NUMMER 49 | Frühling 2013
Globalisierung und Nord / Süd-Politik
Arbeitsgemeinschaft Swissaid | Fastenopfer | Brot für alle | Helvetas | Caritas | Heks | www.alliancesud.ch
Armutsbekämpfung, Nachhaltigkeit: Wie weiter nach 2015? Burma: Leitplanken für Investoren
Potentatengelder: Aus der Geschichte lernen
WTO: Industrieländer machen Druck
Kurz notiert Steuerpolitik: Nationalrat will Infos mh. Der Nationalrat fordert den Bundesrat auf, über seine Steuerpolitik gegenüber Entwicklungsländern Rechenschaft abzulegen. In der Frühlingssession hat er ein entsprechendes Postulat der Wirtschaftskommission verabschiedet. So will der Rat wissen, welche finanziellen Folgen eine in Doppelbesteuerungsabkommen verlangte Senkung der Quellensteuersätze hat und nach welchen Kriterien der Bundesrat entscheidet, ob er mit einem Land ein Doppelbesteuerungsabkommen oder ein einfacheres Abkommen zum Austausch von Steuerinformationen (TIAE) abschliessen will. Ein soeben publiziertes Analysepapier von Alliance Sud zeigt, dass die Schweiz bisher erst mit 5 Prozent aller Entwicklungsländer eine erweiterte Amtshilfe vereinbart hat, um Steuerhinterziehung zu vermeiden: www.alliancesud.ch/publikationen. Shell Nigeria in Holland verurteilt me. Vier Kleinbauern aus dem Nigerdelta haben vor einem niederländischen Gericht gegen den Ölkonzern Royal Dutch Shell geklagt. Der Konzern habe seine Sorgfaltspflicht verletzt, weil er die massive Verschmutzung von Ackerland durch Lecks in den Ölpipelines seiner Tochterfirma Shell
EU-Initiative gegen Wasserprivatisierung nw. Europaweit sammeln AktivistInnen Unterschriften für eine Bürgerinitiative «Wasser und sanitäre Grundversorgung sind ein Menschenrecht». Sie wollen die Umsetzung einer EU-Richtlinie verhindern, welche beim Wasser eine Marktöffnung durchsetzen will. Konkret soll die Trinkwasserversorgung öffentlich ausgeschrieben und damit für private Anbieter geöffnet werden. Statt dessen fordern die InitiantInnen ein Gesetz, welches die Wasserversorgung als öffentliche Dienstleistung für alle sicherstellt. Mit der 2012 eingeführten Europäischen Bürgerinitiative kann die EU-Kommission gezwungen werden, sich erneut mit einem The-
ma zu beschäftigen. Nötig sind eine Million Unterschriften aus sieben EU-Ländern. Eine Volksabstimmung ist nicht vorgesehen. Die Wasser-Initiative wurde bisher von über 1,2 Millionen Menschen unterzeichnet und soll im Herbst eingereicht werden. – www.right2water.eu Kritik an Weltbanktochter IFC ns. Oxfam und das Bretton Woods Project (BWP) fordern eine grundlegende Erneuerung der Kreditvergabepraxis der Weltbanktochter International Finance Corporation (IFC) an Finanzplatzakteure. Eine Prüfung durch unabhängige Berater der Weltbank habe gezeigt, dass die IFC keine ökologischen und sozialen Verträglichkeitsprüfungen durchführt und daher «sehr wenig weiss» über die Auswirkungen seiner Kredite auf lokale Gemeinschaften und die Umwelt. Dies, obschon die IFC-Kredite an Finanzmarktakteure stetig wachsen und sich aktuell auf fast 20 Mrd. Dollar (40 % des IFC-Portfolios) belaufen. Das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco betrachtet den IFC als komplementären Umsetzungspartner in der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit und vervierfachte seinen Beitrag an die IFC-Be ratungsdienste in den letzten drei Jahren von 15 auf 57 Millionen Dollar jährlich.
Impressum
Alliance Sud auf einen Blick
GLOBAL + erscheint viermal jährlich.
Präsidium Hugo Fasel, Direktor Caritas Schweiz
Herausgeberin: Alliance Sud Arbeitsgemeinschaft Swissaid | Fastenopfer | Brot für alle Helvetas | Caritas | Heks Monbijoustrasse 31, Postfach 6735, 3001 Bern Tel. 031 390 93 30, Fax 031 390 93 31 globalplus@alliancesud.ch www.alliancesud.ch
Geschäftsstelle Peter Niggli (Geschäftsleiter) Kathrin Spichiger, Rosa Amelia Fierro Postfach 6735, 3001 Bern Tel. 031 390 93 30 Fax 031 390 93 31 mail@alliancesud.ch
Redaktion: Pepo Hofstetter (ph), Kathrin Spichiger (ks) Tel. 031 390 93 34/30 Grafik: Clerici Partner Design, Zürich Druck: s+z: gutzumdruck, Brig Auflage: 2400 Einzelpreis: Fr. 7.50 Jahresabo: Fr. 30.– Förderabo: mind. Fr. 50.– Inseratepreise/Beilagen: auf Anfrage Bildnachweis Titelseite: Keystone Die nächste Ausgabe erscheint im Juni 2013.
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Nigeria nicht verhindert habe. Drei Klagen wurden abgewiesen, was zeigt, wie schwierig es für Betroffene ist, vor Gerichten Genugtuung zu erhalten. In einem Fall bezweifelte das holländische Gericht zwar eine Verantwortung des Mutterkonzerns, verurteilte jedoch die Tochterfirma Shell Nigeria wegen Nichtbefolgung der Sorgfaltspflicht zu Schadenersatz. Der Fall ist bemerkenswert, weil sich zum ersten Mal ein multinationaler Konzern vor einem holländischen Gericht für seine Tätigkeit im Ausland verantworten musste.
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Entwicklungspolitik – E ntwicklungszusammenarbeit: Nina Schneider, Tel. 031 390 93 40 nina.schneider@alliancesud.ch – H andel / WTO: Isolda Agazzi / Michel Egger Tel. 021 612 00 95 lausanne@alliancesud.ch – I nternat. Finanz- und Steuerpolitik Mark Herkenrath, Tel. 031 390 93 35 mark.herkenrath@alliancesud.ch – I nternat. Umwelt- und Klimapolitik Nicole Werner, Tel. 031 390 93 32 nicole.werner@alliancesud.ch – M edienstelle Daniel Hitzig, Tel. 031 390 93 34 daniel.hitzig@alliancesud.ch
Dokumentationszentrum Bern Jris Bertschi / Emanuela Tognola / Renate Zimmermann Tel. 031 390 93 37 dokumentation@alliancesud.ch Regionalstelle Lausanne Isolda Agazzi / Michel Egger / Frédéric Russbach Tel. 021 612 00 95 / Fax 021 612 00 99 lausanne@alliancesud.ch Dokumentationszentrum Lausanne Nicolas Bugnon, Pierre Flatt, Amélie Vallotton Preisig Tel. 021 612 00 86, doc@alliancesud.ch Regionalstelle Lugano Lavinia Sommaruga / Silvia Carton Tel. 091 967 33 66, Fax 091 966 02 46 lugano@alliancesud.ch
Schadenersatzklagen als Geschäft Daniel Rihs
Falls Sie ChefIn eines multinationalen Unternehmens sind, das in Libyen investierte, sind Ihre Anlagen im Bürgerkrieg wahrscheinlich beschädigt oder zerstört worden. Falls Sie griechische Staatspapiere besassen und diese nicht rechtzeitig abstiessen, bevor sich die Gläubiger mit dem Land auf einen Schuldenschnitt einigten, haben Sie einen Teil Ihres Geldes verloren. Was tun gegen solche Widrigkeiten? Ein kleiner Kreis europäischer und nordamerikanischer Anwaltskanzleien hilft Ihnen gerne – für 300 bis 1000 Dollar pro Stunde plus Gewinnbeteiligung. Sie sind auf das einseitige Klagerecht von Privatinvestoren gegen Staaten spezialisiert, das in den weltweit rund 3000 Investitionsschutzabkommen enthalten ist. Diese Anwälte würden Ihnen raten, gegen den libyschen oder griechischen Staat zu klagen. Bei Libyen argumentiert etwa Cleary Gottlieb Steen & Hamilton (USA), der Staat sei entschädigungspflichtig für die «Zerstörung durch libysche Streitkräfte oder sonstige Staatsorgane». Und er hafte auch für Schäden durch «nicht staatliche Kräfte», gegen die der Staat «vollen und dauerhaften Schutz» gewähren müsse. Melden sich Klienten, werden die Anwälte entsprechende Formulierungen finden, welche auch die neue libysche Regierung in die Pflicht nehmen. Noch hat diese keine Entschädigungsklage erhalten, aber die Kanzlei Clyde & Co (UK) eröffnete in Libyen vorsorglich schon mal ein Büro. Im Falle Griechenlands bereitet die deutsche Kanzlei Gröpper Köpke für 500 Anleger eine Schadenersatzklage vor, um den Schuldenschnitt auszuhebeln. Es sei falsch zu denken, Griechenland habe kein Geld mehr: «Der Staat hat ausserhalb seines Hoheitsgebiets erhebliches Vermögen. Man denke nur an die Botschaften. Das sind wertvolle Liegenschaften.» Diese Anwälte-Geschäftsleute warten nicht passiv auf Aufträge, sondern fordern, wie kürzlich eine Studie zeigte, Unternehmen aktiv auf, Klagechancen gegen diese oder jene Staaten wahrzunehmen. Sie wirken bei den privaten Schiedsgerichten für Investitionsstreitigkeiten nicht nur als Parteivertreter, sondern auch als sogenannt «neutrale» Schiedsrichter. Neuerdings gibt es Finanzunternehmen, die Drittfinanzierungen für Investitionsschutzklagen anbieten und über die «innovative» Bündelung solcher Klagen in einer eigenen Klasse von Wertpapieren nachdenken. Das Parlament hat kürzlich zum ersten Mal ein Investitionsschutzabkommen, nämlich das mit Tunesien, hinterfragt und zum Klagerecht des Investors gegen den Staat kritische Fragen gestellt. Es sollte darauf beharren, dass der Bundesrat künftig auf eine solche Klausel verzichtet oder sie zumindest stark einschränkt und den Partnerländern eine Revision der Abkommen anbietet. Es macht keinen Sinn, dass die Investitionskläger-Industrie die offizielle Politik unterlaufen und torpedieren kann, wie etwa die Unterstützung post-revolutionärer Länder in Nordafrika oder die Einführung eines geordneten Insolvenzverfahrens für Staaten.
Aus dem Inhalt 4
Post-2015-Entwicklungsagenda (1) «Es droht eine Überdosis an Konsultationen»
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Post-2015-Entwicklungsagenda (2) Die Forderungen der Frauen
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Multinationale Konzerne Run auf Burma braucht Leitplanken
Potentatengelder 10 Aus der Geschichte lernen
Peter Niggli, Geschäftsleiter Alliance Sud
Handel mit Dienstleistungen 12 Industrieländer machen Druck
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Debatte um eine neue Entwicklungsagenda nach 2015 (1)
«Es droht eine Überdosis an Konsultationen» Die Uno hat weltweit eine Debatte über die neue Entwicklungsagenda lanciert, die 2015 den Millenniumszielen folgen und globale Nachhaltigkeitsziele enthalten soll. Jens Martens, langjähriger Beobachter der internationalen Entwicklungsund Umweltpolitik, warnt vor einer Überdosis an Konsultationen. NGOs sollten Alternativen entwickeln, die über das derzeit politisch Machbare hinausgehen.
Jens Martens, seit über zwanzig Jahren verfolgen Sie die internationale Umwelt- und Entwicklungspolitik. Haben sich die internationalen Aushandlungsprozesse in diesen Bereichen verändert? Sie verlaufen viel informeller. Dem Erdgipfel in Rio 1992 gingen wochenlange offizielle Vorbereitungstreffen voraus. Bei der Rio+20-Konferenz im letzten Jahr waren es nur noch wenige Tage, alles andere passierte hinter verschlossenen Türen. Das macht es für die Zivilgesellschaft schwieriger, den Verhandlungen zu folgen und sie zu beeinflussen. Der Einfluss der Zivilgesellschaft ist schwächer geworden? Einerseits haben sie heute viel bessere formale Beteiligungsmöglichkeiten, sind an den offiziellen Verhandlungen vertreten, werden zu Konsultationen und Dialogen eingeladen. Aber an den eigentlichen Entscheidungsprozessen sind sie nicht be-
«Der Einfluss zivilgesellschaftlicher Gruppen auf den offiziellen Entscheidungsprozess ist gering.» teiligt und haben wenig Einfluss. Im Vergleich zu 1992 hat sich vielmehr der Einfluss der Wirtschaftslobbys und grossen Stiftungen wie der Gates-Foundation verstärkt. Der Einbezug der Zivilgesellschaft bleibt ein rein formaler? So pauschal würde ich das nicht sagen. Es hängt von den einzelnen Verhandlungsprozessen ab. Nehmen wir die Diskussion um die Post-2015-Entwicklungsagenda und globale Nachhaltigkeitsziele. Hier werden zivilgesellschaftliche Gruppen auch auf der nationalen Ebene breit einbezogen. Das wirkt sich positiv auf die zivilgesellschaftliche Mobilisierung aus. Aber es bedeutet noch lange nicht, dass auch ihr politischer Einfluss auf der internationalen Ebene wächst, zumindest nicht jener der kritischen Zivilgesellschaft. Auch die Zivilgesellschaft hat
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sich in den letzen zwei Jahrzehnten stark ausdifferenziert. Es gibt sehr grosse, transnationale NGOs, deren Einfluss weiter wächst und die über grössere Budgets verfügen als kleine Staaten. Und es gibt eine kritische Zivilgesellschaft, die sich eher aus den offiziellen Verhandlungsprozessen zurückgezogen hat. In den Neunziger- und den Nullerjahren fanden bei internationalen Konferenzen oft grosse Mobilisierungen statt. Haben sie den NGOs mehr Durchschlagskraft verliehen? Sie haben ihre mediale Sichtbarkeit verstärkt und geholfen, einige wenig umstrittene Themen auf die offizielle Traktandenliste zu hieven, etwa die Bekämpfung der Armut. Wichtige Bereiche blieben aber ausgeblendet. Es gelang nicht, die wirklich brisanten Fragen auf die internationale Agenda zu setzen, wie die Frage der wirtschaftlichen Macht, des Einflusses transnationaler Konzerne oder der Verantwortung für die globale Finanz- und Wirtschaftskrise. Der Rückgang dieser Mobilisierungen hat den Einfluss der NGOs geschwächt? Gibt es diesen Rückgang tatsächlich? Vor gut drei Jahren gingen bei der grossen Klimakonferenz in Kopenhagen Zehntausende auf die Strasse. Letztes Jahren waren an der Rio+20-Konferenz wesentlich mehr NGOs vertreten und Menschen auf der Strasse als beim Erdgipfel 1992. Bei der Diskussion um die Post2015-Agenda beteiligen sich überall auf der Welt sehr viele Menschen und zivilgesellschaftliche Gruppen. Da zeigt sich eine grosse Mobilisierungskraft. Das Problem ist, dass sie sich nicht in politischen Einfluss und Veränderung niederschlägt. Auch die globalen Kräfteverhältnisse haben sich verändert, bei vielen zentralen Fragen scheint heute ein Konsens schwierig. Das Feld der Regierungen ist heute viel heterogener als noch vor zwanzig Jahren. Die Länder des Südens haben sich ausdifferenziert. Schwellenländer wie China oder Brasilien haben an Einfluss gewonnen und treten bei internationalen Verhandlungen selbstbewusster auf, und das ist auch gut so. Gleichzei-
tig sind die Probleme gewachsen, zeigt sich die Notwendigkeit substanzieller Veränderungen immer deutlicher. Dass sich diese Veränderungen politisch schwer durchsetzen lassen, hat weniger mit dem Kräfteverhältnis zwischen Regierungen zu tun als mit dem Kräfteverhältnis innerhalb der Gesellschaften. Das Hauptproblem sind die nationalen Kräfteverhältnisse, die auch die internationale Politik bestimmen? Es ist schon auch so, dass an internationalen Konferenzen wichtige Fragen ausgeklammert werden, wie die Beschränkung des Einflusses von machtvollen Wirtschaftsinteressen, die Regulierung der transnationalen Konzerne oder die grundsätzliche Veränderung der Konsum- und Produktionsweisen in den Ländern des Nordens. Für jede zukünftige Entwicklungsagenda ist es unabdingbar, dass es hier Fortschritte und Durchbrüche gibt. Das sind auch die zentralen Knackpunkte einer künftigen Post-2015-Agenda? Aus meiner Sicht ist der wichtigste Knackpunkt, dass sie nicht wie die Millenniumsziele eine Agenda des Nordens für den Süden, für die sogenannten Entwicklungsländer, wird. Sie muss sich auf alle Länder beziehen. Angesichts der globalen Probleme und Herausforderungen sind alle Länder Entwicklungsländer, alle müssen sich weiterentwickeln. Welche inhaltlichen Schwerpunkte sollte die Post-2015-Agenda setzen? Sie darf sich nicht auf die Armutsbekämpfung im engeren Sinne beschränken. Sie sollte zentral die Wahrung und den Schutz der Menschenrechte, Gleichheit und Gerechtigkeit, den Respekt vor der Natur und den ökologischen Grenzen beinhalten. Sie muss aber auch, und das ist in der bisherigen Diskussion vernachlässigt worden, ein solidarisches und faires Finanzsystem sowie Frieden und Abrüstung anstreben. Ohne Frieden und Abrüstung kann es keine dauerhaft tragfähige Entwicklung weltweit geben.
Foto: zvg
Gibt es Hoffnung, dass diese Probleme tatsächlich angepackt werden? Sie sind teilweise bereits auf der internationalen Agenda und werden diskutiert. Aber die Chancen, dass es bis 2015 zu einem Durchbruch und einer Konsenslösung in unserem Sinne kommt, sind gering. Deshalb wäre es sinnvoll, nicht nur einen Konsens aller 193 Uno-Länder anzustreben, also den kleinsten gemeinsamen Nenner zu suchen. Es könnten sich, unter dem
Jens Martens, Experte für internationale Entwicklungs- und Umweltpolitik
Dach der Uno, auch Koalitionen von Gleichgesinnten bilden, die bereit sind, darüber hinauszugehen. In der EU gab es das bei der Finanztransaktionssteuer: Sie war in der ganzen EU nicht durchsetzbar, aber elf Länder haben sie dennoch beschlossen. Das zeigt, wie jenseits des Minimalkonsenses Fortschritte erzielt werden können. Das erhoffe ich mir auch bei der Debatte um die Post-2015-Agenda: dass einzelne Regierungen den Mut haben, angesichts der Brisanz der Probleme sich zu bewegen und weiterzugehen. Bei der Erarbeitung der Millenniumsziele war die Zivilgesellschaft nicht einbezogen. Sieht es bei der Post-2015-Agenda tatsächlich besser aus? Die Uno und die Regierungen haben aus den Fehlern bei den Millenniumszielen gelernt und in über hundert Ländern nationale Konsultationen lanciert. Hinzu kommen weltweite thematische Konsultationen, in Form von Tagungen und im Internet. Das hilft, die zivilgesellschaftlichen Gruppen auf der nationalen Ebene zu informieren und zu mobilisieren. Aber es gibt auch die Gefahr einer Überdosis an Konsultation: Man könnte derzeit den ganzen Tag am Bildschirm sitzen und irgendwelche Online-Fragebogen ausfüllen. Ein Beschäftigungsprogramm für NGOs mit wenig Wirkung? Die Konsultationen sind nicht falsch, und die NGOs sollten sich daran beteiligen. Aber man sollte nicht alle Energien in solche Prozesse stecken und damit letztlich vergeuden. Denn der Einfluss zivilgesellschaftlicher Gruppen auf den offiziellen Entscheidungsprozess ist meines Erachtens gering. Die NGOs sollten sich vor allem darauf konzentrieren, ihre eigenen Positionen zu formulieren, und dabei nicht einfach nur pragmatisch das derzeit politisch Machbare verfolgen. Sie sollten die Chance wahrnehmen, national und international grundsätzliche gesellschaftliche Debatten zu lancieren: Wie sollen sich unsere Gesellschaften angesichts der ökologischen und sozialen Probleme künftig organisieren? Was bedeuten Wohlstand und gesellschaftlicher Fortschritt tatsächlich? Wie sieht eine solidarische Gesellschaft des 21. Jahrhunderts aus? Das sind die entscheidenden Fragen, die heute debattiert und beantwortet werden müssen. Interview: Pepo Hofstetter
Jens Martens ph. Jens Martens ist seit 2004 Leiter des Europa-Büros des Global Policy Forum. Der Think Tank verfolgt und analysiert die Politik der Uno und ihrer Mitgliedsstaaten. 2011/12 koordinierte Martens zudem die Civil Society Reflection Group on Global Development Perspectives. Daneben engagiert er sich im Beirat der Stiftung Entwicklung und Frieden und bei Social Watch, einem weltweiten Netzwerk von über 700 Gruppen und NGOs (darunter Alliance Sud). 2003 bis 2009 sass er im Koordinierungsausschuss, 2006 bis 2009 als Co-Vorsitzender. Martens ist Autor zahlreicher Publikationen. www.globalpolicy.org
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Debatte um eine neue Entwicklungsagenda nach 2015 (2)
Post-2015: Das fordern die Frauen Nina Schneider
An der Diskussion um eine neue Entwicklungsagenda nach 2015 be
teiligen sich viele Frauenorganisationen. Von Basisgruppen bis zu Uno-Kadern sind sie sich einig: Die neue Agenda braucht ein eigenständiges Gleichstellungsziel. Bei allen andern Zielen fordern sie klare Indikatoren, die den spezifischen Bedürfnissen der Frauen Rechnung tragen.
Foto: Keystone
nehmen und unter prekären Bedingungen zu wohnen. Dort sind sie wiederum vermehrt Gewalt, Krieg und negativen Umwelteinflüssen ausgesetzt.
Bereits bei ihrer Geburt ziehen viele Frauen schlechte Karten: Textilarbeiterinnen in Kambodscha.
Um Hunger und Armut wirksam zu bekämpfen, müssen die strukturellen Faktoren beseitigt werden, die die Schere zwischen Arm und Reich weiter öffnen und Ungleichheit immer neu reproduzieren. Prioritär muss die systematische Diskriminierung der Frauen angegangen werden, verstärkt sie doch alle anderen Dimensionen von Ungleichheit. Das ist das Fazit der weltweiten Konsultation, die die Uno im Hinblick auf die neue Entwicklungsagenda nach 2015 zum Thema Ungleichheit durchführte. Bereits bei ihrer Geburt ziehen viele Frauen schlechte Karten. Gehören sie einer sozialen oder kulturellen Minderheit an oder leiden an einer Behinderung, verringern sich ihre Aussichten auf gute Ernährung, Bildung und Gesundheitsvorsorge. Als Benachteiligte sind sie meist gezwungen, unsichere und unterbezahlte Arbeit anzu-
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Wer Sexualität kontrolliert, hat Macht Die Selbstbestimmung über den eigenen Körper ist Grundlage psychischer und physischer Gesundheit und damit eine zentrale Vorbedingung für gesellschaftliche Teilhabe und Mitbestimmung. Dennoch vernachlässigen Regierungen die Verwirklichung der sexuellen und reproduktiven Rechte oder reduzieren sie auf Mechanismen der Familienplanung. Diese erneuern die Kontrolle über die Gebärfähigkeit, statt das universell in den Menschenrechten verankerte Selbstbestimmungsrecht über Sexualität, Schwangerschaft, Heirat, Verhütung und Abtreibung zu stärken. Mit dem «Safe City»-Programm schlägt die Uno-Organisation UN Women für die Post-2015-Agenda zudem konkrete Massnahmen gegen geschlechtsspezifische Gewalt vor – über den Einbezug von Frauen und Mädchen in die Stadtplanung, eine verbesserte Datenerhebung zu sexueller Gewalt, juristische Massnahmen gegen die Straflosigkeit für Täter. Mittels
«Prioritär muss die systematische Diskriminierung der Frauen angegangen werden, verstärkt sie doch alle anderen Dimensionen von Ungleichheit.» einer geschlechtergerechten Budgetplanung sollen strukturelle Hürden behoben, öffentliches Personal strategisch geschult und die Medien sensibilisiert werden. Damit Frauen aus dem Kreislauf von gewaltverstärkender Armut und armutsverstärkender Gewalt ausbrechen können, plädiert Garça Machel, Mitglied des UN-High-Level Panel zur Ausarbeitung der Post-2015-Agenda, darüber hinaus für eine
prominente Beteiligung von Frauen in der Konfliktbearbeitung und die Verankerung von Friedens- und Sicherheitszielen. Vorsorge statt Wachstum Wirtschaftswachstum führt nicht automatisch zu mehr (Gender-)Gerechtigkeit. Deshalb verlangen kritische Ökonominnen, Staatsbudgets, Steuer- und Finanzsysteme so zu konzipieren, dass sie eine ausgewogene Verteilung der Chancen und Mittel zwischen Frauen und Männern fördern. Nur wenn Frauen über mehr Zeit und Geld verfügen, können sie gleichberechtigt an öffentlichen Entscheidungsprozessen teilnehmen. Anstelle der Wachstums- soll eine Vorsorgeökonomie (Care-Ökonomie) treten, die auch Verantwortung für jene übernimmt, die ihre Rechte nicht selbst vertreten können: Alte und Kranke, Kinder und künftige Generationen, aber auch die Umwelt. Neben gleichen Löhnen und menschenwürdigen Arbeitsbedingungen fordern Frauenorganisationen auch mehr staatliche Investitionen in den Betreuungs- und Pflegebereich. Heute können es sich nur urbane Haushalte mit einem guten, regelmässigen Einkommen leisten, Sorgearbeiten auszulagern. Sie beschäftigen Hausangestellte, die oft zu prekären und unwürdigen Bedingungen arbeiten und leben müssen. So sind neue internationale Dienstleistungsketten entstanden, die laut der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) mehr als 100 Millionen Menschen, mehrheitlich Frauen, beschäftigen. Viele sind rechtlose Migrantinnen und als solche doppelt von Ausbeutung gefährdet. Allein staatliche Umverteilungsmassnahmen, die Berücksichtigung der unbezahlten Arbeit in der Wohlstandsmessung und die Verkürzung der Lohnarbeitszeit ermöglichen eine gerechtere gesellschaftliche Verteilung der Reproduktionsarbeit. Weltweit arbeiten Frauen eher selten in formellen Anstellungsverhältnissen und wenn, dann meist mit kleinen Teilzeitpensen. Damit entgehen ihnen Leistungen der Sozialversicherungen, die in der Regel auf Lohnabgaben basieren und gratis geleistete Sorgearbeit nicht honorieren. Dieser Missstand könnte durch beitragsunabhängige Sicherungssysteme behoben werden. Dazu schlagen die ILO, die Uno und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen «Social Protection Floor» vor, der allen Menschen Zugang zu sozialer Sicherheit und ein ausreichendes Grundeinkommen garantieren soll. Zugang zu Ressourcen sichern In ländlichen Gegenden des globalen Südens entscheidet der Zugang zu Land, Wasser und Saatgut über die Ernährungssicherheit. In kleinbäuerlichen Gesellschaften produzieren Frauen bis zu 80 Prozent der Nahrungsmittel. Sie kultivieren Land und sammeln Feuerholz in Wäldern, auf die sie keine Rechte geltend machen können. Nun werden sie zunehmend vom globalen Zugriff des Agrobusiness auf Wasser und Land verdrängt. Die Women’s Major Group der Vereinten Nationen, die über 200 Frauengruppen repräsentiert, will deshalb in der Post2015-Agenda explizit Frauenrechte auf Land, Eigentum und Erbschaft verankern und Subsistenzbetriebe und lokale Märkte schützen lassen. «Green Society» statt «Green Economy» Weil Frauen die gleichberechtigte Teilhabe an Ressourcen verwehrt ist, verursachen sie auch weniger Emissionen als Männer. Dennoch sind sie überproportional von Klimaschäden be-
troffen. Weltweit engagieren sich Frauennetzwerke, um die Folgen der Klimaveränderung zu bewältigen. Sie wollen künftig auch bei Diskussionen und Entscheiden über Anpassungsmassnahmen mitreden können. Zudem fordern sie Sperrzonen für Bergwerke, Agrotreibstoffplantagen und kommerzielle Waldrodungen sowie ein Verbot der Privatisierung von Wasserressourcen. Auch «grüne» Investitionen sollen nur im Einverständnis mit den Betroffenen realisiert werden dürfen. An
«An die Stelle einer marktorientierten Green Economy soll eine sozialund umweltverträgliche Green Society treten.» die Stelle einer marktorientierten Green Economy soll eine Green Society treten, die Arbeits- und Menschenrechte verwirklicht und Konsum und Produktion enkeltauglich entlang von Vorsorgeprinzipien regelt. Aus Gendersicht stellt sich nicht länger die Frage, wie effizienter produziert werden kann, sondern wer ein spezifisches Produkt braucht und ob die Weltgesellschaft die sozial-ökologischen Konsequenzen tragen kann und will.
Zum Weiterlesen: > Uno-Konsultation zum Thema Ungleichheit: www.worldwewant2015.org/node/299198 > Women’s Major Group: http://women-rio20.ning.com/ > Gendergerechte Klima- und Energiepolitik: www.genanet.de und www.gendercc.net > Care, Krise und Geschlecht, «Widerspruch», Heft 62, Rotpunktverlag, Zürich 2013
Debatte in der Schweiz ns. Women in Development Europe (WIDE) Schweiz arbeitet an einer Schweizer Genderposition zur Post-2015-Agenda. Daran beteiligt ist auch Alliance Sud. Die Deza hat ihrerseits entschieden, den Prozess aus einer Genderperspektive kritisch zu begleiten und zuhanden des Bundesrates Vorschläge auszuarbeiten. WIDE Schweiz beschäftigte sich bereits an ihrer letzten Jahrestagung mit der noch immer unterschätzten volkswirtschaftlichen Bedeutung von bezahlter und unbezahlter Sorge- und Vorsorgearbeit und plädierte für eine «Politisierung der Care-Arbeit». In der neuesten Ausgabe der Zeitschrift «Widerspruch» analysieren verschiedene WIDE-Autorinnen die weltweite Bedeutung der Care-Ökonomie. www.wide-network.ch
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Menschenrechte und Umweltschutz respektieren
Run auf Burma braucht Leitplanken Michel Egger
Investoren wittern im rohstoffreichen Burma (Myanmar) ein neues
Eldorado. Auch die Schweiz baut ihre Wirtschaftbeziehungen temporeich aus. Wie können die Weichen so gestellt werden, dass der Kapitalzufluss eine
Foto: Keystone
nachhaltige Entwicklung fördert? Die USA arbeiten an entsprechenden Richtlinien.
Wegbereiter für Schweizer Konzerne: Bundesrat Burkhalter weiht im November 2012 die neue Schweizer Botschaft in Rangun ein.
Am Weltwirtschaftsforum in Davos unterzeichneten die Schweiz und Burma eine Vereinbarung zum Ausbau der gegenseitigen wirtschaftlichen Beziehungen. Nächsten November reist die Chefin des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco), Marie-Gabrielle Ineichen, nach Myanmar. Es sind dies weitere Mosaiksteine in der Charme-Offensive der Schweiz gegenüber dem Land, das seit zwei Jahren einen beachtlichen politischen und wirtschaftlichen Reformprozess durchmacht. Im Windschatten der EU hatte die Schweiz im Mai 2012 die 2000 verhängten Sanktionen gegen Myanmar aufgehoben (ausser für militärische Güter). Im Juni beehrte Oppositionschefin Aung San Suu Kyi unser Land als erste Station ihrer Europa-Reise. Im November eröffnete Aussenminister Burkhalter in Rangun (Yangon) eine «integrierte» Schweizer Botschaft – ein Pilotprojekt, bei dem die Diplomatie, die Entwicklungszusammenarbeit (Deza), die Friedens- und Menschenrechtspolitik und die Wirtschaftsförderung (Seco) koordiniert werden sollen.
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Im Aussendepartement in Bern spricht man von einer «Wette auf die Zukunft von Burma». Dabei werden zwei Ziele verfolgt: Einerseits will man den Übergang zu mehr Demokratie, Frieden und wirtschaftlicher Integration unterstützen und hat dazu die jährlichen Beiträge der Entwicklungszusammenarbeit im Zeitraum 2013 bis 2016 von 6 auf 25 Millionen Franken vervierfacht. Anderseits will man vom wirtschaftlichen Potenzial Burmas profitieren, das Aussenminister Burkhalter als «enorm» bezeichnet. Im letzten August prophezeite die Asiatische Entwicklungsbank für die nächsten zehn Jahre ein jährliches Wachstum von 8 Prozent. Ein Land mit vielen Trümpfen Allerdings sind die Investitionsbedingungen alles andere als optimal. Die politische Stabilität ist wacklig, die Rechtssicherheit bei praktisch null. Doch Myanmar mit seinen 60 Millionen EinwohnerInnen hat viele Trümpfe zu bieten: üppige Rohstoff-
vorkommen (Gas, Öl, Edelsteine u.a.), junge und billige Arbeitskräfte, eine strategische Position zwischen Schlüssel-Märkten (China, Indien, Südostasien). Nach fünfzig Jahren ruinöser Militärherrschaft und ethnischen Konflikten hat das Land in vielen Bereichen einen gigantischen Nachholbedarf: bei Infrastrukturbauten, beim Aufbau eines Bankenwesens, bei der Entwicklung des Tourismus und vielem mehr. Entsprechend gross ist das Interesse (auch) von Schweizer Unternehmen. Jede Woche gehen bei der Schweizer Botschaft ein Dutzend Firmen-Anfragen ein, gibt es zwei bis drei Be suche von interessierten Geschäftsleuten. Barbara MöckliSchneider von der Handelskammer Schweiz-Asien sagt: «Man muss jetzt nach Burma gehen. Wer wartet, kommt zu spät» («Handelszeitung» vom 8. Oktober 2012). Anarchischen «Goldrush» verhindern Wie kann man verhindern, dass der Run auf Burma zum anarchischen Goldrush wird, bei dem international tätige Konzerne und Kaziken des Regimes fette Profite einstreichen, auf Kosten der Bevölkerung und der Umwelt? Die Gefahr ist in einem Land, das Transparency International als Fünftkorruptestes einstuft, enorm, die Vorkehren dagegen ungenügend. Laut dem Transnational Institute1 öffnen kürzlich beschlossene Gesetze dem Land Grabbing Tür und Tor, ermöglichen Pachten von siebzig Jahren und befreien ausländische Investoren während fünf Jahren von Steuern. Der Schweizer Botschafter in Rangun, Christoph Burgener, sagte in «Le Matin» vom 17. Februar 2013: «Wenn man massiv und allein mit der Idee des schnellen Profits investiert, kann man immensen Schaden anrichten. Wir möchten dafür sorgen, dass es mit Respekt vor der Gesellschaft und der Umwelt geschieht.» Ein respektvolles Vorgehen setzt die Kooperation aller Beteiligten voraus. Das hielt kürzlich auch ein von Swisspeace organisierter Roundtable fest. In Myanmar rufen Präsident Thein Stein, Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi, Unternehmensvertreter und zivilgesellschaftliche Organisationen zu ethisch korrekten Investitionen auf. Auch der Global Compact der Uno ist aktiv geworden, und die Regierung bereitet den Beitritt zur Initiative über Transparenz im Bergbausektor (EITI) vor. Viele, so etwa die Internationale Liga für Menschenrechte, zweifeln aber daran, dass die Regierung in den nächsten Jahren über genügend institutionelle Kapazitäten verfügt, um die Investitionen tatsächlich zum Wohle der Bevölkerung zu lenken. Sorgfaltspflicht für Investoren Ausländische Unternehmen spielen deshalb bei der Gestaltung der Zukunft eine wichtige Rolle. Salil Tripathi, Direktionsmitglied des Institute for Human Rights and Business in London, sagt: «Die Herausforderung besteht darin, dafür zu sorgen, dass die Investitionen nicht bloss Profit abwerfen, sondern auch den international vereinbarten Standards genügen.» Insbesondere müssen sie den Uno-Leitprinzipien zu Wirtschaft und Menschenrechten entsprechen, wie das auch die EU bei der Aufhebung ihrer Sanktionen forderte. Konkret bedeutet das, den Investoren eine Sorgfaltspflicht zu auferlegen, direkte und indirekte schädliche Wirkungen ihrer Geschäftsaktivitäten zu vermeiden. Sie sollen die betroffene Bevölkerung konsultieren, ihr Recht auf Land anerkennen, anständige Arbeitsbedingungen garantieren, die Gewerkschaftsrechte respektieren und das Verhalten ihrer Geschäfts-
partner überprüfen müssen. Um Unternehmen dabei zu helfen, arbeitet derzeit das Institute for Human Rights and Business zusammen mit dem dänischen Institut für Menschenrechte und dem British Council an speziell auf Myanmar zugeschnittenen Tools2. Aber nicht alle Investoren werden von sich aus solchen Vorgaben folgen. Hier kommt die Verantwortung der Herkunftsländer zum Tragen. Sie müssen klar formulieren, was sie von ihren Investoren erwarten. Die USA haben dies erkannt
«Ausländische Unternehmen spielen bei der Gestaltung der Zukunft Burmas eine wichtige Rolle.» und arbeiten an Transparenzrichtlinien für Firmen, die in Myanmar investieren wollen (siehe Kasten). Gleiches fordert eine Motion, die Mitte Februar David Martin, der Sprecher des Ausschusses für internationalen Handel, im Europäischen Parlament einreichte. Die Schweiz sollte sich daran ein Beispiel nehmen. FDPNationalrätin Doris Fiala, die im Februar an einer SwissaidInformationsreise nach Myanmar teilnahm, sagte nach der Rückkehr: «Es ist von grosser Bedeutung, dass die Schweizer Politik realisiert, dass investitionswillige Schweizer Unternehmen Menschenrechte in Myanmar zwingend respektieren müssen.»
1 Developing Disparity: Regional Investment in Burma’s Borderland, Transnational Institute, February 2013. 2 www.ihrb.org/about/programmes/multi-year-project-in-myanmar.html
Richtlinien für US-Konzerne me. Die USA haben einen Entwurf mit Transparenzrichtlinien für Firmen und Personen erarbeitet, die in Burma mehr als 500 000 US-Dollar investieren (Reporting Requirements on Responsible Investment in Burma). Darin werden zwei Berichte verlangt. Einerseits ein öffentlicher, der über folgende Bereiche informiert: allgemeine Geschäftsaktivitäten (inkl. Filialen), Massnahmen zur Respektierung der Menschenrechte, der Umwelt und zur Bekämpfung der Korruption, Verträge mit Sicherheitsfirmen, Ankauf und Verwendung von Ländereien, Zahlungen an Regierungsstellen. Der zweite Bericht soll an die Regierung gehen und Angaben enthalten zu Kontakten mit bewaffneten Gruppen und die Resultate der Sorgfaltsbemühungen. Zivilgesellschaftliche Gruppen haben die Verordnung begrüsst, fordern aber Verbesserungen. Sie kritisieren insbesondere, dass nur das Reporting über, nicht aber die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht selber für verbindlich erklärt wird. Der Verordnungsentwurf soll im April verabschiedet werden.
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Potentatengelder
Wie die Schweiz gestohlene Vermögen loswird Mark Herkenrath
Bei der Blockierung und Rückgabe von ausländischen Potentaten-
geldern hat die Schweiz in den letzten Jahren Fortschritte gemacht. Aber noch immer gibt es gravierende Mängel. Ein Blick auf vergangene und aktuelle Fälle zeigt, wo das neue Gesetz ansetzen sollte, das derzeit erarbeitet wird.
Die Schweiz brüstet sich gerne damit, besonders griffige Vorkehrungen gegen den Zufluss ausländischer Potentatengelder zu besitzen. Die Realität sieht etwas anders aus. Im Nachgang zum Arabischen Frühling wurden auf Schweizer Konten einmal mehr unzählige verdächtige Vermögen entdeckt. Sie gehören den Diktatoren Ben Ali, Mubarak und Gaddafi, ihren Verwandten und engen Geschäftspartnern. Zusammengezählt sind es bis jetzt fast eine Milliarde Franken: Rund 700 Millionen stammen aus Ägypten, 60 Millionen aus Tunesien und 100 Millionen aus Libyen. Handelt es sich dabei tatsächlich um unrechtmässig erworbene Vermögen, hätten diese Gelder gemäss geltenden Vorschriften gar nicht erst in die Schweiz gelangen dürfen. Trotz dieser offensichtlichen Lücken hat der Nationalrat im letzten Winter verschiedene Vorstösse zur Verschärfung des Geldwäschereigesetzes abgelehnt. Unbestreitbare Fortschritte hat die Schweiz hingegen bei der Sperrung und Rückgabe von Potentatengeldern gemacht. Sie war weltweit das erste Land, das verdächtige Vermögen der gestürzten nordafrikanischen Diktatoren vorsorglich blockierte. Zudem unterstützt sie die Herkunftsländer bei den komplizierten Rechtshilfeverfahren, die zur Einziehung und Rückgabe an die bestohlene Bevölkerung führen sollen. Bei der vorsorglichen Sperrung der Gelder aus Ägypten und Tunesien musste sich der Bundesrat allerdings auf einen Notrechtsartikel in der Bundesverfassung berufen. Deshalb ist ein neues Gesetz in Vorbereitung, das die aktuelle Praxis bei der Sperrung und Rückführung auf eine bessere rechtliche Grundlage stellen soll. Gleichzeitig soll es breiter anwendbar sein als die erst 2011 in Kraft gesetzte «Lex Duvalier», die nur für bestimmte Staaten gilt. Vom Problemfall Mobutu zur Lex Duvalier Besonders lehrreich für die Schweiz war der Fall der MobutuGelder. Ihre Rückgabe an die kongolesische Bevölkerung scheiterte nach langem Hin und Her kläglich. Nachdem die neue kongolesische Regierung 1997 ein teilweise ungenügendes
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Rechtshilfegesuch eingereicht hatte, fror die Schweiz knapp 9 Millionen Franken verdächtiger Vermögen ein. 2009 musste sie das Geld jedoch an den Clan des Diktators zurückgeben, die bestohlene Bevölkerung ging leer aus. Grund: Der MobutuClan kontrollierte weiterhin einen grossen Teil des kongolesi-
«Besonders lehrreich für die Schweiz war der Fall der Mobutu-Gelder.» schen Staatsapparates und wollte das Rechtshilfeverfahren nicht weiter vorantreiben. So waren auch der Schweiz die Hände gebunden. Dennoch bescherte ihr die Freigabe weltweit negative Schlagzeilen. Bei den Duvalier-Geldern aus Haiti wollte die Schweiz daraus die Lehren ziehen. 2010 verabschiedete das Parlament ein neues «Gesetz über die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte», die sogenannte Lex Duvalier. Diese sieht vor, dass die Schweiz Potentatengelder auch dann einziehen und für Entwicklungsprojekte zugunsten der Bevölkerung einsetzen kann, wenn ein Rechtshilfeverfahren auf halbem Weg stecken bleibt. Dabei gilt die Umkehr der Beweislast: Der Potentat und sein Clan können die Einziehung und Rückgabe nur verhindern, wenn sie nachweisen, dass sie die Gelder rechtmässig verdient haben. Bisher mussten das Herkunftsland oder die Schweiz in komplizierten Ermittlungen die Unrechtmässigkeit beweisen. Doch auch die Lex Duvalier hat Mängel: Ihr Geltungsbereich ist eng beschränkt. Sie kommt nur bei Ländern zum Einsatz, die keine funktionierenden staatlichen Strukturen aufweisen, als «failed states» gelten. Aber weder Tunesien noch Ägypten gelten als solche. Rechtsverfahren können aber auch aus anderen Gründen scheitern. Im Fall Ägypten beispielsweise wird die Rechtshilfe
Foto: Keystone
Die zurückgeführten Abacha-Gelder kamen nicht der armen Bevölkerung zugute: Bettlerinnen am Abacha Way in Lagos (Nigeria).
erschwert, weil nach Ansicht des Bundesstrafgerichts ungenügende menschenrechtliche Standards derzeit eine juristische Zusammenarbeit verunmöglichen. Das Nachfolgegesetz zur Lex Duvalier sollte deshalb die Einziehung von Potentatengeldern und die Umkehr der Beweislast nicht nur bei «gescheiterten Staaten», sondern in sämtlichen Fällen vorsehen, in denen die rechtliche Zusammenarbeit nicht klappt. Verfahren beschleunigen Weiter sollte das neue Gesetz die oft sehr langwierigen Rechtshilfe- und Rückgabeverfahren beschleunigen. Das bisher kürzeste Prozedere betraf die nigerianischen Abacha-Vermögen. Aber auch hier vergingen nach dem Sturz des Diktators (1999) ganze fünf Jahre, bis erste Gelder zurückflossen (siehe nebenstehenden Text). Bei den philippinischen Marcos-Vermögen wurden zwar zwölf Jahre nach dem Fall des Diktators (1986) rund 700 Millionen Dollar auf ein Sperrkonto in Manila überwiesen. Ihre Freigabe wurde an verschiedene Auflagen geknüpft. Erstens sollte der Auszahlung ein Gerichtsurteil im Land selbst vorangehen und zweitens ein Teil der Gelder direkt Opfern von Menschenrechtsverletzungen zugutekommen. Diese beiden Bedingungen sind im Februar dieses Jahres erfüllt worden – 27 Jahre nach dem Sturz des Diktators! Um die Rechtshilfeverfahren zu beschleunigen, unterstützt die Schweiz seit einiger Zeit betroffene Staaten mit technischer Beratung. Seit 2001 organisiert sie zudem in Lausanne regelmässig Expertentreffen mit Fachleuten aus solchen Ländern. Diese Praxis ist hilfreich und sollte im neuen Potentatengeldergesetz verankert werden. Sinnvoll wäre auch, die Schweiz könnte den Herkunftsländern von sich aus auch dann ergänzende Informationen liefern, wenn diese ein nur unvollständig begründetes Rechtshilfegesuch gestellt haben. Dafür fehlt bis jetzt eine gesetzliche Grundlage. Eine sogenannte «spontane Rechtshilfe» der Schweiz ist bisher nur möglich, solange das betreffende Land kein eigenes Rechts hilfegesuch eingereicht hat.
Rückführung an Auflagen binden
Die Lehren aus den Abacha-Geldern Als das Bundesgericht 2005 die Rückführung der Abacha-Vermögen für rechtskräftig erklärte, hatte die nigerianische Regierung einen Teil der Gelder schon für bestimmte Projekte vorgesehen und teils bereits ausgegeben. Eine spätere Untersuchung der Weltbank und ein Schattenbericht nigerianischer Nichtregierungsorganisationen zeigten insgesamt schwerwiegende Mängel bei der Verwendung der Gelder. Grosse Summen flossen in Projekte mit zweifelhaftem Nutzen, einige wurden nie fertig gestellt. Die Schweiz sollte die Rückführung von Potentatengeldern deshalb an strikte Auflagen knüpfen. Das ist den betroffenen Regierungen oft ein Dorn im Auge, sie würden lieber autonom entscheiden. Dann aber besteht die Gefahr, dass die Gelder wieder in den Korruptionskreislauf gelangen oder höchstens ein kleiner Teil tatsächlich der bestohlenen Bevölkerung zugutekommt. Bei der Bestimmung der Projekte, die von der Rückgabe profitieren, sollte die lokale Zivilgesellschaft von Anfang an mitreden können und die Umsetzung von regierungsunabhängigen Stellen kontrolliert werden. Das setzt voraus, dass die Rückführungsvereinbarungen zwischen der Schweiz und dem betroffenen Land veröffentlicht werden.
Mark Herkenrath
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Verhandlungen für ein internationales Dienstleistungsabkommen
Industriestaaten machen Druck Isolda Agazzi
Rund zwanzig WTO-Mitglieder, vorab Industrieländer, wollen diesen
Frühling Verhandlungen für ein neues internationales Dienstleistungsabkommen (ISA) starten. Entwicklungsländer befürchten eine weitere Schwächung des multilateralen Handelssystems und einen neuen Schlag gegen die Doha-Runde.
An der Ministerkonferenz von Ende 2011 schlugen die USA den ursprünglich 21 Ländern der sogenannten RGFS-Gruppe der Welthandelsorganisation (WTO) vor, gemeinsam ein neues Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen auszuhandeln. RGFS steht für Real Good Friends of Services und umfasst neben den USA die EU, die Schweiz, Israel und andere Industriestaaten sowie USA-nahe Entwicklungsländer wie Chile, Kolumbien, Costa Rica, Mexiko, Pakistan und die Türkei. Derzeit läuft die Konsultationsphase, die offiziellen ISA-Verhandlungen sollen im Frühling beginnen.
«Entwicklungsländer sehen es als Bedrohung des multilateralen Charakters der WTO.» Da sich die beteiligten Länder bisher noch keine Angebote machten beziehungsweise Forderungen stellten, ist es offen, wie weit die neuen Liberalisierungen gehen werden. Im Minimum dürften jene Marktöffnungen festgeschrieben werden, welche die Industrieländer im Rahmen der Doha-Runde erfolglos stellten. Zur Disposition steht der gesamte Dienstleistungssektor, inklusive Kommunikations- und Informationstechnologien, Transport und Unternehmensdienstleistungen. Das Abkommen könnte auch über reine Marktzugänge hinausgehen und Regeln für öffentliche Ausschreibungen und ausländische Direktinvestitionen im Dienstleistungsbereich festlegen – ein Novum in der WTO. Ablehnung bei Entwicklungsländern Die meisten Entwicklungsländer beteiligen sich nicht an den Verhandlungen, ja lehnen sie ab. Sie befürchten, ein solches plurilaterales Abkommen werde den Abschluss der Doha-Runde noch mehr gefährden. Diese Runde sehen sie aber als letzte Möglichkeit, den Agrarhandel zu reformieren und einen besseren Marktzugang in den Industrieländern auszuhandeln, und dabei Liberalisierungen bei Dienstleistungen als Gegenpfand
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einzusetzen. Deshalb lehnen selbst Länder wie Indien die ISAVerhandlungen ab, obwohl es viele Dienstleistungen exportiert. Sie betrachten Abkommen, die nur einzelne Länder umfassen, als Bedrohung des multilateralen Charakters der WTO. Da das Abkommen später auch anderen WTO-Mitgliedern offensteht, sind Druckversuche von stärkeren Staaten gegenüber schwächeren absehbar, beizutreten und ihre Dienstleistungsmärkte ebenfalls zu öffnen. Regulieren statt liberalisieren Auch das internationale Netzwerk Our World Is Not For Sale (OWINFS), dem zahlreiche NGOs (darunter Alliance Sud) und Gewerkschaften angehören, lehnt die ISA-Verhandlungen ab. Um Entwicklung und Demokratie zu stärken, brauche es vielmehr starke Regulierungen. Es sei gefährlich, wenn Telekommunikation, Transportwesen oder Finanzdienstleistungen allein durch kommerzielle Interessen bestimmt werden. Wenn ausländische Konzerne Basisdienstleistungen wie Gesundheit, Bildung oder Energie zu kommerziellen Zwecken übernähmen, bedrohe dies die Entwicklung in armen Ländern. Verschiedene Beispiele von Deregulierungen hätten gezeigt, dass der Service nicht besser und vor allem teurer geworden sei. Wenn überhaupt, sollten ausländische Unternehmen nur im Dienstleistungsbereich investieren dürfen, wenn dies in einen verbindlichen Entwicklungsplan eingebettet sei, damit die gesamte Bevölkerung und das ganze Land davon profitieren. Die offiziellen Verhandlungen für das ISA sollen dieses Frühjahr beginnen. Dazu müssen die Parlamente der beteiligten Länder entsprechende Verhandlungsmandate verabschieden. Die EU ist derzeit daran, sich bei den Mitgliedsstaaten grünes Licht zu verschaffen. Auch der US-Handelsbeauftragte dürfte dieses spätestens Anfang April erhalten. Über das Schweizer Mandat ist noch nichts bekannt. Das zuständige Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) betont, die Schweiz stelle sich gegen eine Liberalisierung von Dienstleistungen im engeren Sinne wie Wasser, Bildung, Gesundheit, öffentliche Transporte, Umwelt oder Post – ausser bei jenen Teilen, die bereits privatisiert sind.
Wechsel bei Alliance Sud
Foto: Daniel Rihs
Ende der Bildungsstelle – Start von éducation21
Urs Fankhauser und Marianne Gujer
Marianne Gujer und Urs Fankhauser haben in den letzten elf Jahren unsere Bildungsstelle betrieben. Sie produzierten zahllose Materialien für den Schulunterricht, um bei Jugendlichen in der deutschen, französischen und italienischen Schweiz das Verständnis für globale Zusammenhänge und die Sensibilisierung für Entwicklungsfragen zu fördern. Darunter waren Bücher, DVDs, Fotomappen oder Unterrichtskoffer wie zum Beispiel der Fair-Trade-Koffer, welche Lehr-
personen zur Gestaltung entsprechender Unterrichtseinheiten verwenden können. Marianne und Urs, und damit Alliance Sud, waren die grössten Produzenten solcher spezialisierter Lernmedien auf dem kleinen Markt Schweiz und gewannen immer wieder Preise für ihre herausragenden Produkte. Leider für uns, aber nicht schlecht für die beiden, sind sie seit Januar 2013 in die Produktionsabteilung der neu gegründeten Stiftung «Bildung für nachhaltige Entwicklung éducation21» integriert worden. Wir verlieren zwei KollegInnen, die unsere Teamsitzungen durch einen Blick von aussen bereicherten, ihre internen Evaluationen, Planungen usw. immer sorgfältig gestaltet und pädagogisch durchdacht einreichten und uns menschlich sehr nahe standen. Mit dem Ende der Bildungsstelle ist eine lange Geschichte zu Ende gekommen. In den Siebzigerjahren hatte Alliance Sud die «Schulstelle Dritte Welt» aufgebaut. Wie jede
schweizerische Organisation hegte sie die Hoffnung, wenn die Probleme schon in der Schule an die ‹ganz Jungen› herangetragen würden, würde sich die Welt rascher verbessern. 1997 lagerte Alliance Sud die Schulstelle in die neue Stiftung Bildung & Entwicklung (SBE) aus, in der die Kantone und die LehrerInnenverbände neu eine wichtige Rolle spielten. Alliance Sud und andere NGOs behielten sich aber die Produktion von eigenen Bildungsmaterialien weiterhin vor. Nun ist die SBE zusammen mit der Stiftung Umweltbildung zur éducation21 zusammengeschlossen und als Fachagentur bei der Erziehungsdirektorenkonferenz eingerichtet worden. Wir wünschen Marianne und Urs viel Glück und sind gespannt auf die Produkte der neuen Abteilung von éducation21.
Peter Niggli, Geschäftsleiter Alliance Sud
Foto: Daniel Rihs
Pepo Hofstetter geht – seine Kommunikation bleibt
Pepo Hofstetter bei der Übergabe der Petition «Recht ohne Grenzen»
Seit 1999 hat Pepo Hofstetter die Öffentlichkeitsarbeit von Alliance Sud geleitet und eine Stelle aufgebaut und ausgefüllt, die es vorher gar nicht gab. Nun ist er uns von den KollegInnen der Unia abgeworben worden – ich bin mir immer noch nicht sicher, ob ich das als «friendly» oder «unfriendly takeover» auffassen soll. Für Unia ist Pepo sicher ein Gewinn. Pepo hat unseren Auftritt nach aussen massgeb-
lich geprägt – er konzipierte und betreute unsere Zeitschrift GLOBAL+, hat den WebAuftritt zusammen mit den KollegInnen der Dokumentation zweimal umgebaut und gewaltig aufgefrischt, öffnete ein kleines Türchen in die «social media», sorgte für unsere Medienkonferenzen und Communiqués und wollte daneben immer noch etwas «Richtiges» zu tun haben. Pepos Jungferntaufe war die Begleitung unserer Tätigkeiten zum Sozialgipfel 2000 in Genf. Gleichzeitig begannen die Vorbereitungen auf drei Abstimmungskämpfe, in welche Alliance Sud involviert war (UnoBeitritt, Solidaritätsstiftung und Stadtzürcher Abstimmung über die Abschaffung des städtischen Entwicklungsbeitrags, alle 2002). Pepo liebte es, zu organisieren und seine Nase aus dem Büro zu strecken. An die frische Luft kam er nicht zuletzt, weil er seit 2004 zusammen mit E-changer jeweils die schweizerischen Delegationen ans Weltso-
zialforum organisiert und begleitet hat; das letzte Mal diesen März nach Tunis. Früh hatte Pepo mir mitgeteilt, er sei nicht der Typ fürs lange Papiereschreiben, und es kam vor, dass er mich ungeduldig fragte, ob er wieder etwas Grösseres zu tun erhalte. Zentral war Pepos Beitrag zur Kampagne «0,7 % – Gemeinsam gegen Armut», die wir 2006 konzipierten, 2007 mit der gleichnamigen Petition lancierten und 2012 mit dem Parlamentsbeschluss, das Budget für Entwicklungszusammenarbeit bis 2015 auf 0,5 Prozent zu erhöhen, erfolgreich abgeschlossen haben. In den letzten zwei Jahren war Pepo in der Leitung der Kampagne «Recht ohne Grenzen» engagiert – nun wird er ab April die Co-Leitung der Kommunikation der Unia übernehmen. Wir wünschen ihm alles Gute und genügend «Richtiges» zu tun! Peter Niggli, Geschäftsleiter Alliance Sud
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Neue Publikation von Alliance Sud
Fragwürdige Investitionsschutzabkommen Im Hinblick auf die Parlamentsdiskussion über ein neues Investitionsschutzabkommen mit Tunesien in der Frühlingssession hat Alliance Sud ein Hintergrundpapier veröffentlicht. Es zeigt die Problematik dieser Abkommen und macht Vorschläge für Reformen. Investitionsschutzabkommen sind ein Vermächtnis der postkolonialen Ära. Nach der Unabhängigkeit vieler Entwicklungsländer schlossen Industriestaaten solche Verträge ab, um die Interessen ihrer Firmen zu schützen. Die Schweiz, die weltweit zu den wichtigsten Investoren gehört, schloss ihre ersten Abkommen zu Beginn der Sechzigerjahre mit afrikanischen Staaten ab. Heute verfügt sie über ein dichtes Netz von 116 Abkommen – alle mit Entwicklungsländern. Entwicklungspolitisch sind diese Abkommen in mehrfacher Hinsicht fragwürdig. Sie
schützen in erster Linie die Interessen der Investoren und schränken den politischen Handlungsspielraum der Gaststaaten empfindlich ein. Insbesondere erlauben sie es Unternehmen, Staaten bei internationalen Schiedsgerichten einzuklagen, wenn sie ihre Interessen verletzt sehen. Da verschiedene Vertragsbestimmungen vage formuliert sind, öffnet das dem Missbrauch Tür und Tor. Die Klage von Philip Morris gegen Uruguay, die der Tabakkonzern beim Schiedsgericht der Weltbank einreichte, spricht Bände. Sie richtet sich direkt gegen die Gesundheitspolitik des lateinamerikanischen Landes und beruft sich auf das Abkommen mit der Schweiz. Das in der Reihe GLOBAL+dokument publizierte Hintergrundpapier von Alliance Sud analysiert die Bedeutung der weltweiten Investitionsflüsse und die Geschichte der Schutzabkommen. Anhand zahlreicher
Streitfälle zeigt es die Schwachstellen der herkömmlichen Verträge auf. Es erläutert, in welche Richtung die internationalen Revisionsbemühungen laufen, und macht konkrete Vorschläge, wie auch die Schweiz ihre Politik verbessern könnte. ph «Rechte für Investoren – Pflichten für Staaten»; GLOBAL+dokument 23, Februar 2013.
Download: www.alliancesud.ch/ publikationen
Karussell — Marianne Guyer und Urs Fankhauser von der ehemaligen Alliance-Sud-Bildungsstelle arbeiten neu bei éducation21. Pepo Hofstetter, bisher für die Alliance-Sud-Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich, wechselt zur Unia, wo er die Co-Leitung der Abt. Kommunikation + Kampagnen übernimmt. Sein Nachfolger ist Daniel Hitzig, bisher Mitarbeiter von SRF. — Bei Fastenopfer ist neu Balthasar Sigrist für das institutionelle Fundraising zuständig. Vorgänger Thomas Schubiger zeichnet neu für die Schnittstelle zwischen Pfarreibetreuung und Bildungsarbeit verantwortlich. Er folgt dort auf Franziska Maibach, die das Hilfswerk verlassen hat. Neue Fachverantwortliche Bildung und Theologie ist Sonja Kaufmann, bisher Leiterin des Caritas-Netzes. — Bernhard Kerschbaum heisst der neue Abteilungsleiter Aisen/Europa von HEKS. Dort hat neu auch Adrian Scherler die Programme Kambodscha/Indien übernommen. HEKS verlassen haben Maya Doetzkies (Programmbeauftragte Südostasien), Hanns Polack (Humanitäre Hilfe Haiti und Pakistan in Zürich) und Roland Hürlimann (Pojektmanager Humanitäre Hilfe in Haiti). Als neuer Chef Logistik in Haiti amtet Benito Belotti. — Bei Swissaid ist neu Zora Schaad für die Webredaktion zuständig. Carine Pin über-
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nimmt die Programmverantwortung Guinea-Bissau und Niger; sie ersetzt Pierre Kistler, der zur Abt. Institutionelle Partnerschaften der Deza wechselt.. — Pascal Arnold, Co-Teamleiter Osteuropa bei Helvetas Swiss Intercooperation, wird neu Gemeindeschreiber von Köniz. Hilmar Stettler, zuletzt ebenfalls im OsteuropaTeam tätig, und Martin Epp, Programm Haiti, gehen in Pension. — Christian Engeli, bisher Leiter der Abt. Kommunikation + Kampagnen von Solidar, ist neu Kampagnenleiter bei Greenpeace. Bei der Erklärung von Bern leitet neu Céline Yvon, bisher Centre for Humanitarian Dia logue Genf), die Abt. Landwirtschaft/Gesundheit/Konsum/Textilien. — Bei Caritas Schweiz sind neu Marina Peterhans und Pascal Zwyssig Delegierte Haiti und Beatrice Winkler Programmbeauftragte Syrienkrise. Caritas verlassen haben Stefan Ege, Marco Bamberger und Fabienne Weibel (alle Delegierte Haiti), Clemens von Heimendahl (Chef-Delegierter Tadschikistan), Elsbeth Horbaty (Delegierte Kuba), Eva Syfrig (Programmverantwortliche Sudan) und Gunda Stegen (Back Office/HR Manager Sudan). — Neue Direktorin der Novartis-Stiftung ist Ann Aerts, bisher bei Novartis Pharma in Basel tätig. Klaus M. Leisinger bleibt Vorsitzender des Stiftungsrates. Gerhard Bärtschi,
früher Leiter Internationale Beziehungen bei mission 21, ist neuer Geschäftsleiter von women’s hope international. Er ersetzt Andrea Nagel, die neue Herausforderungen sucht. Sein Nachfolger bei mission 21 ist Karlo von Zimmermann. Meeyhun Chung, Leiterin Stabsstelle Frauen und Gender bei mission 21, lehrt neu an der Yonsei University in Seoul. — Bei der Deza wird Régis Avanthay, bisher Senior Advisor bei der OECD in Paris, neu Programmbeauftragter der Abt. Asien und Amerika in der Humanitären Hilfe. Er folgt dort auf Eliane Kiener, die Mutterschaftsurlaub bezieht. Pietro Mona, Migrationsexperte bei der ECOWAS in Abuja (Nigeria), wird neu Programmbeauftragter für Migration und Entwicklung im Bereich Globale Zusammenarbeit. Herbert Schmid, bisher Programmbeauftragter in der Abt. Ostasien, amtet neu als solcher in der Sektion Evaluation und Controlling. Michael Gerber heisst der neue Sonderbeauftragte für die UnoAgenda Post 2015, bleibt aber gleichzeitig stv. Chef der Sektion Analyse und Politik. Fabrice Fretz, Programmbeauftragter bei Präsenz Schweiz, wechselt in die Abt. Ostasien. Schliesslich gibt es drei neue Programmbeauftragte in der Sektion Globalprogramm Klimawandel: Patrick Sieber, Reto Thönen und André Wehrli. Sie sind alle neu in der Deza.
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Westsahara – Afrikas letzte Kolonie tion zeigt die Menschen der Westsahara so, wie sie sind, ohne das Leid zu ästhetisieren.
Von Freiheit träumen: Das Flüchtlingsleben der Westsaharauis: Erich Fenninger; Volkshilfe (Hg.). 167 S., Mandelbaum Verlag, Wien 2011. Im Dokumentationszentrum von Alliance Sud ausleihbar unter der Signatur: AF/ws/8
«Menschen, auch wenn sie unter noch so schwierigen Verhältnissen leben, sind nie nur hilflos und arm. Sie haben einen Alltag mit Liebe, Freude, Schmerz, Trauer und Hoffnung.» Das Zitat aus «Von Freiheit träumen» ist programmatisch für das ganze Buch. Es lässt Angehörige des Saharaui-Volkes ebenso zu Wort kommen wie Westsahara-ExpertInnen. Die Gespräche geben Einblick in die Geschehnisse vor Ort, in die Geschichte des Volks, ins Völkerrecht und in Menschenrechtsverletzungen. Diskutiert werden auch Möglichkeiten, den Konflikt endlich zu lösen. Der sorgfältige Mix aus inhaltlicher Auseinandersetzung und fotografischer Illustra-
Der Westsahara-Konflikt ist einer der am wenigsten beachteten und zugleich langwierigsten Konflikte Afrikas. Seit fast vier Jahrzehnten kämpft die Befreiungsfront Polisario um die Unabhängigkeit des Gebiets. 80 Prozent der ehemals spanischen Kolonien wird heute von Marokko okkupiert. Eine 2800 km lange mit Minen verstärkte Mauer, die sogenannte «Wall der Schande», sichert das von Marokko annektierte Gebiet. «Die europäische Staatengemeinschaft bemüht sich um kollektives Vergessen», heisst es im Vorwort. Gegen dieses Vergessen setzt das Buch einen eindrücklichen Gegenakzent.
Westsahara und Rohstoffe Die Westsahara ist reich an Rohstoffen. «Western Sahara Resource Watch» setzt sich für einen Ressourcenabbau ein, der den Saharauis zugutekommt. www.wsrw.org
Westsahara und Menschenrechte Fundierte Informationen zur Menschenrechtssituation vor Ort liefern ein Themen-
dossier und der World Report 2013 von Human Rights Watch: www.hrw.org/en/middle-eastn-africa/morocco/ western-sahara
Westsahara und die Saharauis Die AG Friedensforschung (Kassel) hat aktuelle Hintergrundinformationen zum Kampf der Saharauis chronologisch gebündelt. www.ag-friedensforschung.de/regionen/West-
sahara
Uno-Friedensmission Die Uno hat seit 1991 ein Mandat in der Westsahara. Einschätzungen zur aktuellen Situation und Informationen zur Minurso (Mission der Vereinten Nationen für das Referendum in Westsahara): www.un.org/en/peacekeeping/missions/minurso/
Blog aus dem Flüchtlingslager Mit gutem Grund behaupten die Saharauis, sie seien die «bestorganisierten Flüchtlinge der Welt». Hier verschaffen sie sich Gehör: www.saharawivoice.com
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Zeitschriften-Lese(n) ma, das mit neuen Gesetzen ausländische Investitionen etwa in Plantagen fördert.
wwww.gfbv.de
Gier nach Land und Ressourcen Landraub ist Titelthema von «Bedrohte Völker – Pogrom», Heft 273, erschienen im Januar 2013. Naheliegend, dass die indigene Bevölkerung und die Rohstoffausbeutung in deren Rückzugsgebieten im Blickfeld stehen. Gleichzeitig wird Landraub in Ländern beleuchtet, die dafür weniger im Gespräch sind, wie Russland, Schweden und Türkei. Anderes Beispiel: Tibet, wo China zwei Millionen Nomaden in «Modelldörfern» ansiedeln will. Oder Bur-
Nahrhafte Nahrung sichern Die Voraussetzungen bestünden, eine wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Wie aber steht es um die nährstofflichen, also qualitativen Aspekte von Nahrung? Welcher Konnex besteht zwischen Nahrungsbedarf und Preisen, Klimawandel und Böden? Fragen, welche «The European Journal of Development Research», Februar 2013, mit Projektion auf 2050 fächerübergreifend in fünf Aufsätzen diskutiert. Die AutorInnen nehmen dabei auch die politischen Entscheidungsträger in die Pflicht, etwa um die oft unsichtbare und daher vernachlässigte Mangelernährung einzudämmen. wwww.eadi.org
Dokumentationszentrum Bern – wo Sie mit Ihrer Informationssuche richtig sind: Standort Monbijoustrasse 31 3011 Bern Telefon 031 390 93 37 E-Mail dokumentation@alliancesud.ch Internet www.alliancesud.ch/dokumentation Facebook www.facebook.com/AllianceSudDok
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1,3 Mrd. Tonnen
Zahlen und Fakten: Verschwendung von Nahrung
Jährlich wird weltweit ein Drittel aller Nahrung (1,3 Mrd. Tonnen) bei Produktion, Transport und durch Wegwerfen verschwendet.
E-Dossiers von Alliance Sud
30 Prozent
Auf der Website von Alliance Sud finden Sie zahlreiche elektronische Dossiers zu entwicklungspolitisch relevanten und aktuellen Themen. Sie erlauben den raschen Zugriff auf qualitativ gute und gebündelte Informationen.
In den reichen Ländern landen 3o Prozent aller Nahrungsmittel im Abfall, in armen Ländern sind es 3 Prozent.
Die vom Alliance-Sud-Dokumentationszentrum erstellten und regelmässig aktualisierten Dossiers enthalten einen Einführungsteil mit Begriffsklärung und Grundlagentexten. Weitere Rubriken verweisen auf (Detail-)Analysen und Hintergrundbeiträge, bieten eine Medienschau sowie Hinweise auf multimediale Inhalte wie Videos, Infografiken oder Radiobeiträge. Die Quellen werden nach qualitativen Kriterien ausgewählt. Sie sind vorzugsweise in deutscher Sprache und frei und im Volltext online zugänglich.
222 Mio. Tonnen
Aktuell stehen unter anderem folgende E-Dossiers zur Verfügung:
In den reichen Ländern werden jährlich 222 Mio. Tonnen essbare Lebensmittel weggeworfen, in der Schweiz sind es pro Kopf über 100 kg.
> Welche Entwicklungsagenda nach 2015? >M ultis und Menschenrechte > Weltsozialforum in Tunesien > Green Economy > L and Grabbing > Klimawandel
www.alliancesud.ch/de/dokumentation/e-dossiers
Quellen: thinkeatsave.org; foodwaste.ch
www.alliancesud.ch
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