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Agrar forschung schweiz 2 0 1 2

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H e f t

1 1 – 1 2

Agroscope | BLW | HAFL | AGRIDEA | ETH Zürich

N o v e m b e r – D e z e m b e r

Pflanzenbau

Das Futterpotenzial der Juraweiden

Umwelt

P flanzenschutzmittel und Oberflächen­gewässer: praxisnahe Schutzmassnahmen

Agrarwirtschaft

Wie sicher ist die Ernährungssicherung?

Seite 516

Seite 538

Seite 532


Inhalt November–Dezember 2012 | Heft 11–12 Die neue Agrarpolitik strebt eine bessere Nutzung der ­n atürlichen, l­ okalen Ressourcen an. Die Aufzucht der ­Tiere soll vorzugsweise auf der eigenen Futterbasis be­ruhen. Die Produktion der Weiden im Westen der Schweiz, insbesondere im Jura, ist unregelmässig. Die Optimierung des Potenzials zur Futterproduktion erfordert deshalb eine gute Bewirtschaftung der Weiden. (Foto: Juratourisme) Impressum Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse ist die Zeitschrift der landwirtschaftlichen Forschung von Agroscope und ihren Partnern. Die Zeitschrift erscheint auf Deutsch und Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus Forschung, Industrie, Lehre, Beratung und Politik, an kantonale und eidgenös­sische Ämter und weitere Fachinteressierte. Herausgeberin Agroscope Partner b Agroscope (Forschungsanstalten Agroscope Changins-Wädenswil ACW; Agroscope Liebefeld-Posieux und Schweizerisches Nationalgestüt ALP-Haras; Agroscope Reckenholz-Tänikon ART), www.agroscope.ch b Bundesamt für Landwirtschaft BLW, Bern, www.blw.ch b Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL, ­Zollikofen, www.hafl.ch b Beratungszentrale AGRIDEA, Lindau und Lausanne, www.agridea.ch b Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich, Departement für Umweltsystemwissenschaften, www.usys.ethz.ch Redaktion Andrea Leuenberger-Minger, Agrarforschung Schweiz / ­Recherche Agro­nomique ­Suisse, Forschungs­anstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 26 407 72 21 Fax +41 26 407 73 00, E-Mail: info@agrarforschungschweiz.ch Judith Auer, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW Postfach 1012, 1260 Nyon 1, E-Mail: info@agrarforschungschweiz.ch Redaktionsteam Vorsitz: Jean-Philippe Mayor (Direktor ACW), Sibylle Willi (ACW), Evelyne Fasnacht (ALP-Haras), Etel Keller-Doroszlai (ART), Karin Bovigny-Ackermann (BLW), Beat Huber-Eicher (HAFL), Philippe Droz (AGRIDEA), Brigitte Dorn (ETH Zürich). Abonnement Preise Zeitschrift: CHF 61.–* (Ausland + CHF 20.– Portokosten), inkl. MWSt. und Versandkosten, Online: CHF 61.–* * reduzierter Tarif siehe: www.agrarforschungschweiz.ch Adresse Nicole Boschung, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, ­Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 26 407 72 21 Fax +41 26 407 73 00, E-Mail: info@agrarforschungschweiz.ch Adressänderungen E-Mail: verkauf.zivil@bbl.admin.ch, Fax +41 31 325 50 58 Internet www.agrarforschungschweiz.ch www.rechercheagronomiquesuisse.ch ISSN infos ISSN 1663-7852 (Print) ISSN 1663-7909 (Internet) Schlüsseltitel: Agrarforschung Schweiz Abgekürzter Schlüsseltitel: Agrarforsch. Schweiz © Copyright Agroscope. Nachdruck von Artikeln gestattet, bei Quellenangabe und Zustellung eines Belegexemplars an die Redaktion. Erfasst in: Web of Science, CAB Abstracts, AGRIS

515 Editorial Pflanzenbau D 516 as Futterpotenzial der Juraweiden Eric Mosimann, Marco Meisser, Claire ­Deléglise und Bernard Jeangros Pflanzenbau Körnersorghum – eine in der Schweiz noch 524

­unbekannte, interessante Ackerkultur Jürg Hiltbrunner et al. Umwelt Pflanzenschutzmittel und Oberflächen­ 532

gewässer: praxisnahe Schutzmassnahmen Katja Knauer und Olivier Félix Agrarwirtschaft Wie sicher ist die Ernährungssicherung? 538 Stefan Mann, Ali Ferjani und Albert Zimmer­ mann Nutztiere Sporengehalte an Buttersäurebakterien 544

in ­Silagen und Feuchtheu unter der Lupe Ueli Wyss und Daniel Goy Kurzbericht Charakterisierung von Pflanzensorten via 552

­genetisches Profil Eric Droz et al. 556

Kurzbericht

CSW56: Stellung von Bäuerinnen und Landfrauen wel­t­weit – aktuelle ­Herausforderungen Ruth Rossier

Kurzbericht Internationale Silage-Konferenz in 560

­Finnland Ueli Wyss 563 Porträt 564 Aktuell 571 Veranstaltungen Sortenlisten Schweizerische Sortenliste für Kartoffeln Beilage

2013 Thomas Hebeisen, Theodor Ballmer, Tomke Musa, Jean-Marie Torche und Ruedi Schwärzel


Editorial

Neues vom Projekt «New Agroscope» Liebe Leserin, lieber Leser

Jean-Philippe Mayor, Direktor Agroscope ACW

Organisation von Agroscope ab 1. Januar 2014 ••Institut für Pflanzen­bau­ wissenschaften: Jean-Philippe Mayor ••Institut für Nutztier­ wissenschaften: Daniel Guidon ••Institut für Lebens­mittel­ wissenschaften: Hans-Peter Bachmann ••Institut für Nachhaltig­keits­ wissenschaften: Paul Steffen ••Facheinheit Ressourcen: Christine Grivel

In unserer Märzausgabe 2012 haben wir unsere Absicht angekündigt, dass wir Sie nach und nach über die Fortschritte beim Projekt «New Agroscope» informieren wollen. Am 24. Mai 2012 hat Bundesrat Johann Schneider-Ammann Herrn Michael Gysi als neuen Verantwortlichen von Agroscope ernannt. Michael Gysi, geboren 1968, hat an der ETH Zürich Umweltwissenschaften studiert und dort auch seine Dissertation im Jahre 2000 vorgelegt. An der Universität St. Gallen hat er zudem einen MBA-Titel erworben. Seit kurzem ist er Titularprofessor an der Universität Bern. Michael Gysi übernimmt ab sofort die Gesamtleitung des Projektes New Agroscope. Ab Anfang 2013 wird er die Neugruppierung der drei heutigen Anstalten ACW, ALP-Haras und ART an die Hand nehmen. Als Resultat wird eine einzige Forschungsanstalt Agroscope entste­ hen. Ab 2014 wird er die operationelle Leitung von New Agroscope übernehmen. Im Rahmen seiner Funktionen wird er auch im Beirat Agroscope des Bundesamtes für Landwirtschaft Ein­ sitz nehmen. Das Projekt New Agroscope ist wie vorgesehen auf Kurs. Es wurden bereits wichtige Etappen zurückgelegt: Am 23. Mai 2012 hat der Bundesrat die Totalrevision der Verordnung über die landwirt­ schaftliche Forschung angenommen. Damit bleibt Agroscope dem Bundesamt für Landwirt­ schaft unterstellt. Die drei Aufgabenbereiche von Agroscope erfahren keine grundlegende Änderung, aber sie werden etwas genauer als bisher definiert: 1) Forschung und Entwicklung zum Nutzen der Landwirtschaft und der ganzen Nahrungskette; 2) Bereitstellen von Grundlagen für die Ausarbeitung von Gesetzen durch die Bundesbehörden; 3) Vollzugsaufgaben im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben. Die neue Verordnung wir am 1. Januar 2013 in Kraft treten. Sie wird in den kommenden Jahren die Marschrichtung und den Handlungsspielraum vorgeben, welche Agroscope für seine Entwicklung braucht. Bis zur Verlegung der Forschungsaktivitäten nach Posieux befindet sich der Geschäftssitz von Agroscope in Liebefeld. Danach wird die Geschäftsleitung von Agroscope prüfen, ob der Geschäftssitz auch nach Posieux verlegt werden soll, oder ob ein Verbleiben in Bern vorzuzie­ hen ist. Es entstehen vier Forschungsinstitute, die nach Kompetenzbereichen und unabhängig vom Standort gebildet werden. Die Geschäftsleitung setzt sich zusammen aus dem Direktor von Agroscope, den vier Direktoren der wissenschaftlichen Institute und der Verantwortlichen für die Ressourcen. Die Ernennungen werden am 1. Januar 2014 vollumfänglich in Kraft treten. Die langfristige Ausrichtung und Organisation der Institutsstrukturen wiederspiegeln die Forschungsthemen. Der strategische Bereich Forschung («corporate research») und der stra­ tegische Bereich Kommunikation («corporate communication») werden bei Paul Steffen res­ pektive bei Jean-Philippe Mayor angesiedelt. Beide Bereiche werden zugleich dezentral und zentral betreut. Supportbereiche wie die Finanzen, das Personal und der EDV-Bereich werden zentral durch die Facheinheit Ressourcen geleitet, wobei einige Mitarbeitende auch in Zukunft dezentral an verschiedenen Standorten arbeiten werden. Der Landwirtschaftliche Forschungsrat (LFR) ist eine Betriebskommission mit einer beraten­ den Funktion. Er kann in Zukunft Arbeitsgruppen einsetzen, um konkrete Aufgaben anzugehen. Zudem soll er die Wünsche und Meinungen der internationalen wissenschaftlichen Gemeinde ebenso wie jene der Hauptkunden von Agroscope zur Kenntnis nehmen und aufzeigen. Die angelaufene Neupositionierung entspricht einer logischen Entwicklung von Agroscope. Lasst uns daher diese Gelegenheit vollumfänglich ergreifen, damit Agroscope ein noch unver­ zichtbarer Partner mit hoher Fachkompetenz im schweizerischen Landwirtschafts- und Nah­ rungsmittelbereich wird. Wir danken jetzt schon allen, die dazu mit Leidenschaft beitragen.

Agrarforschung Schweiz 3 (11–12): 515, 2012

515


P f l a n z e n b a u

Das Futterpotenzial der Juraweiden Eric Mosimann, Marco Meisser, Claire Deléglise und Bernard Jeangros Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, 1260 Nyon Auskünfte: Eric Mosimann, E-Mail: eric.mosimann@acw.admin.ch, Tel. +41 22 363 47 36

Jura-Weidegebiet, eine wertvolle Futterressource und attraktive Landschaft.

Einleitung Die neue Agrarpolitik (AP 14 – 17) sieht eine Umgestal­ tung der Direktzahlungen vor. Statt auf die Zahl der Tiere werden sie sich auf die Fläche beziehen. Die neue Agrarpolitik strebt eine bessere Nutzung der natürlichen, lokalen Ressourcen an. Die Aufzucht der Tiere soll vor­ zugsweise auf der eigenen Futterbasis beruhen (Mann et al. 2012; Barth et al. 2011). Die Optimierung des Potenzi­ als zur Futterproduktion erfordert somit eine gute Bewirtschaftung der Weiden und eine Anpassung der Anzahl Grossvieheinheiten (GVE/ha) an die Menge des verfügbaren Grases. Unter den Bedingungen des feuch­ ten Mittellandes bringt die Vegetation auf der Basis von englischem Raigras (Lolium perenne) und Weissklee (Trifolium repens) die besten Erträge, und das Wachstum unterliegt von Jahr zu Jahr nur geringen Schwankungen. Im Gegensatz dazu ist die Produktion der Weiden im

516

Agrarforschung Schweiz 3 (11–12): 516–523, 2012

Westen der Schweiz, insbesondere im Jura, viel unregel­ mässiger (Mosimann 2005). Der kalkhaltige Unterboden im Jura, welcher sehr durchlässig ist, erhöht das Risiko für Trockenperioden. In der Zukunft werden die als Folge von Wassermangel auftretenden Ertragsverluste in dieser Region der Schweiz am gravierensten sein (Fuh­ rer et al. 2009). Die Wytweiden werden jedoch den kli­ matischen Veränderungen besser widerstehen als die offenen Weiden (Buttler et al. 2012). Die Höhenunter­ schiede im Jura ergeben ein breites Spektrum an Böden und klimatischen Bedingungen, was zu einer grossen Vielfalt an Vegetationsgesellschaften führt. Im Mittel­ land werden trockenheitsresistente Gräser für die Ansaat der Kunstwiesen sowie einjährige Futterkulturen ange­ baut. Diese ergeben trotz zeitweiligem Wassermangel sichere futterbauliche Systeme. In den Berggebieten werden die Weiden traditio­ nellerweise mit einer zahlenmässig festgelegten Tier­ zahl pro Fläche genutzt und die Tiere verlassen die Wei­ deplätze sobald das Gras spärlich wird. Durch die Anwendung eines Integrierten Bewirtschaftungsplanes (IBP) bei den Wytweiden wird die Regeneration der Bäume eingeschränkt. Zugleich bleibt die Vielfalt der Landschaften bestehen und es wird eine gute, andau­ ernde Produktivität erzielt (Vittoz 2003). Für diese kom­ plexen Gegebenheiten wird die Besatzstärke auf Grund des Vegetationstyps berechnet, wobei die Bestandes­ dichte der Waldbäume auf der Weide mitberücksichtigt wird. Zudem wird die Höhenlage und der Bedeckungs­ grad mit Rasenpflanzen berücksichtigt (Barbezat und Boquet 2008). Dieser Artikel gibt einen Überblick zu den in den letzten zehn Jahren durchgeführten Messungen, welche dazu dienten das Futterpotenzial der Juraweiden zu schätzen und folgende Fragen zu beantworten: 1. Wie unterscheidet sich das Graswachstum am Fusse des Juras von jenem auf höheren Lagen? 2. Kann mit der Messung der Grashöhen eine ange­ passte Bewirtschaftung der Weideflächen basierend auf dem verfügbaren Futter und den Bedürfnissen der Tiere ermittelt werden?


Das Futterpotenzial der Juraweiden | Pflanzenbau

Material und Methoden Messungen wurden auf verschiedenen Weiden im Jura­ massiv (Abb. 1) vorgenommen, welche auf drei Gruppen von Versuchen verteilt waren, die getrennt durchgeführt wurden (Tab. 1): 1. Graswachstum in Tal- und Berglagen Die in die Studie einbezogenen Weiden befinden sich zwischen 500 bis 1200 Meter über Meer an der Südflanke des Juras. Die Studie schliesst zwei Jahre mit normalen Niederschlägen (2002 und 2004) und ein Jahr mit Tro­ ckenheit (2003) ein. Um die Auswirkungen eines Nieder­ schlagmangels besser zu dokumentieren wird das Gras­ wachstum im Jahre 2011, ein Jahr mit ausgeprägter Trockenheit im Frühling, mit Referenzwerten aus mehre­ ren Jahren von La Frêtaz und Saint-George verglichen. Die Versuchsanlage besteht aus zwei umzäunten, nicht beweideten Parzellen von 6,5 m², welche abwechselnd alle zwei Wochen gemäht werden, sodass jede Parzelle alle vier Wochen einen Schnitt erhält. Das Ernteprodukt wird gewogen. Stichproben davon werden in Bezug auf Trockensubstanzertrag (TS) und verdauliche organische Substanz (VOS) analysiert (die VOS wird gemäss der Glei­ chung von Scehovic 1991 berechnet). Die Wachstumsra­ ten werden alle zwei Wochen berechnet. Der jährliche Ertrag an Trockensubstanz wird durch Aufaddieren der Erträge von sechs bis acht Schnitten während der Vege­ tationsperiode ermittelt. Dieses Schnittregime entspricht einer normalen Intensivnutzung von Weiden. 2. Messungen der Grashöhe In den Jahren 2004 und 2005 wurden drei Weiden, die sich in der Sömmerungszone des regionalen Naturpar­ kes des Juras im Kanton Waadt zwischen 1000 und 1350 Meter über Meer befinden, in eine spezielle Studie ein­ bezogen. Diese Weiden werden durch Milchviehherden bestossen, deren Milch zu Gruyère Alpkäse AOC (kont­ rollierte Herkunftsbezeichnung) verarbeitet wird. Auf­ grund der Beobachtungen der ersten Saison im Jahre 2004 wurde ein Schlussbericht verfasst, in welchem die Versuchsprotokolle beschrieben sind (Michaud 2004). Dank der Messungen zur Grashöhe liess sich die Entwick­ lung des Futterangebotes verfolgen (Mosimann et al. 2008). Diese Messungen wurden auf der gesamten beweideten Fläche mit einem Herbometer Jenquip© (Einheit = klick = ½ cm) vorgenommen. Um die Zuverläs­ sigkeit der Messungen zu überprüfen wurde das Gras­

Die nächste Agrarreform wird die Viehhalter zwingen die lokalen Futterresourcen möglichst gut zu bewerten. Entlang der Jurakette zeigt sich die Uneinheitlichkeit der natürlichen Bedingungen in einer Vielzahl von Vegetationsgesellschaften mit unterschiedlichem Produktionspotenzial, welches oft schwierig zu erfassen ist. In den Tal- und Berglagen wurden verschiedene Methoden erprobt um die Erträge der Weiden besser bestimmen zu können. Entlang des Jurasüdfusses hat die Trockenheit im Sommer 2003 und im Frühling 2011 das Wachstum des Grases stark verlangsamt, was zu jährlichen Ertragseinbussen von 40% geführt hat. Die höchsten und die nördlich exponierten Lagen mildern diesen Effekt was die Sömmerungszonen interessant macht. Die Messungen der Grashöhe ergeben ein objektives Bild der Nutzungspraktiken und der Auswirkungen einer Standweide. Die gewogenen Erntemengen von Kleinparzellen erlauben den Ertrag und das Bestossungspotenzial der Weiden einzuschätzen. Der Zusammenhang von botanischer Zusammensetzung und Ertrag sowie von Nutzungswert und Ertrag konnte allerdings bei der grossen Zahl von Pflanzengesellschaften auf den Wytweiden nicht eindeutig aufgezeigt werden.

Zusammenfassung

3. Lässt sich auf Grund der botanischen Zusammenset­ zung und dem sich daraus ergebenden Weidewert der Ertrag einer Weide voraussagen?

Graswachstum Grashöhe Botanische Zusammensetzung Chaux-des-Breuleux

La Prise-Perrier

La Frêtaz

Reculfoz

Cerney Bursine

Pré de Bière La Palud Saint-George Trélex

Abb. 1 | Lage der Versuchsorte.

Agrarforschung Schweiz 3 (11–12): 516–523, 2012

517


Pflanzenbau | Das Futterpotenzial der Juraweiden

Tab. 1 | Kenndaten zu den Versuchsorten Thema Ort (Region Kanton) Zeitabschnitt

Höhe (m)

Koordinaten

Exposition

Wärmestufen

490

505,3 / 140,4

Süden

sehr mild

1. Graswachstum in Tal- und Berglagen Trélex (VD) 2002 – 2004 Saint-George (VD) 2002 – 2011

950

509,4 / 151,3

Süden

frisch

La Palud (VD) 2002 – 2004

1050

510,3 / 153,4

Süden-Norden

sehr frisch

La Frêtaz (VD) 1988 – 2011

1200

534,6 / 188,3

Süden-Norden

ziemlich rauh bis rauh

La Bursine (VD) 2004 – 2005

1040

503,8 / 158,1

Süden-Norden

ziemlich rauh

Le Cerney (VD) 2004 – 2005

1280

505,2 / 157,6

Süden-Norden

sehr rauh

Pré-de-Bière (VD) 2004 – 2005

1340

508,8 / 157,2

Süden-Norden

sehr rauh bis ziemlich kalt

2. Messungen der Grashöhe

3. Botanische Zusammensetzung und Ertrag der Wytweiden (Projekt Interreg) Reculfoz – Le Crouzet (France) 2007 et 2009

1020

501,0 / 173,8

Süden-Norden

sehr kalt

La Chaux-des-Breuleux (JU) 2007 et 2009

1020

569,4 / 230,5

Süden-Norden

ziemlich rauh

La Prise-Perrier (VD) 2007 et 2009

1080

524,5 / 186,8

Süden-Norden

ziemlich rauh

wachstum auch bei zwei bis drei repräsentativen Parzel­ len für jede Weide bestimmt. Der tägliche Futterverzehr der Herden wurde geschätzt auf Grund der bei jedem Betrieb eingesammelten Daten (Daten zum effektiven Beginn und Ende des Weideganges der Herde und zu den ergänzenden Kraftfuttergaben). 3. Botanische Zusammensetzung und Ertrag der Wytweiden Im Rahmen des Projektes Interreg (Barbezat und Boquet 2008) wurden im Jahre 2007 drei Wytweiden auf einer Höhe von etwa 1000 Meter über Meer ausgewählt. Pro Weide wurden fünf bis sechs Parzellen von 6,5 m² Fläche (insgesamt 17 Parzellen) ausgeschieden und als Schutz gegen das Vieh eingezäunt. Sie entsprachen den ver­ schiedenen Vegetationszonen. In den Jahren 2007 und 2009 wurden diese Parzellen zweimal gemäht, im Juni und im September. Das Erntegut wurde gewogen. Zudem wurden Muster gezogen für die Bestimmung des Trockensubstanzgehaltes sowie der verdaulichen organi­ schen Substanz (VOS). Ende Juli wurden lineare botani­ sche Analysen durchgeführt (50 Punkte mit einer Äquidi­ stanz von 20cm) um den Weidewert zu berechnen, welcher einen Hinweis für den Nährwert des Futters abgibt (Daget und Poissonet 1971).

Resultate und Diskussion 1. Graswachstum in Tal- und Berglagen Die jährlichen Erträge haben von Jahr zu Jahr und von Ort zu Ort sehr stark variiert (Tab. 2). Der Einfluss der Trockenheit von 2003 war in Trélex und in Saint-George ausgeprägter als in La Palud, ein Ort der sich in einem

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Agrarforschung Schweiz 3 (11–12): 516–523, 2012

schattigen Tal befindet. Die jährliche Ertragseinbusse war für die beiden ersten Weiden mit Südexposition im Bereich von 40 %. Der Einfluss der Exposition zeigte sich im Jahre 2011 auch in la Frêtaz. Der Ertrag der nach Süden exponierten Parzelle reduzierte sich beinahe um einen Drittel gegenüber dem Mittelwert der vorange­ henden Jahre, während die nach Norden exponierte Par­ zelle praktisch keinen Einfluss des Niederschlagsmangels vom Frühling erkennen liess. Diese Unterschiede zwi­ schen den Parzellen haben einen bedeutenden Einfluss auf das Weidemanagement. Ebenso erfordert die saiso­ nale Dynamik des Graswachstums eine regelmässige Anpassung des Viehbesatzes auf den Weiden. Das Graswachstum auf der tief gelegenen Weide (Trélex) wurde im Sommer 2003 (Abb. 2) am stärksten verlangsamt. Im Juli und August reichte eine Hektare nicht aus um den Tagesbedarf einer Grossvieheinheit zu befriedigen. Während der Hundstage war die Ran­ gierung der Orte gemäss ihrer Wachstumsrate umge­ kehrt im Vergleich zu jener, die sich während der Refe­ renzjahre von 2002 und 2004 ergeben hatte. Dieses Resultat unterstreicht den Umstand, dass sich die Fut­ terressourcen der Bergzonen und jener des Jurafusses ergänzen. Das Futter, das auf den Sommerweiden pro­ duziert wird, erlaubt es, die durch den Niederschlags­ mangel geschwächten Futterbausysteme der Ebene sicherer zu gestalten. Die hohen Temperaturen zu Beginn des Jahres 2011 haben zu einem frühen Vegeta­ tionsbeginn geführt. Das Graswachstum wurde in der Folge durch die bis Juni anhaltende Trockenheit stark gebremst (Abb. 3). Bei den nach Süden exponierten Parzellen blieb der für den Frühling typische, stark aus­ geprägte Wachstumsschub aus, was im Gegensatz zum


Das Futterpotenzial der Juraweiden | Pflanzenbau

Tab. 2 | Einfluss der Höhenstufe und der Trockenheit im Jahre 2003 auf das Graswachstum der Weiden Mehrjähriger ­Durchschnitt*

2011

79,0

62,8

La Frêtaz Sud

54,0

36,6

La Frêtaz Nord

43,8

41,6

Ort

2002

2003

2004

Trélex Saint-George

92,3

61,5

118,7

77,6

49,1

83,2

La Palud

55,1

38,0

48,5

* Saint-George: 6 Jahre (2001 – 2004, 2006, 2010). La Frêtaz: 10 Jahre (1988 – 1990, 1994 – 1997, 2006, 2007, 2009).

nach Norden exponierten Sektor in la Frêtaz stand. In Saint-George wurde das Graswachstum gegen Ende des Sommers durch die feuchteren klimatischen Bedingun­ gen im Juli gefördert, was die schwachen Ernteergeb­ nisse des Frühlings teilweise ausglich. Diese Resultate verdeutlichen die Ertragsschwankun­ gen der Weiden auf der Südflanke des Juras. Zudem zei­ gen sie auf, wie schwierig es ist, bei unvorhersehbaren und überraschenden Witterungsverläufen die Bedürf­ nisse der Tiere auf der Weide einzuschätzen. In den tief gelegenen Zonen kann die Sommertrockenheit einen Wachstumsstillstand des Grases nach sich ziehen, was die Selbstversorgung und Selbstständigkeit der Futterbau­ betriebe in Frage stellt. Im Gegensatz dazu wird eine grössere Stabilität der Produktion durch höhere Lagen und eine Nordexposition der Parzellen gefördert.

2. Messungen der Grashöhe Der Einsatz des Herbometers erlaubt es, die verfügbare Grasmenge zu bestimmen. Damit kann die Zahl der Tiere der jeweiligen Weide angepasst werden. Zudem lassen sich die Auswirkungen der Weidepraktiken erklären. Die Weidebeobachtungen im Jahre 2004 und 2005 zeigen die Eigenheiten der Weidesysteme auf, welche auf den Sommergebieten durch Standweide charakterisiert sind (Abb. 4). Der Verzehr der Herde (rote Linie = Tagesbe­ darf) hat an allen Standorten während der Saison wenig geändert. Das Graswachstum (gelbe Linie = Tagesange­ bot) hat hingegen Anfangs Juni ein Maximum erreicht und nimmt danach schrittweise ab. Der Schnittpunkt dieser beiden Kurven liegt im Juli, zum Zeitpunkt da das Gras seine grösste Höhe erreicht hat (blaue Kolonnen). Bis zu diesem Zeitpunkt vermochten die Tiere nicht alles 

120

100

kg TS/ha/Tag

80

60 Trélex Mittel 2002-2004 Trélex 2003

40

Saint-George Mittel 2002-2004 Saint-George 2003

20

La Palud Mittel 2002-2004 La Palud 2003

0 Mär.

Apr.

Mai

Juni

Juli

Aug.

Sep.

Okt.

Abb. 2 | Einfluss der Höhenstufe und der Trockenheit im Jahre 2003 auf das Graswachstum der Weiden.

Agrarforschung Schweiz 3 (11–12): 516–523, 2012

519


Pflanzenbau | Das Futterpotenzial der Juraweiden

120

100

kg TS/ha/jTag

80

60 La Frêtaz Sud Mittelwert aus 10 Jahren La Frêtaz Sud 2011

40

La Frêtaz Nord Mittelwert aus 10 Jahren La Frêtaz Nord 2011

20

Saint-George Mittelwert aus 6 Jahren Saint-George 2011

0 Mär.

Apr.

Mai

Juni

Juli

Aug.

Sep.

Okt.

Abb. 3 | Einfluss der Exposition und der Trockenheit des Jahres 2011 auf das Graswachstum der Weiden.

Futter zu verzehren, welches sich in Form von mehr oder minder zertretenen Futterresten angesammelt hatte. Die Zunahme der Grashöhe, die in den Weidekoppeln gemessen worden war (blaue Pfeile), bestätigt dieses Überangebot. In der zweiten Saisonhälfte war ein Teil der stehenden Futterreserven verzehrt worden. Ein Teil war verfault und vor dem Winter lag schliesslich eine kurze Grasnarbe vor. Das Überangebot an Gras bis im Juli fördert die generative Vermehrung der Blütenpflan­ zen, was für die Erhaltung der Biodiversität der Weiden in höheren Lagen wichtig ist. Die Messungen der Grashöhe ergeben ein objektives Bild der Bewirtschaftung von Sommerweiden. Sie erlau­ ben, die Daten zum Alpaufzug und Alpabzug sowie das Niveau der Besatzdichte zu analysieren. Der Beginn der Sömmerungsperiode verlief in Anpassung an die Höhen­ stufe gestaffelt von Mitte Mai bis Juni. Auf 1000 Meter über Meer bei La Bursine trafen die Tiere bei einer Gras­ höhe von ungefähr 15 Klicks ein, während Mitte Saison die Grashöhe über 20 Klicks lag. Die verfügbare Futter­ menge übertraf also den Verzehr der Herde bei weitem. Auf den ebenen Flächen, die jeden Herbst Stallmistga­ ben erhielten, wurden die Weidereste mechanisch gehäckselt. Dieses jährlich wiederholte Vorgehen hat die Horstgräser wie das Wiesenknaulgras (Dactylis glomerata) und den Wiesenfuchsschwanz (Alopecurus pratensis) gefördert. Ebenso wurden aber auch die Entwick­ lung unerwünschter Pflanzen wie jene der Ackerkratzdistel (Cirsium arvense) gefördert. An den beiden andern, höher gelegenen Standorten lagen die Grashöhen zwischen fünf bis 15 Klicks was einem Futter von sehr gutem Nährwert entspricht. Der Verzehr der

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Agrarforschung Schweiz 3 (11–12): 516–523, 2012

Herde war hier also dem Potenzial des Standortes sehr gut angepasst. In trockenen Jahren wird die Zahl der gesömmerten Tiere allmählich verringert oder der Alpab­ zug wird vorverlegt. Die jährlichen Bruttoerträge, welche auf den drei Sommerweiden La Bursine, le ­Cerney und le Pré-de Bière gemessen wurden lagen bei 55, 31 und 22 dt TS/ha (Mittelwerte der drei Jahre 2004 bis 2006). Berücksichtigt man eine Verlustrate von 30 % auf den Weideflächen und geht von einem Futterverzehr von 15 kg TS / Kuh / Tag aus, so beläuft sich die berechnete Zahl der Normalstösse (= Sömmerung einer Grossviehein­ heit während 100 Tagen) auf 92, 110 und 116 Tiere auf den entsprechenden Flächen. Diese Werte stimmen gut mit den empirisch in der Praxis über die vorangehenden Jahre ermittelten Werte überein. Das Prinzip einer kons­ tanten Tieranzahl pro Weidefläche, welche sich auf den mittleren jährlichen Ertrag abstützt, ist somit gut an diese Sommerweiden des Juras angepasst. 3. Botanische Zusammensetzung und Ertrag der Wytweiden Die Entwicklung der integrierten Bewirtschaftungspläne (IBP), welche im Jura eingeführt wurden, erlaubt es die Erträge der Wytweiden und den optimalen Tierbesatz zu schätzen. Auf den drei Beobachtungsflächen ähnelt die Futterflora jener einer Cynosurion-Gesellschaft. Wie erwartet war die Reichhaltgkeit der Flora umgekehrt proportional zum Weidewert (Tab. 3). Bei Reculfoz-Le Crouzet wurden 31 Arten bei 51 Punkten getroffen, was eine erhaltenswerte botanische Vielfalt belegt. Bei den beiden andern Orten lag dieser Wert bei etwa 20, was ein höheres Fruchtbarkeitsniveau anzeigt. Die Erträge,


Das Futterpotenzial der Juraweiden | Pflanzenbau

5

10 0 Mai

70

Juni

Juli

Aug.

Sep.

30

10

0

70

Sep.

15

30

10

20

0

0 Apr.

Mai

Juni

Juli

Aug.

Sep.

40

15

30

10

Okt.

Höhe (klick)

5 0 Mai

Juni

Juli

Aug.

Sep.

Okt. 25

Pré de Bière 2005

60

5

10

25 20

70

kg TS/ha/Tag

40

Okt.

Cerney 2005

Apr.

20

50

Sep.

0

25

60

Aug.

50

Okt.

Pré de Bière 2004

Juli

10

0 Aug.

Juni

20

5

10

0 Mai

60 kg TS/ha/Tag

15

20

5

70

Höhe (klick)

kgTS/ha/Tag

40

Juli

10

20

Apr.

20

50

Juni

30

0

25

Cerney 2004

Mai

15

Okt.

60

Apr.

40

10

0 Apr.

20

50

Höhe (klick)

10

kg TS/ha/Tag

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Höhe (klick)

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Höhe (klick)

kgTS/ha/Tag

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Bursine 2005

60

20

50

20

kg TS/ha/Tag

70

25

Bursine 2004

60

20

50 40

15

30

10

20

Höhe (klick)

70

5

10

0

0 Apr.

Mai

Juni

Juli

Aug.

Sep.

Okt.

Höhe des Grases (klick = 0,5 cm) Wachstum des Grases (kg TS/ha/T) Graskonsum durch die Herde (kg TS/ha/T) Abb. 4 | Entwicklung der Grashöhe in den Weiden in Relation zum Graswachstum und Grasverzehr.

welche 2007 und 2009 gemessen wurden, waren eng korreliert (R2 = 0,85), was einen geringen Einfluss des Jahres auf die Klassierung der Parzellen anzeigt. Ande­ rerseits stimmten die Erträge, welche 2007 gemessen wurden, mit jenen überein (R2 = 0,74), die durch die Inte­ grierten Bewirtschaftungspläne geschätzt worden waren. Diese Erträge wurden durch den Vergleich mit den tatsächlichen Tierdichten validiert (Barbezat und Boquet 2008). Im Gegensatz zu den Messungen der Bio­ masse genügte die botanische Charakterisierung und die Berechnung des Weidewertes nicht um die Futter­ produktion zu erfassen. Das Bestimmtheitsmass (R2 = 0,46) der für 2007 ermittelten Weidewerte und der jährliche Ertrag an TS zeigen die Grenzen der Berechnung der potenziellen Produktion aufgrund der botanischen

Zusammensetzung auf. Diese ist schon von verschiede­ nen Autoren festgestellt worden, insbesondere dann, wenn die Vegetationsdecke keine grosse Variation in der botanischen Zusammensetzung aufweist, wie von Jeangros (2007) in La Frêtaz beobachtet. Die spezifi­ schen Indikatoren, welche für die Berechnung des Wei­ dewertes beigezogen werden, berücksichtigen hinge­ gen nicht nur die Produktivität sondern in gleichem Masse auch den Futterwert der Arten (Daget und Poissonet 1971). Dennoch ist das Bestimmtheitsmass ­ (R2 = 0,40) zwischen dem Weidewert und der Menge an verdaulicher organischer Substanz im Jahre 2007 nicht besser, was aufzeigt, dass es zwischen der botanischen Zusammensetzung und dem Futterpotenzial keinen fes­  ten Zusammenhang gibt.

Agrarforschung Schweiz 3 (11–12): 516–523, 2012

521


Pflanzenbau | Das Futterpotenzial der Juraweiden

Tab. 3 | Botanische und futterbauliche Kenndaten der drei Wytweiden des Projektes Interreg

Ort (Region) n° der Parzelle

La Chaux-des-Breuleux (JU)

Reculfoz - Le Crouzet (F)

La Prise-Perrier (VD)

1

2

3

4

5

6

1

2

3

4

5

6

1

2

3

4

5

Typ der Wytweide*

2001

2001

2004

2004

3004

3004

1002

2005

2005

2005

3007

3007

1002

1002

2004

2004

3003

Geschätzter Ertrag IBP (dt TS/ha)**

20 – 25

20 – 25

25 – 30

25 – 30

0 – 5

0 – 5

Anzahl der betroffenen Arten Weidewert (WW)

55 – 60 50 – 55 50 – 55 35 – 40 25 – 30 20 – 25 40 – 50 40 – 50 10 – 20 10 – 20 0 – 10

37

36

28

29

26

31

16

16

21

18

21

22

17

21

17

24

22

40,8

37,2

57,6

62,8

18,8

24,4

59,9

65,1

60,6

76,6

44,9

45,7

58,1

71,0

33,8

43,1

45,9

6,9

Trockensubstanzertrag (dt TS/ha) 2007 und 2009 2007 - 1. Schnitt (27. Juni)

15,9

13,6

26,4

28,0

12,7

9,4

28,2

42,3

47,6

18,9

34,1

22,9

28,2

32,4

9,8

9,5

2007 - 2. Schnitt (22. September)

7,2

3,8

10,9

11,3

2,2

2,9

19,3

2,4

18,5

6,1

8,8

5,2

8,1

17,2

1,2

3,7

1,9

2007 - Jahrestotal

23,0

17,4

37,3

39,3

14,9

12,4

47,5

44,8

66,0

24,9

42,9

28,0

36,3

49,7

11,0

13,2

8,9

2009 - 1. Schnitt (12. Juni)

36,8

14,7

41,7

14,6

12,3

14,6

28,9

5,0

4,4

5,0

2009 - 2. Schnitt (24. September)

20,3

21,1

10,2

13,5

8,5

14,0

23,5

3,4

6,4

4,8

2009 - Jahrestotal

57,1

35,8

51,9

28,1

20,8

28,6

52,4

8,4

10,8

9,8

Verdauliche Organische Substanz (VOS %) im Jahre 2007 2007 - 1. Schnitt (27. Juni)

68,6

68,5

68,2

67,8

64,7

68,0

72,4

66,7

66,3

70,0

67,5

68,9

69,3

69,7

67,9

2007 - 2. Schnitt (22. September)

71,7

70,2

71,1

74,5

69,4

68,4

77,7

72,0

71,7

73,5

70,1

72,7

75,2

73,8

74,3

2007 - Mittlerer gewichteter Ertrag

69,6

68,9

69,0

69,7

65,4

68,1

74,5

68,2

67,6

70,7

68,0

69,8

71,4

70,8

69,3

Menge an VOS (dt/ha) im Jahre 2007

16,0

12,0

25,8

27,4

9,8

8,4

35,4

45,0

16,8

30,3

19,0

25,3

35,5

9,3

6,1

*Typ der Wyteide (gemäss Barbezat und Boquet, 2008) (gemäss Barbezat und Boquet, 2008). Grad der Bewaldung < 1 % Grad der Bewaldung von 1 % bis 20 % Grad der Bewaldung von 20 % bis 70 % 1002 nicht bewaldete Weide mit hohem VP 2001 Weide mit wenig Bäumen, mit vorherrschenden Arten der Wiesen 3003 Weide mit vielen Bäumen, vorherrschend sind Nadelbäume, mittlerer Weidewert 2004 Weide mit wenig Bäumen mit einem mittleren Weidewert 3004 Weide mit vielen Bäumen, vorherrschend sind die Arten der Rasen und Wiese 2005 Weide mit wenig Bäumen mit einem hohen Weidewert 3007 Weide mit vielen Bäumen, vorherrschend sind Nadelbäume, hoher Weidewert ** Geschätzter Ertrag IBP (gemäss Barbezat und Boquet, 2008) Im Rahmen des Integrierten Bewirtschafungsplanes (INP) handelt es sich um den Jahresertrag an Trockensubstanz berechnet ausgehend vom Weidewert der Vegetationseinheit.

Schlussfolgerungen Die sehr veränderlichen Umweltbedingungen, welche im Jura angetroffen werden, stehen am Ursprung eines Mosaiks von Vegetationsgemeinschaften deren Produk­ tionspotenzial oft schwierig zu erfassen ist. Die beobach­ teten, grossen Ertragsunterschiede lassen sich vorwie­ gend durch die Verfügbarkeit von Wasser erklären. Die Zonen des Jurafusses sind besonders anfällig gegenüber Trockenperioden: am Jurasüdfuss erreichte 2003 die Ertragseinbusse an Trockensubstanz 40 %. Der Einfluss der Trockenheit nimmt mit der Höhe und bei Nordexpo­ sitionen ab. Die höher gelegenen Flächen stellen interessante Futterressourcen dar. Nach einem Futtermaximum anfangs Juni nimmt das Graswachstum regelmässig ab. Wenn die Besatzdichte mit Tieren konstant ist, ein häufi­ ger Fall auf den Sommerweiden, stellt man eine Anhäu­ fung von Biomasse bis Mitte Juli fest. Diese Situation fördert die Vermehrung von Blütenpflanzen und damit die Biodiversität. Die Messungen des Graswachstums und der Grashöhe haben es ermöglicht, die Produktions­ dynamik der Sommerweiden zu charakterisieren und

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Agrarforschung Schweiz 3 (11–12): 516–523, 2012

einen kritischen Blick auf die gängigen Bewirtschaf­ tungspraktiken zu werfen. Es zeigt sich, dass die Tierbe­ satzdichten, welche auf Grund der Erfahrung der Tier­ halter festgelegt wurden, im Allgemeinen gut an das jeweilige Potenzial des Standortes angepasst sind. Aller­ dings können Anpassungen des Datums für den Alpauf­ zug und der Besatzdichte zu Beginn der Weidesaison ins Auge gefasst werden. Die Produktion der Wytweiden bleibt schwierig zu erfassen, da sie sehr uneinheitlich sind. Der Weidewert dieser Standorte erlaubt keine befriedigende Schätzung ihrer Produktion. Mit den integrierten Bewirtschaf­ tungsplänen werden grosse floristische Einheiten sowie die Baumbesatzdichte auf den Weiden berücksichtigt, was die Schätzung der Produktion verbessert. Mit der agrarpolitischen Reform wird die Optimierung der Weidebetriebe prioritäre Bedeutung erlangen. Die agronomische Bewertung (vor allem Ertrag und Futter­ wert), welche auf Parzellenbasis erarbeitet wurden, könnten dazu dienen, Bewirtschaftungswerkzeuge für ganze Gebiete zu entwickeln. Die Fernerkundung (z.B. mit Flugzeug oder Satellit) stellt ein solches Werkzeug n dar.


Potenziale foraggero dei pascoli giurassiani La prossima riforma agraria costringerà gli allevatori a meglio valorizzare le risorse foraggere locali. Nell’arco giurassiano, l’eterogeneità delle condizioni naturali si traduce attraverso una moltitudine di associazioni vegetali relative al potenziale di produzione variabile, spesso difficile da comprendere. Per conoscere meglio la variabilità della resa dei pascoli si sono sperimentati metodi sia in pianura che in montagna. Al Piede del Giura e sul suo versante sud la siccità ha fortemente rallentato la crescita dell’erba in estate (2003) e in primavera (2011), provocando delle diminuzioni della resa annuale del 40 %. L’altitudine più elevata e l’esposizione a nord attenuano questo effetto negativo, da qui l’interesse rivolto alle zone di estivazione. Le misurazioni dell’altezza dell’erba danno un’immagine obiettiva delle pratiche e delle conseguenze di un costante carico al pascolo. I raccolti pesati su piccole parcelle permettono di valutare la resa e il carico potenziale dei pascoli. Tuttavia, il collegamento tra composizione botanica/resa e valore pastorale/ resa non ha potuto essere dimostrato in modo esplicito sulla vasta gamma di vegetazione dei pascoli alberati.

Literatur ▪▪ Barbezat V. & Boquet J. F. (Eds), 2008. Gestion intégrée des paysages sylvopastoraux de l’Arc Jurassien – Manuel. Conférence TransJurassienne. La Chaux-de-Fonds, Besançon. 160 p. und 1 CD-ROM (Programm Interreg IIIA). ▪▪ Barth L., Lanz S. & Hofer C., 2011. Förderung der grünlandbasierten Tier­ produktion mit der Agrarpolitik 2014 – 2017. Agrarforschung Schweiz 2 (1), 20–25. ▪▪ Buttler A., Gavazov A., Peringer A., Siehoff S., Mariotte P., Wettstein J.B., Chételat J., Huber R., Gillet F. & Spiegelberger T., 2012. Conservation des pâturages boisés du Jura: défis climatiques et agro-politiques. Re­ cherche Agronomique Suisse 3 (7–8), 346–353. ▪▪ Daget P. & Poissonet J., 1971. Une méthode d’analyse phytosociologique des prairies. Ann. Agron. 22 (1), 5–41. ▪▪ Fuhrer J. & Jasper K., 2009. Bewässerungsbedürftigkeit von Acker- und Grasland im heutigen Klima. Agrarforschung 16 (10), 396–401. ▪▪ Jeangros B., 2007. Suivi de prairies de fauche et de pâturages de La Frêtaz de 1994 à 2003. Rapport interne ACW. Workshop du 29 avril 2007.

Summary

Riassunto

Das Futterpotenzial der Juraweiden | Pflanzenbau

Forage potential of the Jura pastures The next land reform will force farmers to maximize the use of local feed resources. In the Jura, the heterogeneity of natural conditions drives to a variety of plant associations with specific production potential, often difficult to assess. Methods have been tested in plains and mountain regions to learn more about yield variability of the pastures. At the Jura foot and on its southern slope, droughts have greatly slowed the growth of grass in summer (2003) and spring (2011), causing decreases in annual yield of 40 %. The higher altitude and north exposure mitigate this negative effect, hence the interest in summering. Grass height measurements give an objective picture of the practices and consequences of a constant stocking rate on summer pastures. Small plots harvested and weighed allow a good assessment of the DM-yield and of the potential stocking rate. However, the link between botanical composition, respectively pastoral value, and yield has not been explicitly demonstrated by means of a wide range of vegetation observed on wooded pastures. Key words: mountain pastures, botanical composition, DM-yield, grass growth, grass height, stocking rate, drought.

▪▪ Mann S., Zimmermann A., Möhring A., Ferjani A., Mack G. & Lanz S., 2012. Quelles sont les conséquences de la réallocation des paiements di­ rects liés aux animaux? Recherche Agronomique Suisse 3 (6), 284–291. ▪▪ Michaud J., 2004. Ressources fourragères des pâturages d’altitude du Jura. Mémoire de fin d’études. Agrocampus-Rennes. 21 S. ▪▪ Mosimann E., 2005. Caractéristiques des pâturages pour vaches laitières dans l’ouest de la Suisse. Revue suisse d’Agriculture 37 (3), 99–106. ▪▪ Mosimann E., Muenger A., Schori F. & Pitt J., 2008. Pâturages pour vaches laitières. 1 | Modèle d’aide à la gestion du pâturage. Revue ­suisse d’Agriculture 40 (1), 33–40. ▪▪ Scehovic J., 1991. Considérations sur la composition chimique dans l’évaluation de la qualité des fourrages des prairies naturelles. Revue ­suisse d’Agriculture 23 (5), 305–310. ▪▪ Vittoz P., 2003. Prés-bois du massif jurassien. Gestion et usages. Cahier de la Fédération des Parcs naturels régionaux de France. 40 S.

Agrarforschung Schweiz 3 (11–12): 516–523, 2012

523


P f l a n z e n b a u

Körnersorghum – eine in der Schweiz noch ­unbekannte, interessante Ackerkultur Jürg Hiltbrunner1, Ueli Buchmann1, Susanne Vogelgsang1, Andreas Gutzwiller2 und Hans Ramseier3 1 Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8046 Zürich 2 Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, 1725 Posieux 3 Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL, 3052 Zollikofen Auskünfte: Jürg Hiltbrunner, E-Mail: juerg.hiltbrunner@art.admin.ch, Tel. +41 44 377 73 57

Kleinparzellenversuch mit verschiedenen Körnersorghumsorten (Zürich, 2009).

Einleitung Weltweit ist Sorghum bicolor (L.) Moench (= Mohren­ hirse) mit einer Anbaufläche von 40,5 Mio. Hektaren die fünftwichtigste Ackerkultur (FAOSTAT 2012). Das Hauptanbaugebiet von Sorghum liegt in wärmeren Gegenden wie Indien, Afrika, Nord- und Südamerika. Doch auch in Europa wird Sorghum erfolgreich kulti­ viert: nebst Frankreich, dem in Europa flächenmässig bedeutendsten Sorghumproduzenten, weisen auch Ita­ lien, Spanien und einige südosteuropäische Länder Anbauflächen von mehreren tausend Hektar auf (Tab. 1). Im Gegensatz zu den in vielen afrikanischen und asiati­ schen Ländern angebauten, tendenziell eher ertrags­ schwachen Landsorten, deren Erntegut vor allem für die menschliche Ernährung verwendet wird (Smith und Fre­ deriksen 2000; Zeller 2000), werden in den industriali­ sierten Ländern ertragreiche Hybridsorten vor allem für die Produktion von Tierfutter angebaut. Wegen dieser

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Agrarforschung Schweiz 3 (11–12): 524–531, 2012

unterschiedlichen Genetik und den Standortfaktoren, aber auch aufgrund unterschiedlicher Anbauintensitä­ ten in den Ländern (Bewässerung, Pflanzenschutz und Düngung) variieren die Erträge sehr stark (Tab. 1). Des Weiteren wird Sorghum auch für industrielle Zwecke wie die Herstellung von Besen und Ethanol genutzt (Smith und Frederiksen 2000; Berenji und Dahlberg 2004). Die teilweise sehr hohen Trockensubstanzerträge haben in einigen europäischen Ländern zu einer starken Flächenausdehnung des Sorghumanbaus für die Substrat­produktion für Biogasanlagen geführt. Sorghum gehört wie Mais zu den C4-Pflanzen, benö­ tigt aber für die Bildung eines mit Mais vergleichbaren Kornertrages weniger Wasser. Diese, sowie weitere inte­ ressante Eigenschaften (siehe Kasten 1) und insbeson­ dere das Vorhandensein einer bereits existierenden grossen genetischen Diversität bilden eine ideale Vor­ aussetzung, diese Pflanze züchterisch für die Kreation von an die ändernden Klimabedingungen angepassten Sorten zu bearbeiten. Aufgrund der Glutenfreiheit hat Körnersorghum Potenzial für die Herstellung von Nahrungsmitteln für an Zöliakie erkrankte Personen. Gewisse Hirsetypen sind auch in der Lage, Tannine (proteinfällende Moleküle) zu bilden, die in höheren Konzentrationen einerseits die Körner vor Vogelfrass und Pilzbefall schützen (Butler 1989), andererseits jedoch die Verdaulichkeit der Nähr­ stoffe reduzieren. In der EU werden aus diesem Grunde nur tanninarme Hirsesorten (< 3 g Tannine kg−1) in der Sortenliste aufgeführt. Diese sind unbedenklich in der Einsatzmenge und werden auch von Vögeln gern gefres­ sen. Insbesondere weisssamige Sorghumarten finden deshalb auch Absatz in der Vogelfutterherstellung. Die Importmengen von Sorghum variieren sehr stark von Jahr zu Jahr, was auf die Substitutionsmöglichkeiten von Sorghum in Futtermischungen mit Mais zurückzu­ führen ist, falls die Maisweltmarktpreise vergleichsweise höher sind. Die Schweiz importierte in den letzten fünf Jahren jährlich zwischen 420 (2011) und 12 600 t (2008), was bei einem mittleren Kornertrag von 85 dt ha−1 einer


Fläche von 50 beziehungsweise 1490 ha entspricht. Da Informationen zum Anbau von Körnersorghum in der Schweiz aus der Zeit vor 2009 nur spärlich und aus weni­ gen Regionen vorlagen, wurden an die Schweiz ange­ passte neue Sorten während drei Jahren in Anbauversu­ chen in verschiedenen Regionen − zum Teil auch in Mulden- oder exponierten Lagen oder bei Frühsaaten – beobachtet. Mittels Qualitätsuntersuchungen und einem Fütterungsversuch wurden zudem ergänzende Informationen gesammelt.

Material und Methoden Anbauversuche Sehr frühreife sowie frühreife Hybridsorten (Tab. 2) wur­ den ausgewählt und in den Jahren 2009 bis 2011 in Kleinparzellenversuchen mit drei Wiederholungen an den Standorten Zürich-Affoltern und Hüntwangen mit einem Reihenabstand von 0,75 m angebaut. In jedem  Tab. 1 | Anbaufläche (ha) und mittlerer Kornertrag (dt ha -1) von Sorghum bicolor in ausgewählten Ländern im Jahr 2010 (FAOSTAT 2012)

Indien

Fläche (ha)

Ertrag (dt ha-1)

7 670 000

9,1

Sudan

5 612 880

4,7

Nigeria

4 736 730

10,1

Niger

3 322 140

3,9

Vereinigte Staaten (USA)

1 945 750

45,1

Mexico

1 768 380

39,3

Äthiopien

1 618 680

18,5

Tschad

772 600

6,4

Argentinien

750 640

48,4

Brasilien

645 655

23,3

China

545 170

31,7

Australien

516 000

31

Kenya

225 782

7,3

Ägypten

140 157

50,1

Saudi Arabien

81 200

33,9

Frankreich

52 100

55,1

Italien

40 700

66,7

Ukraine

28 700

21,4

Rumänien

9377

19,9

Russland

8700

10,5

Spanien

6900

45,4

Ungarn

3800

10,3

Bulgarien

3500

24,6

2400

28,8

Serbien Weltweite Anbaufläche Mittlerer Ertrag (weltweit)

Zusammenfassung

Körnersorghum – eine in der Schweiz noch ­u nbekannte, interessante Ackerkultur | Pflanzenbau

Weltweit ist Sorghum bicolor (L.) Moench mit einer Anbaufläche von 40,5 Millionen Hektaren die fünftwichtigste Ackerkultur. Trotz ihres Hauptanbaugebietes in wärmeren Regionen hat die Fläche in Europa in den letzten Jahren wieder zugenommen – unter anderem auch weil Sorghum mit wenig verfügbarem Wasser interessante Erträge hervorbringt. Um die wenigen aus der Schweiz vorhandenen Informationen zum Körnersorghum-Anbau zu erweitern, wurden in den Jahren 2009 bis 2011 Versuche in verschiedenen Regionen der Schweiz mit mehreren Sorten angelegt. Die frühreifsten Sorten erzielten bei guten Umweltbedingungen in Kleinparzellenversuchen Erträge bis zu 110 dt ha−1 mit einem Wassergehalt von 16 % zum Zeitpunkt der Ernte. Aufgrund der höheren Wärmebedürftigkeit im Vergleich zu Mais sind Muldenund Kaltluftlagen sowie eine allzu frühe Saat zu meiden. Dies gewährleistet eine verhältnismässig rasche Jugendentwicklung und eine vollständige Befruchtung. Ein Fütterungsversuch mit Ferkeln hat gezeigt, dass einheimisch produzierter Sorghum qualitativ mit Importware vergleichbar ist und den Ansprüchen einer Verfütterung genügt. Erste Infektionsversuche mit Fusarien führten zu geringem Befall und tiefen Deoxynivalenolgehalten. Wie dieser erfolgreiche Anbau von Sorghum bicolor in guten Maislagen der Schweiz zeigt, drängt sich mit den ändernden Klimabedingungen die Notwendigkeit für die Bereitstellung detaillierterer Informationen von anderen Hirse- und Sorghumtypen für die Schweizer Landwirtschaft auf.

40 508 600 23,7

Agrarforschung Schweiz 3 (11–12): 524–531, 2012

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Pflanzenbau | Körnersorghum – eine in der Schweiz noch ­u nbekannte, interessante Ackerkultur

Kasten 1 | Sorghum bicolor − interessante Eigenschaften* • Geringerer Wasserbedarf als Mais für die Produktion eines vergleichbaren Kornertrages: Eine spezielle Wachsschicht auf Sorghumblättern führt zu einer geringen Wasserverdunstung auf der Blattoberfläche. Bei grosser Trockenheit kann das Wachstum unterbrochen und später wieder fortgesetzt werden (Trockenstarre). • Verwendung der Körner in der Human- und Tierernährung (Geflügel, Schweine, Rindvieh) • Kein Befall mit Maiswurzelbohrer (Diabrotica virgifera) und aufgrund des mit Mark ­gefüllten Stängels nur sehr geringer Befall mit Maiszünsler (Ostrinia nubilalis) • Sorghumarten sind selbstverträglich und lassen sich gut in die Fruchtfolge integrieren, da sie nach allen Kulturen ausser nach Tabak angebaut werden können. Smith und Frederikson 2000; Zeller 2000; Berenji und Dahlberg 2004; A ­ nonymous 2009; Arvalis 2010

*

Jahr wurden die Sorten in drei Saatdichten (13,2, 17,3 und 21,5 Körner m-2) ausgesät. Die Bewirtschaftungs­ massnahmen erfolgten in Anlehnung an französische und österreichische Empfehlungen (Anonymous 2009; Arvalis 2010; Tab. 3). Ergänzend dazu wurden in den drei Jahren insgesamt zehn Streifenversuche ohne Wiederho­ lungen mit verschiedenen Sorten, Reihenabständen, Saatdichten oder Saatterminen in den Kantonen AG (1), BE (4), SH (2), SO (1), TG (1) und VD (1) angelegt. An der HAFL (Zollikofen) wurde mit zwei Bachelor- und zwei Semesterarbeiten einerseits der Einfluss des Reihenab­ standes und zwei Saatmengen bei zwei Sorten (Cham­ bettaz 2011; Wyss 2011) sowie die Anfälligkeit von Sor­ ghum auf Fusarienbefall und Mykotoxinkontamination (Gerber 2009 und 2010) untersucht. Für den Versuch mit Fusarienbefall wurde natürlich befallenes Maisstroh in den Parzellen ausgelegt und die Pflanzen zweimal inner­ halb von zehn Tagen zusätzlich mit einer Koni­ diensuspension aus Fusarium graminearum [Isolat HAFL, 420 × 103 (Termin 1) beziehungsweise 280 × 103 (Termin 2) Konidien ml−1] künstlich infiziert und die Parzellen anschliessend beregnet. Das Erntegut wurde an der For­ schungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART mit einem Gesundheitstest auf den prozentualen Befall mit

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Agrarforschung Schweiz 3 (11–12): 524–531, 2012

Kasten 2 | Steckbrief von Sorghum bicolor* Familie: Süssgräser (Poaceae), C4-Pflanze Lat. Name: Sorghum bicolor (L.) Moench Herkunft: Afrika Saatbettvorbereitung: Relativ feines und gut abgesetztes Saatbett Aussaat: Ende April bis Mitte Mai (min. ­Bodentemperatur 12−15 °C) mit Drill- oder besser Einzelkornsaat und einer Saattiefe von 3−5 cm. Reihenabstand 37,5−75 cm. Saatdichte: 25-40 Körner m -2 je nach Sorte und Bodenart. Boden: Optimal sind tiefgründige und lehmige Sandböden. Ungeeignet sind kalte, nasse und schwere Böden. Düngung: 120 kg N ha−1; 100 kg P ha−1; 160 kg K ha−1. Stallmist, Gülle und Jauche ­werden gut verwertet. Unkrautregulierung: Anspruchsvoll, da Sorghum eine langsame Jugendentwicklung aufweist. Eine flache, mechanische Bekämpfung zwischen den Reihen ist möglich, sollte aber nicht zu nahe an den Pflanzen erfolgen (Abb. 1). Im Ausland sind mehrere Herbizide bewilligt. In der Schweiz ist seit 2012 Garda Gold (Wirkstoffe Metolachlor + Terbuthylazine; Bewilligungs­ inhaber: Syngenta Agro AG) zugelassen. Krankheiten und Schädlinge: Grundsätzlich wird in den traditionellen Anbaugebieten eine hohe Diversität beobachtet. Bis jetzt sind aber in Europa wenige problematisch. Ernte: Nicht zu tief schneiden bei der Ernte (Stängel und Blätter sind meistens noch grün), was aber einen anschliessenden Mulchdurchgang erfordert. Staubentwicklung bei der Ernte möglich (Ursache Schwärzepilze). Durchwuchs: Aufgrund fehlender Winterhärte wenig problematisch in Winterkulturen; ­ansonsten mit gängigen chemischen Gräsermitteln bekämpfbar, ausser in Mais. *

Smith und Frederiksen 2000; Anonymous 2009; Arvalis 2010

verschiedenen Fusarium-Arten und mittels Laboranaly­ sen auf den Gehalt mit dem Mykotoxin Deoxynivalenol (DON) untersucht. Da zu Beginn der Versuchsreihe noch keine Pflanzen­ schutzmittel zur Regulierung der Begleitflora in Körner­ sorghum in der Schweiz zugelassen waren, wurden in


Körnersorghum – eine in der Schweiz noch ­u nbekannte, interessante Ackerkultur | Pflanzenbau

Tab. 2 | Informationen zu den in der Schweiz geprüften Körnersorghum-Sorten (Züchterangaben) Temperatursumme: Saat bis 25 % H2O ­(Erntegut), Basis 6 °C

Züchter (Land)

Einschreibungsland (Jahr)

Samenfarbe

Ardito

Semences de Provence (F)

I (2005)

weiss

Arfrio

Semences de Provence (F)

F (2003)

orange

1785

2009, 2010, 2011

Friggo

R 2n (F)

F (2003)

orange-rot

1805

2009, 2010, 2011

Quebec

Semences de Provence (F)

F (1999)

orange-hellbraun

1775

2009, 2010, 2011

Iggloo

R 2n (F)

I (2009)

orange

1790

2010, 2011

Maya

Semences de Provence (F)

F (2008)

orange-rot

1805

2010

Arlys

Semences de Provence (F)

F (2003)

orange-rot

1815

2011

Bezeichnung

Prüfjahre 2009, 2010, 2011

den Streifenversuchen sowie in einem Blockversuch in Zollikofen die Wirkung und die Verträglichkeit poten­ zieller Herbizide geprüft.

Affoltern 153 (2009), 189 (2010) beziehungsweise 161 Tage (2011) nach der Saat mit einem Kleinparzellenmäh­ drescher mit der Einstellung für Getreide. Die im Ver­ gleich zum Jahr 2009 erhöhte Anzahl bis zur Reife benö­ tigter Tage lässt sich einerseits mit der Witterung und Fütterungsversuch Um erste Erfahrungen mit in der Schweiz angebauter dem Standort (Muldenlage) sowie dem frühen und für Mohrenhirse in der Schweinefütterung zu sammeln, Sorghum grundsätzlich nicht empfehlenswerten Saatter­ wurde an der Forschungsanstalt Agroscope Liebe­ min erklären (Tab. 3). Um den Wassergehalt des Erntegu­ feld-Posieux ALP der Einfluss von 20 % Hirse enthalten­ tes nicht zu stark zu erhöhen, erfolgte der Schnitt direkt dem Futter auf die Leistungen von 116 mit vier Wochen unterhalb der Rispen auf einer Höhe von zirka 0,7 m abgesetzten, 9 kg schweren Ferkeln untersucht. (Arvalis 2010). Dies erforderte jedoch einen anschliessen­ Das Kontrollfutter ohne Hirse enthielt 72 % Gerste, den Mulchdurchgang. Im Mittel dreier Jahre variierte der Wassergehalt im während die Versuchsfutter der drei Hirsevarianten % (Schweizer Hirse der Ernten 2009 und 2011 sowie impor­ Korn zwischen 16 (Quebec, Friggo) und rund 26  tierte Hirse) rund 52 % Gerste und 20 % Hirse enthielten. (Ardito; Tab. 4). Die Sorte Super Sile 15 wies in allen Jah­ Die vier Futter waren auf den gleichen Gehalt an ver­ ren den höchsten Wassergehalt mit den vergleichsweise daulicher Energie (13,6 MJ VES kg−1) und an Nährstoffen tiefsten Kornerträgen auf. Da es sich bei dieser Sorte rezeptiert worden, die den Empfehlungen von ALP für aber auch nicht um einen typischen Körnersorghum-Typ 8 kg schwere Ferkel entsprach. mit kurzem Wuchs handelte, ist eine ausschliesslich auf den Kornerträgen basierende Beurteilung nicht korrekt. Resultate und Diskussion Die tiefen Erträge von Super Sile 15 und in einem gewis­ sen Umfang auch bei Ardito (Jahre 2010 und 2011) sowie Anbauerfahrungen und Sorteneigenschaften bei Arfrio (Jahr 2011) am Standort Zürich-Affoltern sind Die Saaten mit der Einzelkornsätechnik waren erfolg­ auf einen schlechten Kornansatz zurückzuführen, wel­ reich und führten zu korrekten Beständen. Alle Sorten cher wahrscheinlich durch tiefe Temperaturen während bildeten unter den vorhandenen Anbaustrategien Besto­ der Blüte ausgelöst wurde (Zeller 2000; Arvalis 2010). ckungstriebe. Dies führte jedoch zu einer unregelmässi­ Ardito kann somit sein interessantes Ertragspotential bei gen Abreife, da die später gebildeten Rispen auch später einem guten Ausreifungsgrad nur unter idealen Bedin­ gungen ausschöpfen. Bei den dreijährig geprüften Sorten blühten und somit verzögert zur Abreife kamen. Die als erzielte die Sorte Friggo über alle Standorte gesehen mit Zuckerhirsentyp zu Vergleichszwecken ebenfalls in die rund 90 dt ha−1 (bei 14,5 % H2O) den höchsten und ausge­ Versuche integrierte Sorte Super Sile 15 wies mit rund glichensten Ertrag – dies sowohl in den Kleinparzellen1,7 m die längsten Pflanzen auf während die anderen Sorten mit 1,1 bis 1,3 m eine kürzere und für den Mäh­ als auch in den Streifenversuchen. Etwas weniger ausge­ drusch geeignete Wuchslänge aufwiesen. Die Ernte der glichen, aber vergleichsweise besser als bei Arfrio, Ardito Kleinparzellenversuche erfolgte am Standort Zürich-­ und insbesondere bei Super Sile 15 war der Ertrag bei der 

Agrarforschung Schweiz 3 (11–12): 524–531, 2012

527


Pflanzenbau | Körnersorghum – eine in der Schweiz noch ­u nbekannte, interessante Ackerkultur

Tab. 3 | Bewirtschaftungsmassnahmen in den Kleinparzellenversuchen mit verschiedenen Körnersorghum-Sorten an den Standorten ­Z ürich-Affoltern und Hüntwangen (Jahre 2009–2011) Bewirtschaftungsmassnahme

2009

Vorfrucht

2010

2011

Zürich-Affoltern

Hüntwangen

Zürich-Affoltern

Zürich-Affoltern

Hüntwangen

Winterweizen

Winterweizen

Kunstwiese

Kunstwiese

Zuckerrüben

20. Nov. 08

Feb. 09

23. Nov. 09

29. Okt. 10

Feb. 11

Bodenbearbeitung Grundbearbeitung Saatbettvorbereitung

Pflug Federzinkenegge

13. Apr. 10

Kreiselegge

20. Mai 09

18. Mai 09

22. Apr. 10

9. Mai 11

10. Mai 11

Pneumatische Einzelkorn­ sämaschine

23. Mai

19. Mai

23. Apr.

10. Mai

11. Mai

1,2 l ha-1 Dual Gold und 2,2 l ha-1 Stomp SC

2. Juni

Juni

29. Mai

30. Mai

29. Mai

24. Mai

14. Juni

16. Juni

Saat

Unkrautregulierung Chemisch

10. Juni

Sternhackgerät kombiniert mit Düngung Weitere Massnahmen

22. Juni

Sternhackgerät

28. Juni

Jäten von Hand

Juli

Juli

Juni/Juli

Düngung Grunddüngung 15. Apr. (70 kg P)

Triple-Superphosphat [kg P ha-1]

12. Apr. (92 kg P)

Diammonphosphat, DAP [kg N, P ha-1]

2. Mai (36 kg N; 92 kg P)

60er Kali [kg K ha-1]

2. Mai (200 kg K)

10. März (70 kg P) 29. Apr. (77 kg N; 197 kg P)*

12. Apr. (240 kg K)

10. März (180 kg K)

29. Apr. (300 kg K)*

Kopfdüngung 1. Gabe

Ammonsalpeter 27,5 % [kg N ha-1] bzw. Mg-Ammon­ salpeter [kg N, Mg ha-1]

22. Mai (41 kg N)

30. Apr. 24. Mai (41 kg N; 3,75 kg Mg) (65 kg N; 6 kg Mg) 12. Mai (128 kg N)

Harnstoff 46 %

30. Mai (180 kg N)*

2. Gabe

Mg-Ammonsalpeter [kg N, Mg ha-1]

10. Juni (41 kg N; 3,75 kg Mg)

29. Mai (54 kg N; 5 kg Mg)

3. Gabe

Ammonsalpeter 27,5 % [kg N ha-1] bzw. Mg-Ammons­ alpeter [kg N, Mg ha-1]

22. Juni (61 kg N)

14. Juni (54 kg N; 5 kg Mg)

16. Juni (65 kg N; 6 kg Mg)

Ernte 28. Okt. Zusätzlich noch Mist + Kompost

*

528

Agrarforschung Schweiz 3 (11–12): 524–531, 2012

27. Okt.

28. Okt.

18. Okt.

17. Okt.


Körnersorghum – eine in der Schweiz noch ­u nbekannte, interessante Ackerkultur | Pflanzenbau

Tab. 4 | Kornertrag (dt ha -1 bei 14,5 % H2O), Wassergehalt bei der Ernte (%) sowie Tausendkorngewicht (TKG in g) der dreijährig geprüften Körnersorghum-Sorten bei einer Saatdichte von 17,3 Körner m -2 am Standort Zürich-Affoltern (Kleinparzellenversuche mit drei Wiederholungen, Jahre 2009–2011) Parameter

Kornertrag (dt ha-1 bei 14,5 % H2O)

Wassergehalt bei der Ernte (%)

TKG (g)

Jahr

Sorte

Mittelwert

Standardabweichung

102,1

10,84

Ardito

Arfrio

Friggo

Quebec

2009

113,1

100,5

92,6

102,3

2010

73,1

91,6

103,7

80,3

87,2

15,56

2011

47,8

43,6

99,7

84,1

68,8

25,68

2009

18,6

16,5

15,7

15,2

16,5

1,39

2010

26,4

17,2

18,4

17,4

19,8

4,02

2011

23,7

24,0

16,2

15,5

19,8

5,02

2009

23,7

27,1

18,3

23,4

23,1

3,36

2010

24,5

26,2

24,6

20,0

23,8

2,44

2011

17,2

16,3

12,7

12,1

14,6

2,37

Sorte Quebec. In den Kleinparzellenversuchen wurden Erträge bis zu 110 dt ha−1 (2009) erreicht. Generell lagen die gemessenen Erträge je nach Sorte und Lage aber zwischen 50 und 95 dt ha−1 und somit im Bereich oder deutlich höher als die Erträge der europäischen Nach­ barländer (Tab. 1). Die in den präsentierten Versuchen ermittelten Erträge im unteren Bereich lassen sich zudem meistens durch bewusst gewählte Eigenschaften (früher Saattermin, Exposition) oder Misserfolge bei der Regu­ lierung der Begleitflora erklären. Ob diese jahres- und standortbedingten Rahmenbedingungen auch der allei­ nige Grund für das unterschiedliche Verhalten der Sor­ ten in den drei Saatdichten der Kleinparzellenversuche

ist, kann nicht abschliessend beantwortet werden. Even­ tuell reagieren die Sorten auch unterschiedlich auf die Saatmenge und den Reihenabstand. In einem Blockver­ such der HAFL wurde beobachtet, dass signifikante Effekte bei unterschiedlichen Reihenabständen und Saatdichten auf den Bodenbedeckungsgrad, nicht aber bei der Bestockung, der Abreife und den Kornerträgen möglich sind (Wyss 2011). Da zudem in Österreich mit rund 28 bis 40 Körnern m−2 für die Saat viel höhere als die in der Schweiz untersuchten Saatdichten empfohlen werden, sind mehrjährige Versu­ che mit den Faktoren Saatdichte und Reihenabstand ange­ bracht.

Abb. 1 | Wurzelwerk von Sorghum bicolor (Zürich, 2009). (Foto: ART)

Pflanzenschutz Als grösste Herausforderung hat sich die erfolgreiche Regulierung der Begleitflora erwiesen (Arvalis 2010). In zwei Streifenversuchen war aufgrund bekannter Prob­ leme der Unkrautdruck nach Abschluss der Behandlun­ gen so hoch, dass die Versuche aufgegeben werden mussten. Da die besonders in kühlen Frühlingen langsa­ mer verlaufende Jugendentwicklung einer der Haupt­ gründe für die Verunkrautung ist, sollte nicht zu früh gesät werden. Des Weiteren sind aber sowohl bei einer mechanischen wie auch bei der chemischen Regulierung die Witterung und der Bodenzustand für eine gute Wir­ kung mitentscheidend. Das seit 2012 nun auch in der Schweiz für den Nachauflauf zugelassene Herbizid Gardo Gold hat ein interessantes Wirkungsspektrum sowohl bei mono- als auch dikotylen Arten. Die Wirkung ist jedoch bei Kamille, Nachtschatten und mehrjährigen Unkräutern ungenügend. Da die Hauptwirkung über den Boden erfolgt, ist eine minimale Bodenfeuchtigkeit 

Agrarforschung Schweiz 3 (11–12): 524–531, 2012

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Pflanzenbau | Körnersorghum – eine in der Schweiz noch ­u nbekannte, interessante Ackerkultur

Fütterungsversuch Im Vergleich zu den Kontrolltieren, die im Verlaufe des fünfwöchigen Versuchs pro Tag 550 g Futter frassen und 350 g an Gewicht zunahmen, frassen die Ferkel der drei Hirsevarianten pro Tag 540 bis 590 g Futter und hatten einen Tageszuwachs von 340 bis 370 g. In allen vier Ver­ fahren wurden pro Kilogramm Zuwachs 1,6 kg Futter verbraucht. Die Leistungen unterschieden sich nicht zwi­ schen den vier Varianten (P > 0,1). Die Versuchsresultate zeigen, dass 20 % Hirse aus Schweizer Anbau ohne Risiko von Leistungseinbussen in Schweinefutter eingemischt werden kann. Der in der Schweiz produzierte Sorghum ist dem importierten ebenbürtig und somit analog zur Import­ ware in Futtermischungen einsetzbar. Da die Verwendung von Sorghum in den Futterratio­ nen ähnlich derjenigen von Mais ist (Berenji und Dahl­ berg 2004) wird es auch in Futterrationen für Rindvieh und Geflügel eingesetzt (Smith und Frederiksen 2000; Arvalis 2010).

Schlussfolgerungen Abb. 2 | Vogelfrassschaden (Zürich, 2009). (Foto: ART)

zwingend. In Sorghum lässt sich, ähnlich wie in Mais, die Regulierung der Begleitflora auch mechanisch vorneh­ men. Dabei sollte jedoch die Bodenbearbeitung nicht zu nahe an den Reihen erfolgen, da Sorghum ein feines und flaches Wurzelwerk ausbildet (Abb. 1). Aufgrund des mit Mark gefüllten Stängels wurden nur wenige Pflanzen von Maiszünsler (Ostrinia nubilalis) befallen. Auf einigen Pflanzen wurden in allen Jahren Blattflecken (Exserohilum turcicum (Pass.) K. J. Leonard & Suggs) festgestellt. Im 2009 wurde in beiden Kleinpar­ zellenversuchen sowie im 2011 in Zollikofen Vogelfrass beobachtet (Abb. 2). Es wird vermutet, dass der Vogelf­ rass einerseits auf die tanninarmen Züchtungen sowie die relativ kleinen Versuchsflächen zurückzuführen ist. Im Infektionsversuch mit Fusarium spp. wurden im Erntegut anhand des Gesundheitstests tiefe Befallsraten beobachtet und die DON-Konzentrationen waren dem­ entsprechend tief (zwischen 0,061 und 0,141 ppm; bei einem Grenzwert für unverarbeitetes Getreide für den menschlichen Konsum von 1,25 ppm; Gerber 2010). Ob sich Sorghum in Fruchtfolgen, in denen Weizen nach Mais angebaut wird, als Gesundungsfrucht beziehungs­ weise als «Fusarium- und Mykotoxinbrecher» eignet, kann mit diesem Tastversuch noch nicht beurteilt wer­ den. Dazu wären an mehreren Standorten Versuche mit verschiedenen Sorten und sowohl mit künstlichen als auch mit natürlichen Infektionen durchzuführen.

530

Agrarforschung Schweiz 3 (11–12): 524–531, 2012

Aus wirtschaftlichen Überlegungen (z. B. Trocknungskos­ ten) und den agronomischen Erfahrungen (z. B. Ertrags­ stabilität, Saattermin der Folgekultur) können basierend auf den Versuchen von den dreijährig geprüften Sorten aktuell nur die frühreifsten Körnersorghumsorten Friggo und Quebec für den Anbau in der Schweiz empfohlen werden. Das genetisch vorhandene Ertragspotential kann aber, wie bei anderen Ackerkulturen, nur ausge­ schöpft werden, wenn Nährstoffe und Wasser in ausrei­ chenden Mengen in den ertragsrelevanten Entwick­ lungsstadien vorhanden sind. Entsprechend unserer eigenen Erfahrungen wird Sorghum von Sammelstellen übernommen und mit dem Preis für Körnermais abge­ golten. Dies macht den Sorghumanbau in guten Maisla­ gen mit ausreichend Niederschlag wirtschaftlich jedoch uninteressant, da Sorghum dem Mais beim Ertrag unter­ liegt. Bei rein ertragsmaximierenden Produktionszielen bietet somit der Sorghumanbau nur in sommertrocke­ nen Regionen eine Alternative zu Körnermais. In Ergänzung zu den Untersuchungen des Sorghum­ typs mit dem Verzwergungsgen sieht die Autorenschaft – im Hinblick auf die ändernden Klimabedingungen – auch die Notwendigkeit für die Bereitstellung detaillier­ terer Informationen von anderen Hirse- und Sorghumty­ n pen für die Schweizer Landwirtschaft.

Dank

Das Saatgut wurde freundlicherweise von der O. Hauenstein Samen AG, der Eric Schweizer Samen AG und der RAGT zur Verfügung gestellt.


Sorgo da granella - coltura dalle caratteristiche interessanti ancora sconosciuta in Svizzera Il Sorghum bicolor (L.) Moench, coltivato su una superficie di 40,5 milioni di ettari, è la quinta coltura campicola più importante al mondo. Sebbene venga coltivato nelle regioni più calde, in questi ultimi anni ha guadagnato di nuovo terreno in Europa perché dà rese ragguardevoli anche con poca acqua. Onde ampliare le poche informazioni disponibili in Svizzera sulla coltivazione di sorgo da granella, tra il 2009 e il 2011 sono stati condotti esperimenti con molteplici varietà in diverse regioni della Svizzera. Nel quadro di test su piccole parcelle le varietà più precoci hanno raggiunto, in condizioni ambientali favorevoli, rendimenti di 110 q ha−1 con 16 % di H2O. Considerato che il sorgo da granella necessita di maggior calore rispetto al mais, si raccomanda di evitare di coltivarlo in conche o in zone con aria fredda nonché di seminarlo troppo presto. Con questi accorgimenti sono garantite una levata relativamente rapida e un’impollinazione completa. Un esperimento condotto su giovani suini ha rivelato che il sorgo da granella indigeno ha una qualità comparabile a quella della merce d'importazione e soddisfa le esigenze di foraggiamento. Nel quadro di test d'infezione con fusarie sono emerse contaminazioni minime e bassi tenori di deossinivalenolo. Come evidenziato dal successo avuto con il Sorghum bicolor in regioni favorevoli alla coltivazione del mais in Svizzera, la disponibilità di informazioni più dettagliate riguardo ad altri tipi di sorgo e miglio diventa incalzante alla luce del cambiamento climatico.

Literatur ▪▪ Anonymous, 2009. Sorghum. Die Saat. 2. überarbeitete Auflage Frühjahr 2009 (www.diesaat.at, eingesehen Februar 2011). ▪▪ Arvalis, 2010. Culture et utilisation du sorgho grain. Institut de végétal, juin 2010, 28 p. ▪▪ Berenji J. & Dahlberg J., 2004. Perspectives of Sorghum in Europe. J Agron Crop Sci 190, 332−338. ▪▪ Butler L. G., 1989. Sorghum polyphenols. In: Toxicants of Plant Origin, vol. 4: Phenolics (Hsg. Cheeke P. R.), CRC Press, Boca Raton, USA, pp. 95−122. ▪▪ Chambettaz F., 2011. Sorgho grain en Suisse. Bachelorarbeit Schweizeri­ sche Hochschule für Landwirtschaft, Zollikofen. ▪▪ FAOSTAT. FAO Statistics Division 2012. 5th March 2012, Rome.

Summary

Riassunto

Körnersorghum – eine in der Schweiz noch ­u nbekannte, interessante Ackerkultur | Pflanzenbau

Grain sorghum – an arable crop with attractive properties, as yet unknown in Switzerland With 40.5 million hectares under cultivation, Sorghum bicolor (L.) Moench is the world’s fifth-most important arable crop. Although primarily cultivated in warmer regions, the area devoted to this crop in Europe has increased over the past few years – among other things because sorghum produces attractive yields even when little water is available. In order to increase the sparse information on cultivating grain sorghum currently available in Switzerland, trials were conducted from 2009 to 2011 in various Swiss regions with several varieties. In favourable environmental conditions, the earliest maturing varieties achieved yields of up to 110 dt ha−1 with 16 % humidity at the day of the harvest in small-plot trials. Because of sorghum‘s greater need for warmth than maize, planting in cold-air zones or in basins, or early sowing should be avoided. This will ensure a relatively quick juvenile development and good pollination. A piglet feeding trial showed that Swiss-produced sorghum is of comparable quality to the imported grain, and meets feeding requirements. Preliminary infection trials with Fusarium species resulted in low infection rates and low deoxynivalenol (DON) contents. As evidenced by the successful cultivation of Sorghum bicolor in favourable maize-growing areas of Switzerland, changing climatic conditions make it essential for Swiss farmers to have access to more detailed information of different types of millet and sorghum grown in Switzerland. Key words: Sorghum bicolor (L.) Moench, variety, Switzerland, field trials, feeding trial, pig, Fusarium, climate change.

▪▪ Gerber C., 2009. Keine Sorgen im Sorghum; Sorghum bicolor – eine neue Kulturpflanze in der Schweiz? Semesterarbeit Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft, Zollikofen. ▪▪ Gerber C., 2010. Sorghum bicolor – eine neue Kulturpflanze für die Schweiz? Bachelorarbeit Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft, Zollikofen. ▪▪ Smith C. W. & Frederiksen R. A., 2000. Sorghum: Origin, History, Techno­ logy and Production. Wiley John & Sons, New York, 824 p. ▪▪ Wyss R., 2011. Sorghum bicolor : Einfluss der Saatmenge und des Reihen­ abstandes auf die Pflanzenentwicklung und den Ertrag. Semesterarbeit Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft, Zollikofen. ▪▪ Zeller F. J., 2000. Sorghumhirse (Sorghum bicolor L. Moench): Nutzung, Genetik, Züchtung. Bodenkultur 51, 71−85.

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U m w e l t

Pflanzenschutzmittel und Oberflächen­ gewässer: praxisnahe Schutzmassnahmen Katja Knauer und Olivier Félix, Bundesamt für Landwirtschaft BLW, 3003 Bern Auskünfte: Katja Knauer, E-Mail: katja.knauer@blw.admin.ch, Tel. +41 31 323 11 44

Abb. 1 | Pflanzenschutzmittel werden am häufigsten mit dem Spritzverfahren ausgebracht. (Foto: BLW)

Einleitung Pflanzenschutzmittel (PSM) werden zum Schutz der Nutzpflanzen vor Schadorganismen auf landwirtschaft­ liche Nutzflächen ausgebracht. Von da können sie durch Abdrift, Abschwemmung und Versickerung in angrenzende Lebensräume eingetragen werden. Das Bewilligungsverfahren berücksichtigt mögliche Risiken für angrenzende Ökosysteme und bestimmt die Mass­ nahmen, die im Rahmen der Zulassung zur Reduktion der Risiken für solche Systeme festgelegt werden. Die Wirksamkeit der Massnahmen hängt entschei­ dend von der Umsetzung in der Praxis ab. Die Bewilli­ gungsbehörde, in der Schweiz das Bundesamt für Land­ wirtschaft, ist deshalb darauf bedacht, möglichst

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einfache und praxistaugliche Massnahmen festzulegen, die begrenzte Folgen für die landwirtschaftliche Pro­ duktion haben.

Methode und Diskussion Austrag von Pflanzenschutzmitteln aus Kulturflächen PSM werden am häufigsten mit dem Spritzverfahren ausgebracht (Abb. 1). Die gute Durchdringung des Pflan­ zenbestands führt zu einer optimalen Wirkung des PSM. Der Nachteil dieser Methode kann in der hohen Wind­ abdrift auf Grund von zu kleinen Tröpfchendurchmes­ sern liegen. So können PSM bei der Spritzung in angren­ zende Nichtkulturflächen getragen werden. Im Weiteren kann beim Spritzen ein Teil des Produkts direkt oder in


Folge der Auswaschung der behandelten Pflanzen, auf den Boden gelangen. Das Risiko des Austrages von PSM aus der Behandlungsfläche ist vor allem auf geneigten Flächen nach Regen durch Abschwemmung gegeben. Drift aus verschiedenen Kulturen Als Abdrift wird die Verlagerung von PSM in Nicht-Zielflächen bezeichnet. Um das Risiko dieser Pro­ blematik für angrenzende Ökosysteme abschätzen zu können, wurden Abdriftsuntersuchungen mit festge­ legter Windrichtung und -geschwindigkeit für verschie­ dene Kulturen und verschiedene Spritzgeräte durchge­ führt (Ganzelmeier et al. 1995, Rautmann et al. 2001). Aus den Messresultaten wurden standardisierte Abdriftwerte festgelegt, die für die Risikobewertung herangezogen werden. Je nach angebauter Pflanzen­ kultur ergeben sich unterschiedliche Abdriftwerte und entsprechend unterschiedliche PSM-Konzentration auf angrenzenden Flächen. Die grösste Abdrift wird im Wein- und Obstbau beobachtet, im Acker- und Gemü­ sebau liegen die Werte tiefer. Abschwemmung von Kulturböden Der Austrag von PSM durch Abschwemmung wird auch «runoff» genannt. Der runoff setzt sich aus abfliessen­ dem Wasser und erodiertem Bodenmaterial zusammen. Gut wasserlösliche Wirkstoffe können schnell mit dem abfliessenden Wasser abgeschwemmt werden. Abhän­ gig von den physikalisch-chemischen Eigenschaften, zum Beispiel den Abbaueigenschaften des PSM und sei­ nen Bindungseigenschaften an Bodenpartikel, können Wirkstoffanteile über längere Zeit mit erodierten Boden­ material in Oberflächengewässer transportiert werden. Prüfung von PSM im Zulassungsverfahren PSM dürfen nur angewendet werden, wenn sie zugelas­ sen sind. In der Zulassung wird das Anwendungsgebiet (Indikation) festgehalten. Die Zulassung legt damit fest, welche Kulturpflanze gegen welchen Schaderreger mit welchem Pflanzenschutzmittel behandelt werden darf. Schutz der Umwelt Die Pflanzenschutzmittelverordnung (PSMV 2010, Art. 1) hält fest, dass bei der vorschriftsgemässen Aus­ bringung von PSM keine unannehmbaren Nebenwir­ kungen auf die Umwelt eintreten dürfen. Neben Luft, Boden und Grundwasser schliesst diese Anforderung namentlich auch das Oberflächengewässer und die dort lebenden Nichtzielorganismen mit ein. Das bedeu­ tet, dass die an Kulturland angrenzende Oberflächen­ gewässer vor unannehmbaren Effekten durch PSM geschützt werden müssen.

Zusammenfassung

Pflanzenschutzmittel und Oberflächen­g ewässer: praxisnahe Schutzmassnahmen | Umwelt

Pflanzenschutzmittel (PSM) werden zum Schutz der Nutzpflanzen vor Schadorganismen auf landwirtschaftlichen Nutzflächen ausgebracht. Von da können sie durch Abdrift und Abschwemmung in angrenzende Lebensräume eingetragen werden. Für PSM-Wirkstoffe werden regulatorisch akzeptable Konzentrationen (RAC) für aquatische Organismen im Rahmen der Zulassung von PSM festgelegt. Die Umweltrisikobewertung vergleicht diese RAC-Werte mit erwarteten Umweltkonzentrationen in Oberflächengewässern. Wird ein zu hohes Risiko für die aquatische Lebensgemeinschaften berechnet, so werden spezifische Massnahmen zur Minderung des Risikos verfügt. Um Oberflächengewässer vor potenziell gefährlichen Wirkstoffen zu schützen, werden Abstandsauflagen erlassen. Durch technische Massnahmen wie Anti-Driftdüsen und/oder pflanzliche Barrieren ist es möglich, den Austrag bei der Anwendung von PSM zu verringern. Bei vorschriftsgemässer Ausbringung von PSM treten keine unannehmbaren Nebenwirkungen in der Umwelt auf.

Schutz von Oberflächengewässern Der Schutz von Oberflächengewässern beinhaltet die Effekte von PSM-Rückständen auf spezifische Wasser­ organismen; es muss gewährleistet werden, dass keine unannehmbaren Effekte auf das aquatische Ökosys­ tem zu erwarten sind. Die Risikobewertung für die unterschiedlichen Wasserorganismen erfolgt auf ver­ schiedenen Ebenen der biologischen Organisation: vom Indi­viduum zur Population und zur aquatischen Lebensgemeinschaft. Repräsentative Arten des aquatischen Systems sind Fische (Oncorphynchus mykiss), Invertebraten (Daphnia sp. und Americamysis bahia) inklusiv Insekten (Chironomus riparius), Algen (Pseudokirchneriella subcapitata, Navicula pellicosa) und Wasserpflanzen (Lemna, sp. Myriophyllum sp., Glyceria maxima). Sie sollen vor akuten und chronischen Effekten geschützt werden. Kurzfristige Effekte auf der Ebene der Indivi­ duen werden akzeptiert, wenn diese nicht zu Effekten auf Populationsebene führen. Die Regeneration von Populationen in einem angemessenen Zeitrahmen nach kurzfristigen Effekten wird also im Rahmen der  Bewertung berücksichtigt.

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Umwelt | Pflanzenschutzmittel und Oberflächen­g ewässer: praxisnahe Schutzmassnahmen

Tab. 1 | Regulatorisch akzeptable Konzentrationen (RAC) von Pflanzenschutzmitteln in Oberflächengewässern im Rahmen des Zulassungsverfahrens Wirkstoff

RAC [µg/l]

Wirkstoff

RAC [µg/l]

Wirkstoff

RAC [µg/l]

2,4-D (acid)

27

Epoxiconazole

0,43

Metaldehyd

750

Acetamiprid

0,5

Ethephon

100

Metribuzin

2

Aclonifen

0,5

Ethofumesate

32

Pencycuron

5

Azoxystrobin

3,3

Fenamidone

0,55

Penoxsulam

0,33

Benthiavalicarb

100

Fenhexamid

10,1

Phenmedipham

2,5

Bromoxynil

3,3

Fenpropimorph

0,2

Prochloraz

0,55

Captan

9,8

Fludioxonil

2,3

Propamocarb HCl

530

Carbetamide

100

Flufenacet

4

Propyzamide

56

Carbosulfan

0,1

Fluroxypyr

143

Prosulfocarb

5

Chlorothalonil (TCPN)

0,5

Fluroxypyr-meptyl

6

Pyraclostrobin

0,16

Chlortoluron

2,4

Folpet

9,8

S-Metolachlor

7

Chlorpyrifos-methyl

0,1

Glufosinate

19

Spiroxamin

0,2

Clomazone

13,6

Glyphosat

50

Tebuconazol

1

Cymoxanil

3,4

Ioxynil

1,3

Terbuthylazine

1,2

Cyprodinil

3

Ioxynil octanoate

0,11

Thifensulfuron-methyl

0,13

Dicamba

45

Iprovalicarb

189

Triclopyr (acid)

4,6

Difenoconazole

0,76

Isoproturon

5,8

Triclopyr BEE (butoxyethyl ester)

3,1

Diflufenican

0,6

Linuron

0,7

Triclopyr 3,5,6-TCP (Metabolit)

5,8

Dimethachlor

5,4

Mancozeb

4,4

Trifloxystrobin

0,7

Dimethenamid

2,8

Mecoprop-P

160

Trinexapac-ethyl

7,3

Diquat

1,1

Metalaxyl-M

120

Risikobewertung für Oberflächengewässer Für eine Umweltrisikobewertung müssen sowohl Exposi­ tionsszenarien errechnet, als auch mittels Testverfahren spezifische ökotoxikologische Daten erhoben werden. Die Erhebung dieser für die Risikobewertung relevanten Daten ist für jeden Wirkstoff und jedes Produkt obligato­ risch. Die potenziellen Risiken werden abgeschätzt, indem die erwartete Exposition (predicted environmental concentration, PEC) und die regulatorisch annehmbare Kon­ zentration (regulatory acceptable concentration, RAC) ins Verhältnis gesetzt werden (Daniel et al. 2007; Knauer et al. 2009). Tabelle 1 enthält für einige PSM-Wirkstoffe die regulatorisch akzeptablen Konzentrationen für Ober­ flächengewässer, die im Rahmen der Zulassung von PSM festgelegt wurden. Dieser Wert entspricht der Konzentra­ tion, die weder kurz- noch langfristig zu einem unan­ nehmbaren Effekt auf aquatische Organismen führt. Bei der Festlegung des RAC-Werts wird das Testergebnis für die empfindlichste Art mit einem Sicherheitsfaktor (AF) versehen, um unvermeidliche Unsicherheiten bei der Übertragung von Laborergebnissen von einzelnen weni­ gen Organismen auf reale Gewässerverhältnisse Rech­ nung zu tragen. Aus ökotoxikologischer Sicht wird der

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RAC-Wert als sicher betrachtet. Wird also eine zum RACWert vergleichbare oder niedrigere PSM-Konzentration in einem Oberflächengewässer gemessen, so darf davon ausgegangen werden, dass diese kein Risiko für die aqua­ tische Lebensgemeinschaft darstellt. Der PEC wird für ein definiertes stehendes Oberflächen­ gewässer (ein kleines Gewässer, 100 m lang, 1 m breit und 0,3 m tief entlang einer Kulturfläche, im englischen «small edge-of-field surface water» genannt) berechnet und stellt eine Worst-case-Situation dar. Die erwartete Gewässerkonzentration wird mit Modellen berechnet, die repräsentative Bedingungen der verschiedenen Anwendungen eines PSM reflektieren. Der PEC-Wert wird also auf der Basis der vorgesehenen Anwendungen und unter Berücksichtigung der entsprechenden Appli­ kationsmenge berechnet. Im Fall der Abschwemmung hängt die Berechnung des PEC Werts entscheidend von den physikalisch-chemischen Eigenschaften (Vertei­ lungskoeffizient Wasser-Boden; Wasserlöslichkeit etc.) des Wirkstoffs und der Grad der Bodenbedeckung durch die Kultur bei der Behandlung ab. Im Rahmen der Risikobewertung wird also ein hoher PEC (Worst-case-Berechnung für ein kleines Gewässer


Pflanzenschutzmittel und Oberflächen­g ewässer: praxisnahe Schutzmassnahmen | Umwelt

Abb. 2 | Abstände zwischen Kulturland und Oberflächengewässern, sogenannte Pufferstreifen, dienen dem Schutz von aquatischen Lebensgemeinschaften. (Foto: BLW)

entlang der Kultur) mit einem regulatorisch akzeptablen RAC Wert verglichen, um eine hohe Sicherheit zu gewährleisten. Ist die erwartete Konzentration in Oberflächenge­ wässern (PEC) kleiner als die regulatorisch annehmbare Konzentration (RAC), dann besteht kein Risiko für die aquatische Lebensgemeinschaft und das Produkt kann ohne Auflagen bewilligt werden. Ist der PEC jedoch grösser als der RAC, muss das Risiko für die Oberflä­ chengewässer weiter reduziert werden. Entsprechende z.B. Abständen zu Oberflächengewässern werden ver­ fügt. Durch diese Auflage wird der Eintrag in die Ober­ flächengewässer verringert und der PEC kleiner. PSM relevante Vorschriften Die schweizerische Gesetzgebung kennt verschiedene Steuerungselemente, um den Eintrag von PSM in Ober­ flächengewässer zu verringern. Es wird zwischen gene­ rellen Einschränkungen der Anwendung von PSM, der Einschränkung der Anwendung basierend auf der spe­ zifischen Evaluation des Risikos eines Produktes und den ökologischen Leistungen gebunden an Direktzah­ lungen des Bundes unterschieden. Generelle Einschränkungen der PSM-Anwendungen Alle PSM dürfen gemäss der Verordnung zur Reduk­ tion von Risiken beim Umgang mit besonders gefährli­ chen chemischen Stoffen (ChemRRV, Anhänge 2.5) nur

angewendet werden, wenn ein Mindestabstand von drei Metern zu Oberflächengewässern eingehalten wird. Diese Vorschrift gilt auch, wenn keine spezifische Sicherheitsabstände gegenüber Oberflächengewässer in der PSM-Bewilligung festgelegt sind. Die generellen Verbote der Anwendung von PSM auf Dächern, Terras­ sen, Lagerplätzen, Strassen, Wegen und Plätzen, Böschungen und Grünstreifen entlang von Strassen und Gleisanlagen sowie in Gebieten, die unter Natur­ schutz stehen, Riedgebieten und Mooren, in Hecken und Feldgehölzen, im Wald, in Oberflächengewässern und in der Zone S1 von Grundwasserschutzzonen wie auch auf und an Gleisanlagen in der Zone S2 von Grundwasserschutzzonen sollen auch dazu beitragen, die Einträge von PSM in Gewässern zu reduzieren. Spezifische Abstandsauflagen Um Oberflächengewässer wie Bäche, Flüsse, Weiher und Seen vor potenziell gefährlichen Wirkstoffen zu schüt­ zen, werden – wenn notwendig – auf der Basis der oben beschriebenen Risikobewertung spezifische Abstands­ auflagen erlassen. Dieser Pufferstreifen kann 6 , 20 , 50 oder 100 Meter betragen. Die Auflage ist auf der Etikette des Produkts deklariert, beispielsweise folgendermassen (Sicherheits­ satz SPe 3): «Zum Schutz von Gewässerorganismen eine unbehandelte Pufferzone von 20 m zu Oberflächenge­  wässern einhalten» (Abb. 2).

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Umwelt | Pflanzenschutzmittel und Oberflächen­g ewässer: praxisnahe Schutzmassnahmen

Durch technische Massnahmen ist es möglich, die Drift bei der Anwendung von PSM zu verringern. Es gibt des­ halb verschiedene Optionen, die in der Bewilligung fest­ gelegten Abstandsauflagen von 20 oder 50 Meter zu reduzieren. So dürfen die Sicherheitsabstände vom Anwender reduziert werden, wenn das Sprühgerät mit einer Anti-Drift-Vorrichtung beziehungsweise driftredu­ zierenden Düsen, die mindestens eine Reduktion von 75 Prozent erzielen, ausgerüstet ist oder wenn sich auf dem reduzierten Pufferstreifen ein genügend hoher, geschlos­ sener Vegetationsgürtel beziehungsweise eine gleich­ wertige physische Barriere befindet, die die Abdrift deutlich reduziert (BLW Homepage; Weisung 9.1.2008). Wird eine der zwei Massnahmen (Anti-Driftdüsen oder pflanzliche Barriere) erfüllt, kann der Pufferstreifen von 20 auf sechs Meter verringert werden; durch die Kombi­ nation der beiden Massnahmen (Anti-Driftdüsen und pflanzliche Barriere) ist es möglich, den Pufferstreifen von 50 auf sechs Meter zu reduzieren. Pufferstreifen dienen auch als Schutz vor Abschwem­ mung nach Regenereignissen. Die Anlage eines unbe­ handelten Pufferstreifens von sechs Metern mit geschlos­ sener Pflanzendecke zwischen Feld und Oberflächengewässer dient dem Rückhalt von PSM bei Regen und vermindert somit dem Eintrag ins Wasser. Ökologischer Leistungsnachweis ÖLN Damit ein Landwirtschaftsbetrieb durch Direktzahlun­ gen des Bundes unterstützt wird, muss er eine breite Palette an ökologischen Auflagen erfüllen, die unter dem Begriff «Ökologischer Leistungsnachweis» (ÖLN) zusammen gefasst sind. Eine Massnahme fordert einen mindestens sechs Meter breiten Pufferstreifen entlang von Oberflächengewässern (DZV, Artikel 7; Agridea 2009); (Abb. 2). Dieser Pufferstreifen dient dazu, dass die auf dem Kulturland ausgebrachte Dünger und Pflanzen­ schutzmittel nicht in benachbarte Gewässer gelangen. Der gras- oder krautartige Bewuchs ist gleichzeitig ein Schutz vor Erosion und reduziert die Abschwemmung von PSM durch Regen. Diese Pufferstreifen spielen eine wichtige Rolle für die Artenvielfalt und Dank der exten­ siven Nutzung sind sie ein wichtiger Lebensraum für Wildpflanzen und Nützlinge.

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Andere Massnahmen zum Schutz von Oberflächen-­ gewässern Zusätzlich zu den oben genannten Anforderungen, hilft die gute landwirtschaftliche Praxis, Oberflächengewäs­ ser vor möglichen unerwünschten Nebenwirkungen durch PSM zu schützen: ••gute Pflege des Zustands und der Einstellungen der Applikationsgeräte. ••Überwachen des Spritztanks-Füllens, um das Überlau­ fen zu vermeiden. ••Spülen der leeren Verpackungen und Entleerung des Spülwassers in den Tank. ••Einstellen des Sprühvolumens auf die zu behandelnde Oberfläche der Kultur, um unnötige Restmengen zu vermeiden. ••Behandlungen nur bei Wind bis maximal drei Beaufort (<19 km/h), um die Drift zu reduzieren. ••Behandlungen nicht vor extremen Wetterereignissen. ••Spülen des Spritzgeräts und Verteilen des Spülwassers auf dem Feld.

Schlussfolgerungen Der Pflanzenschutz gegen Schädlinge und Krankheiten erfordert den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, die Nebenwirkungen auf die Umwelt, insbesondere auf die aquatische Umwelt haben können. Basierend auf einer Risikobewertung sollen Massnahmen in der Bewilligung festgehalten werden, die sicher stellen, dass beim Ein­ satz der Produkte kein Risiko für Oberflächengewässer besteht. Diese Massnahmen wurden unter Berücksichtigung ihrer Umsetzbarkeit in der Praxis festgelegt. Durch die Einhaltung dieser Massnahmen beim Einsatz von Pflan­ zenschutzmitteln trägt der Landwirt respektive die Landwirtin entscheidend zum Schutz der aquatischen n Umwelt bei.


Prodotti fitosanitari e acque di superficie: misure di protezione orientate alla pratica I prodotti fitosanitari (PF) vengono impiegati sulle superfici agricole utili per proteggere le piante utili contro gli organismi nocivi. Tuttavia, essi possono giungere in habitat attigui per deriva e convogliamento. Nell'ambito dell'omologazione dei prodotti fitosanitari per ogni materia attiva vengono stabilite le concentrazioni accettabili per gli organismi acquatici (regulatory acceptable concentration = RAC). La valutazione dei rischi ambientali mette a confronto tali valori RAC con le concentrazioni attese nelle acque di superficie. Nel caso in cui dovesse essere calcolato un rischio troppo elevato per la fauna acquatica, si disporranno misure specifiche per ridurlo. Per proteggere le acque di superficieda principi attivi potenzialmente pericolosi si emanano prescrizioni relative alla distanza. Provvedimenti di natura tecnica, quali l'uso di ugelli antideriva e/o di barriere vegetali, permettono di ridurre il rischio di deriva durante l'impiego di PF. Inoltre, un'applicazione di questi ultimi conforme alle prescrizioni non comporta effetti secondari inaccettabili per l'ambiente.

Summary

Riassunto

Pflanzenschutzmittel und Oberflächen­g ewässer: praxisnahe Schutzmassnahmen | Umwelt

Pesticides and surface water: practical protective measures Plant protection products are applied to farmed land to protect crops from harmful organisms. From there, they might be transported via drift and run-off to adjacent habitats. For the active substances, regulatory acceptable concentrations (RAC) for aquatic organisms are determined during the authorization process. As part of the process of assessing the environmental risk, these RAC values are compared to predicted environmental concentrations in surface waters. If the result of this comparison indicates that the risk for aquatic communities is too high, specific measures to reduce the risk will be taken. In order to protect surface waters from potentially harmful substances, buffer strips between the site of application and the threatened habitat will be specified. By using technical measures such as anti-drift nozzles and/or vegetation barriers, it is possible to further reduce the drift from the farmland. If these substances are applied according to the regulations, there will be no adverse side-effects for the environment. Key words: protection goals, surface water, risk mitigation measure, plant protection.

Literatur ▪▪ Agridea KIP/PIOCH, 2009. Pufferstreifen – richtig messen und bewirt­ schaften. Grüne Nr.7/09. Zugang: http://www.agridea-lindau.ch/index. php?id=187&L=0. ▪▪ Chemikalien Risikoreduktions-Verordnung (ChemRRV), SR 814.81 (An­ hänge 25 und 2.6). ▪▪ Daniel O., Gandolfi M., Aldrich A., Baumann H. & Buchi R., 2007. Ökoto­ xikologische Risikoanalysen von Pflanzenschutzmitteln. Agrarforschung , 14 (6), 266–271. ▪▪ Direktzahlungsverordnung (DZV), SR 910.13 (Artikel 7, 48 und 73b). ▪▪ Ganzelmeier H., Rautmann D., Spagenberg R., Streloke M., Hermann M., Wenzelburger H.J. & Walter, H.F. 1995. Studies On The Spay Drift Of Plant Protection Products. Mitteilungen Aus Der Biologischen Bundesanstalt für Land und Forstwirtschaft, Berlin, Deutschland.

▪▪ Knauer K., Knauert S., Felix O. & Reinhard E., 2010. Aquatische Risiko­ bewertung von Pflanzenschutzmitteln. Agrarforschung 1 (10), 372–377. ▪▪ Pflanzenschutzmittelverordnung, PSMV, 2010. Verordnung über das In­ verkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln. 919.161. ▪▪ Rautmann D, Streloke M. & Winkler R., 2001. New basic drift values in the authorisation procedure for plant protection products. In: Workshop on Risk Assessment and Risk Mitigation Measures in the context of the Au­ thorisation of Plant Protection Products (WORMM; Forster, R., Streloke, M. Eds.), 27 – 29 September, 1999, Heft 383, Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft, Berlin and Braunschweig, Deutschland. ▪▪ Weisung BLW. Zugang: http://www.blw.admin.ch/the­ men/00011/00075/00224/index.html?lang=de.

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A g r a r w i r t s c h a f t

Wie sicher ist die Ernährungssicherung? Stefan Mann, Ali Ferjani und Albert Zimmermann, Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8046 Zürich Auskünfte: Stefan Mann, E-Mail: stefan.mann@art.admin.ch, Tel. +41 52 368 32 38

Lagerhaltung trägt zur Ernährungssicherung bei − auch im privaten Umfeld. (Foto: Stefan Mann, ART)

Einleitung In der Schweiz besteht ein relativ ausgefeiltes institutio­ nelles System der Ernährungssicherung, auch wenn dies von der Öffentlichkeit oft nicht besonders beachtet wird. Dieser Beitrag dient einer Darstellung und einer kriti­ schen Würdigung des Systems. Für diesen Zweck wird es zunächst beschrieben und dann in Relation zu den ent­ sprechenden Systemen in Deutschland und Österreich gestellt. Die Unterschiede werden in einem weiteren Abschnitt kurz erklärt. Abschliessend werden neuere Ent­ wicklungen auf den Weltagrarmärkten und der interna­ tionalen Politik aufgegriffen, um einem Urteil über die Angemessenheit des heutigen Systems näherzukommen.

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Ernährungssicherung im deutschsprachigen Raum Schweiz Das schweizerische System der Ernährungssicherung hat sich seit seiner Beschreibung durch Hättenschwiler und Flury (2007) kaum geändert. Die Zuständigkeit für die Krisenplanung und Krisenintervention liegt innerhalb der Bundesverwaltung beim Bundesamt für Wirtschaftli­ che Landesversorgung BWL, das einen Projektausschuss Ernährungssicherung aufbietet, der sich aus Wirtschafts­ vertreterinnen und -vertretern sowie Mitarbeitenden der Bundesverwaltung zusammensetzt. Kernstück des Systems ist einerseits das Vorhalten ausgeprägter Pflicht­ lagerbestände an haltbaren Nahrungsmitteln im Umfang eines drei- bis viermonatigen Durchschnittsverbrauchs


Wie sicher ist die Ernährungssicherung?

Zusammenfassung

(Getreide, Reis, Zucker, Speiseöle, Kaffee). Andererseits sorgt eine gezielte Produktionslenkung und im Fall einer langandauernden Krise die Rationierung von Lebensmit­ teln für eine gewisse Ausgeglichenheit bei Angebot und Nachfrage. Dabei wird die Feinsteuerung durch ein Modell (DDSS-ESSA) sichergestellt, das nicht nur durch die zuständigen Akademikerinnen und Akademiker, sondern auch durch eine Anzahl von Super Usern bei den relevanten Stakeholdern der Lebensmittelwirtschaft bedient werden kann. Das Modellsystem DDSS-ESSA (Distributed Decision Support System der Ernährungssicherungsstrategie für die Angebotslenkung) wurde vom Departement für Informatik der Universität Fribourg entwickelt. Weil es häufig als Anwendungsbeispiel in der Lehre diente, ent­ spricht es den grundlegenden Prinzipien der Program­ mierung und Datenhaltung. Ein entscheidungsunter­ stützendes System (DSS) unterstützt die verantwortlichen Entscheidungstragenden, damit sie möglichst rasch, transparent und effektiv auf komplexe Fragestellungen reagieren können. Als verteiltes System (DDSS) ist es in einem gemeinsamen Netzwerk mit Zugriff mehrerer Entscheidungsberaterinnen und -berater gleichzeitig einsetzbar. Das DDSS-ESSA kann sowohl passiv die Kon­ sequenzen bestimmter Entscheide überprüfen als auch aktiv Lösungsvorschläge für neue Problemstellungen ermitteln. Abbildung 1 gibt eine Übersicht über die Architektur des DDSS-ESSA. Kernstück ist ein wissensbasiertes Sys­ tem, das alle wichtigen Zusammenhänge der Nahrungs­ 

Nach den positiven Erfahrungen einer möglichst grossen Ausdehnung der Inlandproduktion zur Sicherung der Nahrungsmittelversorgung im Zweiten Weltkrieg hat die Anbauplanung und Lagerhaltung für Krisensituationen in der Schweiz ein grösseres Gewicht erhalten als im benachbarten Ausland. Mit dem Aufkommen des Operation-Research wurden Systeme zur reinen Optimierung der Kalorien- und Nährstoffversorgung zum festen Bestandteil der Krisenvorsorge. Der heutige internationale Diskurs zur Ernährungssicherheit fokussiert dagegen auf die dynamische Preisentwicklung und die Preisschwankungen der Lebensmittel, ein Aspekt, der bisher keinen Eingang in die schweizerische Vorsorgestrategie gefunden hat. Jüngste Nahrungsmittelkrisen zeigen jedoch, dass gerade für die Schweiz nominale Versorgungsausfälle immer weniger wahrscheinlich werden als kardinale (d. h. fliessende) Angebotsengpässe, in welchen Preisanstiege für Teile der Bevölkerung zu einem Versorgungsproblem werden könnten. Um die schweizerische Ernährungsplanung auch auf solche Krisensituationen auszurichten, müsste die Preisentwicklung als entscheidende Variable mit in die Krisenplanung aufgenommen werden.

Benutzerschnittstelle Auswahl Datenbasis

Datenbank Gespeichertes Faktenwissen

Szenarioannahmen

Strategische Entscheide

| Agrarwirtschaft

Resultatberichte

Operative Entscheide

Modell Gespeichertes Zusammenhangswissen Pflanzenproduktion Kulturen (36)

Freie Lager

Tierhaltung Tierkategorien (45)

Pflichtlager

Agrarstatistik Aussenhandelsstatistik Fachexperten

Importe/ Exporte

Solver Minimierung Nahrungsdefizit

Verarbeitung/Verwendung Nahrungsmittel oder Futtermittel Ernährung Ernährungsniveau, Nahrungsmittelrationen

Abb. 1 | Systemübersicht DDSS-ESSA.

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Agrarwirtschaft | Wie sicher ist die Ernährungssicherung?

mittelversorgung beschreibt und quantifiziert. Es besteht aus einer ständig aktuell gehaltenen Datenbank und einem mathematischen Simulations- und Optimie­ rungsmodell. Alle Anwendungen, von der Auswahl der Datenbasis, der Beschreibung des Krisenszenarios, der Festlegung von Vorentscheiden bis zur Erstellung von Daten- und Resultatberichten sind flexibel über eine Benutzerschnittstelle steuerbar (Abb. 2). Die wichtigste Zielfunktion des Optimierungsmodells ist die Minimie­ rung des Nahrungsdefizits. Gleichzeitig soll die Verlet­ zung von Regeln wie Fütterungsempfehlungen in der Tierhaltung oder Nahrungsgewohnheiten möglichst gering gehalten werden. Der Optimierungszeitraum erstreckt sich über einen Zeitraum von bis zu drei Jahren. Wichtigste Modellresultate sind die zur Optimierung der Nahrungsmittelversorgung erforderlichen Massnahmen wie Pflichtlagerfreigaben, Exportbeschränkungen und Anbauplanung. Die Resultate können in detaillierten Berichten ausgegeben werden. Die Stärke des Modellsystems ist neben seinem syste­ matischen Aufbau und der Benutzerfreundlichkeit die detaillierte Formulierung der produktionstechnischen Zusammenhänge. Dies ermöglicht die Generierung von Modelllösungen, die mittels einfacher Planungsrech­ nung kaum eruiert werden könnten. Schwächen des Sys­ tems sind fehlende Hinweise zur Erreichung der optima­ len Angebotsmengen in der Realität und die fast vollständige Abwesenheit von monetären Grössen. Lediglich konstante Deckungsbeiträge werden im Modell mit berechnet. Deutschland Das deutsche System ist mit dem schweizerischen ver­ gleichbar, wenn es auch auf viel kleinerer Flamme gefah­ ren wird. Die unterstützende Software heisst hier deNIS (für «deutsches Notfallvorsorge-Informationssystem») und ist allerdings weder ein Optimierungstool noch spe­ zifisch auf den Ernährungsbereich zugeschnitten. Viel­ mehr dient das System der raschen Verbreitung von Informationen in der deutschen Bevölkerung über aktu­ elle Gefahrenarten und empfohlene Verhaltensweisen. Auch in Deutschland werden Lebensmittel im Rahmen einer staatlichen Notreserve gehalten, für die auch hier die Zuständigkeit mit der Bundesanstalt für Landwirt­ schaft und Ernährung bei einer nachgeordneten Behörde liegt. Die Reserven sind organisiert in die staat­ lich organisierte Bundesreserve Getreide und in die von der Privatwirtschaft vorgehaltene zivile Notfallreserve, die Reis, Erbsen, Linsen und Kondensmilch umfasst. Kri­ terium für die Auswahl der Lebensmittel ist in erster Linie ihre lange Haltbarkeit. So muss die Bundesreserve «Getreide» nur etwa alle zehn Jahre umgewälzt werden.

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Agrarforschung Schweiz 3 (11–12): 538–543, 2012

Allerdings stellt das zuständige Bundesministerium auch klar: «Der Krisenbevorratung im Lebensmittelbereich liegt nicht der Ansatz zu Grunde, eine Vollversorgung der mehr als 82 Millionen in der Bundesrepublik Deutsch­ land lebenden Bürgerinnen und Bürger über einen län­ geren Zeitraum sicher zu stellen. (…) Je nachdem, wie viele zu verpflegende Personen und welche Tagesration pro Person unterstellt werden, reichen die Vorräte, je nach eingelagertem Produkt, zwischen wenigen Tagen bis hin zu mehreren Wochen» (Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz 2012). Dies zeigt, dass das deutsche System im Vergleich zum südlichen Nachbarn deutlich weniger ehrgeizig aus­ gelegt ist. Österreich In der österreichischen Literatur finden sich keine Hin­ weise auf ein ausgestaltetes System der Ernährungsvor­ sorge, auch wenn ein solches zuweilen eingefordert wird (Wohlmeyer 2007); eine entsprechende schriftliche Anfrage an die offiziellen Stellen blieb unbeantwortet. Eine Veröffentlichung des zuständigen Bundesministeri­ ums (Gruber 1998) trägt zwar den Titel «Ernährungsvor­ sorge im Krisenfall», in ihr ist aber vor allem etwas über Agrarumweltpolitik und die Beziehung Österreichs zur Organisation des Nordatlantikvertrags (NATO) zu lesen. Dass sich Deutschland und vor allem Österreich so viel weniger Sorgen um ihre Ernährungssicherheit machen als die Schweiz, hat sowohl historische als auch systematische Gründe. Die Erfahrungen der Schweiz als Insel innerhalb des nationalsozialistisch beherrschten Territoriums im II. Weltkrieg wirkt hier sicher nach. Gleichzeitig liegt aber in Deutschland und Österreich der Selbstversorgungsgrad bei gegen 100 % (BMELV 2010; BMLFUW 2010), während er in der Schweiz unter 60 % liegt (SBV 2011). Dies erhöht zumindest das Gefühl der Vulnerabilität bei Krisen, auch wenn unwahrscheinlich ist, dass ein hoher Selbstversorgungsgrad in unkritischen Zeiten viel zur Ernährungssicherheit in Krisensituationen beiträgt (Mann 2008). Internationale Diskussion Der Diskurs zur Ernährungssicherheit findet nicht nur auf den nationalen Bühnen, er findet auch auf internati­ onaler Ebene statt. Auch für die Einordnung der Schwei­ zer Strategie ist aufschlussreich, in welchen Bahnen die­ ser internationale Diskurs verläuft. Kurz gesagt beschäftigen sich jene, die im Auftrag der FAO (Food and Agriculture Organization) oder der OECD (Economic Cooperation and Development) zu Ernährungssicherheit arbeiten, mit deutlich anderen Fragestellungen als die Schweizer Regierungen.


Wie sicher ist die Ernährungssicherung?

| Agrarwirtschaft

DDSS-ESSA +

Datenmanager

-

Szenariomanager

-

Szenario Trockenheit

+

Reduzierter Aussenhandel

+

Aufgabenmanager

+

Entscheidungsmanager

+

Auswertungsmanager

+ +

Berichtsmanager

Andere Benutzer

Abb. 2 | Benutzerschnittstelle DDSS-ESSA.

••Die Schaffung von Ernährungssicherheit in Entwick­ lungsländern ist eine Kernaufgabe der FAO als Unter­ organisation der UNO. Das besondere Interesse der Organisation richtet sich dabei immer stärker auf die Preisentwicklung, und zwar nicht nur auf das durch­ schnittliche Preisniveau, sondern auch auf die Preis­ schwankungen. Eine ebenso umfangreiche wie neue Publikation der FAO (Prakash 2011) rückt die Tatsache in den Mittelpunkt, dass hohe Preisschwankungen mit plötzlichen Kaufkraftverlusten und daher mit Hunger in ärmeren Bevölkerungsschichten einhergehen. •• Die OECD beschäftigt sich aufgrund ihrer Mitglieder­ struktur stärker mit Ernährungssicherheit in Industrielän­ dern. Auch bei der OECD steht jedoch das Preis­niveau stets an zentraler Stelle, wenn Aussagen zur Ernährungs­ sicherheit gemacht werden (OECD 2010), da auch heute der Welthunger eher Mangel an Kaufkraft als der fehlenden Verfügbarkeit von Nahrung zuzuschreiben ist (Dewbre 2010). Zudem wird die Bedeutung der mak­ roökonomischen Entwicklung in den Mittelpunkt gerückt: Ernährungssicherheit und Wirtschaftswachstum sind in den von Hunger heute noch betroffenen Ländern nicht voneinander zu trennen.

Insgesamt kann festgehalten werden, dass der internati­ onale Diskurs zur Ernährungssicherheit mit dem Diskurs über Nahrungsmittelpreise eng verbunden ist. Dies ist für die Akteure in der Schweiz einerseits beruhigend, da die Kaufkraft im internationalen Vergleich hier so hoch ist, so dass es erst spät zu kaufkraftbedingten Ernäh­ rungskrisen kommen könnte. Andererseits bedeutet die Situation in Bezug auf den laufenden Diskurs auch, dass die Politik zur Vorsorge vor Verfügbarkeitsengpässen weitgehend selbständig und ohne bedeutsame Unter­ stützung der Staatengemeinschaft zu definieren ist. Sind Krisen kardinal oder nominal? Es wurde bereits dargestellt, dass das in der Schweiz vor­ herrschende Verständnis von Ernährungskrisen noch stark von der Natur kriegsbedingter Ereignisse her geprägt ist. Im Falle eines Krieges, in den etwa die Nach­ barländer der Schweiz involviert sind, ist leicht nachvoll­ ziehbar, dass Krisen nominale Ereignisse sind, das heisst das Eintreffen einer Krise ist klar zu beobachten und folgt einer Logik von 1 (Krise eingetreten) oder 0 (Krise nicht eingetreten). Dies deckt sich weitgehend mit den Krisenszenarien ausserhalb des Ernährungsbereichs:

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Agrarwirtschaft | Wie sicher ist die Ernährungssicherung?

Stromausfälle, die Massnahmen der wirtschaftlichen Landesvorsorge erfordern, sind ebenso nominale Ereig­ nisse wie Pandemien. Auch ohne kriegerische Ereignisse sind nominal geprägte Krisenereignisse im Ernährungs­ bereich gut vorstellbar, etwa durch Naturkatastrophen oder Atomunfälle. Daneben besteht jedoch zunehmend auch die Mög­ lichkeit eines kardinalen, das heisst des schleichenden Eintretens einer Ernährungskrise. Ein möglicher Aus­ gangspunkt hierfür könnten Ausfuhrstopps sein, wie sie zahlreiche Staaten bereits 2007 und 2008 aufgrund hoher Preise und knapper Mengen verhängten, betrof­ fen wären insbesondere Grundnahrungsmittel. Solche Massnahmen erhöhen die Weltmarktpreise zusätzlich (Mitra und Josling 2009) und können zu Situationen füh­ ren, wo aufgrund erhöhter Preise selbst in so wohlha­ benden Ländern wie der Schweiz eine ausreichende Ver­ sorgung bestimmter Bevölkerungskreise nicht mehr gegeben ist. Ab wann in solchen Fällen von einer Krise gesprochen werden kann und welche Massnahmen sei­ tens des Staates einzuleiten sind, ist derzeit nicht hinrei­ chend definiert. Etwas komplizierter wird diese Situation noch durch Artikel 30 des Landesversorgungsgesetzes, der festlegt: «Massnahmen (…) dürfen nicht zum Ausgleich von Preis­ schwankungen dienen, solange das Angebot mengen­ mässig ausreichend ist.» Es wird schwierig sein festzule­ gen, wann hohe Preise noch Ausdruck von Preisschwankungen sind, und wann die Preise quasi chronisch hoch sind. Ernährungskrise 2003 Das einzige Mal, dass der Bund in der jüngeren Ver­ gangenheit im Bereich der Ernährungsversorgung im Sinn einer Krisenintervention aktiv wurde, ist ein sehr gutes Beispiel für eine kardinale Krise. Aufgrund hoher Temperaturen und fehlender Niederschläge war die nationale Versorgung mit Grünfutter im Sommer 2003 extrem knapp. Zum 1. August 2003 wurde der Zoll auf Heu auf fünf Franken pro 100 kg gesenkt und in zwei Schritten der Zoll auf Grassiloballen und Silo­ mais aufgehoben. Am 1. September 2003 schliesslich wurde auch der Zoll für Heu gänzlich aufgehoben. Nach der «reinen Lehre» war dies eine fragwürdige Massnahme, da Heu ja auch vor der Zollsenkung in den Nachbarländern verfügbar war und die Regulie­ rung allein mit preispolitischen Massnahmen erfolgte. Die Unterstützung durch das Modell DDSS-ESSA konnte daher auch zu dieser Entscheidung nichts bei­ tragen. Dennoch wurde die Versorgung mit tierischen Lebensmitteln durch den getroffenen Entscheid zwei­ fellos stabilisiert.

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Schlussfolgerungen Einerseits ist die Schweiz für Krisen im Ernährungsbe­ reich sicher überdurchschnittlich gut vorbereitet. Auf der anderen Seite sind die bestehenden Strategien und die sie unterstützenden Modelle noch immer weitge­ hend im Geist der kriegswirtschaftlichen Vorsorge gehal­ ten. Insbesondere Marktturbulenzen, die existenzbedro­ hend werden können, werden im Vergleich dazu kaum antizipiert. Es ist eine forschungspolitisch zu treffende Entschei­ dung, ob die Ernährungsplanung in der Schweiz auch zukünftig durch Modelle unterstützt werden soll. Für den Fall, dass dieser Entscheid positiv ausfällt, hat Agros­ cope bereits ein Konzept vorgelegt, das sowohl kardi­ nale als auch nominale Krisen abbildet, Preise als ent­ scheidende Variable einbezieht und auch eine allfällige Anbauplanung konkretisiert, indem Vegetationsperio­ den mit berücksichtigt werden. Dieses Konzept wird der­ zeit von den zuständigen Gremien diskutiert. n


Quanto è certa la sicurezza alimentare? Dopo le esperienze positive fatte con l’estensione massima possibile della produzione indigena per garantire l’approvvigionamento in derrate alimentari durante la Seconda guerra mondiale, la pianificazione della coltivazione e la detenzione di scorte per situazioni di crisi in Svizzera ha conservato un peso maggiore rispetto ai Paesi confinanti. Con la diffusione della ricerca operativa, i sistemi di ottimizzazione dell'approvvigionamento in calorie e sostanze nutritive sono diventati una componente fissa nella prevenzione delle crisi. Il dibattito odierno internazionale sulla sicurezza alimentare si concentra invece sull’evoluzione dinamica e sulla fluttuazione dei prezzi degli alimenti, un aspetto che finora non ha trovato alcun riscontro nella strategia preventiva svizzera. Le recenti crisi alimentari mostrano però che per la Svizzera la penuria nominale sarà sempre meno probabile rispetto alle difficoltà cardinali dell'offerta (ovvero fluttuanti), le quali comportano rincari che potrebbero diventare un problema per determinate fasce della popolazione per quanto riguarda l’approvvigionamento. Onde impostare la pianificazione alimentare anche in funzione di tali situazioni di crisi, l'evoluzione dei prezzi dovrebbe essere inclusa come variabile decisiva nella pianificazione della crisi.

Literatur ▪▪ Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher­ schutz, 2012. Staatliche Vorsorge. Zugang: http://www.ernaehrungsvor­ sorge.de/de/staatliche-vorsorge/haeufig-gestellte-fragen-faq/ [27.3.12]. ▪▪ BMELV, 2010. Die deutsche Landwirtschaft − Leistungen in Daten und Fakten. Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau­ cherschutz, Berlin. ▪▪ BMLFUW, 2010. Lebensmittelbericht Österreich 2010. Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, Wien. ▪▪ Dewbre J., 2010. Food Security. OECD Observer n° 278, March 2010 ▪▪ Gruber H.-G., 1998. Ernährungsvorsorge im Krisenfall – ein wichtiges An­ liegen der österreichischen Agrarpolitik. Der Förderungsdienst 8 (1998), 267−268. ▪▪ Hättenschwiler P. & Flury C., 2007. Beitrag der Landwirtschaft zur Ernäh­ rungssicherung. Agrarforschung 14 (11−12), 554−559.

Summary

Riassunto

Wie sicher ist die Ernährungssicherung?

| Agrarwirtschaft

How secure is food security? After the positive experience of expanding domestic production to the maximum in order to safeguard the food supply in the Second World War, greater importance has been attached to crop planning and storage for crisis situations in Switzerland than in neighbouring countries. The emergence of operational research meant that systems for the sole purpose of optimising calorie and nutrient supply became an integral component of crisis preparedness. Today’s international debate on food security, on the other hand, focuses on the dynamic price trends and price fluctuations of food, an aspect which has not as yet been incorporated into Swiss preventative strategy. However, the most recent food crises show that, especially for Switzerland, nominal supply failures are becoming increasing less likely than cardinal (i.e. fluid) supply constraints, in which price rises could become a supply problem for parts of the population. In order to gear Swiss nutritional planning to such crisis situations as well, price trends need to be included as a key variable in crisis planning. Key words: food security, modelling, price volatility.

▪▪ Mann S., 2008. Degrees of Jointness for Food Security and Agriculture. In OECD: Multifunctionality in Agriculture – evaluating the degree of joint­ ness, policy Implications, 159−170. Paris. ▪▪ Mitra S. & Josling T., 2009. Agricultural Export Restrictions: Welfare ­I mplications and Trade Disciplines. Washington: IFPRI. ▪▪ Prakash A., 2011. Safeguarding Food Security in Volatile Global Markets. Rom: FAO. ▪▪ SBV, 2011. Statistische Erhebungen und Schätzungen über Landwirt­ schaft und Ernährung, 2010. Schweizerischer Bauernverband, Brugg. ▪▪ Wirtschaftliche Landesversorgung, 2000. Eckwerte und Schlüsselaussa­ gen zur Ernährungssicherungs-Strategie. Mimeo, Bern. ▪▪ Wohlmeyer H., 2007. Ich möchte im Leben nie mehr Hunger sehen. In ­ E. Loibl & Krammer J.: Das Politische ist persönlich, das Persönliche ist politisch. Bundesanstalt für Bergbauernfragen, Wien.

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N u t z t i e r e

Sporengehalte an Buttersäurebakterien in ­Silagen und Feuchtheu unter der Lupe Ueli Wyss und Daniel Goy, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP-Haras, 1725 Posieux Auskünfte: Ueli Wyss, E-Mail: ueli.wyss@alp.admin.ch, Tel. +41 26 407 72 14

Bei der Bereitung von Grassilagen besteht ein erhöhtes Risiko, dass durch Fehlgärungen eine Butter­ säuregärung stattfindet. (Foto: U. Wyss, ALP).

Einleitung Wird in der Schweiz silofreie Milch gemäss der Milch­ preisstützungsverordnung zur Herstellung von Halb­ hart-, Hart- und Extra-Hartkäse produziert, richtet der Bund den Produzenten und Produzentinnen zusätzlich eine Zulage von drei Rappen je Kilogramm verkäster Milch aus. Grund für die gezielte Förderung der Produk­ tion von silofreier Milch sind die erhöhten Gehalte an Sporen von Buttersäurebakterien (BSB, Clostridium tyro­ butyricum) in Silomilch, die während der Reifung von Halbhart- und Hartkäsen zu unerwünschten Fehlgärun­ gen (Buttersäuregärung) führen können. Käse mit einer solchen Fehlgärung weisen aufgrund der Bildung von Wasserstoff eine typische Blähung auf und werden durch die fortlaufende Bildung von Buttersäure zuneh­

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mend ungeniessbar. Ein Sporengehalt von 50 Sporen pro Liter Milch kann bereits ausreichen, um eine Buttersäu­ regärung in gereiften Käsen hervorzurufen (Bachmann 1999). Wie neuere Untersuchungen von Schaeren et al. (2005) zeigen, ist der Buttersäurebakterien-Sporenge­ halt in der Milch von Kühen, die mit Silage gefüttert wurden, insbesondere im Winter höher als in der Milch ohne Silagefütterung. Durch den Einsatz technologischer Verfahren wie Bactofugation oder Mikrofiltration kann die Belastung der Verarbeitungsmilch mit BSB-Sporen stark reduziert werden. Der Nachteil der Entkeimungsmikrofiltration liegt darin, dass auch die Rohmilchflora weitgehend eli­ miniert und beispielsweise bei Grosslochkäse auch die Lochbildung im Käse stark reduziert wird. Bei Schweizer AOC-Käsen ist die Anwendung dieser technologischen


Alternativen gemäss den geltenden Pflichtenheften nicht erlaubt. Neben diesen technologischen Massnahmen lässt sich das Wachstum von Clostridium tyrobutyricum auch durch die Zugabe von Zusatzstoffen wie Nitrat oder Lysozym unterdrücken. Schweizer Käse soll als Naturpro­ dukt wahrgenommen werden. Sowohl die öffent­ lich-rechtlichen AOC-Pflichtenhefte wie auch verschie­ dene privatrechtliche Bestimmungen und Vereinbarungen schliessen daher den Einsatz von Zusatzstoffen aus. Auch Feuchtheu, das beim Pressen mit einem Konser­ vierungsmittel behandelt wurde, gilt als Silage, wenn der TS-Gehalt bei der Verfütterung unter 82 % liegt. Für einige Käse, wie Le Gruyère AOC, ist der Einsatz von che­ mischen Konservierungsmitteln für alle Raufutterarten unabhängig vom TS-Gehalt generell verboten. Es stellt sich dennoch die Frage, wie hoch das Restri­ siko bei der Käseherstellung ist, wenn Silagen oder Feuchtheu verfüttert werden. Das Ziel der vorliegenden Versuche war es, die Buttersäuresporen-Belastung des Futters, des Kotes und der Milch bei der Verfütterung von Feuchtheu und Silagen mit zwei unterschiedlichen TS-Gehalten zu untersuchen. Weiter sollte geprüft wer­ den, ob mit der erzielten Sporenbelastung in der Rohmilch eine Verarbeitung zu Hartkäse möglich ist.

Material und Methoden Es war geplant, von der gleichen Parzelle Silagen mit zwei unterschiedlichen TS-Gehalten, Feuchtheu und Belüftungsheu herzustellen. Aufgrund von Problemen mit dem Wetter konnte im ersten Durchgang kein Feuchtheu produziert werden. Somit wurden mit dem Futter vom ersten Aufwuchs im Mai 2008 Quaderballen­ silagen mit 38 und 53 % TS sowie Dürrfutter (Heubelüf­ tung) hergestellt. Im August 2008 wurde vom dritten Aufwuchs von der gleichen Parzelle erneut Dürrfutter (Heubelüftung) und zusätzlich Feuchtheu produziert. Das Feuchtheu wurde bei einem durchschnittlichen TS-Gehalt von 80 % in Rundballen gepresst, wobei als Konservierungsmittel Propionsäure eingesetzt wurde (Lupro Grain, 5,9 l/t Futter). Bei der Verfütterung wies das Feuchtheu im Durchschnitt 84 % TS auf. Im Juli/August 2008 und im Januar/Februar 2009 erfolgten die Fütterungs- und Verarbeitungsversuche zu Käse. Während zwei Wochen (Vorperiode) erhielten alle Kühe das gleiche Futter: Dürrfutter ad libitum, 0,3 kg Mineralstoffmischung sowie Kraftfutter (Getrei­ demischung und Proteinkonzentrat) in Abhängigkeit der Milchleistung. Das Dürrfutter, das während den Vorperioden in den beiden Versuchen verfüttert wurde, war nicht identisch mit dem Dürrfutter der Versuchs­ parzellen.

Zusammenfassung

Sporengehalte an Buttersäurebakterien in ­S ilagen und Feuchtheu unter der Lupe | Nutztiere

Die Pflichtenhefte diverser traditioneller Schweizer Halbhart- und Hartkäse verbieten die Verfütterung von konserviertem Futter mit mehr als 18 % Wasser an Milchkühe. In zwei Versuchen wurde die Buttersäurebakterien-Belastung des Futters, des Kotes und der Milch bei der Verfütterung von Feuchtheu und Silagen untersucht. Zudem wurde aus der Milch Hartkäse hergestellt. Im ersten Versuch wurden vom gleichen Ausgangsmaterial Silagen mit 38 und 53 % Trockensubstanz (TS) sowie Belüftungsheu hergestellt. Im zweiten Versuch wurde Feuchtheu mit Propionsäure behandelt und Belüftungsheu hergestellt. Das Feuchtheu wies beim Pressen durchschnittlich 80 % und bei der Verfütterung 84 % TS auf. Die einzelnen Futter wurden jeweils während drei Wochen an Milchkühe verfüttert. Anhand regelmässig entnommener Futter-, Kot- und Milchproben wurde die Anzahl Buttersäurebakterien-­ Sporen bestimmt. In der dritten Versuchs­ woche wurde an zwei Tagen Hartkäse hergestellt. Das Futter wies tiefe Buttersäurebakterien-Sporengehalte auf. Bei den Grassilagen beziehungsweise der Variante mit Feuchtheu wies die Milch – im Vergleich zur Variante mit Belüftungsheu – leicht höhere Sporengehalte auf. Es traten jedoch keine Probleme bei der Käseherstellung auf.

Unterschiedliches Futter an Kuhgruppen getestet Am Ende der Vorperiode wurden die Kühe auf drei (1. Versuch: Belüftungsheu und Silagen mit 38 und 53 % TS) beziehungsweise zwei (2. Versuch: Belüftungsheu und Feuchtheu) homogene Gruppen aufgeteilt. In einer Gruppe befanden sich jeweils zehn Kühe, die in einem getrennten Abteil des Laufstalles gehalten wurden. Während drei Wochen (Versuchsperiode) wurden an die drei beziehungsweise zwei Gruppen die unterschiedli­ chen Versuchsfutter in den Wiegetrögen ad libitum ver­ füttert. Zusätzlich erhielten die Tiere 0,3 kg Mineral­ stoffe und das Kraftfutter an der Kraftfutterstation in Abhängigkeit ihrer Milchleistung. Vor jedem Melken  wurden die Euter mit einem Euterpapier gereinigt.

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Nutztiere | Sporengehalte an Buttersäurebakterien in ­S ilagen und Feuchtheu unter der Lupe

Tab. 1 | Gehaltswerte der Raufutter 1. Versuch

2. Versuch

Dürrfutter Vorperiode

Belüftungsheu

Silage 53 % TS

Silage 38 % TS

Dürrfutter Vorperiode

Belüftungsheu

Feuchtheu

TS-Gehalt

%

88,3

87,5

53,4

37,5

88,4

90,3

84,1

Rohasche

g/kg TS

101

83

92

96

84

97

97

Rohprotein

g/kg TS

152

134

146

163

142

138

150

Rohfaser

g/kg TS

298

234

249

252

221

305

300

ADF

g/kg TS

330

250

275

281

243

337

337

NDF

g/kg TS

522

455

462

450

447

540

535

Zucker

g/kg TS

96

149

145

66

131

83

78

MJ/kg TS

5,3

5,7

5,7

5,8

5,5

5,1

5,2

APDE

NEL

g/kg TS

90

90

84

80

91

86

89

APDN

g/kg TS

97

85

92

102

90

88

96

TS: Trockensubstanz; ADF: Lignozellulose; NDF: Zellwände; NEL: Netto Energie Laktation APDE: Absorbierbares Protein im Darm, dass auf Grund der verfügbaren Energie aufgebaut werden kann APDN: Absorbierbares Protein im Darm, dass auf Grund des abgebauten Rohproteins aufgebaut werden kann

Beim ersten Versuch hatten alle Kühe noch einen beschränkten Zugang (max. 5 kg pro Tag) zum Dürrfut­ ter, welches bereits in der Vorperiode verfüttert wurde. Beim zweiten Versuch waren die beiden Versuchsfutter (Dürrfutter oder Feuchtheu) die alleinigen Raufutter. Zweimal wöchentlich wurden von den Raufuttermitteln Proben zur Bestimmung der TS-Gehalte und Buttersäu­ rebakterien-Sporen sowie zusätzlich bei den Silagen und beim Feuchtheu für die Gärparameter genommen. Ein­ mal pro Woche wurden auch die Rohnährstoffe im Rauund Kraftfutter analysiert und die Keimzahlen von Hefen, Schimmelpilzen und aeroben mesophilen Bakte­ rien im Raufutter bestimmt. Zusätzlich wurden fünf Feuchtheuballen speziell beprobt und von vier verschie­ denen Stellen Analysen durchgeführt. Kot, Futter, Milch und Käse untersucht In der Vorperiode sowie in der zweiten und dritten Ver­ suchswoche wurden von allen Kühen Kotproben gezo­ gen und Mischproben pro Variante auf die Buttersäure­ bakterien-Sporen untersucht. Der Futterverzehr wurde täglich erhoben. Die Milchleistung wurde zweimal täg­ lich gemessen. Wöchentlich wurden Milchproben zur Bestimmung der Milchinhaltsstoffe genommen. In der dritten Versuchswoche wurden die Buttersäurebakteri­ en-Sporen in der Milch bestimmt und zweimal mit einer Mischung aus Abend- und Morgenmilch pro Versuchsva­ riante Hartkäse hergestellt. Im Futter, im Kot und in der Milch wurden die Buttersäurebakterien-Sporen nach der MPN-Methode (most probable number) bestimmt. Von den Versuchskäsen wurden nach 50, 100 und 150 Tagen

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Lagerung Proben entnommen und auf verschiedene Parameter untersucht. Nach einer fünfmonatigen Lage­ rung wurde die Qualität der Versuchskäse von einem Fachteam beurteilt. Die statistische Auswertung erfolgte mit einer Varianzanalyse und dem Bonferroni-Test (Pro­ gramm SYSTAT 12).

Resultate und Diskussion Gehaltswerte des Raufutters Das Futter für die Silage- und Dürrfutterbereitung stammte von einer Kunstwiese vom ersten und dritten Aufwuchs. Beim ersten Aufwuchs war das Futter vom Typ ausgewogen raigrasbetont und beim dritten Auf­ wuchs ausgewogen. Die Rohnährstoffe der Silagen, Feuchtheu und Dürrfutter (Heubelüftung) sind aus Tabelle 1 ersichtlich. Beim ersten Aufwuchs wiesen die Silagen und das Dürrfutter mit zunehmendem TS-Gehalt weniger Rohprotein und Faser sowie mehr Zucker auf, was einerseits auf die Bröckelverluste und andererseits auf die unterschiedliche Fermentation im Silo zurückzu­ führen ist. Die beiden Silagen mit 38 und 53 % TS wiesen pH-Werte von 4,5 und 5,5, Milchsäuregehalte von 80 und 23 g/kg TS, Essigsäuregehalte von 14 und 4 g/kg TS, Buttersäuregehalte von je 1 g/kg TS sowie 100 und 90 DLG-Punkte auf. Dies bedeutet, dass beide Silagen eine sehr gute Gärqualität aufwiesen. Beim Futter vom drit­ ten Aufwuchs wies das Feuchtheu sogar höhere Rohpro­ tein-, APDE-, APDN- und NEL-Gehalte auf im Vergleich zum Dürrfutter, das auf der Heubelüftung getrocknet wurde. Da das Dürrfutter nach der Heubelüftung für die


Sporengehalte an Buttersäurebakterien in ­S ilagen und Feuchtheu unter der Lupe | Nutztiere

8,0 7,0

Schimmel (log KBE/g)

6,0 5,0 4,0 3,0 2,0 y = - 0,666x + 7,634

1,0

R²= 0,54

0,0 0

1

2

3

4

5

6

7

8

Propionsäure (g/kg TS) Abb. 1 | Zusammenhang zwischen dem Propionsäuregehalt und dem Schimmelpilzbefall im Futter (KBE: koloniebildende Einheiten).

Lagerung in Quaderballen gepresst wurde und durch den Pressvorgang Bröckelverluste auftraten, dürften die Unterschiede auf diese Effekte zurückzuführen sein. Das Feuchtheu in den Ballen machte nur eine sehr geringe Milchsäure- und keine Buttersäuregärung durch. Der pH-Wert betrug 6,0; im Durchschnitt wurden 5 g Milch­ säure, 1 g Essigsäure, 3 g Propionsäure pro kg TS und keine Buttersäure nachgewiesen. Die zonalen Untersuchungen in den Feuchtheubal­ len zeigten, dass der TS-Gehalt innerhalb der Ballen unterschiedlich hoch war. Dieser betrug im Durchschnitt 83,2 %, variierte jedoch zwischen 79,9 und 85,8 %. Dabei waren die Werte am Ballenrand höher als im Ballenzen­ trum, was auf eine unterschiedliche Nachtrocknung zurückzuführen sein dürfte. Zwischen dem Gehalt an Propionsäure und dem Schimmelpilzbesatz gab es einen Zusammenhang, wie aus Abbildung 1 ersichtlich ist. Je mehr Propionsäure mit dem Konservierungsmittel zugesetzt wurde, desto weni­ ger stark konnten sich die Schimmelpilze entwickeln. Untersuchungen von Wyss (2012) haben gezeigt, dass die richtige Dosierung des Konservierungsmittels ent­ scheidend für die Unterdrückung der Schimmelpilze ist. Keine signifikanten Unterschiede bei der Milch Obwohl die Silagen in beiden Fällen eine gute Qualität aufwiesen, war der TS-Verzehr bei den beiden Silageva­ rianten tiefer als bei der Dürrfuttervariante (Tab. 2). Dass die Tiere Grassilagen im Vergleich zum Dürrfutter aus dem gleichen Ausgangsmaterial oft schlechter fressen, zeigen auch Untersuchungen von Jans (1991). Dabei sind

hohe Rohaschegehalte und/oder tiefe TS-Gehalte oft der Grund für die schlechtere Futteraufnahme. Bezüglich Milchleistung und Milchinhaltsstoffe resultierten jedoch zwischen den beiden Silagevarianten und der Dürrfut­ tervariante keine signifikanten Unterschiede. Beim zweiten Versuch mit Dürrfutter und Feuchtheu zeigte sich, dass das Feuchtheu schlechter gefressen wurde (Tab. 2). Die Unterschiede sind jedoch nicht signi­ fikant. Bedingt durch die tiefere Futteraufnahme, ging die Milchleistung in der Gruppe mit Feuchtheu während des Versuchs leicht zurück; deshalb wurde die Kraftfut­ termenge entsprechend angepasst. Dies hatte zur Folge, dass die Kühe im Durchschnitt der drei Wochen weniger Kraftfutter erhielten als die Kühe mit Belüftungsheu. Die Kraftfuttermengen unterschieden sich jedoch nicht signifikant. Auch bezüglich Milchmengen und Milchin­ haltsstoffen gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Varianten. Sporengehalte in Futter, Kot, Milch nicht gekoppelt Die Gehalte an Buttersäurebakterien-Sporen im Futter betrugen zwischen 9 und 930 Sporen pro Gramm Futter. Wie aus Tabelle 3 ersichtlich ist, wiesen das Dürrfutter vom Versuch und die zwei Silagen im Durchschnitt ähn­ lich tiefe Werte auf. Das Dürrfutter, das beim ersten Ver­ such in der Vorperiode und in kleinen Mengen in der Versuchsperiode eingesetzt wurde, wies durchschnittlich 239 Sporen pro Gramm auf. Beim zweiten Versuch konn­ ten zwischen dem Belüftungsheu und dem Feuchtheu keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden. Nach Zangerl (1989) findet man in frischem Gras und 

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Nutztiere | Sporengehalte an Buttersäurebakterien in ­S ilagen und Feuchtheu unter der Lupe

Tab. 2 | Futterverzehr und Milchleistung 1. Versuch

2. Versuch

Belüftungsheu

Silage 53 % TS

Silage 38 % TS

SE

Sig.

Belüftungsheu

Feuchtheu

SE

Sig.

0,49

*

18,3

17,4

0,49

n. s.

3,0

2,5

0,56

n. s.

Versuchsfutter

kg TS/Tag

16,5a

14,4b

15,4 ab

Dürrfutter VP

kg TS/Tag

1,5

b

2,5

2,1

0,21

**

Kraftfutter

kg TS/Tag

1,9

1,9

1,6

0,60

n. s.

a

ab

Mineralstoffe

kg TS/Tag

0,3

0,3

0,3

0,00

n. s.

0,3

0,3

0,00

n. s.

Verzehr total

kg TS/Tag

20,2

19,1

19,4

0,67

n. s.

21,5

20,2

0,67

n. s.

kg/Tag

22,5

23,7

22,4

1,70

n. s.

25,7

24,5

1,75

n. s.

Fettgehalt

ECM

%

4,3

4,6

4,5

0,19

n. s.

4,1

4,6

0,16

n. s.

Proteingehalt

%

3,5

3,5

3,5

0,08

n. s.

3,5

3,6

0,06

n. s.

Laktosegehalt

%

4,8

4,8

4,8

0,05

n. s.

4,8

4,7

0,10

n. s.

Dürrfutter VP: Dürrfutter Vorversuch; ECM: Energie korrigierte Milch SE: Standardfehler; Sig.: Signifikanz; n. s.: nicht signifikant; * p < 0,05; ** p < 0,01; *** p < 0,001

Heu Werte zwischen 10 bis 1000, in guten Silagen weni­ ger als 10 000 und in schlechten Silagen mehr als 100 000 Sporen pro Gramm. Gemäss diesen Definitionen wiesen alle eingesetzten Futter eine sehr tiefe Belastung an But­ tersäurebakterien-Sporen auf. Die zonalen Untersuchungen in den fünf Feuchtheu­ ballen zeigten mit durchschnittlich 247 Sporen pro Gramm höhere Werte als die Proben, die beim Fütte­ rungsversuch gezogen wurden. Diese variierten zwi­ schen 10 und 1500 Sporen pro Gramm. Wie aus Abbil­ dung 2 ersichtlich ist, gab es keinen Zusammenhang zwischen dem TS- und dem Sporengehalt. Die Bestimmung der Buttersäurebakterien-Sporen im Kot ergab Werte zwischen 40 und 7500 Sporen pro Gramm. Beim ersten Versuch mit den Silagen und dem Belüftungsheu gab es signifikante Unterschiede (Tab. 3). Die tiefsten Werte wies nicht die Variante mit dem Belüf­ tungsheu, sondern die Variante Silage 53 % TS auf. Beim zweiten Versuch wurden sowohl in der Variante mit

Belüftungsheu als auch in der Variante mit Feuchtheu sehr tiefe Werte festgestellt (222 beziehungsweise 142 Sporen pro Gramm). Nach Weissbach (1997) sind Sporengehalte im Kot unter 10 000 Sporen/g erwünscht und erst Sporengehalte über 100 000 stellen ein Risiko dar. Der Vergleich mit diesen Angaben zeigt, dass die Sporengehalte im Kot in allen Varianten sehr tief waren. In beiden Versuchen wurde mit der Variante Belüf­ tungsheu die tiefsten Gehalte an Buttersäurebakteri­ en-Sporen in der Abend-, der Morgen- sowie der Kessi­ milch erzielt (Tab. 3). Der Unterschied im Sporengehalt war jedoch nur beim zweiten Versuch signifikant. Einzig bei der Verfütterung von Belüftungsheu lagen die Werte unter den von Jakob (2011) genannten ALP-Orientie­ rungswerten für Lieferantenmilch (< 210 Sporen pro Liter) und Kessimilch (< 140 Sporen pro Liter). Die Gefahr einer Buttersäuregärung im Käse hängt massgeblich vom Gehalt an Buttersäurebakterien-Sporen in der Ver­ arbeitungsmilch ab. Das Wissen um die Faktoren, die das

Tab. 3 | Buttersäurebakterien-Sporen im Futter, im Kot und in der Milch 1. Versuch Belüftungsheu

Silage 53 % TS

2. Versuch

Silage 38 % TS

Sig.

Belüftungsheu

Feuchtheu

SE

Sig.

Grundfutter

MPN/g

20

24

36

5

n. s.

174

19

107

n. s.

Kot

MPN/g

1608b

1088b

4333a

634

**

222

142

68

n. s.

Abendmilch

MPN/l

140

213

233

52

n. s.

115b

763a

181

*

Morgenmilch

MPN/l

49

498

328

127

n. s.

160

b

495a

43

**

Kessimilch

MPN/l

68

355

293

77

n. s.

103b

340a

46

*

SE: Standardfehler; Sig.: Signifikanz; n. s.: nicht signifikant; * p < 0,05; ** p < 0,01; *** p < 0,001 MPN: most probable number

548

SE

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Sporengehalte an Buttersäurebakterien in ­S ilagen und Feuchtheu unter der Lupe | Nutztiere

Buttersäurebakterien-Sporen (log/g)

3,5 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 y = - 0,083x + 8,685

0,5

R²= 0,03

0,0 79

80

81

82

83

84

85

86

87

TS-Gehalt (%) Abb. 2 | Zusammenhang zwischen dem TS-Gehalt und den Buttersäurebakterien-Sporen im Futter.

Auskeimen dieser Sporen im Käse begünstigen, ist nach wie vor unvollständig. In der Praxis lässt sich hin und wieder feststellen, dass selbst bei guter Milchqualität unerwünschte Fehlgärungen durch Buttersäurebakte­ rien nicht mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen wer­ den können. Der Vergleich der Sporengehalte von Futter, Kot und Milch macht ersichtlich, dass hohe Werte im Futter bezie­ hungsweise im Kot nicht mit hohen Werten in der Milch gekoppelt sein müssen. Da sowohl im Futter wie auch im Kot generell tiefe Werte festgestellt wurden, sind auch andere Faktoren für die Erklärung der Sporenbelastung in der Milch in Betracht zu ziehen. Beobachtungen hin­ sichtlich des Verschmutzungsgrades der Kühe an der Hinterhand und am Euter ergaben jedoch keine Unter­ schiede zwischen den verschiedenen Varianten. Auch die Melkhygiene war bei allen Kühen gleich. Analysenergebnisse der Versuchskäse Da die Gehalte an Buttersäurebakterien-Sporen in der Kessimilch sowohl für die beiden Silage- als auch für die Feuchtheuvariante über den von ALP festgelegten ­Orientierungswerten lagen, warteten die Forschenden gespannt auf die Ergebnisse der Verarbeitungsversuche. Nach der 150-tägigen Lagerung konnte bei keinem der Versuchskäse eine Spätblähung beziehungsweise eine Buttersäuregärung festgestellt werden (Abb. 3). In Tabelle 4 sind die Ergebnisse der Analysen am 150 Tage alten Käse zusammengefasst. Sowohl beim ersten als auch beim zweiten Fütterungsvergleich konnten zwi­ schen den Versuchskäsen keine signifikanten Unter­ schiede festgestellt werden. Mit Ausnahme der n-Capronsäure entsprachen alle Analysenergebnisse den Normwerten. Der Gehalt an n-Capronsäure war auch in

den beiden Varianten mit Belüftungsheu erhöht, was am ehesten durch eine Schädigung des Milchfettes erklärbar ist. Die sensorische Beurteilung der Käse ergab, dass der Versuchskäse aus der Variante mit Silage mit 38 % TS leichte Unterschiede bezüglich Geschmack und Aromaintensität aufwies. Beim zweiten Versuch zwi­ schen Belüftungsheu und Feuchtheu konnten zwischen den Versuchskäsen keine sensorischen Unterschiede fest­  gestellt werden.

Abb. 3 | Käse nach 150-tägiger Lagerung aus dem Vergleich Dürrfutter und Feuchtheu 1: Variante Dürrfutter – 1. Charge; 2: Variante Feuchtheu – 1. Charge; 3: Variante Dürrfutter – 2. Charge; 4: Variante Feuchtheu – 2. Charge. (Foto: D. Goy, ALP)

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Nutztiere | Sporengehalte an Buttersäurebakterien in ­S ilagen und Feuchtheu unter der Lupe

Tab. 4 | Säuregehalte der Käse nach 150 Tagen Lagerung (Angaben in mmol/kg) 1. Versuch

2. Versuch Silage 38 % TS

Anforderungen Feuchtheu

ALP < 1,1

Dürrfutter

Silage 53 % TS

Ameisensäure

0,37

0,49

0,61

0,11

0,18

Essigsäure

3,22

3,27

3,50

3,10

3,79

Propionsäure

0,09

0,15

0,24

0,02

0,01

i-Buttersäure

0,02

0,04

0,09

0,00

0,01

n-Buttersäure

0,88

0,74

0,91

0,75

0,56

Dürrfutter

< 2,0 < 1,5

i-Valeriansäure

0,01

0,02

0,05

0,02

0,02

i-Capronsäure

0,01

0,00

0,05

0,00

0,00

n-Capronsäure

0,33

0,22

0,30

0,24

0,35

< 0,2

TFC

4,93

4,94

5,75

4,23

4,61

< 20,0

TFC: Total der flüchtigen Carbonsäuren

Schlussfolgerungen ••Futter: Die Buttersäurebakterien-Sporengehalte im Futter waren generell tief. Zwischen den Silagen, dem Feuchtheu und dem Belüftungsheu gab es im Gehalt an Buttersäurebakterien-Sporen keine signifikanten Unterschiede. ••Kot: Die Verfütterung von Silage mit 38 % TS führte im Vergleich zur Verfütterung von Silage mit 53 % TS und von Dürrfutter zu einem signifikant erhöhten Gehalt an Buttersäurebakterien-Sporen im Kot. Die Verfütterung von Feuchtheu im Vergleich zum Dürrfutter führte hingegen beim Sporengehalt im Kot zu keinem Unterschied.

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••Milch: Die Gehalte an Buttersäurebakterien-Sporen in der Kessimilch waren sowohl bei den beiden Silageva­ rianten als auch bei der Feuchtheuvariante höher als bei den beiden Dürrfuttervarianten und lagen über den ALP-Orientierungswerten. Dieser Befund ist aufgrund der tiefen Sporengehalte im Futter schwer erklärbar und deutet darauf hin, dass selbst die Verfütterung dieser einwandfreien Futtermittel zu einer erhöhten Belastung an Buttersäurebakteri­ en-Sporen in der Milch führen kann. ••Käse: Trotz teilweise erhöhten Sporengehalten in der Verarbeitungsmilch wies keiner der hergestellten Versuchskäse Anzeichen einer Buttersäuregärung auf. n


Carico in spore dei batteri dell’acido butirrico in insilati e fieno umido sotto la lente Gli elenchi degli obblighi di numerosi formaggi tradizionali a pasta semidura e a pasta dura vietano di somministrare alle vacche lattifere foraggio conservato con un tenore in acqua superiore al 18 per cento. Nell'ambito di due prove che prevedevano il foraggiamento con insilati e fieno umido è stata analizzata la carica in batteri dell’acido butirrico del foraggio, degli escrementi e del latte. Con quest'ultimo si è quindi prodotto formaggio a pasta dura. Nella prima prova si sono prodotti, partendo dalla stessa materia prima insilati con il 38 e il 53 % di sostanza secca (SS) e fieno ventilato. Nella seconda prova si è trattato il fieno umido con acido propionico e si è prodotto fieno ventilato. Il fieno umido presentava, in media, l'80 % di SS in fase di pressatura e l'84 % in fase di foraggiamento. I singoli foraggi sono stati somministrati alle vacche lattifere per tre settimane, quindi sono stati regolarmente prelevati campioni di foraggio, escrementi e latte per determinare il numero di spore dei batteri dell’acido butirrico. Nella terza settimana dello studio, due giorni sono stati dedicati alla produzione di formaggio a pasta dura. Il foraggio presentava un basso contenuto di spore dei batteri dell’acido butirrico. Nei casi di foraggiamento con insilati d'erba o con fieno umido, il latte aveva una quantità leggermente maggiore di spore rispetto a quello derivato dalla somministrazione di fieno ventilato. Nella produzione di formaggio, tuttavia, non si è riscontrato alcun problema.

Literatur ▪▪ Bachmann H. P., 1999. Technologische Einflussfaktoren auf die Butter­ säuregärung. Agrarforschung Schweiz 6 (4), 137–140. ▪▪ Jakob E., 2011 Analytik rund um die Buttersäuregärung. ALP forum , 85, 1–20. ▪▪ Jans F., 1991. Grassilage oder Dürrfutter für Hochleistungskühe? Land­ wirtschaft Schweiz 4 (7), 333–336. ▪▪ Schaeren W., Maurer J. & Luginbühl W., 2005. Kaum Unterschiede zwi­ schen Silo- und silofreier Milch. Agrarforschung Schweiz 12 (1), 34–39.

Summary

Riassunto

Sporengehalte an Buttersäurebakterien in ­S ilagen und Feuchtheu unter der Lupe | Nutztiere

A close look at the butyric acid bacterial spores in silages and moist hay The guidelines of different traditional Swiss semi hard and hard cheeses prohibit to feed conserved forage containing more than 18 % water to dairy cows. In two trials, the butyric acid bacterial content of the forage, faeces and milk of cattle fed with moist hay and silages was investigated. In the first trial, silages with 38 and 53 % dry matter as well as ventilated hay were produced from the same original material. In the second trial, moist hay was treated with propionic acid and ventilated hay was produced as a comparison. On average, the moist hay had a DM content of 80 % when baled and 84 % when fed. The different forages were fed to dairy cows for three weeks. Feed, faeces and milk samples were taken at regular intervals to determine the number of butyric acid bacterial spores. In the third week of the trial, hard cheese was made on two days. The forage had low contents of butyric acid bacterial spores. The milk of the cows fed with grass silage or moist hay exhibited slightly higher spores content than that of those fed with ventilated hay. However, no problems occurred during cheese making. Key words: butyric acid bacterial spores, silages, moist hay.

▪▪ Weissbach F., 1997. Qualitäts-Management-System für die Erzeugung von Milch mit geringstmöglichem Gehalt an Clostridien-Sporen. Bornimer Agrartechnische Berichte, Heft 18, 59–65. ▪▪ Wyss U., 2012. Wirkung eines Konservierungsmittels bei Feuchtheu – Er­ gebnisse 2011. Agrarforschung Schweiz 3 (6), 314–321. ▪▪ Zangerl P., 1989. Aspekte der Clostridienproblematik und AnaerobierZüchtung. Milchwirtschaftliche Berichte 101, 223–228.

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K u r z b e r i c h t

Charakterisierung von Pflanzensorten via ­genetisches Profil Eric Droz, Susete Ulliel, Corinne Julmi-Moreillon, Stéphane Dorsat, Jean-Pierre De Joffrey, Daniel Thomas, ­Cong-Linh Lê und Katia Gindro Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, 1260 Nyon 1 Auskünfte: Eric Droz, E-Mail: eric.droz@acw.admin.ch, Tel. +41 22 363 44 08

In-vitro -Konservierung der Pflanzen im Klimaraum.

Agroscope Changins-Wädenswil ACW unterhält eine In-vitro-Sammlung von Pflanzen mit mehr als 500 alten und modernen Sorten verschiedener Arten wie Kartoffeln, Beeren, Medizinal- und Gewürzpflanzen, Reben, Artischocken etc. Diese Sorten wurden von Institutionen zur Bewahrung alter Sorten, Produzenten oder Züchtern der Forschungsanstalt anvertraut. Um ihre Identität sicherzustellen und Verwechslungen zu vermeiden, werden sie schrittweise durch ihr genetisches Profil charakterisiert und, wo nötig, auch durch eine morphologische Beschreibung ergänzt.

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Kartoffeln Die In-vitro-Sammlung von Agroscope ACW hat die Aufgabe, die in der Schweiz gängigen Sorten zu erhal­ ten (etwa dreissig Kartoffelsorten stehen auf der Liste der empfohlenen Sorten). Der Sammlung kommt im weiteren die Aufgabe zu, auf Anfrage gesundes Aus­ gangsmaterial für die ersten Schritte der Vermehrung, vor der Produktion im grossen Umfang, zur Verfügung zu stellen. Das genetische Profil dieser Sorten wird bestimmt, damit es bei Streitfällen als Referenz dienen kann, welche sich aus Verwechslungen oder Vermi­


Charakterisierung von Pflanzensorten via ­g enetisches Profil | Kurzbericht

Abb. 1 | Beispiel einer Beschreibung der Genotypen mittels eines Mikrosatelliten für 25 Kartoffelsorten.

schungen von Sorten oder bei Importen mit zweifel­ hafter Herkunft ergeben können. Alte Sorten wurden im Rahmen des Nationalen Akti­ onsplanes zur Erhaltung und nachhaltigen Verwendung der pflanzengenetischen Ressourcen für die Ernährung und die Landwirtschaft (NAP) selektioniert. Diese Sorten werden nach erfolgter Sanierung auch in die Sammlung aufgenommen. Tatsächlich wurde die Mehrheit der alten Kartoffelsorten ursprünglich in, mit Viren ver­ seuchtem Zustand angeliefert. Die Erstellung ihres genetischen Profils mit durch­ schnittlich 25 Mikrosatelliten (Abb. 1) und deren Vergleich erlaubten es aufzuzeigen, dass falsche Bezeichnungen, Sortenmischungen und Doppelgänger vorlagen (Abb. 2). Eine Richtigstellung der als falsch eingestuften Bezeichnungen ist jetzt im Gange. Dazu wird die mor­ phologische Charakterisierung aufgrund festgelegter Kriterien beigezogen. diese sind: die Form der Pflanzen und Blätter, die Form und Farbe der Blüten, der Knollen und der Keime sowie die geschmackliche Beurteilung der Knollen.

Das Vorhandensein von Doppelgängern war eine grosse Überraschung, da diese Herkünfte zuvor nie nebenein­ ander unter identischen Bedingungen angebaut wur­ den. Einige sind nur in höheren Lagen, andere nur in den tiefer gelegenen Gebieten angebaut worden. Bei einigen war die Morphologie durch die Anwesenheit von Viren leicht verändert. Ihre Ähnlichkeit konnte dadurch nicht aufgezeigt werden. Es hat sich gezeigt, dass dieselbe Sorte in verschiedenen Kantonen oder mehreren Tälern unter verschiedenen Lokalnamen angebaut wurde. ACW hat 2010 mit seiner Sortensammlung an einem Ringversuch mit sechs französischen Labors teilgenom­ men (Marhadour et al. 2011). Dieser Test erlaubte eine Validierung der eingesetzten Methoden einschliesslich der ausgewählten Mikrosatelliten, welche für die Erstel­ lung der genetischen Profile verwendet werden. Dank diesem Ringversuch wurde es auch möglich, die Identität gewisser Sorten zu bestätigen, welche in mehreren der teilnehmenden Labors konserviert waren. In der nächs­ ten Phase, die soeben begonnen hat, werden alte euro­ päische Sorten untersucht. Im Rahmen des Projektes 

Einige Definitionen • Herkunft: Muster einer bekannten oder unbekannten Sorte. Eine Sorte kann mehrere Herkünfte haben. • Mikrosatelliten: Abschnitte der DNA, welche Wiederholungen von Nukleotiden enthalten. Diese Abschnitte variieren stark von Sorte zu Sorte. Man spricht daher von molekularen Markern. • Charakterisierung des Genotyps: Charakterisierung der Herkünfte mittels molekularer Marker. In den hier erwähnten Fällen sind die Marker Mikrosatelliten. • Genetisches Profil: das Resultat der Charakterisierung des Genotyps. Die Gesamtheit der durch Mikrosatelliten erhaltenen Angaben für eine Herkunft.

Abb. 2 | Beispiel einer Verwechslung von Kartoffelsorten. Oben die Sorte Parli, unten die Sorte Wiesner aus Wiesen. Ihre genetischen Profile und ihre morphologischen Beschreibungen sind identisch, wie es sich hier auch am Beispiel ihrer Knollen zeigt. Es handelt sich also um ein und dieselbe Sorte, die jedoch unter zwei lokal verschiedenen Namen bekannt ist.

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Kurzbericht | Charakterisierung von Pflanzensorten via ­g enetisches Profil

Abb. 3 | Aufbewahrung von Ausgangsmaterial von in der Schweiz registrierten Rebsorten in einem gegen Insekten geschützten Gewächshaus.

AEGIS (A European Genebank Integrated System), wel­ ches Teil eines europäischen Programmes für die Erhal­ tung der genetischen Ressourcen kultivierter Pflanzen ist, werden eine gewisse Zahl alter, in der Schweiz kulti­ vierter Sorten durch Mikrosatelliten charakterisiert. Das genetische Profil dieser Sorten wird dann mit einer Aus­ wahl von alten europäischen Kulivaren verglichen. Beeren Gegenwärtig werden etwa hundert alte Beerensorten (Himbeeren, Brombeeren und Erdbeeren) in vitro aufbe­ wahrt und im Rahmen des NAP genetisch charakterisiert. Die erarbeiteten genetischen Profile werden in zwei Datenbanken eingespiesen (Rubus für die Himbeeren und Brombeeren, und Fragaria für die Erdbeeren). Sobald die Daten vervollständigt sind und die Zahl der Mikrosatelliten als ausreichend beurteilt wird, können diese Datenbanken als Arbeitsinstrument dienen, um einige andere alte Sorten zu charakterisieren, die dann auch in die Sammlung aufgenommen werden sollen. Rebe Im Rahmen der Zertifizierung wird das Rebenausgangs­ material basierend auf den registrierten Rebsorten, in einem insektensicheren Gewächshaus kultiviert, und ist somit vor Insekten als Überträger zahlreicher Virosen

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geschützt (Abb. 3). Ein Teil dieser Rebsorten wird auch in vitro aufbewahrt. Das genetische Profil dieser Sorten wird zur Zeit erarbeitet. Ebenso werden sie mit denen der europäischen Rebsorten verglichen, die schon in zwei Datenbanken bestehen (Swiss Vitis Microsatellite Database und European Vitis Database). Die erste Daten­ bank enthält genetische Profile, welche im Mittel auf sechs Mikrosatelliten beruhen. Die zweite Datenbank beruht auf diesen sechs und ist mit drei zusätzlichen Mikrosatelliten ergänzt. Auch die durch Selektion neu bei ACW erhaltenen Rebsorten werden charakterisiert. Ihre Identität wird überprüft und bestätigt, indem ihre Profile für etwa dreissig Mikrosatelliten mit jenen ihrer Eltern verglichen werden, wobei Techniken der Ver­ wandtschaftsforschung zum Einsatz kommen (Bowers et al. 1999). Einjähriger Beifuss (Artemisia annua) Artemisinin, ein natürliches Produkt von Artemisia annua, ist eines jener seltenen Moleküle, welches als Medikament gegen Malaria verwendet wird. Isolate von Pflanzen aus diversen Weltgegenden haben gezeigt, dass nicht alle Pflanzen dieselben Mengen von Artemisinin produzieren. Kreuzungs- und Selektions­ programme, welche Pflanzen mit einem hohen Artemisi­ ningehalt zum Ziel haben, sind durch Médiplant und die


Charakterisierung von Pflanzensorten via ­g enetisches Profil | Kurzbericht

Abb. 4 | Aufbewahrung der Artischocke Petit Violet de Plainpalais im Freiland und in einer ­I n-vitro -Sammlung.

Universität von York in Grossbritanien (Graham et al. 2010) begonnen worden. Das In-vitro-Labor von ACW wurde beauftragt, die Zuchtlinien, die aus diesen Kreuzungen hervorgegangen sind, zu erhalten und ihre Identität durch eine genetische Charakterisierung sicherzustellen. Etwa siebzig Zuchtlinien werden zur Zeit mittels neun Mikrosatelliten bearbeitet. Sobald die genetischen Profile erarbeitet sind, werden sie mit jenen der Datenbank von York verglichen.

AOP oder als Regionalprodukt rechtfertigt. Etwa zehn Mikrosatelliten wurden zur Charakterisierung von mehr als vierzig Herkünften von Artischocken und deren nahen Verwandten Cardy verwendet. Darunter befindet sich auch die stachlige Silbercardy von Plainpalais, wel­ che 2003 eine AOC Auszeichnung erhalten hat. Um eine Vergleichsbasis mit den andern europäischen Artischo­ cken zu erarbeiten, muss die Zahl der getesteten Mikro­ satelliten noch erhöht werden. n

Artischocke und Gemüseartischoke (Cardy) Die violette Artischocke Plainpalais wurde von den Hugenotten nach Genf gebracht. Sie wurde kürzlich wieder entdeckt und ist nun Gegenstand einer Arbeit zur Sicherstellung und Aufbewahrung (landwirtschaftli­ cher Produktions- und Entwicklungsdienst des Kantons Genf). Die Artischocke ist auf eine Vielzahl von Krank­ heitserregern empfindlich. Ihre Aufnahme in die Samm­ lung und die In-vitro-Konservation erlauben es, die Risi­ ken von Infektionen vorzubeugen. Zugleich wird eine rasche Versorgung mit Ausgangsmaterial von hoher phytomedizinischer Qualität für die Produktion ermög­ licht. Um die Identität dieser Sorte sicherzustellen, ist die Erstellung eines genetischen Profils eingeleitet worden. Diese genetische Charakterisierung zielt darauf ab, eine Schweizersorte, die hauptsächlich im Kanton Genf ange­ baut wird, im Kreis ausländischer Sammlungen anzusie­ deln. Zugleich soll ihre Einmaligkeit aufgezeigt werden, was die Verleihung eines Qualitätslabels vom Typ AOC,

Literatur ▪▪ Bowers J., Boursiquot J.-M., This P., Chu K., Johansson H. & Meredith C., 1999. Historical genetics: the parentage of chardonnay, gamay and other wine grapes of northeastern France. Science 285, 1562–1565. ▪▪ Graham I. A., Besser K., Blumer S., Branigan C. a., Czechowski T., Elias L., Guterman I., Harvey D., Isaac P. G., Khan A. M., Larson T. R., Li Y., Paw­ son T., Penfield T., Rae A. M., Rathbone D. A., Reid S., Ross J., Smallwood M. F., Segura V., Townsend T., Vyas D., Winzer T. & Bowles D., 2010. The genetic map of Artemisia annua L. identifies loci affecting Yield of the antimalarial drug artemisinin. Science 327, 328–331. ▪▪ Marhadour S., Droz E., Laversin N., Méar A., Pavy V., Perramant M., Wambre V., Cloatre E., Ponserre N. & Le Hingrat Y., 2011. Potato variety identification using SSR in France and Switzerland. In: EAPR 2011, The 18th Triennal Conference of the European Association For Potato ­Research, Oulu, Finland (Eds J. Santala & J. P. T. Valkonen), 205. ▪▪ The European Vitis Database. Zugang: http://www.eu-vitis.de/index.php [01.09.12] ▪▪ Swiss Vitis Microsatellite Database. Zugang: http://www1.unine.ch/ svmd/index.php?details=117 [01.09.12]

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CSW56: Stellung von Bäuerinnen und Landfrauen ­wel­t­weit – aktuelle Herausforderungen Ruth Rossier, Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8046 Zürich Auskünfte: Ruth Rossier, E-Mail: ruth.rossier@art.admin.ch, Tel. +41 52 368 32 33

Abb. 1 | Die CSW56 zu Rural Women findet am UNO-Hauptsitz in New York statt. (Foto: Ruth Rossier, ART)

Die diesjährige Session der Commission on the Status of Women (CSW) des Wirtschafts- und Sozialrats der UNO (ECOSOC) vom 27. Februar bis 9. März 2012 am Hauptsitz der UNO in New York befasste sich mit dem Thema der Stärkung von Bäuerinnen und Landfrauen und deren Rolle in der Armuts- und Hungerbekämpfung (Abb. 1). Für die Schweizer Delegation standen die Verhandlungen des Schlussdokuments und diverser Resolutionen im Vordergrund. Bedauerlicherweise konnte 2012 mangels Konsens zwischen den Staaten erstmals kein Schlussdokument (sog. «Agreed Conclusions») verabschiedet werden.

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Gleichberechtigung dient allen In der Eröffnungsveranstaltung betonten zahlreiche Rednerinnen, dass Gleichberechtigung nicht nur den Frauen dient, sondern der ganzen Gesellschaft und eine positive wirtschaftliche Entwicklung zur Folge hat (Abb. 2). Im Bereich Landwirtschaft müssen deshalb strukturelle, wirtschaftliche und rechtliche Diskriminie­ rungen beseitigt werden. Eine Autonomisierung von Landfrauen und Bäuerinnen bedeutet zum Beispiel nicht nur Zugang zu Bildung, Land- und Erbrechten, Grundei­ gentum, Märkten, Krediten (nicht nur Mikrokredite), modernen Technologie- und Kommunikationsmitteln


CSW56: Stellung von Bäuerinnen und Landfrauen ­w el­t ­w eit – aktuelle Herausforderungen

| Kurzbericht

Schweizer Delegation CSW56

UNO-Mitglied Schweiz

Sylvie Durrer (EBG, Delegationsleitung) Christine Löw (Mission New York, Vizedelegationsleitung) Christine Schneeberger (GS EDA, Koordination) Annemarie Sancar (EDA, DEZA) Ruth Rossier (EVD, BLW/ART) Brigitte Schnegg (Externe Expertin, IZGF) Christine Bühler (SBLV) Marigona Isufi (Jugendvertreterin)

2002 ist die Schweiz als 190. Staat der Organisation der Vereinigten Nationen (UNO) beigetreten. Seit genau zehn Jahren nutzt sie ihre Mitgliedschaft aktiv für die Vertretung ihrer Interessen und Überzeugungen. Die Schweiz hat in Genf und in New York einen UNO-Sitz und ist als initiativer, selbstbewusster und solidarischer Teamplayer in der internationalen Gemeinschaft anerkannt. Sie setzte die Prioritäten weithin in den Bereichen Frieden und Sicherheit, Menschenrechte, nachhaltige Entwicklung sowie Budget- und Managementfragen. Die Schweiz ist für 2013 bis 2016 erstmals als stimmrechtsberechtigtes Mitglied in den CSW gewählt.

und erneuerbaren Energien, sondern auch die Abschaf­ fung von Genitalbeschneidungen, Zwangsheiraten von Mädchen und Reduktion der Müttersterblichkeit.

statistische Daten und weiterhin vorherrschende (Rol­ len-) Stereotypen wurden als grösste Hindernisse in der Bekämpfung der Diskriminierung von Frauen und der Erreichung der Gleichberechtigung der Geschlechter aufgeführt. Die Schweiz betrachtet die nationale wie internatio­ nale Landwirtschaft als sehr wichtig. Im Schweizer Agrar­ sektor stellen die Frauen rund einen Drittel der aktiven Bevölkerung. Auch wenn es den Frauen in der Schweizer Landwirtschaft allgemein besser geht als vielen Frauen 

Umsetzung der Gleichstellung in den Ländern Im Plenum zogen die einzelnen Staaten Bilanz zur Umsetzung der Geschlechtergleichheit im nationalen und internationalen Kontext. Fehlender politischer Wille, fehlende finanzielle und personelle Ressourcen, anhal­ tende Schwierigkeiten im Zugang zur Justiz, fehlende

Abb. 2 | Eröffnungsveranstaltung CSW56 im Plenarsaal der UNO. (Foto: Ruth Rossier, ART)

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auf anderen Kontinenten, so sind Frauen zum Beispiel bei der Hofnachfolge benachteiligt. Es bewirtschaften nur wenige Frauen einen Landwirtschaftsbetrieb in eigener Regie. Zudem findet die Arbeit der Bäuerinnen als mitarbeitende Familienmitglieder in der Landwirt­ schaft noch nicht die nötige finanzielle und soziale Anerkennung, was sich auch in ihrer ungenügenden sozialen Absicherung zeigt. In der Schweiz fehlen aktu­ elle statistische Angaben zur Situation der Frauen in der Landwirtschaft. Diese werden deshalb 2012 erneut er­ho­ ben und im Agrarbericht 2012 im Herbst publiziert (BLW/ Agroscope). Neue Herausforderungen zahlreicher Schweizer Bäuerinnen ist die verstärkte Dreifachbelas­ tung durch Betriebsarbeit, Haushalt und ausserlandwirt­ schaftliche Erwerbstätigkeit. Stärkung der Bäuerinnen und Landfrauen Das Ziel der Session war die Verfassung eines gemeinsa­ men Schlussdokuments – die sogenannten «Agreed Con­ clusions» − zur Stärkung der Bäuerinnen und Land­ frauen. Die unerwartet starken Diskrepanzen darüber, was Gleichberechtigung der Geschlechter in den einzel­ nen Staaten bedeutet, waren jedoch frappant. Die Schweizer Delegation verteidigte, zusammen mit gleichgesinnten Staaten wie beispielsweise der EU, der Türkei, Neuseeland, Australien, Norwegen die bestehen­ den, im Konsens über Jahre geschaffenen (Gender-) Konzepte. Staaten wie Iran, Pakistan, Ägypten (verdeckt in der Afrikanischen Gruppe), Russland und der Heilige Stuhl bekämpften die bestehenden Standards in einer systematischen und gleichzeitig unerwartet harten Weise. Die Schweiz und gleichgesinnte Staaten standen dafür ein, diese erreichten Gleichstellungsstandards bei­ zubehalten und eine Aufweichung der «Agreed Langu­ age» früherer Abkommen (z. B. Peking Plan of Action, CEDAW, frühere Agreed Conclusions der CSW, Resolutio­ nen) zu verhindern. Generell bekämpften die konserva­ tiven Staaten bestehende, im Konsens über Jahre geschaffene (Gender-) Konzepte. Wichtig im Verhand­ lungsprozess war der Schweiz weiter auch die Einbrin­ gung der Thematik Landnahme (Land Grabbing), die nachhaltige und umweltschonende Landwirtschaft, sowie Lebensmittelsicherheit und Ernährungssicherung. Auch eine Verlängerung der CSW-Session brachte nicht den erwarteten Erfolg eines gemeinsamen Abschlussdo­ kuments. Neben der grundsätzlichen Enttäuschung und dem Bedauern über das Scheitern der Verhandlungen drückten die Staaten des Nordens ihre Besorgnis über die negativen Tendenzen zuungunsten der Frauenrechte aus. Die Afrikanische Gruppe unterstrich einmal mehr, dass der Begriff «Geschlecht» gemäss ihrem Verständnis nur «männlich oder weiblich» bedeute und Homo- oder

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Intersexualität ausschliesst. Die Staaten des Nordens wurden beschuldigt, Themen in die Diskussionen der CSW einzubringen, die dort nichts verloren hätten, wie zum Beispiel die Sexual- und Reproduktionsrechte oder die Abschaffung von «gesundheitsschädigenden traditi­ onellen Praktiken». Die Wortmeldungen der Staaten illustrierten, wie weit die Positionen der Befürworterin­ nen der Frauenrechte einerseits und jene der ultrakon­ servative Kräfte anderseits heutzutage auseinander lie­ gen. Einmal mehr wurden systematisch kulturelle und traditionelle Praktiken angerufen, um Diskriminierung gegen Frauen und Mädchen zu rechtfertigen und Fort­ schritte in zentralen Frauenrechtsanliegen zu verhin­ dern. Die nächste, 57. Session der CSW, wird dem Thema «Gewalt gegen Frauen und Mädchen» gewidmet sein, eine ebenfalls hochsensible Thematik. Chancengleichheit für Bäuerinnen und Landfrauen ­(Panel 1 und 2) Panels zum Hauptthema der CSW zeigten auf, dass sich wirtschaftliche Entscheidungen, aber auch Finanz- und Ernährungskrisen auf die Chancengleichheit von Land­ frauen (Bäuerinnen, Produzentinnen, Arbeiterinnen und Unternehmerinnen) auswirken. Im Allgemeinen wurde die Bedeutung vom Zugang der Frauen zu Eigen­ tum, Kapital, Land, Arbeitsmarkt und sozialer Sicherheit betont, insbesondere in abgelegenen Gebieten, wo die meisten «Landfrauen» wohnen und das Risiko von Armut und finanzieller Ausgrenzung gross ist. Um die Vielfältigkeit der Frauen anzuerkennen, braucht es geschlechtsspezifische Datenanalysen und mehr Infor­ mationen zu Zeitbudget, Beschäftigung, Eigentum und Einkommen der Frauen. Dem landwirtschaftlichen Ein­ kommen kommt tendenziell eine abnehmende und dem Einkommen aus nichtlandwirtschaftlichen Beschäf­ tigungen eine zunehmende Bedeutung zu. Als zentral erachteten die Panellistinnen die Bildung von Human­ kapital der Landfrauen durch Erziehung, Bildung, Gesundheit und Reduktion der Mehrfachbelastungen durch Dienstleistungen wie die ausserfamiliäre Kinder­ betreuung. Die Beiträge der Expertinnen und Experten beton­ ten unter anderem die Wichtigkeit der Erhebung statis­ tischer sowie qualitativer Daten. Es gilt alle rechtlichen Hindernisse abzubauen und Agrarreformen zu unter­ stützten, die geschlechtergerechte Besitzverhältnisse hervorbringen. Neben spezifischen Fördermassnahmen für Bäuerinnen und der Unterstützung integrierter nachhaltiger Landwirtschaft wurden sozialpolitische Massnahmen verlangt, durch welche vor allem auch alleinstehende Bäuerinnen mit kleinen Höfen ihre Lebensbedingungen verbessern können.


CSW56: Stellung von Bäuerinnen und Landfrauen ­w el­t ­w eit – aktuelle Herausforderungen

| Kurzbericht

Abb. 3 | Side-Event zu Gender Budgeting in der Schweizer Mission der UNO.

«Side-Events» Gender-responsitive Budgeting (GRB) Die österreichische Expertin Vera Jauk stellte die Einfüh­ rung, Strategie und Umsetzung von Gender Budgeting in Österreich anhand verschiedener Beispiele vor (Wirt­ schaft, Gesundheitswesen, Transportwesen, Sport). Die Schweizer Expertin Annemarie Sancar, DEZA, sprach über die Erfahrung von «Gender-sensitive Budgeting» in der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit unter anderem in der Landwirtschaft (Abb. 3). GRB ist ein zen­ trales Instrument zur Erreichung von Gleichstellungszie­ len. Gender Mainstreaming im Budget und Budgetpro­ zess bedeutet, dass alle Ausgaben auch unter dem Aspekt von Gleichstellungsanliegen gemacht werden, und nicht, dass ein bestimmter Teil des Budgets für Frau­ enanliegen zugeteilt wird. Österreich hat seit 2009 einen Artikel zu «Gender Budgeting» in der Verfassung, der sich auf das Budget der gesamten Verwaltung bezieht. «Equality – the Nordic Way» An diesem Side Event nahmen Persönlichkeiten auf Ministerebene aus Norwegen, Dänemark, Schweden, Finnland und Island teil. Die Staaten Nordeuropas zeig­ ten, wie sie eine umfassende und konsequente Gleich­ stellungspolitik als eine zentrale Ressource für ihre

gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung genutzt haben. Sie betonten, dass Gleichstellung kein Luxus reicher Länder ist, sondern im Gegenteil gerade zu der heute gut aufgestellten wirtschaftlichen Lage der nordischen Länder geführt hat. Follow-up Anlass in der Schweiz Am 16. Oktober 2012, dem Welternährungstag, fand im landwirtschaftlichen Institut Grangeneuve in Posieux, Kanton Fribourg, unter der Federführung des Bundes­ amts für Landwirtschaft BLW eine der breiten Öffent­ lichkeit zugängliche nationale Tagung zum Thema «Frauen in der Schweizer Landwirtschaft» statt. n

Literatur ▪▪ http://www.un.org/womenwatch/daw/csw/csw56/general-discussions/ member-states/Switzerland.pdf ▪▪ http://www.un.org/womenwatch/daw/csw/56sess.htm ▪▪ http://www.ekf.admin.ch/aktuell/index.html?lang=de

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Internationale Silage-Konferenz in Finnland Ueli Wyss, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP-Haras, 1725 Posieux Auskünfte: Ueli Wyss, E-Mail: ueli.wyss@alp.admin.ch, Tel. +41 26 407 72 14

An der Tagung gab es sehr viele Posterbeiträge. Diese wurden während den Posterausstellungen intensiv diskutiert.

Die XVI. International Silage Conference fand vom 2. bis 4. Juli 2012 in Hämeenlinna in Finnland statt. In Finnland hat die Silagebereitung schon eine lange Tradition. So hat A.I. Virtanen 1945 für seine Arbeiten auf dem Gebiet der Silagebereitung den Nobelpreis erhalten. Welche Themen heute aktuell sind, wurde von 320 Personen aus rund 40 Ländern an der Tagung in Finnland diskutiert. Insgesamt wurden 35 Vorträge und 177 Poster präsentiert. Forschungsschwerpunkte in Finnland In Finnland spielt die Silagebereitung, bedingt durch die kurze Vegetationsdauer, eine wichtige Rolle. Noch heute werden 50 – 60 % der Silagen mit einem chemischen Siliermittel behandelt, 25 – 30 % mit Milchsäurebakteri­ en-Impfzusätzen und nur 10 – 15 % werden nicht behan­ delt. Gemäss Huhtanen (Umeå, Schweden) lag der Schwerpunkt der Forschung auf diesem Gebiet in Finn­

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land in den letzten 30 Jahren bei der Bereitung von guten Silagen aus Gras und im Speziellen aus Legumino­ sen sowie bei der richtigen Ergänzung der Grundfutter­ rationen. Aber auch die Schätzung der Futteraufnahme sowie die Bewertung des Futters waren wichtige For­ schungsschwerpunkte. In der letzten Zeit wurden zusätz­ lich Umweltaspekte bei der Milchproduktion und Ein­ flüsse auf die Produktqualität untersucht. Haylage für Pferde Cecilla Müller (Uppsala, Schweden) berichtete, dass in Skandinavien in der Pferdefütterung in den letzten zehn bis 15 Jahren das Heu teilweise oder ganz durch Haylage ersetzt wurde. Als Haylage werden Silagen bezeichnet, welche einen TS-Gehalt zwischen 40 und 60 % aufwei­ sen. Bei Haylage ist eine gute hygienische Qualität das A und O. Dafür muss bei der Bereitung, Lagerung und Füt­ terung ein gutes Management eingehalten werden. Ins­


Internationale Silage-Konferenz in Finnland | Kurzbericht

besondere mit steigendem Alter der Pflanzen nimmt der Keimbesatz auf dem Ausgangsmaterial stark zu und die Bereitung von qualitativ gutem und hygienisch ein­ wandfreiem Futter wird schwieriger. Durch den Einsatz von Konservierungsmitteln kann der Hefen- und Schim­ melpilzbesatz stark vermindert werden. Wie sich behan­ delte und unbehandelte Haylage auf den Futterverzehr auswirkte, untersuchten Särkijärvi et al. (Jokioinen, Finn­ land). So konnte der Hefepilzbefall durch Säurezusatz stark reduziert und die aerobe Stabilität des Futters ver­ bessert werden. Die Pferde bevorzugten das behandelte und hygienisch bessere Futter. Aber auch die Anzahl Folienlagen beeinflusst die mikrobiologische Qualität von Haylageballen (Johansen und Müller, Stiordal, Nor­ wegen). Bei zwölf im Vergleich zu vier Folienlagen konnte der Keimbesatz reduziert werden. Mikrobiologie Muck (Wisconsin, USA) zeigte in seinem Vortrag auf, dass sich die mikrobiologischen Methoden zur Bestim­ mung der verschiedenen Mikroorganismen in den letz­ ten Jahren geändert haben. In den letzten Jahren wurde immer wieder neue Stämme entdeckt. Zum Verständnis der Vorgänge im Silo und auch bei der Entnahme sind genaue Kenntnisse über die einzelnen Mikroorganismen wichtig. Ging man bis jetzt davon aus, dass sich hohe

Essigsäuregehalte negativ auf den Futterverzehr auswir­ ken, so muss man diese Theorie eventuell revidieren. Es könnten auch andere Produkte, die beim Gärprozess gebildet und noch nicht bestimmt werden, für den nega­ tiven Verzehr verantwortlich sein. Dass Silagen, die hohe Gehalte an Ethanol, insbesondere an Ethylacetat und Ethyllactat, aufwiesen, auch schlecht von den Tieren gefressen wurden, zeigten Weiss und Auerbauch (Berlin, Deutschland) auf. Auf dem Gebiet der Mikrobiologie sind einige japanische und chinesische Forschergruppen sehr aktiv und präsentierten ihre Arbeiten. Nacherwärmungen Verschiedene Beiträge waren dem Thema Nacherwär­ mungen gewidmet. Nach Wilkinson und Davis (Noot­ tingham, UK) sind die Schlüsselfaktoren für die Nacher­ wärmungen der Einfluss des Sauerstoffs bei der Entnahme bzw. die Entnahmemengen sowie der Hefe­ keimbesatz in der Silage. Dass die Entnahmemengen entscheidend für die Nacherwärmungen sind, zeigten auch Borreani und Tabacco (Turin, Italien) in ihren Unter­ suchungen, die sie in 100 Praxisbetrieben durchgeführt hatten. Auch bei einem gutem Siliermanagement im Flachsilo kommt es bei unter 0,5 beziehungsweise 0,8 m Vorschub pro Woche im Winter respektive im Sommer  regelmässig zu Problemen mit Nacherwärmungen.

Figure 1 | Die richtige Technik zur Dosierung der Siliermittel ist entscheidend für den Siliererfolg.

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Kurzbericht | Internationale Silage-Konferenz in Finnland

Gerlach et al. (Bonn, Deutschland) untersuchten die Ver­ änderungen der mikrobiellen Qualität von Maissilagen während acht Tagen nach der Entnahme sowie den Fut­ terverzehr mit Ziegen. Dabei zeigte sich, dass mit dem Anstieg der Hefen der Futterverzehr rapide abnahm. Da sich bei den Nacherwärmungen auch die Schimmel­ pilze gut entwickeln und Mykotoxine bilden können, versuchten Novinski et al. (Parana, Brasilien) mit Hilfe einer Wärmebildkamera, einen Zusammenhang zwi­ schen den Erwärmungen und einem Mykotoxinbefall zu ermitteln. Doch es zeigte sich, dass mit dieser Methode der Mykotoxinbefall nicht genügend gut erkannt wer­ den kann. Einsatz von Klee Verschiedene Untersuchungen haben gemäss den Aus­ führungen von Dewhurst (Dunsany, Irland) gezeigt, dass mit Silagen mit Klee ein höherer Futterverzehr und auch eine höhere Milchleistung erreicht werden kann. Zudem werden in der Milch oft auch höhere Gehalte an mehrfach ungesättigten Fettsäuren und tiefere N-Ge­ halte im Urin festgestellt. Ob Kleesilagen ebenfalls zu tieferen Methangehalten führen, muss noch bewiesen werden. Nach Scollan (Aberystwyth, Wales) führt der Einsatz von Silagen mit Klee auch beim Mastvieh zu einer besseren Verdaulichkeit des Futters und zu höhe­ ren Tageszunahmen. Futtermittel- und Lebensmittelsicherheit Die Hersteller von Lebensmitteln sind verantwortlich für die Sicherheit und Qualität ihrer Produkte. Gerade bei Rohmilchprodukten muss aber auch der Landwirt einen wichtigen Beitrag zur Erfüllung der Sicherheit leisten. Nach Driehuis (Ede, Niederlanden) sind Futtermittel eine wichtige Quelle für chemische und mikrobiologische Kontaminationen der Milch. Neben Buttersäurebakteri­ ensporen spielen auch verschiedene Bacillus-Sporen, Lis­ terien und Mykotoxine eine wesentliche Rolle. Der Wie­ derkäuer kann aber im Pansen verschiedene Mykotoxine abbauen. So ist nur das Aflatoxin B1 bekannt dafür, dass es in höheren Mengen (1 bis 6 %) in die Milch übergeht. Zur Bestimmung der Nährstoffe werden vermehrt NIRS-Geräte eingesetzt. Dabei werden neben getrockne­ ten Proben auch nasse Proben analysiert. Eine Untersu­ chung von Davies et al. (Ceredigion, UK), die Proben aus 58 Praxisbetrieben analysiert haben, zeigte, dass insbe­ sondere bei der Rohproteinbestimmung zwischen der klassischen Methode (getrocknet und nass chemische Analyse) und der NIRS-Bestimmung in den «nassen» Pro­ ben Unterschiede auftraten. Gründe dafür sind, dass die «nassen» Proben viel heterogener sind als die getrockne­ ten und gemahlenen Proben.

562

Agrarforschung Schweiz 3 (11–12): 560–562, 2012

Schlussfolgerungen O’Kiely (Dublin, Irland) hatte die Aufgabe, eine Zusam­ menfassung der Tagung sowie Ausblicke auf künftige Entwicklungen zu geben. Er stellte fest, dass es mit über 200 Beiträgen, die sehr verschiedene Themenbereiche behandelten, sehr schwierig sei, eine Zusammenfassung zu machen. Neu sind sicher die Arbeiten auf dem Gebiet der Molekularbiologie sowie der vermehrte Einsatz von Silagen in den Biogasanlagen. Aber auch Meta-Analysen, bei welchen Ergebnisse aus vielen Einzelstudien erfasst und statistisch ausgewertet werden, oder Arbeiten zur Bestimmung der Proteinfraktionen in den Silagen sind neue Forschungsgebiete. Wichtig ist, dass sich die Forschenden realisierbare Ziele setzen. Die Forschungsergebnisse sollten schliess­ lich auch den Landwirten und Landwirtinnen in der täg­ lichen Arbeit eine Verbesserung bringen. Für die Land­ wirte sollten die neuen Erkenntnisse jedoch billiger, konsequenter, berechenbarer und effizienter anwend­ bar sein. Der Forscher beziehungsweise die Forscherin muss sich klar überlegen, was seine/ihre Untersuchun­ gen für die Praxis bringen. Überlegungen, die sich vor über sechzig Jahren auch A.I. Virtanen gemacht hat und schliesslich mit dem A.I.V.-Verfahren einen grossen Bei­ trag auf dem Gebiet der Silagebereitung geleistet hat. n

Unter folgendem Link kann man den Tagungsband «Proceedings of the XVI Inter­ national Silage Conference Hämeenlinna, Finland, 2 – 4 July 2012» herunterladen. Zugang: https://portal.mtt.fi/portal/page/portal/Artturi/artturi_web_service/xvi_ international_silage_conference/ISC2012_Proceedings_5July2012.pdf.


P o r t r ä t

Josy Taramarcaz, engagierter Berater Seit seiner Kindheit in Fully bewegt sich Josy Taramarcaz in einem sozialen Netzwerk, das mit der Landwirtschaft eng verbunden ist. Er hilft regelmässig seinen Eltern, die ein Dorf-Lebensmittelgeschäft betreiben, die regionale Sektion einer Krankenkasse führen und zudem einen Hektar Reben bewirtschaften. Er kümmert sich auch um die Anliegen der Dorfbewohnerinnen und -bewohner und arbeitet im Rebberg mit. Nach einer Lehre als Labor­ angestellter ist er in der industriellen Agro-Chemie tätig und optimiert Herstellungsverfahren von Pflanzen­ schutzmitteln. Er wird aus dieser Zeit eine Vorliebe mit­ nehmen für Neuheiten, für die Forschung und für Pro­ dukte, die erhöhte Vorsichtsmassnahmen bei ihrer Anwendung benötigen. Er wechselt in die Landwirt­ schaft und bildet sich in Châteauneuf aus. Dort begeg­ net er einem Mitschüler, der Architekt und Anthropo­ soph ist. Dieser zeigt ihm, dass neue Wege möglich sind. Für Josy ist dies eine Offenbarung. Er stösst nun zur Stif­ tung Aigues Vertes (GE). Für sie leitet er einen bio-­ dynamischen Bauernhof, auf dem Erwachsene mit einer geistigen Behinderung integriert werden. Im Zusam­ mensein mit seinen Schützlingen erfährt Josy Taramar­ caz, nun Bauer und Erzieher, dass die Ansichten verschie­ den sein können und Beurteilungskriterien nicht weltumspannend dieselben sind. Noch während seiner Anstellung in der Stiftung vervollständigt er seine land­ wirtschaftiche Ausbildung am Technikum in Zollikofen. Mit dem Diplom in der Tasche wendet er sich der Bera­ tungstätigkeit zu. Zuerst arbeitet er bei der Neuenburgi­ schen Landwirtschaftskammer. Hier führt er im 1994 die biologische Landwirtschaftsberatung für die Kantone Neuenburg und den Jura sowie für den Berner Jura, dann am FiBL und anschliessend bei Prométerre ein. Nach jahrelangem Kontakt mit den Landwirtinnen und Landwirten und ihren Fragen und mit einer sehr grossen Erfahrung im biologischen Landbau – der immer wichtiger wird –, stösst Josy Taramarcaz im 2006 zur AGRIDEA. Hier übernimmt er die Stelle des Koordinators für die biologische Landwirtschaft. Innerhalb seiner beruflichen Tätigkeiten erhält die Leitung des Guts Map­ raz, das seit 1999 Bio-Landwirtschaft ohne Tiere betreibt, seine besondere Beachtung. Dieses Gut ist ein grossräu­ miges Versuchslabor. Zahlreiche Anbau- und Frucht­ wechselmethoden können getestet und auf ihren Lang­ zeiteffekt untersucht werden. Josy Taramarcaz trifft sich regelmässig mit Beraterinnen und Beratern aus der Bio-Landwirtschaft, um ihre Erfahrungen innerhalb die­

ser dynamischen und gut funktionierenden Gruppe aus­ zutauschen. Der Fachkreis entwickelte zahlreiche Pro­ jekte für die Beratung, die Forschung und die Produzentenorganisationen. Josy Taramarcaz engagiert sich aus grosser Überzeu­ gung im Verbandswesen, insbesondere für die lokale Landwirtschaft. Er beteiligte sich aktiv bei der Einfüh­ rung von zwei Vertrags-Landwirtschaftsprojekten in der Umgebung von Neuchâtel. In der knappen Freizeit gärt­ nert er. Vor allem aber ist Josy Taramarcaz ein passio­ nierter Fotograf. Er widmet sich der Kunst, die versteck­ ten Seiten der Dinge ins Licht zu setzen. Zum Beispiel die Flecken des Rostes, den er früher hartnäckig bekämpft hatte. Philippe Droz, AGRIDEA, Lausanne

Agrarforschung Schweiz 3 (11–12): 563, 2012

563


A k t u e l l

Aktuell

ACW organisiert 2013 ein internationales Raps-Symposium Ein internationales Raps-Symposium findet in Changins vom 28. April bis 1. Mai 2013 statt, organisiert von Agro­ scope ­ Changins-Wädenswil und unter der Schirmherr­ schaft des BLW. Das Symposium trägt den Titel: «Techni­ sches Treffen der internationalen Konsultativgruppe für Rapsforschung (GCIRC)». GCIRC ist eine Gesellschaft, die den wissenschaftlichen und technischen Fachkräften aus der Schweiz und der ganzen Welt die Möglichkeit bietet, sich auszutauschen und in Bezug auf die neuesten Ent­ wicklungen im Gebiet der Raps- und Kruziferenforschung in engem Kontakt zu bleiben. Für die Teilnehmenden aus der Schweiz – Forschende, Berater, Lehrkräfte und Han­ delsvertreter – bietet dieses Symposium weltweite Kon­ taktmöglichkeiten zu internationalen Kolleginnen und Kollegen und deren Arbeiten. Folgendes Programm ist vorgesehen: Sonntag 28.04.13 ••Ankunft der Delegierten und Empfangscocktail. Montag 29.04.13 ••Seminare (Vorträge und Poster) ••Ökonomische Aspekte ••Genetik und Verbesserung der Pflanzen ••Offizielles Nachtessen

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Agrarforschung Schweiz 3 (11–12): 564–571, 2012

Dienstag 30.04.13 Seminare (Vorträge und Poster) ••Agronomie und Pflanzenschutz ••Analytik und Verwendungszwecke für Raps Generalversammlung des GCIRC Mittwoch 1. Mai 2013 ••Fachexkursion (Besuch von Feldversuchen und Besichti­ gung einer Bio-Diesel-Produktionsanlage) ••Touristisch-kulturelle Exursion Weitere Informationen sind abrufbar unter: http://www.agroscope.admin.ch/GCIRC Die Anmeldungen (gemäss Einladung) werden von ­Oktober 2012 bis 31. Januar 2013 entgegengenommen. Auskünfte: didier.pellet@acw.admin.ch


A k t u e l l

Feldbesichtigte und anerkannte Pflanz­kartoffelflächen* 2012 in der Schweiz Theodor Ballmer, Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8046 Zürich Henri Gilliand und Brice Dupuis, Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, 1260 Nyon

anerkannte Fläche

angemeldete Fläche (ha)

davon abgewiesen oder ­zurückgezogen (%)

Total aller Zertifizierungs­ klassen (ha)

Flächenanteil pro Sorte (%)

Lady Christl

29,8

2,7

29,0

2,0

Agata

41,3

0,0

41,3

2,8

Annabelle

51,0

3,5

49,2

3,3

Sorte

Amandine

41,4

0,0

41,4

2,8

Celtiane

5,6

0,0

5,6

0,4

Charlotte

181,8

0,0

181,7

12,3

Lady Felicia

49,2

4,7

46,9

3,2

Gourmandine

30,2

0,0

30,2

2,0

Bintje

22,8

0,0

22,8

1,5

Victoria

113,5

2,3

110,9

7,5

Ditta

47,0

0,0

47,0

3,2

Nicola

18,9

6,4

17,7

1,2

Désirée

35,9

0,0

35,9

2,4

Laura

18,6

7,5

17,2

1,2

Agria

437,2

4,3

418,3

28,2

Jelly

28,0

4,8

26,7

1,8

Challenger

14,2

0,0

14,2

1,0

Lady Claire

52,5

0,0

52,5

3,5

Innovator

89,3

0,1

89,2

6,0

Lady Rosetta

36,5

0,0

36,5

2,5

Pirol

21,5

0,0

21,5

1,4

Fontane

56,8

4,8

54,1

3,6

Hermes

11,1

0,0

11,1

0,8

Markies

59,6

21,3

46,9

3,2

Antina

8,2

0,0

8,2

0,6

Panda

22,4

13,7

19,4

1,3

Stella

2,9

0,0

2,9

0,2

5,1

0,0

5,1

0,3

2012

Blaue St-Galler

1532,0

3,2

1483,0

100

2011

1538,1

2,2

1505,6

100

* Provisorische Flächen, Veränderungen zum Beispiel durch Abweisungen aufgrund der Virusuntersuchungen (ELISA) bleiben vorbehalten.

Agrarforschung Schweiz 3 (11–12): 564–571, 2012

565


Aktuell

Neue Publikationen

Silomais anreichern: mehr Energie aber Verschwendung von Biomasse

ALP aktuell

Silomais anreichern: mehr Energie aber Verschwendung von Biomasse Merkblatt für die Praxis

Nr. 45 | 2012

Yves Arrigo Agroscope Liebefeld-Posieux ALP-Haras Tioleyre 4 CH-1725 Posieux yves.arrigo@alp.admin.ch Impressum Herausgeber: Agroscope Liebefeld-Posieux ALP-Haras www.agroscope.ch Redaktion: Gerhard Mangold, ALP Gestaltung: RMG Design, Fribourg Druck: Tanner Druck AG, Langnau im Emmental Copyright: Nachdruck, auch auszugsweise, bei Quellenangabe und Zustellung eines Belegexemplars an die Herausgeberin gestattet. ISSN 1660-7627

Yves Arrigo, ALP

Autor

Aus weniger mach‘ mehr… eine Idee, die auf den Einsatz von höher konzentriertem Mais in der Rinderfütterung abzielt. Diese Anreicherung betrifft in erster Linie den Energiegehalt, indem bei der Ernte nicht alle Pflanzen komplett geerntet werden. Energiegewinn auf Kosten von Trockensubstanz und Nährstoffen – in dieser Ausgabe von ALP aktuell versuchen wir, die Vor- und Nachteile dieser Methode darzulegen. Der Energiegehalt (NEL Nettoenergie Laktation oder NEV Nettoenergie Mast) von Maissilage lässt sich auf zwei verschiedene Arten erhöhen: die erste ist eher landwirtschaftlichen Lohnunternehmen vorbehalten. Hier werden spezielle Maschinen benötigt, mit welchen sich in bestimmten Reihen nur die Kolben ernten lassen und die Pflanzenreste mehr oder weniger stark gehäckselt zur Humusbildung auf dem Feld verbleiben. Die zweite Technik besteht darin, die Schnitthöhe heraufzusetzen und die wenig verdauliche Stängelbasis der Mais-

pflanzen auf dem Feld zu lassen. Worauf verzichten wir effektiv, wenn die den Tieren vorgelegte Silage energiereicher ist, weil ein Teil der Ernte auf dem Feld verbleibt? Diese Frage beantwortet das vorliegende Merkblatt in folgenden Kapiteln: • Aufbau der Maispflanze • Nährstoffgehalte der einzelnen Pflanzenbestandteile und der ganzen Pflanzen • Futterwert von herkömmlicher oder erntetechnisch angereicherter Ganzpflanzensilage • Biomasseverlust, ausgedrückt in Milch oder Fleisch • Auswirkungen auf Milchkuhrationen • Auswirkungen auf Mastmunirationen Die nachfolgenden Ausführungen basieren auf einer 2008 und 2010 von Agroscope mit zwei Maissorten (Amadeo und LG32.52) durchgeführten Studie. Der Mais wurde in 3 verschiedenen Reifestadien geerntet.

ALP aktuell Nr. 45 Aus weniger mach‘ mehr… eine Idee, die auf den Einsatz von höher konzentriertem Mais in der Rinderfütterung abzielt. Diese Anreicherung betrifft in erster Linie den Energiegehalt, indem bei der Ernte nicht alle Pflanzen komplett geerntet werden. Energiegewinn auf Kosten von Trockensubstanz und Nährstoffen – in dieser Aus­ gabe von ALP aktuell versuchen wir, die Vor- und Nach­ teile dieser Methode darzulegen. Der Energiegehalt (NEL Nettoenergie Laktation oder NEV Nettoenergie Mast) von Maissilage lässt sich auf zwei verschiedene Arten erhöhen: die erste ist eher landwirtschaftlichen Lohnun­ ternehmen vorbehalten. Hier werden spezielle Maschi­ nen benötigt, mit welchen sich in bestimmten Reihen nur die Kolben ernten lassen und die Pflanzenreste mehr oder weniger stark gehäckselt zur Humusbildung auf dem Feld verbleiben. Die zweite Technik besteht darin, die Schnitthöhe heraufzusetzen und die wenig verdauli­ che Stängelbasis der Maispflanzen auf dem Feld zu las­ sen. Worauf verzichten wir effektiv, wenn die den Tieren vorgelegte Silage energiereicher ist, weil ein Teil der Ernte auf dem Feld verbleibt? Diese Frage beantwortet das vorliegende Merkblatt in folgenden Kapiteln: ••Aufbau der Maispflanze ••Nährstoffgehalte der einzelnen Pflanzenbestandteile und der ganzen Pflanzen ••Futterwert von herkömmlicher oder erntetechnisch angereicherter Ganzpflanzensilage ••Biomasseverlust, ausgedrückt in Milch oder Fleisch ••Auswirkungen auf Milchkuhrationen ••Auswirkungen auf Mastmunirationen Die nachfolgenden Ausführungen basieren auf einer 2008 und 2010 von Agroscope mit zwei Maissorten (Amadeo und LG32.52) durchgeführten Studie. Der Mais wurde in 3 verschiedenen Reifestadien geerntet. Yves Arrigo, Agroscope Liebefeld-Posieux ALP-Haras

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Agrarforschung Schweiz 3 (11–12): 564–571, 2012


Aktuell

Internetlinks

Graswachstum auf denMaschinenkosten ALP Versuchs­ betrieben in Posieux und 2012dem Biobetrieb «l’Abbaye» in Sorens ART-Bericht 753

Maschinenkosten 2012 Gültig bis September 2013

September 2012 Inhaltsverzeichnis 1. Motorfahrzeuge

8

2. Zusatzgeräte für Motorfahrzeuge

12

3. Transport

16

4. Bodenbearbeitung

16

www.agroscope.ch > Praxis > Tierernährung > Weidemanagement > Graswachstum 5. Saat, Pflege und Pflanzenschutz 6. Düngung und Kompostierung

20 24

7. Getreide- Raps- und Körnermaisernte 28 8. Kartoffel- Tabak- und Rübenernte

30

9. Raufutterernte

32

Veranstaltungen

Mai 2010

Die wirtschaftliche Entwicklung der 20.05. – 20.05.2010 schweizerischen LandAGFF-Waldhoftagung AGFF, Inforama, SHL, ALP, ART wirtschaft 2011 ART-Bericht 755

Die wirtschaftliche Entwicklung der schweizerischen Landwirtschaft 2011

Hauptbericht Nr. 35 der Zentralen Auswertung von Buchhaltungsdaten (Zeitreihe 2002–2011)

September 2012

Inforama Waldhof, Langenthal (BE)

10. Futtereinlagerung, Futterentnahme und Fütterung

36

11. Übrige Geräte in der Innenwirtschaft 38 12. Fortstwirtschaft und Bauarbeiten

40

13. Obstbau

42

14. Rebbau und Weinbereitung

44

15. Gemüsebau

48

Dierk Schmid und Andreas Roesch, ART dierk.schmid@art.admin.ch, andreas.roesch@art.admin.ch

Christian Gazzarin und Markus Lips, ART christian.gazzarin@art.admin.ch Die Maschinenkosten pro Arbeitseinheit werden massgeblich vom Auslastungsgrad der Maschinen bestimmt (Foto: Christian Gazzarin, ART)

ALP untersucht weidebetonte Produktionssysteme und gibt das erworbene Wissen den interessierten Kreisen weiter. Ab Vegetationsbeginn werden Angaben über das Graswachstum für den ALP-Versuchsbetrieb in Posieux und den Biobetrieb «l’Abbaye» in Sorens auf dem Internet zur Verfügung gestellt und regelmässig aktualisiert. ART-Bericht 753 Die vorliegende Datensammlung enthält Grundlagen und Richtwerte für die Entschädigung überbetrieblich eingesetzter Landmaschinen. Die Entschädigungs­ an­ sätze sind ausdrücklich als Richtwerte zu verstehen. Sie sind kalkulatorische Grössen, die unter den getrof­ fenen Annahmen eine kostendeckende Benutzung der Maschine zwischen landwirtschaftlichen Betrieben V o r s c hEntsprechend au erlauben. können die Ansätze nicht direkt mit jenen der Lohnunternehmungen (www. März 2012 / Heft 3 agrartechnik.ch) verglichen werden. Die Arbeitsleistun­ Daseffektive Walliser Schwarznasenschaf gen beziehen sich nur auf die Feldarbeitszeit; wird in der warmen Jahreszeit entsprechend sind Stör-, Rüst- und Wegzeiten (ausser ­g esömmert. ACW hat auf einer Transportgeräte) nicht berücksichtigt. Die Entschädi­ Alp im Oberwallis Versuche gungsansätze gelten pro Arbeitsdurchgang. mit Umtriebsweide beiDie der Treib­ durchgeführt. stoffkosten sind inbegriffen.Schaf Für­s ömmerung Kostenberechnungen Die Schafe der Versuchsherde im Einzelfall sind die Annahmen entsprechend der kon­ gehörten den Rassen «Weisses kreten Betriebssituation anzupassen. In der Praxis sind ­A lpenschaf» und «Walliser die verhandelten Entschädigungsansätze zudem Schwarznasenschaf» an. durch •Angebot • Umtriebsweide bei der Schafsömmerung: und Nachfrage bestimmt, so dass sich mehr Auswirkungen auf die Vegetation, M. und oder weniger grosse Abweichungen zuMeisser den ART-Ansät­ zen ergeben können. C. Chatelain ACW ••Bedroht der Gelbrost die Weizenproduktion in der Christian Gazzarin und Markus Lips,ACW ART Schweiz?, F. Mascher et al. ••Rekultivierungen im Vergleich mit natürlich gewachsenen Böden, M. Stettler et al. SHL und Geotechnisches Institut AG Bern ••Biolandbau: Warum nur wenige Ackerbaubetriebe umstellen, A. Ferjani ART ••Siliermittel: Testergebnisse 2009, U. Wyss ALP Impressum

Herausgeber: Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Tänikon, CH-8356 Ettenhausen, Redaktion: Etel Keller, ART

Die ART-Berichte/Rapports ART erscheinen in rund 20 Nummern pro Jahr. Jahresabonnement Fr. 60.–. Bestellung von Abonnements und Einzelnummern: ART, Bibliothek, 8356 Ettenhausen T +41 (0)52 368 31 31 F +41 (0)52 365 11 90 doku@art.admin.ch Downloads: www.agroscope.ch ISSN 1661-7568

Juni 2010 Autoren

Autoren

Die vorliegende Datensammlung enthält Grundlagen und Richtwerte für die Entschädigung überbetrieblich eingesetzter Landmaschinen. Die Entschädigungsansätze sind ausdrücklich als Richtwerte zu verstehen. Sie sind kalkulatorische Grössen, die unter den getroffenen Annahmen eine kostendeckende Benutzung der Maschine zwischen landwirtschaftlichen Betrieben erlauben. Entsprechend können die Ansätze nicht direkt mit jenen der Lohnunternehmungen (www.agrartechnik.ch) verglichen werden. Die Arbeitsleistungen beziehen sich nur auf die effek-

tive Feldarbeitszeit; entsprechend sind Stör-, Rüst- und Wegzeiten (ausser Transportgeräte) nicht berücksichtigt. Die Entschädigungsansätze gelten pro Arbeitsdurchgang. Die Treibstoffkosten sind inbegriffen. Für Kostenberechnungen im Einzelfall sind die Annahmen entsprechend der konkreten Betriebssituation anzupassen. In der Praxis sind die verhandelten Entschädigungsansätze zudem durch Angebot und Nachfrage bestimmt, so dass sich mehr oder weniger grosse Abweichungen zu den ART-Ansätzen ergeben können.

Impressum Herausgeber: Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Tänikon, CH-8356 Ettenhausen, Redaktion: Etel Keller, ART

Die Zunahme des Arbeitsverdiensts 2011 nimmt mit der Höhenlage ab. (Foto: ART)

Im Jahr 2011 sind die durchschnittlichen Einkommen im Vergleich zum Vorjahr deutlich angestiegen. Das landwirtschaftliche Einkommen der Referenzbetriebe erreichte 59 500 Franken je Betrieb gegenüber 55 200 Franken im Vorjahr, was einer Zunahme von 7,8% entspricht. Das landwirtschaftliche Einkommen verzinst einerseits das im Betrieb investierte Eigenkapital von 465 000 Franken, andererseits ist damit die Arbeit der 1,21 Familienarbeitskräfte zu entschädigen. Der Arbeitsverdienst pro Familienjahresarbeitseinheit stieg im Vergleich zu 2010 um 11,1% von 39 100 Franken auf 43 500 Franken. Dies ist der höchste Wert der vergangenen zehn Jahre. Die Zunahme des Arbeitsverdienstes nimmt mit der Höhenlage markant ab. So steigt dieser in der Talregion um 14,9 %, während er sich in der Bergregion lediglich um 3,6 % erhöht. Die Veränderung des Arbeitsverdienstes

gegenüber dem Vorjahr ist stark von der Betriebsausrichtung abhängig. So konnten die Ackerbaubetriebe den Arbeitsverdienst pro Familienarbeitskraft gegenüber dem Vorjahr dank einem guten Anbaujahr um 22 % steigern, während der entsprechende Anstieg bei den Veredelungsbetrieben wegen des Überangebots an Schlachtschweinen knapp 1% beträgt. Das ausserlandwirtschaftliche Einkommen hat durchschnittlich um 430 Franken (+1,6 %) auf 26 700 Franken zugenommen. Damit beträgt dessen Anteil am Gesamteinkommen knapp 31%. Das Gesamteinkommen je Betrieb ist um 4700 Franken (+5,8 %) auf 86 200 Franken gestiegen.

03.06. – 05.06.2010 IGN-Tagung 2010: Internationale Gesellschaft für Nutztierhaltung Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Tänikon, Ettenhausen Die ART-Berichte/Rapports ART erscheinen in rund 20 Nummern pro Jahr. Jahresabonnement Fr. 60.–. Bestellung von Abonnements und Einzelnummern: ART, Bibliothek, 8356 Ettenhausen T +41 (0)52 368 31 31 F +41 (0)52 365 11 90 doku@art.admin.ch Downloads: www.agroscope.ch ISSN 1661-7568

Ausführliche gesamtbetriebliche Ergebnisse finden Sie in den Tabellen der Seiten 10 bis 19.

06.06.2010 Breitenhoftagung 2010, Treffpunkt der SteinobstART-Bericht branche 755 Im Jahr 2011 sind die durchschnittlichen Einkom­ Agroscope Changins-Wädenswil ACW Wädenswil men im Vergleich zum Vorjahr deutlich angestiegen. Das landwirtschaftliche Einkommen der Referenzbe­ 16.06. – 17.06.2010 triebe erreichte 59500 Franken je Betrieb gegenüber Tänikoner Agrartechniktage 55 200 Franken im Vorjahr, was einer Zunahme von Agroscope Reckenholz-Tänikon ART 7,8  % en spricht. Das landwirtschaftliche Einkommen Tänikon, Ettenhausen verzinst einerseits das im Betrieb investierte Eigenka­ 18.06. – 20.06.2010 pital von 465 000 Franken, andererseits ist damit die Tage Tür 2010 Arbeit der der offenen 1,21 Familienarbeitskräfte zu entschädigen. Agroscope Changins-Wädenswil ACW Der Arbeitsverdienst pro Familienjahresarbeitseinheit Changins, Nyon stieg im Vergleich zu 2010 um 11,1 % von 39 100 Fran­ ken auf 43 500 Franken. Dies ist der höchste Wert der August 2010 zehn Jahre. Die Zunahme des Arbeits­ vergangenen verdienstes nimmt mit der Höhenlage markant ab. So 12.08. – 12.08.2010 steigt dieser in der Talregion um 14,9 %, während er AGFF-Futterbautagung sich in Bergregion lediglich um SG, 3,6 % erhöht. Die AGFF, der Landwirtschaftliches Zentrum ART Veränderung des(SG) Arbeitsverdienstes gegenüber dem Neu St. Johann Vorjahr ist stark von der Betriebsausrichtung abhängig. 13.08.2010 So konnten die Ackerbaubetriebe den Arbeitsverdienst Info-Tag Medizinal- und Gewürzkräuter pro Familienarbeit kraft gegenüber dem Vorjahr dank Agroscope Changins-Wädenswil ACW, einem guten Anbaujahr um 22 % steigern, während Forschungszentrum Conthey der Anstieg bei Willisau den Veredelungsbetrie­ Beientsprechende Fam. Theiler, Hergiswil ben wegen des Übe angebots an Schlachtschweinen knapp 1 % beträgt. Das ausserlandwirtschaftliche Ein­ kommen hat durchschnittlich um 430 Franken (+1,6 %) auf 26 700 Franken zugenommen. Damit beträgt des­ sen Anteil am Gesamteinkommen knapp 31 %. Das Gesamteinkommen je Betrieb ist um 4700 Franken (+5,8 %) auf 86 200 Franken gestiegen.

Informationen: Dierk Schmid und Andreas Roesch, ART

www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen

Agrarforschung Schweiz 3 (11–12): 564–571, 2012

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Aktuell

Biodiversitätsindikatoren für Europäische Landwirtschaftssysteme ART-Schriftenreihe 17 | September 2012

Biodiversity Indicators for European Farming Systems A Guidebook Editors: Felix Herzog, Katalin Balázs, Peter Dennis, Jürgen Friedel, Ilse Geijzendorffer, Philippe Jeanneret, Max Kainz, Philippe Pointereau

LERNEN

ART-Schriftenreihe 17 Der Bericht ist eine Zusammenfassung der Ergebnisse, die im Rahmen des EU RP7 Forschungsprojekt BioBio (Biodiversity indicators for organic and low-input far­ ming systems, KBBE-227161) von 2009 bis 2012 erarbei­ tet wurden. Das Dokument richtet sich an Stakeholder und potentielle Anwender der Indikatoren aus dem For­ schungsprojekt. Zusätzliche Informationen sowie sämtli­ che öffentliche Berichte aus dem BioBio-Projekt sind unter www.biobio-indicator.org abrufbar. Herausgeber: Felix Herzog, Katalin Balázs, Peter Dennis, Jürgen Friedel, Ilse Geijzendorffer, Philippe Jeanneret, Max Kainz, Philippe Pointereau Agroscope Reckenholz-Tänikon ART

KOMMUNIZIEREN

Poster phänologische Stadien der Weinrebe Der ganze Vegetationszyklus der Rebe in Grossformat: eine spannende und attraktive Zierde für Ihren Weinkeller, Degustationsraum, Ihr Sitzungszimmer etc. Französisch, deutsch oder italienisch, 100 x 70 cm, CHF 30.- (inkl. Porto) Tel. +41 79 659 48 31 | antoinette.dumartheray@acw.admin.ch

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Aktuell

BESTIMMEN

NUTZEN

Flora der Rebberge Dieses kleine Bestimmungsbuch beinhaltet die 33 wichtigsten Pflanzen, die man in einem Rebberg finden kann, und beschreibt deren Einfluss auf den Rebberg (nützlich, neutral oder unerwünscht). Die CD geht der Frage nach, wie diese Pflanzen die Ökologie eines Rebbergs prägen. Französisch, deutsch oder italienisch, 72 Seiten, CHF 50.-

Tel. +41 79 659 48 31 | antoinette.dumartheray@acw.admin.ch

GENIESSEN

ENTDECKEN

Rebsorten Dieses einmalige Buch beschreibt präzise die 57 wichtigsten Rebsorten, die in der Schweiz angebaut werden. Es ist reich bebildert, und das beiliegende Bild-Glossar hilft Fachleuten wie Laien, Rebsorten einfach zu bestimmen. Französisch, deutsch oder italienisch, 130 Seiten, CHF 57.Tel. +41 79 659 48 31 | antoinette.dumartheray@acw.admin.ch

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Medienmitteilungen

www.agroscope.admin.ch/medienmitteilungen www.agroscope.admin.ch/medienmitteilungen 08.11.2012 Bilanz des Schädlings Drosophila suzukii in der Schweiz im Jahr 2012 Die Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) wurde in der Schweiz im Jahr 2011 erstmals festgestellt. Die Gefahr, die von diesem Schädling sowohl für Hobbygärtner als auch für professionelle Produzenten ausgeht, ist nun­ mehr erwiesen. Dieses Jahr erfolgten daher Informatio­ nen und Vorbeugungsmassnahmen zu Beginn der Saison. Bereits im Frühjahr haben Experten von Agroscope ein Überwachungsnetzwerk aufgezogen, an dem sich sämt­ liche Kantone aktiv beteiligten. Auch wenn der Schäd­ ling in der ganzen Schweiz nachgewiesen wurde, so rich­ tete er doch geringere Schäden an als im Vorjahr.

06.11.2012 Forschen für die Milchproduktion Am Profi-Lait-Forschungstag in Grangeneuve trafen sich am 31. Oktober 2012 über sechzig Experten der Milch­ produktion und diskutierten über den Stand der For­ schung in der Schweiz. Mit Nachdruck wurden die For­ schenden dazu aufgefordert, der zunehmenden Komplexität im Milchmarkt mit innovativen Lösungen zu begegnen. Im Rahmen eines Infomarktes wurden ver­ schiedene solche Forschungsprojekte vorgestellt. In vier Workshops entwickelten die Teilnehmenden Forschungs­ fragen, welche heute beantwortet werden müssen, um die Herausforderungen von morgen zu meistern.

29.10.2012 Natürliche Abwehrstoffe der Rebe gegen Pilzkrankheiten einsetzen Gesucht: wirksame Moleküle, welche die Rebe vor ihrem grössten Feind schützen sollen, den Pilzkrankheiten. Gefunden: Agroscope ist es gelungen, aus den „Abfäl­ len“ des winterlichen Rebenschnitts natürliche rebei­ gene Substanzen wiederzuverwerten, um die Entwick­ lung von Graufäule, Falschem und Echtem Mehltau zu stoppen. Diese Forschungsarbeiten wurden durch den Zusammenschluss der neun „Premiers Grands Crus aus dem Bordeaux“ finanziert und ermöglichten die Anmel­ dung eines Patents.

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16.10.2012 Munder Safran genetisch durchleuchtet In der Gemeinde von Mund im Oberwallis wird der Mun­ der Safran seit dem Mittelalter nach alter Tradition angebaut. Beim Vergleich der DNA-Analyse mit rund zehn anderen Safran-Populationen aus acht Ländern zeigt die Munder Population keinerlei genetische Unter­ schiede. Bei einer Population aus Marokko wurde jedoch ein seltener Fall einer genetischen Variabilität nachge­ wiesen.

05.10.2012 Agroscope, das CHUV und die Universität Lausanne gemeinsam für ein besseres Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Lebensmitteln und dem menschlichen Organismus Die Forschungsanstalt Agroscope, das Waadtländer Uni­ versitätsspital, insbesondere die Abteilung für Endokri­ nologie, Diabetologie und Stoffwechselerkrankungen sowie die Universität Lausanne - hier vor allem die biolo­ gische und medizinische Fakultät - haben ein Rahmen­ abkommen für ihre Zusammenarbeit unterzeichnet. Es bestätigt ihre Absicht, den Transfer zwischen Labor und Konsument im Bereich der Humanernährung zu beschleunigen.


Aktuell

Internetlinks

Veranstaltungen

Deutsche Agrarforschung auf einen Blick www.fisaonline.de Fisaonline.de gibt Ihnen einen Überblick über die For­ schung in den Agrar- und Ernährungswissenschaften, die in Deutschland mit öffentlichen Mitteln finanziert wird. Die Forschungsziele und -themen von Bund und Ländern sowie die Forschungsförderung der öffentlichen Hand werden hier dargestellt. Das Internetangebot ist auf Deutsch und Englisch verfügbar.

Vor schau

November 2012 22. – 26.11.2012 Agroscope ART an der Agrama 2012 Schweizerischer Landmaschinen-Verband SLV Bern 29.11.2012 Pflanzenschutztagung Gemüsebau 2012 Agroscope Changins-Wädenswil ACW Wädenswil 30.11.2012 Pflanzenschutztagung Obstbau Agroscope Changins-Wädenswil ACW Wädenswil Januar 2013

Januar 2013 / Heft 1 Das Beweiden von alpinem Grasland während der Sommermonate pflegt die einzigartige Landschaft, kann Vergandung und Verbuschung entgegenwirken und zum Erhalt der Biodiversität beitragen. Forschende der ETH Zürich haben einen kontrollierten Alpweideversuch mit zwei Weidesystemen durchgeführt, wo erzielbare Mast- und Schlachtleistung sowie die Fleischqualität von Schafen verglichen wurde. (Foto: Christian Gazzarin, ART)

•• Einfluss des Weidesystems auf Mast- und Schlachtleistung sowie Fleischqualität von Lämmern im alpinen Sömme­ rungsgebiet, Helen Willems et al., ETH Zürich ••Obstgenressourcen: Vielfalt für die Zukunft, Kaspar Hunziker et al., ACW •• Die Bekämpfung des Maiswurzelbohrers in der Schweiz, bis jetzt eine Erfolgsgeschichte, Mario Bertossa et al., ACW •• Das CULTAN-Verfahren im Eignungstest für den ­Schweizerischen Ackerbau, Rene Flisch et al., ART •• Bakterienwelke – eine rätselhafte Krankheit von ­Futtergräsern, Roland Kölliker et al., ART •• Stickstoff-Effizienz in der Schweinemast, Edith Sollberger et al., HAFL und ALP

24.01.2013 ART-Tagung: Bio-Landwirtschaft Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Zürich Februar 2013 08.02.2013 Journée Agriculture 2013 Agroscope Changins-Wädenswil ACW Nyon März 2013 20. – 21.03.2013 4. Täniker Melktechniktagung Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Ettenhausen April 2013 25. April 2013 8. Jahrestagung Netzwerk Pferdeforschung Schweiz Schweizerisches Nationalgestüt SNG Avenches 28.04. – 01.05.2013 GCIRC technical meeting 2013 Agroscope Changins-Wädenswil ACW Nyon

Informationen: Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen

Agrarforschung Schweiz 3 (11–12): 564–571, 2012

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Vendredi 8 février 2013 (9h00 -16h15)

La qualité dans les grandes cultures : un défi pour la recherche Station de recherche Agroscope ACW - Changins Objectif de la journée

Montrer comment la variété, les techniques culturales et le climat peuvent influencer la qualité des récoltes de grandes cultures

Mettre en évidence les possibilités et les contraintes de la production pour obtenir une qualité qui réponde aux besoins des transformateurs et des consommateurs

Exposés + marché de l’information (posters)

Journée Agriculture à Changins

Inscription (jusqu’au 25 janvier 2013) et renseignements http://www.agroscope.admin.ch/journee-agriculture

ou

Agnès Welten Tél. 022 363 46 71 agnes.welten@acw.admin.ch

Schweizerische Eidgenossenschaft Confédération suisse Confederazione Svizzera Confederaziun svizra

ProfiCrops Programmes de recherche Agroscope

Département fédéral de l'économie DFE Station de recherche Agroscope Changins-Wädenswil ACW

The International Consultative Group of Research on Rapeseed, GCIRC, is interested in scientific and technical advances made in the production and uses of oilseed rape and cruciferous crops. Participants to the technical meeting will be informed about the last progresses in the fields of economy, genetics/breeding, phytotechnics, analysis and uses of rapeseed, with oral presentations and poster papers.

with the support of : April 28th – May 1st Nyon / Switzerland

Will be held under the patronage of the Federal Office for Agriculture, FOAG

Schweizerische Eidgenossenschaft Confédération suisse Confederazione Svizzera Confederaziun svizra

Federal Department of Economic Affairs FDEA Agroscope Changins-Wädenswil Research Station ACW

Information : www.agroscope.admin.ch/GCIRC


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