologicamente, descrivendo pure il loro comportamento in specifiche caratteristiche riproduttive. Tutti gli animali hanno mostrato un normale numero di cromosomi dopo la segregazione delle possibili combinazioni. I risultati citogenetici sono stati confermati con un parziale scan del genoma, in particolare dei cromosomi sessuali e degli EPR 23 e 24. Le conseguenze nello sviluppo evolutivo sono discusse.

Literatur ▪▪ Ahrens E.J., 2004. Comparative chromosomal studies of E.caballus and ▪▪ E. przewalskii in a F1 hybrid. Vet. Diss. Zuerich,1 – 101. ▪▪ Allen W.R. & R.V. Short, 1997. Interspecific and Extraspecific Pregnancies in Equids: Anything Goes. Journal of Heredity 88, 384 – 392. ▪▪ Ansari H.A., Hediger R., Fries R. & Stranzinger G.,1988. Chromosomal localisation of the major histocompatibility complex of horse (ELA) by in situ hybridisation. Immunogenetics 28, 362 – 364. ▪▪ Bowling A.T., Breen M., Chowdhary B.P. et al. (Commitee), 1997. International system for cytogenetic nomenclature of the domestic horse. Chromosome Res. 5, 433 – 443. ▪▪ Feh C. & Munkhtuya B.,2008. Male infanticide and paternity analyses in a socially normal herd of Przewalski`s horses: Sexual selection . Behavioural Processes 78, 335 – 339. ▪▪ Di Meo G.P., Perucatti A., Peretti V., Incarnato D., Ciotola F., Liotta L., Raudsepp T., Di Berardino D., Chowdhary B. & Ianuzzi L., 2009. The 450Band Resolution G- and R- Banded Standard Karyotype of the Donkey (Equus asinus, 2n = 62). Cytogenet Genome Res. 125, 266 – 271. ▪▪ Ford C.E., Pollock D.L. & Gustavsson I., 1980. Proceedings of the First ­I nternational Conference for the Standardisation of Banded Karyotypes of domestic Animals, Reding, UK, 1976. Hereditas 92, 145 – 162. ▪▪ Graphodatsky A.S. & Yang F., 2008. Multidirectional cross-species painting illuminates the history of karyotypic evolution in Perissodactyla. Chromosome Research 16, 89 – 107.

Summary

Riassunto

Chromosomenstudien und andere Erhebungen an Equidenkreuzungen | Nutztiere

Chromosome studies and other investigations on equid crossings Crossings between horses and donkeys are in nature possible and are used as mules or hinnies in agriculture. Other types of crossings are rare and scarcely investigated. Systematic experiments are only allowed with special agreements and are very time consuming and costly and therefore rare. In this report crossings between horse, Przewalski and donkey are cytogenetically and histologically investigated and their behaviour in special reproductive traits described. All animals have shown a normal chromosome set following the segregation of possible combinations. The cytogenetic results have been confirmed by a genomescan for the sex chromosomes and the EPR 23 and 24. The consequences in the evolutionary development are discussed. Key words: Equid, chromosome, histology, behaviour.

▪▪ Hsu T.C. & Benirschke K., 1967. An Atlas of Mammalian Chromosomes. Springer Verlag: Berlin- Heidelberg- New York. ▪▪ Koulischer L., & Fechkop S., 1966. Chromosome complement: A fertile hybrid between Equus przewalskii and Equus caballus. Science 151, 93 – 95. ▪▪ Lyon M.F., 1961. Gene action in the X chromosome of the mouse (Mus musculus L.). Nature 190, 372 – 373. ▪▪ Oakenfull E.A., Lim H.N. & Ryder O.A., 2000. A survey of equid mitochondrial DNA: Implications for the evolution, genetic diversity and conservation of Equus. Conservation Genet 1, 341 – 355. ▪▪ Ryder O.A., N.C. Epel & Benirschke K., 1978. Chromosome banding studies of the Equidae. Cytogenet. Cell Genet 20, 323 – 350. ▪▪ Trifonov V.A., Stanyon R., Nesterenko A.I., Beiyuan F., Perelman P.L., O`Brien P. C.M., Stone G., Rubtsova N.V,. Houck M.L., Robinson T.J., ­F erguson-Smith M.A., Dobigny G., Graphodatsky A.S. & Yang F., 2008. Multidirectional cross-species painting illuminates the history of karyotypic evolution in Perissodactyla. Chromosome Research 16, 89 – 107. ▪▪ Yang F., Beiyuan F., Patricia C.M., O`Brien, Wenhui N., O. A., Ryder, Macolm A., &Ferguson-Smith, 2003. Refined genome-wide comparative map of the domestic horse, donkey and human based on cross-species chromosome painting: insight into the occasional fertility of mules. Chromosome Research 5, 433 – 443. ▪▪ Zong E. & Fan G., 1989. The variety of sterility and gradual progression to fertility in hybrids of the horse and donkey. Heredity 62, 393 – 406.

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U m w e l t

Motivationen für die Umsetzung von ­Ökoausgleichsmassnahmen Ingrid Jahrl, Christine Rudmann, Lukas Pfiffner, Oliver Balmer Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Ackerstrasse, 5070 Frick Auskünfte: Ingrid Jahrl, E-Mail: ingrid.jahrl@fibl.org, Tel. +41 62 865 72 50

Multifunktionelle Landschaften mit reichhaltigen Ökoflächen und vielfältiger Landnutzung fördern die wildlebende Flora und Fauna. (Bild: L. Pfiffner)

Einleitung Die Schweizer Agrarpolitik schafft mit ökologischen Direktzahlungen für Landwirte Anreize, Massnahmen umzusetzen, die primär der Ökologie dienen. Evaluationsprogramme haben jedoch gezeigt, dass Direktzahlungen nicht genügen, um eine ausreichend positive Wirkung auf die Biodiversität in der Kulturlandschaft zu erzielen (Herzog und Walter 2005). Auch sozioökonomische Untersuchungen zeigen, dass nicht nur finanzielle Anreize für die Umsetzung von Agrar-Umweltmassnah-

208

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men eine Rolle spielen (Lütz und Bastian 2002, Schenk et al. 2007). Rieder und Anwander Phan-Huy (1994) identifizierten Einkommenssicherheit, normale Arbeitsbelastung, soziale Anerkennung und Sinnerfüllung in der Arbeit als wichtige motivierende Faktoren, die das Verhalten von Landwirtinnen und Landwirten beeinflussen. Für die nachhaltige Förderung von Ökoausgleichsmassnahmen ist es deshalb notwendig, Instrumente zu schaffen, die neben ökonomischen auch soziale und ökologische Faktoren berücksichtigen. Im Projekt «Mit Vielfalt punkten – Bauern beleben die Natur» (http://mvp.fibl.


org) des FiBL und der Vogelwarte Sempach wurden solche Instrumente zur effektiven und nachhaltigen Förderung der Biodiversität auf landwirtschaftlichen Flächen entwickelt und in der Praxis überprüft. Unter anderem wurde ein neuer ganzbetrieblicher Beratungsansatz angewandt. Ergebnisse hierzu wurden bereits in Chevillat et al. (2012) vorgestellt. Der vorliegende Artikel stellt Resultate von Befragungen von Landwirten vor, welche vor den Betriebsberatungen durchgeführt wurden. Ziel war es, zu untersuchen, welche Bedeutung ökonomische, ökologische und soziale Motivationen für die Umsetzung von Ökoausgleichsmassnahmen auf dem Betrieb haben. Folgende Fragestellungen standen im Vordergrund: 1. Welche Motivationen sind in der individuellen Wahrnehmung der Landwirte entscheidend, damit sie Ökoausgleichsflächen (öAF) anlegen? 2. Durch welche Faktoren wird die Motivation selbst beeinflusst? 3. Wie gut spiegeln Quantität und Qualität der öAF die Motivation der Landwirte wider?

Material und Methoden Im Jahr 2009 wurden 48 Landwirte von mittelgrossen Mittelland-Mischbetrieben (Betriebsgrösse 17  –  34 ha, Durchschnitt 23,5 ha) mit Grünland und Ackerbau in der Talzone zu ihrer Motivation bezüglich öAF befragt. Davon waren 21 Landwirte Mitglieder von Bio Suisse (nachfolgend «Bio» genannt), 17 wirtschafteten nach Richtlinien der IP-Suisse («IPS») und zehn erfüllten die Vorgaben des ökologischen Leistungsnachweises («ÖLN»), gehörten aber keiner Labelorganisation an. Die Landwirte waren zwischen 31 und 61 Jahre alt (Durchschnitt 46 Jahre) und bewirtschafteten ihren Betrieb überwiegend (64%) im Vollerwerb. Die Befragung wurde mittels semi-strukturiertem Fragebogen durchgeführt, welcher offene und geschlossene Fragen beinhaltete. Alle geschlossenen Fragen wurden auf einer 5-Punkte Likert-Skala bewertet (1 = «unwichtig» / «stimme gar nicht zu» bis 5 = «sehr wichtig» / «stimme voll zu»). Der Schwerpunkt der Befragung lag auf der Erhebung von Motivationen für die Umsetzung von Ökoausgleichsmassnahmen. «Motivation» kann als ein bewusstes Anstreben von Zielen umschrieben werden (Kroeber-Riel und Weinberg 2003). Angelehnt an die Faktoren von Rieder und Anwander Phan-Huy (1994) wurden sieben Motivationen für die Umsetzung von öAF abgeleitet (aufgelistet in Abb. 1) und in einer Vorstudie (n=12) auf ihre Relevanz hin untersucht. Je zwei dieser Motivationen wurden primär 

Zusammenfassung

Motivationen für die Umsetzung von ­Ö koausgleichsmassnahmen | Umwelt

Die Schweizer Agrarpolitik verfolgt das Ziel, durch Direktzahlungen die ökologischen Leistungen von Landwirtschaftsbetrieben zu fördern. Evaluierungsprogramme zeigen jedoch, dass finanzielle Anreize allein nicht ausreichen, um die Umsetzung von Ökoausgleichsmassnahmen zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund wurde untersucht, welche Rolle ökonomische, ökologische und soziale Motivationen bei der Umsetzung von Massnahmen im Ökoausgleich für Landwirte im Talgebiet spielen. Nach Einschätzung der Landwirte werden vor allem Ökoausgleichsmassnahmen umgesetzt, die sie als sinnvoll für den Naturschutz erachten und sich gut in den Betriebsablauf integrieren lassen. Für ÖLN-Produzenten sind finanzielle Aspekte im Verhältnis zu ökologischen wichtiger als für Labelproduzenten (Bio oder IPS). BioLandwirte weisen die höchste ökologische Motivation auf, doch es besteht nur ein geringer Zusammenhang zwischen den Motivationen und dem Flächenanteil beziehungsweise den Motivationen und der Qualität von Ökoausgleichsmassnahmen. Für eine effektive und wirkungsbezogene Förderung von Ökoausgleichsmassnahmen muss vermehrt auf die Vermittlung des Nutzens einzelner Massnahmen eingegangen und Instrumente geschaffen werden, welche einerseits die Leistungen der Landwirte sichtbar machen, andererseits aber auch die Wertschätzung für die er-brachte Leistung aus Sicht der Landwirte und Konsumenten erhöhen.

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Umwelt | Motivationen für die Umsetzung von ­Ö koausgleichsmassnahmen

Motivation

Die Massnahme muss…

Sinnhaftigkeit Integrierbarkeit Freude Gleichgewicht Direktzahlungen Produkteabsatz Ansehen

für den Naturschutz sinnvoll/effektiv sein in den allgemeinen Betriebsablauf integrierbar sein mir Freude bereiten das natürliche Gleichgewicht auf meinem Betrieb erhöhen ausreichend durch Direktzahlungen abgegolten sein einen besseren Absatz meiner Produkte versprechen mein Ansehen steigern

n 47 48 48 48 48 48 48

Bedeutung 4,3 ± 0,1 4,2 ± 0,1 4,1 ± 0,1 3,9 ± 0,1 3,7 ± 0,1 3,3 ± 0,2 2,6 ± 0,2

Ökonomie Ökologie Soziales

2 1 3 4 5 unwichtig mittel wichtig sehr wichtig

Abb. 1 | Durchschnittliche Bedeutung (± SE) von sieben Motivationen für die Anlage von ökologischen Ausgleichsflächen. In der zweiten Spalte ist die Aussage aufgeführt, die von den Landwirten beurteilt werden musste.

den Gebieten «Ökologie» respektive «Soziales» zugeordnet, drei der «Ökonomie». Zusätzlich wurde aus den Antworten pro Landwirt ein Index berechnet, wie wichtig ökologische (Sinnhaftigkeit für den Naturschutz + Förderung des natürlichen Gleichgewichts) gegenüber den zwei rein finanziellen Motivationen (Direktzahlungen + Produkteabsatz) sind. Im ersten Befragungsteil beurteilten die Landwirte, wie wichtig die sieben Motivationen als Gründe für die Umsetzung von Naturschutzmassnahmen auf ihrem Betrieb sind. Die sieben Motivationen wurden mit dem Anteil der öAF an der landwirtschaftlichen Nutzfläche (LN) sowie mit dem Anteil dieser Flächen, die ÖQV-Qualität aufweisen (Chevillat et al. 2012) korreliert, sofern Daten von mindestens sechs Betrieben vorlagen. Im zweiten Teil wurde von den Landwirten beurteilt, wie gut die Aussagen, die den sieben Motivationen zu Grunde liegen, auf die Umsetzung auf ihrem Betrieb zutreffen. Im dritten Teil bewerteten die Landwirte die gegenwärtigen Direktzahlungshöhen für die einzelnen öAFTypen inkl. der zugehörigen Qualitätsbeiträge. Im letzten Teil wurden offene Fragen zum Thema Naturschutz

und Direktzahlungen gestellt, um die zu Grunde liegenden Einstellungen zu erfassen. Die vorliegende Arbeit basiert auf der Auswertung der quantitativen Teile der 48 Interviews und greift in einzelnen Fällen auf Antworten der offenen Fragen zurück.

Resultate und Diskussion Motivationen für öAF in der Wahrnehmung der Landwirte Gemäss den Antworten aus den quantitativen Fragen spielen ökologische Motivationen in der Wahrnehmung der Landwirte eine zentrale Rolle, um öAF anzulegen (Abb. 1). Bei den ökonomischen Motivationen wird von den Landwirten vor allem die Integrierbarkeit der Massnahmen in den Betriebsablauf als wichtig erachtet, gefolgt von einer ausreichenden Abgeltung durch Direktzahlungen. Dem besseren Produkteabsatz wird dagegen geringere Relevanz beigemessen. Bei den sozialen Motivationen wird die Freude an der Umsetzung als wichtig für die Umsetzung von öAF beurteilt, während der Steigerung des Ansehens nur eine mässig hohe Bedeutung zukommt.

Tab. 1 | Einschätzung, wie gut die Aussagen, die den sieben Motivationen zu Grunde liegen (s. Abb. 1), auf einzelne Ökoausgleichsmassnahmen zutreffen. 1= «stimmt gar nicht» bis 5 = «stimme voll zu». In der Tabelle sind nur öAF-Typen dargestellt, die auf mehr als 8 Betrieben umgesetzt wurden. Ø = Durchschnitt; SE = Standardfehler; n = Anzahl Antworten.

Sinnhaftigkeit Integrierbarkeit ø

SE

n

ø

SE

n

ø

SE

n

ø

SE

n

ø

SE

n

ø

SE

n

ø

SE

n

Extensiv genutzte Wiesen

4,3

0,1

43

4,8

0,1

43

3,9

0,1

43

4,0

0,2

42

2,9

0,1

45

2,5

0,2

43

2,9

0,2

43

mit Qualität 4,6

0,2

16

4,3

0,3

16

4,7

0,2

15

4,2

0,2

16

2,8

0,1

42

2,9

0,4

16

3,6

0,3

16

Hochstamm-Feldobstbäume 4,4

0,1

43

3,9

0,1

43

4,2

0,1

43

4,2

0,2

43

1,5

0,1

46

3,0

0,2

43

3,4

0,2

43

0,2

10

3,7

0,3

10

4,6

0,2

9

4,4

0,3

10

2,6

0,1

44

3,6

0,4

10

3,7

0,3

10

4,8

0,1

26

4,0

0,2

24

4,3

0,2

26

4,6

0,1

26

2,1

0,1

41

2,8

0,3

26

3,4

0,3

26

mit Qualität 4,5

0,2

6

4,0

0,4

6

5,0

0,0

6

4,8

0,2

6

2,8

0,1

42

2,8

0,6

6

3,7

0,7

6

" "

mit Qualität 4,6

Hecken-, Feld- und Ufergehölze mit Krautsaum "

210

Motivation

Ökoausgleichsmassnahmen

Freude

Gleichgewicht Direkt­zahlungen Produkteabsatz

Ansehen

Wenig intensiv genutzte Wiesen

3,7

0,4

9

4,1

0,4

9

3,2

0,2

9

3,6

0,3

9

2,2

0,1

37

2,8

0,5

9

2,9

0,5

9

Einheimische standort­ gerechte Einzelbäume und Alleen

4,7

0,2

9

4,7

0,2

9

4,8

0,1

9

4,6

0,2

9

1,7

0,1

41

1,9

0,3

9

2,8

0,4

9

Agrarforschung Schweiz 3 (4): 208–215, 2012


Motivationen für die Umsetzung von ­Ö koausgleichsmassnahmen | Umwelt

ökologisch

3

1

Motivation

Indexwert

2

0

-1

finanziell Bio

IPS

OeLN

Anbausystem Abb. 2 | Relative Wichtigkeit ökologischer gegenüber finanziellen Motivationen für Landwirte der drei Anbausysteme. Dargestellt sind die mittleren Indexwerte (± SE) berechnet aus den Antwortwerten der eindeutig ökologisch oder finanziell besetzten Motivationen nach der Formel (Sinn­ haftigkeit + Gleichgewicht) - (Direktzahlungen + Produkteabsatz).

Die Sinnhaftigkeit für den Naturschutz wird als wichtigste Motivation angesehen, öAF anzulegen. Im qualitativen Befragungsteil betonten Landwirte allerdings, dass sie die effektiven Auswirkungen einzelner Ökoausgleichsmassnahmen auf den Naturschutz nur schwer beurteilen können. Manche Landwirte hatten Schwierigkeiten in der Wahrnehmung der konkreten Auswirkungen, andere hingegen gaben an, dass sie seit der Umsetzung der Massnahmen vermehrt Pflanzen- und Tierarten auf ihren Betriebsflächen sehen. Vielfach wurde von den Landwirten vermerkt, dass ihnen zwar viele Informationen über Ökoausgleichsmassnahmen zur Verfügung stehen, diese jedoch zu allgemein seien, um die Relevanz für den eigenen Betrieb zu beurteilen. Laut Burton et al. (2008) findet eine vermehrte Umsetzung von Agrar-Umweltmassnahmen aber dann statt, wenn die Landwirte sie als relevant sehen. Ein Interesse und Verständnis für die (agrar-) ökologischen Zusammenhänge seitens der Landwirte ist ausschlaggebend, ebenso wie ein entsprechendes Fachwissen über Anlage und Pflege von öAF. Eine reine Informationsweitergabe wird als nicht ausreichend angesehen, vielmehr muss gemäss Burton et al. (2008) die Möglichkeit bestehen, durch die Umsetzung von Agrar-Umweltmassnahmen

einen Beitrag zum Ansehen des Landwirts leisten zu können. Doch die Motivation, durch die Ökoausgleichsmassnahmen das Ansehen zu steigern, wurde in der quantitativen Befragung im Vergleich zu anderen Motivationen am niedrigsten bewertet. Auch bei der Beurteilung der einzelnen Massnahmen im quantitativen Befragungsteil (Tab. 1) wurde der Beitrag von öAF zur Steigerung des Ansehens nur teilweise gesehen. Aus qualitativen Antworten geht zudem hervor, dass das Ansehen des Landwirts innerhalb der Bauernschaft über die klassische Agrarproduktion geschaffen wird und nur bedingt über Ökoausgleichsmassnahmen. Dies deckt sich mit Ergebnissen anderer Studien (z.B. Burton et al. 2008). Manche Landwirte äusserten in den Interviews die Erwartung, dass ihre Leistungen durch Politik und Konsumenten anerkannt werden. Auch berichteten Landwirte vereinzelt von positiven Rückmeldungen aus der Bevölkerung, vor allem über Hecken, HochstammFeldobstbäume und extensive Wiese mit Qualität, die als ästhetisch wahrgenommen werden. In den geschlossenen Fragen schätzen die Landwirte sämtliche öAF-Typen als sinnvoll für den Naturschutz ein, massen ihnen aber einen geringeren Einfluss auf den Produkteabsatz bei (Tab. 1). Unterschiede zwischen den 

Agrarforschung Schweiz 3 (4): 208–215, 2012

211


Umwelt | Motivationen für die Umsetzung von ­Ö koausgleichsmassnahmen

Tab. 2 | Wichtigkeiten der sieben Motivationen für Landwirte der drei Anbausysteme. 1 = «stimme gar nicht zu» bis 5 = «stimme voll zu». ­E rläuterung der Motivationen in Abb. 1. Ø = Durchschnitt; SE; Standardfehler; n = Anzahl Antworten Bio Motivation

Rang

ø

IPS SE

n

Rang

ø

SE

n

Rang

ø

SE

n

Sinnhaftigkeit

1

4,4

0,1

21

1

4,3

0,2

16

2

4,2

0,3

10

Freude

2

4,2

0,2

21

2

4,1

0,2

17

5

4,0

0,3

10

Integrierbarkeit

3

4,0

0,2

21

2

4,1

0,2

17

1

4,6

0,2

10

Gleichgewicht

3

4,0

0,2

21

4

3,8

0,3

17

6

3,7

0,3

10

Direktzahlungen

5

3,5

0,2

21

5

3,6

0,2

17

3

4,1

0,2

10

Produkteabsatz

6

3,0

0,3

21

6

3,1

0,4

17

3

4,1

0,4

10

Ansehen

7

2,2

0,3

21

7

2,8

0,3

17

7

2,9

0,5

10

öAF-Typen traten vor allem bei der Integrierbarkeit in den Betriebsablauf und bei der Freude an der Umsetzung auf. Extensiv genutzte Wiesen wurden als gut in den Betriebsablauf integrierbar angesehen, hinsichtlich der anderen Motivationen wurden sie vielfach schlechter als andere Massnahmen beurteilt. Freude an der Umsetzung bereiten laut Beurteilung der Landwirte vorwiegend Ökoausgleichsmassnahmen mit Qualität (extensive Qualitätswiese, Hochstamm-Feldobstbäume, Hecken). In der generellen Wahrnehmung der Landwirte ist eine ausreichende Abgeltung durch Direktzahlungen eine wichtige Motivation, wenngleich sie eine geringere Bedeutung im Vergleich zu anderen Motivationen zu haben scheint (Abb. 1). Dieses Ergebnis muss vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass in der Wahrnehmung der Landwirte die Höhe der Direktzahlungen für den Mehraufwand für die meisten öAF als nicht kostendeckend angesehen wird (Tab. 1). Beispielsweise werden Buntbrachen und Rotationsbrachen mit den höchsten Förderbeiträgen als wirtschaftlich attraktiv eingestuft. Dennoch werden sie laut den qualitativen Antworten nur vereinzelt umgesetzt, da sie sehr anspruchsvoll in der Pflege sind und Unkrautprobleme in der Folgebewirtschaftung befürchtet werden. Auffallend ist, dass vor allem Hochstamm-Feldobstbäume umgesetzt werden, deren Abgeltung (15 – 30 Fr./Baum) aber als mässig bis zu niedrig bewertet wird. Einige Landwirte gaben an, diese zu bewirtschaften, obwohl sie sich schlechter als andere Massnahmen in den Betriebsablauf integrieren lassen, weil sie bereits auf dem Betrieb vorhanden waren und somit relativ einfach die öAF-Grundanforderungen erfüllt werden konnten. Was beeinflusst die Motivation? Das Alter der Landwirte und die Region beeinflussten die sieben Motivationen nicht signifikant (alle n > 45,

212

ÖLN

Agrarforschung Schweiz 3 (4): 208–215, 2012

alle p > 0,08). Es gab jedoch Unterschiede in den Motivationen zwischen den Landwirten der drei Anbausysteme. Bio-Landwirte weisen die höchste ökologische Motivation auf. ÖLN-Landwirte weisen hinsichtlich der Wichtigkeit von ökologischen Motivationen tiefere, und hinsichtlich finanziellen Motivationen höhere Werte auf, d.h. bei ihnen sind finanzielle Aspekte im Verhältnis zu ökologischen wichtiger als bei Bio- oder IPS-Landwirten (lineares Modell, df = 44, F = 4,482, p = 0,017) (Abb. 2). Denn für ÖLN-Landwirte ist neben den Direktzahlungen vor allem die Motivation des besseren Produktabsatzes durch öAF wichtiger als für Labelproduzenten (Bio oder IPS). Dies verdeutlicht sich auch in den verschiedenen Rangfolgen der wichtigsten Motivationen zwischen den Anbausystemen (Tab. 2). Bei den ÖLN-Betrieben steht die Integrierbarkeit einer Massnahme in den Betriebsablauf an erster Stelle, bei Bio- und IPS-Betrieben ist für eine Umsetzung am wichtigsten, wie sinnvoll eine Ökoausgleichsmassnahme für den Naturschutz ist. Zudem fällt auf, dass die Freude an der Umsetzung einer Massnahme, die bei Bio- und IPS-Betrieben an zweiter Stelle steht, bei ÖLN-Betrieben als Motivation lediglich an fünfter Stelle steht. Stattdessen haben eine genügende Direktzahlungshöhe und ein besserer Produkteabsatz mehr Gewicht. Jedoch unterscheiden sich die tatsächlichen Umsetzungsraten von öAF zwischen den untersuchten Anbausystemen vor der Beratung nicht (alle Betriebe 8,9 – 10,4 % öAF/LN). Auf den Bio- (5,3 %) und IPS-Betrieben (4,5 %) werden aber deutlich mehr Flächen mit Qualität nach ÖQV umgesetzt, als auf ÖLNBetrieben (1,7 %) (df = 45, F = 3,09, p = 0,056). Zusammenhang von Motivation mit Quantität und Qualität von Ökoausgleichsflächen Die Korrelationsanalyse zeigt, dass die individuellen Motivationen mit der tatsächlichen Umsetzung der öAF und dem Anteil an Qualitätsflächen nur schwach korre-


Motivationen für die Umsetzung von ­Ö koausgleichsmassnahmen | Umwelt

Tab. 3 | Ergebnisse der linearen Regression zwischen der Wichtigkeit von sieben Motivationen und dem Anteil öAF an der landwirtschaftlichen Nutzfläche (öAF/LN), sowie dem Anteil Flächen mit ÖQV-Qualität an der Fläche der öAF (Qualität/öAF). Erläuterung der Motivationen in Abb. 1. öAF/LN Motivation

n

Qualität/öAF

df

r2

p

df

r2

p

Sinnhaftigkeit

47

45

0,001

0,835

45

0,002

0,784

Integrierbarkeit

48

46

0,157

0,005

46

0,001

0,860

Freude

48

46

0,004

0,672

46

0,047

0,140

Gleichgewicht

48

46

0,000

0,975

46

0,006

0,592

Direktzahlungen

48

46

0,005

0,625

46

0,022

0,318

Produkteabsatz

48

46

0,011

0,484

46

0,013

0,441

Ansehen

48

46

0,032

0,221

46

0,017

0,375

lieren. Es besteht lediglich ein signifikant positiver Zusammenhang zwischen der Wichtigkeit, die der Integrierbarkeit einer Massnahme in den Betriebsablauf beigemessen wird, und dem Anteil öAF (Tab. 3). Wenn sich öAF gemäss der Meinung der Landwirte in den laufenden Betrieb gut integrieren lassen, ist es wahrscheinlicher, dass sie angelegt werden, unabhängig von den anderen Motivationen (Tab. 3). Das kann auch heissen, dass für einen Landwirt, welcher einen hohen Anteil an öAF hat, die Integrierbarkeit in den Betriebsablauf eine zentralere Rolle spielt als für Landwirte mit geringerer Umsetzung an öAF. Der zentrale Aspekt der Integrierbarkeit für die Umsetzung von öAF wird auch durch andere

Studien bestätigt (z.B. Jurt 2003). Zudem konnten in den qualitativen Interviews Hinweise gefunden werden, wonach die Umsetzung von öAF vielfach durch praktische Gründe bestimmt wird. Beispielsweise werden extensive Wiesen bevorzugt auf ertragsärmeren oder schwerer zu bewirtschaftenden Standorten angelegt. Entgegen der Aussagen der Landwirte im qualitativen Befragungsteil korrelierten die sechs anderen Motivationen weder mit dem Anteil an öAF noch mit dem Anteil der gesamten öAF, die Qualität nach ÖQV aufweisen (Tab. 3). Neben den untersuchten Motivationen müssen also noch weitere Faktoren einen Einfluss auf das Verhal ten (Ajzen 1991) bzw. die Umsetzung von öAF haben.

Abb. 3 | Diskussionen über Förderung der Artenvielfalt in Ackerbaugebieten z.B. mit Wildblumeneinsaaten wie Brachen und Säumen. (Bild: L. Pfiffner)

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Umwelt | Motivationen für die Umsetzung von ­Ö koausgleichsmassnahmen

Schlussfolgerungen Dieser Beitrag basiert auf 48 Befragungen mit Landwirten. Hierbei standen primär die Motivationen in der Wahrnehmung der Landwirte für die Umsetzung von öAF im Vordergrund. Eine weitere Auswertung der qualitativen Antworten ist vorgesehen mit dem Ziel die Motivationshintergründe für die Akzeptanz von öAF näher zu beleuchten. Unsere Resultate geben Anhaltspunkte für eine Diskrepanz zwischen individueller Einschätzung und tatsächlicher Umsetzung von öAF. Die Integrierbarkeit der Massnahmen in den Betriebsablauf stellt eine zentrale Motivation in der konkreten Umsetzung von öAF dar. Da gemäss der individuellen Einschätzung der befragten Landwirte über alle Betriebe vor allem Ökoausgleichsmassnahmen umgesetzt werden, welche die Landwirte als sinnvoll für den Naturschutz erachten, muss seitens Politik und Beratung die Sinnhaftigkeit der Massnahmen stärker thematisiert werden, um ein höheres Verständnis für ökologische Zusammenhänge zu erreichen. Deshalb sollten Ökologie und Biodiversität in der Ausbildung von Landwirten eine zentrale Rolle spielen. Bei näherer Betrachtung der Einschätzung der Landwirte zeigt sich, dass bei den Bio- und IPS-Landwirten ökologische Motivationen für Ökoausgleichsmassnahmen im Vergleich zu anderen Motivationen im Vordergrund stehen, während bei ÖLN-Landwirte die

Integrierbarkeit in den Betriebsablauf der zentrale Faktor ist und Direktzahlungen deutlich wichtiger sind. Dennoch ist die ausreichende Abgeltung des Mehraufwandes durch Direktzahlungen für alle Anbausysteme wichtig, wenngleich als ein Faktor unter mehreren. Für die Politik und Beratung bedeutet dies, den konkreten Nutzen aufzuzeigen, den die Landwirte durch die Umsetzung von Ökoausgleichsmassnahmen erzielen können, z.B. in der Verbesserung der natürlichen Bestäubung und Schädlingsregulation durch eine erhöhte Biodiversität. Zudem müssen bei einer partizipativen gesamtbetrieblichen Beratung neben den betrieblichen, standörtlichen Voraussetzungen auch die individuellen Vorlieben und Präferenzen des Betriebsleiters im Entscheidungsprozess berücksichtigt werden. Das Ansehen des Landwirts innerhalb der Bauernschaft wird über die klassische Agrarproduktion geschaffen. Eine Heckenpflanzung generiert weniger Ansehen als Produktion von Brotgetreide. Für eine effektive und wirkungsbezogene Förderung von öAF braucht es Instrumente, welche die Leistungen der Landwirte deutlich sichtbar machen, wie etwa das im Projekt «Mit Vielfalt punkten» entwickelte Punktesystem. Durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit und Vernetzung zwischen Landwirten und Konsumenten seitens der Politik besteht ausserdem die Möglichkeit, die Wertschätzung zu fördern und das Ansehen zu verbessern. n

Dank

Wir möchten allen Landwirten, die an dieser Studie teilnehmen, Bio Suisse, IPSuisse und den kantonalen Ansprechpartnern für ihre Zusammenarbeit sowie der MAVA Stiftung, der Sophie und Karl Binding Stiftung, der AVINA Stiftung, der Ernst Göhner Stiftung, der Vontobel-Stiftung, der Stiftung Dreiklang, dem Bundesamt für Umwelt und dem Bundesamt für Landwirtschaft für ihre finanzielle Unterstützung herzlich danken.

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Motivazioni per l’attuazione di misure di compensazione ecologica La politica agraria svizzera, persegue lo scopo d’incentivare le prestazioni ecologiche delle aziende agricolea attraverso il pagamento di contributi per la qualità ecologica. Tuttavia, i programmi di valutazione mostrano che non bastano soltanto stimoli economici per garantire l’attuazione delle misure ecologiche. In questo contesto si è esaminato quale ruolo ricoprono le moti­ vazioni economiche, ecologiche e sociali nell’attuazione delle misure nella compensazione ecologica per gli agricoltori della zona di pianura. Secondo la valutazione degli agricoltori sono realizzate soprattutto misure ecologiche ritenute in primo luogo utili per la protezione della natura e ben integrabili nel funzionamento dell’azienda agricola. Rispetto ai produttori certificati Bio, IP, per i produttori PER i fattori economici sono più importanti di quelli ecologici. Gli agricoltori biologici dimostrano avere la più alta motivazione ecologica. E’ stata rilevata solo una debole correlazione tra la motivazione e la quota delle superfici, rispettivamente la motivazione e la qualità delle misure ecologiche. Un’incentivazione efficace delle misure ecologiche dev’essere incoraggiata attraverso la divulgazione dell’utilità delle singole misure e la creazione di strumenti adeguati. Questi permettono da un lato di rendere visibili le prestazioni degli agricoltori e, dall’altro aumentare l’apprezzamento degli sforzi intrapresi dal punto di vista di agricoltori e consumatori.

Literatur ▪▪ Ajzen I., 1991. The Theory of Planned Behavior. Organizational Behavior and Human Decision Processes 50, 179–211. ▪▪ Burton R.J.F., Kuczera C. & Schwarz G., 2008. Exploring Farmers’ Cultural Resistance to Voluntary Agri-environmental Schemes. Sociologica Ruralis 48 (1), 16–37. ▪▪ Chevillat V., Balmer O., Birrer S., Doppler V., Graf R., Jenny M., Pfiffner L., Rudmann C. & Zellweger-Fischer J., 2012. Gesamtbetriebliche Be­ ratung steigert Qualität und Quantität von Ökoausgleichsflächen. ­A grarforschung Schweiz , 3 (2), 104-111. ▪▪ Herzog F. & Walter T. (Hrsg.), 2005. Evaluation der Ökomassnahmen. ­B ereich Biodiversität. Schriftenreihe der FAL 56, Eidgenössische Forschungsanstalt für Agrarökologie und Landbau, Zürich. 208 S. ▪▪ Jurt L., 2003. Bauern, Biodiversität und Ökologischer Ausgleich. Dissertation Universität Zürich. Philosophische Fakultät, Universität Zürich, ­Z ürich. 272 S.

Summary

Riassunto

Motivationen für die Umsetzung von ­Ö koausgleichsmassnahmen | Umwelt

Motivations for the implementation of ecological compensation areas Swiss agricultural policy is guided by the goal of improving the ecological services provided by farms through direct payments for ecological compensation areas (ECAs), but evaluation programs have shown that financial incentives alone do not guarantee the implementation of ECAs. We investigated, by means of structured interviews with conventional, integrated production, and organic farmers, which role economic, ecological and social motivations play in the decisions by Swiss lowland farmers to implement ECAs. The results show that ECAs are primarily implemented if they are perceived by farmers to be conservation relevant and if they are easily integrated into the farm’s workflow. Financial aspects were found to play a more important role than ecological aspects for conventional farmers, while organic and integrated production farmers were found to be more ecologically oriented with organic farmers showing the highest ecological motivation. However, only a weak correlation between motivation and the quantity and quality of ECAs was found. To efficiently increase ECAs, more emphasis should be placed on communicating the benefits of specific measures and on developing instruments that make the farmers’ accomplishments apparent and increase their appreciation by farmers and consumers. Key words: ecological compensation, motivation, biodiversity, acceptance analysis, advisory, direct payments.

▪▪ Kroeber-Riel W. & Weinberg P., 2003. Konsumentenverhalten. Vahlens Handbücher der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Verlag Franz Vahlen GmbH, München. 825 S. ▪▪ Lütz M. & Bastian O., 2002. Implementation of Landscape Planning and Nature Conservation in the Agricultural Landscape – A Case Study from Saxony. Agriculture Ecosystems & Environment 92, 159–170. ▪▪ Rieder P. & Anwander Phan-Huy S., 1994. Grundlagen der Agrarmarktpolitik. vdf Hochschulverlag, ETH Zürich, Zürich. 436 S. ▪▪ Schenk A., Hunziker M. & Kienast F., 2007. Factors influencing the Acceptance of Nature Conservation Measures - A Qualtitative Study in Switzerland. Journal of Environmental Management 83, 66–79.

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U m w e l t

Die Bedeutung von Ästhetik bei der ­Umstellung auf Direktsaat Flurina Schneider, Stephan Rist Centre for Development and Environment (CDE), Universität Bern, 3012 Bern Auskünfte: Flurina Schneider E-Mail: flurina.schneider@cde.unibe.ch, Tel. +41 31 631 50 89

Abb. 1 | Emotionale Beschreibung des Pflugs. (Foto: Dominik Rutz, 2010)

Einleitung Der Pflug entwickelte sich über die Jahrhunderte nicht nur zu einer grundlegenden landwirtschaftlichen Technik, sondern auch zu einem eigentlichen Symbol für Landwirtschaft per se (Abb. 1). Der Pflug ermöglichte es Land für die Produktion urbar zu machen, Unkraut zu bekämpfen und das Saatbeet zu bereiten. Nach dem Konzept der

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Agrarforschung Schweiz 3 (4): 216–223, 2012

«Bodengare» ging man zudem lange Zeit davon aus, dass Bodenfruchtbarkeit im Wesentlichen über das Pflügen entsteht. Die Bodengare wurde als Gegensatz zum unfruchtbaren natürlichen Zustand des Bodens gesehen (Roemer, 1929 zitiert in Kuipers 1970). Die Mechanisierung in der Landwirtschaft ermöglichte ab den 1930er Jahren immer grössere Pflüge einzusetzen und den Boden vollständig zu wenden. Zusammen


Die Bedeutung von Ästhetik bei der ­U mstellung auf Direktsaat | Umwelt

Zusammenfassung

mit dem Aufkommen der chemischen Herbizide führte diese Entwicklung dazu, dass die Böden zunehmend erosionsanfälliger wurden. Heute sind in der Schweiz ca. 20% der Ackerflächen von Erosion betroffen (Ledermann et al. 2008). In der Folge begannen innovative Bauern, Experten und Wissenschaftler bodenschonende Anbauverfahren wie die Direktsaat zu entwickeln. Obwohl dieses Anbauverfahren heute sehr weit entwickelt ist und viele ökonomische und ökologische Vorteile hat, liegt die Verbreitung schweizweit erst bei ca 4 % (no-till). Was sind die Gründe für diese geringe Verbreitung? Warum entscheiden sich Bauern für oder gegen die Direktsaat? Diesen Fragen wurde im Rahmen eines Forschungsprojektes der COST Action 634 nachgegangen (Schneider et al. 2010a; Schneider et al. 2010b).

Material und Methoden Da es in Europa bisher kaum Forschung zu dem Thema gab wurde ein qualitativer Forschungsansatz gewählt. Qualitative Methoden der Sozialforschung bieten sich an, wenn ein Forschungsgegenstand noch sehr wenig erforscht ist. Ihr Einsatz ist zudem besonders fruchtbar, wenn es darum geht «tieferliegende» Dimensionen der bäuerlichen Lebenswelt zu erforschen. Solche Dimensionen sind mit standardisierten Fragebogen nur unzureichend zu erfassen. Die Studie basiert auf der umfassenden Analyse von 22 halb-standardisierten Interviews mit Bauern, die auf Direktsaat umgestellt haben (10) oder Direktsaat ablehnen (12). 16 dieser Bauern waren von Erosionsschäden betroffen. Die Auswahl der Interviewpartner erfolgte iterativ mit dem Ziel eine möglichst grosse Bandbreite 

Direktsaat Direktsaat ist ein Anbausystem, bei dem das Saatgut direkt in den unbearbeiteten, mit Pflanzen oder Mulch bedeckten Boden abgelegt wird. Mittels speziellen Scheiben-, Meissel- oder Kreuzschlitz-Säscharen wird lediglich ein Schlitz im Boden geöffnet und nach der Saatgutablage geschlossen. Beim Sävorgang werden

Direktsaat ist eine wirksame Erosionsschutzmassnahme, die ökologische und ökonomische Vorteile aufweist. Obwohl ihre Verbreitung seit Mitte der 1980er Jahre kontinuierlich gestiegen ist und ihre Anwendung von einigen Kantonen aktiv gefördert wird, ist ihr Anteil am gesamten Ackerland mit ca. 4 % nach wie vor gering. Die vorliegende Studie über die Gründe der Über­ nahme respektive Ablehnung der Direktsaat zeigt, dass Bauern ihre Entscheidungen vor dem Hintergrund ihrer gesamten Lebenswelt treffen. Dabei spielen ökonomische, agronomische und ökologische Aspekte eine Rolle, aber auch soziale und ästhetische. Direktsaat muss in die tägliche Arbeitspraxis passen. Direktsaat muss aber auch mit dem Wertesystem der Bauern, ihrer ästhetischen Wahrnehmung und ihrer beruflichen und privaten Identitätsvorstellung übereinstimmen. Bei der Umstellung auf Direktsaat müssen Bauern also nicht nur ihren Betrieb an die neue Praxis anpassen (z.B. neue Maschine kaufen, oder Lohnunternehmer engagieren), sondern auch die Fähigkeit den Pflanzenzustand zu interpretieren (z.B. langsameres Auflaufen der Saat) und ihre Vorstellungen über das was es ausmacht ein guter Bauer zu sein (z.B. schöne saubere Felder zu haben, der Pflug als Symbol für die Landwirtschaft). Direktsaat-Förderprogramme stehen deshalb vor der Herausforderung, Lernprozesse auf all diesen lebensweltlichen Ebenen zu ermöglichen.

höchstens 50 % der Bodenoberfläche bewegt. Düngemittel können gleichzeitig in den Boden eingebracht werden. Zur Unkrautkontrolle werden Totalherbizide eingesetzt. Da Spezialmaschinen notwendig sind, werden Direktsaaten in der Schweiz gegenwärtig vorwiegend von Lohnunternehmungen durchgeführt.

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Umwelt | Die Bedeutung von Ästhetik bei der ­U mstellung auf Direktsaat

an verschiedenen Betriebstypen (Voll-, Nebenerwerb) und Philosophien (extensiver/intensiver Anbau, bio/konventionell) wie auch kantonalen Vollzugssystemen (mit und ohne Förderprogrammen/Sanktionsprogrammen) zu erfassen. Der Kontakt zu den Bauern entstand im Feld z.B. bei der Kartierung von Bodenerosionsschäden sowie über Lohnunternehmer und kantonale Bodenschutzfachstellen. Die 22 Interviews wurden auf minidisc aufgezeichnet und mit der Analysesoftware Transana ausgewertet. Zusätzlich zu den Interviews, wurden für diese Studie auch viele informelle Gespräche und teilnehmende Beobachtungen berücksichtigt, die während bäuerlichen Treffen oder Flurbegehungen stattfanden. Vielfach begannen die Bauern erst nach dem offiziellen Interview, oder bei wiederholten Begegnungen über sehr persönliche Handlungsmotive und damit verbundene sozio-kulturelle Aspekte zu reden. Gespräche, die nicht mit mini-disc aufgezeichnet wurden, wurden im Anschluss an die Treffen mit Erinnerungsprotokollen festgehalten. Die Auswertung der Audiodokumente und der Erinnerungsprotokolle erfolgte nach den Grundsätzen der qualitativen Inhaltsanalyse (Flick 2005) iterativ und mehrstufig. In einem ersten Schritt wurde das Material nach erwähnten Handlungsmotiven codiert, gruppiert und interpretiert. Dabei wurde ein besonderes Augenmerk auf die Sinnzusammenhänge zwischen den einzelnen Äusserungen gelegt. Mit dem Fortschreiten der Studie und dem Sichtbarwerden der sozialen und ästhetischen Aspekte, rückten diese beiden Dimensionen in den Vordergrund. In der Folge wurden die Bauern bei den Interviews direkt darauf angesprochen (z.B. «hat die Ästhetik der Direktsaatfelder bei ihrer Entscheidung eine Rolle gespielt?») und es wurde zusammen mit den Bauern über die Bedeutung der Ästhetik reflektiert. Dabei brachten die Interviewer auch Beobachtungen von Flurbegehungen oder informellen Gesprächen in die Interviews ein (z.B. «ich habe an der Flurbegehung gehört wie Sie beim Direktsaatfeld sagten «das kommt nicht gut». Woran konnten Sie das sehen?). In der anschliessenden Feinanalyse wurden die einzelnen Interviewpassagen auf den Sinngehalt untersucht, den die interviewten Bauern ihren Handlungen zuschrieben.

Resultate Die Gespräche mit den Bauern brachte eine Vielzahl von Argumenten hervor. Interessanterweise argumentieren sowohl Befürworter wie Gegner der Direktsaat mit Argumenten, die denselben fünf Bereichen zugeordnet werden können: Ökonomie, Ökologie, Agronomie, Sozi-

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Agrarforschung Schweiz 3 (4): 216–223, 2012

ales und Ästhetisches. Ein Überblick über die verschiedenen Argumente findet sich in Tabelle 1. Während entsprechende Studien aus den USA und Entwicklungsländern die Wichtigkeit der ersten drei Dimensionen erwarten liess (Knowler and Bradshaw 2006; Prager and Posthumus 2010), ist die herausragende Bedeutung der Ästhetik, aber auch der sozialen Aspekte im Zusammenhang mit bodenschonenden Anbauverfahren im Kontext des Schweizer Mittellandes neu und überraschend. Aus diesem Grund gehen wir im Folgenden nur kurz auf die erst genannten Aspekte ein und befassen uns anschliessend vertieft mit der Frage der Ästhetik und den sozialen Aspekten. Die «rationalen» Argumente pro und kontra Direktsaat In den formellen Interviews betonten beide Gruppen von Bauern mehrheitlich die finanziellen, ökologischen und agronomischen Beweggründe. Ob sie Direktsaat ablehnten oder befürworteten, sie betonten dass landwirtschaftliche Praktiken ökonomisch rentieren müssen. Direktsäer erwähnten, dass sie weniger Überfahrten benötigen und daher Diesel und Arbeitszeit sparen können. Unter dem Strich hätten sie dadurch ein höheres Einkommen. Bauern, welche Direktsaat ablehnten sagten dagegen, dass Direktsaat zusätzliche Kosten für Lohnunternehmer, neue Maschinen und reduzierte Ernten verursache. Häufig wurde auch mit ökologischen Gründen argumentiert. Die einen Bauern erwähnten beispielsweise den positiven Beitrag der Direktsaat zur Verminderung des Erosionsrisikos, die anderen bemängelten den obligatorischen Einsatz von Totalherbiziden. Agronomische Argumente wurden am häufigsten angeführt. Alle interviewten Bauern erwähnten Probleme mit Schnecken, langsamerem Auflaufen des Saatguts und ein generell höheres Risiko, dass «es nicht gut kommt». Während die einen Bauern in der Folge Direktsaat als impraktikabel ablehnten, sprachen die anderen von Herausforderungen, die man mit entsprechenden Massnahmen in vielen Fällen lösen kann (z.B. veränderte Fruchtfolge oder Düngerregime). Ästhetik und Soziales: die unterschätzen Beweggründe Während in den Interviews die ökonomischen, ökologischen und agronomischen Aspekte betont wurden, wurden in den eher informellen Gesprächen von allen Bauern auch auf soziale und ästhetische Aspekte Bezug genommen. Zu den sozialen Aspekten gehören Themen wie Arbeitsorganisation, soziale Beziehungen in der Familie oder im Dorf, wie auch die eigene Befriedigung bei der Arbeit. Sie alle können die Umstellung auf Direktsaat sowohl begünstigen wie auch erschweren.


Die Bedeutung von Ästhetik bei der ­U mstellung auf Direktsaat | Umwelt

Tab. 1 | Die wichtigsten Argumente der Bauern für und gegen die Direktsaat (Schneider et al. 2010) Antworten von Landwirten kontra Direktsaat

Antworten von Landwirten pro Direktsaat

. . . v erursacht zusätzliche Kosten für Pestizide,

. . . d a es weniger Arbeitsschritte braucht, kann Arbeitszeit,

Schneckenkörner und Dünger

Treibstoff und Geld gespart werden

. . . e rfordert Investitionen für Direktsaatmaschinen oder verursacht Ökonomie

. . . tiefere Erträge sind nicht zwingend.

Kosten für Lohnunternehmer.

. . . a uch wenn die Erträge geringer sein sollten, ist das Einkommen

. . . führt zu geringeren Erträgen.

meist höher, da Ausgaben für Treibstoffe und Arbeitszeit eingespart werden können. . . . wird in einzelnen Kantonen finanziell unterstützt.

Ökologie

. . . erfordert den Einsatz von Totalherbiziden

. . . schützt vor Erosion und verbessert die Bodenstruktur. . . . fördert Bodenorganismen und Regenwürmer

. . . Probleme mit Schnecken, Unkraut, langsameres Auflaufen

. . . v ereinfacht die Bearbeitung steiniger Böden und erhöht die

und Maiszünsler.

­Produktqualität (z.B. Proteingehalt).

. . . Erntereste können nicht eingearbeitet und die Fahrspuren nicht ­ausgeebnet werden.

­kontinuierlicher Bodenbedeckung.

. . . Bodenlockerung ist wichtig für die Bodenfruchtbarkeit. Agronomie

. . . r eduziert in trockenen Regionen die Verdunstung dank . . . e rlaubt eine flexiblere Organisation der Arbeitsschritte und

. . . ist unvereinbar mit einigen Kulturen wie Kartoffeln oder Gemüse. . . . verursacht ein erhöhtes Risiko von Ernteverlusten.

­ermöglicht, auf geeignete Bedingungen zu warten, da die Arbeiten in kürzerer Zeit erledigt sind.

. . i st nicht geeignet bei gewissen Boden- und

. . . verringert Arbeitsspitzen.

­Witterungsbedingungen.

. . . P robleme mit Krankheiten und Schädlinge können mit

. . . Zusammenarbeit mit Lohnunternehmern erfordert Kompromisse

angepassten Massnahmen bekämpft werden.

beim Saatzeitpunkt, da die Unternehmer viele Kunden haben. . . . bedeutet das Pflügen aufzugeben, eine der schönsten Arbeiten im landwirtschaftlichen Jahr.

. . . Direktsaatlandwirte unterstützen einander in ihrer Gemeinschaft.

. . . führt zu Abhängigkeit vom Lohnunternehmer.

. . . verursacht weniger Arbeitszeit, wodurch mehr Zeit für die

. . . Es ist schön, die eigene Mechanisierung zu haben. Soziales

. . . ist ein Bearbeitungssystem für innovative Landwirte.

Familie zur Verfügung steht.

. . . heisst, gegen etablierte Meinungen anzukämpfen, wenn die

. . . i st anspruchsvoller, so dass nicht jeder Landwirt es erfolgreich

­eigene Familie oder die Nachbarn gegen das Bodenbearbeitungs­ system sind

­durchführen kann. . . . auf eine erfolgreiche Direktsaat darf man stolz sein.

. . . bedeutet Aufgabe bestehender Zusammenarbeit.

. . . bedeutet eine neue Herausforderung.

. . . ist schlecht fürs Image der Landwirtschaft, da die Bevölkerung gegen «abgebrannte» Felder ist. . . . Direktsaatfelder sind unregelmässig, unorganisiert und Ästhetik

nicht sauber bearbeitet.

. . . b ei der Direktsaat muss man anders «sehen» lernen. Das Auge muss angepasst werden . . . auch «abgebrannte» Felder können schön aussehen mit ihren ­grünen Streifen im gelb-braunen Feld.

Die folgenden Zitate geben einen Einblick in diese eher emotionalen Beweggründe. Ein Bauer, der nach mehreren ausgeprägten Bodenerosionsschäden auf Direktsaat umgestellt hatte, beschrieb den sozialen Druck aus Familie und Nachbarschaft folgendermassen: «Der Schwiegervater belächelt Direktsaat. Alles was neu ist, oder einer anders macht als bei ihnen in der Gegend ist nicht gut. Ich kenne auch einen der säet viel mit der Kombination, wenn Du mit ihm redest und etwas anderes gut findest, dann ist das gar nichts, dann bist Du niemand.»

Im folgenden Zitat erläutert ein Bauer, der sich eine Umstellung auf Direktsaat nicht vorstellen kann, wie eng für ihn die Freude am Bauern und das selbständige Säen gehören. Das Säen einem Lohnunternehmer zu übertragen kommt für ihn nur als allerletzte Massnahme in Frage: «Ja, entweder bist du Bauer und hast Freude… Also, das Säen ist ja die Arbeit des Bauern… wenn du sie auswärts geben musst [Direktsaat], tut dir das am meisten weh…». Mehrere Bauern, die Direktsaat ablehnten erwähnten, dass das Pflügen und Säen zu den schönsten Tätigkeiten  im landwirtschaftlichen Jahr gehört.

Agrarforschung Schweiz 3 (4): 216–223, 2012

219


Umwelt | Die Bedeutung von Ästhetik bei der ­U mstellung auf Direktsaat

«[gehen übers Feld] Hier im Frühling übers Feld zu fahren, die braune Erde, die Furchen… Versuchen es so gut wie möglich zu machen. Es gibt Dinge die kann man nicht beeinflussen, aber das Pflügen schon. Das gehört zu den schönsten Arbeiten im Jahr.» Häufig erklärten die Bauern auch, dass Direktsaat nicht mit ihren Grundwerten übereinstimmt. Folgendes Zitat gibt ein Beispiel von einem Viehbauern: «Wir, die Kühe haben, dürfen die Wiese nicht einfach abbrennen (abspritzen). Das passt nicht, es muss schön grün sein. Das ist einfach so eine moralische Hemmschwelle». Die Ästhetik der Felder wurde von vielen der befragten Bauern angesprochen. Lohnunternehmer berichteten sogar, dass die Ästhetik der Direktsaatfelder eine der Hauptvorurteile ihrer Kunden gegen die Direktsaat seien. Da die Erntereste liegen bleiben beurteilen die Bauern Direktsaatfelder in der Regel als unordentlich und nicht sauber gearbeitet (Abb. 2). Nicht wenige sprachen von einer eigentlichen Sauerei («äs gmoor»). Wie die folgenden Zitate zeigen ist es für die interviewten Bauern schwer erträglich solche Felder zu haben. Solche Felder anzuschauen tut den Augen weh (ca fait mal aux yieux). «und dass ist das Hauptvorurteil gegen die Direktsaat, das ist einfach das. Oder? Ein gepflügter Acker, dass ist einfach das, was man im Auge hat, das ist schön und das ist sauber, und da sieht man die Reihen, und das ist wunderbar… [und alles andere] das ist chabis, das macht man einfach nicht. Mou, das ist einfach so.» «l’esthétique de la parcelle? oui, ça fait mal aux yeux. (…) Ou bien si la parcelle n’est pas très belle, si…. c’est vrai, ça fait mal aux yeux, ça fait pas plaisir.» Warum die Ästhetik für die Bauern wichtig ist Die vertiefte Analyse zeigte, dass die Ästhetik der Felder für die Bauern verschiedene Bedeutungen hat. Zum einen können sie vom Aussehen der Felder (z.B. Farbe der Blätter, Regelmässigkeit und Dichte der Kultur, Zeitpunkt des Auflaufens) auf den Pflanzenzustand, ­ das zukünftige Entwicklungspotential und allenfalls notwendige Managementmassnahmen schliessen (z. B. Düngergaben). Da sich Direktsaatfelder in Bezug auf die oben erwähnten Aspekte von gepflügten Feldern deutlich unterscheiden können (Abb. 2), müssen Bauern ihre Fähigkeit «die Kulturen zu lesen» anpassen. Wenden die Bauern ihre über Jahre erlernte Fähigkeit den Pflanzen-

220

Agrarforschung Schweiz 3 (4): 216–223, 2012

zustand einzuschätzen auf Direktsaatfelder an, haben sie das Gefühl es komme nicht gut. Ein Direktsäer beschrieb dies mit folgenden Worten: «Du musst anders sehen lernen. Direktsaat läuft am Anfang nicht gut auf, aber wenn es dann wächst dann kommt es richtig. Man muss Geduld haben, darf sich nicht verunsichern lassen, wenn es am Anfang nicht so gut ausschaut.» Auch Direktsäer mit langjähriger Erfahrung betonten, dass es ihnen auch nach vielen Jahren schwer fällt darauf zu vertrauen, dass es gut kommt, auch wenn es im Frühling nicht gleich schön aufläuft. Neben dieser praktischen Seite hat die Ästhetik der Felder auch eine symbolische Bedeutung, die auf die persönliche und berufliche Identität der Bauern verweist. Das folgende Zitat eines Bauern, der Direktsaat ablehnt, zeigt, dass die Frage der Ästhetik über rein agronomische Aspekte hinausgeht: «Einer der ganz saubere Bitze will, kein Unkraut und nichts, dem kannst Du erzählen was Du willst, der macht das nicht… Kein Unkraut, saubere Bitze, Tip top für das Auge. Super Landwirtschaft, super wienemore, das Tüpfli auf dem I, Meisterlandwirt, kein Gjäteli, nichts. Das ist noch oft so. Da wird aufeinander gezeigt, wenn einer eine Morerei hat in einem Bitz. Und das ist mit Direktsaat auch so, da hat man dann Probleme mit dem Unkraut. Du kommst nicht nach. Und meistens haben das noch solche Betriebe gemacht, die das sowieso so ein bisschen leger nehmen. Dann heisst es «Jetzt hat der noch nie rechtes Gewächs gehabt und jetzt macht der noch Direktsaat!» Ich sage jetzt gerade wie es ist, wie es wirklich ist.» Der interviewte Bauer stellt fest, dass ein «richtiger Landwirt» seine Kulturen pflegt und dafür sorgt, dass die Felder ordentlich und sauber sind. Wenn einer viel Unkraut auf dem Feld hat, zeuge dies davon, dass er das Bauern nicht Ernst nimmt, den bäuerlichen Berufsethos verletzt. In der Folge wird er von den Berufskollegen abgelehnt. Aus dieser Sichtweise bedeutet Direktsaat seine Felder zu vernachlässigen. Wie das folgende Zitat eines anderen Bauern zeigt, wird von der Ästhetik der Felder nicht nur auf die beruflichen Fähigkeiten geschlossen, sondern auch auf die Philosophie und die Persönlichkeit des Bauern und seinen sozialen Status: «de faire extenso, on laisse aller… moi, j’fais pas. J’fais pas. pas que pour la vue, c’est un peu une philosophie, je ne sais pas. On aime… pas que pour la vue, mais un peu


Die Bedeutung von Ästhetik bei der ­U mstellung auf Direktsaat | Umwelt

Abb. 2 | Zuckerrüben am 16. Mai: Pflug (links) und Direktsaat (rechts). (Foto: Volker Prasuhn)

aussi … on aime bien – quand on fait quelque chose – on aime le faire bien. (…) C’est un peu lié, les deux choses. Ceux qui laissaient aller. On a eu des exemples, ici, ça c’est passe… on a eu des exemples, des gens qui buvaient, par exemple. Alors ils font le minimum, toujours moins, toujours moins, toujours moins, et après c’est… il faut vendre parce que ca va plus, quoi. (…)» Der interviewte Bauer illustriert seine Abneigung gegen Extenso und Direktsaat mit der Geschichte eines Nachbarn der über den Alkoholkonsum die Kontrolle über seinen Betrieb und letztlich über sich selber verloren hat. In der Folge musste er verkaufen und hat alles verloren. Dieses Beispiel scheint sehr extrem und nicht repräsentativ. Es zeigt aber sehr schön, wie die Ästhetik der Felder mit der beruflichen und persönlichen Identität der Bauern verknüpft sein kann. In den Augen des interviewten Bauern bedeuteten «unordentliche Felder» «vernachlässigte Felder» und dies wird gleichgesetzt mit «Trunkenheit» und sozialem Abstieg.

Diskussion Die vertiefte Analyse der Interviews zeigte, dass finanzielle, ökologische und agronomische Argumente zwar am häufigsten erwähnt wurden. Für die Entscheidungsfindung der Bauern sind die sozialen und ästhetischen Aspekte aber ebenso wichtig. Mit der Betonung der Ökonomie antworten die Bauern auf die gesellschaftliche Forderung, dass Bauern ökonomisch denken und handeln sollen. «Bauern produzieren nicht für die Ästhetik sondern für den Profit» ist nur ein Zitat eines Direktsaat-Beraters, welches diese Haltung widergibt. Vor diesem Hintergrund argumentieren wir, dass die Bauern ökonomische Gründe vor allem deshalb stark betonen, weil diese Gründe als rational gelten und gesellschaftlich akzeptierte sind. Die vertiefte Analyse der ökonomischen Argumente zeigte zudem, dass Bauern häufig von «hohen Erträgen» und nicht von «hohem Einkommen» sprechen. Hohe Erträge sind dabei nicht nur wichtig, da sie ein höheres 

Agrarforschung Schweiz 3 (4): 216–223, 2012

221


Umwelt | Die Bedeutung von Ästhetik bei der ­U mstellung auf Direktsaat

Einkommen versprechen, sondern sie sind Zeuge von guter Arbeit und verweisen wiederum auf den Berufsethos der Bauern: ein Bauer ist ein Produzent, ein guter Bauer hat gute Erträge. Dieser Aspekt wird im Falle der Direktsaat besonders deutlich. Die potenziell höheren Erträge in der traditionellen Pfluglandwirtschaft führen nicht unbedingt zu höherem Einkommen, da Arbeitszeit und Dieselkosten ebenfalls höher sind. Mit anderen Worten, auch wenn Direktsaatbauern von einem ökonomischen Standpunkt her erfolgreicher sind, werden sie von der bäuerlichen Gemeinschaft trotzdem tendenziell als faul angesehen mit einem mangelnden Engagement für die traditionelle Produktionsrolle.

Schlussfolgerungen Die vorliegende Studie macht deutlich, dass die einzelnen Landwirte Entscheidungen für oder gegen Direktsaat vor dem Hintergrund ihrer gesamten Lebenswelt treffen. Hierbei werden technische, ökonomische, agronomische und ökologische Aspekte zu in einem ­ soziokulturell und ästhetisch orientierten «Gesamtkunstwerkt» verbunden, das wir als Berufsethos oder Identität bezeichnen können. Bei der Umstellung auf Direktsaat müssen Bauern also nicht nur ihren Betrieb an

222

Agrarforschung Schweiz 3 (4): 216–223, 2012

die neue Praxis anpassen (z.B. neue Maschine kaufen, oder Lohnunternehmer engagieren), sondern auch ihre Fähigkeit den Pflanzenzustand zu interpretieren (z.B. langsameres Auflaufen der Saat) und ihre Vorstellungen zu was es ausmacht ein guter Bauer zu sein (z.B. schöne saubere Felder zu haben, der Pflug als Symbol für die Landwirtschaft). Direktsaat-Förderprogramme stehen demnach vor der Herausforderung, Lernprozesse auf all diesen lebensweltlichen Ebenen zu ermöglichen. Dies kann zum Beispiel bedeuten, dass bei entsprechenden Kursen und Förderprogrammen nicht nur die technische, ökonomische Machbarkeit oder die ökologischen Vorteile thematisiert werden, sondern auch Raum gegeben wird um Erfahrungen auszutauschen und die eigenen Bilder vom «richtigen Bauern» sicht- und somit diskutierbar zu machen. Die Forschungsresultate erlauben deshalb die Schlussfolgerung, dass die fehlende Berücksichtigung von soziokulturellen und ästhetischen Faktoren bei der Entscheidungsfindung eine der Ursachen für die langsame Verbreitung der Direktsaat darstellt. Aus dieser Sicht besteht ein grosser Bedarf, an der Entwicklung von Beratungsmethoden und Konzepten die solche Aspekte gewinnbringend in die private und öffentliche Förderung der bodenschonenden Anbausystemen integn rieren können.


Il significato dell’estetica nel passaggio alla semina diretta La semina diretta è un’efficace misura preventiva contro l’erosione che mostra vantaggi sia ecologici che economici. Nonostante la sua diffusione è aumentata costantemente a partire dalla metà degli anni ’80 e il suo impiego viene incentivato da alcuni cantoni, la parte di terreno coltivabile dedicato ad essa, ca. il 4 %, rimane esigua. Il presente studio sui motivi dell’acquisizione, rispettivamente del rifiuto della semina diretta mostra che i contadini prendono le proprie decisioni in base al loro contesto socio-culturale complessivo. Oltre agli aspetti economici, agronomici ed ecologici, anche quelli estetici e sociali rivestono un ruolo importante. La semina diretta deve in primo luogo essere adatta alle prassi lavorative quotidiane. Inoltre, la semina diretta deve corrispondere ai valori degli agricoltori, alla loro percezione estetica e alle loro idee professionali e private. Nel passaggio alla semina diretta i coltivatori devono però non soltanto adattare la loro azienda a questa nuova pratica (ad esempio acquistando nuove macchine, o ricorrendo a un contoterzista), ma deve essere adattata anche la loro capacità di interpretare le condizioni delle piante (ad esempio la germogliazione più lenta della semente) e la loro concezione di cosa significhi essere un bravo agricoltore (ad esempio avere dei campi liberi da erbacce; l’aratro come simbolo dell’agricoltura). I programmi di promozione alla semina diretta si trovano, dunque, di fronte alla sfida di rendere possibili i processi di apprendimento a tutti questi livelli socio-culturali.

Literatur ▪▪ Flick U., 2005. Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. Reinbek bei Hamburg, Rowohlt Taschenbuch Verlag. ▪▪ Knowler D. & Bradshaw B., 2006. Farmers' adoption of conservation agriculture: A review and synthesis of recent research. Food Policy 32 (1), 25. ▪▪ Kuipers H., 1970. Introduction: Historical notes on the zero-tillage concept. Netherlands Journal of Agricultural Science 18, 219–224. ▪▪ Ledermann T., Herweg K., Liniger H., Schneider F. & Prasuhn V., 2008. Erosion damage mapping: assessing current soil erosion damage in Switzerland. Advances in GeoEcology 41 (special issue). ▪▪ Prager K. &Posthumus H., 2010. Socio-economic factors influencing farmers' adoption of soil conservation practices in Europe. In: Human Dimen-

Summary

Riassunto

Die Bedeutung von Ästhetik bei der ­U mstellung auf Direktsaat | Umwelt

The significance of aesthetics for the adoption of no-tillage farming No-tillage is an effective protective measure against erosion which offers ecological and economic advantages. Although it has spread continually in Switzerland since the mid-1980s and some cantons actively promote its adoption, the share of total agricultural land under no-tillage remains low (4 %). This study on reasons for adoption or rejection of no-tillage shows that farmers take their decisions against the background of their entire life-world. Along with economic, agronomic, and ecological aspects, social and aesthetic issues play a role as well. No-tillage has to fit in with the farmers’ everyday work practice; at the same time, no-tillage also has to be in line with their value system, their aesthetic perceptions, and their professional and personal identities. For this reason, when farmers adopt no-tillage, they not only have to adapt their farm to the new practice (e. g. by buying new machines or hiring contractors), but also their ways of interpreting crop conditions (e. g. slower germination) and their perceptions as to what makes a good farmer (e. g. keeping fields nice and tidy, the plough as a symbol of farming). Programmes to promote no-tillage thus face the challenge of facilitating learning processes at all these levels of farmers’ life-worlds. Key words: no-tillage, adoption, professional identity, aesthetics, clean and tidy fields.

sions of Soil and Water Conservation: A Global Perspective. (Ed. T. L. Napier). Hauppauge, NY, USA, Nova Science Publishers, Inc. Pp. 203–223. ▪▪ Schneider F., Ledermann T., Fry P. & Rist S., 2010a. Soil conservation in Swiss agriculture—Approaching abstract and symbolic meanings in farmers’ life-worlds. Land Use Policy 27 (2), 332–339. ▪▪ Schneider F., Steiger D., Ledermann T., Fry P.v& Rist S., 2010b. No-tillage farming: co-creation of innovation through network building. Land ­D egradation & Development. In press, online available. Zugang: http://onlinelibrary.wiley.com/D01:10.1002/ldr.1073

Agrarforschung Schweiz 3 (4): 216–223, 2012

223


K u r z b e r i c h t

Bewertungsschema für die Qualität des Dinkels Geert Kleijer1, Cécile Brabant1, Andreas Dossenbach2, Franziska Schärer3 und Ruedi Schwaerzel1 Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, 1260 Nyon 2 Fachschule Richemont, 6006 Luzern 3 IG Dinkel, 3552 Bärau Auskünfte: Cécile Brabant, E-Mail: cecile.brabant@acw.admin.ch, Tel. +41 22 363 47 27

1

Abb. 1 | Die typischen Ähren des Dinkels.

In den letzten Jahren ist das Interesse für Dinkel insbesondere für den menschlichen Konsum erneut gestiegen. Diese Getreidesorte zeichnet sich durch hohe Gehalte an Eiweiss und Feuchtgluten, aber durch eine eher schwache Kleberqualität aus. Im vorliegenden Beitrag wird ein Bewertungsschema für die Qualitätsbeurteilung vorgeschlagen, das die qualitativen Spezifitäten des Dinkels in Bezug auf verschiedene Merkmale besser zur Geltung bringt, indem es die Parameter Eiweissgehalt, Zelenywert, Gehalt an Feuchtgluten, Gluten-Index, Fallzahl, Farinogramm und Extensogramm mit einbezieht. Die maximal erreichbare Punktzahl beträgt dabei 100 Punkte.

224

Agrarforschung Schweiz 3 (4): 224–227, 2012

Einleitung Bis Ende des neunzehnten Jahrhunderts war Dinkel (Abb. 1) die in der Deutschschweiz und in verschiedenen Regionen Europas vorherrschende Getreidesorte. Er lag noch um 1885 mit 33  % der gesamtschweizerischen Anbaufläche beim Wintergetreide an erster Stelle. Wegen der Mehrarbeit, die das Entspelzen verursacht, und seiner im Vergleich zu Weizen geringeren Erträge ging im zwanzigsten Jahrhundert der Anbau von Dinkel zugunsten des Weizenanbaus rasch zurück (Historisches Lexikon der Schweiz 2010). Die Dinkel-Anbaufläche ging weiter zurück bis auf nur noch 1470 ha im Jahr 2000. In


Bewertungsschema für die Qualität des Dinkels | Kurzbericht

Schlatt TG Wegenstetten AG Aesch ZH Muri AG

Murimoos AG Hohenrain LU

Posieux FR

Abb. 2 | Die Standorte der Schweiz, wo Zulassungsversuche für Dinkel durchgeführt werden.

den letzten Jahren gewann Dinkel aber erneut an Interesse, und die Dinkel-Anbaufläche betrug im Jahr 2011 mehr als 4000 ha. Dinkel wird vor allem in den Kantonen Bern, Aargau und Luzern sowie in solchen Regionen angebaut, wo der Weizenanbau wegen Nässe zur Saatund Erntezeit erschwert wird. Das Interesse für Dinkel in der Humanrnährung (Brot, Teigwaren, Frühstücks-Cerealien) nahm in den letzten Jahren wieder zu; Dinkel ist eine beliebte Getreidesorte im biologischen Anbau. Heute sind nur Oberkulmer und Ostro in der Liste der empfohlenen Getreidesorten eingetragen. Im biologischen Anbau werden fünf Sorten empfohlen (Oberkulmer, Ostro, Alkor, Tauro und Titan). Elf Sorten sind im nationalen Sortenkatalog für Getreide aufgeführt, wobei die ältesten im Jahr 1948 (Oberkulmer) und 1978 (Ostro) aufgenommen wurden. Bei den Backeigenschaften weist Dinkel allgemein höhere Eiweiss- und Feuchtglutengehalte, aber einen tieferen Zelenywert auf. Der Dinkelkleber wird als «schwach» bezeichnet, da er tendenziell dehnbarer und weniger elastisch ist als der Weizenkleber. Beim Dinkel wurden jedoch von Schober et al. (2006) grosse Qualitätsunterschiede beobachtet. Diese Autoren unterscheiden drei Kleber-Qualitätsgruppen: die erste liegt nahe beim modernen Weizen, die zweite ist «dinkeltypisch» und eine dritte ist von schwacher Qualität. In diversen Studien wurden die Nährwert- und Backqualitätsparameter verschiedener Dinkelsorten mit denjenigen einer Weizensorte verglichen. Bezüglich Parameter wie

Eiweiss, Ballaststoffe, Mineral- und Vitamingehalt wurde kein Unterschied zwischen Dinkel und Weizen nachgewiesen. Einzig beim Fettgehalt fanden Ruibal-Mendieta et al. (2002) in einem Vergleich zwischen einigen Dutzend Dinkel- und Weizensorten zwölfmal mehr Gesamtfett im Dinkel als im Weizen. Der Nährstoffgehalt und die Backeigenschaften der Dinkelsorten sind wie beim Weizen sehr unterschiedlich (Campbell 1997). Zwar unterscheidet sich die Durchschnittsqualität der verschiedenen Dinkelsorten unbestreitbar von derjenigen des Weizens, doch ist es nicht möglich, sie aufgrund ihrer Backeigenschaften klar voneinander zu unterscheiden. Beim Weizen werden diese anhand von zahlreichen Parametern gemessen (Kleijer 2002). Bei den Weizensorten, die in den Versuchen für die Aufnahme in den nationalen Sortenkatalog getestet wurden, sind diese Merkmale in der EDV-Verordnung (2010) über Saat- und Pflanzgut von Acker- und Futterpflanzen- sowie Gemüsearten aufgeführt. Die Ergebnisse dieser verschiedenen Untersuchungen werden in Punkte umgerechnet (Saurer et al. 1990). Um die Wertung Top zu erhalten, muss eine Weizensorte mehr als 130 Punkte erreichen. Die gemäss dieser Verordnung erforderliche Anzahl einzubeziehender Merkmale zur Bewertung der Dinkelqualität liegt viel tiefer. Ein Zelenywert über 45 und unter 20 sowie ein Eiweissgehalt unter 14 % führen zum Ausschluss. Für die Aufnahme in den nationalen Sortenkatalog werden jedoch mehrere Parameter untersucht, insbesondere die Farinogramme und Extensogramme. Um diese Qua- 

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225


226

Agrarforschung Schweiz 3 (4): 224–227, 2012

29

10

10

35,9

36 – 36,9

37 – 37,9

38 – 38,9

39 – 39,9

40 – 40,9

41 – 41,9

42 – 42,9

43 – 43,9

44 – 45

>45

10

≥ 17,0

16,5 – 16,9

16,1 – 16,4

15,8 – 16,0

15,5 – 15,7

15,2 – 15,4

14,9 – 15,1

14,6 – 14,8

14,3 – 14,5

14,0 – 14,2

<14

Protein %

10

≥ 44

43 – 43,9

42 – 42,9

41 – 41,9

40 – 40,9

39 – 39,9

38 – 38,9

37 – 37,9

36 – 36,9

<36

Feuchtgluten

29,5

29 – 29,4

28,5 – 28,9

28 – 28,4

27,5 – 27,9

27 – 27,4

26,5 – 26,9

26 – 26,4

25,5 – 25,9

<25,5

Glutenwert

10

>48

40,9

41 – 41,9

42 – 42,9

43 – 43,9

44 – 44,9

45 – 45,9

46 – 26,9

47 – 47,9

48 – 49,9

10

≥ 65

64 – 64,9

63 – 63,9

62 – 62,9

61 – 61,9

60 – 60,9

59 – 59,9

58 – 58,9

57 – 57,9

<57

%

10

≤ 2,0

2,1 – 2,2

2,3 – 2,4

2,5 – 2,6

2,7 – 2,8

2,9 – 3,0

3,1 – 3,3

3,4 – 3,6

3,7 – 4,0

>4,0

Knetresistenz

Farinogramm Wasserabsorption

120

115 – 119

110 – 114

105 – 109

100 – 104

95 – 99

90 – 94

85 – 89

80 – 84

<80

Festigkeitsabfall FE

2010

2009

2010

2009

2010

2009

2010

2009

2010

2009

2010

2009

Franckenkorn

Franckenkorn

Ebner's Rotkorn

Ebner's Rotkorn

Linie 1

Linie 1

Linie 2

Linie 2

Zollernspelz

Zollernspelz

Ostar

Ostar

2010

2009

Ostro

Ostro

2010

2009

Oberkulmer

Oberkulmer

Jahr

32,7

35,7

34,8

41,1

36,3

41,6

50,3

50,6

28,3

32,4

34,2

37,6

29,3

31,3

32,5

36

Zeleny

10

10

10

4

9

4

ausschliessend

ausschliessend

9

10

10

8

10

10

10

9

Punkte

13,2

14,6

13,5

15,2

14,4

14,4

13

14,4

14

15,9

13,1

14,6

14,2

16,3

14,2

16,1

Protein %

ausschliessend

3

ausschliessend

5

2

2

ausschliessend

2

1

7

ausschliessend

3

1

8

1

8

Punkte

57

59,2

57,6

60,6

57,8

59,7

66,5

66,5

60

60,7

56,4

57

60,3

60,8

60

60,7

Wasserabsorption %

2

4

2

5

2

4

10

10

5

5

1

2

5

5

5

5

Punkte

Farinogramm

2,2

2,5

2,6

3,3

2,2

2

3,5

3,2

2

2,1

3,2

3

2,1

2,4

2,3

2,3

Knetresistenz

9

7

7

4

9

10

3

4

10

9

4

5

9

8

8

8

Punkte

10

157

152

120

119

162

164

119

144

162

174

125

153

161

168

125

138

Festigkeitsabfall FE

Tab. 2 | Ergebnisse der Qualitätsanalysen der Ernten 2009 und 2010 im Zulassungsversuch und deren Umrechnung in Punkte

100

Maximum

27 – 27,9

28 – 28,9

8

9

25 – 25,9

26 – 26,9

7

24 – 24,9

5

6

22 – 22,9

23 – 23,9

4

21 – 21,9

3

20 – 20,9

2

<20

Zeleny

1

ausschliessend

Qualitätspunkte

Tab. 1 | Bewertungsschema für die Qualitätsbeurteilung des Dinkels

>190

8

9

10

9

7

7

9

10

7

5

10

9

7

6

10

10

Punkte

149

150 – 155

156 – 160

161 – 165

166 – 170

171 – 175

176 – 180

181 – 185

186 – 190

10

0,9

0,9

0,4

0,5

0,4

0,5

0,9

0,9

0,4

0,3

0,8

0,5

0,4

0,4

0,4

0,6

DW5/DB

45 – 49,9

40 – 44,9

<40

Fläche cm²

6

6

4

4

4

4

6

6

4

3

6

5

4

4

4

5

Punkte

1,9

2,0 – 2,1

49

44

56

80

42

38

65

96

31

27

65

55

29

26

38

39

Fläche cm²

60

2,2 – 2,3 55 – 59,9

2,4 – 2,5

2,6 – 2,7 50 – 54,9

2,8

2,9

3

3,1

>3,1

Extensogramm

1,6

1,4 – 1,5

1,2 – 1,3

1,0 – 1,1

0,8 – 0,9

0,6 – 0,7

0,4 – 0,5

0,3

0,2

<0,2

DW5/DB

Extensogramm

4

2

8

8

2

1

10

2

1

1

10

8

1

1

1

1

Punkte

10

>100

10

≥ 260

230 – 259

200 – 229

180 – 199

<180

39

41

41

39

35

32

38

34

37

40

41

40

37

42

39

46

Total der erzielten Punkte

79,9

80 – 84,9

85 – 89,9

90 – 94,9

95 – 100

Fallzahl

Kurzbericht | Bewertungsschema für die Qualität des Dinkels


Bewertungsschema für die Qualität des Dinkels | Kurzbericht

litätsmerkmale besser zur Geltung zu bringen und die Anforderungen der Dinkel-Verwerter besser zu erfüllen, wird hier ein Bewertungsschema zur Beurteilung der Dinkelqualität analog dem seit mehr als 20 Jahren beim Weizen verwendeten Schema vorgeschlagen.

Material und Methoden Für die Aufnahme in die empfohlene Sortenliste werden heutzutage verschiedene qualitative Parameter durch das Qualitätslabor von Agroscope Changins-Wädenswil ACW gemessen: Der Eiweissgehalt und die Kornhärte werden mittels Nahinfrarotspektroskopie (NIRS) an ganzen Körnern gemessen und der Zelenywert wird durch die ICC-Standardmethode 116,1 ermittelt. Diese drei Messungen werden pro Sorte und pro Standort durchgeführt. Die optimale Wasserabsorption, die Teigstabilität sowie der Festigkeitsabfall während der Knetung werden mittels Farinograph gemessen (ICC115.1). Die Energie und das Verhältnis von Dehnwiderstand zu Dehnbarkeit werden mit dem Extensographen gemessen (ICC114.1). Beide Untersuchungen werden nach Sorte über alle Standorte gemischt durchgeführt. Diese Qualitätsanalysen wurden anhand von Versuchen für die Aufnahme in die empfohlene Sortenliste durchgeführt, die 2009 und 2010 an sieben verschiedenen Standorten stattfanden – sechs in der Deutschschweiz und einer in der Westschweiz (Abb. 2). Letztere befinden sich in den herkömmlichen Dinkel-Anbaugebieten. Grangeneuve (1725) wurde wegen der grossen Hagelschäden im Jahr 2009 nicht untersucht. Bewertungsschema zur Qualitätsbeurteilung Für das Bewertungsschema zur Qualitätsbeurteilung des Dinkels wurden zehn Parameter ausgewählt. Jeder kann maximal zehn Punkte erreichen (Tab. 1). Es wurde für verschiedene Parameter ein Optimum definiert – zum Beispiel für den Zelenywert, den Glutenwert, den Festigkeitsabfall des Teiges während der Knetung, das Verhältnis Dehnwiderstand zu Dehnbarkeit (DW5/DB) sowie die Teigenergie (Fläche cm²), um die spezifische Dinkelqualität auszudrücken. Bezüglich Eiweissgehalt, Feuchtgluten, Wasserabsorption und Fallzahl erhält der höchste Wert die maximale Punktzahl. Bei der Knetresistenz erhalten die tiefsten Werte die maximale Punktzahl. Dieses Bewertungsschema berücksichtigt also in der Punktezuteilung die Eigenheiten des Dinkels und seinen «schwächeren» Kleber. Tabelle 2 gibt eine Aufstellung der Ergebnisse der Qualitätsanalysen 2009 und 2010, sowie ihre Umrechnung in Punkte, für die verschiedenen Dinkel, die im

Hinblick auf die Aufnahme in die empfohlene Sortenliste getestet wurden. Drei Parameter wurden dabei nicht getestet: Der Gehalt an Feuchtgluten, der Glutenwert und die Fallzahl. Die maximal erreichbare Punktzahl für eine Sorte beträgt 70. Die Linie 1 erhält einen Zelenywert, der zum Ausschluss führt, und vier Sorten weisen jedes zweite Jahr einen zu tiefen und zum Ausschluss führenden Eiweissgehalt auf. 2010 erhalten die Sorten Oberkulmer und Ostro mit 46 beziehungsweise 42 Punkten die höchste Punktzahl, 2009 die Sorten Zollerspeltz und Frankenkorn mit 41 Punkten. Die Linie 2 erhält 2009 und 2010 die tiefste Punktzahl. Die Qualität schwankt klimabedingt von Jahr zu Jahr. In gewissen Jahren reagieren die Sorten gleich, wie 2009 und 2010. Die Korrelation zwischen den Ergebnissen der Qualitätsanalysen war in diesen Jahren sehr hoch (R2 = 0,98). Bei den einzelnen Parametern schwankte das Bestimmtheitsmass R2 zwischen 0,59 für den Eiweissgehalt bis 0,96 für den Zelenywert.

Schlussfolgerungen Das vorgestellte Schema hat eine verbesserte Qualitätsanalyse beim Dinkel zum Ziel, indem die spezifischen Qualitätsmerkmale dieser Getreidesorte einbezogen werden. Damit wird eine Bewertung der Qualität der getesteten Sorten als «dinkelspezifisch» oder eher weizenähnlich ermöglicht. Die durchgeführten und hier vorgestellten Analysen sollen mit der Bestimmung des Feuchtglutengehalts, des Gluten-Wertes und der Fallzahl ergänzt werden, was eine bessere Qualitätsbeur­ teilung der im nationalen Sortenkatalog aufgeführten Sorten erlauben wird. n

Literatur ▪▪ Historisches Lexikon der Schweiz, Dinkel. 2010, Zugang: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D27659.php. ▪▪ Campbell K. G., 1997. Spelt : agronomy, genetics and breeding. Plant Breeding Reviews 15, 187–213. ▪▪ Kleijer G., 2002. Sélection des variétés de blé pour la qualité boulangère. Revue suisse Agric. 34 (6), 253–259. ▪▪ EDV-Verordnung 916.151.1 über Saat- und Pflanzgut von Acker- und Futterpflanzen- sowie Gemüsearten, Juli 2010. ▪▪ Ruibal-Mendieta N., Delacroux D. & Meurens M., 2002. A comparative analysis of free, bound and total lipid content on spelt and winter wheat wholemeal. J. Cereal science 35, 337–342. ▪▪ Saurer W., Achermann J., Tièche J-D., Rudin P. M. & Mändli K., 1991. Das Bewertungsschema ’90 für die Qualitätsbeurteilung von Weizenzüchtungen. Landwirtschaft Schweiz 4 (1–2), 55–57. ▪▪ Schober T. J., Bean S. R. & Kuhn M., 2006. Gluten proteins from spelt ( Triticum aestivum ssp. spelta) cultivars: A rheological and size-exclusion high-performance liquid chromatography study. J. Cereal Science 44, 161 – 173.

Agrarforschung Schweiz 3 (4): 224–227, 2012

227


P o r t r ä t

Hermine Hascher: Scharfsinnige Netzwerkerin mit Bodenhaftung Seit gut einem halben Jahr ist Hermine Hascher für die AGRIDEA tätig. Zuvor be­gleitete sie als Geschäftsführerin des Verbandes Thurgauer Landwirtschaft die Neuausrichtung der Organisationsstrukturen der Thurgauer Landwirtschaft. Gemeinsam mit den Verbandsgremien befasste sie sich mit den Veränderungen in der Landund Ernährungswirtschaft und den sich wandelnden gesellschaftlichen Erwartungen, um die Strukturen darauf auszurichten. Neben der operativen Führung des Verbandes bearbeitete sie strategische Fragen und nahm umfassende Kommunikationsaufgaben wahr. Zudem war sie auch politisch aktiv und wirkte als Mitglied des Thurgauer Grossen Rates in verschiedenen Kommissionen mit. Regional und national breit vernetzt Die Beziehungen zu Regierung, Verwaltung und Wirtschaftsverbänden waren der regional und national breit vernetzten Thurgauerin stets sehr wichtig. Nach dem Abschluss in Agronomie, Fachrichtung Tierproduktion, arbeitete Hermine Hascher an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich in der angewandten Tierzuchtforschung und verfasste ihre Dissertation im Bereich Zuchtwertschätzung. Ein Praktikum beim Direktionsstab des Bundesamtes für Landwirtschaft, die nachfolgende Tätigkeit beim Schweizerischen Bauern­verband und verschiedene Einsätze im Ausland verschafften ihr Einblicke in wirtschaftliche, ökologische, soziale, agrarpolitische und raumrelevante Fragestellungen. Die anschliessende, über zehnjährige Tätigkeit als Geschäftsführerin des Verbandes Thurgauer Landwirtschaft entsprach ihr sehr und erfüllte sie mit Zufriedenheit. Nach Abschluss der umfassenden Reorganisation des Verbandes sah sie jedoch die Zeit für eine neue berufliche Herausforderung gekommen.

Bildlegende

Für Lebensqualität im ländlichen Raum Die Themen, die Hermine Hascher und ihr Team bearbeiten, sind breit. Be­triebsmanagement, Betriebswirtschaft, Hauswirtschaft, Paralandwirtschaft, Frauen in der Landwirtschaft, Ernährung, Kooperationen oder Soziales sind nur einige Stichworte. Die Zukunft der Bauernfamilien und des ländlichen Raums liegt Hermine Hascher am Herzen. In den Zielen der AGRIDEA findet sie sich wieder – mit Elan setzt sie sich dafür ein. Esther Weiss, AGRIDEA, 8315 Lindau

Im Auftrag der AGRIDEA im Einsatz Für die AGRIDEA ist die Anstellung der erfahrenen Ingenieur-Agronomin ETH mit starkem Bezug zur landwirtschaftlichen Praxis und zum ländlichen Raum ein Glücksfall. Mit der Leitung der Gruppe «Betrieb, Familie, Diversifizierung» an den Standorten in Lausanne und Lindau hat Hermine Hascher sowohl fachlich als auch im Rahmen der laufenden internen Reorganisation der AGRIDEA wichtige Aufgaben in Angriff genommen.

228

Agrarforschung Schweiz 3 (4): 228, 2012


A k t u e l l

Neue Publikationen Zusammensetzung von Fleischprodukten Schweizerischer Herkunft

ALP science Nr. 542 | Februar 2012

ZUSAMMENSETZUNG VON FLEISCHPRODUKTEN SCHWEIZERISCHER HERKUNFT Technisch-wissenschaftliche Informationen

Autorin Alexandra Schmid Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP CH-3003 Bern, nutrition@alp.admin.ch

ALP science Nr. 542 | Februar 2012

ALP science Nr. 542 Fleisch ist ein wertvolles Lebensmittel in der menschlichen Ernährung. Es ist proteinreich, arm an Kohlenhydraten und je nach Stück und Zuschnitt auch fettarm. In der Schweiz stellt Fleisch die wichtigste Quelle für die Vitamine A, B1, B12 und Niacin sowie für Natrium und Eisen dar. Ausserdem leistet es einen bedeutenden Beitrag an die Versorgung mit den Vitaminen B2, B6 und Pantothensäure sowie Phosphor, Selen und Zink. Im Jahr 2010 wurden in der Schweiz pro Kopf 53,6 kg Fleisch verbraucht. In dieser Menge enthalten ist nicht nur das konsumierte Frischfleisch sondern auch die aus Fleisch hergestellten Fleischprodukte (Würste, Trockenfleisch, Speck etc.), die in der Schweiz weit verbreitet sind. Von den in Schweizer Privathaushalten verzehrten 250 000 t Fleisch und Fleischerzeugnissen stammt der grösste Anteil von Fleisch­ erzeugnissen (z.B. Bratwürste oder Charcuterie). Trotz des weitverbreiteten Konsums verschiedenster Fleisch­ produkte existieren in der Schweiz keine umfassenden Daten zu deren Zusammensetzung (mit Ausnahme der Makronährstoffe), die auf Analysen beruhen. Aktuelle und exakte Angaben über die Zusammensetzung von Lebensmitteln sind jedoch unabdingbar für viele Gebiete der Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaft. Ausserdem verlangt auch das gestiegene Interesse der Konsumenten an Gesundheits- und Ernährungsfragen eine korrekte und umfassende Datengrundlage für einheimische Produkte. Die Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP hat deshalb im Rahmen eines mehrjährigen Projekts die Zusammensetzung verschiedener Fleischprodukte Schweizer Herkunft bestimmt. Im vorliegenden ALP Science werden die bisher veröffentlichten Daten zusammengefasst und ergänzt. Alexandra Schmid, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP

Agrarforschung Schweiz 3 (4): 229–231, 2012

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Aktuell

Medienmitteilungen

www.agroscope.admin.ch/medienmitteilungen www.agroscope.admin.ch/medienmitteilungen 29.03.2012 Futterbau in trockenen Lagen: Wiesen oder einjährige Kulturen? Weidegras-Fütterung ist die natürlichste Methode, um Kuhmilch und Rindfleisch zu produzieren. Doch nach zwei aufeinanderfolgenden trockenen Jahren können praktisch keine neuen Heuvorräte angelegt werden. Agroscope hat deshalb am Standort Changins verschiedene Futterkulturen trockenen und normalen Wetterbedingungen ausgesetzt, um die jeweiligen Erträge zu ermitteln. Erste Resultate deuten darauf hin, dass die Auswirkungen von Trockenperioden ernst zu nehmen sind.

26.03.2012 Esparsette – eine interessante Leguminose für den Futterbau? Die Esparsette ist eine anspruchslose und futterbaulich interessante Leguminose, die durch ihre hohen Tannin­

AGrAr ForSchUNG Schweiz recherche AGroNomiqUe SUiSSe

gehalte auf zunehmendes Interesse stösst. Agroscope prüfte von 2008 bis 2010 drei Zuchtsorten von Esparsette, darunter die Neuzüchtung Perdix, die neu auf die Sortenliste der empfohlenen Futterpflanzen aufgenommen wurde.

08.03.2012 Suche nach den wichtigsten Überträgern des ­Kartoffelvirus Kartoffeln können von einer Vielzahl von Pflanzenviren befallen werden. Der damit verbundene Schaden ist beträchtlich. Insekten spielen bei der Verschleppung der Kartoffelviren eine wichtige Rolle, doch welche Arten sind die Hauptverantwortlichen? Wissenschafter von Agroscope sind ihnen auf der Spur. Die üblichen Verdächtigen erweisen sich bisher aber als relativ harmlos. Die Befallsdaten korrelieren mit dem Auftreten der Grünen Zwetschgenblattlaus.

Aktuelle Forschungsergebnisse für Beratung und Praxis: Agrarforschung Schweiz publiziert 10-mal im Jahr Forschungsergebnisse über Pflanzenbau, Nutztiere, Agrarwirtschaft, Landtechnik, Lebensmittel, Umwelt und Gesellschaft. Agrarforschung ist auch online verfügbar unter: www.agrarforschungschweiz.ch Bestellen Sie jetzt Ihre Gratisausgabe! Name/Firma

Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse ist die zeitschrift der landwirtschaftlichen Forschung von Agroscope und ihren Partnern. Partner der zeitschrift sind das Bundesamt für Landwirtschaft, die hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaft hAFL, die Beratungszentralen AGriDeA, die eidgenössische Technische hochschule eTh zürich, Departement für Umweltsystemwissenschaften und Agroscope, die gleichzeitig herausgeberin der zeitschrift ist. Die zeitschrift erscheint in Deutsch und Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus Forschung, industrie, Lehre, Beratung und Politik, an kantonale und eidgenössische Ämter und an weitere Fachinteressierte.

230

Vorname Strasse/Nr PLZ/Ort Beruf E-Mail Datum Unterschrift Talon einsenden an: redaktion Agrarforschung Schweiz, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP-haras, Postfach 64, 1725 Posieux Tel. +41 26 407 72 21, Fax +41 26 407 73 00 e-mail: info@agrarforschungschweiz.ch | www.agrarforschungschweiz.ch

Agrarforschung Schweiz 3 (4): 229–231, 2012


Aktuell

Internetlinks

Veranstaltungen

Die Wiki für Wasserexperten weltweit WaterWiki.net Im WaterWiki-Netz teilen UN-Experten ihr Wissen und ihre Erfahrung zu Wasser, Abwasser und den entsprechenden Forschungsprogrammen rund um den Globus.

April 2012 13.04.2012 7. NATUR Kongress 2012 Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Congress Center, Basel 19.04.2012 Siebte Jahrestagung Netzwerk Pferdeforschung Schweiz Schweizerisches Nationalgestüt SNG Avenches 27.04. – 06.05.2012 BEA / PFERD 2012 Schweizerisches Nationalgestüt SNG Bern Mai 2012

Vor schau Mai 2012 / Heft 5 Die Züchtung resistenter Weizen­ sorten bedingt Kenntnisse über die Präsenz und die Struktur der Virulenzen in den hiesigen Mehltau­ populationen. Agroscope ACW hat eine neuartige Methode entwickelt, die einen Nachweis der Virulenzen «auf einen Blick» ermöglicht und ­somit die Analyse der einzelnen Virulenz­bestandteile der Populationen in vielen Fällen ersetzen kann.

••Virulenzmonitoring und Populationsstruktur des Echten Mehltaus von 2003 bis 2010, Fabio Mascher et al., ACW ••Die mikrobiologische Qualität von Futtermitteln, Jean-Louis Gafner, ALP-Haras ••Vergleich des Abflussverhaltens auf planbefestigten Laufflächenbelägen in Rinderställen, Beat Steiner et al., ART und Universität Hohenheim ••Bedeutung des Bodens im Anbausystemversuch Burgrain, Jürg Zihlmann et al., ART und BBZN Schüpfheim

03.05.2012 Ethik und Pferd EP12 Schweizerisches Nationalgestüt SNG BEA Pferd, Bern 08.05.2012 Fachtagung MARSEP-Ringversuch & Düngerkontrolle / VBBo-Ringversuche Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Liebefeld, Bern 09. – 10.05.2012 Landtechnik im Alpenraum Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Feldkrich, Oesterreich Juni 2012 03.06.2012 Breitenhof-Tagung 2012 Agroscope Changins-Wädenswil ACW Steinobstzentrum Breitenhof, Wintersingen 08. – 10.06.2012 OpenART12 – Forschungsfest Landwirtschaft Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Reckenholz, Zürich-Affoltern

••Ausbau der Wissensbasis im Bereich Klimawandel – Landwirtschaft, Daniel Felder, BLW ••Liste der empfohlenen Winterrapssorten für die Ernte 2013, Jürg Hiltbrunner und Didier Pellet, ART und ACW

Informationen: Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen

Agrarforschung Schweiz 3 (4): 229–231, 2012

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harasnational.ch

7ème réunion annuelle du Réseau de recherche équine en Suisse 19 avril 2012 9 h - 17 h, Théâtre du Château, Avenches -

-

Journée ouverte à tout public avec exposés et posters Echange et transmission d’un savoir scientifique aux détenteurs, cavaliers, meneurs et éleveurs Thèmes: Prévention et maladies ; Elevage et génétique ; Bien-être et détention ; Définition des besoins Prix (y. c. les repas): Participants CHF 120.- (€ 100.-) Participants au cycle Equigarde® CHF 100.- (€ 85.-) Etudiants et doctorants CHF 40.- (€ 35.-) Inscription* obligatoire Schweizerische Eidgenossenschaft Confédération suisse Confederazione Svizzera Confederaziun svizra

Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement EVD Département fédéral de l'économie DFE Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP -Haras Station de recherche Agroscope Liebefeld-Posieux ALP-Haras

Siebte Jahrestagung Netzwerk Pferdeforschung Schweiz 19. April 2012 9 - 17 Uhr, Théâtre du Château, Avenches - Öffentliche Tagung mit Vorträgen und Ausstellung - Wissenschaftlicher Austausch und Wissenstransfer zu den Haltern, Reitern, Fahrern und Züchtern - Themen: Prävention und Krankheiten; Zucht und Genetik; Wohlbefinden und Haltung; Definition der Bedürfnisse - Tagungsgebühren (inkl. Verpflegung): Teilnehmer CHF 120.- (€ 100.-) CHF 100.- (€ 85.-) Equigarde®-Teilnehmer Studenten und Doktoranden CHF 40.- (€ 35.-) - Anmeldung* obligatorisch *Anmeldungen und Infos: / * Inscriptions et renseignements : Tel. 026 676 63 00 Fax: 026 676 63 04 sabine.begert@haras.admin.ch

Mittwoch/Donnerstag, 9./10. Mai 2012

11. Tagung Landtechnik im Alpenraum Gemeinsame Tagung der Agroscope ART und BLT Wieselburg

Themen • Elektrisch getriebene Traktoren und Feldhäcksler • EU-Agrarpolitik nach 2014 – Perspektiven für kleinstrukturierte Betriebe • Eindämmung der Gemeinen Rispe • GPS- und GSM-basierte Trackingsysteme für Rinder in Berggebieten • Controlled traffic farming • Dieselruss, Emissionen und elektron. Traktorentuning

inserat_a5_alpenlandquintett.indd 1

Tagungsort Kongresszentrum Monforthaus AT-6800 Feldkirch Detailprogramm und Anmeldung www.feldkirchtagung.at Offizieller Empfang auf der Schattenburg Mittwoch, 9. Mai, 19 Uhr

08.03.2012 17:15:40


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