GLOBAL+ Nr. 58 | Sommer 2015

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NUMMER 58 | SOMMER 2015

Globalisierung und Nord / Süd-Politik

Arbeitsgemeinschaft Swissaid | Fastenopfer | Brot für alle | Helvetas | Caritas | Heks | www.alliancesud.ch

Ersetzt Klima- die Entwicklungshilfe? Die EZA, wie sie BafuDirektor Oberle sieht

Konzerninitiative schreckt das Business auf

FfD : Neuauflage des Nord-Süd-Konflikts


Kurz notiert Botschaft IZA: Drohender Spardruck es. (Fast) alles dreht sich bei der Diskussion über die Botschaft für die internationale Zusammenarbeit 2017 – 2020 ums Geld. Die Wachstumsprognosen für die Schweizer Euro-Wirtschaft haben sich nach Aufhebung des Mindestkurses durch die Nationalbank verschlechtert, Steuerreformen wie die Unternehmenssteuerreform II hinterlassen Löcher in der Staatskasse. Erst im Herbst wird das Budget der Schweizer IZA für die nächste Botschaftsperiode bekannt sein. Dann wird sich zeigen, ob die Verpflichtung, 0,5 Prozent des Bruttonationaleinkommens für IZA auszugeben, eingehalten wird, oder ob bei den Ärmsten weltweit gespart werden soll. Derzeit wird die Zivilgesellschaft zum Inhalt der Botschaft konsultiert. Im Dezember 2015 soll sie vom Bundesrat verabschiedet werden, Ende 2016 vom Parlament. OECD-Leitlinien : Magere Bilanz me. Vermittlungen nationaler Kontaktpunkte ( NKP ) bei der Umsetzung der OECDLeitlinien für multinationale Konzerne haben zuletzt zu einigen Zusagen geführt, es mit der Beachtung der Menschenrechte genauer zu nehmen. Aber das ist die Ausnahme statt die Regel. Zu diesem Schluss kommt

Doha-Zyklus : Zangengeburt in Nairobi? ia. « Re-Kalibrierung » lautet das Zauberwort, mit dem die Industrieländer Errungenschaften des Doha-Zyklus der WTO in Frage stellen und die Verhandlungsrunde beim nächsten Ministertreffen im Dezember in Nairobi zum Abschluss bringen möchten. Unter dem Vorwand der Vereinfachung wollen die reichen Länder Zugeständnisse bei den Agrar- und Industrieprodukten wieder verwässern. In der Landwirtschaft etwa soll der spezielle Schutzmechanismus, der den Entwicklungsländern gegen Import-

schwemmen hilft, überprüft werden. Und es soll den reichen Ländern weiterhin erlaubt bleiben, ihre Landwirtschaft zu subventionieren, ohne gleichzeitig den Marktzugang für Länder des Südens zu verbessern. Schwellen- und Entwicklungsländer zeigen kein Interesse daran, diese Rabatte zu gewähren. real21 – die Welt verstehen dh. Zusammen mit der Schweizer Journalistenschule MAZ setzt sich Alliance Sud für qualitativ hoch stehenden Auslandjournalismus ein. Die beiden haben den Verein « real21 – die Welt verstehen » gegründet, der ausgezeichnete Berichterstattung über globale Entwicklung mit einem Fonds und einem Preis fördert. Jährlich sollen 54 000 Franken für Recherchen ausgeschüttet werden, dazu kommen ein Hauptpreis von 10 000 sowie ein Förderpreis von 5000 Franken. Die erste Ausschreibung des Medienfonds läuft von Ende August bis Ende Oktober 2015. Die ersten Medienpreise werden im Herbst 2016 vergeben. Finanziert wird real21 von der Deza, die damit eine durch das Ende von InfoSud in der Deutschschweiz entstandene Lücke füllt. Weiterführende Informationen gibt es auf der Website www.real21.ch.

Impressum

Alliance Sud auf einen Blick

GLOBAL + erscheint viermal jährlich.

Präsidium Melchior Lengsfeld, Direktor Helvetas

Herausgeberin: Alliance Sud Arbeitsgemeinschaft Swissaid | Fastenopfer | Brot für alle | Helvetas | Caritas | Heks E-Mail: globalplus@alliancesud.ch Website: www.alliancesud.ch Social Media: www.facebook.com/alliancesud, www.twitter.com/AllianceSud

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Redaktion: Daniel Hitzig ( dh ), Kathrin Spichiger ( ks ), Tel. + 41 31 390 93 34/30 Bildredaktion: Nicole Aeby Grafik: Clerici Partner Design, Zürich Druck: s+z: gutzumdruck, Brig Auflage: 2400 Einzelpreis: Fr. 7.50 Jahresabo: Fr. 30.– Förderabo: mind. Fr. 50.– Inseratepreise/Beilagen: auf Anfrage Bildnachweis Titelseite: In einem Lager für intern Vertriebene in Gareida in Süd-Darfur, Sudan. © Sven Torfinn/Panos Die nächste Ausgabe von GLOBAL + erscheint Anfang Oktober 2015.

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das internationale Netzwerk OECD Watch, das 200 Klagen von NGOs aus den letzten fünfzehn Jahren untersucht hat. Folgende Punkte gilt es zu verbessern : Den NKP fehlt es ( zu ) oft an Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit, was mit der Nähe der NKP zu staatlichen Stellen zu tun hat, die Investitionsförderung betreiben ; es gibt Widerstand, Verletzungen der Menschenrechte in abschliessenden Erklärungen festzuhalten ; es fehlen Sanktionsmöglichkeiten. Under denselben Mängeln leidet auch der vom Seco betreute Schweizer NKP, wie der Bericht « Remedy Remains Rare » zur Behandlung des Falls Triumph von 2009 unterstreicht. www.oecdwatch.org

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Entwicklungspolitik – Entwicklungszusammenarbeit : Eva Schmassmann, Tel. + 41 31 390 93 40 eva.schmassmann@alliancesud.ch – Internationale Finanz- und Steuerpolitik Mark Herkenrath, Tel. + 41 31 390 93 35 mark.herkenrath@alliancesud.ch – Klima und Umwelt Jürg Staudenmann, Tel. + 41 31 390 93 32 juerg.staudenmann@alliancesud.ch – Welthandel und Investitionen Isolda Agazzi, Tel. + 41 21 612 00 97 isolda.agazzi@alliancesud.ch

– Konzerne und Menschenrechte Michel Egger, Tel. + 41 21 612 00 98 michel.egger@alliancesud.ch – Medien und Kommunikation Daniel Hitzig, Tel. + 41 31 390 93 34 daniel.hitzig@alliancesud.ch InfoDoc Bern Jris Bertschi / Emanuela Tognola / Emanuel Zeiter Tel. + 41 31 390 93 37 dokumentation@alliancesud.ch Regionalstelle Lausanne Isolda Agazzi / Michel Egger / Katia Vivas Tel. + 41 21 612 00 95/Fax + 41 21 612 00 99 lausanne@alliancesud.ch InfoDoc Lausanne Pierre Flatt / Nicolas Bugnon / Amélie Vallotton Preisig Tel. + 41 21 612 00 86 documentation@alliancesud.ch Regionalstelle Lugano Lavinia Sommaruga / Mirka Caletti Tel. + 41 91 967 33 66/Fax + 41 91 966 02 46 lugano@alliancesud.ch


Foto : © Daniel Rihs

Mehr Klimaschutz, weniger Entwicklungshilfe?

Foto : © Daniel Rihs

Aus dem Inhalt

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Bafu-Chef vor Klimagipfel in Paris « Keine zu hohen Erwartungen, bitte ! »

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Unternehmen und Menschenrechte Bund im Schlepptau der Wirtschaft

TISA-Abkommen soll 2016 kommen 10 Wikileaks legt Inhalte offen

Entwicklungsfinanzierung 12 Das Ringen um Kompromisse

Der Klimawandel kommt teuer zu stehen. Wenn wir ihn nicht bremsen, nehmen Ernteausfälle, Überflutungen tief gelegener Küstenregionen, Krankheiten, Massenwanderungen und bewaffnete Konflikte um Ressourcen zu. Ihn zu bremsen, kostet ebenfalls. Dazu müssen Energiegewinnungs-, Produktions- und Transportsysteme global auf erneuerbare Energien umgestellt werden – was unter dem Begriff Klimaschutz verstanden wird. Moderate Schätzungen gehen von jährlich 200 Milliarden Dollar aus, welche dafür ab 2020 in Schwellen- und Entwicklungsländern investiert werden müssten. Hinzu kommen 50 Milliarden jährlicher Investitionen, um sich an den Klimawandel anzupassen. Dazu gehören Küstenschutzsysteme gegen den Meeresspiegelanstieg, Veränderungen der Wasserläufe oder Umsiedlungen innerhalb betroffener Länder, um nur ein paar Punkte zu nennen. Diese 250 Milliarden fallen in den Entwicklungsländern zusätzlich zu dem an, was der weitere Ausbau der Bildungs- und Gesundheitssysteme oder der Infrastruktur kostet. Die Industrieländer versprachen in Kopenhagen 2009, sich an den gesamten Klimakosten mit 100 Milliarden jährlich, also zu 40 Prozent, zu beteiligen. Und zwar zusätzlich zur Entwicklungshilfe von heute 135 Milliarden. Unsere Länder könnten diese 100 Milliarden leicht und verursachergerecht generieren, wenn sie die heimischen Treibhausgasemissionen preislich mehr belasten, als sie es ohnehin tun müssen, wenn sie den eigenen Klimaschutz vorantreiben. Vom Willen, die dazu nötigen politischen und gesetzlichen Vorkehrungen zu treffen, ist in vielen Industrieländern, auch in der Schweiz, aber wenig zu spüren. Das zeigt exemplarisch das Interview mit Bruno Oberle, dem obersten Umweltschützer der Schweiz, in diesem Heft. Oberle behauptet apodiktisch, es sei politisch schon entschieden, dass der Klimabeitrag der Schweiz aus dem Entwicklungsbudget finanziert werde. Da dieses auf 0,5 Prozent erhöht worden sei, handle es sich um « neues, zusätzliches » Geld. Das widerspricht den internationalen Vereinbarungen. Schon bisher nahmen die Schweiz und andere westliche Länder ihre homöopathisch dosierten Klimabeiträge aus dem Entwicklungsbudget. Ab 2020 geht es aber um mehrere hundert Millionen Franken jährlich zulasten der Entwicklungsaufgaben von Deza und Seco. Für Oberle ist das kein Problem. Die Prioritäten der Entwicklungshilfe seien ständigem Modewandel unterworfen. Habe man sich früher auf Gender oder Dezentralisierung konzentriert, müsse man sich nun eben auf Klima ausrichten. Das nütze den Armen auch. Klima kann man aber so wenig essen, wie man genug zu essen kriegt, wenn der Klimawandel völlig aus dem Ruder läuft. Ceterum censeo : Oberles Vorhaben widerspricht dem Entwicklungshilfegesetz. PS : Das ist mein letztes Editorial. Dem Job entsprechend ist es nicht zu einem besinnlichen Rückblick, sondern zur Vorschau auf kommende Auseinandersetzungen geworden. Am 1. August übergebe ich die Geschäftsleitung in jüngere Hände. Peter Niggli, Geschäftsleiter von Alliance Sud

Peter Niggli wird pensioniert 15 Das Ende einer Ära

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Interview mit Bruno Oberle, Direktor des Bundesamtes für Umwelt ( Bafu )

« Klimazahlungen werden aus EntwicklungsBudget bezahlt » Jürg Staudenmann und Daniel Hitzig

Gegen eine Milliarde Franken jährlich soll die Schweiz

ab 2020 an den internationalen Klimaschutz zahlen. Der für die Klimapolitik zuständige Bafu-Direktor geht im GLOBAL+-Gespräch in die Offensive: Die Deza werde umdenken müssen. Statt auf Gender oder Gouvernanz

Fotos : © Daniel Rihs

zu setzen, soll die Schweizer EZA auf Klima umgepolt werden.

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GLOBAL+ : Was braucht es, damit der Klimagipfel in Paris in sechs Monaten nicht krachend scheitert wie jener in Kopenhagen ( 2009 ) ? Bruno Oberle : Wir erwarten nicht, dass in Paris alle anstehenden Probleme gelöst werden. Wir müssen aber vermeiden, allzu hohe Erwartungen zu wecken, um Enttäuschungen vorzubeugen. Ich fand das Ergebnis von Kopenhagen allerdings gar nicht so schlecht. Immerhin haben wir 100 Milliarden US-Dollar Klimafinanzierung pro Jahr für arme Entwicklungsländer ab 2020 beschlossen ; und wir hatten die Staatsoberhäupter versammelt, also das Thema dort platziert, wo es hingehörte. Paris soll nun konkretisieren, was man sich in Durban ( 2011 ) vorgenommen hat : Die Aufteilung der Welt zu überwinden in eine Hälfte, die reich und schuldig ist und liefern muss. Und eine andere, die arm und unschuldig ist und abwarten darf. Ein zentraler erster Pfeiler dazu sind die INDC, die Intended Nationally Determined Contributions. Mit diesen kann jedes Land selber sagen, wie viel CO2-Aussstoss zu reduzieren es bereit ist. Ein wichtiger zweiter Pfeiler sind die Regeln : MRV steht für Measurable, Reportable, Verifyable, das heisst, die Ziele sind zwar nicht verpflichtend, müssen aber überprüfbar sein. Diese neu vereinbarten Zielvorgaben und prozeduralen Regeln erlauben es reichen Staaten wie den USA und gewissen Entwicklungsländern, an Bord zu kommen und jenes Tempo anzuschlagen, das sie selbst für angebracht halten. Ein wichtiger dritter Pfeiler ist die Finanzierung, die in Kopenhagen beschlossen wurde. Dazu dienen verschiedene Quellen, der Green Climate Fund ist eines der Instrumente. Frankreich hat jetzt noch einen vierten Pfeiler definiert, und den finde ich klug : Nach dem Motto « Lasst tausend Blumen spriessen » will man schauen, was der private Sektor, was alternative Initiativen ausrichten können.


Klimakonferenzen setzen den Konsens aller Länder voraus, weshalb man sich nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigt. Über die einzelnen Staaten hinaus sind aber viele andere Player aktiv. Die Welt besteht nicht bloss aus einer Anzahl Regierungen. Man hat immer gewusst, dass der US-Senat die Kyoto-Verpflichtung nie ratifizieren wird. Hingegen sind US-Bundesstaaten so gross wie europäische Länder und eine Vielzahl privater Akteure aktiv geworden. Generell gibt es überall lahme Enten und Pioniere. Die Pioniere handeln aus Überzeugung, weil sie wissen, dass es sie in der künftigen Welt konkurrenzfähiger macht. Im Zuge der Klimakonferenz in Paris öffnet man jetzt quasi ein grosses Buch, in das jedes Land sein Reduktionsziel eintragen kann. Darin kann man später nachschauen und die Länder auf ihrem Wort behaften. Aber dabei gerät doch das Ziel aus den Augen, dass der globale Temperaturanstieg 2 Grad Celsius nicht übersteigen darf ? Das ist natürlich das alles überstrahlende Ziel, das stellt niemand in Abrede. Aber das Klima ist nur ein Element in einer viel breiteren Agenda, in deren Richtung wir uns entwickeln sollten. Nämlich die der Sustainable Development Goals ( SDG ). Das ist « The World We Want » beziehungsweise « The World We Need ». Wenn wir Sie richtig verstehen, schwingt eine gewisse Desillusionierung über die Regierungsebene mit : Die Einigung auf ein griffiges Abkommen mit ausreichenden Reduktions- und eben auch finanziellen Zielvorgaben halten Sie für eine überzogene Erwartung. Wenn Sie es so formulieren, machen Sie wieder nichts anderes, als die Enttäuschung vorwegzunehmen. Was ich sage ist : Um Resultate zu erzielen, brauchen wir die Mitwirkung von ganz vielen. Mit dem erwähnten Buch geben Staatsvertreter und führende Vertreter des privaten Sektors die allgemeine Richtung an und signalisieren, dass die Fragestellung relevant ist. Die Problemstellung, also das 2-Grad-Ziel, ist bekannt. Aber Merkel, Putin, Modi und Obama werden das Problem nicht alleine lösen. Sie werden quasi der Welt verkünden : « Dies ist ein wichtiges Thema, dieses Ziel müssen wir anstreben, es geht in diese Richtung. » Und dann werden sie, aber auch andere, ihre Beiträge liefern. Es könnten sich ja auch einzelne Länder oder Gruppen quasi als « fortschrittliche Klima-Clubs » in dieses Buch eintragen und signalisieren : « Selbst wenn Ihr noch nicht so weit seid, wir schreiten voran. » Es können sich schon Koalitionen von Willigen bilden, aber wichtig bleibt, dass diese eine gewisse Durchschlagskraft haben. Wenn sich Vanuatu, Tonga und die Schweiz zusammenschliessen, dann werden sie die Welt nicht ändern. Man weiss, welches die grossen CO2-Emittenten sind. Wenn die nicht ein Teil dieser Initiativen sind, dann könnte es bei schönen Worten bleiben. Verglichen mit unseren europäischen Nachbarn sind die Ziele der Schweiz weit weniger ambitiös. Würden wir uns mit Deutschland oder anderen grösseren Akteuren zusammentun, könnten wir auch als kleines Land viel mehr erreichen. Die inländischen Pro-Kopf-Emissionen der Schweiz sind knapp die Hälfte geringer als jene Deutschlands. Die zwei Länder sind sich sehr ähnlich – doch wir emittieren nur gut halb so viel wie

sie. Jetzt kann man uns nacheifern, oder auch nicht. Ein Element, das hilft, Probleme zu lösen, sind Technologien ; die Schweiz entwickelt und exportiert solche. China etwa produziert massenhaft Sonnenkollektoren, zu denen die Schweizer Wirtschaft massgebliche Technologie geliefert hat. Ihr Vergleich mit Deutschland unterschlägt allerdings, dass die Schweiz durch ihren viel höheren Konsum von importierten Gütern pro Kopf nochmals so viele Emissionen im Ausland erzeugt wie im Inland. Kyoto und UNFCCC ( UN-Klimarahmenkonvention ) sehen vor, dass die Rechnung nur die nationalen Emissionen erfasst. Würden alle Emissionen erfasst, für die wir verantwortlich sind, dann müsste der Staat ein Steuerungsinstrument besitzen, also Importe mit viel grauer Energie verbieten können. Damit würde man aber gegen Handelsabkommen verstossen. Wie dem auch sei, Ende Mai ist Deutschland der « Carbon Pricing Leadership Coalition » beigetreten. Das gibt der ursprünglich schweizerischen Idee eines globalen CO2-Preises wieder Aufwind : Wäre die Zeit nicht reif für die Schweiz, den Vorschlag erneut aufzutischen ? In letzter Zeit gibt es ermutigende Signale. Es spricht nach wie vor sehr viel für einen globalen CO2-Preis, weil das ein ordnungspolitisch sauberes Instrument und eine ideale Quelle für notwendige globale Investitionen wäre. Unser Vorschlag ging aber davon aus, dass alle Emissionen in allen Ländern einer Abgabe unterworfen wären. Um den Entwicklungsländern entgegenzukommen, hatten wir einen unterschiedlichen Abgabesatz für reiche und weniger reiche Länder vorgesehen. Zudem schlugen wir vor, dass die Erträge aus der Abgabe von Entwicklungsländern in nationalen Fonds verwaltet und für lokale Klimamassnahmen verwendet werden sollten.

Die Schweiz und Deutschland sind sich sehr ähnlich – doch wir emittieren nur gut halb so viel CO2 wie sie. Jetzt kann man uns nacheifern, oder auch nicht. Kommen wir zur internationalen Klimafinanzierung : Die 100 Milliarden Dollar sind zwar versprochen, aber es gibt keinen Fahrplan, wie wir bis 2020 dorthin kommen sollen. Deutschland hat vor Kurzem angekündigt, ab 2020 jährlich 4 Milliarden Euro an öffentlichen Geldern bereitzustellen. Auf die Schweiz umgerechnet, würde das 750 bis 800 Millionen Franken pro Jahr entsprechen. Ist die Schweiz bereit, Deutschland zu folgen ? Das würde den Entwicklungsländern Mut machen, sich ebenfalls zu ambitiösen Reduktionsmassnahmen zu verpflichten. Differenzieren wir : « Die Entwicklungsländer » gibt es nicht. Es besteht absolut kein Zweifel, nirgendwo, dass die LDC, die Least Developed Countries, unterstützt werden müssen und dass sie, zumindest heute, so gut wie nichts beitragen zur Klimaerwärmung. Das gilt aber nicht zwingend für alle G-77-Staaten. Grosse, aufstrebende Industrieländer wie China, Brasilien oder Süd-

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Weiterbildungsangebot in Entwicklung und Zusammenarbeit Herbstsemester 2015

Planung und Monitoring von Projekten

21.09. - 25.09.

Wirkungsanalysen: Methoden & Anwendungen

06.10. - 09.10.

M4P - Making Markets Work for the Poor

12.10. - 16.10.

Non-Renewable Resources - Fueling Development or Undermining the Future?

20.10. - 23.10.

Participatory Approaches and Qualitative Methods

26.10. - 30.10.

Aktuelle strategische Debatten in der IZA

18.11. - 20.11.

Fragile States - Politics, Security and Development

23.11. - 27.11.

VET between Poverty Alleviation and Economic Development Auskunft 端ber Zulassung und Anmeldung: www.nadel.ethz.ch

30.11. - 04.12.


afrika sind nicht mehr im selben Ausmass auf ökonomische Hilfe angewiesen. Es wird im Gegenteil darüber diskutiert werden, inwiefern sich diese Länder künftig an der Klimafinanzierung beteiligen. Klar, wir sprechen von den ärmeren Entwicklungsländern. Aber gerade von diesen wird erwartet, dass sie das zustande bringen, was wir nicht schafften : Sich zu entwickeln, ohne auf diesem Weg massiv mehr Klimagase zu emittieren. Um die Menschheit auf diesem Planeten nachhaltig und würdig zu organisieren, braucht es ausserordentlich grosse Finanzmittel. Heute ist dies dringender denn je, weil wir alle die negativen Folgen des Klimawandels zu spüren beginnen. Eine Verzögerung der nötigen Investitionen würde uns enorm viel Geld kosten, ganz abgesehen von Menschenleben. In einer solchen Situation sind die öffentlichen Finanzen schlicht und einfach überfordert. Das Problem ist nicht die Höhe der benötigten Finanzen. Es werden sowieso Aber-Milliarden in Infrastrukturen, Transport- und Produktionssysteme investiert. Es geht doch darum, sie in die richtige, treibhausgasarme Richtung zu lenken. Und um solche notwendigen Anreize zu schaffen, braucht es öffentliche Gelder. Ja, es sind sehr hohe Beträge im Klimabereich, aber auch in anderen Bereichen der Nachhaltigkeit. Und nein, es braucht nicht nur öffentliche Gelder. Sie werden ein Teil der Lösung sein, aber auch private Investoren müssen davon überzeugt werden, sich in diesem Bereich zu engagieren. Investoren, private und öffentliche, verlangen aber klar strukturierte Projekte, eine vertrauenerweckende Gouvernanz und eine Rendite. Das ist ja der Punkt : Um private Investoren « zu überzeugen », sind öffentlich finanzierte Marktsteuerungsmassnahmen notwendig. Das macht der Privatsektor nicht allein. Aber solche dürfen und können nicht aus dem Entwicklungshilfebudget finanziert werden, weil dies auch dem Entwicklungshilfegesetz widerspricht ... Zurück zur Frage der 100 Milliarden Dollar für die Klimafinanzierung. Unsere Position unterscheidet sich von jener Deutschlands. Deutschland übernimmt 10 Prozent der 100 Milliarden, und zwar zu 40 Prozent mit öffentlichen, zu 60 Prozent mit privaten Geldern. Die Schweiz macht bei der Bestimmung des eigenen Anteils an den 100 Milliarden eine Mischrechnung zwischen der Höhe des Bruttosozialprodukts und unserem inländischen Anteil an den Emissionen. Das entspricht der schweizerischen Gesetzgebung und ergibt einen Beitrag von grob geschätzt einer halben Milliarde. Davon sind ein Drittel öffentliche, zwei Drittel private Gelder. Versprochen wurden die 100 Milliarden Dollar aber als zusätzliche Gelder zur bestehenden Entwicklungshilfe. Die öffentlichen Mittel sind, wie in Kopenhagen beschlossen, neu und zusätzlich, und zwar im Rahmen der Aufstockung des ODA1-Rahmenkredites auf 0,5 Prozent des BNE. Sie sind in der Finanzplanung entsprechend vorgesehen.

Fotos : © Daniel Rihs

weiterziehen. Aber weil die schweizerische ODA auf 0,5 Pr0zent plafoniert ist, ginge die Finanzierung der internationalen Klimabeiträge ab 2020, wie Sie sie skizzieren, auf Kosten von Nahrung, Bildung, Gesundheit oder anderer klassischer Entwicklungsprojekte. Ja, das kann sein. Doch was heisst denn « klassische Entwicklungshilfe » ? Die Prioritäten der ODA werden sowieso in Zyklen immer wieder neu gesetzt : Es war schon Gender, oder auch Dezentralisierung oder Demokratieförderung. Im Moment ist das Klima im Fokus. Und es wurde entschieden, dass die Klimafinanzierung im Rahmen der ODA stattzufinden hat. Im Übrigen ist dies voll und ganz im Interesse der Ärmsten, denn sie werden von den Folgen des Klimawandels am härtesten getroffen. Wir sind gespannt, zu erfahren, was die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit ( Deza ) von Ihrer Interpretation hält, was ODA ist und was daraus bezahlt wird. Die Entwicklungsleute sind eine Community, die lernen wird, mit diesen neuen Aufgaben umzugehen. Sie müssen, weil das die Verpflichtungen sind, weil das die Richtung ist, die die Politik vorgibt. Das ist eine vernünftige Politik, und wieso sollte sich diese Community auf die Länge dagegen sperren, ein Instrument einer guten Entwicklung zu sein ? Bruno Oberle, danke für dieses Gespräch.

Das war bis jetzt vielleicht so. Und wenn auf die international vereinbarten 0,7 Prozent des BNE für ODA aufgestockt würde, könnte man diese Argumentation sogar

1 ODA : Official Development Assistance, öffentliche Entwicklungshilfe

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Die Strategie gegen die Konzernverantwortungsinitiative

Gemeinsam gegen verbindliche Regeln Michel Egger

Die Konzernverantwortungs-

initiative befeuert die Debatte um Wirtschaft und Menschenrechte. Weit auseinanderliegende Positionen sind in Bewegung geraten. Dabei zeichnet sich eine « unheilige Allianz » der Regierung mit der Wirtschaftslobby ab.

Die Ende April lancierte Volksinitiative zielt auf die Einführung einer Sorgfaltsprüfungspflicht für Schweizer Unternehmen, damit auch deren Tochter- und Zulieferfirmen die Menschenrechte und Umweltstandards überall auf der Welt einhalten.

Foto : © Martin Bichsel / Konzernverantwortungsinitiative

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Muttergesellschaften sind für Schäden, die von von ihnen kontrollierten Firmen angerichtet wurden, zivilrechtlich haftbar, ausser sie beweisen, dass sie notwendige Massnahmen getroffen haben. Die Unterschriftensammlung ( siehe Beilage in diesem Heft ) kommt gut voran, Anfang Juni sind schon mehr als 20 000 Unterschriften beisammen. Gespaltener Privatsektor Das Business hat schnell reagiert. Die NGOs wurden eingeladen, die Initiative vor dem Global Compact Network Switzerland zu präsentieren, dasselbe gilt auch für die Generalversammlung der Anlagestiftung Ethos und den « Nachhaltigkeitsgipfel » der Migros. Dabei zeigt sich der Privatsektor alles andere als geeint. Ein kleinerer Teil begrüsst einen Smart mix aus freiwilligen Massnahmen und verbindlichen gesetzlichen Regeln, so wie es die Uno-Leitprinzipien für Unternehmen und Menschenrechte vorsehen. Zu diesem Teil zählen aktive oder frühere UnternehmerInnen wie Antoinette Hunziker-Ebneter ( Forma Futura Invest ), Marc Bloch ( La Semeuse ) und Jacques Zwahlen ( Veillon ),


aber auch die Verbands- beziehungsweise Stiftungsvertreter Nick Beglinger ( Cleantech ) und Dominique Biedermann ( Ethos ). Letztere hatten auch die Motion der aussenpolitischen Kommission des Nationalrats in der Frühlingssession aktiv unterstützt, die eine Sorgfaltspflicht für Unternehmen verlangte und nur um Haaresbreite abgelehnt wurde. Die Anhänger dieses Lagers sind zahlreicher, als man vermuten könnte. Zahlreiche Unternehmen haben schon heute Sorgfaltsprüfungen eingeführt und von der Initiative dementsprechend wenig zu befürchten. Sie leiden unter jenen Firmen, welche die Schweizer Wirtschaft mit ihrer verantwortungslosen Haltung gegenüber Menschenrechten und Umweltstandards in Verruf bringen. Dies öffentlich zu sagen, ist jedoch etwas anderes, denn niemand will die Wirtschaftslobbys gegen sich aufbringen. Offiziell haben Economiesuisse und Swissholdings noch keine Position bezogen, aber ihr Njet ist dasselbe wie gegen die APK-Motion. Für sie genügen freiwillige Massnahmen, und diese müssen international von allen umgesetzt werden, damit die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Unternehmen ja nicht leidet. Was sie nicht sagen, ist, dass Lobbys wie die internationale Industrie- und Handelskammer alle entsprechenden Regulierungsversuche auf Uno-Ebene hintertrieben haben. Einzelne Schweizer Lobbyisten wie Stéphane Graber von der Geneva Trade and Shipping Association ( GTSA ) sind aber überzeugt, dass der internationale Trend Richtung Regulierung geht. So zumindest hat er seine Unterstützung der Motion begründet. Nationaler Aktionsplan soll neutralisiert werden Im Grossen und Ganzen hat sich die Regierung die Position der Wirtschaft zu eigen gemacht und setzt auf die Selbstregulierung der Firmen. Ein gutes Beispiel hierfür ist ihr Positionspapier zur sozialen Unternehmensverantwortung ( CSR ), das sie am 1. April veröffentlicht hat. Ausgeheckt wurde es vom Staatssekretariat für Wirtschaft ( Seco ), im Gegensatz zur EU wurde hierfür aber weder eine richtige Vernehmlassung durchgeführt, noch wurde analysiert, welche Auswirkungen die CSR-Praktiken der Schweizer Unternehmen haben. Rhetorisch bekennt sich der Bundesrat zwar zum Smart mix, Fleisch ist aber keiner am Knochen. Das lässt nichts Gutes erahnen für den Nationalen Aktionsplan ( NAP ) zur Umsetzung der Uno-Leitprinzipien, den der Bundesrat als Antwort auf das Postulat von Graffenried am Erarbeiten ist. Vorgesehen war die Veröffentlichung des NAP schon vor sechs Monaten, erwartet wird sie diesen Sommer. Die NGOs fragen sich besorgt, welchen Status denn der NAP mit den Menschenrechten im Zentrum gegenüber der CSRPosition, die mit Themen wie Umwelt oder Korruption weiter gefasst ist, haben wird. Für den Bundesrat sind die beiden Papiere « komplementär ». Wenn das wirklich der Fall ist, warum hat das Seco dann alles daran gesetzt, die CSR-Position vor dem NAP zu veröffentlichen, und warum soll Letzterer eine der Massnahmen sein, um Erstere umzusetzen? Wenn nicht alles täuscht, geht es ( jedoch ) darum, einen Rahmen zu schaffen, dem man den NAP unterordnen kann. Um ihn damit besser zu neutralisieren. Genauso sieht es übrigens das Business.

Lancierung der von einer breiten NGO-Koalition getragenen Konzernverantwortungsinitiative, Bern, 21. April 2015

Der Initiative den Boden entziehen Die Abteilung menschliche Sicherheit ( AMS, EDA ) setzt sich für einen weniger defensiven Ansatz in Sachen Unternehmen und Menschenrechte ein. Der abtretende Direktor Claude Wild hofft, dass freiwillige Massnahmen dereinst eher de facto als de iure obligatorisch werden. Seiner Meinung nach ist dieses Vorgehen, auf das er mit den Rohstoffhändlern setzt, das vielversprechendere als der mühsame Weg der Gesetzgebung. Das Ziel ist – indem man das Vertrauen der Unternehmen gewinnt und gleichzeitig die NGOs mit im Boot hat –, zu einer Anleitung zu kommen, wie die Uno-Leitprinzipien umgesetzt werden und die Unternehmen auch darüber Rechenschaft ablegen müssen.

Der Nationale Aktionsplan ( NAP ) soll der CSR-Position untergeordnet werden. Um ihn damit zu neutralisieren.

Die Direktion für Entwicklungszusammenarbeit ( Deza ) hat ihrerseits vor Kurzem mit dem Global Compact Network Switzerland ( GCNS ) eine öffentlich-private Partnerschaft über drei Jahre mit einem Budget von 1,2 Mio. Franken abgeschlossen. Gemäss Jean-Christophe Favre von der Deza « ist das Ziel, den Rahmen für einen geschützten Dialog mit dem Privatsektor und anderen Akteuren wie der Zivilgesellschaft und der akademischen Welt zu schaffen. Er soll erlauben, ohne taktische Hintergedanken zu diskutieren, aber auch um Instrumente zu entwickeln, die den im Ausland engagierten Schweizer KMU helfen, die Uno-Leitprinzipien umzusetzen ». Dies sei eine der Hauptachsen der geplanten Aktivitäten. Diese Partnerschaft ist Teil eines Neustarts des Schweizer Netzwerks, das heute nur von 21 der 84 Schweizer Firmen unterstützt wird, die beim Global Compact der Uno mitmachen. Es wird von Antonio Hautle, dem ehemaligen Direktor des Fastenopfers, geleitet. Ein flankierender Stakeholder-Rat mit fünf bis neun Mitgliedern, die Mehrheit davon aus der Zivilgesellschaft, soll die Glaubwürdigkeit, die Transparenz und die Effizienz des GCNS stärken. Eine Idee ist, dass das Schweizer Netzwerk als Plattform dient, um Umsetzungsfragen der CSR-Position und des zukünftigen NAP zu behandeln. Fazit : Es zeichnet sich ab, dass Regierung und Privatwirtschaft an einer gemeinsamen Strategie arbeiten, um dem Druck auf die Regulierung von Unternehmen entgegenzuwirken. Das Prinzip : Nein zu gesetzlichen Massnahmen. Die Regel : kein Schritt ohne die Zustimmung des Business. Der Motor : Multistakeholder-Prozesse. Wir erleben damit auf der Schweizer Ebene dasselbe wie auf internationaler Ebene, wo erfolgreich verhindert wurde, dass bindende Regeln für Unternehmen eingeführt werden. Das Problem der Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzungen jedoch besteht weiterhin. Mit dem Smart-mix-Ansatz macht die Initiative einen wichtigen Schritt, dass der Graben zwischen Globalisierung und gesetzlich verankertem Schutz der Menschenrechte und der Natur endlich verkleinert wird.

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Multilaterales Dienstleistungsabkommen TISA

Aus der Dunkelkammer auf die Zielgerade Isolda Agazzi

Die Verhandlungen für das Dienst-

leistungsabkommen TISA könnten 2016 abgeschlossen werden. Am umstrittensten sind die Anhänge des Vertrages. Darin bezeichnen die Staaten, auf welche Gebiete er sich genau beziehen wird. Auch Kantone und Gemeinden sind von TISA betroffen.

Seit 2012 verhandeln 24 Mitglieder der Welthandelsorganisation WTO – jedoch ausserhalb dieses Rahmens – ein ausgedehntes Vertragswerk über Dienstleistungen, das unter dem englischen Kürzel TISA ( Trade in Services Agreement ) bekannt geworden ist. Auch die Schweiz sitzt am Verhandlungstisch. Neu ist, dass die Verhandlungen 2016 abgeschlossen werden sollen. Das mag damit zu tun haben, dass die geheimen Verhandlungen dank NGOs, Medien und einiger Parlamente zu einem öffentlichen Thema wurden. Die Unterhändler wollen jetzt rasch zu einem Abschluss kommen und gegebenenfalls auch auf den Druck reagieren. Das Abkommen soll 17 Anhänge umfassen, welche die Verpflichtungen der beteiligten Staaten in folgenden Bereichen regeln : Finanzdienstleistungen, elektronischer Handel und freier Datenaustausch, Meeres-, Luft- und Strassentransporte sowie Logistik, Personenverkehr ( sogenannter Modus 4, s. unten ), Post- und Energiedienstleistungen, öffentliches Beschaffungswesen, freie Berufe ( auch solche mit Bezug zur Bildung ), Exportsubventionen, Dienstleistungen aus den Bereichen Tourismus, Gesundheit und Umwelt, innerstaatliche Regulierung sowie Transparenz. Wikileaks schafft Öffentlichkeit Diese Anhänge sollten zwar geheim bleiben, doch das Staatssekretariat für Wirtschaft ( Seco ) hat fast alle auf seiner Website zugänglich gemacht. Nicht darunter war namentlich jener über den freien Datenverkehr, der den Staaten erlauben würde, ohne Einschränkung persönliche Daten zu sammeln und ins Ausland zu transferieren. Dieser und andere Anhänge sind jedoch am 3. Juni via Wikileaks an die Öffentlichkeit gekommen. Im Rahmen dieses massiven, offenbar orchestrierten Lecks sind jetzt auch die Anhänge über die innerstaatliche Regulierung, die Transparenz und die Transporte bekannt.

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Der Anhang über die Transparenz ist problematisch. Er würde ausländischen Firmen das Recht erteilen, sich in die Entwicklung der Gesetzgebung jedes TISA-Drittstaates einzumischen. Jener über die innerstaatliche Regulierung sieht vor, dass nationale Gesetze und Regeln eliminiert würden, die es Multinationalen heute erschweren, ihre Dienstleistungen auf den Markt zu bringen. Auch der Anhang über die Energie wirft Fragen auf. Dieser Sektor ist speziell sensibel in Bezug auf Umweltfragen. Wer die Philosophie solcher Verträge kennt, muss befürchten, dass die Freiheit der Staaten, der Kantone und Gemeinden eingeschränkt werden soll, im Bereich Umweltschutz eigene Regeln zu erlassen. Zusammen mit der EU und den USA strebt die Schweiz im Bereich der Finanzdienstleistungen ( Banken und Versicherungen ), des elektronischen Handels und der Telekommunikation eine weitgehende Liberalisierung an. Die EU und die USA haben gemeinsam grosse Interessen bei Postdienstleistungen ( « delivery » ). Die Schweiz und die EU wiederum spannen beim Luftverkehr zusammen. Verschiedene Länder, darunter die Schweiz, setzen alles daran, dass die innerstaatliche Regulierung auf ein Minimum reduziert wird, namentlich bei der Gewährung von Lizenzen. Man weiss jedoch, dass beim Service public dieses Regulierungsinstrument eine wichtige Rolle spielt, vor allem wenn es um die generelle Erbringung von staatlichen Leistungen geht. Wird dieser Anhang erlauben, die ganze Breite der staatlichen Dienstleistungen im Rahmen von Lizenzregimes zu erhalten? Das ist gar nicht sicher. Die industrialisierten Länder mit der EU und den USA an der Spitze sind nicht bereit, beim Personenverkehr Konzessionen zu machen. Der diskutierte Modus 4 erlaubt Kurzaufenthalte, was für den Handel von Entwicklungsländern wie etwa der Türkei zentral ist. Die Schweiz setzt sich, zusammen mit Kanada und Australien, für einen unbürokratischen Vorschlag ein. Parlamentarische Vorstösse auf Bundesebene Das Seco führt die Verhandlungen aus eigenem Antrieb, der Bundesrat hat nie ein Mandat dafür erteilt. Bundesrat Schneider-Ammann und das Seco informieren die zuständigen parlamentarischen Kommissionen im Nachhinein nach dem Prinzip der vollendeten Tatsachen. Das heisst, sie wurden nie konsultiert, bevor über so Gravierendes wie die Negativliste, die Sperrklausel oder den Datentransfer verhandelt wurde. Zur Erinnerung : Die Negativliste bedeutet, dass all jene Dienstleistungen, die jetzt nicht explizit aufgeführt werden, in Zukunft automatisch liberalisiert werden. Die Sperrklausel besagt, dass eine Vertragspartei niemals auf eine Liberalisierung zurückkommen


darf, die nach der Ratifizierung des Abkommens eingeführt würde. Ausser es würde jetzt explizit erwähnt. Diese Prinzipien kannte bis jetzt weder die EU noch die Schweiz, aber jedes am Abkommen beteiligte Land muss sie erfüllen. Und sie scheinen in unterschiedlicher Ausprägung auch für die Anhänge zu gelten. 2014 gab es erste parlamentarische Vorstösse zu TISA. Nicht weniger als dreizehn – Interpellationen, Fragen, eine Motion und ein Postulat – wurden eingereicht.1 Unruhe lösten vor allem die Auswirkungen von TISA auf den Service public aus. Der Bundesrat antwortete, deren Liberalisierung stünde nicht zur Diskussion. Tatsächlich hat die Schweiz in ihrem Angebot2 dermassen viele Vorbehalte angebracht, dass es praktisch beim Selben bleibt wie im GATS-Abkommen der WTO von 2004, wo Post, Energie, Gesundheit und Bildung von der Deregulierung ausgeschlossen blieben. Die Frage stellt sich allerdings, wie lange die Schweiz diese Positionen noch halten kann. Sie könnte eines Tages durch andere Staaten unter Druck kommen, zumal es immer wieder darum geht, neue Angebote zu unterbreiten. Und wie reagiert die Schweiz, wenn andere Staaten Forderungen zum Schweizer Angebot stellen? Handkehrum gibt sich der Bundesrat zugeknöpft, was gewisse Anhänge betrifft : Transporte, Post, Energie, öffentliche Beschaffung, freie Lehrberufe – das alles gehört auch zum Service public. Das ist umso beunruhigender, als das Verhältnis zwischen den Anhängen und den Schweizer Angeboten unklar ist. Es ist wahrscheinlich, dass die Anhänge Vorrang geniessen. Das hiesse nichts anderes, als dass Sektoren liberalisiert werden müssten, die die Schweiz in ihrem Angebot ausgeschlossen hat.

Die Frage stellt sich, wie lange die Schweiz ihre Position halten kann. Wie wird sie reagieren, wenn sie unter Druck kommt und andere Staaten Forderungen zu ihrem Angebot stellen?

Kantonale und Gemeindeebene Vor allem in den Kantonen Genf, Waadt, Zürich und Bern gab es auch zahlreiche Vorstösse auf kantonaler und Gemeindeebene, denn diese werden direkt von TISA betroffen sein. Das Seco bestätigt, dass die Schweiz die Sperrklausel auf Kantonsund Gemeindeebene ausgeschlossen hat. Aber kann es diese Position bis zum Schluss der Verhandlungen durchhalten? Und damit ermöglichen, dass Gemeinden, die es wünschen, ihre Energieversorgung wieder selbst in die Hand nehmen oder das Abfall-, Abwasser- und Entsorgungswesen weiter selbst organisieren, so wie es heute in den meisten Schweizer Gemeinden der Fall ist. Wie auch immer die Verhandlungen ausgehen, Alliance Sud möchte, dass das Ergebnis dem fakultativen Referendum unterstellt wird, so wie es Art. 141 der Bundesverfassung für internationale Verträge mit derartiger Tragweite vorsieht.

1 Alle Vorstösse auf einen Blick via www.admin.ch, http:// bit.ly/1ctkMSy 2 Überblick über das Schweizer Angebot via www.seco.admin.ch, http:// bit.ly/1sM9w7c

Auch in der Schweiz schliessen sich immer breitere Kreise dem Protest gegen das TISA-Abkommen an. Foto : © Martial Trezzini / Keystone

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Der Streit über die Entwicklungsfinanzierung

Diplomatisches Tauziehen im Schicksalsjahr Eva Schmassmann

Im Juli will die internationale Staatengemeinschaft in Addis Abeba

das Schlussdokument zur Entwicklungsfinanzierung verabschieden. Doch die Verhandlungen verlaufen harzig, in zentralen Fragen sind noch keine Kompromisse in Sicht. Drei zusätzliche Verhandlungswochen sollen den Durchbruch bringen. Die Analyse der Hauptstreitpunkte.

Die Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung ( Financing for Development, FfD ) in Addis Abeba soll den Weg weisen, wie die Uno-Agenda für nachhaltige Entwicklung ( Sustainable Development Goals, SDG ) finanziert werden kann. Diese wird im September von der Uno-Generalversammlung verabschiedet werden.

Die G-77 fordert eine Zusage für eine weitere Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung. Ausserhalb der SDG. Streitpunkt 1 : Wie verhalten sich FfD und SDG zueinander? Die Industrieländer, allen voran die EU, sehen die Entwicklungsfinanzierung als integralen Teil der SDG-Agenda. Addis Abeba soll die Mittel zur Umsetzung der ambitiösen Ziele für eine nachhaltige Entwicklung liefern und das Ziel 17 der SDG ( « Stärkung der Mittel zur Umsetzung » ) ausformulieren und die Umsetzung von Ziel 17 quasi vorwegnehmen. Anderer Meinung ist die G-77, der Zusammenschluss der Schwellen- und Entwicklungsländer. Sie wollen sich die Möglichkeit offen halten, bis September über gewisse Umsetzungsoptionen der SDG zu verhandeln. Ausserdem bietet für sie die bei der Uno angesiedelte FfD-Konferenz einen universellen Rahmen, um über Themen zu verhandeln, die ansonsten gern von den reichen Ländern unter sich abgemacht werden, beispielsweise in der OECD. Wenn es künftig nur noch einen gemeinsamen Follow-up-Prozess zum gesamten Post-2015-Rahmenwerk der SDG gibt, wie dies unter anderem von der Schweiz und der EU favorisiert wird, so sehen die G-77 die Gefahr, dass die traditionellen FfD-Themen ihre Eigenständigkeit verlieren. Angesichts des breiten Themenspektrums der SDG – vom Zugang zu sauberer Energie bis zum

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Schutz der Ozeane – ist diese Angst verständlich. Entsprechend fordert die G-77 eine klare Zusage für eine vierte Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung. Neben dieser grundlegenden prozessualen Frage haben sich in den Verhandlungen zwei inhaltliche Knackpunkte herauskristallisiert. Können sie nicht gelöst werden, droht sich der Streit auf den Uno-Gipfel im September zu übertragen. Ganz zu schweigen davon, dass sich die politischen Blockaden in den Klimaverhandlungen noch schwerer lösen lassen werden. Streitpunkt 2 : Ein Gremium für Steuerfragen Der Streit dreht sich um die Frage, wie Steuereinnahmen in den Dienst der Entwicklung gestellt werden können. Die Industrieländer sehen in der Mobilisierung nationaler Steuereinnahmen in Entwicklungsländern grosses Potenzial. Effizientere Steuerverwaltungen könnten somit einen wichtigen Beitrag im Bereich Bildung, Gesundheit und Armutsbekämpfung leisten. Dafür wollen Länder wie die Schweiz auch Entwicklungsgelder in die Hand nehmen und die entsprechenden Institutionen stärken. Dies ist sicherlich wichtig. Allerdings lenkt es ab vom eigentlichen Skandal der internationalen Steueroptimierung und Steuerflucht, durch die den Entwicklungsländern je nach Schätzung jährlich zwischen 170 und 280 Mrd. US-Dollar an Steuereinnahmen entgehen. Die Entwicklungsländer beharren daher zu Recht darauf, dass diese Geldabflüsse gestoppt werden müssen. Dazu braucht es aus ihrer Sicht ein intergouvernementales Gremium, ausgerüstet mit den notwendigen Mitteln und dem entsprechenden Mandat. Deutschland hat signalisiert, dass es bereit wäre, das bestehende Komitee finanziell stärker zu unterstützen. Dessen Mandat soll jedoch nicht ausgebaut werden. Den G-77 geht dies zu wenig weit. Sie bestehen darauf, dass die Ausgestaltung der Zusammenarbeit in Steuerfragen nicht länger der OECD überlassen wird. Dieser exklusive Club der reichen Industrieländer hat derzeit die Federführung der internationalen Initiativen gegen Steuerflucht und Steuerhinterziehung. Die Entwicklungsländer sind vom Entscheidungsprozess ausgeschlossen. Das neu zu schaffende Gremium


soll hingegen allen Ländern gleichberechtigte Mitsprache garantieren. Streitpunkt 3 : Verfahren für Schuldenrestrukturierung Auch beim zweiten inhaltlichen Knackpunkt stehen sich die G-77 und die Industrieländer diametral gegenüber. Die Entwicklungsländer fordern schon lange ein geregeltes Verfahren zur Schuldenrestrukturierung. Da Staaten nicht Konkurs anmelden können, schleppen sich aussichtslose Verschuldungssituationen oft zu lange hin ( siehe GLOBAL+ Nr. 57, Frühling 2015 ). Um die alten Schulden zu bedienen, müssen sie neue Kredite aufnehmen, und die Schuldenspirale dreht sich immer schneller. Diese Gelder könnten mit einem fairen und transparenten Insolvenzmechanismus für nachhaltige Entwicklungsprojekte freigesetzt werden. Im September 2014 wurde in der Uno die Basis gelegt für Verhandlungen hin zu einem multilateralen Rechtsrahmen für die Restrukturierung von Staatsschulden. Die Entwicklungsländer fordern, dass die Notwendigkeit eines solchen Verfahrens in Addis Abeba bestätigt wird. Doch insbesondere die USA sperren sich dagegen. Für sie sollen weiterhin der Internationale Währungsfonds sowie die OECD die Debatte dazu führen. Im IWF haben die USA aufgrund der Stimmgewichtung faktisch ein Vetorecht. Auch die Schweiz sperrt sich offenbar gegen die Erwähnung des Uno-Verfahrens im Schlussdokument. Damit gefährdet sie nicht nur die Konferenz in Addis Abeba. Wenn die Industrieländer nicht mindestens in einem der beiden inhaltlichen Streitpunkte der Forderung der G-77 nachgeben, wird dies auch die Klimaverhandlungen zusätzlich belasten.

Der Dauerbrenner : Die Höhe der ODA Doch auch in anderen Fragen herrscht Uneinigkeit. Darunter die Höhe und Rolle der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit ( Official Development Assistance, ODA ). Die Industrieländer wollen ODA stärker als Katalysator zur Mobilisierung privater und nationaler Mittel nutzen. Die Entwicklungsländer sehen dies skeptisch. Denn der Erhalt öffentlicher Gelder spielt für sie weiterhin die zentrale Rolle in der Entwicklungsfinanzierung. Insbesondere fordern sie, dass das vor Jahrzehnten gegebene Versprechen, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens ( BNE ) für Entwicklungshilfe einzusetzen, endlich eingelöst wird – und zwar spätestens 2020. Die Industrieländer sind zwar einverstanden, das Ziel erneut zu bestätigen. Sie sind jedoch nicht bereit, sich auf einen verbindlichen Zeitrahmen einzulassen. Fazit : Bis Ende Juni soll ein bereinigter Entwurf des Schlussdokuments für die Entwicklungskonferenz in Addis Abeba vorliegen. Die Zeit drängt, sich in den zentralen Fragen zu einigen. Für Alliance Sud ist klar, dass es jetzt an den Industrieländern liegt, zu zeigen, dass sie bereit sind, die Entwicklungsländer bei der Erreichung der SDG zu unterstützen. Dazu braucht es ein Entgegenkommen in zumindest einer der zentralen Forderungen : dem internationalen Kampf gegen Steuerflucht und -hinterziehung oder jener der Entschuldung. Es braucht aber auch die Zusage für finanzielle Mittel. Damit würde sich wohl auch der Streitpunkt über die Eigenständigkeit des FfD-Prozesses entschärfen lassen. Wenn das in Addis Abeba unterschriebene Schlussdokument zufriedenstellend ist, kann auch die G-77 es als Umsetzungsplan der SDG akzeptieren. Eine ungewisse Zukunft erwartet diese Kinder. Von einer lokalen NGO geführte Krippe in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka.

Foto : © Sven Torfinn / Panos

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Lesezeichen

Zeitschriften-Lese ( n )

Kindheit in Afrika

Eine letzte Druckausgabe « Entwicklung und Zusammenarbeit : E + Z » ist im Mai das letzte Mal als gedrucktes Monatsheft erschienen und wird fortan als E-Paper angeboten. Das aktuelle Titelthema lautet « Benachteiligte Gruppen », die oft Mehrfachdiskriminierungen ausgesetzt sind. Beispiele sind Frauen in Bolivien, die unter geschlechtsspezifischer Gewalt leiden, Vertriebene infolge von Land Grabbing oder die Rohingya-Minderheit in Burma.

Afrikanische Kindheiten : Soziale Elternschaft und Waisenhilfe in der Subsahara / Michaela Fink, Reimer Gronemeyer ( Hg. ) Bielefeld : Transcript, 2014. 262 S.

Armut, Hunger, Gewalt, aber auch die Aids-Epidemie sind in Afrika mitverantwortlich für die sich rasch ändernden Familienstrukturen. Entsprechend komplex sind die Themen soziale Elternschaft und Waisenhilfe. Der Schwerpunkt der Beiträge in « Afrikanische Kindheiten » liegt in Namibia, einem der Länder mit der weltweit höchsten HIV-Prävalenzrate. Gemäss Schätzungen haben gegenwärtig 15 Millionen Kinder und Jugendliche in Afrika einen oder beide Elternteile durch Aids verloren. Bislang sind diese Waisen meist von ihren erweiterten Grossfamilien aufgenommen und versorgt worden. Wegen der grossen Anzahl an Waisen geraten die familiären Strukturen jedoch an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Auch Modernisierungsprozesse wie Mobilität und Urbanisierung bringen die traditionellen Familienzusammenhänge zunehmend durcheinander. > Ausleihbar bei Alliance Sud InfoDoc unter der Signatur : AF/af/129

www.dandc.eu/de

Ein fünfzigster Geburtstag « Africa Spectrum », eine der führenden wissenschaftlichen Publikationen zu Afrika, begeht mit Ausgabe 1/2015 das 50-JahrJubiläum. Von den sechs Hauptbeiträgen sei die Analyse der angeblichen Proteste gegen « Charlie Hebdo » in Niger herausgegriffen. Für den Autor stehen nicht die Mohammed-Karikaturen, also religiös-fundamentalistische Motive, hinter den Unruhen vom Januar 2015, sondern die fehlende Perspektive der meist jugendlichen Protestierenden. www.africa-spectrum.org

Monbijoustrasse 29/31, 3011 Bern Öffnungszeiten : 13.30 – 17.30 h ( Mo – Fr ) dokumentation@alliancesud.ch, www.alliancesud.ch/dokumentation

Karussell — Nach fast zwanzig Jahren hat Albert Schnyder, Bereichsleiter Internationale Zusammenarbeit, Caritas zugunsten neuer Herausforderungen verlassen. Direktor Hugo Fasel übernimmt ad interim. — Bei Brot für alle übernimmt Bernard DuPasquier am 1. September die Geschäftsleitung von Beat Dietschy. Die Leiterinnen zweier neu geschaffener Ressorts, Elke Fassbender ( Fundraising & Marketing ) und Regula Reidhaar ( Kommunikation & Bildung ) sind neu auch Mitglieder der Geschäftsleitung. Die Leitung des Ressorts Knowledge Sharing & Kooperationssysteme übernimmt Barbara Lutz von Bernard DuPasquier. Neuer Leiter von Bildung & Theologie ist der Pfarrer Jan Tschannen. Das Fundraising-Team wurde durch Mathias Raeber verstärkt. — Die neue Fachverantwortliche Bildung und Theologie bei Fastenopfer heisst Sonja Kaufmann. Neu in den Fastenopfer-Stiftungsrat wurden Alt-Regierungsrat Luigi Pedrazzini, die Ständerätin Anne SeydouxChriste, der Unternehmer Beat Curau-Aeppli sowie Peter Niggli ( S. 15 ) gewählt.

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— Der Datenbankmanager Andreas Kürsteiner stösst von World Vision zu Helvetas. Der Personalentwickler Philippe Vaneberg hat sich selbständig gemacht. — Maya Tissafi, bisher Chefin der Regionalen Zusammenarbeit und Vizedirektorin der Deza, wird Botschafterin in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Ihr Nachfolger ist Thomas Greminger, bisher OSZE-Botschafter in Wien. Silvio Flückiger, bisher stv. Koordinator im Kobü Kigali, wird Stabschef der Humanitären Hilfe, er löst Nicole Ruder ab, die Chefin der Abteilung Globale Institutionen wird. Barbara Jäggi Hasler, bisher stv. Koordinatorin im Kobü La Paz, wechselt in derselben Funktion zum Regionalprogramm Mekong in Vientiane, dies im Jobsharing mit ihrem Ehemann Martin Hasler. In La Paz übernimmt Nadia Ottiger, bisher Programmbeauftragte im Kobü Pretoria. Olivier Chave wechselt aus Tansania in die Schweizer Mission bei den UN-Organisationen in Rom. Irène Kränzlin Espinoza wird Programmbeauftragte in der Abteilung Westbalkan. Lea Valaulta, bisher stv. Koor-

dinatorin in der Botschaft in Amman, wird neu stv. Sektionschefin Qualitätssicherung. Sie löst Lothar Seethaler ab, der als Programmbeauftragter in den Niger geht. Die neue Programmbeauftragte in der Abteilung Westafrika ist Maria Brüning. Sie löst Nicole Gantenbein ab, die als stv. Koordinatorin ins Kobü Niamey wechselt. Robert Odile, bisher EDA-Generalsekretariat, wird Programmbeauftragter in der Abteilung Ost- und Südliches Afrika. Aus dem EDAStab wechselt Melanie Büsch als Programmbeauftragte ins Kobü Kabul. Dort wird Esther Oester, bisher in Juba im Südsudan, die neue Koordinatorin. Sie löst Marianne Huber ab, die in die Zentrale in die Abteilung Südasien zurückkehrt. Géraldine Zeuner, bisher Chefin IZA in Daressalam, wird neu Programmbeauftragte für Kultur und Entwicklung in der Abteilung Lernen, Wissen, Kultur. In Tansania wird sie von Romana Tedeschi abgelöst. Aus der Uno-Mission in New York wechselt Beate Elsässer als Chefin ins Kobü Dhaka.


Zum Abschied von Peter Niggli von Alliance Sud

Der Unpensionierbare Melchior Lengsfeld*

Mit Superlativen soll man vorsichtig umgehen.

Doch der Abschied von Peter Niggli Ende Juli als Geschäftsleiter

Foto : © Daniel Rihs / Alliance Sud

von Alliance Sud markiert das Ende einer Ära.

Peter Niggli: Kein Mangel an Argumenten für die Sache von Alliance Sud.

Peter Niggli war schon sieben Jahre Geschäftsleiter der Arbeitsgemeinschaft der Schweizer Hilfswerke, als ich 2005 die Leitung von Helvetas übernahm. Also just in jenem Jahr, als unsere entwicklungspolitische Fachorganisation den viel eleganteren Namen Alliance Sud annahm. Als Geschäftsleiter war Peter in den letzten 17 Jahren der Denker und Lenker hinter zahlreichen Kampagnen, hinter deren Argumentation und Strategie und – das ist es, was letztlich zählt – hinter deren Erfolg im politischen Räderwerk der Schweiz. Der Einsatz für ein Ja zum Schweizer Uno-Beitritt, die Verankerung des Ziels, dass 0,5 Prozent des Schweizer Nationaleinkommens in die Entwicklungszusammenarbeit fliessen sollen, und die erfolgreiche Petition « Recht ohne Grenzen », die schliesslich zur Lancierung der ersten ausschliesslich von NGOs getragenen Volksinitiative geführt hat, das sind nur die herausragenden Stationen, die in Peters Amtszeit fallen. Alliance Sud, und überhaupt die ganze Schweizer NGO-Welt, hat dabei enorm von Peters Sachkenntnis, seinem

politischen Gespür, seiner Fähigkeit zu überzeugen, Koalitionen und Allianzen zu schmieden, profitiert. Drei Direktoren der nationalen Entwicklungsagentur Deza hat er erlebt, die Entstehung und Umsetzungen von vier Botschaften über die Ausgestaltung der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit hat Peter mit seinem scharfen Verstand mitgeprägt. Ein dicker roter Faden war dabei Peters Pochen auf entwicklungspolitischer Kohärenz, was ihm selbst bei den politischen Gegnern bis weit ins konservative Lager unverhohlenen Respekt verschaffte. Ob in der Politik oder in der Verwaltung, unter NGO-Leuten, mit denen man sich für eine gemeinsame Sache einsetzte oder im Kontakt mit Medienschaffenden : Peters klare und kompetente Analysen liessen niemanden unbeeindruckt. Und er liebt es zu debattieren, war und ist ein geschliffener Redner, dem zuzuhören eine Freude ist. Dabei ging es Peter bei aller Liebe zur Zuspitzung und zur geschickt gesetzten Pointe immer um die Sache. Unzulässige Übertreibung ist nicht seine Sache, dafür präzise Analyse

aufgrund genau recherchierter Fakten. Das gilt auch für seine beiden Bücher « Nach der Globalisierung » ( 2004 ) und « Der Streit um die Entwicklungshilfe » ( 2008 ), die zu eigentlichen Standardwerken geworden sind. Seine Arbeit bei Alliance Sud war für Peter mehr als ein Job. Ob in unzähligen Vorträgen, in der Bildungs- und Vermittlungsarbeit, bei der Einführung von neuen Mitarbeitenden bei Alliance Sud oder ihren Träger- und Partnerorganisationen : Peters hoher persönlicher Einsatz und Engagement waren für ihn immer selbstverständlich. Wie er es geschafft hat, sich in den Aktenstössen, Artikelsammlungen und Analysen aus den verschiedensten Quellen, die sich in seinem Büro türmen, zurechtzufinden, das habe nicht nur ich bewundert. Sein Gedächtnis, sein Sinn für das Ganze, seine Fähigkeit, Weltpolitik auch in kleinen Geschichten und Anekdoten auf den Punkt zu bringen ! Und nicht zu vergessen : Peter hat einen unvergleichlichen Schalk und Humor – eine nicht zu unterschätzende Stärke im nicht immer einfachen Umfeld, in dem wir uns bewegen. Dass Peter Ende Juli pensioniert wird, scheint schwer vorstellbar : Sein Temperament und seine politische Energie im Ruhestand? Und tatsächlich werden wir nicht ganz auf seine Stimme verzichten müssen. Peter ist in den letzten Wochen in den Vorstand von Fastenopfer gewählt worden, der Generalversammlung von Helvetas ist er zur Wahl in den Zentralvorstand vorgeschlagen. Und er ist Mitglied im Initiativkomitee der Konzernverantwortungsinitiative. Für seinen Einsatz und seine Verdienste für eine solidarische Schweiz, die sich ihrer Verantwortung in der Welt bewusst ist, gebührt ihm höchste Anerkennung. Ein ganz grosses Dankeschön für alles, lieber Peter ! * Melchior Lengsfeld ist zurzeit Präsident von Alliance Sud.

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Von Alliance Sud ins Bild gesetzt.

Zahlen und Fakten zur humanitären Hilfe Quellen: www.admin.ch, Glückskette, www.globalhumanitarianassistance.org

Im nepalesischen Bhaktapur, das auf der Unesco-Liste des Weltkulturerbes steht, hat das Erdbeben verheerende Schäden angerichtet. Fotograf Remo Nägeli begleitete vom 28. April bis am 4. Mai ein Team der Humanitären Hilfe ( Deza ) nach Nepal. Dieses hatte den Auftrag, das Spital in Gorkha unweit des Epizentrums zu unterstützen. Im Gegensatz zur Hauptstadt war die Zerstörung in dieser Region augenfällig ; ganze Dörfer sind völlig zerstört worden. « Mich hat die Tapferkeit der Bevölkerung sehr beeindruckt, nie habe ich ein Jammern vernommen. Auch spürte ich als Fotograf nie Ablehnung, die Menschen haben uns ganz offen ihre schwere Lebenssituation gezeigt », erzählt der Reporter.

Remo Nägeli ( 43 ) lebt und arbeitet in Blumenstein bei Thun. Nach einer Schreinerlehre stösst er 2001 zur GaF, Gruppe autodidaktischer FotografInnen Bern, 2004 Lehrgang für Pressefotographie am MAZ, Luzern. Seither freischaffend. www.remonaegeli.ch

13 Prozent

25 Mio. CHF

4,6 Mrd. US-Dollar

der öffentlichen Entwicklungshilfe ( ODA ) der Schweizist humanitäre Hilfe ( 2014 ) .

sammelte die Glückskette für Nepal. 19,5 Mio. für Syrien seit Kriegsbeginn.

fehlten der Uno ( 2013 ) , um die humanitären Bedürfnisse zu decken.

GLOBAL + Postfach 6735 | 3001 Bern | Telefon + 41 31 390 93 30 E-Mail : globalplus@alliancesud.ch | www.facebook.com/alliancesud

Foto : © Remo Nägeli

www.alliancesud.ch


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