Heft 6 Juni 2011

Page 1

Agrar forschung schweiz 2 0 1 1

|

H e f t

Agroscope | BLW | SHL | AGRIDEA | ETH Zürich

J u n i

Nutztiere

Rohproteingehalte in Schweinefutter: Bestandesaufnahme 2008

Pflanzenbau

Sortenprüfung Wiesenschwingel: ­Bewährungsprobe für alt und neu

Kurzbericht

Klimastrategie Landwirtschaft

Seite 280

Seite 244 Seite 258

6


Inhalt Ammoniakemissionen sind Teile des Nährstoffkreislaufs in der Tierproduktion. Durch verminderte Rohprotein­gehalte im Schweinefutter und Phasenfütterung kann die Landwirtschaft bereits an der Quelle emissionsmindernde ­Massnahmen umsetzen. Die SHL und Agroscope Liebefeld-­ Posieux ALP haben eine Bestandesaufnahme der Fütterungspraxis in der Schweiz durchgeführt. (Foto: Jürg Waldmeier, Zürich) Impressum Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse ist die Zeitschrift der landwirtschaftlichen Forschung von Agroscope und ihren Partnern. Die Zeitschrift erscheint auf Deutsch und Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus Forschung, Industrie, Lehre, Beratung und Politik, an kantonale und eidgenös­sische Ämter und weitere Fachinteressierte. Herausgeberin Agroscope Partner b Agroscope (Forschungsanstalten Agroscope Changins-Wädenswil ACW; Agroscope Liebefeld-Posieux ALP und Schweizerisches Nationalgestüt SNG; Agroscope Reckenholz-Tänikon ART) b Bundesamt für Landwirtschaft BLW, Bern b Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft SHL, Zollikofen b Beratungszentralen AGRIDEA, Lindau und Lausanne b Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich, Departement Agrar- und Lebensmittelwissenschaften Redaktion Andrea Leuenberger-Minger, Agrarforschung Schweiz / ­Recherche Agro­ nomique Suisse, Forschungs­anstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 26 407 72 21, Fax +41 26 407 73 00, E-Mail: info@agrarforschungschweiz.ch Judith Auer, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, Postfach 1012, 1260 Nyon 1, E-Mail: info@agrarforschungschweiz.ch Redaktionsteam Vorsitz: Jean-Philippe Mayor (Direktor ACW), Sibylle Willi (ACW), Gerhard Mangold (ALP und SNG), Etel Keller-Doroszlai (ART), Karin Bovigny-Ackermann (BLW), Beat Huber-Eicher (SHL), Philippe Droz (AGRIDEA), Jörg Beck (ETH Zürich). Abonnement Preise Zeitschrift: CHF 61.–* (Ausland + CHF 20.– Portokosten), inkl. MWSt. und Versandkosten, Online: CHF 61.–* * reduzierter Tarif siehe: www.agrarforschungschweiz.ch oder info@agrarforschungschweiz.ch Adresse Nicole Boschung, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 26 407 72 21, Fax +41 26 407 73 00, E-Mail: info@agrarforschungschweiz.ch Internet www.agrarforschungschweiz.ch www.rechercheagronomiquesuisse.ch ISSN infos ISSN 1663-7852 (Print) ISSN 1663-7909 (Internet) Schlüsseltitel: Agrarforschung Schweiz Abgekürzter Schlüsseltitel: Agrarforsch. Schweiz

Juni 2011 | Heft 6 243

Editorial

244

Nutztiere

ohproteingehalte in Schweinefutter: R Bestandesaufnahme 2008 Annelies Bracher und Peter Spring

252

Nutztiere Projekt «Weidekuh-Genetik»:

Produktion, Fruchtbarkeit und Gesundheit Valérie Piccand, Erwan Cutullic, Fredy Schori, Sara Weilenmann und Peter Thomet Pflanzenbau 258 Sortenprüfung Wiesenschwingel:

­Bewährungsprobe für alt und neu Daniel Suter, Rainer Frick und Hans-Ulrich Hirschi Pflanzenbau 264 Krankheiten beim Winterweizen:

Einfluss des Anbausystems und ­ uswirkungen auf den Ertrag A Raphaël Charles, Edouard Cholley, Peter Frei und Fabio Mascher 272

Pflanzenbau

xtension Obst – massgeschneiderte E ­Forschung und Entwicklung im Dialog mit der Praxis Simon Egger und Heinrich Höhn

280

Kurzbericht

Klimastrategie Landwirtschaft Martina Wiedemar und Daniel Felder

Kurzbericht 284 Forschung und Beratung für Frauen in

der Landwirtschaft Ruth Rossier und Rita Helfenberger Kurzbericht 288 Problemorientierte Systemforschung –

ein Blick auf Agroscope Paul Steffen

© Copyright Agroscope. Nachdruck von Artikeln gestattet, bei Quellenangabe und Zustellung eines Belegexemplars an die Redaktion.

293

Interview

295

Aktuell

Erfasst in: Web of Science, CAB Abstracts, AGRIS

299

Veranstaltungen

Berner Fachhochschule Haute école spécialisée bernoise Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft SHL Haute école suisse d’agronomie HESA


Editorial

Gestalten statt verwalten Liebe Leserin, lieber Leser

Dr. Alfred Buess, Präsident des Landwirtschaftlichen ­F orschungsrates

Manfred Bötsch, Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft BLW, tritt per Ende Juni 2011 von seinem Amt zurück. Er war seit dem 1. Juli 2000 Direktor des Bundesamts und seit dem 1. Januar 2006 zugleich Vorsitzender der Geschäftsleitung Agroscope. Manfred Bötsch hat die Agrarforschung und -beratung in diesen gut zehn Jahren begleitet, gefördert und wesentlich geprägt. Darüber hinaus hat er wichtige Impulse zur Weiterentwicklung des landwirtschaftlichen Wissenssystems der Schweiz gegeben. Grund genug, exemplarisch einige seiner Leistungen in diesen zehn Jahren hervorzuheben. Auf Initiative von Manfred Bötsch beschloss das BLW im Jahr 2005, die landwirtschaftlichen Forschungsanstalten zusammen zu schliessen. Entstanden sind die drei Einheiten Agroscope Changins-Wädenswil ACW, Agroscope Liebefeld-Posieux ALP sowie Agroscope Reckenholz-Tänikon ART. 2010 ­wurden zudem ALP und das Gestüt des Bundes in Avenches zur Einheit ALPHaras fusioniert. Die drei «Häuser» werden durch eine gemeinsame Geschäftsleitung geführt, deren Vorsitz Manfred Bötsch führt. Die eidgenössischen Versuchs- und Untersuchungsanstalten haben sich unter seiner Leitung gewandelt zu Agroscope Schweiz. In der Dekade 2000 bis 2010 hat sich aber nebst den Strukturen noch viel anderes gewandelt: Agroscope wird mit einem Leistungsauftrag und einem Globalbudget (FLAG) geführt, was im Vergleich zu früher mehr unternehmerischen Spielraum und mehr Eigenverantwortung gebracht hat. Die Partner- und Kundenbeziehungen wurden deutlich verstärkt, wodurch der Wissensaustausch zwischen den verschiedenen Akteuren des Agrarsystems weiter verbessert werden konnte. Die Ziele und Aufgaben des Landwirtschaftlichen Forschungsrates LFR sowie der Begleitenden Expertengruppen BEG und der Foren von Agroscope wurden den veränderten Gegebenheiten angepasst. Auch die Forschungsinhalte haben sich im Jahrzehnt der Führung durch Manfred Bötsch markant verändert. So wird beispielsweise im Forschungskonzept 2008 – 2011 von Agroscope ein deutlich stärkeres Gewicht gelegt auf die Themenbereiche Kulturlandschaft, Umweltmanagement, neue Technologien, Gesundheit und Wohlbefinden, Wertschöpfungs- und Lebensmittelketten, ländlicher Raum. Obwohl der Bund über keine regulatorischen Befugnisse im Bereich der Agrarforschung an der ETH und an den Fachhochschulen verfügt und obwohl die landwirtschaftliche Beratung im Zuständigkeitsbereich der Kantone liegt, hat Manfred Bötsch sich intensiv darum bemüht, das gesamte landwirtschaftliche Wissenssystem zu optimieren. Viele Früchte dieser Bemühungen werden wohl erst in den kommenden Jahren sichtbar werden. Manfred Bötsch hat uns als starke Führungspersönlichkeit, als Schnellund Querdenker, als hervorragender Kommunikator begleitet. Er hat wesentliche Entwicklungen initiiert und tatkräftig voran getrieben. Er hat im Interesse der Schweizer Landwirtschaft die Agrarforschung und das Wissenssystem vorausschauend und umsichtig gestaltet. Dafür verdient er unsere Wertschätzung und unseren grossen Dank!

Agrarforschung Schweiz 2 (6): 243, 2011

243


N u t z t i e r e

Rohproteingehalte in Schweinefutter: Bestandesaufnahme 2008 Annelies Bracher1,2 und Peter Spring1 Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft SHL, 3052 Zollikofen 2 Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld- Posieux ALP, 1725 Posieux Auskünfte: Peter Spring, E-Mail: peter.spring@bfh.ch, Tel. + 41 31 910 21 61

1

Bestandesaufnahme der aktuellen Fütterungspraxis in der Schweiz gemacht. Dazu wurden Daten aus der Futtermittelindustrie und Import/Exportbilanzen (IMPEX) des Kanton Luzern, welche die Nährstoffflüsse auf den einzelnen landwirtschaftlichen Betrieben erfassen, erhoben und ausgewertet. Die vorliegende Publikation fasst die Erhebung aus der Futtermittelindustrie zusammen.

Material und Methoden

Mit N-optimiertem Futter wird die Problematik von Ammoniak­ emissionen an der Wurzel gepackt, was mit baulichen Massnahmen zusätzlich unterstützt werden kann.

Einleitung Tierische Ausscheidungen in Form von Mist und Gülle sind Teil des Nährstoffkreislaufes in den Landwirtschaftsbetrieben. Besonders bei hoher Tierdichte belasten die Ausscheidungen die Umwelt. Mit der Unterzeichnung des Göteborg-Protokolls (UNECE 2010) und der dadurch verbundenen Verpflichtung, die Ammoniakemissionen zu reduzieren, ist die Landwirtschaft in der Schweiz gefordert, emissionsmindernde Massnahmen umzusetzen. Als N-haltige Substanz ist die Ammoniakbildung eng an den N-Umsatz gekoppelt. Anpassungen in der Fütterung greifen als Begin-of-pipe-Massnahme über den N-Input direkt und nachhaltig in den N-Umsatz ein. Insbesondere kann durch die Absenkung des Rohproteingehaltes bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Aminosäurenversorgung der N-Umsatz wesentlich beeinflusst werden. Um das Reduktionspotenzial von N-Input, N-Anfall (Ausscheidungen) und Ammoniakemissionen über die Schweinefütterung zu untersuchen, wurde eine

244

Agrarforschung Schweiz 2 (6): 244–251, 2011

Die schweizerische Mischfutterproduktion wird statistisch nicht zentral erfasst. Aus diesem Grunde wurden im Rahmen dieser Erhebung sieben Firmen gezielt angefragt, welche 70 bis 80 % des Mischfutters für Schweine herstellen und auf den Markt bringen. Anhand eines Formulars, ergänzt mit einem Betriebsbesuch, wurden Angaben zu Futtersortiment, Futtergehalten und Produktionsmengen für das Jahr 2008 erhoben. Die Sortimentslisten wurden mit Angaben von Import/Exportbilanzen (IMPEX) landwirtschaftlicher Betriebe und webbasierter Information ergänzt. Insgesamt wurden über 1500 verschiedene Mischfutter ausgewertet. Bei den Gehaltsangaben handelt es sich um deklarierte Werte, die innerhalb eines Toleranzbereiches variieren können. Die Futter wurden in verschiedene Futtermittelkategorien eingeteilt, welche anschliessend mit deskriptiver Statistik beschrieben wurden. Mögliche systematische Abweichungen zwischen deklarierten und effektiven Futtergehalten wurden anhand von 106 Mischfutteranalysen, welche im Rahmen der Futtermittelkontrolle im Zeitfenster Januar bis November 2008 durchgeführt wurden, überprüft. Die Datenquellen sind vertraulicher Natur. Die Ergebnisse werden daher in anonymisierter Form dargestellt.

Resultate und Diskussion Mastfutter In der Mast geht im Vergleich zu Standardfutter (= nicht NPr-Futter) der Gehalt an Rohprotein (RP) pro MJ VES (Verdauliche Energie Schwein) in stickstoff(protein)- und phosphorreduziertem (NPr) Durchmastfutter von 12,76 g


auf 11,52 g zurück (Tab. 1). Auf 13,5 MJ VES bezogen, entspricht dies einem Gehalt von 155,5 g RP/kg gegenüber 172,3 g RP/kg im Standardfutter. Ein energiekorrigierter Vergleich drängt sich auf, da die NPr-Futter im Mittel einen leicht höheren Energiegehalt aufweisen. Eine ähnliche Erhebung über Mischfuttergehalte bei Schweinen hat es in diesem Umfang in der Schweiz bis jetzt nicht gegeben. Als Vergleichsmöglichkeit bietet sich die Praxiserhebung von Kessler et al. (1994) an, in der die Rationen von 187 Praxisbetrieben im Zeitraum 1992/93 untersucht wurden. In der Gegenüberstellung der Alleinfutterrationen von 1992/93 mit den Alleinfuttern von 2008 ist allgemein ein Trend zu tieferen Rohproteingehalten zu beobachten. Kessler ermittelte in seiner Studie einen durchschnittlichen Gehalt von 184 g RP/kg Futter. Zusätzlich haben sich im Vergleich zu 1992/93 die NPr-Futter mit noch weiter abgesenktem Rohproteingehalt etabliert. Diese Absenkungen konnten trotz steigendem Rohprotein- und Aminosäurenbedarf, infolge der höheren Magerfleischanteile, durch den gezielten Einsatz von essentiellen Aminosäuren realisiert werden. Bezüglich Lysingehalt unterscheiden sich die verschiedenen Durchmastfuttertypen nicht. Die nur Phosphor reduzierten Futter (Pr) reihen sich im Proteingehalt bei den Standardfutter ein. Biofutter muss durch den Verzicht auf reine Aminosäuren mit höheren Proteingehalten rezeptiert werden. Als Höchstwert wurde ein Mastfutter mit 195 g RP/kg bei 13,8 MJ VES erfasst. Gemessen am Gesamtfutterverbrauch ist die Bedeutung von Biofutter marginal. Die Verteilung der Lysingehalte pro MJ VES (Abb. 1) zeigt, dass die Durchmastfutter alle im Bedarfsbereich der Vormastphase liegen. Der Mittelwert von 0,74 g Lys/MJ VES 

Zusammenfassung

Rohproteingehalte in Schweinefutter: Bestandesaufnahme 2008 | Nutztiere

Mit der Unterzeichnung des Göteborg-Protokolls und der dadurch verbundenen Verpflichtung, die Ammoniakemissionen zu reduzieren, ist die Landwirtschaft in der Schweiz gefordert, emissionsmindernde Massnahmen umzusetzen. Anpassungen – Optimierung der Rohprotein­ gehalte – in der Fütterung greifen als Begin-ofpipe-Massnahme über den N-Input direkt und nachhaltig in den N-Umsatz ein. Die vorliegende Untersuchung hatte zum Ziel, eine Bestandesaufnahme der aktuellen Schweinefütterungspraxis in der Schweiz zu machen. Die Erhebungen basieren auf Daten von Futtermühlen, welche 70 bis 80 % des Schweizer Marktvolumens ausmachen. Die deklarierten Rohprotein-Gehalte stimmen mit den analysierten Werten überein. Der Anteil an stickstoff(protein)- und phosphorreduziertem Futter (NPr-Futter) beträgt für volumen­mässig wichtige Futterkategorien zwischen 70 und 75 %. Auf 13,5 MJ VES (Verdauliche Energie Schwein) bezogen, weist ein NPr-Mastfutter im Durchschnitt 155,5 g Rohprotein pro kg auf, ein Standardmastfutter 172,3 g. Die Absenkung des Rohprotein­gehalts in Ausmastfutter im Vergleich zu Durchmastfutter ist nur gering. Die Differenzen im Rohproteingehalt zwischen Standardfutter und NPr-Futter sind bei Ferkel-, Galtsauen- und Säugendfutter geringer als bei Mastfutter. Die 25 bis 30 % Standard­futter im Markt, sowie Rohproteinwerte in Ausmast- und Galtsauenfutter, welche teilweise über den Bedarfsnormen liegen, bieten Ammoniakreduktionspotenzial.

0,85 Bereich Vormast bis 60 kg 0,80

Lys Bio

Lysin g/MJ VES

Lys NPr 0,75

Lys Pr Lys Standard

0,70 0,65 0,60 0,55 10,0

Bereich Ausmast ab 60 kg

10,5

11,0

11,5

12,0 RP g/MJ VES

12,5

13,0

13,5

14,0

Abb. 1 | Verteilung der Lysin- und RP-Gehalte pro MJ VES in Durchmastfutter (Erhebung bei Futterfabrikanten 2008).

Agrarforschung Schweiz 2 (6): 244–251, 2011

245


Nutztiere | Rohproteingehalte in Schweinefutter: Bestandesaufnahme 2008

Tab. 1 | Nährwertgehalte von Durchmast-, Vormast- und Ausmastfutter (Erhebung 2008)

VES (MJ/kg)

RP (g/kg)

Lys (g/kg)

P (g/kg)

g RP/ MJ VES

g Lys/MJ VES

g P/MJ VES

Durchmast Standard (inkl. Label) (n=56)

NPr (n=139)

Pr (n=7) Bio (n=13) Bio NPr (n=6)

x

13,57

172,95

9,97

5,15

12,76

0,73

0,38

sd

0,36

4,83

0,44

0,51

0,39

0,02

0,04

min

13,0

160,0

8,80

4,5

11,67

0,67

0,30

max

15,0

180,0

11,00

6,5

12,99

0,77

0,49

x

13,72

158,04

10,12

4,01

11,52

0,74

0,29

sd

0,30

6,17

0,39

0,11

0,42

0,03

0,01

min

12,95

140,0

8,90

3,7

10,29

0,67

0,26

max

15,0

175,0

11,00

4,4

12,50

0,80

0,33

x

13,53

175,00

10,23

4,04

12,94

0,75

0,30

sd

0,20

5,77

0,26

0,22

0,47

0,02

0,02

x

13,27

178,08

9,70

5,31

13,42

0,73

0,40

sd

0,31

6,93

0,30

0,24

0,33

0,02

0,02

x

13,50

165,00

10,00

4,80

12,22

0,74

0,36

sd

0,11

5,48

x

13,68

173,24

11,23

5,19

12,64

0,82

0,37

sd

0,21

9,18

0,19

0,69

0,53

0,01

0,05

0,31

Vormast Standard (inkl. Label) (n=17)

NPr (n=57)

min

13,1

150,0

11,0

3,9

11,45

0,82

0,29

max

14,0

185,0

11,5

6,0

13,21

0,82

0,43

x

13,70

163,96

10,95

4,19

12,02

0,79

0,30

sd

0,25

6,32

0,37

0,30

0,50

0,03

0,02

min

13,0

154,0

9,9

3,6

11,31

0,85

0,26

max

14,5

180,0

11,5

5,2

13,24

0,85

0,40

x

13,36

161,10

9,17

4,64

12,06

0,69

0,35

sd

0,38

5,26

0,39

0,42

0,31

0,03

0,03

Ausmast Standard (inkl, Label) (n=10)

NPr (n=42)

min

12,7

150,0

8,8

4,0

11,81

0,65

0,30

max

13,9

170,0

10,0

5,0

12,69

0,75

0,39

x

13,71

155,76

9,34

3,92

11,38

0,69

0,29

sd

0,32

6,49

0,49

0,18

0,47

0,05

0,01

min

13,0

140,0

8,5

3,5

10,0

0,61

0,26

max

14,5

165,0

10,0

4,5

12,2

0,75

0,31

NPr: Futter mit reduziertem Stickstoff(Protein)- und reduziertem Phosphorgehalt Pr: Futter mit reduziertem Phosphorgehalt VES: Verdauliche Energie Schwein

entspricht dem Bedarf eines Jagers von 40 kg LG (Agroscope Liebefeld-Posieux 2010). Die NPr- und Standardfutter unterscheiden sich im Mittelwert nicht. Insbesondere in der Ausmastphase sind die Mastschweine mit Protein und/oder Lysin überversorgt. Dagegen ist in der frühen Jagerphase die Proteinversorgung bei Durchmastfütterung suboptimal. Mit der Phasenfütterung

246

Agrarforschung Schweiz 2 (6): 244–251, 2011

wird diesem Umstand Rechnung getragen. Die ange­ botenen Vormastfutter sind im Mittel auf den Bedarf bei 30 kg LG optimiert. Bei Ausmastfutter wird offensichtlich eine hohe Sicherheitsmarge bezüglich Lysin eingehalten. Der tiefste ermittelte Lysingehalt entspricht dem Bedarf eines Mastschweins von 70 kg LG. Insgesamt sind die Grenzen zwischen Ausmast- und Durchmastfutter


Rohproteingehalte in Schweinefutter: Bestandesaufnahme 2008 | Nutztiere

unscharf. Der durchschnittliche Lysingehalt ist bei unwesentlich tieferem Rohproteingehalt reduziert. Im Ausmastfutter verschwimmen auch die Grenzen zwischen Standard- und NPr-Futter. Ausgehend von den Produktionsvolumen wurde die Verbreitung von Ergänzungs-, NPr- und Phasenfutter abgeschätzt. Die Aufteilung gestaltete sich schwieriger als ursprünglich angenommen, da einige Mischfutter sowohl als Allein- wie auch als Ergänzungsfutter zu Schotte deklariert und eingesetzt werden. Zudem werden Ferkelfutter nach dem Umstallen auch zum Anfüttern von Mastschweinen eingesetzt. Beim Mastschweinefutter beträgt der gewichtete Mittelwert für den NPr-Anteil nahezu 70 % (Abb. 2). Zwischen den Futtermühlen bestehen grosse Unterschiede, welche vor allem durch Standort und Kundensegment bedingt sind. In Regionen mit tiefer Tierdichte wird wenig NPr-Futter verkauft. Die Ergänzungsfutter sind von einer grossen Vielfalt gekennzeichnet, die oft kundenspezifisch auf die verschiedensten Nebenprodukte zugeschnitten sind. Die Ergänzungsfutter zu Schotte machen den Hauptanteil aus. Der Anteil des Ergänzungsfutters an der Mischfutterproduktion beträgt im Mittel 18 %. Phasenfütterung mit Vormast- und Ausmastfutter hat mit 10 % eine relativ tiefe Verbreitung. Im Zuge der Auswertung hat es sich gezeigt, dass der Begriff der Phasenfütterung differenzierter anzusehen ist. In der Praxis kommen Zwischenformen vor. Nicht wenige Betriebe wenden eine abgekürzte Phasenfütterung an, indem sie bei der Einstallung einige Wochen Ferkelfutter oder Vormastfutter einsetzten, um anschliessend mit Durchmastfutter weiterzufahren. Die tiefe Verbreitung der Phasenfütterung kann kaum nur durch die im internationalen Vergleich kleinen Herden erklärt werden. Sicher müssen auf der Seite der Mastbetriebe die technischen Voraussetzungen wie zusätzliche Futtersilos gegeben sein, was Mehrkosten verursacht. Es muss davon ausgegangen werden, dass

eine konsequente Phasenfütterung, auch wo es die Betriebsstrukturen erlauben würden, kaum umgesetzt ist. Zudem unterscheiden sich die Ausmastfutter zwar bezüglich Aminosäurengehalten klar von Durchmastfutter, die Absenkung der Rohproteingehalte ist aber marginal. Auf der Grundlage der Erhebung kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Phasenfütterung noch wenig umgesetzt ist und dass in der Endmast die Proteinversorgung auch unter NPr-Bedingungen noch optimiert werden kann. Dadurch bestehen beim N-Output und den NH3-Emissionen noch Reduktionspotenziale. Zusätzlich kann der N-Input durch eine weitere Verbreitung von NPr-Futter reduziert werden. Sauenfutter In der Zusammenstellung der Gehaltsangaben von Sauenfutter (Tab. 2) sind nur die Hauptkategorien enthalten. Spezialfutter, die nur für eine kurze Zeitdauer eingesetzt werden, wie zum Beispiel Brunstfutter, Abferkelfutter oder Konditionierungsfutter, fallen mengenmässig nicht ins Gewicht. Die Nährstoffgehalte im Mischfutter für Galtsauen übersteigen im Mittel die Fütterungsnormen für Rohprotein (10 g/MJ VES) und Lysin (0,48 g/MJ VES) (ALP 2004). Es gilt jedoch zu berücksichtigen, dass die Norm von 10 g RP/MJ VES ein Wert ist, welcher in der Praxis überschritten wird, um sicherzustellen, dass alle essentiellen Aminosäuren (insbesondere Isoleucin) zu einem zahlbaren Preis gedeckt sind. Wird anstelle des Galtsauenfutters ein Kombifutter (Universalfutter) eingesetzt, dann nimmt die Proteinüberversorgung deutliche Ausmasse an. Dies trifft auch für NPr-Kombifutter zu. Die Kombifutter sind verständlicherweise auf den Bedarf der laktierenden Sauen ausgerichtet. Im Bereich der Fütterung trächtiger Sauen besteht somit ein beträchtliches Einsparpotenzial in der Proteinzufuhr und der daran gekoppelten N-Ausscheidungen in all jenen Fällen, in denen kein proteinarmes 

100 90

Mast CH

80

Mühle 3

70

Mühle 1

%

60

Mühle 6

50

Mühle 5

40 30

Mühle 2

20

Mühle 4

10

Mühle 7

0 EF-Anteil

NPr-Anteil

Phasen-Anteil

Abb. 2 | Anteil Ergänzungs(EF)-, NPr- und Phasenfutter in der Mastschweinefütterung.

Agrarforschung Schweiz 2 (6): 244–251, 2011

247


Nutztiere | Rohproteingehalte in Schweinefutter: Bestandesaufnahme 2008

Tab. 2 | Nährwertgehalte von Galtsauen-, Kombi- und Säugendfutter (Erhebung 2008)

VES (MJ/kg)

RP (g/kg)

Lys (g/kg)

P (g/kg)

g RP/ MJ VES

g Lys/MJ VES

g P/MJ VES

Galtsauen Standard (inkl. Label) (n=33)

NPr (n=74)

x

12,05

144,97

6,54

6,05

12,06

0,54

0,50

sd

0,56

8,11

0,82

0,48

0,92

0,06

0,05

min

9,5

130,0

5,7

5,0

10,66

0,48

0,41

max

12,6

168,0

9,0

7,0

15,79

0,72

0,65

x

12,26

139,12

6,67

4,41

11,36

0,54

0,36

sd

0,56

9,91

0,90

0,28

0,77

0,06

0,03

min

11,0

125,0

5,7

3,9

9,85

0,48

0,30

max

13,6

160,0

9,4

5,0

13,86

0,72

0,45

x

12,87

171,28

9,32

5,89

13,32

0,73

0,46

sd

0,37

8,10

0,49

0,52

0,66

0,03

0,05

min

12,2

150,0

8,5

4,8

12,20

0,68

0,36

Kombifutter Standard (inkl. Label) (n=43)

NPr (n=78)

max

13,9

185,0

10,5

6,7

14,80

0,78

0,54

x

12,89

157,68

9,26

4,60

12,23

0,72

0,36

sd

0,36

7,95

0,37

0,28

0,61

0,03

0,02

min

12,0

135,0

8,3

4,0

10,80

0,64

0,29

max

13,0

180,0

10,0

5,5

14,40

0,79

0,42

Pr (n=6)

x

12,87

176,67

9,07

4,33

13,73

0,70

0,34

Bio (n=7)

x x

12,86

175,71

9,28

5,80

13,65

0,72

0,45

12,5

160,00

8,50

5,25

12,80

0,68

0,42

x

13,68

178,85

10,08

5,92

13,11

0,74

0,43

sd

0,38

7,06

0,53

0,43

0,64

0,03

0,35

min

13,0

170,0

9,0

5,0

12,14

0,68

0,36

BioNPr (n=6) Säugendfutter Standard (inkl. Label) (n=49)

NPr (n=73)

max

14,2

190,0

11,0

6,5

14,29

0,79

0,50

x

13,73

164,81

10,04

4,68

12,01

0,73

0,34

sd

0,38

8,45

0,44

0,32

0,55

0,02

0,02

min

12,5

150,0

9,3

4,0

10,93

0,70

0,29

max

14,5

185,0

10,6

5,4

13,21

0,77

0,39

Pr (n=11)

x

13,70

179,45

10,34

4,62

13,11

0,75

0,34

Bio (n=5)

x

12,74

181,40

9,20

5,83

14,24

0,73

0,46

NPr: Futter mit reduziertem Stickstoff(Protein)- und reduziertem Phosphorgehalt Pr: Futter mit reduziertem Phosphorgehalt VES: Verdauliche Energie Schwein

Raufutter als Rationsverdünner zugelegt wird. Die Mischfutter für säugende Sauen entsprechen weitgehend den Fütterungsempfehlungen (ALP 2004). Anders als bei den Galtsauen ist der Spielraum, den Proteingehalt des Futters von säugenden Sauen noch weiter abzusenken, klein oder überhaupt nicht vorhanden. Insgesamt kommen die nur P-reduzierten Futter bei Sauen häufiger vor als bei den Mastschweinen.

248

Agrarforschung Schweiz 2 (6): 244–251, 2011

Wie bei Mastschweinen bestehen auch bei den Zuchttieren bezüglich NPr-Einsatz grosse regionale Unterschiede. Im Mittel beträgt der NPr-Anteil 76 %. Im Gegensatz zu den Mastschweinen hat bei den Sauen die Phasenfütterung (Galtsauenfutter und Säugendfutter) eine weit grössere Verbreitung gefunden. Neben einer Erhöhung des Anteils der NPr-Futter besteht bei den Sauen vor allem mit der konsequen-


Rohproteingehalte in Schweinefutter: Bestandesaufnahme 2008 | Nutztiere

Tab. 3 | Nährwertgehalte von Ferkelleistungsfutter (Erhebung 2008) VES (MJ/kg)

RP (g/kg)

Lys (g/kg)

P (g/kg)

g RP/ MJ VES

g Lys/MJ VES

g P/MJ VES

x

13,74

177,30

12,21

5,67

12,90

0,89

0,41

sd

0,36

8,68

0,58

0,44

0,53

0,04

0,04 0,35

Ferkelleistungsfutter Standard (inkl. Label) (n=69)

NPr (n=150)

min

13,0

150,0

11,0

4,9

11,54

0,81

max

14,5

200,0

13,0

6,6

14,85

0,97

0,51

x

13,84

169,07

12,27

5,10

12,21

0,88

0,37

sd

0,26

9,03

0,41

0,35

0,56

0,03

0,03 0,29

min

13,1

152,0

11,5

4,0

11,09

0,83

max

14,5

186,0

13,0

5,8

13,24

0,93

0,42

Pr (n=8)

x

13,85

181,38

12,80

4,89

13,09

0,93

0,35

Bio (n=8)

x

13,18

181,38

10,16

6,20

13,70

0,77

0,47

x

13,24

161,15

10,91

5,13

12,17

0,83

0,39

Jagereinstellfutter (n=52)

sd

0,29

7,91

1,06

0,43

0,52

0,08

0,03

min

12,7

140,0

8,1

3,8

10,61

0,61

0,29

max

14,0

181,0

12,0

7,1

13,82

0,92

0,54

NPr: Futter mit reduziertem Stickstoff(Protein)- und reduziertem Phosphorgehalt Pr: Futter mit reduziertem Phosphorgehalt VES: Verdauliche Energie Schwein

ten Umsetzung der Phasenfütterung und einer leichten Absenkung des RP-Gehaltes in NPr-Galtsauenfutter die Möglichkeit, die Rohproteinversorgung weiter zu optimieren. Ferkelfutter Ferkelfutter können in die Kategorien Saugferkelbeifutter, Prestarter, Starter, spezielle Absetzfutter und Ferkelleistungsfutter eingeteilt werden. Als Sonderfall sind die Jagereinstellfutter zu betrachten, die zu Mastbeginn während einer beschränkten Zeitdauer eingesetzt werden und zum Teil Fütterungsarzneimittel oder Wurmmittel enthalten. Die Übergänge sind aber recht fliessend. Abgesetzte Ferkel werden zu 95 bis 98 % mit Alleinfutter gefüttert und davon machen die Ferkelleistungsfutter mengenmässig den Hauptanteil aus. Die Zusammenstellung der Gehaltsangaben beschränkt sich deshalb auf Ferkelleistungsfutter und Jagereinstellfutter (Tab. 3). Die Unterschiede zwischen Standard- und NPr-Futter sind insgesamt kleiner als bei den andern Schweinekategorien und die Abgrenzungen sind weniger eindeutig. Der Rohproteingehalt im Ferkelfutter wird auch in Standardfutter nach oben begrenzt, da hohe Proteingehalte das Risiko von Darmerkrankungen erhöhen (Le Bellego und Noblet 2002; Heo et al. 2009). Man kann davon ausgehen, dass Ferkelfutter zu 75 % in NPr-Qualität verfüttert werden mit wiederum grossen regionalen Unter-

schieden. Mit Ausnahme des Bioferkelfutters entspricht der Lysingehalt im Mittel den Empfehlungen für 10 kg schwere Ferkel. Die Jagereinstellfutter fallen durch ihren vergleichsweise tiefen Energiegehalt auf. Unter der Voraussetzung, dass die Ferkelfutter wirklich nur den Ferkeln verfüttert werden, ist ausser mit einer Steigerung des NPr-Anteils kein nennenswertes Proteinreduktionspotenzial auszumachen. Vergleich deklarierte und analysierte Rohprotein- und Energiegehalte Gemäss Anhang 7, Art. 6 und Art. 30 der Futtermittelbuchverordnung (EVD 2010) beträgt der Toleranzbereich bei der amtlichen Untersuchung von Mischfuttermitteln im Falle des Rohproteins 10 % des deklarierten Gehaltes bei Abweichungen nach unten (bei Futter unter 200 g RP). Bei Abweichungen nach oben gilt die doppelte Toleranz. Das heisst, ein mit 165 g RP deklariertes Futter kann von 148,5 g bis 198 g RP ohne Beanstandung variieren. Würde die obere Toleranz voll ausgenützt, dann resultiert im Falle eines Durchmastfutters in der Endmast eine massive Proteinüberversorgung, die durchaus zu 30 % erhöhten Ammoniakverlusten führen könnte. Für NPr-Futter gelten kleinere Toleranzen, welche in den Weisungen zur Berücksichtigung von nährstoffreduziertem Futter in der Suisse-Bilanz (BLW 2010) festgelegt sind. Die tolerierte Abweichung von 7 % gegenüber dem Deklarationswert für RP und P führt nur 

Agrarforschung Schweiz 2 (6): 244–251, 2011

249


Nutztiere | Rohproteingehalte in Schweinefutter: Bestandesaufnahme 2008

Schlussfolgerungen

bei Überschreitungen zu Beanstandungen, die von den kantonalen Kontrollstellen geprüft werden. Im Zeitraum Januar bis November 2008 konnten 106 amtliche Mischfutterkontrollen ausgewertet werden. Davon sind 52 als NPr-Futter definiert. Die in den Mischfuttern analysierten Rohproteingehalte weichen etwas häufiger negativ als positiv vom Deklarationswert ab, so dass die Gesamtmittelwerte -0,46 g beziehungsweise -0,25 % betragen. Sämtliche Abweichungen bewegen sich innerhalb der Toleranzbereiche der amtlichen Kontrolle und nur ein einziges NPr-Futter übersteigt die Toleranz von 7 % (Abb. 3). Im Mittel beträgt die Differenz der Energiegehalte +0,40 MJ VES bzw. +3,05 %. Die amtliche Futtermittelkontrolle berechnet den VES-Gehalt mit der Mischfutterregression anhand der Rohnährstoffanalysen. Gemäss Stoll (2004) liegen die geschätzten Werte im Vergleich zur Rezeptur zu 80 bis 90 % innerhalb ± 0,5 VES/ kg TS. Die Schätzungenauigkeit allein kann die festgestellten Abweichungen nicht erklären, denn sie müsste sich positiv wie negativ auswirken. Zudem lässt die Häufigkeit der Abweichungen von über +0,4 MJ VES vermuten, dass weitere Gründe diese nahezu systematisch positiven Differenzen zwischen Analyse und Deklaration verursachen. Dem müsste in weiteren Abklärungen nachgegangen werden. Da die Beurteilung der Bedarfsgerechtigkeit der Nährstoffversorgung immer energiebezogen gemacht wird, kommt durch die VES-Bewertung eine gewisse Unsicherheit ins Spiel. Die analysierten Rohproteingehalte entsprechen den deklarierten Werten. Daher besteht hier kein zusätzliches Reduktionspotenzial. Die Übereinstimmung von analysierten und deklarierten Werten erlaubt es auch, die Abschätzungen bezüglich Reduktionspotenzial basierend auf den deklarierten Werten zu machen.

••In den letzten 20 Jahren ist der RP-Gehalt im Mischfutter für Schweine gesunken, nicht zuletzt aufgrund der starken Verbreitung der NPr-Futter. Der NPr-Anteil beträgt für Hauptfutterkategorien 70 bis 75 %. Die 25 bis 30 % Standardfutter im Markt bieten beachtliches Ammoniakreduktionspotenzial. ••Im Mastschweinefutter besteht N-Reduktionspotenzial in der Endmast. Die weit verbreiteten Durchmastfutter sind auf den Aminosäurenbedarf der Vormast optimiert. In der Endmast ist generell, auch unter NPrBedingungen, von einem Proteinüberschuss auszugehen. Dieser Überschuss kann durch die konsequente Umsetzung von Phasenfütterung mit RP-reduzierten Endmastfuttern abgebaut werden. ••Die sogenannten Kombifutter sind für Galtsauen nicht geeignet. Sie führen zu einer markanten Proteinüberversorgung, insbesondere dann, wenn kein RP-armes Raufutter zugefüttert wird. Auch die erhältlichen Trächtigkeitsfutter sind bezüglich des RP-Gehalts leicht überformuliert. n

Diff. Analyse-Deklaration %

20 15

RP_Diff Standard %

10

VES_Diff_NPr % VES_Diff Standard %

5

Toleranz NPr

0

RP_Diff_NPr %

-5

-10 -15 0

20

40

Abb. 3 | Relative Abweichungen der RP- und VES-Gehalte vom Deklarationswert im Mischfutter für Schweine (amtliche Futtermittelkontrolle 2008).

250

Agrarforschung Schweiz 2 (6): 244–251, 2011

60


Contenuto in proteine grezze nel mangime per suini: punto della situazione 2008 Con la firma del Protocollo di Göteborg e il conseguente obbligo di ridurre le emissioni di ammoniaca, l’agricoltura in Svizzera è tenuta ad attuare misure per ridurne le emissioni. Gli adeguamenti – ottimizzazione del contenuto in proteina grezza – nel regime alimentare costituiscono una misura iniziale (begin-of-pipe) in grado di influenzare in modo diretto e durevole emissioni azotate a tutti i livelli. Il presente studio ha l’obiettivo di tracciare un quadro generale delle forme di foraggiamento attualmente praticate in Svizzera per i suini. È stata condotta un’indagine sulla base di dati dei produttori di alimenti per suini che ha incluso il 70–80 per cento del mercato svizzero. I valori dichiarati relativi alla proteina grezza corrispondono a quelli analizzati. L’indagine ha rivelato che la parte di foraggi a basso contenuto in azoto proteico e fosforo (NPr foraggio) costituisce, a dipendenza della categoria, il 70–75 per cento del volume dei foraggi venduti sulla base della concentrazione di energia di 13,5 MJ ED, i foraggi NPr mostrano in media un tenore di 155,5 g PG/kg, rispetto ai 172,3 g PG/kg di un foraggio standard. La dieta dei suini da finissaggio, rispetto a quella dei suini da ingrasso, presenta una concentrazione di PG lievemente minore. La differenza delle concentrazioni di PG negli alimenti standard o a basso tenore di N e P è ancora più bassa nella dieta di suinetti e scrofe rispetto alla dieta degli animali da ingrasso. Il 25 – 30 per cento degli alimenti per suini non è commercializzato come alimenti a basso tenore di N e P. Inoltre, una parte delle diete per i suini da finissaggio e le scrofe gestanti presenta concentrazioni eccessive di PG. Apportando adeguamenti in questi ambiti si avrebbe un potenziale di riduzione delle emissioni di ammoniaca.

Literatur ▪▪ Agroscope Liebefeld-Posieux 2010. Fütterungsempfehlungen und Nährwerttabellen für Schweine. Zugang: http://www.db-alp.admin.ch/member/fmdb/4FtterungsempfehlungenEnergieProteinAminosurenMengenel emente_42.pdf [1.2.2010]. ▪▪ BLW, 2010. Weisungen zur Berücksichtigung von nährstoffreduziertem Futter in der Suisse-Bilanz. Zugang: http://www.qualinova.ch/upload/ qualinova/files/Weisungen_NPr-Futter_Suisse-Bilanz.pdf [1.2.2010]. ▪▪ EVD, 2010. Verordnung des EVD über die Produktion und das Inverkehrbringen von Futtermitteln, Zusatzstoffen für die Tierernährung, Silierungszusätzen und Diätfuttermitteln (Futtermittelbuch-Verordnung, FMBV). Zugang: http://www.admin.ch/ch/d/sr/9/916.307.1.de.pdf [1.2.2010].

Summary

Riassunto

Rohproteingehalte in Schweinefutter: Bestandesaufnahme 2008 | Nutztiere

Protein content in compound feed for pigs: survey of 2008 As most European countries, Switzerland has signed the Gothenburg Protocol to abate acidification, eutrophication and ground-level ozone. The protocol puts pressure on Swiss livestock producers to implement measures to reduce their ammonia emissions. Dietary modifications (optimization of crude protein concentration) will affect, as a begin-of-pipe measure, all emission stages from barn to field. The aim of the present study was to gain an overview of the current pig-feeding practices in Switzerland. A survey was conducted based on data from manufactures, comprising 70–80 % of the Swiss pig-feed market. The declared crude protein values comply with analyzed values. The survey showed that, depending on the feed category, 70–75 % of the feed is sold with reduced nitrogen (crude protein) and phosphorus concentrations (NPr feed). Based on an energy concentration of 13,5 MJ DE, the average CP concentrations for fattening pigs are 172,3 g CP/kg for standard and 155,5 g CP/kg for NPr diets. Finisher diets only have a marginal CP reduction compared to fattening diets. The difference in CP concentrations between standard and NPr feed is much smaller for piglet and sow diets compared to fattening diets. 25 – 30 % of pig feed is not sold as NPr diets. In addition, part of the diets for finishing pigs and gestating sows are overformulated regarding CP. Adaptations in these areas offer potential for reducing ammonia emissions. Key words: compound feed, pigs, protein content, survey.

▪▪ Heo J., Kim J.C., Hansen C.F., Mullan B.P., Hampson D.J. & Pluske J.R., 2009. Feeding a diet with decreased protein content reduces indices of protein fermentation and the incidence of postweaning diarrhea in weaned pigs challenged with an enterotoxigenic strain of Escherichia coli. J. Anim. Sci. 87, 2833–2843. ▪▪ Kessler J., Zogg M. & Bächler E., 1994. Ein kritischer Blick in den Schweinetrog. Agrarforschung 1 (7), 313 – 316. ▪▪ Le Bellego L. & Noblet J., 2002. Performance and utilization of dietary energy and amino acids in piglets fed low protein diets. Livest. Prod. Sci. 76, 45–58. ▪▪ Stoll P., 2004. Futterbewertung mit der Mischfutterregression. Weiterbildungstagung SVIAL: Fütterungsempfehlungen und Nährwerttabellen für Schweine. Zollikofen, 27.8.04 ▪▪ UNECE, 2010. Protocol to Abate Acidification, Eutrophication an Groundlevel Ozone. Zugang: http://www.unece.org/env/lrtap/multi_h1.htm

Agrarforschung Schweiz 2 (6): 244–251, 2011

251


N u t z t i e r e

Projekt «Weidekuh-Genetik»: Produktion, Fruchtbarkeit und Gesundheit Valérie Piccand1, Erwan Cutullic1, Fredy Schori2, Sara Weilenmann3 und Peter Thomet1 Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft SHL, 3052 Zollikofen 2 Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, 1725 Posieux 3 Institut für Tierernährung, Vetsuisse-Fakultät, Universität Zürich, 8057 Zürich Auskünfte: Valérie Piccand, E-Mail: valerie.piccand@bfh.ch, Tel. +41 31 910 22 18

1

Die neuseeländischen Holstein-Friesian erreichten bessere Fruchtbarkeitsresultate als die Schweizer Holstein, aber geringere als das Schweizer Fleckvieh.

Einleitung Die Schweiz ist ein dicht besiedeltes Land. Die intensiv landwirtschaftlich nutzbare Fläche ist knapp, weshalb die Ausnutzung ihres Ertragspotenzials wichtig ist. Die Systeme der Vollweide-Milchproduktion mit Blockabkalbung erlauben sowohl auf Schweizer als auch auf internationaler Ebene eine gute Grasnutzung und eine ­hervorragende Produktivität pro Hektar Futterfläche (Thomet et al. 2004). Um hohe Flächenleistungen zu erreichen, sind neben einem optimierten Weidemanagement geeignete Tiere erforderlich. Diese müssen das verzehrte Gras und Raufutter effizient in Milch umwandeln, damit die Produktionskosten gesenkt werden können (Raufutter und Kraftfutter stellen mehr als 60% der

252

Agrarforschung Schweiz 2 (6): 252–257, 2011

Direktkosten der Milchbetriebe dar; M. Höltschi, persönliche Mitteilung). Gleichzeitig müssen sie die Gesundheit und die Fruchtbarkeitsleistung behalten, damit bei saisonaler Abkalbung nicht zu viele Tiere ausfallen. Der Druck zur Produktionseffizienz ist in allen Systemen vorhanden, bei saisonaler Abkalbung ist die Fruchtbarkeit jedoch besonders wichtig. Sollen die Blockabkalbungen jährlich während zwölf Wochen stattfinden, dauert auch die Besamungssaison nur zwölf Wochen und beginnt zwölf Wochen nach den ersten Abkalbungen, gerade nachdem die letzten Abkalbungen stattgefunden haben. Alle Fruchtbarkeitsetappen müssen somit funktionieren: Die Kühe müssen 50 Tage nach dem Abkalben einen regelmässigen Brunstzyklus aufweisen, klare Brunstsymptome bei jedem Eisprung zeigen und bei der Besamung eine gute Fruchtbarkeit aufweisen. Stimmt ein Element nicht, verspätet sich der Eintritt der Trächtigkeit oder die Kuh bleibt leer. Dies hat eine Änderung der jährlichen Verteilung der Abkalbungen oder eine Zunahme der Anzahl Abgänge wegen Unfruchtbarkeit zufolge, was das ganze System zum Scheitern bringen kann. Die Fruchtbarkeitsleistung wird am Prozentanteil der trächtigen Kühe in Woche 3, 6 oder 12 der Besamungssaison gemessen. Ein spätes Abkalben in der Saison hat negative Auswirkungen auf die Milchproduktion, die Fruchtbarkeit, die Aufzucht der Kälber und nicht zuletzt auf die Arbeitsorganisation auf dem Betrieb. Ziele des Versuchs Der Versuch «Weidekuh-Genetik» hatte zum Ziel, die Eignung der heutigen Schweizer Milchkühe für ein Vollweidesystem mit saisonaler Abkalbung zu testen. Sind die Leistungen bezüglich Produktion, Fruchtbarkeit und Gesundheit der Schweizer Rassen den Anforderungen eines Low-Input-Systems mit Blockabkalbung angepasst? Um dies herauszufinden, wurden Kühe der Rassen Schweizer Holstein-Friesian (CH HF), Schweizer Fleckvieh (CH FV) und Schweizer Brown Swiss (CH BS) mit neuseeländischen Holstein-Friesian (NZ HF) Kühen verglichen, welche eine langjährige Selektion für diese Art von Sys-


Projekt «Weidekuh-Genetik»: Produktion, Fruchtbarkeit und Gesundheit | Nutztiere

Tiere, Material und Methoden Die Versuchstiere und involvierten Betriebe, die Versuchsanlage, die untersuchten Parameter sowie die statistischen Analysemethoden sind im ersten Artikel der Serie detailliert beschrieben worden (Piccand et al. 2011). Kurz zusammengefasst wurden von 2007 bis 2009 NZ HF Kühe Schweizer Kühen auf 15 Praxisbetrieben gegenübergestellt, wobei der Versuch insgesamt 259 Laktationen von 134 Kühen beinhaltete (NZ HF, n=131 Laktationen / 58 Kühe; CH HF 40/24; CH FV 43/27; CH BS 45/25). Es wurden die Leistungen bezüglich Milchproduktion, Fruchtbarkeit, Körperkondition (BCS) und Gesundheitszustand der Tiere analysiert.

Ziel dieses Versuchs war es, die Schweizer Milchkuhrassen Holstein-Friesian (CH HF), Fleckvieh (CH FV) und Brown Swiss (CH BS) in Weidesystemen mit Blockabkalbung Ende Winter hinsichtlich Produktions-, Fruchtbarkeitsund Gesundheitsleistungen mit neuseeländischen Holstein-Friesian (NZ HF) zu vergleichen, die als Referenz für diesen Systemtyp gewählt wurden. Von 2007 bis 2009 wurden auf 15 Praxisbetrieben NZ HF Kühe Schweizer Kühen gegenübergestellt, wobei der Versuch insgesamt 259 Laktationen und 134 Kühe beinhaltete. Die CH HF und NZ HF wiesen die besseren Milchleistungen auf als die CH FV und CH BS (50,2 und 52,1 kg ECM / kg LG0,75 gegen 44,3 und 43,6 kg; P < 0,05). Der Anteil der nach sechs Wochen Besamungssaison trächtigen CH FV war tendenziell höher als bei den CH HF (81 % gegen 46% P < 0,10), die Rassen NZ HF und CH BS lagen dazwischen (66 % und 64 %). Die CH HF Kühe verfügen heute über ungenügende Fruchtbarkeitsleistungen für Systeme mit Blockabkalbung. Die Zwei­nutzungsrasse CH FV ist zwar weniger effizient in der Milchproduktion, scheint aber durch ihre guten Fruchtbarkeitsleistungen für diese Systeme geeignet zu sein.

Zusammenfassung

tem erfahren haben und bekannt für ihre Milchleistung und guten Fruchtbarkeitsleistungen sind. Dieser Artikel ist der zweite in der Serie zu den Resultaten des Projekts «Weidekuh-Genetik». Der nächste Artikel wird die wirtschaftlichen Resultate behandeln und in der Juli/August Ausgabe erscheinen.

Resultate Milchproduktion und Körperkondition Bei allen Produktionsparametern wurden signifikante Unterschiede zwischen den Rassen festgestellt (Tab. 1). Die CH HF zeigten eine hohe Jahres-Milchleistung mit 

Tab. 1 | Milchproduktionsdaten in 270 Laktationstagen, Lebendgewicht und Körperkondition der neuseeländischen Holstein-Friesian- (NZ HF), der Schweizer Holstein-Friesian- (CH HF), der Schweizer Fleckvieh- (CH FV) und der Brown Swiss-Kühe (CH BS) des Projekts «Weidekuh-Genetik» n

NZ HF

CH HF

CH FV

CH BS

P Rasse

Milch (kg)

259

5321 b

5921 c

5291 ab

4927 a

< 0,001

ECM (kg)

259

5531

5840

5363

4814

< 0,001

Fettgehalt (%)

259

4,25 c

4,01 ab

4,15 bc

3,86 a

< 0,001

Proteingehalt (%)

259

3,46

3,20

3,31

3,27

a

< 0,001

Laktosegehalt (%)

259

4,79 ab

4,72 a

4,80 ab

4,85 b

< 0,05

0,74

0,76

0,72

a

< 0,001

Milchproduktion in 270 Tagen

1

b

b

b

a

b

a

a

Persistenz in ECM

259

0,79

Effizienz3 (ECM / LG0,75

221

52,1 b

50,2 b

44,5 a

43,8 a

< 0,001

Lebendgewicht während Laktation (kg)

221

514

592

605

523

< 0,001

beim Abkalben

251

3,25 b

3,05 a

3,52 c

3,38 bc

< 0,001

beim tiefsten Punkt

246

2,69

2,39

2,86

2,74

< 0,001

2

b

a

a

b

ab

b

a

Körperkonditionsnote (von 1–5)

b

a

c

bc

Körperkonditionsverlust ab Abkalbung bis 30 Tage

249

-0,28

-0,37

-0,24

-0,24

0,129

ab Abkalbung bis zum tiefsten Punkt

242

-0,55

-0,65

-0,64

-0,61

0,230

energiekorrigierte Milch (4,0 % Fett, 3,2 % Protein und 4,8 % Laktose) Verhältnis der ECM-Produktion vom Tag 101 bis 200 zur ECM-Produktion vom Tag 1 bis 100. 3 kg ECM / kg mittleres metabolisches Lebendgewicht während der Laktation; 38 Kühe mit fehlenden Gewichts-Erhebungsdaten wurden von der Analyse ausgeschlossen. a, b, c unterschiedliche Hochbuchstaben zeigen signifikant unterschiedliche Werte (P < 0,05) 1 2

Agrarforschung Schweiz 2 (6): 252–257, 2011

253


Nutztiere | Projekt «Weidekuh-Genetik»: Produktion, Fruchtbarkeit und Gesundheit

4,0

Körper Kondition (Note von 1 bis 5)

Milchleistung (kg ECM/Tag)

30

25

20

15

3,5

3,0

2,5

2,0

10 0

30

60

90

120

150

180

210

240

0

270

30

60

90

120

150

180

210

240

270

Tage nach dem Abkalben

Tage nach dem Abkalben

Abb. 1 | Laktationskurven berechnet nach der Gleichung von Wood und Körperkonditionskurven der neuseeländischen Holstein-Friesian(NZ HF, n=131, blau), der Schweizer Holstein-Friesian- (CH HF, n=40, schwarz), der Schweizer Fleckvieh- (CH FV, n=43, orange) und der Brown Swiss-Kühe (CH BS, n=45, grau) des Projekts «Weidekuh-Genetik».

Fruchtbarkeitsleistung Den höchsten Anteil trächtiger Kühe im Verlauf der Besamungssaison wiesen die CH FV auf und den tiefsten die CH HF, die NZ HF und CH BS lagen dazwischen (Abb. 2). Dies ist beim CH FV auf einen hohen Anteil besamter Tiere innerhalb von drei Wochen und einer hoher Fruchtbarkeit bei der Besamung zurückzuführen (Tab. 2). Eine nur während des Jahres 2008 durchgeführte Untersuchung zeigte bei den CH FV auch eine frühere Wiederaufnahme der Zyklizität nach dem Abkalben als bei den NZ HF (29 gegen 51 Tage, P < 0,01), die CH HF und CH BS lagen dazwischen (43 und 43 Tage). Gesundheit Insgesamt traten bei den NZ HF häufiger gesundheit­ liche Probleme auf als bei den CH BS, ohne dass ein spe-

254

Agrarforschung Schweiz 2 (6): 252–257, 2011

zifisches Problem signifikant häufiger vorkam (Tab. 3). Die Resultate der CH HF und CH FV lagen dazwischen. In Bezug auf die Fortbewegung attestierte eine nur während des Jahres 2008 durchgeführte veterinäre Überwachung den NZ HF und den CH BS einen regelmässigeren Gang als den CH FV und CH HF (67% und 60% normaler Gang gegen 44% und 38 %, P < 0,05; K. Keckeis, persönliche Mitteilung).

Diskussion Verschiedene Milchproduktionsarten Die beobachteten Unterschiede in der Milchleistung von NZ HF und CH HF stehen in Einklang mit den Ergebnissen von Vergleichsstudien der HF-Linien im Vollweidesystem 1

b ab

Anteil trächtige Kühe

einer ausgeprägten Laktationsspitze (Abb. 1), die NZ HF zeichneten sich durch hohe Fett- und vor allem Eiweissgehalte aus sowie einer guten Laktationspersistenz. Hinsichtlich des Kriteriums «kg energiekorrigierte Milch (ECM) pro kg metabolisches Lebendgewicht» produzierten die zwei Holstein-Friesian-Linien (HF) effizienter Milch als die CH FV und CH BS. Während der ganzen Laktation wiesen die CH FV eine signifikant höhere Körperkonditionsnote auf als die NZ HF, die CH HF eine signifikant tiefere und die CH BS lagen zwischen den NZ HF und CH FV (Tab. 1, Abb. 1). Beim Körperkonditionsverlust nach dem Abkalben konnte hingegen kein signifikanter Unterschied zwischen den Rassen festgestellt werden.

0,75

ab

b

a

0,5 ab

NZ HF CH HF CH FV CH BS

a

0,25

a 0 0

3

6 9 Woche der Besamungssaison

Abb. 2 | Anteil trächtiger Tiere während der Besamungssaison; Vergleich der neuseeländischen Holstein-Friesian- (NZ HF), der Schweizer Holstein-Friesian- (CH HF), der Schweizer Fleckvieh- (CH FV) und der Brown Swiss-Kühe (CH BS) des Projekts «Weidekuh-­ Genetik». Unterschiedliche Buchstaben zeigen signifikant unterschiedliche Werte ( P < 0,05).

12


Projekt «Weidekuh-Genetik»: Produktion, Fruchtbarkeit und Gesundheit | Nutztiere

Tab. 2 | Fruchtbarkeitsleistung der neuseeländischen Holstein-Friesian- (NZ HF), der Schweizer Holstein-Friesian- (CH HF), der Schweizer Fleckvieh- (CH FV) und der Brown Swiss-Kühe (CH BS) des Projekts «Weidekuh-Genetik» n

NZ HF

CH HF

CH FV

CH BS

P Rasse

Abkalbung bis zum Beginn der Besamungssaison (Tag)

259

56

56

57

52

Beginn Besamungssaison bis zur – erfolgreichen KB (Tag)

220

27 b

29 ab

15 a

22 ab

< 0,05

Anteil besamter Tiere in 3 Wochen (%)

259

53 a

58 ab

86 b

70 ab

< 0,01

Erstbesamungserfolg (%)

258

62

46

67

59

Erfolg bei der 1. oder 2. KB (%)

258

76 ab

59 a

89 b

72 ab

< 0,05

Anteil trächtiger Tiere nach 3 Wochen (%)

256

32 a

26 a

65 b

38 ab

< 0,05

Anteil trächtiger Tiere nach 6 Wochen (%)

256

66

48

81

64

0,14

Anteil trächtiger Tiere nach 12 Wochen (%)

256

91

81

94

93

0,32

a, b, c

0,69

0,36

unterschiedliche Hochbuchstaben zeigen signifikant unterschiedliche Werte (P < 0,05)

mit saisonaler Abkalbung (Horan et al. 2005b; Macdonald et al. 2008). Beim Fleck- und Braunvieh existieren keine vergleichbaren Studien für diesen Systemtyp. In der ECM-Produktion pro kg metabolisches Lebendgewicht sind die beiden HF-Linien am effizientesten (ca. +14% im Vergleich zu CH FV und CH BS). Bei der Zweinutzungsrasse CH FV war eine geringere Produktionseffizienz zu erwarten gewesen, nicht jedoch bei der spezialisierten Milchrasse CH BS. Die beiden HF-Linien haben ihre hohe Milchproduktionseffizienz aber nicht auf die gleiche Art erreicht. Die CH HF haben ein höheres Milchvolumen produziert, wiesen ein höhere Produktionsspitze auf und verfügten über eine tiefere Persistenz als die NZ HF. Diese Unterschiede zwischen den Laktationskurven wurden auch von Horan et al. (2005a) beobachtet. Die Produktionseffizienz der CH HF könnte teilweise auf eine grössere Mobilisation der Körperreserven und eine andere Verteilung der aufgenommenen Energie zurückzuführen sein, die eher für die Milch als für die Körperreserven verwendet wird. Auch wenn sich der Körperkonditionsverlust zwischen den beiden HF-Linien nicht signifikant unterschied (während den ersten 30 Laktationstagen eine um ca. 0,10 Konditionspunkte stärkere Abnahme bei CH HF als NZ HF), so hat das tägliche Wägen auf dem Betrieb «l’Abbaye» in Sorens einen statistisch höheren

Gewichtsverlust der CH HF als der NZ HF während den ersten 30 Laktationstagen gezeigt (32 kg für die CH HF und 9 kg für die NZ HF, P < 0,01; F. Schori, persönliche ­Mitteilung). Zudem haben die nur während des Jahres 2008 realisierte Untersuchungen zum Energiestoffwechsel gezeigt, dass das Niveau der nicht veresterten Fettsäuren und des β-Hydroxybutyrats bei den CH HF signifikant höher liegt als bei den NZ HF, was auf eine stärkere Mobilisation der Körperreserven hindeutet (M. Wanner, persönliche Mitteilung). Der Indikator kg ECM / kg metabolisches Lebendgewicht ist nur ein erster Schritt in Richtung der Definition der tatsächlichen Effizienz, die in Zukunft auch die Variation des Lebendgewichts und der Körperkondition und idealerweise auch den effektiven Verzehr beinhalten sollte (Coleman et al. 2010). Der Körperkonditionsverlust in zwei Phasen wie bei CH FV wurde bei keiner anderen Rasse beobachtet, auch nicht bei den mit den CH FV gepaarten NZ HF. Von Juni bis August, nach mehr als 100 Tagen post-partum, scheinen die CH FV ihre Körperreserven erneut zu mobilisieren. Diese Resultate lassen vermuten, dass nach dem Abkalben nicht eine maximale Mobilisation der Körperreserven stattfindet und ein Teil später im Sommer bei einer eingeschränkten Futterzufuhr noch mobilisierbar ist. Bei den anderen Rassen, die schon über eine 

Tab. 3 | Gesundheitsprobleme, Hormonbehandlungen und Zellzahlbestimmung der neuseeländischen Holstein-Friesian- (NZ HF), der Schweizer Holstein-Friesian- (CH HF), der Schweizer Fleckvieh- (CH FV) und der Brown Swiss-Kühe (CH BS) des Projekts «Weidekuh-Genetik» n

NZ HF

CH HF

CH FV

CH BS

P Rasse

Gesundheitsprobleme (%)

259

41

23

39

14

< 0,01

Uro-Genital-Erkrankungen1 (%)

259

9

9

11

8

0,97

1

ab

ab

a

Euterprobleme (%)

259

19

7

6

3

< 0,05

Hormonbehandlung1 (%)

259

4

2

4

0

< 0,01

Somatische Zellen (1000 Zellen/ml)

259

56

54

41

41

0,07

1

1

b

Auftreten mind. eines Problems während der Laktation unterschiedliche Hochbuchstaben zeigen signifikant unterschiedliche Werte (P < 0,05)

a, b, c

Agrarforschung Schweiz 2 (6): 252–257, 2011

255


Nutztiere | Projekt «Weidekuh-Genetik»: Produktion, Fruchtbarkeit und Gesundheit

beschränkte Körperkondition verfügen, ist dies nicht der Fall. Diese späte und limitierte Mobilisation bliebe somit ohne Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit. Bis heute existiert aber keine Studie, welche diese Hypothese stützt. Fruchtbarkeitsleistung Nur die CH FV haben die in Neuseeland gesetzten Ziele hinsichtlich Fruchtbarkeitsleistung erreicht, beziehungsweise übertroffen, also ≥ 90% besamte Tiere in 21 Tagen und ≥ 78% trächtige Tiere sechs Wochen nach Beginn der Besamungssaison (Burke et al. 2007). Dieses ausgezeichnete Resultat ist wahrscheinlich auf eine frühe Aufnahme einer regelmässigen Zyklizität (wie 2008 durch die Analysen der Progesteronprofile festgestellt) und auf einen hohen Anteil an besamten Tieren in drei Wochen zurückzuführen, was von einem klaren Anzeigen der Brunst und einer sehr guten Fruchtbarkeit zeugt und einen sehr hohen Besamungserfolg ergibt. Bei den NZ HF könnte eine wahrscheinlich lange Dauer bis zur Wiederaufnahme der Zyklizität den niedrigen Anteil der in drei Wochen besamten Tiere erklären, wie sie 2008 mit den eigenen Progesteronprofilen und wie sie auch von verschiedenen Autoren festgestellt wurde (Macmillan 2002; Macdonald et al. 2008). Dank ihrer guten Fruchtbarkeit bei der Besamung konnten die Tiere ihren Rückstand jedoch wieder wettmachen, indem sie später in der Besamungssaison trächtig wurden. Ein tiefer Anteil besamter Tiere kombiniert mit einer ungenügenden Fruchtbarkeit bei der Besamung erklären den tieferen Anteil trächtiger CH HF während der Besamungssaison, welcher in Bezug auf die Zielsetzung von Systemen mit Blockabkalbung klar ungenügend ist. Insgesamt wurden nur wenige Hormonbehandlungen zur Brunsterzeugung durchgeführt (zwischen 0 und 4% der Laktationen mit Behandlung), was weit unter den neuseeländischen Empfehlungen mit einem Zielwert von weniger als 15% behandelter Kühe liegt (Burke et al. 2007). Eine generelle Anwendung der Hormonbehandlungen bei nicht-zyklischen Kühen vor Beginn der Besamungssaison hätte wahrscheinlich zu einer Verbesserung des Anteils trächtiger Kühe in sechs Wochen geführt, insbesondere bei den NZ HF und CH BS. Diese Art Intervention scheint uns jedoch nicht in Einklang mit der Ausrichtung der Schweizer Milchproduktion zu sein, die eine natürliche und das Tierwohl respektierende Produktionsweise zum Ziel hat. Eutergesundheit Für das gleiche Produktionssystem wurde der Anteil Mastitiserkrankungen von 14 bis 59 % pro Laktation schon beschrieben (Lacy-Hulbert et al. 2002; Lacy-Hul-

256

Agrarforschung Schweiz 2 (6): 252–257, 2011

bert et al. 2006; McCarthy et al. 2007). Auch wenn die auf den Praxisbetrieben erhobenen Daten im Vergleich zu denjenigen in Versuchsstationen oft nicht mit gleicher Vollständigkeit erhoben werden, so muss doch die geringe Anzahl an Mastitisbehandlungen während den Laktationen in diesem Versuch hervorgehoben werden. Auch war die somatische Zellzahl mit durchschnittlich weniger als 100 000 Zellen für alle Rassen ausgezeichnet. Aus den Vergleichsversuchen von nordamerikanischen und neuseeländischen HF-Linien ist keine klare Tendenz ersichtlich, da die neuseeländischen HF entweder höhere (McCarthy et al. 2007), tiefere (Lacy-Hulbert et al. 2002) oder gleich hohe (Lacy-Hulbert et al. 2006) Zellzahlen aufwiesen. Beim Fleckvieh verfügt die Sektion Swiss Fleckvieh über tiefere somatische Zellzahlen als die Sektionen Red Holstein und Holstein, was mit ihrem Zuchtwert übereinstimmt (Bigler 2011). Im Hinblick auf unsere Resultate und die Daten aus der Literatur ist es momentan schwierig einzuschätzen, ob eine der untersuchten Rassen einen Vorteil aufweist. Die in diesem Versuch festgestellten gesundheitlichen Probleme der CH BS waren sehr gering. Diesem Sachverhalt sollte in einer umfassenden Untersuchung nachgegangen werden.

Schlussfolgerungen ••Trotz ihrer Milcheffizienz in Low-Input-Systemen verfügen die CH HF Kühe heute über ungenügende Fruchtbarkeitsleistungen für Systeme mit Blockabkalbung. Bei gleicher Milcheffizienz verfügten die NZ HF über bessere Fruchtbarkeitsleistungen. ••Die Zweinutzungsrasse CH FV ist zwar weniger effizient in der Milchproduktion, scheint aber durch ihre sehr guten Fruchtbarkeitsleistungen für diese Systeme geeignet zu sein. ••Die CH BS Kühe haben sich bei den untersuchten Kriterien weder hinsichtlich Produktion noch Fruchtbarkeit ausgezeichnet; in Bezug auf die Gesundheit bleibt die Frage vorerst unbeantwortet. n


Progetto «La mucca da pascolo e la sua genetica» Produzione, riproduzione e salute L’obiettivo di questo studio era di confrontare, attraverso i sistemi di pascolo con parti raggruppati a fine inverno, le prestazioni di produzione, riproduzione e la salute delle mucche da latte delle razze Holstein (CH HF), pezzata (CH FV), bruna svizzera (CH BS) con delle Holstein-Friesian di origine neozelandese (NZ HF), presa come riferimento per questo tipo di sistema. Dal 2007 al 2009, in 15 aziende commerciali, le mucche NZ HF sono state confrontate con delle razze svizzere. Questa prova includeva 259 lattazioni di 134 mucche. Le mucche CH HF e HF NZ hanno mostrato le migliori prestazioni lattiere, rispetto alle CH FV e CH BS (50,2 e 52,1 kg ECM/kg PV0,75 contro 44,3 e 43,6 kg; P < 0,05). La proporzione di mucche CH FV gravide in 6 settimane di riproduzione è stata tendenzialmente maggiore delle le mucche CH HF (81 % contro 46 %, P < 0,10), mentre le NZ HF e CH BS si pongono a un livello intermedio (66 e 64 %). Le mucche CH HF presentano oggi capacità riproduttive insufficienti per i sistemi di parto raggruppato, al contrario, le mucche miste CH FV sono meno efficaci in termini di produzione di latte, ma attraverso le loro buone prestazioni riproduttive, si rivelano adeguate a questi sistemi.

Literatur ▪▪ Bigler A., 2011. Valeurs de référence 2011/2012. Swissherdbook, Zollikofen. ▪▪ Burke C., Blackwell M. & Little S., 2007. The InCalf Book for New Zealand dairy farmers. Dairy NZ, 204 p. ▪▪ Coleman J., Berry D. P., Pierce K. M., Brennan A. & Horan B., 2010. Dry matter intake and feed efficiency profiles of 3 genotypes of HolsteinFriesian within pasture-based systems of milk production. Journal of ­D airy Science 93, 4318–4331. ▪▪ Horan B., Dillon P., Berry D. P., O’Connor P. & Rath M., 2005a. The effect of strain of Holstein-Friesian, feeding system and parity on lactation curves characteristics of spring-calving dairy cows. Livest. Prod. Sci. 95, 231–241. ▪▪ Horan B., Dillon P., Faverdin P., Delaby L., Buckley F. & Rath M., 2005b. The interaction of strain of Holstein-Friesian cows and pasture-based feed systems on milk yield, body weight, and body condition score. J. Dairy Sci. 88, 1231–1243. ▪▪ Lacy-Hulbert S. J., Kolver E. S., Williamson J. H. & Napper, A. R., 2002. Incidence of mastitis among cows of different genogtypes in differing nutritional environments. Proc. N.Z. Soc. Anim. Prod. 62, 24–29. ▪▪ Lacy-Hulbert S. J., Summers E. L., Williamson J. H., Aspin P. W. & Kolver E. S., 2006. Prevalence of mastitis for cows of different genotypes milked for two consecutive seasons. Proc. N.Z. Soc. Anim. Prod. 66, 236–240.

Summary

Riassunto

Projekt «Weidekuh-Genetik»: Produktion, Fruchtbarkeit und Gesundheit | Nutztiere

Which cow for pasture-based production systems?: Production, reproduction and health The objective of the study was to compare, within pasture-based seasonal-calving ­systems, the production and reproduction performances of Swiss Holstein-Friesian (CH HF), Fleckvieh (CH FV) and Brown Swiss (CH BS) dairy cows with New Zealand Holstein-Friesian (NZ HF) dairy cows, taken as reference for such systems. From 2007 to 2009, NZ HF cows were paired with Swiss cows on 15 Swiss commercial farms, including in total 259 lactations from 134 cows. CH HF and NZ HF cows had better milk performance than CH FV and CH BS (50,2 and 52,1 kg ECM/kg LW0,75 versus 44,3 and 43,6 kg; P < 0,05). The CH FV cows had the best reproduction performance, tending to have more pregnant cows 6 weeks after the planned start of mating than the CH HF cows (81 % versus 46 %, P < 0,10), NZ HF and CH BS cows were intermediate (66 and 64 %). The poor reproductive performance of the CH HF cows compromised their suitability for pasturebased seasonal-calving systems. Conversely the dual-purpose CH FV were less efficient in term of milk production but seem to be suitable for these systems owing their good reproductive performance. Key words: pasture, seasonal calving, dairy production, reproduction, breeds.

▪▪ Macdonald K. A., Verkerk G. A., Thorrold B. S., Pryce, J. E., Penno J. W., McNaughton L. R., Burton L. J., Lancaster J. A. S., Williamson J. H. & Holmes C. W., 2008. A comparison of three strains of Holstein-Friesian grazed on pasture and managed under different feed allowances. J. Dairy Sci. 91, 1693–1707. ▪▪ Macmillan K. L., 2002. Advances in bovine theriogenology in New Zealand. 1 | Pregnancy, parturition and the postpartum period. N.Z. Vet. J. 50, 67–73. ▪▪ McCarthy S., Berry D. P., Dillon P., Rath M. & Horan B., 2007. Effect of strain of Holstein-Friesian and feed system on udder health and milking characteristics. Livestock Science 107, 19–28. ▪▪ Piccand V., Schori F., Troxler J., Wanner M. & Thomet P., 2011. Projekt «Weidekuh-Genetik»: Problemstellung und Beschreibung des Versuchs. Agrarforschung Schweiz 2 (5), 200–205. ▪▪ Thomet, P., Leuenberger, S. & Blättler, T., 2004. Projekt Opti-Milch: Produktionspotenzial des Vollweidesystems. Agrarforschung 11 (08), 336 – 341.

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P f l a n z e n b a u

Sortenprüfung Wiesenschwingel: ­Bewährungsprobe für alt und neu Daniel Suter1, Rainer Frick 2 und Hans-Ulrich Hirschi1 1 Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8046 Zürich 2 Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, 1260 Nyon 1 Auskünfte: Daniel Suter, E-Mail: daniel.suter@art.admin.ch, Tel.+41 44 377 72 79

Einleitung

Abb. 1 | Wiesenschwingel. Zeichnungen aus dem Handbuch ­ Wiesengräser» von Walter Dietl et al ., Landw. Lehrmittelzentrale, « Zollikofen, 1998. (Zeichnungen: Manuel Jorquera, Zürich. Alle Rechte vorbehalten. Copyright: AGFF, Zürich. Mit freundlicher Genehmigung der AGFF.)

258

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Eine wertvolle Futterpflanze Obwohl der Wiesenschwingel (Festuca pratensis Hudson, Abb. 1) heutzutage vor allem in wenig- bis mittelintensiv genutzten Naturwiesen vom Mittelland bis in mittlere Berglagen eine wichtige Rolle spielt, ist seine Aufgabe in intensiv genutzten Ansaatwiesen nicht zu unterschätzen. In Mischungen für Ansaatwiesen unterstützt er als Begleitart mit guter Futterqualität die Hauptarten wie zum Beispiel Englisches Raigras oder Knaulgras (Suter et al. 2008). Der Wiesenschwingel erträgt Barfröste und langdauernde Schneedecken verglichen mit anderen Futtergräsern gut. Hingegen ist er die Wasserversorgung betreffend nicht so anspruchslos. Er verlangt für einen guten Ertrag frischen bis mässig feuchten Boden. Langdauernde Trockenheit erträgt er eher schlecht, auch wenn er in der Regel diesbezüglich besser abschneidet als die Raigräser und deshalb auch an mässig trockenen Standorten zu finden ist. Zwar können mit dem Wiesenschwingel Erträge erzielt werden, welche dem Englischen Raigras ebenbürtig sind oder dieses sogar übertreffen. Die Ertragsentwicklung übers Jahr ist aber stark saisonal geprägt. Nach dem ersten, ertragreichen Schnitt wächst der Wiesenschwingel oft nur zögerlich nach. Als Komponente in Mischungen für wenig intensive bis mittelintensive Nutzung oder in Mischungen wo Raigräser nicht verwendet werden können, kann er bedeutende Ertragsanteile erreichen. In Wiesen unter intensiver Bewirtschaftung mit häufiger Nutzung und daran angepasster Düngung ist der Wiesenschwingel im Bestand vielen Mischungspartnern aber unterlegen. Es leuchtet deshalb ein, dass bei Zuchtsorten neben dem Ertrag die Konkurrenzkraft und die Ausdauer wichtige Beurteilungskriterien sind. Die Futterqualität des Wiesenschwingels ist sehr gut und erreicht bei intensiver Nutzung Energiewerte, welche mit denjenigen von Englischem Raigras durchaus vergleichbar sind.


Sortenprüfung Wiesenschwingel: ­B ewährungsprobe für alt und neu | Pflanzenbau

Bewährung im Feld In vergleichenden Sortenversuchen prüften die Forschungsanstalten Agroscope Reckenholz-Tänikon ART und Changins-Wädenswil ACW von 2008 bis und mit 2010 insgesamt 18 Wiesenschwingelsorten, davon 13 Neuzüchtungen. Die meisten Erhebungen zur Beurteilung der Sorten wurden am Reinbestand gemacht. Die Konkurrenzkraft hingegen wurde in einem Gemenge der jeweiligen Sorte mit Rot- und Weissklee geprüft. Anhand des Trockensubstanzanteils des Wiesenschwingels in diesen Gemengen lassen sich Schlüsse über die Konkurrenzkraft der Prüfsorten ziehen. Die Angaben über die Versuchsorte und die Saat sind in Tabelle 1 zusammengestellt. Die Reinbestände erhielten zu jedem Aufwuchs 40–50 kg Stickstoff pro Hektare in Form von Ammonsalpeter. In den Gemengen wurde mit 25–30 kg Stickstoff pro Hektare jeweils rund die Hälfte dieser Menge eingesetzt. Für die Bewertung der erhobenen Eigenschaften kam eine Notenskala mit neun Klassen zum Einsatz, wobei eine Eins die beste und eine Neun die schlechteste Note darstellt. Die Noten für die Güte, die sich aus dem allgemeinen Eindruck, der Bestandesdichte und dem Nachwuchsvermögen zusammensetzt, für die Jugendentwicklung des Bestandes, für den Befall mit Blattkrankheiten wie auch für die Überwinterung wurden in mehreren Bonituren geschätzt. Die Ausdauer basiert auf den Gütenoten des letzten Aufwuchses im zweiten Hauptnutzungsjahr. Von den Gütenoten der Versuchsorte über 1000 m ü. M. leitet sich die Anbaueignung für  höhere Lagen ab.

Zusammenfassung

Material und Methoden

In den Jahren 2008 bis 2010 prüften die Forschungsanstalten Agroscope ReckenholzTänikon ART und Agroscope ChanginsWädenswil ACW in vergleichenden Sortenversuchen an sieben Standorten insgesamt 18 Sorten von Wiesenschwingel, darunter 13 Neuzüchtungen. Die Beurteilung der Sorten beruhte auf systematischen Erhebungen von Ertrag, Güte des Bestandes, Jugendentwicklung, Konkurrenzkraft, Ausdauer, Toleranz gegenüber Wintereinflüssen, Resistenz gegen Blattkrankheiten, verdaulicher organischen Substanz sowie der Anbaueignung für höhere Lagen. Zwei Neuzüchtungen erzielten Ergebnisse, die eine Aufnahme in die «Liste der empfohlenen Sorten von Futterpflanzen» erlauben: FP 0415 und FP 0335. Sie werden in die empfehlende Liste aufgenommen, sobald sie alle rechtlichen Voraussetzungen für ein Inverkehrbringen in der Schweiz erfüllen. Dies ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht der Fall. Alle bis anhin empfohlenen Sorten werden weiterhin empfohlen.

Tab. 1 | Orte und Daten der im Jahre 2010 abgeschlossenen Sortenversuche mit Wiesenschwingel Anzahl Wiederholungen

Ertragserhebungen

Ort, Kanton

Höhe (m ü. M.)

Saatdatum

Reinsaat1)

Mischungen2)

Changins, VD

430

07/05/2008

3 + 1*

5

3

Reckenholz, ZH

440

08/05/2008

4

3

4

4

Oensingen, SO

460

09/05/2008

4

3

4

4

Ellighausen, TG

520

14/05/2008

4

3

4

4

Goumoens, VD

630

14/05/2008

3

3

5

4

2009

2010

La Frêtaz, VD

1200

01/07/2008

4

Maran, GR

1850

30/05/2008

3

2

1

* Frühreifeerhebung 1) Reinsaaten: 250 g/100 m ² Sorte «Pardus» als Standard für die Saatmenge 2) Mischungen: 200 g/100 m ² Sorte «Pardus» als Standard für die Saatmenge + 10 g/100 m ² Rotklee «Mont Calme» + 25 g/100 m ² Weissklee, grossblättrig «Seminole» + 15 g/100 m ² Weissklee, kleinblättrig «Sonja»

Agrarforschung Schweiz 2 (6): 258–263, 2011

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Pflanzenbau | Sortenprüfung Wiesenschwingel: ­B ewährungsprobe für alt und neu

Abb. 2 | Wiesenschwingel im Versuch am Standort Oensingen: Schon das ungeübte Auge kann deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Sorten in den Parzellen erkennen. (Foto: ART)

Damit die Ertragsleistung mit in die Bewertung aufgenommen werden konnte, wurden die im Feld gemessenen Trockensubstanzerträge mit Hilfe statistischer Methoden in Noten umgerechnet. Während der ersten drei Aufwüchse des ersten Hauptnutzungsjahres wurden am Standort Reckenholz Stichproben zur Bestimmung der Verdaulichen organischen Substanz (VOS) gezogen, welche mittels Nahinfrarot-Reflexionsspektroskopie (Norris et al. 1976) im Labor ermittelt und mit der Pansensaftmethode nach Tilley und Terry (1963) validiert wurde. Für die anschliessende Verwendung der Messwerte wurden diese mit derselben Methode wie die Trockensubstanzerträge in Noten umgerechnet. Die Note zur Bewertung der Konkurrenzkraft errechnete sich aus dem prozentualen Anteil der zu prüfenden Sorte am Gesamtertrag der Mischung nach folgender Formel: Note = 9 – 0,08 × Ertragsanteil % Die Gesamtbeurteilung einer Sorte erfolgte aufgrund eines aus allen erhobenen Merkmalen gemittelten Indexwertes. Dabei erhielten der Ertrag, die Güte, die Konkurrenzkraft, die Ausdauer, die Verdaulichkeit und die Anbaueignung für höhere Lagen doppeltes Gewicht.

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Agrarforschung Schweiz 2 (6): 258–263, 2011

Eine Sorte kann in die «Liste der empfohlenen Sorten von Futterpflanzen» (Suter et al. 2010) aufgenommen werden, wenn ihr Indexwert den Mittelwert der mitgeprüften bisher empfohlenen Sorten (Standard) um mindestens 0,20 Indexpunkte unterschreitet (geringerer Wert = besser). Hingegen verliert eine bis anhin empfohlene Sorte ihre Empfehlung und wird aus der Liste gestrichen, wenn ihr Indexwert denjenigen des Standards um mehr als 0,20 Punkte überschreitet (höherer Wert = schlechter). Weiter kann eine Sorte nicht empfohlen werden, wenn sie in einem wichtigen Einzelmerkmal den Mittelwert des Standards um 1,50 Punkte oder mehr überschreitet.

Resultate und Diskussion FP 0415 und FP 0335 setzen sich deutlich ab Zwei Neuzüchtungen erreichten den Mindestindex, der für eine Empfehlung notwendig ist (Tab. 2). Die tetraploide Neuzüchtung FP 0415 erstaunte mit ihrem Gesamtindex, der um mehr als eine halbe Note besser war als derjenige des Standards (Tab. 3). Sie erreichte zwar beim Ertrag lediglich Platz 10, wies bei anderen Merkmalen aber äusserst gute Noten auf. Obwohl die Triebdichte, wie bei tetraploiden Sorten typisch, nicht so hoch war wie bei anderen Sorten, wies


Sortenprüfung Wiesenschwingel: ­B ewährungsprobe für alt und neu | Pflanzenbau

FP 0415 recht üppige, unkrautfreie Bestände ohne Fehlstellen auf, was zur besten Gütebeurteilung der gesamten Versuchsserie führte. Ebenso lag FP 0415 bei der Anbaueignung für höhere Lagen und der Jugendentwicklung auf dem ersten Rang und übertraf damit sogar die bekannte Standardsorte Préval. Bei der wichtigen Verdaulichkeit schnitt FP 0415 mit einer Note von 3,7 um 1,6 Punkte besser ab als der Standard und übertraf die nächstbesseren Sorten um 0,3 Punkte. Tetraploide Sorten haben in der Regel geringere Zellwandanteile und somit höhere Anteile an Zellinhaltsstoffen als diploide Sorten. Deshalb waren für FP 0415 gute Verdaulichkeitswerte zu erwarten. Diese Erwartungen wurden sogar übertroffen. Die zweite Neuzüchtung FP 0335, welche den Index des Standards ebenfalls deutlich übertraf, zeichnete sich durch den höchsten Ertrag aller Sorten des Versuches aus (Tab. 3). Auch in der Konkurrenzkraft konnte FP 0335

mit einer um 0,9 Punkte besseren Note als der Standard den ersten Platz belegen. In der Güte war sie die zweitbeste Sorte des geprüften Sortiments. Die Verdaulichkeit lag deutlich unter derjenigen von FP 0415, war aber immer noch um 0,3 Punkte besser bewertet als der Standard. Bei den übrigen Eigenschaften konnte, mit Ausnahme der Anbaueignung für höhere Lagen, der Standard übertroffen oder zumindest erreicht werden. Sieger und doch noch nicht empfohlen Die beiden Neuzüchtungen von Wiesenschwingel vergrössern die Auswahl erstklassiger Sorten für den Schweizer Futterbau, vorausgesetzt sie werden auch handelbar. Zum jetzigen Zeitpunkt erfüllen sie nämlich die rechtlichen Voraussetzungen für ein Inverkehrbringen und somit für eine Aufnahme in die empfehlende Sortenliste nicht, da die dazu notwendigen positiven Ergebnisse der im Ausland durchgeführten Registerprü- 

Tab. 2 | Geprüfte Sorten von Wiesenschwingel, Frühreife-Index und Kategorieeinteilung Sortenname

Antragsteller

FrühreifeIndex1)

Kategorie2)

1

Préval

DSP/ART, CH

53a

1

2

Paradisia

DSP/ART, CH

52b

1

3

Pardus

DSP/ART, CH

53a

1

4

Cosmolit

SZ Steinach, DE

52a

1

5

Pradel

DSP/ART, CH

52b

1

6

FP 0415

DSP/ART, CH

53a

1*

7

FP 0335

DSP/ART, CH

53a

1*

8

ST GS 549/550 (Cosmopolitan)

SZ Steinach, DE

53a

9

Petrarca (FP 0025)

DSP/ART, CH

52b

3

10

FP 9815

DSP/ART, CH

52a

3

3

11

Pasja

R2n F, FR

53a

3

12

Justa

IHAR Bartazek, PL

53a

3

13

Cosmonaut

Barenbrug, NL

52b

3

14

Pampero (ZFp 97 – 132)

EURO GRASS, DE

53a

4

15

Liherold (FP 9902)

EURO GRASS, DE

52b

4

16

ILVO 081967

Freudenberger, DE

53a

4

17

5 FP R 99

Barenbrug, NL

52b

4

18

Cosima (ST GS 552)

SZ Steinach, DE

52b

4

Fettschrift bei Sortenname = bisher empfohlene Sorten 1) Frühreife-Index: D ie erste Ziffer bezeichnet den Monat, die zweite Ziffer die ­D ekade; a bezeichnet die erste, b die zweite Hälfte der Dekade. Beispiel: 52a = 11.–15. Mai 2) Kategorieeinteilung der Sorten aufgrund der Ergebnisse aus den Versuchen: Kategorie 1: In der Schweiz in der «Liste der empfohlenen Sorten von Futterpflanzen» geführt. Kategorie 1*: Kann erst nach Erfüllen der für die Handelbarkeit in der Schweiz gesetzlich notwendigen Kriterien empfohlen werden (siehe Saat- und Pflanzgut-Verordnung des EVD, SR 916.151.1) Kategorie 3: Zeichnet sich weder durch gute noch durch schlechte Eigenschaften aus Kategorie 4: Eignet sich nicht für den Anbau in der Schweiz

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Pflanzenbau | Sortenprüfung Wiesenschwingel: ­B ewährungsprobe für alt und neu

fung (Tests auf Unterscheidbarkeit von anderen Sorten, Homogenität im Erscheinungsbild und Beständigkeit der Sortenmerkmale) noch nicht vorliegen. Es bleibt zu hoffen, dass dies bald der Fall sein wird, damit der Aufbau dieser Sorten an die Hand genommen werden kann. Von den bis anhin empfohlenen Sorten ist die Sorte Préval aufgefallen, welche in sieben von neun Eigenschaften den Standard übertraf und in einer diesen egalisierte, was zum drittbesten Gesamtindex der Versuchsserie führte. Für die wichtigen Grössen Ertrag, Güte, Konkurrenzkraft, Ausdauer und Anbaueignung für höhere La­gen erzielte diese Sorte überdurchschnittliche Noten. Die restlichen bereits empfohlenen Sorten erreichten alle einen Index, der eine weitere Empfehlung erlaubt. Es werden somit keine Sorten von der Liste gestrichen. n

Tab. 3 | Wiesenschwingel: Ergebnisse der Ertragserhebungen und Bonitierungen in den Jahren 2008 bis 2010

Sortenname

Ertrag1)*

Güte*

Jugendentwicklung

Konkurrenzkraft*

Ausdauer*

4,1

3,1

2,4

3,6

2,8

Toleranzen / Resistenzen:

Anbaueignung für höhere Lagen*

Indexwert

3,0

5,7

3,4

3,71

Blattkrankheiten

4,9

1

Préval

2

Paradisia

4,7

3,2

3,2

3,5

3,3

5,1

2,9

5,3

3,8

3,90

3

Pardus

4,8

3,4

3,2

3,9

2,9

5,2

3,1

5,0

4,4

4,03

4

Cosmolit

5,3

3,4

3,1

4,6

3,3

4,6

3,2

4,7

3,7

4,07

5

Pradel

4,4

3,5

3,7

4,1

3,5

4,8

3,3

5,7

4,2

4,18

Mittel(Standard)

4,6

3,3

3,1

4,0

3,2

4,9

3,1

5,3

3,9

3,98

6

FP 0415

4,9

2,8

2,3

3,7

3,0

4,7

2,1

3,7

3,2

3,44

7

FP 0335

3,9

2,9

2,7

3,1

3,2

4,6

2,7

5,0

4,2

3,64

8

ST GS 549/550 (Cosmopolitan)

4,4

3,2

3,3

4,3

3,2

5,5

1,9

4,0

4,2

3,81

9

Petrarca (FP 0025)

4,4

3,0

3,1

3,6

3,4

4,1

2,9

5,0

4,2

3,83

10

FP 9815

4,4

3,3

3,6

3,9

3,7

4,2

2,4

5,3

4,3

4,00

11

Pasja

5,7

3,6

3,3

4,1

3,3

3,9

3,1

5,3

4,4

4,20 4,22

12

Justa

7,2

3,5

3,3

4,3

3,4

4,3

2,8

4,0

4,0

13

Cosmonaut

5,3

3,7

3,3

4,7

3,5

5,2

2,9

5,0

4,1

4,27

14

Pampero (ZFp 97 – 132)

5,3

3,6

3,2

4,3

3,5

5,2

3,2

5,7

4,3

4,30

15

Liherold (FP 9902)

4,4

3,6

3,6

4,2

3,6

5,3

3,2

6,3

4,3

4,34

16

ILVO 081967

6,1

3,5

3,7

4,3

3,7

5,4

4,0

4,0

4,5

4,36

17

5 FP R 99

5,0

3,8

4,1

4,7

4,4

5,6

3,1

5,7

4,6

4,61

18

Cosima (ST GS 552)

5,2

3,9

4,5

5,2

3,5

5,0

2,9

6,0

5,2

4,70

Fettschrift bei Sortenname = bisher empfohlene Sorten Notenskala: 1 = sehr hoch bzw. gut; 9 = sehr niedrig bzw. schlecht *Hauptmerkmal mit doppelter Gewichtung 1) Ertragsnoten von 6 Versuchsstandorten mit 2 bis 5 Erhebungen 2009 und 1 bis 4 Erhebungen 2010 2) VOS = Verdauliche organische Substanz: Mittel von 3 Terminen im Jahre 2009, Standort Reckenholz

262

VOS2)*

Wintereinflüsse

Agrarforschung Schweiz 2 (6): 258–263, 2011


Festuca dei prati: esame comparativo di varietà vecchie e nuove Dal 2008 al 2010, nell'ambito di prove comparative in sette siti diversi, le stazioni di ricerca Agroscope Reckenholz-Tänikon ART e Agroscope Changins-Wädenswil ACW hanno esaminato 18 varietà di festuca dei prati, 13 delle quali costituivano nuove varietà. Sono state valutate le seguenti caratteristiche: resa, aspetto generale, velocità d’insediamento, forza di concorrenza, persistenza, idoneità allo svernamento, resistenza a malattie fogliari, tenore della sostanza organica digeribile ed attitudine alla coltivazione ad alta quota. Due nuove selezioni, FP 0415 e FP 0335, hanno raggiunto risultati tali da permettere la loro iscrizione nella«Lista delle varietà raccomandate di piante foraggiere». Esse saranno integrate a pieno titolo nella lista non appena adempiranno a tutte le condizioni previste dalla legge per l'immissione sul mercato svizzero. Tutte le varietà raccomandate prima dello studio sono confermate.

Summary

Riassunto

Sortenprüfung Wiesenschwingel: ­B ewährungsprobe für alt und neu | Pflanzenbau

Meadow fescue variety trials: testing the performance of old and new From 2008 to 2010, Agroscope Reckenholz-Tänikon ART and Agroscope Changins-Wädenswil ACW Research Stations tested altogether 18 varieties of meadow fescue, including 13 new cultivars, in comparative variety trials at seven locations. The varieties were assessed on the basis of systematically recorded yield, plant stock quality, early growth, competitiveness, persistence, winter hardiness, resistance to leaf disease, digestible organic matter and suitability for higher altitudes. Two new cultivars, FP 0415 and FP 0335, achieved results which allow their inclusion in the «List of recommended forage plant varieties». They will be incorporated in the recommendation list as soon as they have met all the legal criteria for marketing in Switzerland. This is not yet the case. All the varieties recommended so far are still recommended. Key words: Festuca pratensis Hudson, meadow fescue, variety testing, yield, digestibility, persistence.

Literatur ▪▪ Norris K.H., Barnes R.F., Moore J.E. & Shenk J.S., 1976. Predicting forage quality by infrared reflectance spectroscopy. Journal of Animal Science 43, 889–897. ▪▪ Suter D., Hirschi H.U., Frick R. & Bertossa M., 2010. Liste der empfohlenen Sorten von Futterpflanzen 2011–2012. Agrarforschung Schweiz 1 (10), 1–16. ▪▪ Suter D., Rosenberg E., Frick R. & Mosimann E., 2008. Standardmischungen für den Futterbau: Revision 2009–2012. Agrarforschung 15 (10), 1–12. ▪▪ Tilley J. & Terry R., 1963. A two stage technique for the in vitro digestion of forage crops. Journal of the British Grassland Society 18, 104–111.

Agrarforschung Schweiz 2 (6): 258–263, 2011

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P f l a n z e n b a u

Krankheiten beim Winterweizen: Einfluss des Anbausystems und Auswirkungen auf den Ertrag Raphaël Charles, Edouard Cholley, Peter Frei und Fabio Mascher, Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, 1260 Nyon Auskünfte: Raphaël Charles, E-Mail: raphael.charles@acw.admin.ch, Tel. +41 22 363 46 59

Seit 1967 wird eine Winterweizenmonokultur in einem Versuch am Standort von ACW Changins beobachtet. Die Erträge sind deutlich tiefer als in der normalen Fruchtfolge. Dies ist auf die Präsenz ­m ehrerer Krankheiten zurückzuführen, die nur teilweise durch die anderen Anbaumassnahmen bekämpft werden konnten.

Einleitung Das Anbausystem beeinflusst die Winterweizenerträge in unterschiedlicher Weise. Ein kürzlich publizierter Artikel (Charles et al. 2011) zeigte, inwieweit die Winterweizenproduktion durch Bodenbewirtschaftung (Fruchtfolge), Bodenbearbeitung, Sorte und Fungizidschutz beeinflusst wird. Diese von 2006 bis 2010 im Rahmen eines Langzeitversuchs durchgeführte Studie verglich die Erträge von Winterweizen in Monokultur mit jenen in Rotation und stellte sie dem Jahr 1967 gegenüber. Die Resultate haben gezeigt, dass der Getreidebesatz den Hauptfaktor für die Ertragsschwankung darstellt; ein übermässiger Besatz senkte nämlich den Ertrag um 10 bis 20 q/ha. Die Abweichung zwischen den Sorten betrug bei günstigen Bedingungen 10 bis 15 q/ha. Je nach Bodenbearbeitung wurde ein Ertragsunterschied von bis zu 10 q/ha beobachtet. Der Fungizidschutz führte zu einem Ertragsgewinn von rund 5 q/ha. Die Beiträge

264

Agrarforschung Schweiz 2 (6): 264–271, 2011

von Sorte und Fungizidschutz zur Ertragssteigerung sowie die je nach Jahr unterschiedlichen Reaktionen zeigten einen signifikanten Einfluss der Krankheiten. Die zahlreichen Interaktionsfälle zwischen diesen Faktoren lassen auch vermuten, dass der Gesundheitszustand der Kulturen ebenfalls von der Bodenbewirtschaftung und der Bodenbearbeitung abhängt. Gindrat et al. (2003) und Schürch et al. (2009) haben zahlreiche Zusammenhänge zwischen den Getreideanbausystemen und dem Pilzbefall bei identischen standörtlichen Bedingungen nachgewiesen. Der vorliegende Beitrag bezweckt die Untersuchung der Auswirkung des Anbausystems auf die Entwicklung von Krankheiten und die Diskussion ihrer Auswirkungen auf den Körnerertrag von Winterweizen. Nach erfolgter Gegenüberstellung sämtlicher Krankheiten mit der landwirtschaftlichen Praxis wird es schliesslich möglich sein, auf die Anbausysteme ausgerichtete Vorbeugemassnahmen anzubieten.

Material und Methoden Die vorliegende Studie wurde in einen im Jahre 1967 in Nyon (Changins, 430 m) eingerichteten und der Getreidefruchtfolge gewidmeten Langzeitversuch integriert. Der Boden bestand aus Parabraunerde mit einem Anteil von 25 % Ton, 48 % Silt und 27 % Sand und wies eine nutzbare Gründigkeit von 70 bis 100 cm auf. Im Jahre 2004 lag der Gehalt an organischem Material zwischen 2,0 und 2,3 % und die Fruchtbarkeitsindikatoren waren zufriedenstellend (Vullioud 2007). Während der Studienjahre waren die Jahrestemperaturen allgemein höher als im Mittel der letzten 30 Jahre. Die Monate Januar und Februar waren in den ersten drei Jahren eher trocken. Die Monate März bis Mai 2006 waren feucht (>100 mm/ Monat). März und April 2008 waren regnerisch. Im November und Dezember 2009 war die Niederschlagsmenge besonders hoch (140 mm/Monat). Abgesehen von einem mässig nassen Mai (80 mm) war der Frühling 2010 trocken. Es wurden vier Verfahren des Langzeit-Versuchsschemas (Vullioud 2007) berücksichtigt. Sie entsprechen der Kombination der Faktoren Bodenbewirtschaftung (Monokultur oder Winterweizenfruchtfolge – Winter-


raps – Winterweizen – Mais) und Bodenbearbeitung (Pflügen oder vereinfachte Anbautechniken, TCS). Diese vier Verfahren wurden durch zwei zusätzliche Untervarianten ergänzt (Sortenwahl und Fungizidschutz). Zwei Sorten mit gegensätzlichen agronomischen und technologischen Eigenschaften wurden miteinander verglichen: Arina der Klasse I, die seit 1992 in der Versuchsanlage vertreten ist, und Tapidor, ein Futterweizen (Levy et al. 2010). Es wurden zwei Fungizidschutzstufen eingeführt: kein Schutz oder drei gezielte, auf Wurzelbrand, (Prochloraz, BBCH 31 – 32), das Laub (Azoxystrobin und Cyproconazol, ab BBCH 45) und die Ähren (Prothioconazol, ab BBCH 61) ausgerichtete Behandlungen. Die Studie konzentrierte sich auf drei Jahre; in der gesamten Versuchsanlage wurde ausschliesslich Weizen auf Weizen angebaut. Bei den Rotationsverfahren erfolgten die Beobachtungen bei Kulturen, die nach Mais (11.10.2005 und 07.10.2009) oder nach Raps (16.10.2007) und mit einer Dichte von je 450 Körnern/m² gesät worden waren. Die Ernterückstände wurden auf dem Feld liegen gelassen. Wachstumsregulatoren kamen nicht zum Einsatz. Die übrige Pflege der Kulturen erfolgte gemäss guter Agrarpraxis. Die anderen Bedingungen dieses Versuchs wurden vorgängig beschrieben (Charles et al. 2011, Vullioud et al. 2007). Die häufigsten und verbreitetsten Krankheiten wurden verfolgt. Es werden hier nur die signifikantesten Resultate vorgestellt, nämlich Halmbruch (Oculimacula yallundae, O. acuformuis), Braunfleckigkeit (Septoria nodorum und S. tritici confondus), echter Mehltau (Erysiphe graminis), Braunrost (Puccinia recondita) und Ährenfusariose (Fusarium spp.). Die Bonitur von Halmbruch fand zur Reife des Weizens statt. Grundlage dafür bildeten die befallenen Stängel und die Befallsstärke wurde mittels eines Indexes von eins (¼ des Umfangs befallen) bis vier (Gesamtumfang befallen) bonitiert (Gindrat et al. 2003). Die drei letzten Blätter dienten dazu, die Laubkrankheiten punkto Präsenz auf den Pflanzen und den befallenen Anteil der Blattoberfläche kurz vor der Behandlung und 15 Tage nach der Intervention aufzunehmen. Nach der Ernte wurden die von der Fusariose produzierten Mykotoxine (Desoxynivalenol DON) im Weizenkorn mittels Elisa-Test (Häller-Gärtner et al. 2005) bestimmt. Auf jeder Parzelle wurden der Ertrag (15 % Feuchtigkeit) und die Erntequalität erhoben. Bei Blütebeginn wurde auf dem letzten Blatt der Chlorophyllgehalt optisch gemessen (N-Tester, Yara). Das ursprüngliche Versuchsschema besteht aus randomisierten Blöcken, die viermal wiederholt werden. Die Einführung der beiden zusätzlichen Faktoren für diese Studie führt zu einem Versuchsschema, das statistisch als Split-split-split plot  ausgewertet wird (Gomez und Gomez 1984).

Zusammenfassung

Krankheiten beim Winterweizen: Einfluss des Anbausystems und Auswirkungen auf den Ertrag | Pflanzenbau

Im Rahmen eines dem Getreidefruchtwechsel gewidmeten Langzeitversuchs wurden die seit 1967 bereits erforschten Faktoren Fruchtfolge und Bodenbearbeitung während drei Jahren (2006, 2008 und 2010) durch die Faktoren Sorte und Fungizidschutz ergänzt. Ziel war es, die Einflüsse des Anbausystems auf das Vorkommen von Krankheiten bei Winterweizen zu beurteilen und die Auswirkungen auf den Ertrag zu diskutieren. Die günstige Wirkung von Vorbeugemassnahmen wie Rotation und Pflügen wurde bei Halmbruch, Spelzenbräune und Ährenfusariose festgestellt. Die Wirkung dieser Vorbeugemassnahmen konnte jedoch durch Umweltfaktoren zunichte gemacht werden, die in der Folge den Krankheitsverlauf begünstigten. Beim echten Mehltau und beim Braunrost spielte hingegen das Anbausystem kaum eine Rolle und der Krankheitsverlauf hing hauptsächlich von den Umweltbedingungen ab. Durch den Anbau von Mais als Vorfrucht von Weizen wurde die Konzentration von Mykotoxinen gegenüber den Bedingungen einer Weizenmonokultur gefördert. Der Stellenwert des Pflügens oder einer resistenten Sorte wie Arina konnte unterstrichen werden. Die Sortentoleranz stellte einen massgebenden und stabilen Faktor zur Krankheitsregulierung dar. Die Wirkung des Fungizidschutzes hängt von diesen vorgängigen Massnahmen sowie von den jeweils aktuellen Umweltbedingungen ab.

Agrarforschung Schweiz 2 (6): 264–271, 2011

265


Pflanzenbau | Krankheiten beim Winterweizen: Einfluss des Anbausystems und Auswirkungen auf den Ertrag

Tab. 1 | Bonitur von Halmbruch, echtem Mehltau, Braunrost und DON-Gehalt bei Winterweizen in Abhängigkeit der verschiedenen Faktoren und deren Wechselwirkungen. Präsenz von Halmbruch ausgedrückt in % der in den Jahren 2006 und 2008 befallenen Triebe und in Index (Note von 1 bis 4, 4 = gesamter Triebumfang befallen) für das Jahr 2010. Echter Mehltau und Braunrost ausgedrückt in % der befallenen Pflanzen. DON-Gehalt ausgedrückt in ppm. Halmbruch

Echter Mehltau

Braunrost

DON

2006

2008

2010

2006

2008

2010

2006

2008

2010

2010

75

75

75

65

65

75

65

71

79

Ernte

36,6

49,5

3,2

2,3

5,2

8,1

0,1

17,2

9,7

0,2

30,5

59,3

2,3

1,2

6,6

3,8

1,3

22,7

28,4

1,2

p=0,40

p=0,07

*

p=0,16

p=0,25

p=0,07

p=0,22

p=0,10

*

**

Stadium BBCH Fruchtfolge - K Monokultur Rotation Bodenbearb. - B TCS

28,2

60,3

2,9

0,4

1,6

4,1

1,0

14,7

15,6

0,9

Pflügen

38,9

48,5

2,5

3,0

10,2

7,8

0,4

25,2

22,5

0,5

**

*

p=0,07

*

**

p=0,39

p=0,58

*

p=0,18

*

Arina

36,0

63,8

2,6

1,7

11,1

9,7

1,4

34,7

29,1

0,2

Tapidor

31,1

45,1

2,8

1,8

0,6

2,2

0,0

5,2

9,1

1,2

p=0,19

**

p=0,26

p=0,91

**

**

p=0,18

**

**

**

unbehandelt

44,0

73,5

2,9

1,7

8,8

10,9

1,3

38,7

38,1

0,9

behandelt

23,1

35,3

2,5

1,8

3,0

0,9

0,1

1,3

0,0

0,5

**

**

**

p=0,95

*

**

p=0,25

**

**

**

K*B

*

0,56

0,05

0,33

0,68

0,56

0,74

0,69

1,00

*

K*S

0,15

0,07

0,78

0,91

0,73

1,00

0,26

0,16

0,32

** **

Sorte - S

Fungizidschutz - F

Interaktionen; p-Wert

K*F

0,60

0,81

**

0,32

0,10

0,16

0,17

0,34

**

B*S

0,93

0,06

0,33

0,91

**

0,79

0,53

0,52

0,39

*

B*F

0,63

0,55

0,33

0,95

*

0,24

0,70

*

0,11

0,17

S*F

0,38

*

0,71

0,55

**

*

0,25

**

**

**

K*B*S

0,10

0,47

0,93

0,91

0,73

*

0,70

0,55

0,13

*

K*B*F

0,23

0,90

0,36

0,95

0,42

0,48

0,52

0,50

1,00

0,99

K*S*F

0,87

*

0,82

0,32

0,05

0,81

0,17

0,40

0,30

**

B*S*F

0,77

0,26

0,81

0,64

*

1,00

0,70

0,85

0,37

0,15

K*B*S*F

0,54

*

0,53

0,27

0,42

0,07

0,52

0,53

0,11

0,96

* signifikant (P<0,05), ** hoch signifikant (P<0,01)

Resultate Halmbruch Die Wirksamkeit des Fungizidschutzes konnte jährlich überprüft werden. In den Jahren 2006 und 2008 senkte der Fungizideinsatz den Prozentsatz der zu Beginn der Körnerreife befallenen Pflanzen praktisch um die Hälfte (Tab. 1). Die Varianz des Befalls konnte zu über der Hälfte durch die Behandlung oder Nicht-Behandlung erklärt werden (Tab. 2). Weiter konnte im Jahre 2010 die Befallstärke (Index) durch den Fungizidschutz

266

Agrarforschung Schweiz 2 (6): 264–271, 2011

gesenkt werden, dieser wirkte sich jedoch nicht auf den Prozentsatz der befallenen Pflanzen aus (unveröffentlichte Daten). Während zwei Jahren hing der Halmbruchbefall von der Fruchtfolge verbunden mit der Bodenbearbeitung ab. Im Jahr 2006 führten die vereinfachten Anbautechniken vor einem Weizen in Fruchtfolge zu einem geringeren Krankheitsaufkommen (signifikante Interaktion). Die anderen Kombinationen von Faktoren führten beinahe zu einer Verdoppelung der befallenen Pflanzen (40 %). Im Jahr 2010 führte die Kombination Monokultur


Krankheiten beim Winterweizen: Einfluss des Anbausystems und Auswirkungen auf den Ertrag | Pflanzenbau

und vereinfachte Anbautechniken zu einem signifikant höheren Halmbruch-Index. Die beiden individuell beurteilten Faktoren zeigten bereits eine interessante Wirkung. Die Bodenbewirtschaftung spielte eine wichtige Rolle bezüglich der Krankheit und erklärte die Varianz des Krankheitsbesfalls zu mehr als der Hälfte (Tab. 2). Im Jahr 2008 illustriert eine signifikante Interaktion zwischen den vier Faktoren die Komplexität der Krankheitsentwicklung und ihre multifaktorielle Herkunft. Die vereinfachten Anbautechniken, Arina und ein fehlender Fungizideinsatz waren dieser Krankheit unabhängig von der Bodenbewirtschaftung zuträglich. Tapidor blieb im Allgemeinen gesund und profitierte gegenüber Arina stärker von den für die Krankheit ungünstigen Bedingungen, d.h. dem Pflügen und dem Fungizidschutz. Echter Mehltau Der echte Mehltau trat im Jahr 2006 kaum auf, weshalb eine Interpretation heikel ist (Tab. 1). 2008 förderte das Pflügen den echten Mehltau und interagierte mit der Sorte und dem Fungizidschutz. Der fehlende Fungizidschutz beim Pflügen war für die Krankheit bei der Sorte Arina besonders förderlich (31 % befallene Pflanzen bei sämtlichen Bodenbewirtschaftungsformen). In der gleichen Kombination und bei vereinfachten Anbautechniken entwickelte sich die Krankheit nicht (4 %). Die in Rotation und ohne Fungizidschutz angebaute Sorte Arina zeigte anderseits eine besonders hohe Krankheitspräsenz (23 % befallene Pflanzen bei allen Bodenbearbeitungsformen). Das direkt vergleichbare MonokulturVerfahren senkte die Krankheitspräsenz um die Hälfte. Alle anderen Situationen führten zu bescheidenen Vorkommen von echtem Mehltau (< 7 %). Im Jahr 2010 wurden die markantesten Auswirkungen bei Arina beobach-

4

DON (ppm)

3 2 1 0

Arina Tapidor Arina Tapidor TCS Pflügen

Arina Tapidor Arina Tapidor TCS Pflügen Fruchtfolge

Monokultur unbehandelt

behandelt

Abb. 1 | DON-Gehalt der Winterweizenkörner im Jahr 2010 aufgrund der Faktoren Anbausystem, Bodenbearbeitung, Sorte und Fungizidschutz. Statistische Auswertung in der Tabelle 1.

Tab. 2 | Komponenten der Varianz für Halmbruch, echten Mehltau und Braunrost sowie DON-Gehalt bei Winterweizen, ausgedrückt in Prozent der mittleren Quadrate bei den vier erforschten Faktoren und sämtlichen Wechselwirkungen. Varianz

2006

2008

2010

Halmbruch (%) Fruchtfolge

5

4

53

Bodenbearb.

14

6

8

Sorte

3

15

1

Fungizid

55

62

11

Interaktionen

24

14

26

Echter Mehltau Fruchtfolge

9

0

6

Bodenbearb.

55

17

4

Sorte

0

25

16

Fungizid

0

8

29

Interaktionen

36

49

45

10

1

11

Braunrost Fruchtfolge Bodenbearb.

3

3

1

Sorte

15

26

12

Fungizid

10

42

45

Interaktionen

63

27

30

DON-Gehalt Fruchtfolge

22

Bodenbearb.

3

Sorte

32

Fungizid

6

Interaktionen

37

tet, die sich wiederum als anfälliger als Tapidor erwies. Die Wechselwirkungen erklären zu einem Grossteil die Varianz der Präsenz von echtem Mehltau, die sich in den drei Versuchsjahren zwischen 36 und 49 % bewegte (Tab. 2). Die Interaktion Sorte * Fungizidschutz war dabei am markantesten. Braunrost Braunrost trat im Jahre 2006 nur vereinzelt auf. In den Folgejahren zeigten die Sorte und der Fungizidschutz individuell und in Interaktion signifikante Auswirkungen (Tab. 1). Ausserdem waren sie zu einem grossen Teil an der Varianz beteiligt (Tab. 2). Im Jahr 2008 wurde die Krankheit ausserdem durch das Pflügen (schwacher Trend im Jahr 2010) und im Jahr 2010 durch die Rotation (schwacher Trend im Jahr 2008) begünstigt. In diesen beiden Situationen war die Fungizidbehandlung besonders wirksam und verhinderte die Entwicklung der  Krankheit (signifikante Interaktionen).

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267


Pflanzenbau | Krankheiten beim Winterweizen: Einfluss des Anbausystems und Auswirkungen auf den Ertrag

Tab. 3 | Septoria bei Winterweizen. Präsenz von Septoria ausgedrückt in % der in den Jahren 2006 und 2008 befallenen Pflanzen und in % der 2010 befallenen Blätter. Septoria Stadium BBCH

2006 65

2008 55

65

2010 71

79

Fruchtfolge - K Monokultur

95,6

51,6

51,9

80,5

74,6

Rotation

86,4

40,9

58,6

86,6

53,8

*

**

*

p=0,11

*

90,1

53,0

65,0

87,0

67,7

Bodenbearb. - B TCS Pflügen

91,9

39,5

45,4

80,0

60,7

p=0,61

**

**

*

*

Arina

82,9

39,5

50,8

78,6

49,2

Tapidor

99,1

53,0

59,7

88,4

79,2

**

**

**

**

**

Sorte - S

Fungizidschutz - F unbehandelt

93,0

47,3

73,1

98,1

80,3

behandelt

89,0

45,2

37,3

68,9

48,2

p=0,09

p=0,40

**

**

**

*

0,61

0,17

0,53

Interaktionen; p-Wert K*B

*

K*S

*

0,62

0,56

0,40

**

K*F

0,74

0,90

0,68

*

**

B*S

0,64

0,13

0,10

*

0,46

B*F

0,23

0,99

0,24

*

0,10

S*F

0,32

0,81

0,53

**

0,13

K*B*S

0,09

0,56

0,15

0,12

0,66

K*B*F

0,51

0,81

0,07

0,28

0,49

K*S*F

1,00

0,99

0,77

0,23

*

B*S*F

0,27

0,12

0,13

0,12

0,92

K*B*S*F

0,58

0,90

0,77

0,57

0,77

grad erreichte praktisch jenen von Tapidor, jedoch nur unter diesen Bedingungen. Im Jahre 2008 schwankte die Entwicklung von ­Septoria im Laufe der Vegetationsperiode je nach Fruchtfolge. Bei einsetzender Infektion (BBCH 45), wo die Fungizide noch wirkungslos waren – begünstigten die Monokultur und die vereinfachten Anbautechniken die Entwicklung der Krankheit und interagierten signifikant. Hingegen zeigte der nach dem Pflügen in Rotation eingerichtete Weizen die schwächste Präsenz von Septoria. In der Folge eröffnete die Rotation der Krankheit günstigere Bedingungen, obwohl die Wirksamkeit des Fungizidschutzes deutlich wurde und die Unterschiede in Bezug auf die Bodenbearbeitung markant blieben. Am Ende des Zyklus (BBCH 71) wurde die Präsenz der Krankheit kaum durch das Anbausystem beeinflusst (p=0,11). Die schwächste Infektion von Septoria erfolgte in Monokultur mit Fungizidbehandlung (signifikante Interaktion). Insgesamt wurden die schwächsten Infektionsgrade bei den Kombinationen Pflügen * Arina, Pflügen * Fungizidbehandlung und Arina * Fungizidbehandlung beobachtet (signifikante Interaktionen). Im Jahr 2010 veranschaulicht die signifikante Interaktion zwischen Fruchtfolge, Sorte und Fungizidschutz die kombinierte Wirkung dieser drei Faktoren. Tapidor hat nur in Rotation mit einer Fungizidbehandlung eine schwache Präsenz von Septoria gezeigt, während sämtliche anderen Kombinationen dieser Faktoren zu hohen Infektionsgraden führten. Im Gegensatz dazu führt die Toleranz von Arina gegenüber Septoria bei gleichem Fungizidschutz zu schwachen Abweichungen zwischen den beiden Anbausystemen. Bei dieser Sorte war zudem die Wirkung der Fungizidbehandlung sowohl in Monokultur als auch in Rotation identisch.

* signifikant (P < 0,05), ** hoch signifikant(P < 0,01)

Septoriosen Unter den Blattkrankheiten zeigte die Spelzenbräune die grössten Gegensätze zwischen den Verfahren und Jahren. Im Jahr 2008 wurden aufgrund der stark unterschiedlichen Resultate und Krankheitsentwicklungen (Tab. 3 und 4) drei Stadien berücksichtigt. Die drei Jahre zeigen durchs Band eine bessere Krankheitstoleranz von Arina und die Wirksamkeit des Fungizidschutzes (Trend im Jahr 2006). 2006 führten die vereinfachten Anbautechniken in Monokultur zum höchsten Befall, während diese gleichen Techniken in Rotation zur schwächsten Präsenz von Spelzenbräune führten (Interaktion p < 0,05). Ausserdem verursachte die Monokultur einen starken Befall von Arina, die eigentlich weniger anfällig ist. Der Befall-

268

Agrarforschung Schweiz 2 (6): 264–271, 2011

Mykotoxingehalt Die Fusariuminfektionen und die Konzentrationen von Mykotoxinen variierten stark von Jahr zu Jahr. 2006 blieb der Fusariumbefall schwach. 2008 bleiben zahlreiche Untersuchungsresultate trotz markanterem Fusariumbefall unter der für die Auswertung zuverlässigen Nachweisschwelle. 2010 waren die Mykotoxinkonzentrationen hingegen bei allen Untersuchungen ausreichend hoch (Tab. 1 und 2). Die Sorte Arina zeigte systematisch um einige Zehntel ppm tiefere Konzentrationen (Abb. 1). Der Anbau von Mais vor dem Weizen förderte die Produktion von Mykotoxinen gegenüber den Bedingungen einer Weizenmonokultur. Die vereinfachten Anbautechniken waren günstiger als das Pflügen. Der Fungizidschutz erlaubte jederzeit die Senkung der Konzentration an Mykotoxinen. Die Sorte und die Bodenbearbeitung


80

100

60

75

40

50

20

25

0

TCS

Pflügen TCS

Monokultur 2010

Pflügen

TCS

Rotation

Pflügen TCS

Monokultur

Arina

Septoria (%) - Halmbruch (%)

Ertrag (q/ha)

Krankheiten beim Winterweizen: Einfluss des Anbausystems und Auswirkungen auf den Ertrag | Pflanzenbau

0

Pflügen

Rotation

Tapidor Ertrag

Septoria

Halmbruch

Abb. 2 | Ertrag, Septoria und Halmbruch bei Winterweizen in ­A bhängigikeit von Sorte, Bodenbewirtschaftung und -bearbeitung, ohne Fungizidbehandlung, im Jahr 2010.

waren die Hauptkomponenten der Varianz der Mykotoxingehalte. Die Hauptinteraktionen betrafen ebenfalls diese beiden Faktoren. Bei Arina oder in Monokultur blieben die Konzentrationen systematisch tief und zwar unabhängig von der Bodenbearbeitung oder vom Fungizidschutz. Im Gegensatz dazu zeigte Tapidor in Rotation hohe Konzentrationen mit den vereinfachten Anbautechniken, aber auch mit dem Pflügen. Einzig in diesem letzten Fall ermöglichte der Fungizidschutz, das Vorkommen von Mykotoxinen gut zu begrenzen.

Diskussion Die Beobachtungen von Krankheiten können mit den in einem früher publizierten Artikel beschriebenen Kulturleistungen in Zusammenhang gebracht werden (Charles et al. 2011). In diesem Sinne fasst Tabelle 5 die Ertragsresultate kurz zusammen. Zum Beispiel zeigt das Jahr 2010 eine gewisse Übereinstimmung zwischen dem Endertrag und der Präsenz von Braunfleckigkeit und Halmbruch (Abb. 2). Die zahlreichen nachgewiesenen Wechsel­

Tab. 4 | Komponenten der Varianz für die Septoria bei Winter­ weizen, ausgedrückt in Prozent der mittleren Quadrate für die vier untersuchten Faktoren und die gesamten Interaktionen Varianz

2006

2008

2010

Septoria (%) Stadium BBCH

65

Fruchtfolge

14

Bodenbearb.

0

Sorte

43

30

Fungizid

3

1

Interaktionen

41

20

6

55

65

71

79

19

2

3

16

30

20

4

2

4

8

33

67

68

37

18

13

wirkungen zwischen den Faktoren, die den Ertrag und den Krankheitsbefall beeinflussen, erschweren jedoch jeglichen Rückschluss auf einen direkten Kausalzusammenhang. Zudem traten jedes Jahr mehrere Krankheiten auf und führten zu einem unterschiedlichen und bezüglich Ertrag schwer quantifizierbaren Krankheitsdruck. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, die Diskussion auf einige Fälle zu konzentrieren. Die Abweichung zwischen Sorten bewegte sich je nach Jahr zwischen 8 und 15 q/ha. Diese Abweichung erklärt sich mit der Typologie der beiden Sorten und ihrer Krankheitsan­ fälligkeit (Levy Häner et al. 2011). Im Vergleich zu Tapidor war Arina eher resistent gegenüber Septoria und Ährenfusariose, jedoch anfälliger gegenüber den anderen Krankheiten. Diese Unterschiede erklären zahlreiche Interaktionen mit dem Fungizidschutz, die unterschiedliche Wirksamkeit der Behandlungen und die anschliessenden Ertragsabweichungen. Vor allem in den Jahren 2008 und 2010 waren die Fungizide bei Tapidor wirksamer. In diesen beiden Jahren wurde eine starke Präsenz von Septoria, insbesondere bei dieser Sorte, beobachtet. Der Fungizidschutz führte zu einem durchschnittlichen Jahresertragszuwachs von 4 bis 7 q/ha. Die Monokultur war im Jahr 2006 mit einem um 8 q/ha und im Jahr 2010 um 22 q/ha tieferen Ertrag verbunden. 2006 und 2010 führte das Pflügen zu einer positiven Abweichung von 8 q/ha. Die Fruchtbarkeit der Pflanzen (Ähren, produzierte Körner) wurde insbesondere in Monokultur, aber auch mit vereinfachten Anbautechniken beeinträchtigt. Keine der beobachteten Krankheiten, insbesondere ab Erscheinen des letzten Blattes, vermag solch grosse Abweichungen zu erklären. Hingegen waren diese beiden Faktoren, allein oder in Interaktion, insbesondere für die Präsenz von Halmbruch, Septoria und die DON-Konzentration entscheidend. Halmbruchbefall tritt nach einer Winterweizenvorfrucht eindeutig häufiger auf (Gindrat und Frei 1999). Die Auswirkung des Anbausystems (Bodenbewirtschaftung, Bodenbearbeitung) wie auch die Sortentoleranz spielen bei der Ährenfusariose eine erwiesene Rolle (Vogelgsang et al. 2009). Die Septoria kann mit einem guten Management der Vorfruchtrückstände und einer grossen Artenvielfalt in der Rotation bekämpft und so der Krankheitszyklus durchbrochen werden (Schürch und Frei, 2009). Gewisse Krankheiten konnten auch durch die vereinfachten Anbautechniken begrenzt werden oder wurden durch die Monokultur nicht übertragen, was die multifaktorielle Herkunft der Präsenz und der Krankheitsentwicklung unterstreicht. Die Entwicklungen der Septoria im Jahr 2008 lassen einerseits die günstigen Ausgangsbedingungen einer Krankheit und anderseits ihre spätere Entwicklung aufgrund gewisser 

Agrarforschung Schweiz 2 (6): 264–271, 2011

269


Pflanzenbau | Krankheiten beim Winterweizen: Einfluss des Anbausystems und Auswirkungen auf den Ertrag

Tab. 5 | Winterweizenertrag und Ertragsvarianz in Abhängigkeit von den Faktoren Bodenbewirtschaftung und -bearbeitung, Sorte und Fungizidschutz in den Jahren 2006, 2008 und 2010 Ertrag (q/ha) 2006

2008

2010

Fruchtfolge - K Monokultur

61,5

52,0

47,5

Rotation

69,2

65,6

69,9

**

**

**

TCS

61,2

58,4

54,6

Pflügen

69,5

59,2

62,8

**

p=0,47

**

Arina

61,5

51,4

53,7

Tapidor

69,2

66,2

63,7

**

**

**

unbehandelt

62,1

55,5

56,7

behandelt

68,6

62,1

60,7

**

**

Bodenbearb. - B

Sorte - S

Fungizidschutz - F

**

Varianz (%) 2006

2008

2010

Fruchtfolge

24

39

66

Bodenbearb.

28

0

9 13

Sorte

24

45

Fungizid

17

9

2

Interaktionen

7

6

10

* signifikant (P < 0,05), ** hoch signifikant (P > 0,01)

Umweltfaktoren (Klima, Mikroklima, Boden) erkennen. Es wurde nachgewiesen, dass die Stickstoffrestmenge aus gewissen Vorfrüchten wie dem Raps (in diesem Versuch im Jahr 2008) die Entwicklung von Halmbruch ebenfalls günstig beeinflussen kann (Gindrat und Frei, 1999). Im Jahr 2008 reagierte die Entwicklung von echtem Mehltau günstig auf die durch das Pflügen und die Rotation hervorgerufenen Wachstumsbedingungen. Diese Krankheit reagiert günstig auf Stickstoff und ein feuchtes Mikroklima (Pflügen, Vegetationsdichte). In diesem Versuch zeigten Messungen des Chlorophyllindexes jährliche Abweichungen zwischen den Sorten, jedoch keine signifikante Auswirkung der übrigen Faktoren. Diese Resultate bestätigen im Nachhinein, dass die Verfahren mit den tiefsten Erträgen nicht mit begrenzenden Chlorophyllgehalten und durch Extrapolierung begrenzenden Stickstoffzufuhren verbunden waren. Dies bestätigt auch die durch die Krankheiten ausgeübte wichtige Rolle.

270

Agrarforschung Schweiz 2 (6): 264–271, 2011

Schlussfolgerungen ••Im Rahmen eines Langzeitversuchs gab es zwischen den beobachteten Krankheiten bei Winterweizen in Rotation und in Monokultur keine spezifischen Unterschiede. Die hauptsächlich festgestellten Krankheiten waren Halmbruch und Septoria. Der echte Mehltau, Braunrost sowie Ährenfusariose, deren DON-Gehalt gemessen wurde, waren weniger systematisch präsent. ••Eine günstige Wirkung von Sanierungsmassnahmen wie Rotation und Pflügen wurde bei Halmbruch, Septoria und Fusariose festgestellt. Die Wirkung dieser Vorbeugemassnahmen konnte jedoch durch Umweltfaktoren zunichte gemacht werden, die sich in der Folge begünstigend auf den Krankheitsverlauf auswirkten. Beim echten Mehltau und beim Braunrost spielte hingegen das Anbausystem kaum eine Rolle und deren Krankheitsverlauf hing hauptsächlich von den Umweltbedingungen ab. ••Bei für die Fusariose günstigen Klimabedingungen war der DON-Gehalt im Falle einer Maisvorfrucht höher als nach einem Winterweizen in Monokultur. Der Stellenwert des Pflügens oder einer resistenten Sorte wie Arina konnte unterstrichen werden. ••Die Sortentoleranz stellte einen der wichtigsten und stabilsten Faktoren zur Krankheitsregulierung dar, indem sie zahlreiche Interaktionen mit den anderen Anbaumassnahmen ermöglicht. Zahlreiche Kombinationen von Anbautechniken sind je nach gewähltem Anbausystem und Produktionszielen denkbar. Die Wirkung des Fungizidschutzes hängt von diesen vorgängigen Massnahmen sowie von den jeweils aktuellen Umweltbedingungen ab. n


Influenza del sistema di coltura sull’apparizione di malattie del frumento autunnale e la loro incidenza sulla resa Nell’ambito di una prova a lunga durata dedicata alla rotazione cerealicola, i fattori varietà e protezione fungina sono stati aggiunti durante tre anni (2006, 2008 e 2010) ai fattori rotazione delle colture e lavorazione del suolo già studiati dal 1967. Attraverso questo complemento si trattava di valutare l’influenza del sistema colturale sulla presenza delle malattie del frumento autunnale e di discutere delle incidenze sulla resa. L’effetto favorevole di misure preventive, come la rotazione colturale e la lavorazione del terreno, è stato osservato per il mal del piede dei cereali, la septoriosi sulle foglie e la fusariosi sulla spiga. Dette misure fitosanitarie preventive hanno potuto essere eluse dalle condizioni ambientali favorevoli allo sviluppo ulteriore della malattia. L’oidio e la ruggine bruna erano poco influenzati dal sistema colturale e il loro sviluppo dipende principalmente dalle condizioni ambientali, mentre la concentrazione di micotossine prodotte dalla fusariosi si basano piuttosto sulla presenza di un mais antecedente che su una monocoltura di frumento autunnale. E’ stata evidenziata l’importanza della lavorazione del suolo o di varietà tolleranti come Arina. La tolleranza varietale ha costituito un fattore essenziale e stabile per il controllo delle malattie. L’efficacia della protezione fungicida dipende da queste preliminari misure colturali e dalle condizioni ambientali del momento.

Literatur ▪▪ Charles R., Cholley E. & Frei P., 2011. Fruchtfolge, Bodenbearbeitung, Sorte und Fungizidschutz in der Getreideproduktion. Agrarforschung Schweiz 2 (5), 212–219. ▪▪ Gindrat D. & Frei P., 1999. Quelques particularités du piétin-verse du blé d’automne. Revue Suisse d’Agriculture 31 (5), 213–216. ▪▪ Gindrat D. & Frei P., 1999. La météo, un élément clef pour la prévision du risque de piétin-verse pour le blé d’automne. Revue Suisse d’Agriculture 31 (5), 217–220. ▪▪ Gindrat D., Frei P. & Pellet D., 2003. Prévision du risque de piétin-verse sur le blé d’automne en Suisse. Revue Suisse Agric . 35 (3), 113–116. ▪▪ Häller-Gärtner B., Kleijer G., Mascher F., 2005. Répartition du DON dans les fractions de mouture du blé. Mitt. Lebensm. Hyg. 96, 462–465. ▪▪ Gomez K.A. and Gomez A.A. , Statistical Procedures for Agricultural ­Research. Wiley-Interscience, Second Edition 1984, 680 p.

Summary

Riassunto

Krankheiten beim Winterweizen: Einfluss des Anbausystems und Auswirkungen auf den Ertrag | Pflanzenbau

Crop rotation, soil tillage, variety and fungicide protection in cereal production Within the framework of long-term experiment devoted to cereal production, the factors variety and fungicide protection were added during three years (2006, 2008 and 2010) to the factors crop rotation and soil tillage already studied since 1967. This complement aimed at evaluating the influence of the cropping system on the development of diseases on winter wheat and discussing the impacts on yield. The favorable effect of sanitation measures such as crop rotation and ploughing was raised for eyespot, septoria leaf blotch and fusarium head blight. These preventive measures could be reversed by environmental conditions favorable to the later disease development. Powdery mildew and brown rust were further influenced by the environmental conditions favorable to their development. The concentration in fusarium mycotoxins depended more on the presence of previous maize than on winter wheat in monoculture. The importance of the ploughing or a tolerant variety such as Arina could be underlined. The variety resistance constituted a crucial and stable factor for the diseases control. The efficiency of fungicide protection depends on these initial cropping measures as well as on current environmental conditions. Key words: winter wheat, crop rotation, monoculture, soil tillage, fungicide, diseases.

▪▪ Levy Häner L., Collaud J., Schwaerzel R., Bertossa M., Hiltbrunner J., ­A nders M., Stoll P. & Peter D., 2011. Liste der empfohlenen Getreide­ sorten für die Ernte 2011. Agrarforschung Schweiz , 1, 7 – 8. ▪▪ Schürch S., Frei P., Frey R., Wullschleger J. & Sierotzki H., 2009. Septoriose du blé : sensibilité aux fongicides de la population suisse de Mycosphaerella graminicola . Revue Suisse Agric. 35 (3), 113–116. ▪▪ Sinaj S., Richner W., Flisch R. & Charles R., 2009. Données de base pour la fumure des grandes cultures et herbages. Revue Suisse Agric . 41 (1), 98. ▪▪ Vogelgsang S,. Jenny E., Hecker A., Bänziger I., & Forrer H.-R, 2009. Fusarien und Mykotoxine bei Weizen aus Praxis-Ernteproben. Agrarforschung 16 (7), 238–243. ▪▪ Vullioud P., 2007. Rotations de cultures chargées en blé : est-il possible d’en diminuer les inconvénients. Revue Suisse Agric. 39 (1), 15–23.

Agrarforschung Schweiz 2 (6): 264–271, 2011

271


P f l a n z e n b a u

Extension Obst – massgeschneiderte Forschung und Entwicklung im Dialog mit der Praxis Simon Egger und Heinrich Höhn, Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW, 8820 Wädenswil Auskünfte: Simon Egger, E-Mail: simon.egger@acw.admin.ch, Tel. +41 44 783 63 94

Abb. 1 | Der intensive Dialog mit Beratung und Praxis ist ein Hauptmerkmal der Extension. (Foto: ACW)

Einleitung Die Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW arbeitet seit 2004 im Rahmen der Extension Obst eng mit der Obstbauberatung und -praxis zusammen. Dazu wurden ein strukturierter Projektplanungs- und Evaluationsprozess und ein Kunden-Forum der Branche etabliert. Das Forum Kern- und Steinobst bestimmt nicht nur jährlich die Arbeitsschwerpunkte mit, sondern beurteilt auch Qualität und Erfüllungsgrad der laufenden Arbeiten und kann nötigenfalls Kursänderungen veran-

272

Agrarforschung Schweiz 2 (6): 272–279, 2011

lassen. Analog gibt es diese Form der Zusammenarbeit in Spezialkulturen auch für Gemüse, Beeren und seit 2010 gesamtschweizerisch für den Weinbau. Diese Erfolgsgeschichte wird ausserhalb der betreffenden Spezialkulturen noch wenig wahrgenommen, auch wenn im Ackerbau seit 2009 auch ein Schweizer Forum besteht und im Futterbau die technische Kommission der Arbeitsgemeinschaft für den Futterbau (AGFF) schon länger diese Funktion ausübt. Grund genug, einen Einblick in die Arbeitsweise zu geben, von Erfahrungen in konkreten Projekten zu berichten und eine Zwischenbilanz zu ziehen.


Extension Obst – massgeschneiderte Forschung und Entwicklung im Dialog mit der Praxis | Pflanzenbau

Projektplanung August

Evaluation laufende Prokekte

Beschluss Projektportfolio

Aufruf und Diskussion Projektvorschläge

Jährlicher Verhandlungsprozess Jährlich wird die Obstbranche Ende August über Fachmedien, Branchenorgane und Internet aufgerufen, ihre dringenden und wichtigen Anliegen für das Folgejahr einzureichen (Abb. 2). Die gesammelten Projektideen werden durch das Forumssekretariat einer Vorprüfung unterzogen und der Extension Obst von ACW zu einer ersten Stellungnahme unterbreitet. Gleichzeitig bringen 

Forum Kern- und Steinobst

So wird die Extension gesteuert Die Extension von ACW wird gesteuert durch so­genannte «Foren». Dies sind Vertretungen der Leistungsemp­fänger der Extension (Kunden). Sie legen jährlich ihre Bedürf­nisse gegenüber der Extension fest und priorisieren sie bezüglich Wichtigkeit. In der Schweiz gibt es solche Foren für die Bereiche Obst, Gemüse, Beeren und auch für den deutschschweizer Weinbau. Das Forum Kern- und Steinobst hat 20 stimmberechtigte Mitglieder aus folgenden Bereichen: Produktion/ Schweizer Obstverband SOV (9), Kantonale Beratung (8),

Am Beispiel der Extension Obst wird aufgezeigt, wie die Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW seit 2004 die Kunden des praxisnahen Versuchswesen bei Spezialkulturen in einem strukturierten Prozess in die jährliche Priorisierung und Evaluation der Projekte erfolgreich einbezieht. Die Extension muss die ganze thematische Breite von Sorten und Anbausystemen über produktionstechnische Fragen, Pflanzenschutz und Ertragsphysiologie bis hin zur Betriebsökonomie abdecken. Um komplexere Probleme der Praxis bearbeiten zu können und erfolgreich Drittmittel akquirieren zu können, ist man auf die Zusammenarbeit mit gut vernetzter, vertiefter Forschungskompetenz angewiesen. Bei knapper werdenden Ressourcen, sind alle Partner aus Praxis und landwirtschaftlichem Wissens-System gefordert, ihre Kräfte zu bündeln und die Schwerpunktsetzung und Kooperation zu verstärken.

Agridea (1), Handel/Swisscofel (2). Präsident des Forums ist Ernst Lüthi, Obstproduzent aus Ramlinsburg. Das Sekretariat führt Ralph Gilg beim SOV. Weitere Informationen unter www.agroscope.admin.ch > ACW > Kooperationen > Branchenforen.

ACW

Praxisnähe und Dialog Der Begriff «Extension» kommt aus dem nordamerikanischen Raum und heisst so viel wie Verlängerung. Es geht um die Verlängerung der grundlagenorientierten Forschung in die Praxis, oder in anderen Worten: um wissenschaftlich abgestütztes Versuchswesen und Beratung im Gegensatz zur grundlagenorien­tierten «Forschung». Die Resultate müssen in der Praxis (Berater, Produzentinnen und Produzenten) direkt umsetzbar sein (Baur et al. 2005). Die Anforderungen an die zwei Arbeitsbereiche sind unterschiedlich: Etwas plakativ gesagt, muss die grundlagenorientierte Forschung nicht unbedingt von Anfang an genau wissen, wie sich ihre Ergebnisse in der Praxis anwenden lassen. Dagegen reichen in der Extension oft auch Lösungen, die nachhaltig funktionieren ohne dass man die Zusammenhänge restlos erklären kann. Der geringeren Bearbeitungstiefe in der Extension steht die ganze thematische Breite gegenüber: von Sorten und Anbausystemen über produktionstechnische Fragen, Pflanzenschutz und Ertragsphysiologie bis hin zur Betriebsökonomie. Für all diese Bereiche muss die Extension im Bedarfsfall rasch Problemlösungen anbieten können. Extension ist aber nicht alleine durch die Praxisnähe definiert. Das besondere an der Extension, wie sie ACW etabliert hat, ist der strukturierte, verbindliche Dialog mit den Leistungsempfängern. Das jährliche Aushandeln und der intensive Austausch führen erstens dazu, dass erarbeitete Lösungen besser zur Kenntnis genommen, mitgetragen und rascher umgesetzt werden. Zweitens kann die Extension als Frühwarnsystem für die Forschung dienen. Und nicht zuletzt hat der intensivere Dialog und die Ausrichtung der Arbeitsschwerpunkte auf die Anliegen der Kunden auch zur Folge, dass die landwirtschaftliche Forschung als Ganzes in der Praxis sichtbarer ist, positiv wahrgenommen wird und mehr Vertrauen und Rückhalt geniesst.

Zusammenfassung

Material und Methoden

Projektdurchführung Februar

November

Jährlicher Forumsprozess der Extension Obst von ACW

Abb. 2 | Jährlicher Forumsprozess der Extension Obst von ACW.

Agrarforschung Schweiz 2 (6): 272–279, 2011

273


Pflanzenbau | Extension Obst – massgeschneiderte Forschung und Entwicklung im Dialog mit der Praxis

Priorisierung des Forums 2010-11 10

weiterführen, A

14

reduzieren, A

4

abschliessen, S neu, A

3

neu, I

3

neu, B 5

neu, C

8

neu, S

6

Abb. 3 | Ergebnis der Priorisierung von insgesamt 53 Projektideen im Jahr 2010. Von den 25 laufenden Projekten wurden acht abgeschlossen. A, B, C = Priorität. I = Integriert in anderes Projekt. S = neuer Vorschlag bzw. abgeschlossenes Projekt gestrichen.

die Forschenden oft auch selbst neue Projektvorschläge und innovative Ideen für die Praxis in den Prozess ein. Die vorbereinigte Liste dient dann als Basis für eine detaillierte Diskussion anlässlich der jährlichen Plenarsitzung des Forums im November. Der jährliche Forumsanlass bietet nebst der eigentlichen Priorisierung neu eingereichter Projektvorschläge auch Gelegenheit, den Stand der Arbeit in laufenden Projekten vorzustellen und zu diskutieren: reichen die bisherigen Ergebnisse? Sind neue Aspekte aufgetaucht, die eine Anpassung des Vorgehens erfordern? Hat sich das Problem anderweitig gelöst? Klassischerweise dauern Extensionprojekte etwa ein bis drei Jahre. Gerade bei Dauerkulturen wie Obstgehölzen gibt es aber auch Aufgaben, die den Charakter von «Daueraufgaben» haben. Doch auch hier bestimmt das Forum die Akzente mit oder kann zum Beispiel auf dem Hintergrund geänderter Praxisanforderungen – allenfalls mit einer Übergangsfrist – den Abbruch einer vorher als langfristige Aufgabe angesehenen Aktivität fordern.

Die Priorisierung der einzelnen Projekte erfolgt in drei Stufen (Abb. 3): A = mit höchster Priorität zu bearbeiten, B = zu bearbeiten falls die Ressourcen es zulassen, C = zurückgestellt (Themenspeicher). Alle übrigen Anträge werden allenfalls in andere Projekte integriert oder aus der Liste gestrichen. Für die Vorschläge mit Priorität A und B werden anschliessend weitergehende Projektskizzen durch die Extension erstellt. Genaue Zielsetzung, beabsichtigter Lösungsweg sowie vorgesehene Dauer und Ressourcenbedarf werden ausformuliert und abgeschätzt. Über die Durchführung der Projekte wird im Februar mit einer Delegation des Forums unter Berücksichtigung der verfügbaren Ressourcen definitiv entschieden.

Resultate Breites Spektrum an Projekten Die Auswertungen der Anzahl eingereichter Projekte und der Priorisierungsentscheide von 2010 zeigt das Spektrum und die Verteilung der Tätigkeiten der Extension Obst auf verschiedene Bereiche. Bei allen thema­tischen Unterschieden stehen Praxisnähe und Anwendungsorientierung sowie Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit für alle Extensionprojekte im Vordergrund. Nachstehend sollen – stellvertretend für das ganze Projektportfolio 2011, das 27 Teilprojekte umfasst – vier Fallbeispiele in Kurzform dargestellt werden. Diese sind nicht nur thematisch, sondern auch methodisch und bezüglich des Zeithorizonts, der Forschungs- oder Beratungsnähe oder bezüglich Drittmittelpotential unterschiedlich gelagert. Es ist eine permanente Herausforderung, diese Diversität effizient zu managen und die Chancen an den Schnittstellen zu nutzen.

Prozentualer Anteil Arbeitstage 2011 7%

4% 28% Pflanzenschutz

18%

Kulturführung und Anbautechnik Sorten und Unterlagen Lagerung, Nachernte Ökonomie 20%

23%

Beratung und Aktualitäten

Abb. 4 | Aufteilung der Arbeitstage des Projektportfolios 2011 auf die Verschiedenen Tätigkeitsgebiete der Extension Obst.

274

Agrarforschung Schweiz 2 (6): 272–279, 2011


Extension Obst – massgeschneiderte Forschung und Entwicklung im Dialog mit der Praxis | Pflanzenbau

1. Klassisches Extensionprojekt Thema: Optimierung der Behandlungsstrategie gegen Spinnmilben (Panonychus ulmi). Ursprung: 2006 angestossen aus der Beratung Kt. TG auf Grund besorgniserregender Anstiege von Spinnmilben in Apfelanlagen der Praxis. Dauer: drei Jahre. Charakter: Beratungsnah. Methodik: On Farm, Erfahrungsgruppen zusammen mit Beratung. Drittmittel: Keine Vor rund 30 – 40 Jahren gehörten die Roten Spinnen zum Alltag im modernen Apfelanbau. Erst mit der Umstellung des Pflanzenschutzes auf selektive Produkte und der Wiedereinführung und Schonung der Raubmilben konnte das Problem vor gut 20 Jahren gelöst werden. Jährlich werden durch ACW im Dezember-Februar gut 300 Astproben von rund 100 Obstbaubetrieben untersucht. Bereits im Winter 2003/04 konnte ein deutli-

50 Oel

Spi.

Teb.

2

Cyh.

30

1,5

20

1

10

0,5

0

0

Anzahl rote Spinnen pro Blatt

50 40

2,5 2

Oel

30

1,5

20

1

10

0,5

0

0

50

2,5

40 30

Anzahl Raubmilben pro Blatt

40

2,5

2 Teb. 1,5

20

1

10

0,5

0

0 Mai

Juni

Juli

August

Abb. 5 | Populationsentwicklung der Roten Spinnen und der Raubmilben bei unterschiedlichen Akarizideinsätzen. Die Milbenbekämpfungen sind mit einem Pfeil markiert: Oel = Mineralöl, Spi = Spirotetramat (Envidor), Teb = Tebufenpyrad (Zenar), Cyh = Cyhexatin.

cher Anstieg der Spinnmilben festgestellt werden, der sich in der Folge weiter fortsetzte (Höhn et al. 2008). Dies wurde auch in der Praxis und Beratung wahrgenommen, so dass im Herbst 2006 das Extension-Projekt «Spinnmilben: Optimierung der Behandlungsstrategie» priorisiert wurde. In der Folge wurden von 2007 – 2009 in 50 Sortenblöcken auf zehn Praxisbetrieben Untersuchungen durchgeführt. Dabei wurden die Populationen der Roten Spinne und der Raubmilben mehrmals pro Jahr mittels Auswasch- und Astproben erhoben und natürlich auch die Pflegemassnahmen der Betriebe auf den jeweiligen Sortenblöcken genau aufgenommen. Es zeigte sich, dass die Raubmilbe weiterhin der wichtigste Faktor bei der Regulierung der Roten Spinne ist (Höhn et al. 2010) und zwei Raubmilbenarten in den Obstanlagen dominieren (Franck et al. 2008). Durch Ansiedlungen und Schonung der Raubmilben wurden die Spinnmilben in Problemanlagen nachhaltiger unter Kontrolle gebracht als mit dem Einsatz von Akariziden (Abb. 5). Die Resultate und Erkenntnisse wurden an verschiedenen nationalen und kantonalen Fachtagungen präsentiert und in Fachzeitschriften publiziert. So konnte erfreulicherweise diesen Winter auch wieder ein Rückgang der Populationen in den Astproben beobachtet werden (Höhn et al. 2011). Es wird sich zeigen müssen, ob dieser Rückgang nachhaltig ist und sich die Rote Spinne und die Raubmilbe in den nächsten Jahren wieder auf einem guten Niveau einpendelt und sich das Problem wieder natürlich reguliert. 2. Langfristige Extensionaufgabe Thema: Unterlagenprüfung Steinobst. Ursprung: Seit Beginn der Extension hoch priorisiertes Anliegen der Praxis und Beratung. Dauer: langfristig. Charakter: Beratungsnah, Querschnittspotenzial zu anderen Fragestellungen (z.B. Sharka, Nachbauprobleme). Methodik: Prüfparzellen auf eigenen Versuchsbetrieben. Drittmittel: keine In der Steinobst-Unterlagenprüfung werden neue Veredlungsunterlagen auf ihre Anbaueignung hin geprüft und mit herkömmlichen Unterlagen verglichen. Dabei interessieren Kriterien wie Ertragseintritt, Ertragsleistung, Wuchsverhalten, Baumeigenschaften, Wurzelausläuferbildung und Fruchtqualität. Wegen ihrer Krankheitstoleranz liegt der Fokus der laufenden Versuche bei Zwetschgen auf der Unterlage Wavit (Abb. 6). Dabei handelt es sich um eine Wangenheimer Selektion, die sich in den bisherigen Versuchsjahren durch einheitlichen Wuchs, früh einsetzende und gute Erträge und das Fehlen von Wurzelausläufern auszeichnet. Vor allem aber ist sie interessant wegen ihrer Robustheit gegenüber dem 

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Pflanzenbau | Extension Obst – massgeschneiderte Forschung und Entwicklung im Dialog mit der Praxis

Fellenberg 2010 Verhältnis Ertrag und Wuchsstärke

141

Ertrag in %

Wachstum in % 126

109

108

100 Ertrag und Wuchsstärke in %

90

95 89 82

79 71 59 47

45 35

Wavit

St. Julien A

Waxwa

St.Julien GF 655/2

Ishtara

Jaspi

VSV-1

VVA-1

Abb. 6 | Vergleich von Ertragsleistung und Wachstum der Zwetschgensorte Fellenberg im 5. Standjahr auf der neuen Unterlage Wavit im Vergleich mit Standardunterlagen.

verbreiteten bakteriellen Zwetschgensterben, verursacht durch Pseudomonas syringae. Seit 2010 stehen zudem Sharka-hypersensible Unterlagen in Prüfung. Da solche Unterlagen nach einer Veredlung mit Sharka-verseuchtem Material hypersensibel reagieren und absterben, kann damit künftig Sharka-freies Pflanzmaterial sichergestellt werden. Ob sie auch anbautechnisch mit den heute gängigen Zwetschgenunterlagen mithalten können, sollen die Versuche in den nächsten Jahren zeigen. 3. Forschungsnahes Extensionprojekt Thema: Prognose des Junifruchtfalls beim Apfel. Ursprung: 2008 angestossen von der Extension Obst auf Grund von Informationen aus dem European Fruit Research Institutes Network (EUFRIN). Dauer: voraussichtlich vier Jahre. Charakter: Beratungsnah mit Forschungskomponenten. Methodik: Exaktversuche, teilweise mit neuen, zerstörungsfreien Messtechniken. Verbindung zu anderen Arbeiten in Ertragsphysiologie, insbesondere Behangsregulierung. Drittmittel: keine. Das Projekt soll der Beratung ermöglichen, in einem frühen Stadium der Fruchtentwicklung abzuschätzen, wie stark der natürliche Fruchtfall im jeweiligen Jahr

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ausfallen wird, damit Obstproduzenten die Behangsregulierung noch zielgerichteter ausführen können. Die Regulierung des Fruchtansatzes ist eine der wichtigsten Massnahmen im Apfelanbau, um die Fruchtqualität positiv zu beeinflussen und regelmässige Erträge in den Folgejahren sicherzustellen. In den ersten beiden Jahren des Projekts wurden bestehende Modelle, die auf dem Zuwachs der Jungfrüchte direkt nach der Blüte basieren, mit verschiedenen Sorten an mehreren Standorten auf ihre Aussagekraft geprüft. Messbare Unterschiede im Fruchtzuwachs setzen je nach Temperatur nach zwei bis fünf Tagen ein. Ein von Greene et al. (2007) entwickeltes Model geht davon aus, dass jene Früchte vorzeitig abfallen, deren Zuwachs geringer ist als die Hälfte des Zuwachses der am stärksten wachsenden Früchte. Dies wurde in eigenen Versuchen weitgehend bestätigt (Abb. 7). 2010 wurde zudem untersucht, ob Messungen an Jungfrüchten mit einem mobilen Nah-Infrarot Messgerät (Abb. 8) eine zuverlässige Prognose des Fruchtfalls erlauben. Bis der Beratung ein zuverlässiges Instrument zur gebietsweisen Abschätzung des Fruchtfalls für die wichtigsten Sorten zur Verfügung steht, sind mehrjährige Erfahrungen mit weiteren Sorten unerlässlich.


Extension Obst – massgeschneiderte Forschung und Entwicklung im Dialog mit der Praxis | Pflanzenbau

Fruchtfall Sorte Nicoter unbehandelte Kontrolle 16 abgefallene Früchte (n = 57) 14

verbliebene Früchte (n = 91)

12

Häufigkeit

10 8 6 4 2 0

0

1

2

3

4

5

6

7

8

Zuwachs in mm (Klassenweite 0,2 mm) Abb. 7 | Bei der Sorte Nicoter zeigte sich in einer ersten Validierung eine recht gute Differenzierung der frühzeitig abfallenden Jungfrüchte (rot) abhängig vom Zuwachs innerhalb von acht Tagen ab abgehende Blüte, gegenüber den Früchten die am Baum verbleiben (blau).

4. Forschungsprojekt angestossen aus der Praxis Thema: Nachbauprobleme bei Obstkulturen. Ursprung: 2007 angestossen aus der Beratung verschiedener kantonaler Beratungsdienste. Dauer: vorerst vier Jahre, Weiterführung geplant. Charakter: Projekt mit Forschungsund anwendungsorientiertem Teil. Methodik: Survey zur Eingrenzung des Problems, Laborforschung zur Ursachen­identifikation, Evaluation von Gegenmassnahmen im Feldversuch. Drittmittel: Akquisition von Drittmitteln (COST 864).

Abb. 8 | Ein feldtaugliches Gerät zur Nah-Infrarot Spektrometrie wird im Feldversuch auf die Eignung zur frühzeitigen Detektion abfallender Früchte getestet.

Nachbauprobleme (Bodenmüdigkeit, Apple Replant Disease) in Obstkulturen sind schon länger bekannt. Sie äussern sich insbesondere in Wachstumsdepression bei wiederholtem Anbau am gleichen Standort. Intensivierter Anbau, limitierte Obstbauflächen und Neupflanzungen im gleichen Baumstreifen wie die Vorgängerkultur (z.B. wegen fest installiertem Witterungsschutz) führten in den letzten Jahren zu vermehrtem Auftreten auch in der Schweiz (Naef et al. 2009). So erstaunt es nicht, dass vom Forum Kern- und Steinobst zunehmend Projektanstösse zu diesem Thema eingingen. Die Bearbeitung eines solch komplexen Themenkreises übersteigt jedoch die personellen Kapazitäten und das wissenschaftlich-technische Know-how der Extension Obst. Es ist kaum möglich, mit einigen Praxisbeobachtungen nachhaltige Lösungsansätze zu erarbeiten, ohne genauer auf den Ursachenkomplex einzugehen. Aufgrund des dringenden Anliegens wurde das Thema in Absprache mit dem Forum als Forschungsprojekt 01.16.03 ins Arbeitsprogramm 2008 – 11 der Forschungsanstalt ACW aufgenommen. Dabei wird dem intensiven Austausch zwischen Forschung und Extension und der Zusammenarbeit mit anderen nationalen und internationalen Instituten zu diesem Themenbereich grosses Gewicht beigemessen. Hier zeigt sich deutlich, dass die Extension auf vertiefende Forschung und Forschungsnetzwerke angewiesen ist. Das beginnt bei der Akquisition von Drittmitteln, zeigt sich aber 

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Pflanzenbau | Extension Obst – massgeschneiderte Forschung und Entwicklung im Dialog mit der Praxis

Abb. 9 | Apfelsämlingsversuch mit unterschiedlich behandeltem Boden aus einer Anlage mit Nachbauproblemen.

auch in der Projektdurchführung. Der Survey und die Praxisversuche werden im Rahmen der Extension durchgeführt, während die vertiefte Untersuchung des Ursachenkomplexes mittels Bioassays und molekularbiologischen Methoden im Rahmen des Forschungsprojektes vorwiegend mit Drittmitteln bearbeitet werden.

Diskussion Der strukturierte und verbindliche Dialog mit den Leistungsbezügern ist ein wesentliches Merkmal der Extension. Die Kunden fühlen sich ernst genommen und schätzen die Möglichkeit zur Mitbestimmung. Umgekehrt ist es auch für Mitarbeitende der Extension befriedigend zu wissen, dass ihre Forschung und Entwicklung gefragt ist und angewendet wird. Doch lebt die Beziehung zwischen Extension und den Kunden auch von der kritischen Auseinandersetzung. Nicht immer machen alle Wünsche der Praxis oder Beratung Sinn. Forschung und Extension sind manchmal durchaus auch gefordert, für gewisse Prinzipien – zum Beispiel der Nachhaltigkeit – einzustehen. Andererseits ist es für die Extension nicht immer machbar, in kurzer Zeit befriedigende und einfach umsetzbare Lösungen für aktuelle Praxisprobleme anzubieten. Kritiker warnten bei der Einführung der Extension davor, fremdgesteuert zu werden. Diese Befürchtung hat sich nicht bewahrheitet. Die Extension ist zwar bestrebt, so weit als nur möglich den Prioritäten des Forums verbindlich zu folgen. Doch behält sie sich das Recht vor, in begründeten Fällen auch gegen den Willen des Forums zu entscheiden. Die Erfahrung hat gezeigt,

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dass das Aushandeln gut funktioniert und das gegenseitige Vertrauen da ist. Gegen die Befürchtung der Fremdbestimmung spricht auch die Tatsache, dass Vorschläge für neue Projekte oft von der Extension und Forschung selbst eingebracht werden; sei es weil eine neu verfügbare Technologie neue Perspektiven eröffnet oder weil eine Idee aus internationalen Forscherkontakten aufgegriffen wird. Ein anderer, manchmal geäusserter Kritikpunkt betrifft den Aufwand für den Forums-Prozess im Vergleich zu eher wenig Projekten, die jährlich neu gestartet werden können. Dabei geht gerne vergessen, dass unabhängig von den Entscheiden die gefällt werden, schon nur der intensive Dialog an sich wertvoll ist. Der Prozess hat sich gut eingespielt und ist administrativ äusserst schlank. Sollten die verfügbaren Ressourcen im Verhältnis zu den gewünschten Leistungen künftig noch knapper werden, ist eine Priorisierung, die von den Leistungsempfängern mitgetragen wird, erst recht sinnvoll. Als Stärke der Extension wird auch etwa ins Feld geführt, dass sie durch den intensiven Praxiskontakt eine Art Frühwarnsystem auch für die Forschung darstellt. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass in der Praxis die Alarmglocken oft erst läuten, wenn ein Problem schon akut ist. Häufig sind es sogar andere Aktivitäten, zum Beispiel regelmässige Überwachungen oder Vollzugsaufgaben wie phytosanitäre Kontrollen an der Grenze, die frühzeitig auf eine Gefahr aufmerksam machen, noch bevor sie in der Praxis als Problem wahrgenommen wird.

Schlussfolgerungen Das Zusammenspiel von Vollzug, Forschung und Extension unter einem Dach kann als Stärke der landwirtschaftlichen Forschung in der Schweiz bezeichnet werden. Die Extension als Brücke zwischen der Forschung und der Beratung und Praxis wie sie ACW etabliert hat, bewährt sich. Forschung und Extension sind dabei kein Gegensatz, sondern ergänzen sich optimal. Während die Forschung bei ausgewählten Themen in die Tiefe geht, soll Extension die ganze Breite abdecken. Bei knapper werdenden Ressourcen, ist dieser Anspruch immer schwieriger zu erfüllen. Alle Partner der Branche und des landwirtschaftlichen Wissens-System im weiteren Sinne werden gefordert sein, ihre Kräfte zu bündeln und die Schwerpunktsetzung und Kooperation zu verstärken. n


Extension frutta – ricerca e sviluppo nel dialogo con la pratica fatte su misura L’esempio dell’Extension frutta dimostra come la Stazione di ricerca Agroscope Changins-Wädenswil ACW coinvolga i clienti attivi nelle prove sperimentali pratiche delle colture speciali, in un processo strutturato, il quale permette una priorizzazione e valutazione annuale dei progetti. L’Extension è chiamata a coprire l’intera gamma tematica di varietà e sistemi colturali, attraverso domande tecnico-produttive, protezione fitosanitaria e fisiologia della produzione fino all’economia aziendale. Al fine di poter affrontare i problemi complessi nella pratica e riuscire ad acquisire con successo fondi terzi, l’Extension dipende da collaborazioni ben istaurate e da competenze di ricerca approfondite. In un periodo di scarsa disponibilità di risorse, tutti i partner attivi in questo sistema gestionale sono chiamati a unire le loro forze per poter potenziare la capacità di focalizzazione delle problematiche e la collaborazione.

Summary

Riassunto

Extension Obst – massgeschneiderte Forschung und Entwicklung im Dialog mit der Praxis | Pflanzenbau

Tree fruit extension in close ­cooperation with stakeholders The description of extension activities for fruit-growing at ACW Research Station since 2004 shows how stakeholders needs have been systematically integrated in applied research by implementing a well structured annual process, both in priority-setting and evaluation of projects. Extension is expected to cover the whole range of topics arising in practice, be it varieties and rootstocks, training systems and other technical items or challenges in plant protection and plant physiology, but also economical questions. In order to successfully solve more complex problems and to benefit from third money funds, a close cooperation with more fundamental research activities and scientific networks is essential. In times of ever shrinking resources, all partners, in practice as well as in the entire knowledge-system, are called upon to bundle their forces and to strengthen priority-setting and cooperation. Key words: extension, horticulture, fruit research, customer relationship management.

Literatur ▪▪ Baur R., Ladner J. & Bertschinger L., 2005. Praxisnahe Extension für den Schweizer Obst- und Gemüsebau. Agrarforschung 12 (5), 196–201, 2005. ▪▪ Franck L, Höhn H. & Höpli H.U., 2008. Artenzusammensetzung der Raubmilben im Ostschweizer Apfelanbau. Schweiz. Z. Obst-Weinbau 15/08 (144), 7–10. ▪▪ Greene D. W., Krupa J., Vezina M., Lakso A. N. & Robinson T., 2007. A Method to Predict Chemical Thinner Response on Apples. Fruit Notes, Spring 2005 (70), 12–17. ▪▪ Höhn H., Höpli H.U., Koller T., Razavi E. & Samietz J., 2008. Astprobenuntersuchungen 2007/2008. Schweiz. Z. Obst-Weinbau 5/08 (144), 9–12.

▪▪ Höhn H., Annaheim K., Franck L., Koller T., Noser S., Stier K. & Stutz S., 2010. Ohne Raubmilben geht’s nicht. Schweiz. Z. Obst-Weinbau 19/10 (146), 8–11. ▪▪ Höhn H., Stutz S., Höpli H.U., Razavi E. & Samietz J., 2011. Astprobenuntersuchungen 2010/11: Abnahme bei Schild- und Blutläusen. Schweiz. Z. Obst-Weinbau 6/11 (147), 10–13. ▪▪ Naef A., Monney P. & Gasser S., 2009. Nachbauprobleme im Schweizer Apfelanbau. Agrarforschung 16 (9), 366 – 370.

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K u r z b e r i c h t

Klimastrategie Landwirtschaft Martina Wiedemar und Daniel Felder, Bundesamt für Landwirtschaft BLW, 3003 Bern Auskünfte: Daniel Felder, E-Mail: daniel.felder@blw.admin.ch, Tel. +41 31 32 55099

Die Landwirtschaft als Akteurin und Betroffene des Klimawandels. (Foto: BLW)

Mit dem Ziel eine Gesamtsicht über die Beziehungen zwischen Klima und Landwirtschaft zu gewinnen, kommende Herausforderungen und Chancen durch den Klimawandel frühzeitig zu erkennen und daraus entsprechende Schritte ableiten zu können, wurde vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) unter breiter Mitwirkung eine Klimastrategie erarbeitet. Der Klimawandel wirkt sich auf der einen Seite direkt auf die Produktionsmöglichkeiten der Landwirtschaft aus, auf der anderen Seite trägt diese durch Emissionen von Treibhausgasen zur globalen Erwärmung bei.

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Agrarforschung Schweiz 2 (6): 280–283, 2011

Anpassung und Minderung der Treibhausgasemissionen als Herausforderungen Die Landwirtschaft ist durch die starke Witterungs­ abhängigkeit erheblich vom Klimawandel betroffen. Neben positiven Aspekten, die durch wärmere Temperaturen für die landwirtschaftliche Produktion erwartet werden, ist gemäss Beratendem Organ für Fragen der Klimaänderung mit zunehmenden Risiken durch Extrem­ ereignisse wie Hitze, Trockenheit und Starkniederschläge sowie einem höheren Schädlingsdruck zu rechnen (OcCC 2007). Durch die Klimaänderung werden sich zudem die Gunsträume für die landwirtschaftliche Produktion ver-


Klimastrategie Landwirtschaft | Kurzbericht

schieben und die erwarteten stärkeren meteo­rologischen Extremereignisse werden die Preisschwankungen auf den Agrarmärkten verstärken. Die Landwirtschaft kommt nicht darum herum, sich an den Klimawandel anzupassen. Um gravierende und irreversible Schäden zu vermeiden, ist gemäss wissenschaftlichem Beirat für Klimafragen der UNO, die Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur gegenüber vorindustrieller Zeit auf maximal 2°C zu begrenzen und bis 2050 eine Reduktion der globalen Treibhausgasemissionen um mehr als 85 Prozent gegenüber 1990 nötig (IPCC 2007). Im Rahmen einer Nachfolgeregelung für das Kyoto-Protokoll, das Ende 2012 ausläuft, hat sich die internationale Staatengemeinschaft zum 2°C-Ziel bekannt. Für die Erreichung dieses Ziels wird auch die Landwirtschaft eine Rolle spielen müssen. In der Schweiz trägt die Landwirtschaft gemäss Treibhausgas-Inventar mit einem Anteil von gut 10 Prozent zu den Gesamtemissionen bei (BAFU 2011). Während der Anteil fossiler CO2Emissionen der Landwirtschaft im Vergleich zu den meisten Wirtschaftssektoren gering ist, gilt die Landwirtschaft bezüglich Methan- und Lachgas-Emissionen als Hauptverursacherin. Im Zusammenhang mit der Ernährung (Produktion, Verarbeitung, Handel, Konsum, Entsorgung von Lebensmitteln) entstehen gemäss Kaenzig und Jolliet (2006) rund 16 Prozent der Treib­ hausgasemissionen der Schweiz.

Die Klimastrategie Landwirtschaft steht in engem Zusammenhang mit den nationalen klimapolitischen Aktivitäten. Einerseits ist die Revision des CO2-Gesetzes im Gange. Diese sieht eine Ausweitung des Geltungsbereichs auf alle Treibhausgasemissionen vor, das heisst auch auf die für die Landwirtschaft relevanten Gase Methan und Lachgas. Es wird auf die Klimastrategie Landwirtschaft und die mögliche Umsetzung von Massnahmen im Rahmen der Weiterentwicklung der Agrarpolitik verwiesen. Andererseits wird zur Anpassung an den Klimawandel sektorübergreifend eine Nationale Anpassungsstrategie erarbeitet. Diese stützt sich auf Teilstrategien relevanter Sektoren – die Landwirtschaft ist einer davon. Projekt mit breiter Beteiligung Vor diesem Hintergrund erteilte die Geschäftsleitung des BLW im Mai 2009 den Auftrag, eine Klimastrategie für die Schweizer Landwirtschaft zu erarbeiten. Der Beitrag der Landwirtschaft zur Klimaänderung, die Möglichkeiten und Grenzen zur Minderung der Treibhausgasemissionen sowie der Einfluss der schleichenden Klimaveränderung auf die Landwirtschaft und deren Anpassung sollten thematisiert werden. Die Klimastrategie legt den Fokus auf die Landwirtschaft, in Anlehnung an das Strategiepapier «Land- und Ernährungswirtschaft 2025» (BLW 2010) werden jedoch auch vorund nachgelagerte Bereiche inklusive der Konsum von Lebensmitteln einbezogen.

Durch die Klimaänderung werden sich die Gunsträume für die landwirtschaftliche Produktion verschieben. (Foto: BLW)

Agrarforschung Schweiz 2 (6): 280–283, 2011

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Relevante Bereiche

Kurzbericht | Klimastrategie Landwirtschaft

Treibhausgasemissionen nachgelagert

Landwirtschaft inklusiv Vorketten

Tierproduktion

Düngermanagement

Bodenbewirtschaftung

Energienutzung

Energieproduktion

Minderung und Anpassung Standorteignung

Starkniederschläge

Trockenheit

Hitzestress

Schadorganismen

Landwirtschaft inklusiv Vorketten

Verarbeitung Handel Konsum Entsorgung

Preisvolatilitäten

n a c h ge la ge rt

Auswirkungen des Klimawandels Abb. 1 | Relevante Bereiche der Minderung der Treibhausgasemissionen (Tierproduktion, Düngermanagement, Bodenbewirtschaftung, Energienutzung, Energieproduktion) und der Anpassung (Standorteignung, Starkniederschläge, Trockenheit, Hitzestress, Schadorganismen, Preisvolatilitäten) für die Landwirtschaft mit Einbezug des nachgelagerten Bereiches Klimastrategie Landwirtschaft | Grafiken 1 fed

Die Vielschichtigkeit der Thematik und die Anzahl betroffener Akteure machten eine breite Beteiligung an der Klimastrategie Landwirtschaft erforderlich. Aus diesem Grund wurde eine Projektoberleitung mit Vertretern aus Forschung (Bernard Lehmann Eidgenössische Technische Hochschule Zürich und Jürg Fuhrer Agroscope Reckenholz-Tänikon) und Verwaltung (Andrea Burkhardt Bundesamt für Umwelt BAFU sowie Dominique Kohli, Samuel Vogel und Markus Wildisen BLW), ein Projektteam mit Personen aus den Bundesämtern für Veterinärwesen (BVET), BAFU und BLW, sowie eine breite Begleitgruppe aus Verwaltung (Bund, Kantone), Forschung, Beratung und Verbänden gebildet. In einem ersten Schritt wurden Grundlagen zur Thematik Landwirtschaft und Klimawandel zusammengestellt sowie bezüglich Tierhaltung, Pflanzenbau, gesamtund überbetrieblichen Aspekten, Düngermanagement, Wasser und Energie Handlungsfelder mit möglichen Optionen zur Minderung der landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen und zur Anpassung an den Klimawandel definiert und beschrieben. Anschliessend ­wurden die Handlungsfelder nach den Kriterien Minderungspotenzial, Beitrag zur Anpassung, Nebeneffekte und Aufwand bewertet und die Resultate diskutiert und schliesslich Grundsätze und eine Vision konsolidiert. Der Austausch an zahlreichen gemeinsamen Sitzungen und Workshops sowie Feedback-Runden hatte den Einbezug unterschiedlichster Aspekte und Erkenntnisse in die Stra-

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Agrarforschung Schweiz 2 (6): 280–283, 2011

tegie ermöglicht. Die erarbeiteten Inhalte wurden schliesslich zu einer Strategie verdichtet. Vor der Publikation hatte das Plenum in einer letzten FeedbackRunde die Möglichkeit, zum Entwurf der Klimastrategie Stellung zu nehmen. Strategie und Folgearbeiten Die Klimastrategie Landwirtschaft zeigt Zusammenhänge zwischen Klima und Landwirtschaft auf und leitet relevante Bereiche bezüglich Minderung und Anpassung ab (siehe Abb. 1). Sie enthält allgemeine Grundsätze und erläutert die Vision des Strategiepapiers «Land- und Ernährungswirtschaft 2025» hinsichtlich Klima. Schliesslich wird im Oberziel die langfristige Vorgabe bezüglich Anpassung und Minderung gesetzt: «Die Schweizer Landwirtschaft passt sich vorausschauend an die Klimaveränderung an und kann dadurch sowohl die Produktion als auch die gemeinwirtschaftlichen Leistungen steigern. Sie nutzt die technischen, betrieblichen und organisatorischen Möglichkeiten zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen optimal und erreicht so eine Reduktion von mindestens einem Drittel bis 2050 im Vergleich zu 1990. Mit einer entsprechenden Entwicklung der Konsum- und Produktionsmuster wird in der Ernährung insgesamt eine Reduktion um zwei Drittel angestrebt.»


Klimastrategie Landwirtschaft | Kurzbericht

Das Oberziel nimmt die Notwendigkeit auf, die Treibhausgasemissionen substanziell zu reduzieren und gleichzeitig eine zunehmende Nachfrage nach Nahrungsmitteln zu decken. Es räumt der Ernährung einen höheren Stellenwert ein und trägt den Möglichkeiten und Voraussetzungen der Landwirtschaft Rechnung. Zudem berücksichtigt das Ziel die Abhängigkeit zwischen der landwirtschaftlichen Produktion und dem Nahrungsmittelkonsum. Das Oberziel wird auf Teilziele zu jedem relevanten Bereich herunter gebrochen. Im Sinne einer gesamtheitlichen Betrachtung wird auch der wichtige nachgelagerte Bereich (Verarbeitung, Handel, Konsum, Entsorgung) aufgeführt. Ansatzpunkte, die zur Erreichung der Teilziele beitragen können, werden in den Handlungsfeldern beschrieben. Es zeigt sich, dass mehrere Handlungsfelder jeweils ein Teilziel unterstützen, aber auch dass zwischen den Handlungsfeldern starke Verbindungen bestehen. Die Auswirkungen sind abhängig von den gewählten Optionen innerhalb der Handlungsfelder. Viele der genannten Handlungsfelder und -optionen weisen aus gesamtgesellschaftlicher Sicht eine hohe Zielkongruenz auf zur nachhaltigen Ressourcennutzung (z.B. Boden- und Gewässerschutz, Luftreinhaltung) und Resilienz (z.B. vorbeugender Hochwasserschutz, Biodiversität). Es wird darauf hingewiesen, wie mögliche Synergien genutzt und Konflikte gelöst werden können.

Schliesslich wird der Rahmen für die Umsetzung der Strategie skizziert. Die Folgearbeiten stehen unter den Aspekten: Verbessern der Rahmenbedingungen, Ausbau der Wissensbasis und Lancieren eines Beteiligungsprozesses. So wird es darum gehen, bei der Überprüfung von Instrumenten des BLW die Erkenntnisse aus der Klimastrategie zu berücksichtigen, der Thematik in der Forschung mehr Gewicht zu geben oder Projekte der Praxis zu begleiten. Die in der Agrarpolitik 2014 – 17 vorgeschlagenen Massnahmen (Produktionssystembeiträge zur Förderung besonders naturnaher, umwelt- und tierfreundlicher Produktionsformen, Ressourceneffizienzbeiträge, Weiterführung der Ressourcenprogramme etc.) schaffen gute Voraussetzungen bezüglich der in der Klimastrategie formulierten Ziele. Es wird sich in der Umsetzung zeigen, was in einer nächsten Etappe aufgenommen bzw. angepasst werden soll. Die Klimastrategie Landwirtschaft kann von www.blw. admin.ch >Themen >Nachhaltigkeit >Ökologie >Klima n heruntergeladen werden.

Literatur ▪▪ BAFU 2011. Switzerland's Greenhouse Gas Inventory 1990 – 2009. National Inventory Report 2009. Submission of 15 April 2011 under the United Nations Framework on Climate Change and under the Kyoto Protocol. ▪▪ BLW 2010. Land- und Ernährungswirtschaft 2025. Diskussionspapier des Bundesamtes für Landwirtschaft zur strategischen Ausrichtung der ­A grarpolitik. Zugang: http://www.blw.admin.ch/themen/00005/01170/ index.html?lang=de [28.3.2011]. ▪▪ Kaenzig J. & Jolliet O. 2006. Umweltbewusster Konsum: Schlüsselentscheide, Akteure und Konsummodelle. Umwelt-Wissen Nr. 0616. Bundesamt für Umwelt (BAFU), Bern, 113 S. ▪▪ IPCC 2007. Climate Change 2007: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fourth Assessment Report of the ­I ntergovernmental Panel on Climate Change. Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA, 996 S. ▪▪ OcCC 2007. Klimaänderung und die Schweiz 2050. Erwartete Auswirkungen auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft, Bern, 168 S.

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K u r z b e r i c h t

Forschung und Beratung für Frauen in der Landwirtschaft Ruth Rossier1, Rita Helfenberger2 1 Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8356 Ettenhausen 2 Agridea, 8315 Lindau Auskünfte: Ruth Rossier, E-Mail: ruth.rossier@art.admin.ch, Tel. +41 52 368 32 33

Abb. 1 | Diese vier Frauen organisierten die Tagung «Frauen in der Landwirtschaft»: (v.r.n.l.) Ruth Rossier (ART), Rita Helfenberger (AGRIDEA), Elisabeth Bäschlin (GIUB) und Sandra Contzen (SHL). (Foto: Daniela Clemenz, UFA-Revue)

Frauen in der Landwirtschaft – Aktuelle Debatten aus Wissenschaft und Praxis: Zu diesem Thema fand vom 27. bis 29. Januar 2011 eine internationale Tagung am Geografischen Institut der Universität Bern statt. 150 Frauen aus dem deutschsprachigen Raum (CH, D, A und Südtirol) nahmen daran teil. Interessante Beiträge zu geschlechtsspezifischen, arbeitswirtschaftlichen, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Aspekten wurden diskutiert und der Forschungs- und Beratungsbedarf aus Sicht der Praxis aufgezeigt. Zwei Fachexkursionen auf Höfe zweier Betriebsleiterinnen im Berner Seeland zeigten, dass Frauen ein landwirtschaftliches Unternehmen erfolgreich leiten, wenn sie bei Haushalt und Kinderbetreuung von Partner und Eltern unterstützt werden.

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Agrarforschung Schweiz 2 (6): 284–287, 2011

Die Frauen in der Landwirtschaft bilden heute eine heterogene Gruppe. Dabei stellen Bäuerinnen die Mehrheit der Frauen in der Landwirtschaft dar, sei es als Mitarbeiterin und Partnerin auf dem Betrieb, als Unternehmerin oder als Ehefrau eines Bauern. Eine Minderheit von Frauen in der Landwirtschaft sind Betriebsleiterinnen und Landwirtinnen. Frauen kommen mehrheitlich durch die Heirat mit einem Hofnachfolger mit der Landwirtschaft in Berührung. Die Frauenbewegung und ihr Kampf für eine so­ziale, politische und wirtschaftliche Gleichstellung der Geschlechter beeinflusste auch das Leben der Frauen auf den bäuerlichen Familienbetrieben, was das Rollen- und Berufsbild der Bäuerinnen angeht. Doch der Zugang der Frauen zum «väterlichen»


Forschung und Beratung für Frauen in der Landwirtschaft | Kurzbericht

Hof ist den meisten Frauen nach wie vor verwehrt (Ruth Rossier Forschungsanstalt ART Schweiz). Andrea Heistinger, Beraterin aus Niederösterreich wiederum stellt fest, dass durch mehr Verantwortung und den gleichbleibenden traditionellen Aufgabenbereichen die Arbeitsbelastung der Frauen in der Landwirtschaft steigt. Durch die enge Bindung an den Hof ist die Situation der eingeheirateten Frauen oft schwieriger als jene der Männer. Problematisch ist, besonders für Frauen, die Rollenerwartung auf dem Hof, die finanzielle Abhängigkeit wie auch die Pflege von Familienangehörigen. Die Entwicklung zur Individualisierung der Frauen im Agrarsektor ist sowohl in der Schweiz, in Deutschland wie auch in Österreich zu beobachten. Längst nicht mehr alle Frauen in der Landwirtschaft bezeichnen sich als Bäuerin, sondern auch als Landwirtin, Landfrau oder als Unternehmerin. Eingeheiratete Frauen wollen oft weiterhin in ihrem erlernten Beruf tätig bleiben. Der Druck auf die Einkommen besteht weiter und somit geht auch die Diversifizierung der Bäuerinnenrolle weiter (Ruth Streit, Präsidentin des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbandes SBLV). Das Leben auf dem Bauernhof ist im Umbruch. Die «schwere Arbeit» in der Landwirtschaft ist zwar leichter geworden, dafür nahm aber der Arbeitsdruck zu (Andrea Schwarzmann, Bundesbäuerin). Die bisher gelebte ständige Verfügbarkeit der Frauen und Männer auf dem Hof ist nicht mehr gewährleistet. Oft sind Haus und Hof tagsüber verwaist (Paula Weinberger-Miller, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft). Genauso vielfältig wie die Lebenssituationen sind, erweisen sich denn auch die Strategien, die von den Frauen in der Landwirtschaft eingesetzt werden, um die nötigen Freiräume zur Gestaltung von Freizeit und Ferien zu erreichen (Elisabeth Bäschlin, Geografisches Institut der Universität Bern). Die Frage von Status und Identität Im Beitrag von Theresia Oedl-Wieser von der Bundesanstalt für Bergbauernfragen in Wien ging es um die Identität von österreichischen Betriebsleiterinnen und um die Frage, inwieweit unter den gegebenen heutigen wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen in der kleinstrukturierten und nebenerwerbsbetonten österreichischen Familienwirtschaft die Übernahme der Betriebsleitung durch Frauen begünstigt wird. Sie hat untersucht, ob es sich dabei um eine blosse De-jureÜbernahme der Betriebsleitung handelt, oder ob auch eine De-facto-Ausübung dieser Funktion erfolgt. In Österreich hat der Frauenanteil bei den Betriebsleiterinnen nämlich in den letzten zehn Jahren enorm zugenommen und beträgt heute 39 % (2009 führten in der Schweiz 2,5 % Frauen einen Betrieb im Vollerwerb und 8,5 % im Nebenerwerb). Ihre empirische Forschung zeigt

fünf Kategorien von Betriebsleiterinnen auf, wobei aber nur eine von fünf Kategorien das Kriterium «Betriebsleiterinnen, die den Betrieb selbständig leiten, ihn weiterentwickeln und neue Akzente und Innovationen setzen» erfüllen. Diese Frauen in der Landwirtschaft können auch ganz eindeutig eine Identität als landwirtschaftliche Betriebsleiterinnen aufbauen. Die Frauen der anderen vier Kategorien von Betriebsleiterinnen erfüllen diese Kriterien nicht oder nur teilweise. Auf den Betrieben der Kategorie 1 «Betriebsleiterinnen, die primär ihre Aufgabe in der Versorgungsarbeit sehen» besteht die traditionelle Arbeitsteilung eines bäuerlichen Familienbetriebs, bei der die Frau für die Versorgungsarbeit verantwortlich ist, Stallarbeit leistet, gelegentlich aber auch in der Aussenwirtschaft mitarbeitet. Diese Befragten übernehmen die Betriebsleitung vor allem aus pensions- und sozialrechtlichen Gründen. Die Betriebsleiterinnen der Kategorie 2 «Betriebsleiterinnen, die regelmässig im Stall und in der Aussenwirtschaft arbeiten, aber nicht die eigentliche Betriebsleitung innehaben» sind nicht nur in der Versorgungsarbeit, sondern auch in der produktiven Arbeit auf dem Betrieb sehr stark involviert oder betreiben einen eigenen Betriebszweig. Trotzdem bilden die Befragten in dieser Kategorie keine dezidierte Identität als landwirtschaftliche Betriebsleiterin aus. In die Kategorie 3 «Betriebsleiterinnen, die zwar die Leitung innehaben, jedoch keine Ambitionen zur Weiterentwicklung des Betriebs zeigen» fallen jene Befragte, die zwar zum Teil schon über einen längeren Zeitraum die Betriebsleitung inne haben, aber aufgrund der eingeschränkten betrieblichen Ausstattung wenig Perspektiven sehen, den Betrieb weiterzuentwickeln. Auch sie haben keine spezifische Identität als Betriebsleiterin ausgebildet, sehen es jedoch als Ziel an, dass ihr, wenn auch kleiner Betrieb, in Zukunft weiterbewirtschaftet wird. In der Kategorie 4 «Betriebsleiterinnen, die gemeinsam mit ihrem Partner den Betrieb weiterentwickeln» werden jene Befragten zusammengefasst, die in Kooperation mit ihrem Partner den landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaften und durch kontinuierliche Veränderungen und Investitionen weiterentwickeln. Wenn gleich ins betriebliche Geschehen sehr stark eingebunden, so steht die gemeinsame Arbeit und Entscheidungsfindung mit dem Partner im Vordergrund, eine dezidierte Identität als Betriebsleiterin wurde aber auch hier nicht ausgebildet. In diesen vier Kategorien lässt sich feststellen, dass die Befragten in vielen Fällen die Betriebsleitung aus sozial- und pensionsrechtlichen Gründen übernommen haben. Die fünfte Kategorie bilden jene Betriebsleiterinnen, die den Betrieb selbständig leiten, ihn weiterentwickeln und neue Akzente und Innovationen setzen. Für die Wissenschaftlerin Simone Helmle von der

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Kurzbericht | Forschung und Beratung für Frauen in der Landwirtschaft

Universität Hohenheim in Stuttgart identifizieren sich jene Frauen in der Landwirtschaft als Unternehmerinnen, die einen Teil des Betriebs eigenverantwortlich vertreten. Es sind Frauen mit einer nichtlandwirtschaftlichen Ausbildung, die oft erst nach der Geburt des ersten oder zweiten Kindes in die Landwirtschaft einsteigen. In Deutschland repräsentieren Frauen in der Landwirtschaft heute nur noch einen sehr kleinen Anteil der Frauen im ländlichen Raum. Ausnahmen bilden Orte, in denen die Landwirtschaft durch arbeitsintensive Sonderkulturen (Wein, Obst, Spargel) oder durch den Landtourismus stärker präsent ist und saisonal Arbeitsplätze anbietet. Einerseits stellen Frauen soziale Strukturen und die Verhältnisse der Geschlechter in Frage und beschreiten eigene, selbstbewusste Wege, gleichzeitig jedoch helfen sie mit, die Stellung der Geschlechter zueinander aufrechtzuerhalten. Sind Frauen in der Landwirtschaft zum Beispiel selbst erfolgreich, dann stellen sie dies bescheiden als Familien- respektive Partnerschaftsleistung dar. Das Selbstkonzept von Südtiroler Bäuerinnen wurde von Forschenden der Universität Innsbruck und der Universität für Bodenkultur Wien untersucht (Anja Matscher, Manuela Larcher, Stefan Vogel). Mittels Faktoranalyse bündelten sie Einstellungsstatements zu sechs Faktoren, die das Selbstkonzept von Bäuerinnen ausmachen: ••Der Beruf Bäuerin bedeutet Verzicht und Abhängigkeit und ist geprägt von körperlicher und psychischer Belastung. ••Der Stellenwert der Bäuerin ist insgesamt hoch, sie ist stolz auf den schönen und selbstständigen Beruf, mit vielen geschätzten Eigenschaften. ••Der Platz der Bäuerin ist im Haushalt und in der Landwirtschaft und nicht im ausserbetrieblichen Erwerb. ••Entscheidungen zu treffen ist gemeinschaftliche Aufgabe von Bauer und Bäuerin. ••Die Bäuerin ist durch Beschiedenheit, Anpassung und geringe persönliche Ansprüche gekennzeichnet. ••Die Bäuerin ist modern und selbstbewusst, sie erwartet sich in Partnerschaft und Gesellschaft Anerkennung. Der Lebenslauf und die Karriere von Schweizer Bäuerinnen wurde von der japanischen Familiensoziologin Yukiko Otomo von der Jumonji Universität und Ruth Rossier von der Forschungsanstalt Agroscope ReckenholzTänikon ART anhand der Biographien und von einschneidenden Ereignissen wie Schulabschluss, Berufsbildung, Heirat oder Geburt eines Kindes hinsichtlich der beruflichen Karrieremöglichkeiten von Frauen in landwirtschaftlichen Haushalten analysiert. Bekanntlich beinhalten weibliche Biographien oft eine familiäre und eine berufliche Laufbahn. Aufgrund der beruflichen Tätigkei-

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Abb. 2 | 150 Frauen aus Wissenschaft, Beratung und Praxis des deutschsprachigen Raums diskutierten die Lage der Frauen in der Landwirtschaft. (Foto: Elisabeth Bäschlin, GIUB)

ten der Frauen vor und nach der Familiengründung konnten drei Muster identifiziert werden. Das landwirtschaftliche/landwirtschaftliche Muster zeigt sich insbesondere bei Frauen, die in den 1950er Jahren geboren wurden. Das sind Bauerntöchter, die stets auf dem elterlichen Hof geholfen, nach der Schule eine bäuerliche Haushaltlehre absolviert und ständig in der Landwirtschaft und im Haushalt beschäftigt waren, aber keine Erfahrung in der Betriebsführung machen konnten. Nach der Heirat beschränkten sich diese Frauen darauf, ihren Ehemann bei der Leitung ihres Betriebs zu unterstützen. Das nichtlandwirtschaftliche/landwirtschaftliche Muster ist typisch für Frauen, die in den 1960er Jahren geboren sind. Sie haben vor oder nach der Heirat eine Berufsbildung zur Bäuerin absolviert, um das Haushaltmanagements im bäuerlichen Familienbetrieb zu professionalisieren und um die Kompetenzen in einzelnen Betriebszweigen zu festigen. Diese Frauen nutzen oft ihre erlernten Fähigkeiten im nichtlandwirtschaftlichen Erstberuf für neue Aktivitäten auf dem Hof. Mit zunehmender Berufstätigkeit der Frauen im Allgemeinen und der Einkommenssituation der Landwirtschaft im Besonderen gewinnt in Zukunft wohl das nichtlandwirtschaftliche/nichtlandwirtschaftliche Karrieremuster von Frauen auf den Bauernhöfen vermehrt an Bedeutung. Die Frage von Erwerbsstrategien Mathilde Schmitt von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Innsbruck stellt fest, dass angesichts der zunehmenden Ungewissheiten in einer globalisierten Ökonomie die Erwerbskombinationen für Familien im ländlichen Raum an Attraktivität gewinnen. Unter dem wachsenden Einfluss (agrar-)politischer Entscheidungen ist eine Abkehr von der Produktionsorientierung hin zur «Ländlichen Entwicklung» mit einer Betonung


Forschung und Beratung für Frauen in der Landwirtschaft | Kurzbericht

und Aufwertung der Multifunktionalität der Landwirtschaft erfolgt. Den Frauen kommt in den Betrieben dabei eine grössere Aufmerksamkeit zu. Die Unsichtbarkeit der Frauen in der Agrarpolitik und Agrarwissenschaft ist einer Thematisierung auf vielen Ebenen gewichen. Eine gute Schul- und Berufsausbildung ist inzwischen auch für Mädchen selbstverständlich. Aber für Frauen im ländlichen Raum scheint es besonders schwierig, Wünsche und Ansprüche zu verwirklichen, die von den üblichen Rollen abweichen. Unter Umständen gewinnt ein Hof mit seinen Möglichkeiten zu landwirtschaftlichen als auch landwirtschaftsnahen Erwerbsaktivitäten an Bedeutung. Bäuerliche Familienbetriebe folgen nicht selbstverständlich dem Motto von Wachsen oder Weichen, sondern entwickeln durch eine grosse Wandlungsfähigkeit eine enorme Vielfalt an Betriebsformen. Im Privaten gilt es passende Strategien im Umgang mit der neuen «Unordnung» der Geschlechterverhältnisse zu entwickeln und tragfähige Lösungen für alle Beteiligten zu finden. Auf dem Arbeitsmarkt ist es insbesondere für gut ausgebildete Frauen schwierig, passende Erwerbsmöglichkeiten in angemessener Entfernung zum ländlichen Lebensort zu finden. Auch ist die politische Stimme der Frauen in der Landwirtschaft noch ausbaufähig. Maria Siller von der Universität Salzburg identifiziert Bäuerinnen als gute Managerinnen auf den Höfen. Von Aussen betrachtet stellt sich ein bäuerlicher Betrieb als klassisches Familienunternehmen dar, das Erwerbsarbeit inner- und ausserhalb des Betriebs, die Subsistenzwirtschaft und die Koordination von Familie und Haushalt integrieren muss. Stärker als in anderen Familienunternehmen ist die Rolle der Frau jedoch definiert. Was den Organisationsablauf innerhalb der Bauernfamilie angeht, so ist eine traditionelle Handhabung deutlich zu erkennen. Bäuerliche Familien sind durch eine starke Rollenteilung zwischen Mann und Frau gekennzeichnet. Fortschritte technischen Ursprungs oder Diversifikation tragen nicht wesentlich zur Lockerung des traditionellen Rollenbildes bei. Die hauptsächlichen Zuständigkeitsbereiche der Frauen sind Haushalt, Kindererziehung und Stallarbeit, diejenigen der Männer sind fast nur nichthäusliche Arbeiten. Siller weist darauf hin, dass die Kombination und Verknüpfung von Wohn- und Arbeitsraum, wie dies auf bäuerlichen Betrieben ja meist der Fall ist, eine grössere Gefahr der psychischen Belastung mit sich bringt als bei ihrer räumlichen Trennung. So werden zum Beispiel Probleme stets von einem Lebensmittelpunkt in den anderen mitgetragen und können nie «zurückgelassen» werden. Dieser Umstand führt jedoch nicht zu einer Distanzierung, sondern im Gegenteil zu einer auffallend starken Identifikation dieser Frauen mit ihrem Beruf als Bäuerin. Dies könnte darauf zurückzu-

führen sein, dass der Beruf Bäuerin mit einer besonderen «Berufung» verbunden wird oder die Idealisierung des Berufs nur eine Bewältigungsstrategie darstellt. Laut einer Schweizer Studie von Sandra Contzen ­Berner Fachhochschule (Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft SHL) nehmen Bäuerinnen eine zentrale Rolle bei der Bewältigung von Existenznöten ein. Sie eruiert zwei Muster, weshalb Betriebe bzw. landwirtschaftliche Haushalte in Existenznot geraten: «Sei es, weil die Produktions- und Lebenshaltungskosten bei gleichbleibendem Einkommen gestiegen sind, oder sei es wegen eines einschneidenden Ereignisses wie Unfall, schwere Erkrankung oder Todesfall in der Familie.» Drei Strategien seien aus Sicht der Frauen möglich, hält Contzen fest. Es erfolgt eine Übernahme von Eigenverantwortung um des Betriebs und der Landwirtschaft willen und es wird alles auf sich genommen, um sich selber aus der Notlage zu bringen. Oder es wird versucht, als helfende Bäuerin subtil Einfluss auf das Betriebsgeschehen zu nehmen. Oder es wird der Weg der gemeinsamen Entscheidungen auf dem Betrieb gewählt, was nichts daran ändert, dass die Frau für Haushalt und Kinder zuständig ist. Spezifische Anliegen an die Forschung ••Allgemeines: Forschung ist weiterhin nötig und erwünscht, sie regt die Diskussion an. ••Nebst Zustandsbeschreibungen wären Begründungen, Erklärungen und Schlussfolgerungen / Lösungsvorschläge für die Zukunft wünschenswert. ••Konkrete Themenwünsche: Selbstbild und Selbstbewusstsein von Frauen in der Landwirtschaft; Rollenentwicklungen und alternative Lebensformen in der Landwirtschaft; Soziale Fragen in der Landwirtschaft; Solidarität in der Landwirtschaft; Entwicklung der n Landwirtschaft – Wert der Nahrungsmittel.

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Problemorientierte Systemforschung – ein Blick auf Agroscope Paul Steffen, Direktor Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, 8046 Zürich Auskünfte: Paul Steffen, E-Mail: paul.steffen@art.admin.ch, Tel. +41 44 377 72 70

disziplinären Ansatz gefunden. Das heisst, die Forschung muss ihre Zusammenarbeit über die rein wissenschaftliche Arbeit hinaus bis hin zu verschiedenen Stakeholdern ausdehnen, um zur angestrebten Lösung des Problems zu gelangen. Fragestellungen komplexer Art benötigen multi- bis transdisziplinäre Ansätze und sehr oft ein Systemdenken. Mit dem systemtheoretischen Forschungsansatz tritt die ganzheitliche oder die Systembetrachtung in den Vordergrund und die Zusammenarbeit der Einzeldisziplinen sowie der Einbezug der Kunden werden gefördert.

Erhalt, Pflege und Bewirtschaftung alpiner Landschaften verlangt einen problemorientierten und systemischen Forschungsansatz – oft über die Fachgebiete einzelner Wissenschaftsdisziplinen hinweg. Forschungsverbünde wie Agrimontana und AlpFutur koordinieren diese Forschungsarbeiten. (Foto: ART)

Hinter abstrakten Namen von Forschungsprojekten wie AgriMontana, AlpFUTUR, Fusaprog, ProfiLait, AgrarUmwelt-Monitoring stehen ganz konkrete Beispiele der aktuellen landwirtschaftlichen Forschung von Agroscope. Sie zeigen im Einzelnen, dass der Ansatz der problemorientierten Systemforschung von Agroscope einen Mehrwert für Forschung, Gesellschaft, Politik, Verwaltung und die landwirtschaftliche Praxis schafft. Neue Erkenntnis der Forschung setzt sich einfacher durch, wenn sie einem Kundenbedürfnis entspricht. Insofern ist es richtig, dass die aktuelle agrarwissenschaftliche Forschung von Agroscope hauptsächlich problemorientiert forscht. Doch gerade in der landwirtschaftlichen Forschung, wo biologische Systeme im Mittelpunkt stehen, beschränken sich Probleme und Fragestellungen selten auf eine einzelne Forschungsdisziplin. Somit sind Lösungen oft nur dort zu finden, wo mehrere Fachdisziplinen zusammenarbeiten, also im interdisziplinären Ansatz. Kommen noch die Interessen von Kunden und Nutzern hinzu, dann werden Lösungen eher im trans-

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Das Problem definiert die Systemgrenze Gerade problemorientierte und praxisrelevante Forschung ist im Kern stets Disziplinen übergreifend, da wichtige Probleme der realen Welt immer Aspekte enthalten, welche die Grenzen der Einzelwissenschaft überschreiten. Je nach Problemstellung sind in der problemorientierten, agrarwissenschaftlichen Forschung somit die Grenzen des Systems sehr unterschiedlich und bezogen auf die Fragestellung sinnvoll zu wählen. Nur so ist gewährleistet, dass der Forschung aber auch der Anwendung der grösstmögliche Erkenntnisgewinn entsteht. Ausserdem kann die problemorientierte Grundlagenforschung einer Fachrichtung die Forschung eines anderen Gebiets weitertreiben. Damit entsteht gerade bei der problemorientierten Systemforschung ein Umfeld, das Innovation begünstigt. Der problemorientierte, systemtheoretische Forschungsansatz ist im Rahmen von Forschungsprogrammen am besten erreichbar. Da die drei Forschungsanstalten von Agroscope alle landwirtschaftlich relevanten Kompetenzen auf sich vereinen, führt Agroscope in zentralen Fragen der Agrarforschung, insbesondere was aktuelle und gesellschaftlich relevante Fragestellungen angeht, koordinierte Forschungsaktivitäten im Verbund durch. Diese Programme sind auf den Leistungsauftrag1 von Agroscope abgestimmt.

Forschungskonzept Agroscope 2008−2011, 2007. Hrsg. Agroscope und BLW, Zürich.

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Problemorientierte Systemforschung – ein Blick auf Agroscope | Kurzbericht

Problemorientierte Systemforschung prägt Agroscope Disziplinen übergreifend entstanden so drei Forschungsprogramme, die Agroscope bereits im Rahmen des Arbeitsprogramms 2008 bis 2011 Fach und Standort übergreifend durchführte und im kommenden Arbeitsprogramm 2012 bis 2013 fortsetzen wird. Es sind dies die Programme AgriMontana, NutriScope und ProfiCrops. Im Vordergrund der drei Forschungsprogramme stehen Fragestellungen zur Sicherung der Zukunft des Schweizer Pflanzenbaus unter weitgehend liberalisierten Marktbedingungen (ProfiCrops), zu Produktqualität und -sicherheit, Gesundheit und Ernährung (NutriScope) sowie zum Beitrag der Landwirtschaft zur nachhaltigen Entwicklung von Berggebieten (AgriMontana). Neben den Forschungsgruppen von Agroscope beteiligen sich auch externe Partner aktiv an den Programmen und je nach Projekt und Fragestellung werden ausländische Forschungsinstitutionen beigezogen. Charakteristische Merkmale der Agroscope-Forschungsprogramme sind ihre klar definierten Zielsetzungen, ihre interdisziplinäre Ausrichtung und die Zusammenarbeit mit Anspruchsgruppen, welche die Forschungsresultate direkt nutzen. Keine Schweiz ohne Berggebiete Das Programm AgriMontana beispielsweise orientiert sich an der Leitidee, dass sich Bergebiete nachhaltig entwickeln und den Ansprüchen der lokalen Bevölkerung und der übrigen Gesellschaft umfassend gerecht werden können. Damit dies auch in Zukunft möglich sein wird und die Berggebiete der Schweiz eine wertvolle Landschaft für die Allgemeinheit bleiben, sollen Handlungsgrundlagen und Politikmassnahmen erarbeitet werden. Das Forschungsprogramm AgriMontana untersucht dazu die ökonomischen, sozialen und ökologischen Auswirkungen unterschiedlicher Nutzungssysteme in Berggebieten. Im Sinne der Politikberatung leistet das Programm einen Beitrag zu einer koordinierten Regional- und Sektoralpolitik mit Best-Policies als Output. Damit sollen Entscheidungshilfen für regionale Akteure und für eine Politik entwickelt werden, die eine nachhaltige Entwicklung der Schweizer Berggebiete sichert. Der Ansatz des Projekts umschreibt präzise die problemorientierte Systemforschung. Wesentlich sind dabei drei Elemente: Eine Frage- oder Problemstellung der Schweizer Landwirtschaft, Grundlagenforschung, oft mit internationaler Strahlkraft, sowie ein intensiver Wissensund Know-How-Transfer. Dieser Forschungsansatz, der über die Systemgrenzen des einzelnen Forschungsgebietes hinaus Verknüpfungen schafft, generiert für Agroscope oft nützliche Kontakte zu nationalen und internati-

onalen Netzwerken, erlaubt eine optimierte Nutzung von Forschungsgeldern und generiert vermehrt Drittmittel. Es lebe die Landwirtschaft! Aber auch im Flachland verändert sich die Landschaft: Periphere Besiedelung, Verstädterung, Direktzahlungen, Landschaftspflege, Ökologie, Biodiversität und Landwirtschaftliches Einkommen, alles Stichworte, welche die Schweizer Bevölkerung kennt. Hinter jedem Begriff verbergen sich komplexe Systeme. Will man durch politische Entscheide an einem Rad drehen – so geschehen bei der Umwandlung von Subventionen in Direktzahlungen – ist es hilfreich, die Auswirkungen so genau wie möglich vorhersagen zu können. Oft sind es jahrelang erfasste Datenreihen und kontinuierlich bearbeitete Forschungsthemen, die es Agroscope und damit dem ihm übergeordneten Bundesamt für Landwirtschaft BLW erlauben, bei Bedarf Politikberatung zu machen. Die Zukunft eines Achtels der Schweiz Neben den drei Forschungsprogrammen ist Agroscope noch in weitere Forschungsprojekte eingebunden, in dem gleich mehrere Ansprechgruppen und Forschungsinstitutionen sich einem Problem widmen und Lösungen erarbeiten. Bleiben wir nochmals bei den alpinen Gebieten. Auf Grund von Entwicklungen im näher gelegenen Ausland aber auch in den Randgebieten der Schweiz ist absehbar, dass sich auch hiesige Steuerzahlende in absehbarer Zeit mit der Zukunft von Sömmerungsgebieten werden beschäftigen müssen. Sömmerungsgebiete sind vorwiegend Alpweiden, die ausschliesslich im Sommer mit Tieren bestossen werden. Es sind typischerweise Gebiete mit hoher Biodiversität und altüberlieferten alpwirtschaftlichen Nutzungspraktiken. Sie dienen der Erholung, dem Tourismus, können vor Naturgefahren schützen und verkörpern Schweizer Selbstverständnis. Doch wie sieht in Zukunft die Nutzung, die Natur, die Besiedelung auf einem Achtel der Schweizer Landesfläche aus? Was geschieht mit diesen Alpgebieten und den dort angesiedelten Arbeitsplätzen in der Zukunft? Ist es im Sinne der Öffentlichkeit, diese Flächen weiterhin zu nutzen oder soll man sie der Vergandung überlassen, wie dies beispielsweise in Norditalien bereits grossflächig geschieht? Welche Auswirkungen hat dies auf die Schweizer Tourismusindustrie, die übrige Wirtschaft und die Infrastruktur in Gebieten wie dem Oberwallis, dem Diemtigtal, dem Unterengadin oder in Obwalden? Dank Forschungskoordination Zukunftsperspektiven Diesen konkreten Fragen ist das Forschungsprojekt AlpFUTUR gewidmet. Auch dies ein Forschungsprojekt, das im Verbund mit zahlreichen Institutionen angelegt ist, 

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und zeigt, welche Bedeutung der Politikberatung im Bereich Landwirtschaft zukommt. Übergeordnete Zielsetzung von AlpFUTUR ist es, für einen mittleren Zeithorizont von zehn bis 40 Jahren, Perspektiven für die zukünftige Nutzung des Schweizer Sömmerungsgebietes aufzuzeigen. Das Projekt beurteilt den politischen Handlungsbedarf und diskutiert Handlungsoptionen. Auch hier ist die Systemforschung nicht wegzudenken, denn die Ökologie ist als Forschungsgebiet von diesen Fragestellungen genauso betroffen wie die Agronomie, die Ökonomie und die Sozialwissenschaften. Deshalb werden in AlpFUTUR die einzelnen Fragen in 15 aufeinander abgestimmten Teilprojekten interdisziplinär angegangen.2 Forschungsprogramme sind keine Selbstläufer Bei Projekten der Verbundforschung müssen allerdings die gemeinsamen Fragestellungen und Ziele der beteiligten Partner präzise festgelegt sein. Ferner sind eine Auswahl geeigneter Fachpersonen und eine Teamentwicklung unerlässlich. Denn der Erfolg eines Forschungsprogramms steht und fällt mit der Motivation der ­Forschenden, sich konstruktiv einzubringen. Motivationstreiber sind die wissenschaftliche Neugier, die Überzeugung einen nutzbringenden Beitrag leisten zu können und die Aussicht auf Forschungsgelder. Die «Chemie» zwischen den Mitgliedern des Forschungsprogramms muss stimmen. Voraussetzung dafür sind unter anderem eine gemeinsame Sprache und ein Vertrauensverhältnis unter den Beteiligten, welches erlaubt, Daten auszutauschen und gemeinsam zu publizieren. Die Komplexität der Verbundforschung zeigt sich auch, wenn es darum geht, wer den Lead hat in der internen und externen Kommunikation, bei der Arbeitsorganisation und auch bei der Zuständigkeit der Finanzierung. Die Aufteilung der Forschungsbeiträge wird in jedem Projekt abgestimmt und auch die Prozesse der Konsensbildung und der Integration der Forschungsresultate sind keine Selbstläufer. Im Projekt AlpFUTUR beispielsweise werden diese Anliegen zentral von Agroscope und der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL koordiniert. Der problemlösungsorientierte, transdisziplinäre Ansatz ist bei AlpFUTUR deutlich zu erkennen, indem es Anliegen aus der Praxis aufnimmt, die in Gesprächen beispielsweise mit Vertreterinnen und Vertretern der Land- und Alpwirtschaft, der Kantone, Bundesämter erfragt wurden. Regelmässige Koordinations­

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Nähere Informationen siehe auch www.alpfutur.ch

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treffen und eine begleitende Gruppe von Expertinnen und Experten stellen zudem sicher, dass dieses Projekt möglichst konkrete Lösungen für die verschiedenen Anspruchsgruppen bringt. Mit diesem Vorgehen hat AlpFUTUR allerdings hohe Erwartungen geweckt! Nun müssen substanzielle Ergebnisse erarbeitet und insbesondere auch zielgruppengerecht kommuniziert werden. Wanted: Fusarien! Die problemlösungsorientierte Systemforschung zeichnet sich ausserdem dadurch aus, dass sie hochspezialisierte Grundlagenforschung für den direkten praktischen Nutzen in der landwirtschaftlichen Praxis umzusetzen weiss. Besonders eindrücklich zeigt dies Agroscope im Bereich der Fusarienforschung. Schimmelpilze der Gattung Fusarium gehören weltweit zu den wichtigsten Schadpilzen in Getreide und Mais. Gleichzeitig sind Fusarien eines der grossen ungelösten Probleme der Landwirtschaft. Sie führen zu Ertragseinbussen, Qualitätsverlust und vermindern die Keimfähigkeit des Saatgutes. Ihre giftigen Stoffwechselprodukte, sogenannte Mykotoxine, belasten das Erntegut und können die Gesundheit von Mensch und Tier gefährden. In Nordamerika betrug Ende der 1990er Jahre der durch diese Art von Schimmelpilzen verursachte jährliche Verlust bei Weizen und Gerste rund eine Milliarde US Dollar. Für Europa gibt es bislang keine Angaben darüber, weil entsprechende Untersuchungen fehlen. Erstaunlich ist die grosse Vielfalt der Fusarien, die bei uns im Getreide anzutreffen sind, wie die aktuelle Forschung an Agroscope zeigte. Allein auf Mais sind bis heute in der Schweiz 16 verschiedene Arten bekannt. Gleichzeitig erschwert diese Vielfalt ihre Bekämpfung enorm. FusaProg – ein Codewort mit Nutzen Mehrjährige Feldstudien von Agroscope in Zusammenarbeit mit dem Kanton Aargau konnten darlegen, dass Fusarium graminearum in der Schweiz die häufigste Fusariumart auf Weizen ist. Sie produziert vor allem das Mykotoxin Deoxynivalenol, welches das Immunsystem schwächt und zu Brechreiz führt, sowie Zearalenon, ein starkes Östrogen, welches insbesondere in der Schweinezucht Fruchtbarkeitsstörungen verursacht. Die Untersuchungen im Aargau haben aber auch gezeigt, dass neben der Witterung, die Vorfrucht, die Bodenbearbeitung und die Getreidesorte einen grossen Einfluss auf die Stärke des Befalls und die Mykotoxinbelastung des Weizens haben. Deshalb wird der Fusarienbefall neuerdings mit einem von der Forschung entwickelten


Problemorientierte Systemforschung – ein Blick auf Agroscope | Kurzbericht

Überwachungsprogramm im Schach gehalten. Das Programm nennt sich «FusaProg» und steht der landwirtschaftlichen Praxis und Beratung zur Verfügung.3 Damit kann jeder Landwirtschaftsbetrieb dank Fusaprog die momentane Fusarienbelastung in der Schweiz und die geeigneten Bewirtschaftungsmassnahmen prüfen, um ihre Vermehrung zu verhindern und ihre schädigende Wirkung auf Tier und Mensch so gering wie möglich zu halten.4 Das Beispiel verdeutlicht, dass der Weg von der Problemstellung bis hin zur verbesserten Anbaupraxis oft ein sehr langer ist. Ausgehend von einem Praxisproblem, das eine nationaler Bedeutung hat, dem aber eine globale Dimension innewohnt, wurde die Grundlagenforschung in Angriff genommen und gleichzeitig der Blick systemisch auch auf Dimensionen wie Bodenbearbeitung, Fruchtfolge, Sortenwahl und Umweltwirkung wie die Witterung gerichtet. Erst diese Inter- und Transdisziplinarität erlaubte es, den Weg vom Problem bis zur Verbesserung in der Praxis zu Ende zu gehen und gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur internationalen Forschung auf dem Gebiet der Fusarien zu leisten. Auch Schweizer Milchwirtschaft bündelt Forschungskräfte Transdisziplinäre Forschung sieht bereits bei der Anlage des Forschungsprogramms die direkte Zusammenarbeit von Forschung und Praxis, also der Anwenderin und des Anwenders, vor. So begann an Agroscope im Jahr 2008 auch das Forschungsprogramm NutriScope. Dieses wurde ins Netzwerk Profi-Lait eingebunden. Damit wurde die Forschung von Agroscope im Bereich Milchwirtschaft direkt mit der Praxis verlinkt, denn das Netzwerk Pro-

Abb. 1 | Das Forschungsprojekt «Optimierung in der Milchgewinnung» ist in die Forschungsprogramme NutriScope und ProfitLait eingebettet. Es vereint Forschungsgebiete der Technik mit jenen der Tiergesundheit, des Tierverhaltens und der Tierphysiologie. An der Melkwand von ART, welche die Simulation des Melkvorgangs erlaubt, wird tiergerechte Milchgewinnung bei gleichzeitiger Verbesserung der Eutergesundheit erforscht. (Foto: ART)

fit-Lait dient der Kommunikation und Kooperation im Bereich der Milchproduktion. Es behandelt Themen der Milchproduktion, vom Futterbau über die Fütterung der Milchkuh, der Züchtung und Haltung von Rindvieh, dem Stallbau bis hin zu Melktechnik und Milchqualität und zwar auf allen Ebenen: Forschung, Beratung und Praxis. Somit liegt es auf der Hand, dass neben Agroscope auch die Eidgenössische Technische Hochschule, die Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft, die Beratung (Agridea und kantonale Beratung) sowie die landwirtschaftliche Praxis an dieser Verbundforschung beteiligt sind. Im Sinne der Bearbeitung der ganzen Wertschöpfungskette «von der Wiese auf den Teller» werden je nach Projekt noch weitere Akteure einbezogen, wie die Politik oder die Wirtschaft. Alle an Profit-Lait beteiligten Partner müssen sich in einem angeleiteten Prozess zusammenfinden: Es gilt transdisziplinäre gemeinsame Ziele zur formulieren, die zielführenden Fragestellungen gemeinsam festzulegen, den Forschungsgegenstand zu bestimmen, eine gemeinsame Sprache zu sprechen und sich auch über die angewendeten Methoden einig zu werden. Diese konsensbildenden Prozesse laufen nicht von selbst ab, sie werden von Profit-Lait koordiniert. Damit bündeln die Akteure der schweizerischen Milchwirtschaft ihre Kräfte, um wettbewerbsfähige und zukunftsorientierte Lösungen für eine professionelle Milchproduktion zu erarbeiten. Durch die gemeinsame Plattform von Profi-Lait wird die Koordination und Zusammenarbeit und dadurch auch die Effizienz der Forschungs- und Beratungstätigkeit verbessert. Für die Praxis wiederum garantiert Profi-Lait koordinierte, praxisbezogene und aktuelle Informationen und Empfehlungen zur Optimierung der Milchproduktion – Forschung im Elfenbeinturm wird damit vermieden. ProfitLait arbeitet vertieft mit allen Standorten von Agroscope zusammen, die an Fragestellungen zur Milchwirtschaft beteiligt sind. Durch gezielte Koordination ist diese Verbundsforschung ebenfalls klar geprägt vom Ansatz der problemorientierten Systemforschung. Wie ökologisch ist die Schweizer Landwirtschaft? Neben Wirtschaftlichkeitsfragen sind in der der Schweizer Landwirtschaft Aspekte der Ökologie und Nachhaltigkeit besonders zentral, insbesondere da diese Teil der geltenden Stützungspolitik sind. Die Frage nach der ökologischen Leistung liegt beim Thema Milchproduktion genauso in der Luft wie bei Themen wie Bodenerosion, Gewässerschutz oder Fusarien-Bekämpfung. Die  3 4

Fusarien in Getreide (2008): Merkblatt Getreide 2.5.23, Agridea, Lindau

www.fusaprog.ch

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Kurzbericht | Problemorientierte Systemforschung – ein Blick auf Agroscope

gen». Das Bundesamt für Umwelt BAFU ist federführend bei den Indikatoren «Zustand der Umwelt». Innerhalb von Agroscope wiederum ist die Zentrale Auswertung als Kompetenzzentrum verantwortlich für die Methodenentwicklung und die Auswertung der Agrar-Umweltindikatoren. Bereits seit 2009 werden deshalb auf einem Netz von Betrieben ökologisch relevante Daten gesammelt und zentral ausgewertet. Gerade in diesem sehr spezifischen Forschungsgebiet zeigt sich, dass die langjährige Forschungstätigkeit und Expertise von Agroscope der Öffentlichkeit zur Verfügung steht.

Abb. 2 | Das im Auftrag des BLW durchgeführte Agrar-Umwelt-­ Monitoring erforscht den Einfluss der Landwirtschaft auf die Umweltqualität und die Entwicklung der Umwelt in Abhängigkeit von landwirtschaftlichen Praktiken. Es soll zudem als Entscheidungs­ hilfe bei der Wahl neuer (agrar-)politischer Instrumente dienen. Auf dem Bild die Gründüngung im Winter, die den Stickstoffeintrag in Oberflächengewässer mindern und gleichzeitig die Bodenerosion in den Wintermonaten verhindern soll. (Foto: ART)

Frage nach der ökologischen Leistung der Schweizer Landwirtschaft zeigt aber auch wie wichtig Grundlagenkenntnisse und damit eine langfristig angelegte Grundlagenforschung sind. Das Bundesamt für Landwirtschaft BLW will den Einfluss der Landwirtschaft auf die Umweltqualität und die Entwicklung der Umwelt in Abhängigkeit von landwirtschaftlichen Praktiken eruieren. Das entsprechende Agrar-Umwelt-Monitoring soll zudem als Entscheidungshilfe bei der Wahl neuer Instrumente dienen. Es wird damit zu einem Werkzeug für politische Entscheidungsträgerinnen oder -träger und ermöglicht den Vergleich mit anderen Ländern. Rechtsgrundlage des Agrar-Umweltmonitorings ist die im Dezember 1998 verabschiedete Verordnung über die Beurteilung der Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft.5 Die Artikel 8 und 9 besagen, dass das Monitoring auf Agrar-Umweltindikatoren beruht, die mit internationalen Normen vergleichbar sind und die quantitativen und qualitativen Auswirkungen der Agrarpolitik auf gesamtschweizerischer, regionaler und betriebsbezogener Ebene evaluieren.6 Agrar-Umweltindikatoren ermöglichen eine ökologische Beurteilung des Einsatzes von Substanzen und Energie, der Schadstoffemissionen, des Bodenertrags, der biologischen Vielfalt und der Tierhaltung. Agroscope ist im Auftrag des Bundesamtes für Landwirtschaft BLW zuständig für die Methodenentwicklung von Indikatoren des Typs «Antriebskräfte» und «Umweltauswirkun-

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Interessen der Forschung bleiben gewahrt Gleichzeitig bleiben bei der problemorientierten Systemforschung auch die Interessen der Forschung berücksichtigt. Denn zum einen kann Agroscope damit übergeordneten Zielen wie der verbesserten Wirtschaftlichkeit entsprechen, indem Synergien innerhalb der drei Forschungsanstalten von Agroscope genutzt werden, zum anderen erlaubt sie die Nutzung von Knowhow, das an anderen Forschungsinstitutionen im In- und Ausland erbracht wird. Agroscope kann dieses kostengünstig nutzen, da es sich oft um Teilprojekte von internationalen Forschungsprogrammen handelt, die drittmittelfinanziert sind. Die beteiligten ausländischen Forschenden und Doktorandinnen und Doktoranden ihrerseits bilden im Laufe ihres weiteren wissenschaftlichen Werdeganges im Ausland ein für Agroscope international zugängliches Netzwerk zu anderen Forschungsinstitutionen und sind somit eine wichtige Grundlage für die Einbindung der Forschungsanstalten von Agroscope in den internationalen Forschungskontext. Problemorientierte Systemforschung als nachhaltiger Ansatz Die problemorientierte Systemforschung von Agroscope zeigt anhand dieser aufgeführten Beispiele, dass die landwirtschaftliche Forschung an Agroscope mehr ist als die Summe ihrer Teile. Sie schafft einen Mehrwert für alle Akteure: Forschung, Gesellschaft, Politik, Verwaltung und die landwirtschaftliche Praxis. Die Ansätze, der gewählten Methoden und Techniken sind vielfältig und den einzelnen Problemen angepasst. Die zur Problemlösung gewählten Systemgrenzen werden unterschiedlich und bezogen auf die Fragestellung sinnvoll gewählt. Damit gelingt es Agroscope als Forschungsmotor für die Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft zu aktuellen und künftigen Fragen wertvolle Beiträge zu liefern. n Verordnung 919.118 vom 7. Dezember 1998 über die Beurteilung der Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft

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Nähere Informationen siehe auch www.blw.admin.ch > Themen > Nachhaltigkeit > Agrar-Umweltmonitoring

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I n t e r v i e w

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«Forschung ist Motor des Fortschritts» – Interview mit Manfred Bötsch Manfred Bötsch, seit 18 Jahren waren Sie beim BLW tätig, davon elf Jahre als Direktor und fünfeinhalb Jahre als Vorsitzender der Geschäftsleitung von Agroscope. Sie haben damit Einsicht in die Agrarforschung gewonnen und diese entscheidend mitgeprägt. Wie hat sich in dieser Zeitspanne die Agrarforschung im Allgemeinen und Agroscope im Besonderen entwi­ ckelt? Die Agrarforschung ist wesentlich kompetitiver geworden, sowohl national wie auch international. Die Spannweite der Themen wurde immer breiter und damit auch komplexer. Standen zu Beginn Produktionsfragen im Vordergrund, so ist es heute die ganze Wertschöpfungskette mit allen Aspekten zu Umwelt, Tierwohl, Sozialem, Ökonomie bis zum Genuss. Agroscope reagierte darauf, setzte Schwerpunkte und bündelte die Kräfte. Aus verschiedenen landwirtschaftlichen Forschungsanstalten wurde eine schlagkräftige Geschäftseinheit Agroscope gebildet. Welches sind die besonderen Höhepunkte der Agrar­ forschung in dieser Zeitspanne? Unzählige gute Forschungsprojekte sind abgeschlossen worden. Da einzelne herauszupicken, wäre zufällig und unfair. Wichtig für mich sind die Ergebnisse von drei internationalen Peer-Reviews: Unabhängige, internationale Experten haben die Forschung von Agroscope als gut bis sehr gut eingestuft. Dies ist das Verdienst der Mitarbeitenden. Um die schlagkräftige Struktur wurden wir von vielen Experten beneidet. Welche Schwierigkeiten gab es in dieser Zeit zu bewäl­ tigen oder konnten nicht gelöst werden? Knappe Finanzressourcen beziehungsweise Sparaufträge haben uns immer wieder herausgefordert. Sie zwingen zur Effizienzsteigerung und Senkung der Managementkosten. Da mussten zum Teil schwierige Entscheide getroffen werden. Im Moment sind wieder Fragen zur Einsparung bei der Ressortforschung offen. Man darf sich keine Illusionen machen: Der Leistungsdruck und die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit sind «Dauerbrenner». Dies fordert einen kontinuierlichen Optimierungsprozess und setzt die Forschungs­ arbeit einem ständigen Legitimationsdruck aus.

Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie auf die Agrarforschung zukommen? Sowohl auf nationaler wie auch internationaler Ebene muss mit den beschränkten Ressourcen das Optimum herausgeholt werden. Die Wettbewerbsfähigkeit muss gesteigert, mehr Drittmittel müssen generiert werden, damit die Schweizer Agrarforschung zu den Besten gehört. Schwerpunktmässig sehe ich folgende Bereiche: Futterbau, Futterveredlung durch Wiederkäuer, Biodiversität, Umweltleistungen, Ökobilanzen, Risikoforschung, Prognosesysteme für Schädlings- und Krankheitsbekämpfung und Steigern der Wettbewerbsfähigkeit. Was wünschen Sie sich für die Agrarforschung der Schweiz? Allgemein wünsche ich mir, dass sie diese kritische Distanz beibehält und nicht in Stagnation verharrt, dass sie den Mut hat, Schwerpunkte zu bilden. Für Agroscope: dass sie weiterhin als leistungsstarke Forschungseinheit gegenüber ihren Kunden auftritt und als solche auch von den Konsumentinnen und Konsumenten noch bes ser wahrgenommen wird.

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I n t e r v i e w

Gibt es Agroscope in zehn Jahren noch oder ist die Agrar­ forschung in andere Forschungen integriert worden? Agroscope ist eine effiziente Institution, die wohl in absehbarer Zeit keine grundlegenden Änderungen erfahren wird. In der Agrarforschung gibt es ja verschiedene Akteure: Die ETH und andere Hochschulen betreiben vor allem Grundlagenforschung, Agridea und die Fachhochschulen setzen ihre Akzente in der Entwicklung und in der Vermittlung des Forschungswissens. Die Brücke dazwischen ist Agroscope, die vor allem angewandte Forschung betreibt. Alle diese Akteure müssen zusammenarbeiten, damit die Agrarforschung als solche ihren Auftrag erfüllen kann. Das institutionelle Gebilde dafür ist letztendlich sekundär. Die Zukunft für die Agrarforschung sehe ich positiv: Der Bedarf nach einer solchen Forschung ist gegeben. Knappe natürliche Ressourcen bleiben ein zentrales Thema. Vielfältige, gesunde Nahrung wird gesellschaftsrelevanter. Wenn die Akteure ihre Augen und Ohren offen halten, haben sie eine Chance. Stillstand gibt es auch in der Forschung nie, sie ist selber der Motor des Fortschritts. Wie sehen Sie Ihre Zukunft? Die Land- und Ernährungswirtschaft ist für mich faszinierend. Sie ist grundlegend für die Menschheit. Ich hoffe, in diesem Bereich weiterarbeiten zu können. Interview: Karin Bovigny-Ackermann, BLW Fotos: Samuel Heger, BLW

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A k t u e l l

Aktuelles Einladung nutri 11 – Ernährung verbindet Agroscope Vom 17. bisChangins-Wädenswil 19. Juni findet in Grangeneuve ACW und dieim «International Kanton eingeladen Society forwurden. Horticultural Die Organisationen Science (ISHS)» freuen hoffen,sich, sich Sie an zum Freiburg «1st die International Nutri 11 statt, Symposium eine gemeinsame on Medicinal, GrossverAromatic den and drei Nutraceutical Tagen mehreren Plants from Tausend Mountainous Besucherinnen Areas»und einzuladen. anstaltung Dieses zum Symposium Thema Ernährung. findet vom 5. bis 9. Juli 2011 in der Besuchern Schweiz in präsentieren Saas Fee statt zu und können. ist anDie Personen Ausstellung, gerichtet, die die in der Forschung, Produktion und Bildung tätig sind. zu einem grossen Teil im Freien und in einem Zirkuszelt DasDas ZielZiel dieser grossen undistbunten Ausstellung ist es,ausstatt­ des Symposiums es, neuste Informationen der fWissenschaft inden wird, soll über konsequent den Anbauzweisprachig und die Nutzung informievon verschiedenste aktuelle Facetten der NahrungsprodukPflanzen aus dem Berggebiet zu präsentieren und zu diskutieren ren. Auf - Pflanzen, dem Programm die in Medikamenten stehen Podiumsveranstaltunsowie als AromaMarktstände mit tion und -verarbeitung Zur Organisation stoffe und Zusatzstoffe zu in beleuchten. Nahrungsmitteln Verwendung finden. gen, Führungen, Die in höheren Informationsstände, Lagen gedeihenden Wildpflanzen Produkten, Degustationen, ein Wissenschaftshaben das Landwirtschaftliche Institut des Kantonsundregionalen sind imsich allgemeinen reich an sekundären Inhaltsstoffen wurden seit Jahrhunderten zu Heilzwecken gesammelt. Kaffee, Kinderanimationen – über und Freiburg Grangeneuve, Liebefeld-Posieux Doch der in Bedarf an einigenAgroscope dieser Pflanzen ist in den letzten JahrenTierausstellungen, gestiegen, daher kann die Nachfrage nur Vieles wird hinzukommen. ALP-Haras, die Vetsuisse-Fakultät der Uni Bern und Zudem die deren professionellen Anbau gewährleistet werden. erlaubt einnoch solcher Anbau eine nachhaltige Produktion SHL zusammengeschlossen. Der gemeinsame Anlass Genotypen mit gewünschtem phytochemischem Profil, das mittels optimalen Anbaubedingungen und angepassten Mehr auf www.nutri11.ch unterstreicht die 2010 unterzeichnete Zusammen­ durch Domestikation und Züchtung erzielt wurde. Damit können natürlicherweise vorkommende Pflanzenpopulatiarbeitsvereinbarung dieser Institutionen (siehe Box). onen geschützt werden. Landwirtschaftsinstitutionen enger Nutri 11 einerseits an daswerden Fachpublikum der Mehr richtet als 100 sich Vorträge und Poster von Forschenden aus der ganzen Welt von Korea bisvernetzt Argentinien in vier Im Oktober 2010 unterzeichneten SHL, die ForNahrungsmittel produzierenden undRessourcen verarbeitenden Sessionen präsentiert: 1) Genetische und Botanik, 2) Domestikation, Züchtung unddie markergestützte schungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP-Haras, Branchen, 3) andererseits aber auch anund dieErnte breite ÖffentSelektion, Anbau, Pflanzenschutz und 4) Nachernte-Verfahren wie Trocknung, Extraktion und Produktlandwirtschaftliche Institut des Kantons Freiburg LIG lichkeit, die Das sich Symposium dafür interessiert, was allesgehalten, geschieht, herstellung. wird in Englisch ohnedas Übersetzung. und die Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern eine Verbevor die Nahrung auf unsere Teller kommt. Das beginnt einbarung. Darin bekräftigen sie den Willen, die bereits Weitere bei der Saat Infosder unter: Ackerkulturen, http://www.agroscope.admin.ch/mapmountain/index.html?lang=en führt über die Pflege der vorhandene Zusammenarbeit in der landwirtschaftliNutztiere, die Verarbeitung der Lebensmittel und es chen Bildung und Forschung markant auszubauen. Die endet bei einer gesunden und verantwortungsvollen gemeinsame Organisation von Nutri 11 bedeutet einen Ernährung von uns Menschen. Speziell interessieren ersten Meilenstein in der gestärkten Partnerschaft. dürfte der Anlass die Schulen der Region, welche gezielt

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Aktuell

Neue Publikationen

ART-Bericht 738

Zerkleinerung von Maisstroh und Fusarienbefall von Weizen Hammer- und Y-Schlägel im Vergleich

Dezember 2010

Zerkleinerung von Maisstroh und ­Fusarienbefall von Weizen

Autorinnen und Autoren

Herausgeber: Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Tänikon, CH-8356 Ettenhausen, Redaktion: Etel Keller, ART Die ART-Berichte/Rapports ART erscheinen in rund 20 Nummern pro Jahr. Jahresabonnement Fr. 60.–. Bestellung von Abonnements und Einzelnummern: ART, Bibliothek, 8356 Ettenhausen T +41 (0)52 368 31 31 F +41 (0)52 365 11 90 doku@art.admin.ch Downloads: www.agroscope.ch

Schleppschlauch- und Breitverteiler im Vergleich Den Vorteilen des Schleppschlauchverteilers stehen höhere Kosten gegenüber

Dezember 2010

Schleppschlauchund Breitverteiler im Vergleich

Autoren

Roy Latsch, Susanne Vogelgsang, Joachim Sauter, Estelle Delestra, ART roy.latsch@art.admin.ch Impressum

ART-Bericht 739

Joachim Sauter, Christoph Moriz, Sören Honegger, Thomas Anken, Gregor Albisser, ART joachim.sauter@art.admin.ch Maisstrohhäckseln mit unterschiedlichen Schlägeln – Versuch mit dem Kuhn Mulcher BPR 280 (Foto: Joachim Sauter, ART).

Schlägelmulcher sind in der Schweiz in vielen Bereichen im Einsatz. Sie finden unter anderem für die Weide- und Landschaftspflege oder für das Häckseln von Maisstroh Verwendung. In den meisten Fällen werden Hammerschlägel als Allroundwerkzeuge eingesetzt. Schlägelmulcher mit Y-Schlägeln stellen eine ökonomisch interessante Alternative zu Hammerschlägeln dar. Im Vergleich dazu waren die Mulchgeräte mit Y-Schlägeln

leichtzügiger und hatten einen zwei- bis dreifach geringeren Antriebsleistungsbedarf. Bei der Arbeitsqualität der Werkzeuge zeigte der Hammerschlägel leichte Vorteile. Ebenso erzeugte er eine stärkere «Sogwirkung» zum Anheben von flach auf dem Boden liegendem Stroh. Der Fusarienbefall des Winterweizens nach Körnermais unterschied sich bei beiden Schlägeltypen jedoch nicht signifikant voneinander.

ISSN 1661-7568

ART-Bericht 738 Schlägelmulcher sind in der Schweiz in vielen Bereichen im Einsatz. Sie finden unter anderem für die Weideund Landschaftspflege oder für das Häckseln von Maisstroh Verwendung. In den meisten Fällen werden ­Hammerschlägel als Allroundwerkzeuge eingesetzt. Schlägelmulcher mit Y-Schlägeln stellen eine ökonomisch interessante Alternative zuHammerschlägeln dar. ImVergleich dazu waren die Mulchgeräte mit Y-Schlägeln leichtzügiger und hatten einen zwei- bis dreifach geringeren Antriebsleistungsbedarf. Bei der Arbeitsqualität der Werkzeuge zeigte der Hammerschlägel leichte Vorteile. Ebenso erzeugte er eine stärkere «Sogwirkung» zum Anheben von flach auf dem Boden liegendem Stroh. Der Fusarienbefall des Winterweizens nach Körnermais unterschied sich bei beiden Schlägeltypen jedoch nicht signifikant voneinander. Roy Latsch, Susanne Vogelgsang, Joachim Sauter und Estelle Delestra, ART

Impressum Herausgeber: Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Tänikon, CH-8356 Ettenhausen, Redaktion: Etel Keller, ART Die ART-Berichte/Rapports ART erscheinen in rund 20 Nummern pro Jahr. Jahresabonnement Fr. 60.–. Bestellung von Abonnements und Einzelnummern: ART, Bibliothek, 8356 Ettenhausen T +41 (0)52 368 31 31 F +41 (0)52 365 11 90 doku@art.admin.ch Downloads: www.agroscope.ch

Bei der Umstellung von Breit- zur Schleppschlauchverteilung lohnt es sich, das Management zu überprüfen (Foto: Joachim Sauter, ART).

Schleppschlauchverteiler für Gülle weisen im Vergleich zu Breitverteilern eine hohe Verteilgenauigkeit auf und vermindern Ammoniakemissionen durch die streifenförmige Ablage der Gülle effektiv. Diese präzise und umweltschonende Verteiltechnik weist jedoch gewisse Nachteile auf. Die im Vergleich zum Prallteller aufwändige Konstruktion eines Schleppschlauchverteilers führt zu einem höheren Gewicht, zu höheren Kosten und beim Auftreten von Verstopfungen zu einem zusätzlichen Arbeitsbedarf. Eine Praxisumfrage zeigt, dass die Landwirte mit dieser Technik zufrieden sind. Das Hauptproblem liegt bei den Verstopfungen, die jedoch bei

neueren Fabrikaten weniger häufig auftreten. Zusätzlich sollten die Landwirte darauf achten, dass keine Fremdkörper wie Ballenfolien, Holzteile, Ohrmarken etc. in die Güllegrube gelangen, denn häufig verursachen diese die Verstopfungen. Fremdkörperabscheider bieten hier Abhilfe. Die wirtschaftlichen Berechnungen zeigen, dass mit einer guten Auslastung die Mehrkosten aufgefangen werden können. Bezüglich Arbeitszeit unterscheiden sich die verschiedenen Systeme nur geringfügig, da der Anteil der Transportzeit jener der Verteilzeit übersteigt.

ISSN 1661-7568

ART-Bericht 739 Schleppschlauchverteiler für Gülle weisen im Vergleich zu Breitverteilern eine hohe Verteilgenauigkeit auf und vermindern Ammoniakemissionen durch die streifenförmige Ablage der Gülle effektiv. Diese präzise und umweltschonende Verteiltechnik weist jedoch gewisse Nachteile auf. Die im Vergleich zum Prallteller aufwändige Konstruktion eines Schleppschlauchverteilers führt zu einemhöherenGewicht, zu höheren Kosten und beim Auftreten von Verstopfungen zu einem zusätzlichen Arbeitsbedarf. Eine Praxisumfrage zeigt, dass die Landwirte mit dieser Technik zufrieden sind. Das Hauptproblem liegt bei den Verstopfungen, die jedoch bei neueren Fabrikaten weniger häufig auftreten. Zusätzlich sollten die Landwirte darauf achten, dass keine Fremdkörper wie Ballenfolien, Holzteile, Ohrmarken etc. in die Güllegrube gelangen, denn häufig verursachen diese die Verstopfungen. Fremdkörperabscheider bieten hier Abhilfe. Die wirtschaftlichen Berechnungen zeigen, dass mit einer guten Auslastung die Mehrkosten aufgefangen werden können. Bezüglich Arbeitszeit unterscheiden sich die verschiedenen Systeme nur geringfügig, da der Anteil der Transportzeit jener der Verteilzeit übersteigt. Joachim Sauter, Christoph Moriz, Sören Honegger, Thomas Anken und Gregor Albisser, ART

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Aktuell

Internetlinks

Veranstaltungen

Graswachstum auf den ALP Versuchs­ betrieben in Posieux und dem Biobetrieb Die Kosten der Grünlandpflege «l’Abbaye» in Sorens

MaiKosten 2010 der Grünlandpflege Die

ART-Bericht 740

www.agroscope.ch > Praxis > Tierernährung > Januar 2011 Weidemanagement > Graswachstum ALP untersucht weidebetonte Produktionssysteme und gibt das erworbene Wissen den interessierten Kreisen weiter. Ab Vegetationsbeginn werden Angaben über das Graswachstum für den ALP-Versuchsbetrieb in Posieux und den Biobetrieb «l’Abbaye» in Sorens auf dem Internet zur Verfügung gestellt und regelmässig aktualisiert. Autorinnen und Autoren

Christian Gazzarin, Elisabeth Rötheli, ART, christian.gazzarin@art.admin.ch Impressum Herausgeber: Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Tänikon, CH-8356 Ettenhausen, Redaktion: Etel Keller, ART

Die ART-Berichte/Rapports ART erscheinen in rund 20 Nummern pro Jahr. Jahresabonnement Fr. 60.–. Bestellung von Abonnements und Einzelnummern: ART, Bibliothek, 8356 Ettenhausen T +41 (0)52 368 31 31 F +41 (0)52 365 11 90 doku@art.admin.ch Downloads: www.agroscope.ch

Auch eine Minimalnutzung des Grünlands wäre heute ohne Direktzahlungen nicht kostendeckend (Fotos: ART). Die Pflege der Kulturlandschaft gehört gemäss Bundesverfassung zu den wesentlichen Aufgaben der Schweizer Landwirtschaft. Aufgrund sinkender Produktpreise kann die Landschaftspflege ohne öffentliche Mittel nicht mehr im gewünschten Mass gewährleistet werden. Deshalb ist es von Interesse, die effektiven Kosten der Grünlandpflege zu erfassen. In der vorliegenden Arbeit werden die Kosten von extensiven Schnittnutzungsverfahren (Siloballen, Bodenheuballen und Kleinballen Belüftungsheu) und von einem extensiven Weidehaltungsverfahren (Robustrinderhaltung) in der Tal-, Hügel- und Bergregion untersucht. Zum Vergleich werden auch die Kosten

von Referenzverfahren wie Mulchen und Milchproduktion betrachtet. Die Berechnungen erfassen die Selbstkosten (Vollkostenrechnung) eines Modellbetriebes mit 25 Hektaren Grünland. Ohne Berücksichtigung von Direktzahlungen liegen die ungedeckten Kosten bei der extensiven Siloballenproduktion unter arrondierten Standortbedingungen in der Tal- und Hügelregion bei rund 320 bis 520 Franken pro Hektare und damit tiefer als bei allen übrigen Verfahren. In der Bergregion stellt jedoch das Mulchen das kostengünstigste Verfahren dar. Die Robustrinderhaltung umfasst im Unterschied zu den reinen Schnittnutzungen auch die Kosten des Veredelungsprozes-

ISSN 1661-7568

Vor schau Januar 2011 / Heft 1 Das Walliser Schwarznasenschaf wird in der warmen Jahreszeit ­g esömmert. ACW hat auf einer Alp im Oberwallis Versuche mit Umtriebsweide bei der Schaf­s ömmerung durchgeführt. Die Schafe der Versuchsherde gehörten den Rassen «Weisses ­A lpenschaf» und «Walliser Schwarznasenschaf» an.

•• Umtriebsweide bei der Schafsömmerung: Auswirkungen auf die Vegetation, M. Meisser und C. Chatelain ACW ••Bedroht der Gelbrost die Weizenproduktion in der Schweiz?, F. Mascher et al. ACW ••Rekultivierungen im Vergleich mit natürlich gewachsenen Böden, M. Stettler et al. SHL und Geotechnisches Institut AG Bern ••Biolandbau: Warum nur wenige Ackerbaubetriebe umstellen, A. Ferjani ART ••Siliermittel: Testergebnisse 2009, U. Wyss ALP

20.05. – 20.05.2010 ART-Bericht 740 AGFF-Waldhoftagung AGFF, Inforama, SHL, ALP, ART gehört gemäss Bunde Die Pflege der Kulturlandschaft Inforama Waldhof, LangenthalAufgaben (BE) verfassung zu den wesentlichen der Schweizer Landwirtschaft. Aufgrund sinkender Produktpreise kann Juni 2010 die Landschaftspflege ohne öffentliche Mittel nicht mehr im gewünschten Mass gewährleistet werden. Deshalb ist 03.06. – 05.06.2010 es von Interesse, die effektiven Kosten der GrünlandIGN-Tagung 2010: Internationale Gesellschaft für pflege zu erfassen. In der vorliegenden Arbeit werden Nutztierhaltung die Kosten Reckenholz-Tänikon von extensiven Schnittnutzungsverfahren Agroscope ART Tänikon, Ettenhausen (Siloballen, Bodenheuballen und Kleinballen Belüftungsheu) und von einem extensiven Weidehaltungs06.06.2010 verfahren (Robustrinderhaltung) in der Tal-, Hügel- und Breitenhoftagung 2010, Treffpunkt der SteinobstBergregion branche untersucht. Zum Vergleich werden auch die Kosten von Referenzverfahren wieACW Mulchen und MilchAgroscope Changins-Wädenswil Wädenswilbetrachtet. Die Berechnungen erfassen die produktion Selbstkosten (Vollkostenrechnung) eines Modellbetrie16.06. – 17.06.2010 bes mit 25 Hektaren Grünland. Ohne Berücksichtigung Tänikoner Agrartechniktage von Direktzahlungen liegen die ungedeckten Kosten bei Agroscope Reckenholz-Tänikon ART der extensiven Siloballenproduktion unter arrondierten Tänikon, Ettenhausen Standortbedingungen in der Tal- und Hügelregion bei 18.06. – 20.06.2010 rund 320 bis 520 Franken pro Hektare und damit tiefer Tage offenen Tür 2010 als bei der allen übrigen Verfahren. In der Bergregion stellt Agroscope Changins-Wädenswil ACW jedoch das Mulchen das kostengünstigste Verfahren dar. Changins, Nyon Die Robustrinderhaltung umfasst im Unterschied zu den reinen Schnittnutzungen auch die Kosten des VeredeAugust 2010 und widerspiegelt damit eher die vollen lungsprozesses Kosten einer extensiven Grünlandnutzung. Mit unge12.08. – 12.08.2010 deckten Kosten von rund 1900 bis 3300 Franken pro HekAGFF-Futterbautagung tare (je nach Standort) liegenZentrum diese entsprechend höher. AGFF, Landwirtschaftliches SG, ART Das Arbeitseinkommen Neu St. Johann (SG) ist in allen extensiven Verfahren ohne Direktzahlungen negativ, sodass die Fremdkosten 13.08.2010 allein aus den Produkterlösen nicht gedeckt werden Info-Tag Medizinal- und Gewürzkräuter können. Der unterstellte Stundenverdienst von 28 FranAgroscope Changins-Wädenswil ACW, ken zur Ermittlung der Arbeitskosten muss kritisch beurForschungszentrum Conthey teilt Rahmen der verfügbaren Bei und Fam.im Theiler, Hergiswil bei WillisauKapazitäten und Möglichkeiten auf einem Betrieb angepasst werden. Christian Gazzarin und Elisabeth Rötheli, ART

Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen

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Aktuell

Medienmitteilungen

www.agroscope.admin.ch/medienmitteilungen www.agroscope.admin.ch/medienmitteilungen 20.05.2011 / ART Besser mit Stickstoff haushalten

09.05.2011 / ART Wasser wird für die Landwirtschaft knapp

Stickstoff ist als Dünger in der Landwirtschaft unverzichtbar. Doch ein Zuviel schadet der Umwelt. Die Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART entwickelt neue Ansätze, um das Problem zu lösen.

Trockene Jahre könnten in Zukunft die Regel sein. Der Bewässerungsbedarf in der Landwirtschaft steigt, doch Wasser steht nur begrenzt zur Verfügung. Deshalb sucht die Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART nach Lösungen, um den Wasserverbrauch in der Landwirtschaft zu senken und gleichzeitig eine gute Produktion zu garantieren.

17.05.2011 / ACW Jetzt online: Prognose für den Echten Mehltau der Rebe Erstmals steht den Schweizer Weinbauern im 2011 unter www.agrometeo.ch ein Prognosewerkzeug für den ­Echten Mehltau der Rebe zur Verfügung. Weil das Prognosemodell für den Falschen Mehltau seit 2005 sehr er­folgreich ist, hat die Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswil ACW in Zusammenarbeit mit dem Weinbauinstitut Freiburg im Breisgau (Deutschland) VitiMeteo-Oidium entwickelt, damit die Weinbauern nun Informationen zu den zwei Hauptkrankheiten der Rebe abrufen können. Beide Krankheiten führen regelmässig zu wirtschaftlichen Verlusten und erfordern während der ganzen Saison hinweg Pflanzenschutzmassnahmen. In einem nächsten Schritt gilt es nun, Strategien zu entwickeln, um je nach Prognose bezüglich Echtem und Falschem Mehltau die Bekämpfung zu optimieren.

16.05.2011 / ART Wirtschaftlicher Nutzen von GVO-Anbau variabel Werden gentechnisch veränderte Nutzpflanzen angebaut, muss eine Vermischung mit konventionellen Kulturen verhindert werden. Die entsprechenden Schutzmassnahmen sind mit Kosten verbunden. Wie sich diese auf die Wirtschaftlichkeit auswirken, hat die Forschungs­ anstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART am Beispiel von fünf gentechnisch veränderten Ackerkulturen berechnet. Gegenüber dem konventionellen Anbau fällt der wirtschaftliche Nutzen unterschiedlich aus.

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03.05.2011 / ACW Trockenheit und Futterbau Mit der Trockenheit und den Temperatur-Rekorden in diesem Frühjahr gibt es zahlreiche Gründe für eine effiziente Grünlandbewirtschaftung. Die Raufutter-Vorräte müssen wieder aufgefüllt werden und die Weiden sollen grün bleiben. Die Forschungsanstalt Agroscope ChanginsWädenswil ACW untersucht die Folgen der Trockenheit auf den Futterbau und entwirft Strategien, damit Landwirte in Zukunft noch besser dagegen gewappnet sind.


Aktuell

Veranstaltungen

Internetlinks

Die ETH Zürich bloggt zum Klimawandel http://blogs.ethz.ch/klimablog/ Der ETH-Klimablog ist ein Projekt von ETH Sustainability. Er nimmt die aktuelle Debatte zum Klimawandel auf und bietet eine Plattform für die breite Öffentlichkeit wie auch für Fachleute. 15 Professorinnen und Professoren – ergänzt durch prominente Gäste aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sowie Studierende – schreiben zu verschiedenen Wissensgebieten der Klimaproblematik.

Juni 2011 15. – 16.06.2011 Agrartechniktage Tänikon Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Tänikon, Ettenhausen TG 17. – 19.06.2011 Nutri11 Gemeinsame Veranstaltung des Landwirtschaftlichen Instituts Grangeneuve (LIG), der Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, Vetsuisse Bern und der Schweiz. Hochschule für Landwirtschaft (SHL) Posieux Juli 2011

Vor schau Juli – August 2011 / Heft 7–8 Die meisten Acker- und Wiesenpflanzen sind mit einer Vielzahl von Arbuskulären Mykorrhiza-Pilzen ­vergesellschaftet. Diese Pilzarten reagieren stark auf Landnutzungs­ intensität, Bewirtschaftungsform und/oder Bodenbeschaffenheit und eignen sich deshalb gut als Bioindikatoren, wie eine Studie von ART zeigt. (Foto: Gabriela Brändle, ART)

••Arbuskuläre Mykorrhizapilze als Bioindikatoren in Schweizer Landwirtschaftsböden, Fritz Oehl et al. ART •• Die Versicherer im Test: Ergebnisse der Sorten­­ver­suche mit Rotschwingel und Kammgras, Daniel Suter et al. ART und ACW •• Projekt «Weidekuh-Genetik»: Wirtschaftliche Bewertung, Christian Gazzarin und Valérie Piccand, ART und SHL •• Entwicklungspotenzial im Bereich Care Farming, Sara Widmer und Hans Wydler ART •• Die Saatgutzertifizierung in der Schweiz (2005–2010), Silvia Zanetti ART •• Aktionsforschung: Obstproduzenten suchen Lösungen, Esther Bravin et al. ACW •• Nachhaltigkeitsbewertung von Pflanzenschutzstrategien im Apfelanbau, Andreas Naef et al. ACW und ART •• Waldwirtschaft Schweiz: Was Kooperation erfolgreich macht, Barbara Stöckli und Bernhard Pauli SHL •• Konservierung von Feuchtheu mit Konservierungs­ mitteln, Ueli Wyss ALP •• Liste der empfohlenen Getreidesorten für die Ernte 2012

06. – 09. 07.2011 International Symposium on Medicinal, Aromatic and Nutraceutical Plants from Mountainous Areas International Society for Horticultural Science (ISHS) und Agroscope Changins-Wädenswil ACW Saas-Fee August 2011 20.08.2011 Güttingertagung 2011 Agroscope Changins-Wädenswil ACW und BBZ Arenenberg Versuchsbetrieb Güttingen, Güttingen TG 30.08. – 02.09.2011 EAAE 2011 Congress XIIIth Congress of the European Association of ­Agricultural Economist Agroscope Reckenholz-Tänikon ART und IED-ETH ETH Zürich Hauptgebäude September 2011 15.09.2011 34. Informationstagung Agrarökonomie Agroscope Reckenholz-Tänikon ART Tänikon, Ettenhausen TG

Informationen: Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen

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August 30 to September 2, 2011 Program Highlights • 8 High ranking Keynotes • Over 200 oral contributions • Around 20 organised Sessions • Postersessions with around 250 contributed posters • Swiss Session • Excursions

Change and Uncertainty

EAAE 2011 Congress Challenges for Agriculture, Food and Natural Resources

Important Registration now open: www.eaae2011.ch • Early Registration: Until June 30th, 2011 • Online registration will close August 15th 2011

ETH Zurich, Zurich, Switzerland XIII th Congress of the European Association of Agricultural Economists

Keynotes Opening Session Pascal Lamy (Director General WTO) Monika Hartmann (President EAAE) Plenary Sessions Jean-Paul Chavas, Univ. of Wisconsin-Madison Christian Gollier, Toulouse School of Economics Ana Iglesias, Univ. Politécnica de Madrid Jutta Roosen, TU Munic Glenn Harrison, Georgia State University Jo Swinnen, KU Leuven

www.eaae2011.ch Mail: office@eaae2011.ch

Erleben Sie das Thema Ernährung in all seinen Facetten!

Posieux FR

Demonstrationen Erlebnisparcours Vorträge Rahmenprogramm für Kinder Festwirtschaft Ouverture: 9h00 - 17h00 Découvrez toutes les facettes de la nutrition! Démonstrations Parcours découverte Conférences Programme cadre pour les enfants Restauration

Bienvenue à toutes et à tous Herzlich willkommen

La nutrition rassemble Ernährung verbindet

Öffnungszeiten: 9 - 17 Uhr

17 | 18 | 19 2011

juin Juni

www.nutri11.ch


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