SV-Genderreport 2014

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Schuljahr 2013/14

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Impressum: MHV: AKS-Bundesorganisation I Chefinnenredaktion: Mira Liepold I Layout: Daniel Preglau I Redaktion: AKS-Bundesorganisation I Quellen: SV-Genderreport der AKS, Statistik Austria, Frauenbericht 2012 des Bundesministeriums für Frauen und Öffentlichen Dienst I Aktion kritischer Schüler_innen , Amtshausgasse 4, 1050 Wien, Österreich Wien, Mai 2014

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Vorwort

der Bundesministerin für Bildung und Frauen

Als Frauen- und Bildungsministerin finde ich Initiativen wie den AKS Genderreport besonders wichtig. Denn nur wenn wir auf der Ebene der Schulen ansetzen und dort Geschlechtergerechtigkeit und Geschlechterdemokratie (vor-)leben, werden wir in Zukunft gesamtgesellschaftliche Entwicklungen haben, damit wir zu mehr Frauen in Führungspositionen kommen.

Foto: Astrid Knie

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Mir ist es daher selbstverständlich ein Anliegen, dass mehr Mädchen und Frauen in der SchülerInnenpolitik mitmischen. Es geht um demokratische Rechte. Und wir wissen auch, dass Gremien in denen Frauen und Männer gemeinsam entscheiden auch vielfältigere Ergebnisse erzielen. Das gilt für die Wirtschaft genauso wie für die (SchülerInnen-)Politik. Gelebte Gleichstellung zwischen Männern und Frauen kann gar nicht früh genug begonnen werden. Deswegen finde ich diesen Report auch so notwendig, denn er zeigt die Ist-Situation und ermöglicht durch die darin enthaltenen Analysen Strategien zur Verbesserung im Bereich der SchülerInnenvertretung. Dafür ein großes Danke! Eure Gabriele Heinisch-Hosek Frauen- und Bildungsministerin

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Vorwort

der Aktion kritischer Schüler_innen

Dass Frauen in unserer Gesellschaft noch immer benachteiligt werden, belegen zahlreiche Studien und Statistiken. Im österreichischen Nationalrat sind von insgesamt 183 Abgeordneten 58 weiblich, das sind 31,69 Prozent. Damit liegt Österreich weit unter dem europäischen Durchschnitt. Doch die Benachteiligung von Frauen spielt sich nicht erst auf dieser Ebene ab, sondern beginnt schon viel früher. In der Sekundarstufe II gibt es in Österreich mehr Schülerinnen als
Schüler, trotzdem spiegelt sich dies
nicht in den Vertretungsorganen wider. Der SVGenderreport soll das Geschlechterverhältnis in der österreichischen Schüler_innenvertretung auf Schul-, Landes- und Bundesebene beleuchten und Lösungsansätze bieten. Diese Erhebung will Frauen auf keinen Fall in eine Opferrolle drängen, sondern viel mehr genau diese motivieren, sich in der Schüler_innenvertretung zu engagieren und alle anregen, über Rollenbilder und Vorurteile nachzudenken. Es ist längst überfällig, dass Frauen und Männern tatsächlich die gleichen Möglichkeiten offen stehen. Die Schule ist der ideale Raum, um gesellschaftlichen Ungleichgewichten entgegenzuwirken und ein gesellschaftliches Umdenken zu fördern. Je früher Menschen ein Verständnis für Gleichberechtigung lernen, desto eher kann diese zur Realität werden. Gerade deshalb ist es wichtig, sich mit dem Thema Gleichberechtigung zu befassen und aktuelle Verhältnisse nicht nur in der Politik, sondern bereits an der eigenen Schule und in der überschulischen Schüler_innenvertretung zu hinterfragen.

Mira Liepold Frauensprecherin der AKS

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Einleitung Die größte Berufsgruppe Österreichs wird in den meisten Statistiken, in denen es um unausgewogene Geschlechterverhältnisse geht, nicht genannt. In Österreich gibt es insgesamt 1,1 Millionen Schüler und Schülerinnen. Die Schüler_innenvertretung, kurz SV, stellt auf Schul-, Landes und Bundesebene ein wichtiges Sprachrohr für Schüler_innen dar.
Dass Schule kein abgetrennter Raum der Gesellschaft ist und sich dort genauso gesellschaftliche Ungleichheiten manifestiert haben und Stereotype genauso wie Vorurteile und Rollenbilder vorherrschend sind, zeigen die Parallelen zwischen der SV und anderen politischen Vertretungsgremien. Diese Strukturen werden im SV-Genderreport sichtbar gemacht. Genau wegen der Tatsache, dass die SV genauso männlich dominiert ist wie alle anderen Gremien zur Vertretung der Bevölkerung, publiziert die AKS seit 2012 jährlich den SV-Genderreport. Dieser soll die unausgeglichenen Geschlechterverhältnisse in den Vertretungsgremien von Schüler_innen widerspiegeln. Ziel des SV-Genderreport ist es einerseits, dass die ungleichen Geschlechterverhältnisse als ein Missstand anerkannt werden und andererseits, dass die Ursachen für diese Verhältnisse beleuchtet, Gründe für deren Struktur benannt und Lösungsansätze gefunden werden. In dem Bericht geht es um die Anzahl der männlichen und weiblichen Kandidat_innen zur Schulsprecher_innenwahl und das Verhältnis von Frauen und Männern in der gewählten Schüler_innenvertretung. Diese Zahlen stehen in Relation zur Gesamtanzahl der männlichen und weiblichen Schüler_innen der Schulen.

Frauen ans Steuer! Die Aussage „Mädchen wollen oft gar nicht!“ kann der SV-Genderreport widerlegen. Die Angaben zu den Kandidaturen ergeben ganz klar, dass es genügend Frauen gibt, auch zum Beispiel an meist männerdominierten HTLs, die sich für das Amt aufstellen lassen. Die Reproduktion von Rollenbildern durch Medien und Erziehung hat Auswirkungen auf alle Menschen und deren Wahrnehmung von Frauen und Männern. Unterschiedliche Eigenschaften werden ihnen zugeschrieben, so gehen diese Rollenzuschreibungen, aufgrund des Geschlechts, oft einher mit einer bestimmten Vorstellung wer in welchen Bereichen als kompetent gilt. Eigenschaften wie Durchsetzungsvermögen, Stärke, Ernsthaftigkeit und auch Kompetenz werden eher Männern zugeschrieben. Diese Rollenbilder haben starke Auswirkungen auf das Wahlverhalten bei der Schüler_innenvertretungswahl. Es ist wichtig Schüler und Schülerinnen anzuregen, gängige Stereotypen und Rollenbilder zu hinterfragen und ein Bewusstsein für ungerechtfertigte und einschränkende Rollenzuschreibungen zu entwickeln. Denn dahingehende Sensibilisierungsarbeit kann als Maßnahme zur Änderung der momentanen Strukturen gesehen werden und ungleichberechtigenden Tendenzen in der Schule sowie der Gesellschaft entgegenwirken.

Berufsschulen Berufsschulen konnten aus organisatorischen Gründen nicht in die Erhebung miteinbezogen werden. Die Wahlmodi, sowie die Struktur ließen es nicht zu, einen vollständigen Überblick zu erheben, um Schlüsse daraus ziehen zu können.

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Ebenen der Schüler_innenvertretung Die Schüler_innenvertretung Für Schülerinnen und Schüler stellt die Schule einen Lebensraum dar, in dem sie viel Zeit verbringen. Es ist also unvermeidbar, Verbesserungen im Schulalltag zu ermöglichen, sodass die Schule zu einem angenehmen Lebensraum wird, in dem man die ohnehin vielen Stunden gerne verbringt. Doch die Interessen der Schüler_innen unterscheiden sich oftmals von denen der Lehrpersonen, der Verwaltung, oder der Eltern. Für schulspezifische Forderungen ist hier der Schulsprecher oder die Schulsprecherin gefragt, der_die die Interessen der gesamten Schüler_innenschaft vor den Eltern und den Lehrpersonen vertritt und durchsetzt.
Vor allem im Schulgemeinschaftsausschuss (SGA) ist die Stimme des Schulsprechers oder der Schulsprecherin wichtig. Denn hier werden regelmäßig schulbezogene Anliegen zwischen Lehrpersonen, Eltern und Schüler_innen diskutiert und abgestimmt. Doch der_die Schulsprecher_in steht nicht alleine da. Die Schüler_innenvertretung (SV) einer Schule setzt sich aus dem_der Schulsprecher_in und 2 aktiven Stellvertreter_innen zusammen, die auch Mitglieder des SGAs sind.
Die SV-Wahl läuft von Schule zu Schule unterschiedlich ab. Es gibt Schulen, an denen kandidieren die Personen mit einem einem Hearing, in der sie ihre Projekte vorstellen und ihre Motivation für das Amt erklären. Andere wiederum haben nur die Möglichkeit, sich kurz vorzustellen, zum Teil. sind noch nicht einmal alle Schüler_innen einer Oberstufe wahlberechtigt, sondern nur die Klassensprecher_innen. Doch egal, ob die SV Wahl nach Gesetz abläuft oder nicht, wird die gewählte Vertretung in die landesweite Wähler_innenevidenz eingetragen und haben dadurch das Recht, für die Landesschüler_innenvertretung zu kandidieren. Wählen jedoch darf diese nur der_die Schulsprecher_in.

Landesschüler_innenvertretung (LSV) Jedes Bundesland hat eine Landesschüler_innenvertretung (LSV). Sie besteht aus drei Bereichen: Allgemein Bildende Höhere Schulen (AHS), Berufsbildende Mittlere und Höhere Schulen (BMHS) und Berufsschulen (BS), wobei jeder Bereich aktiv – je nach Bundesland – vier bis acht Mitglieder hat. Die Aufgabe der LSV ist es zum einen, die Interessen der Schülerinnen und Schüler vor dem Landesschulrat zu vertreten und zum anderen, die einzelnen Schüler_innenvertretungen in ihrer Arbeit zu unterstützen. Die Wahl der Landesschüler_innenvertretung findet in allen Bundesländern immer am Ende des Schuljahres statt. Kandidieren können alle Schüler_innen, die in jenem Schuljahr in der SV aktiv waren. Wählen jedoch können nur die amtierenden Schulsprecher_innen.

Bundesschüler_innenvertretung (BSV) Die Bundesschüler_innenvertretung setzt sich aus den 3 Landesschulsprecher_innen jedes Bundeslandes und aus zwei Vertreter_innen der Zentrallehranstalten (Schulen, die rechtlich Seite 6

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keinem Landesschulrat, sondern direkt dem Bildungsministerium unterstellt sind) zusammen. Durch das Wahlsystem der überschulischen Vertretung setzt sich die Bundeschüler_innenvertretung jedoch automatisch aus den jeweiligen Landesschulsprecher_innen und den zwei Vertreter_innen der Zentrallehranstalten zusammen. Dadurch, dass es für die BSV keine direkten Wahlen mehr gibt, wird das drastische Geschlechterverhältnis der Bundesschüler_innenvertretung erst nach den jeweiligen Wahlen zur Landesschüler_innenvertretung sichtbar.
Im Großteil der Bundesländer konnten sich männliche Kandidaten durchsetzen. Die insgesamt 29 Mitglieder wählen am Anfang des Schuljahres aus ihrem Kreis den_die Bundesschulsprecher_in und 3 Bereichssprecher_innen (AHS Bereich, BMHS Bereich, BS Bereich), die auch gleichzeitig die Stellvertreter_innen des_der Bundesschulsprecher_in darstellen. Die Bundesschüler_innenvertretung hat vom Gesetz her vor allem die Aufgabe die Interessen der Schüler_innen vor dem Bildungsministerium und der Öffentlichkeit zu vertreten. Mit engagierten Vertreter_innen ist es auch hier möglich, innovative Projekte zu verwirklichen.

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Überblick Es wurden alle 930 AHSen und BMHSen der Sekundarstufe II angefragt, 207 Schulen nahmen an der Erhebung teil. Diese umfassen 109.697 Schüler_innen. Bei der Auswertung der Ergebnisse wurde sowohl im AHS- als auch im BMHS-Bereich auf die verschiedener Schulschwerpunkte Rücksicht genommen. Durch die Erhebung der Kandidaturen, Geschlechterverhältnisse in der Schüler_innenvertretung und dem Geschlecht der Schulsprecher_innen, wurde ein Durchschnitt erfasst. Die Ergebnisse decken sich mit den Erfahrungswerten, die durch Jahrzehnte langer Arbeit mit der österreichischen Schüler_innenvertretung gesammelt wurden und machen die Zahlen zulässig. Die BSV Mandate sind hier mit Einbeziehung der Vertreter_innen der Berufsschulen und Zentralen Lehranstalten dargestellt.

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Anzahl der Frauen in Prozent

Anzahl der Männer in Prozent

Schüler_innen

57181

52,13%

52516

47,87%

Kandidiert

499

47,12%

560

52,88%

SV

280

45,09%

341

54,91%

Schulsprecher_in

86

41,55%

121

58,45%

1. Stv.

86

41,55%

121

58,45%

2. Stv.

108

52,17%

99

47,83%

BSV Mandate

7

24,14%

22

75,86%

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AHS Bereich (103) - Stichprobe: Frauen

in Prozent

Frauen

in Prozent

Sch端ler_innen

31027

52,54%

28019

47,46%

Kandidiert

214

41,39%

303

58,61%

SV

131

42,39%

178

57,61%

Schulsprecher_in

42

40,78%

61

59,22%

1. stv.

37

36,92%

66

64,08%

2. stv.

52

50,49%

51

49,51%

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BMHS Bereich (104) - Stichprobe: Frauen

in Prozent

M채nner

in Prozent

Sch체ler_innen

26154

51,65%

24487

48,35%

Kandidiert

285

52,58%

257

47,42%

SV

149

47,76%

163

52,24%

Schulsprecher_in

44

42,31%

60

57,69%

1. Stv

49

47,12%

55

52,88%

2. Stv

56

53,85%

48

46,15%

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Oft heißt es, dass Frauen einfach kein Interesse haben, wenn gefragt wird, warum der weibliche Anteil in Spitzenpositionen so gering ist. Auch in der österreichischen Bundesschüler_innenvertretung scheint diese Aussage auf den ersten Blick zu stimmen. Lediglich 7 von 29 Mandatar_innen sind Frauen. Doch abgesehen von den üblichen Verdächtigen, wie höhere technischen Lehranstalten und wirtschaftsorientierte Schulen, sind Frauen mit nur sehr wenig Rückstand in der SV vertreten. Allgemein ist zu sagen, dass an Allgemein Bildenden Höhere Schulen (AHS) und Berufsbildenden Mittleren und Höheren Schulen (BMHS) ohne Rücksichtnahme auf den Schultyp, die Anzahl von Schülerinnen überwiegt. Von den 207 befragten Schulen, die insgesamt 109.697 Schüler_innen umfassen, sind 57181 also, 52,13%, weiblich. Trotzdem kandidierten im letzten Jahr 5,76% mehr Männer für das Amt zum Schulsprecher. Diese Zahl bestätigt, dass es für Frauen tendenziell eine größere Hemmschwelle gibt, sich zur Wahl als Schulsprecherin aufzustellen. Diese Hemmschwelle kann mit gesellschaftlichen Strukturen und Rollenbildern erklärt werden. Denn während Buben von klein auf Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen, genauso wie Durchsetzungsvermögen anerzogen bekommen, lernen Mädchen still und brav zu sein. Stark zu sein, ist keine Eigenschaft die Mädchen und jungen Frauen beigebracht wird. Daraus lässt sich ableiten, wieso mehr Männer als Frauen für die SV kandidieren: sie trauen es sich eher zu. Es muss, vor allem im Hinblick auf gesellschaftliche Strukturen und oben angeführte Unterschiede in der anerzogenen Selbstwahrnehmung von Frauen und Männern, von dem Argument, Frauen würden nicht kandidieren wollen, Abstand genommen werden. Dass es durchaus möglich ist, dass Frauen genauso motiviert und gewillt sind, sich in der Schüler_innenvertretung zu engagieren, zeigt die BMHS-spezifische Statistik. Denn hier gab es heuer um 5,16 % mehr Kandidatinnen als Kandidaten. Doch ausgehend von einer höheren Anzahl an Schülerinnen als Schülern in Österreich wird sichtbar, dass es hier genauso, wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen, eine gläserne Decke besteht. Die gläserne Decke bezeichnet in unserer Gesellschaft eine Struktur, die Frauen daran hindert, hohe Positionen einzunehmen. Je höher die Position wird, desto weniger Frauen nehmen sie ein. So gibt es auch in der SV insgesamt um 9,82% weniger Frauen. Dieses Faktum kann als direkte Auswirkung fehlender Vorbilder für Frauen gesehen werden. Der Umstand, dass wenige Schülerinnen in die SV und noch weniger zur Schulsprecherin gewählt werden, kann als demotivierend und einschüchternd für andere Schülerinnen gesehen werden, weshalb sich diese die nötigen Kompetenzen nicht zutrauen, um eine Aufgabe als Vertreterin der Schüler_innen einzunehmen. Diagonal dazu gibt es einen Überhang an männlichen Vorbildern, die Schülern Mut machen und sie in ihrer ohnehin schon anerzogenen Rolle der Selbstbewussten noch mehr bestätigen. Vorbilder zu haben, die einem_r Mut machen, sind auf jeden Fall gut zu heißen und auch wichtig, allerdings muss es diese ausgeglichen für Schüler und Schülerinnen geben. Nur so kann fairen Strukturen entgegengearbeitet werden.

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In der nächsten Instanz, den Landeschüler_innenvertreungen (LSV), vergrößert sich der Unterschied extrem. Von insgesamt 159 Mandaten sind das 54 Frauen. Der Unterschied ist extrem und beträgt 32,08%. Landesschulsprecher_innen, als höchste Instanz in der LSV und gleichzeitig Mitglieder der BSV, gibt es von insgesamt 29 nur 7 Frauen. Hier zeigt sich deutlich, dass der Sprung in diese höchste Instanz der österreichischen Schüler_innenvertretung nicht für alle offen steht. Die Bundesschüler_innenvertretung vertritt alle 1,1 Millionen Schüler_innen in Österreich.
In Volksschulen entspricht der Mädchenanteil dem etwas geringeren Anteil der Mädchen in der gleichaltrigen Wohnbevölkerung. Erste Unterschiede zeigen sich im Sekundarbereich I: Mädchen sind an der AHS-Unterstufe überrepräsentiert, Burschen an Hauptschulen. Mädchen besuchen deutlich seltener eine Sonderschule als Burschen. Besonders deutlich werden die Unterschiede dann in der Sekundarstufe II. Maturaführende Schulen sowie berufsbildende mittlere Schulen werden häufiger von Frauen besucht, an den Berufsschulen sind hingegen die Burschen deutlich überproportional vertreten. Dieser Umstand spiegelt sich in der bundesweiten Vertretung in keiner Weise wider. Deswegen kann nicht von fairen Strukturen und gleichen Bedingungen, was den Zugang zu Vertretungsgremien in der österreichischen SV betrifft, gesprochen werden. Sondern hier muss das Bestehen der gläsernen Decke erkannt werden.

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Schüler_innenvertretung auf Landesebene Bundesland

Männer

Frauen

Landesschulsprecher_in

AHS

6

2

männlich

BMHS

5

3

männlich

BS

5

3

weiblich

AHS

4

2

männlich

BMHS

2

4

männlich

BS

6

0

männlich

AHS

4

4

männlich

BMHS

4

4

weiblich

BS

8

0

männlich

AHS

2

2

männlich

BMHS

4

0

männlich

BS

4

0

männlich

AHS

5

3

männlich

BMHS

5

3

männlich

BS

6

2

männlich

AHS

3

2

männlich

BMHS

2

3

männlich

BS

4

1

weiblich

AHS

1

3

weiblich

BMHS

2

2

weiblich

BS

3

1

weiblich

AHS

3

3

männlich

BMHS

3

3

männlich

BS

5

1

männlich

Wien

Steiermark

Niederösterreich

Burgenland

Oberösterreich

Kärnten

Salzburg

Tirol

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Bundesland

Männer

Frauen

Landesschulsprecher_in

AHS

2

2

männlich

BMHS

3

1

männlich

BS

4

0

männlich

Vorarlberg

Männer

in Prozent

Frauen

in Prozent

AHS LSV

30

56,60%

23

43,40%

BMHS LSV

30

56,60%

23

43,40%

BS LSV

45

84,91%

8

15,09%

Gesamte LSV in Österreich

105

66,04%

54

33,96%

Landesschulsprecher_innen

21

80%

6

20%

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Schüler_innenvertretung auf Bundesebene Die Bundesschüler_innenvertretung stellt das wichtigste Sprachrohr der Schüler und Schülerinnen Österreichs dar. Seit 2005 ist der Frauenanteil enorm gesunken. Männer

in Prozent

Frauen

in Prozent

Bundesschulsprecher_in

2002/03

18

62%

11

38%

männlich

2003/04

15

52%

14

48%

weiblich

2004/05

15

52%

14

48%

weiblich

2005/06

14

48%

15

52%

männlich

2006/07

15

52%

14

48%

männlich

2007/08

18

62%

11

38%

männlich

2008/09

19

66%

10

34%

männlich

2009/10

20

69%

9

31%

weiblich

2010/11

17

59%

12

41%

männlich

2011/12

23

80%

6

20%

weiblich

2012/13

19

66%

10

34%

männlich

2013/14

22

76%

7

24%

weiblich

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Interpretation der Ergebnisse Wie die Ergebnisse zeigen, gibt es die sogenannte gläserne Decke bereits in der Schule. Bei der Anzahl aller Schüler und Schülerinnen gibt es mehr Frauen, doch so bald es zu Funktionen auf Vertretungsebene kommt, wird der Anteil an Frauen immer geringer. Je höher die Vertretungsebene wird, desto weniger Frauen finden sich in den Vertretungsgremien wider. Auf jeder Vertretungsebene, in der Schule, auf Landes- und Bundesebene, gibt es einen Männerüberhang. In den Spitzenpositionen (Schulsprecher_in, Landeschulsprecher_in) wird der Unterschied immer größer, was ein weiterer Beweis für die Existenz der gläsernen Decke in Österreichs Schulen, darstellt. Spätestens, wenn ein Blick in die BSV geworfen wird, wird klar: Frauen haben nicht annähernd die gleichen Chancen und Möglichkeiten wie Männer, in Vertretungspositionen gewählt zu werden. In den Schulen vor Ort lässt sich das vor allem auf das Wahlverhalten der Mitschüler_innen zurückzuführen. Oft wird es Frauen immer noch nicht zugetraut, eine leitende Funktion einzunehmen und stattdessen wird der männliche Kollege der Wahlsieger. Das führt dazu, dass Frauen prinzipiell entmutigt werden, sich für die SV an ihrer Schule aufstellen zu lassen, da ihnen das Gefühl, für diese Aufgabe fähig zu sein, nicht vermittelt wird. Diese Unsicherheit seitens der Schülerinnen stellt einerseits einen hemmenden Faktor und gleichzeitig eine diskriminierende Struktur dar. Obwohl es bei den Wahlen zur Landesschüler_innenvertretung ebenso ein Personenwahlprinzip gibt, ist es üblich, dass sich Teams zur Kandidatur zusammenfinden.
Ob dabei auf eine ausgewogene Geschlechterverteilung geachtet wird, ist vom jeweiligen Team abhängig. Hier entscheiden sich die wahlberechtigten Schüler_innen jedoch meist nicht mehr, zwischen mehreren Kandidat_innen, sondern wählen in den meisten Fällen den Teamvorschlag. Das führt dazu, dass auf dieser Ebene die Wählenden nicht mehr direkt zwischen den weiblichen und männlichen Kandidat_innen entscheiden und die Frage nach Geschlecht, zumindest für die Wählenden selbst, meist in den Hintergrund tritt. Wie bereits unzählige Studien aufgezeigt haben, folgt auch die Schüler_innenvertretung dem Phänomen: Je dünner die Luft wird, desto weniger Platz gibt es in diesen Gremien für Frauen. Der auffällig starke Abschwung vom Frauenanteil in der Bundesschüler_innenvertretung ist vor allem auf einen Wechsel der Mehrheitsverhältnisse seit 2005 zurückzuführen.

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Frauen- und Mädchenförderung Der SV-Genderreport soll nicht nur eine Erhebung sein, die aufzeigt, dass es bereits im Bildungssektor zum Phänomen der gläsernen Decke kommt. Auch soll er dazu dienen, dass Ableitungen getroffen und Maßnahmen zur Frauen- und Mädchenförderung ergriffen werden. Anstatt gesellschaftliche Missstände zu reproduzieren, eignet sich der schulische Rahmen, um diese kritisch zu hinterfragen.Daher ist die Bewusstseinsbildung direkt in der Schule ein wichtiger Prozess. Ein Ansatzpunkt sind die Schulbücher. Schülerinnen und Schüler werden von Schulbüchern geprägt, die wiederum die derzeitig gesellschaftliche Norm widerspiegeln. Hier werden oft Stereotype wiedergegeben und gefestigt. Eine Auseinandersetzung mit Stereotypen in den Schulbüchern wäre ein erster notwendiger Schritt Allerdings braucht es ebenfalls eine aktive Sensibilisierung von Schulbuch-Autor_innen, Lehrpersonen und Schüler_innen. Ein nächster Schritt wäre, die reflexive Koedukation verstärkt anzuwenden. Geschlechtergetrennter Unterricht stellt ein Element dieser dar.
Mit dem Modell der reflexiven Koedukation soll die koedukative Praxis weiterentwickelt und neu gestaltet werden. Zielsetzung ist, ein gleichberechtigtes Zusammenleben und -lernen beider Geschlechter zu ermöglichen, sowie geschlechtsstereotype Rollenzuweisungen aufzulösen und alle notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten sowohl bei Mädchen als auch bei Burschen zu fördern.
Insgesamt geht es um eine Sensibilisierung, die das Wahrnehmen und Erkennen von ungleichgewichtigen Kommunikationsstrukturen gerade zwischen Lehrpersonen und Schüler_innen ermöglicht und um die Entwicklung von geschlechterbewussten und -sensiblen Konzepten und Umgangsformen für den gemeinsamen Unterricht. Seit mehreren Jahren gibt es sogenannte Genderbeauftragte an allen Schulen. Deren Aufgabe ist es, im Bereich von geschlechtsspezifischen Ungleichheiten oder Konflikten Bewusstsein für die unterschiedlichen Aspekte des Themas „Gender“ zu schaffen. Genauso liegt es im Aufgabenbereich der Genderbeauftragten, Schwerpunkte zu setzen und diese zu koordinieren, um Sensibilisierungsarbeit zu fördern, sowie die sogenannte Genderkompetenz - die Fähigkeit, relevante Geschlechteraspekte zu erkennen und gleichstellungsorientiert zu bearbeiten - der Schüler_innen und Lehrpersonen zu fördern. An vielen Schulen wird Genderbeauftragten kein Platz eingeräumt, die meisten Schüler_innen wissen nicht, dass es so eine Person an ihrer Schule gibt. In Folge dessen, kommt auch die diesbezügliche Sensibilisierungsarbeit zu kurz. Der Handlungsspielraum von Genderbeauftragten muss ausgebaut werden, denn nur so kann bewusste Aufklärungsarbeit an Schulen geleitstet werden. Eine weitere Methode, um mehr Frauen in SV/LSV/BSV zu bringen, wäre das Einführen einer Frauenquote auf allen Ebenen der Schüler_innenvertretung. Diese würde garantieren, dass mehr Frauen in den schulischen Vertretungsgremien zu finden sind und so ihre Kompetenz beweisen können. Dadurch würde einerseits der Idee, Frauen hätten weniger Führungskraft und andererseits dem Fehlen von weiblichen Vorbildern effektiv entgegengearbeitet werden. Eine Quotierung soll nicht das Ziel darstellen, sondern gilt vielmehr als Mittel um ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis zu erreichen.

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Schlussfolgerung Es ist uns wichtig, mit dem SV-Genderreport aufzuzeigen, dass die Schule kein von gesellschaftlichen Mechanismen abgetrennter Raum ist und sich gesellschaftliche Benachteiligungen, Missstände und Diskriminierungen auch in der Schule abzeichnen. Politischer Bildung wird in unserem Schulsystem immer noch nicht die Relevanz entgegengebracht, die ihr zusteht. In der Sekundarstufe II der Allgemein Höher Bildenden Schulen gibt es noch nicht einmal ein eigenes Fach für Politische Bildung.
Dabei ist es wichtig, dass die Schule auch ihrem politischen Bildungsauftrag nachkommt und Jugendliche zu kritischen und sensiblen Menschen macht, die bestehenden Ungleichheiten und Machtverhältnissen entgegenwirken. Wie die Erhebung zeigt, verringert sich der Frauenanteil, je höher die Vertretungsebene ist. Die Reproduktion gesamtgesellschaftlicher Verhältnisse in der Schule führt dazu, dass junge Menschen schon früh ein männerdominiertes Vertretungs- und Politikverständnis vermittelt bekommen, nicht nur in der politischen Sphäre, sondern auch direkt in ihrem eigenen Umfeld. Diesen Umstand gilt es zu verändern! Daher ist es wichtig, direkt an den Schulen anzusetzen und sich verstärkt für die Aufhebung von Geschlechterungleichheiten einzusetzen. Denn nur eine progressive Schule kann eine Gesellschaft schaffen, in der allen die gleichen Chancen zustehen!

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