Global+ Nr. 55, Herbst 2014

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NUMMER 55  |   Herbst 2014

Globalisierung und Nord / Süd-Politik

Arbeitsgemeinschaft Swissaid  |   Fastenopfer  |   Brot für alle  |   Helvetas  |   Caritas  |   Heks  |   www.alliancesud.ch

Wichtige Weichenstellungen Nimmt Uno-Konvention SDG und Klima – Firmen an die Leine ? entscheidende Monate

TTIP und TTP – Revolution des Welthandels ?


Kurz notiert Pleitegeier über dem Kongo mh. Immer wieder kaufen ruchlose Investitionsfonds Schuldpapiere von Staaten auf, die kurz vor dem Bankrott stehen. Obwohl sie für diese Papiere Spottpreise bezahlen, verlangen sie später auf gerichtlichem Weg die volle Schuldenrückzahlung. Oft machen die sogenannten « Geierfonds » damit riesige Profite, treiben aber betroffene Staaten wie Argentinien direkt in eine neue Schuldenkrise. Im Fall der Demokratischen Republik Kongo beschloss ein US-Gericht im Juli, das bitterarme Land müsse zwei besonders gierigen Hedgefonds rund 70 Mio. Dollar bezahlen. Die beiden Fonds hatten für die Schuldtitel aus der Zeit der Mobutu-Diktatur gerade einmal 18 Mio. bezahlt. Die gute Nachricht : Mitte September konnten die Entwicklungsländer in der Uno eine Resolution durchsetzen, die den Weg hin zu einem geregelten Insolvenzverfahren für Staaten öffnet. Einer der Zwecke des angestrebten Verfahrens wird sein, Geierfonds das Handwerk zu legen. Unternehmenssteuern ohne Transparenz mh. Mitte September präsentierte die OECD die ersten Zwischenergebnisse ihres BEPSProjekts ( base erosion and profit shifting ) gegen die aggressiven Steuervermeidung-

Abkommen über Umweltgüter ia. Vierzehn WTO-Mitglieder, darunter die Schweiz, haben Anfang Juli Verhandlungen über ein Abkommen für Umweltgüter aufgenommen. Aus den Entwicklungsländern sind China und Costa Rica dabei. Ziel ist, die Zölle für 54 Produkte gegen null zu senken. Das geht von Gasturbinen über Windräder bis zu Installationen für Kläranlagen. Der Handel mit diesen Gütern hat einen Umfang von 1000 Mrd. US-Dollar pro Jahr, 86 Prozent dieses Handels werden von den

Impressum

Alliance Sud auf einen Blick

GLOBAL + erscheint viermal jährlich.

Präsidium Hugo Fasel, Direktor Caritas Schweiz

Herausgeberin : Alliance Sud Arbeitsgemeinschaft Swissaid | Fastenopfer | Brot für alle | Helvetas | Caritas | Heks E-Mail : globalplus@alliancesud.ch Website : www.alliancesud.ch Social Media : facebook.com/alliancesud, twitter.com/AllianceSud

Geschäftsstelle Peter Niggli ( G eschäftsleiter ) Kathrin Spichiger, Rosa Amelia Fierro Monbijoustrasse 31, Postfach 6735, 3001 Bern Tel. 031 390 93 30 Fax 031 390 93 31 E-Mail : mail@alliancesud.ch

Redaktion : Daniel Hitzig ( d h ) , Kathrin Spichiger ( k s ) , Tel. 031 390 93 34/30 Bildredaktion : Nicole Aeby Grafik : Clerici Partner Design, Zürich Druck : s+z : gutzumdruck, Brig Auflage : 2400 Einzelpreis : Fr. 7.50 Jahresabo : Fr. 30.– Förderabo : mind. Fr. 50.– Inseratepreise/Beilagen : auf Anfrage Bildnachweis Titelseite : In Kaolack ( S enegal ) organisiert die belgische NGO Forprofem Berufsbildungskurse u.a. für angehende Coiffeusen. © Dieter Telemans/Panos. Die nächste Ausgabe erscheint Anfang Dezember 2014.

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spraktiken multinationaler Konzerne. Neu sollen multinationale Konzerne den Steuerbehörden angeben, in welchen Ländern sie tätig sind, wie viel Umsatz und Gewinn sie pro Land machen und wie viel Steuern sie dort bezahlen. Diese Angaben sind eigentlich harmlos und enthalten auch keine Betriebsgeheimnisse. Sie sind aber ausgesprochen wichtig, um komplexe Konzernstrukturen zu durchschauen und mögliche Steuervermeidungspraktiken weiterverfolgen zu können. Trotzdem will die OECD nicht, dass die Angaben publik gemacht werden. Die Öffentlichkeit soll also weiterhin im Dunkeln gelassen werden, ob Unternehmen in den Produktionsländern angemessene Steuern bezahlen oder nicht.

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Entwicklungspolitik – E ntwicklungszusammenarbeit : Eva Schmassmann, Tel. 031 390 93 40 eva.schmassmann@alliancesud.ch – Finanz- und Steuerpolitik Mark Herkenrath, Tel. 031 390 93 35 mark.herkenrath@alliancesud.ch – Umwelt- und Klimapolitik Jürg Staudenmann, Tel. 031 390 93 32 juerg.staudenmann@alliancesud.ch – Handel Isolda Agazzi, Tel. 021 612 00 97 isolda.agazzi@alliancesud.ch

Ländern am Verhandlungstisch bestritten. Absicht ist, bald auch Umwelt-Dienstleis­ tungen und nicht tarifäre Handelshemmnisse ins Verhandlungspaket aufzunehmen und dann mit « genügend kritischer Masse » auf alle WTO-Mitglieder zuzugehen. Doch geht es wirklich um die Umwelt oder nicht primär um Marktanteile ? Soll durch die Hintertür ein sektorielles Thema in die WTO eingebracht werden, worüber die Entwicklungsländer nicht reden wollen, weil das Mitmachen freiwillig ist ? Und wie verhalten sich die Umweltgüter zur Diskussion über geistiges Eigentum ? Affaire à suivre. Versorgung auf dem Rücken der Armen me. Der Bundesrat hat Anfang September seine Botschaft zur Revision des Landesversorgungsgesetzes veröffentlicht. Er erinnert zwar an die Forderungen von Alliance Sud, geht aber nicht darauf ein : Die Organisation von Pflichtlagern für den Krisenfall sollte kohärent mit der Entwicklungspolitik sein. Stattdessen sollen Reserven beim Viehfutter, Nahrungsmitteln wie Zucker, Ölen und Fetten, Kaffee oder Reis weiterhin mit einer Importsteuer finanziert bleiben, zulasten der Konsumenten und der Entwicklungsländer, namentlich der Ärmsten. Der Ball liegt beim Parlament, diesen Kurs zu ändern.

– Konzerne Michel Egger, Tel. 021 612 00 98 michel.egger@alliancesud.ch – Medien und Kommunikation Daniel Hitzig, Tel. 031 390 93 34 daniel.hitzig@alliancesud.ch InfoDoc Bern Jris Bertschi /  E manuela Tognola /  Emanuel Zeiter Tel. 031 390 93 37 dokumentation@alliancesud.ch Regionalstelle Lausanne Isolda Agazzi /  M ichel Egger / Tel. 021 612 00 95 /  Fax 021 612 00 99 lausanne@alliancesud.ch InfoDoc Lausanne Pierre Flatt /  N icolas Bugnon /  Amélie Vallotton Preisig Tel. 021 612 00 86 documentation@alliancesud.ch Regionalstelle Lugano Lavinia Sommaruga /  M irka Caletti Tel. 091 967 33 66 /  Fax 091 966 02 46 lugano@alliancesud.ch


Foto : Daniel Rihs

Erziehung durch Entwicklungshilfeentzug

Aus dem Inhalt 4 Foto : © I van Kashinsky /  Panos

Unternehmenssteuerreform III Der Süden ist nicht auf dem Radar

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Unternehmen und Menschenrechte Vorstoss für internationale Lösung

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Sustainable Development Goals Der Rahmen für eine bessere Welt

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Ecopop-Volksinitiative Falsche Lösungsansätze

Mega-Deals im Welthandel 10 Das Ende des Multilateralismus ? Internationale Klimapolitik 12 Die Diskussion nimmt wieder Fahrt auf

Seit Parlament und Bundesrat die Erhöhung des Entwicklungsbudgets auf 0,5 Prozent des Bruttonationaleinkommens beschlossen haben, häufen sich die Vorstösse, die Erhöhung wieder rückgängig zu machen. Direkt oder indirekt, indem Entwicklungshilfe an Bedingungen gebunden wird. Bislang hat das Parlament diese Vorstösse verworfen. Nun lancieren die Unterlegenen die « Entwicklungshilfe-Initiative », um ihre Begehren per Volksentscheid durchzusetzen. Entwicklungshilfe soll den Initianten zufolge nur noch Ländern gewährt werden, die zwingendes Völkerrecht einhalten, religiöse und andere Minderheiten achten und bei der Rückübernahme von Asyl­ suchenden kooperieren. Initiativkomitee-Präsident Sebastian Frehner ( Nationalrat SVP / BS ) sagt, der neue Verfassungsartikel habe eine «nachhaltigere Hilfe » zum Ziel. Die Drohung mit Hilfeentzug werde bei manchen Regierungen ein Umdenken bewirken und entsprechende Verbesserungen anstossen. Gegen die Verknüpfung der Hilfe mit zwingenden Bedingungen an die Empfängerländer wurden bislang drei Argumente angeführt. Erstens verfügt der Kleinstaat Schweiz nicht über das geopolitische Gewicht, um anderen Staaten seinen Willen aufzuzwingen. Zweitens geht die ­Schweizer Hilfe nicht an die Regierungen, sondern an die benachteiligten Menschen. Drittens erhalten einige Staaten, die man zu Wohlverhalten zum Beispiel in Asylfragen zwingen will ( wie etwa Nigeria oder Eritrea ), gar keine Hilfe. Die Schweiz ist vielfältig mit den Ländern verbunden, welche die Initianten nun mit Entwicklungshilfeentzug erziehen wollen. Diese anderen Beziehungen kümmern sie aber wenig. Sie haben sich zum Beispiel nie dafür eingesetzt, Freihandelsverträge künftig nur noch mit Ländern abzuschliessen, welche die Menschenrechte achten – siehe China. Ebenso wenig setzten sich die Initianten bislang dafür ein, Waffen nur noch in Länder zu exportieren, welche die Religionsfreiheit respektieren und die Frauenrechte achten. Im Gegenteil : Hier votierten sie für die Auf­ weichung der Waffenausfuhrverordnung, um die Golfstaaten inklusive Saudiarabien ungehindert bedienen zu können. Staaten also, welche Christen und Schiiten systematisch schikanieren und Frauen als Eigentum der Männer behandeln. Es ist deshalb unglaubhaft, dass die Initianten die « Erziehung » von Diktatoren, Christenhassern und Frauenfeinden erreichen wollen, mit denen sie aussenwirtschaftlich problemlos verkehren. Das tatsächliche Motiv schien durch, als sie im Sommer sagten, ihre Initiative könnte, falls angenommen, gut und gerne zur Halbierung der Entwicklungshilfe führen. Ein Online-Kommentar zur Initiative in der « Basler Zeitung » vermerkte lakonisch : « Bi de Riiche leert me spaare . .. » und Geschäftliches von Menschenrechten zu trennen, liesse sich anfügen. PS. In eigener Sache: Ja, ich werde pensioniert. Aber: Nicht jetzt. Ich bleibe bis und mit Juli des nächsten Jahres im Amt.

Peter Niggli, Geschäftsleiter Alliance Sud

Alliance Sud in Bern und Lausanne 14 Neue Räume für InfoDoc

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Unternehmenssteuerreform III – was bringt sie dem Süden ?

Beihilfe zur Steuervermeidung mit neuen Tricks Mark Herkenrath

Multinationale Grosskonzerne sollen Steuern zahlen –

und zwar dort, wo sie ihre Gewinne machen. Das tönt selbstver­ ständlich. Die Realität ist leider weit davon entfernt. Mit der Unternehmenssteuerreform III will die Schweiz multinationalen Firmen neue Möglichkeiten für die aggressive Steuervermeidung bieten. Damit schadet sie auch den Entwicklungsländern.

Wer beim Stichwort Welthandel vor allem an Exporte und Importe zwischen unabhängigen Firmen denkt, liegt zunehmend falsch. Nach OECD-Schätzungen findet heute mehr als die Hälfte des internationalen Handels zwischen Unternehmen statt, die zum selben Konzern gehören. Das schafft massive Herausforderungen bei der Unter­ nehmensbesteuerung. Multinationale Konzerne können den konzerninternen Handel nämlich nutzen, um ihre welt­ weiten ­Gewinne dort anfallen zu lassen, wo die geringsten Steuern erhoben werden. Die Einnahmen werden also nicht dort ausgewiesen, wo sie entstehen, sondern in Steueroasen verschoben. Die Konzerne selbst bezeichnen solche Gewinntransfers schönfärberisch als Steueroptimierung. Nichtregierungsorganisationen sprechen lieber von aggressiver Steuervermeidung. Wer trägt den Schaden ? Leidtragende dieser Praxis sind die Länder, in denen tatsächlich produziert wird : Sie stellen den Unternehmen Arbeitskräfte und die nötige Infrastruktur zur Verfügung, sie erlauben ihnen, Bodenschätze auszubeuten, gehen bei den Steuereinnahmen aber leer aus. Sie müssen die Finanzlücke schliessen, indem sie öffentliche Dienstleistungen abbauen oder Kleinunternehmen und Lohnangestellte stärker zur Kasse bitten. Betroffen sind insbesondere auch die Entwicklungsländer. Der britische Brauereikonzern SAB Miller zum Beispiel machte in Ghana über Jahre hinweg Millionenumsätze, erwirtschaftete aber offiziell kaum Gewinn und bezahlte nach Recherchen der Entwicklungsorganisation ActionAid deshalb auch so gut wie keine Unternehmenssteuern. Angeblich brauchte der Geschäftszweig in Ghana sämtliche Gewinne auf, um konzernin-

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Foto : © G aetan Bally /  Keystone

terne Schulden zu begleichen, Lizenzgebühren an ein holländisches Schwesterunternehmen zu bezahlen und in der Schweiz teure interne Dienstleistungen zu beziehen. In der Öffentlichkeit rechtfertigte sich der Konzern damit, er halte sich bei seinem Tun strikt an die gesetzlichen Vorgaben. Unmoralisch, aber legal Tatsächlich sind die meisten Praktiken, mit denen Unternehmen ihre Gewinne in steuergünstige Länder wie die Schweiz verschieben, vollkommen legal. Es gilt lediglich das sogenannte Fremdvergleichsprinzip. Demzufolge müssen sich konzerninterne Transaktionen an den marktüblichen Preisen messen, die beim Handel mit unabhängigen Partnern fällig gewesen wären. Für die zuständigen Steuerbehörden ist es jedoch oft schwierig, die Einhaltung dieser Regel mit angemessenem Aufwand zu kontrollieren. Gerade in Entwicklungsländern fehlen den Behörden dazu oft die personellen Kapazitäten, manchmal auch die nötigen rechtlichen Grundlagen.

Konzerninterne Lizenzzahlungen werden als Vehikel der aggressiven Steuervermeidung immer beliebter. Hinzu kommt, dass es beim Fremdvergleichsprinzip beträchtliche Spielräume gibt. Für Patente, Markenrechte und unternehmensinterne Kredite zum Beispiel existieren keine wirklich freien Märkte und deshalb auch keine einfachen Vergleichs-


Erträge aus Patenten sollen günstig in Schweizer Lizenz­ boxen besteuert wer­ den. Doch wer be­ ziffert den Wert einer Erfindung ? Unter­ nehmen haben ein ­Interesse, dass der « Fremdvergleich » ­zugunsten ihrer Steuerrechnung ausfällt – dies oft zu Ungunsten der Entwicklungsländer.

möglichkeiten. Die Konzerne können hier also die Preise für den konzerninternen Handel mehr oder weniger beliebig festsetzen. Das ist einer der Gründe, weshalb konzerninterne Lizenzzahlungen als Vehikel der aggressiven Steuervermeidung immer beliebter werden. Es genügt, teure Patente und Markenrechte in einem Land zu halten, das auf die entsprechenden Einnahmen kaum Steuern erhebt, und schon fallen in den eigentlichen Produktionsländern so gut wie keine steuerbaren Gewinne mehr an. Die Rolle der Schweiz Die Schweiz ist eine beliebte Zieldestination steuerlich motivierter Gewinntransfers. Grund dafür sind die Steuerprivilegien für sogenannte Statusgesellschaften ( vor allem Holdings, gemischte und Verwaltungsgesellschaften ). Sie bewirken eine Ungleichbehandlung von inländischen und ausländischen Gewinnen, vergolden Firmen mit Schweizer Sitz das Auslandgeschäft und verschaffen dem Land einen unlauteren Wettbewerbsvorteil in der internationalen Standortkonkurrenz. Gewinne aus dem Ausland bleiben oft weitgehend steuerfrei. Das ärgert die Herkunftsländer der Gewinne schon lange und ist zunehmend auch der OECD ein Dorn im Auge. Damit soll nun aber bald Schluss sein. Der Bundesrat hat die Vernehmlassung zur sogenannten Unternehmenssteuerreform III soeben lanciert. Um dem langjährigen Streit mit der EU ein Ende zu setzen, will der Bundesrat die bestehenden Steuerprivilegien für Statusgesellschaften endlich abschaffen. Gleichzeitig will er aber vermeiden, dass die Schweiz im Wettbewerb der Steueroasen Marktanteile verliert. Neben anderen Massnahmen sieht die geplante Reform deshalb als Ersatz für die Sonderbesteuerung von Statusgesellschaften eine steuerliche

Privilegierung von Lizenzeinnahmen ( sogenannte Lizenzboxen ) vor. Zudem sollen die Kantone dabei unterstützt werden, ihre Unternehmenssteuern nochmals rigoros zu senken. Entwicklungspolitischer Unfug Die Abschaffung der kantonalen Steuerprivilegien für Statusgesellschaften ist selbstverständlich sinnvoll. Die geplanten Ersatzmassnahmen ( Lizenzboxen und weitere Unternehmenssteuersenkungen ) sind aus entwicklungspolitischer Sicht hingegen äusserst bedenklich. Sie würden multinationalen Unternehmen weiterhin einen starken Anreiz geben, ihre Gewinne aus Entwicklungsländern über konzerninterne Transaktionen in die Schweiz zu verfrachten und den betreffenden Ländern dringend benötigte Staatseinnahmen zu entziehen. Das stünde klar im Widerspruch zu den Zielen ( und Erfolgen ) der schweizerischen Entwicklungspolitik. Tatsache ist aber auch, dass im internationalen Steuerwettbewerb mit harten Bandagen gekämpft wird. Lizenzboxen zum Beispiel existieren in verschiedenen europäischen Ländern schon. Ein Schweizer Verzicht auf solche Boxen würde den Entwicklungsländern also nur sehr bedingt nützen. Unternehmensgewinne aus ärmeren Ländern würden statt in die Schweiz einfach vermehrt in die Niederlande oder nach Grossbritannien fliessen. Nur hat die Schweiz in der internationalen Standortkonkurrenz mehr zu bieten als Steuerdumping. Statt den Steuerwettbewerb zusätzlich anzuheizen, stünde es ihr deshalb gut an, sich aktiv gegen das Steuerdumping anderer Länder zur Wehr zu setzen und auf der internationalen Ebene für eine gerechtere Unternehmensbesteuerung zu kämpfen.

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Internationales Abkommen über transnationale Unternehmen

Einen Grabenkrieg vermeiden Michel Egger

In einer Resolution verlangt der Uno-Menschenrechtsrat die Schaffung

einer verbindlichen internationalen Konvention zur Einhaltung von Menschen­rechten durch multinationale Unternehmen. Jetzt gilt es zu vermeiden, dass diese Initiative die nationale Umsetzung der Uno-Leitprinzipien zu Wirtschaft und

Foto : © I van Kashinsky /  Panos

Menschenrechten behindert.

Nach zwanzig Jahren ist die Sammelklage gegen den US-Erd­ölkonzern Texaco/Chevron noch nicht defi­nitiv entschie­ den. Die ecuadoria­ nische Verurteilung zu ­ ­9,5 Mrd. Dollar Schaden­ er­­satz wegen Umwelt­ verschmutzung im Amazonas-Becken wird vor US-Gerichten als ­«illegitim» an­gefochten. Bild: Unweit von Shushufindi, Provinz Sucumbios, Ecuador.

Keine Woche vergeht ohne Nachrichten, dass Unternehmen Menschenrechte verletzen. Meistens gehen sie dabei straf­los aus, die Rechtsmittel sind beschränkt, das Engagement der Staaten schwach. Drei Jahre nach der Annahme der Uno-­ Leitprinzipien zu Wirtschaft und Menschenrechten sorgt deren schleppende Umsetzung weitherum für Frustration. Erst wenige Länder ( Grossbritannien, Niederlande, Dänemark, Italien, Spanien ) haben bis heute nationale Aktionspläne vorgestellt, die notabene von den NGOs wegen ihrer Zahn­ losigkeit kritisiert wurden. Die Schweiz sollte ihren Aktionsplan noch dieses Jahr vorlegen.

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Norden gegen Süden Um dieser Situation etwas entgegenzusetzen, haben Ecuador und Südafrika im Juni im Uno-Menschenrechtsrat eine Reso­ lution eingebracht. Sie glauben, dass nur eine bindende internationale Konvention wirklich in der Lage ist, die Asymmetrie zwischen Staaten und global operierenden Firmen zu korrigieren ; damit Opfer besser geschützt werden und gerechten Zugang zur Justiz erhalten. Der Rat hat die Resolution mit 20 gegen 14 Stimmen angenommen, 13 Länder enthielten sich. Mit Ausnahme von Russland waren die Befürworter alles Schwellen- oder Entwick-


lungsländer, darunter China, Indien und Indonesien. Unterstützt wurden sie von mehr als 500 Organisationen der Zivilgesellschaft, darunter auch Alliance Sud. Geschlossen dagegen stimmten die Industrieländer. Der Vorstoss komme zur Unzeit, er polarisiere die Debatte und drohe die Bemühungen um die Umsetzung der Leitprinzipien unnötigerweise zu schwächen, begründeten sie ihre Ablehnung. Diese Position teilt auch die Schweiz, die zurzeit nicht Mitglied des Uno-Menschenrechtsrates ist. Dies geht aus einer schriftlichen Antwort von Bundesrat Didier Burkhalter an die Schweizer Sektion von FIAN hervor. Sie folgt der Wirtschaftslobby, die zwar jegliche Notwendigkeit einer nationalen Regelung zurückweist und eine internationale Lösung als prioritär bezeichnet – eine solche dann aber aus Prinzip gleich verwirft, wenn sich eine Gelegenheit dazu bietet. Die in der Resolution vorgesehene zwischenstaatliche Arbeitsgruppe wird ihre Arbeit nächstes Jahr aufnehmen und soll Anfang 2016 einen ersten Bericht abliefern. Die EU und die USA haben bereits mitgeteilt, dass sie dabei nicht mitwirken werden. Herausforderungen klären Nicht zuletzt aufgrund dieser Polarisierung verspricht der Prozess lang und schwierig zu werden. Und es gibt keine Garantie, dass das Resultat den hohen Erwartungen schliesslich gerecht wird. Die nichtstaatliche Internationale Juristenkommission ( ICJ ) findet jedoch, man dürfe sich von diesen Schwierigkeiten nicht abschrecken lassen. Allerdings müsse die Arbeitsgruppe entscheidende Punkte vorgängig klären, um zu vermeiden, dass das Projekt einer Konvention stecken bleibt : – Inhalt. Das sehr allgemein formulierte Mandat muss präzisiert werden. Für einige Fachleute wie John Ruggie, Verfas­ ser der Uno-Leitprinzipien, ist der Fächer von Rechtsfeldern zu gross, um so in einen Vertrag gefasst zu werden, dass ihn Staaten auch effizient und einheitlich erfüllen können. Soll man alle Menschenrechte ansprechen oder sich auf die gröbsten Verletzungen konzen­trieren ? Und wie soll die Einhaltung des Vertrags überprüft werden, welches wären die Klage- und Sanktionsmöglichkeiten ? – Extraterritorialität. Eine unvermeidliche, aber äusserst kontroverse Frage betrifft die Möglichkeit oder die Pflicht der Sitzstaaten von Unternehmen, einen extraterritorialen Schutz für jene anzubieten, die von Tochterunternehmen im Ausland geschädigt wurden. – Reichweite. Zahlreiche NGOs haben bemängelt, dass sich die Resolution nur auf transnationale Unternehmen, die Leitprinzipien aber auf alle Unternehmen beziehen. Ein internationales Abkommen, das Firmen vor Ort nicht einbeziehe, sei angesichts heutiger Wertschöpfungsketten wenig glaubwürdig und stichhaltig. – Prozess. Wie auch das Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte ( SKMR ) fürchten viele, dass der einvernehmliche Multistakeholder-Ansatz der Uno-Leitprinzipien und ein zwischenstaatlicher Prozess zu einer Konvention sich gegenseitig im Weg stehen. Um der bereits angekündigten Blockade zuvorzukommen, wäre es sinnvoll, beides

miteinander in Einklang zu bringen. Die Herausforderung bestünde darin, dass alle Interessierten ( also auch Unternehmen und NGOs ) bei der Erarbeitung der Konvention einbezogen werden. Komplementäre Vorstösse Für viele NGOs, darunter Alliance Sud, verlangt ein wirksamer Schutz gegen Menschenrechtsverletzungen sowohl freiwillige Initiativen wie rechtliche Bestimmungen – auf nationaler und auf internationaler Ebene. In diesem Sinne wären die Leitprinzipien und ein internationales Vertragswerk komplementär. Bis eine internationale Konvention verabschiedet ist, können bereits zahlreiche Dinge auf nationaler Ebene aufgegleist werden. Namentlich in Richtung eines Smart mix zwischen freiwilligen Massnahmen und bindenden Regeln, wie ihn John Ruggie vorschlägt. Der Nationalrat kann im Winter einen entscheidenden ersten Schritt in diese Richtung machen, wenn er die Motion seiner aussenpolitischen Kommission berät. Diese verlangt, dass eine Sorgfaltsprüfungspflicht in Bezug auf Menschenrechte und Umwelt ins Aktienrecht geschrieben wird.

Uno und Unternehmen : 40 Jahre Hüst und Hott me. Die Uno-Geschichte im Verhältnis zu trans­nationalen Unternehmen ist schon lang. 1974 schuf der Wirtschafts- und Sozialrat der Uno ( ECOSOC ) eine Kommission zu transnationalen Gesellschaften und ein entsprechendes Zentrum mit dem Mandat, einen Verhaltenskodex zu erarbeiten. Diese beiden Instanzen wurden in den 1990er-Jahren aber wieder aufgelöst, der Kodex schubladisiert und 2000 mit dem wenig stichhaltigen Global Compact « ersetzt ». Einen neuen Anlauf, Unternehmen an gewisse Regeln zu binden, unternahm die UN-Unterkommission für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte in den 00er-Jahren. Ihr Projekt, Normen zu erarbeiten, blieb jedoch stecken. 2005 zog es die Menschenrechtskommission vor, jenen Prozess zu lancieren, der schliesslich in die Uno-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte mündete, die 2011 vom UnoMenschenrechtsrat verabschiedet wurden. Namentlich aufgrund des Drucks mächtiger Wirtschaftslobbys sind bis heute sämtliche Uno-Bemühungen gescheitert, transnationale Unternehmen zu regulieren. Ob der aktuelle Vorstoss von Ecuador und Südafrika dasselbe Schicksal erfährt ? Anders als gewisse Kreise behaupten, ist er mehr als eine Neuauflage des­sen, was die Unterkommission einst vorschlug. Im September 2013 haben sich nicht weniger als 85 Staaten dafür ausgesprochen, dass der UN-Menschenrechtsrat einen Resolutions­ entwurf ausarbeitet. Ein grosses Novum.

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Foto : © Visalli /  TIPSIMAGES /  C HROMEORANGE /  Keystone

An der General­ versammlung der Vereinten Nationen in New York werden im September 2015 die Nachhaltigen Entwicklungsziele ( Sustainable Development Goals ), quasi « die neue Verfassung der Weltinnenpolitik », verabschiedet.

Agenda Post-2015

Uno-Ziele für nachhaltige Entwicklung : Erstaunlich ehrgeizig, viel Kritik Nina Schneider und Peter Niggli

Im Juli 2014 veröffentlichte

die Open Working Group, in der alle Uno-Mitglieder vertreten sind, ihren Entwurf der Ziele für nach­-

haltige Entwicklung ( SDGs ). Was vorliegt, ist ehrgeizig und kohärent und übertrifft die Erwartungen von Alliance Sud.

Die Uno-Mitglieder werden die Ziele, nach weiteren Verhandlungen, im September 2015 verabschieden. Die SDGs lösen die Millenniumsentwicklungsziele ( MDGs ) ab, welche 2015 auslaufen. Wie die MDGs haben die SDGs keinen Sanktionsmechanismus, mit dem sie durchgesetzt werden könnten. Aber wie die MDGs werden sie ein Uno-Verfahren etablieren, das die nationalen Anstrengungen öffentlich vergleicht und debattiert, die Länder einem Schönheitswettbewerb unterwirft und zu weiteren Anstrengungen aufruft. Die SDGs decken die wichtigsten gesellschaftlichen Indikatoren ab, welche die Uno im Hinblick auf die Rio+20-Konferenz 2012 definiert hat, nämlich Ernährung, Zugang zu Wasser, Gesundheit, Bildung, Energie, Arbeit, Einkommen, soziale Gerechtigkeit, Geschlechtergerechtigkeit, Teilhabe sowie Widerstandsfähigkeit. Gleichzeitig decken sie neun ökologisch sensitive Bereiche ab, in denen die planetaren Grenzen schon überschritten sind oder überschritten zu werden drohen. Zudem postulieren vier SDGs entwicklungsökonomische Anforderungen an die Transformation der Weltwirtschaft, um die sozialen und ökologischen Zielsetzungen überhaupt zu erreichen. Bei aller Anerkennung betrachten viele den Entwurf zwar als gute Ausgangsbasis, nicht aber als wünschbares Endprodukt der kommenden Verhandlungen. People’s Goals, ein Netzwerk

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aus Basisbewegungen, Gewerkschaften und NGOs, hält die guten Absichten der SDGs für unerreichbar, solange das gegenwärtige Regulationsregime der Weltwirtschaft aufrechterhalten bliebe. Beyond 2015, ein Zusammenschluss von 1000 NGOs aus 130 Ländern, verlangt, die Kernprinzipien der Menschenrechte und der Rio-Nachhaltigkeitsagenda in allen Teilzielen zu verankern. Die Women’s Major Group kritisiert, das SDG zur Gleichstellung der Geschlechter würde durch den fehlenden Bezug zur Uno-Frauenrechtskonvention und zu den sexuellen und reproduktiven Rechten geschwächt. Die Streichung der spezifischen Rechte indigener Völker aus dem Zielrahmen bemängelt Albert Deterville, der Uno-Beauftragte für Indigene Völker. Jens Martens vom Global Policy Forum hält SDG 17, welches die Anforderungen an die Umsetzung und speziell auch an die reichen Länder formuliert, für ungenügend und verlangt « messbare Ziele für die Reichen ». Derweil fragen sich viele VertreterInnen der am wenigsten entwickelten Länder ( LDC ), ob sie von den SDGs wirklich profitieren werden. Das South Centre, der Genfer Think Tank der Entwicklungsländer, befürchtet gar, die SDGs könnten zu neuen Konditionalitäten mutieren, die Entwicklungsländern für Transferleistungen auferlegt würden. Kurz, an Kontroversen fehlt es in den kommenden Verhandlungen nicht. Trotzdem : Falls das Paket 2015 ungefähr so verabschiedet wird, wie es jetzt vorliegt, dürfte es zum weltinnenpolitischen Referenzrahmen der internationalen Politik werden. Zivilgesellschaftliche und oppositionelle politische Kräfte in Nord und Süd werden die SDGs national und international nutzen können, um von ihren Regierungen einzufordern, wozu sie 2015 ihr Einverständnis gegeben haben. Es hängt wesentlich von ihrem Einsatz ab, ob und wieweit die SDGs nationale und globale Politik prägen werden.


Volksabstimmung vom 30. November 2014

Ecopop : Echte Probleme und falsche Lösungen Wieder eine Initiative, die weit über ihr Ziel

hinausschiesst. Denn wer die Umwelt wirklich

schützen will, soll weniger verbrauchen. Und nicht die Menschen in Entwicklungsländern anhalten,

Foto : zvg

weniger Kinder zu haben.

Unter dem Titel « Stopp der Überbevölkerung – zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen » ist Ecopop bereits die neunte Volksinitiative, die sich gegen die Einwanderung richtet. Mit der Behauptung, es gehe um die Zukunft des Planeten und das Wohlergehen der Menschen in den Entwicklungsländern, wollen die Initianten das traditionelle Links-Rechts-Schema über den Haufen werfen. Tatsächlich haben alle Parteien empfohlen, das Volksbegehren abzulehnen. Die jährliche Einwanderung in die Schweiz soll auf 0,2 Prozent der Wohnbevölkerung beschränkt werden, mindestens 10 Prozent der Gelder für Entwicklungszusammenarbeit sollen für freiwillige Familienplanung ausgegeben werden. Womit die natürlichen Grundlagen unseres Landes nachhaltig geschützt würden, heisst es. Alliance Sud teilt das Anliegen, die natürlichen Ressourcen zu schützen – bei uns und anderswo. Aber die hierfür vorgeschlagenen Mittel sind absurd. Zum Beweis : Das Schweizer Nationaleinkommen ( BNE ) ist 34-mal so hoch wie das der ärmsten Länder der Welt. Oder anders gesagt, die acht Millionen in der Schweiz lebenden Menschen verbrauchen so viel Ressourcen wie die 850 Millionen EinwohnerInnen der ärmsten Länder. « Für sich genommen ist das Bevölkerungswachstum keine Bedrohung für den Planeten. Die nackten Zahlen sind nicht das Problem. Der Schlüssel für eine nachhaltige Entwicklung liegt im Konsumverhalten und in verantwortungsvoller Produktionsweise », bestätigt Alanna Armitage, Direktorin des Uno-Bevölkerungsfonds ( UNFPA ) in Genf. Dabei bestreitet niemand die Bedeutung der freiwilligen Familienplanung als Instrument im Kampf gegen die Armut. Aber diese muss eingebettet sein in die Emanzipation der Frauen. « Die Frauen haben ein Recht auf sexuelle Gesundheit und Fortpflanzung. Sie müssen selbst entscheiden können, ob und wann sie Kinder haben möchten », so Alanna Armitage weiter, « die UNFPA arbeitet dafür mit Regierungen und der Zivilgesellschaft zusammen, um Ansätze zu entwickeln, die auf den Menschenrechten basieren, die auf die kul­ turellen Unterschiede eingehen und die namentlich auch den Ver­ letzlichsten zugutekommen. » Die Verteilung von Verhütungsmitteln reicht also nicht, um hohe Geburtenraten zu reduzieren. Es braucht ganzheitliche Programme, die auch Alanna Armitage, Direktorin Erziehung, Berufsausbildung und des Genfer Büros des Welt­ den Zugang zum Arbeitsmarkt einbevölkerungsfonds der Uno schliessen. Ein gutes Beispiel dafür ( U NFPA, United Nations kommt aus Indien : Im Bundesstaat Population Fund )

Tamil Nadu wurden in Schulen Gratis-Mittagessen angeboten. Das half, dass Mädchen länger zur Schule gingen, später heirateten und ihr erstes Kind später bekamen. Die Geburtenrate in Tamil Nadu liegt heute mit 1,7 Kindern pro Frau nur unwesentlich höher als in der Schweiz. Im Bundesstaat Haryana dagegen, wo das Patriarchat viel stärker verwurzelt ist, liegt diese Zahl immer noch bei 2,3. Der Druck, viele Kinder zu haben, bleibt dort hoch, trotz des Zugangs zu Verhütungsmitteln. Ausser Acht lassen die Ecopop-Initianten, dass « eine Bevölkerung wachsen kann, selbst wenn die Geburtenrate rückläufig ist – sei es, weil mehr Menschen im zeugungs- beziehungsweise gebärfähigen Alter sind oder weil die Lebenserwartung zunimmt », ergänzt Alanna Armitage. Die Wachstumsrate der Weltbevölkerung ist bereits heute rückläufig. Pessimisten gehen davon aus, dass diese absolut noch bis 2100 zunimmt. Ebenso plausible Argumente sehen die Wende bereits um 2050. Kurz : In beiden Szenarien wird die Weltbevölkerung wieder abnehmen, die Ecopop-Initiative will offene Türen einrennen.

Foto : © A ntony Kaminju /  E PA /  Keystone

Isolda Agazzi

Der Einsatz von Verhütungsmitteln ist nur ein Mittel im Kampf gegen unerwünschte Schwangerschaften. Im Bild : Volontärinnen einer Tür-zu-TürKampagne im Johannesburger Vorort Jeppestown, Südafrika, demonstrieren den fachgerechten Gebrauch eines Femidoms ( « Frauenkondom » ).

d

+ . . . mehr zum Thema. Alliance Sud InfoDoc hat im E-Dossier « Weltbevölkerung 20 Jahre nach der Kairo-Konferenz » die unterschiedlichen Perspektiven der interna­ tionalen bevölkerungspolitischen Debatte zusammengetragen und spiegelt die Kontroverse um die Ecopop-Initiative. http://bit.ly/1m4QCmy

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TPP, TTIP, TISA – neue Weltordnung durch die Hintertür

Die neuen Player in Schach halten Isolda Agazzi

Die Industrieländer zeigen dem Multilateralismus der WTO zunehmend

die kalte Schulter. An seine Stelle treten regionale und thematische Mega-Abkommen zu Handel, Investitionsschutz und Dienstleistungen. Zum Leidwesen und zulasten der aufstrebenden und der ärmsten Entwicklungsländer.

Die erste Front haben die USA 2010 eröffnet. Sie hatten genug vom Widerstand der Entwicklungsländer – darunter namentlich der rasante « Aufholer » China – gegen weitere Liberalisierungsschritte im Rahmen der Welthandelsorganisation ( WTO ) und lancierten die Transpazifische Partnerschaft, bekannt unter der englischen Abkürzung TPP. Bis heute beteiligen sich zwölf Staaten aus dem asiatisch-pazifischen Raum an den Verhandlungen für ein umfassendes Regional-Abkommen in den Bereichen Handel und Investitionen.1 Auch wenn die Verhandlungstexte geheim sind, so ist doch bekannt, dass die TPP in allen Bereichen weiter gehen wird als die WTO. Namentlich sollen die Zölle auf Industrieprodukte auf null zurückgefahren werden, die Dienstleistungen ( vor allem auch jene im Finanzbereich ) – ausser sie werden durch eine explizite « Negativliste » davon ausgenommen – und die Investitionen liberalisiert werden. Investitionen sollen durch den kontroversen Mechanismus von Schlichtungsstellen geschützt werden. Dieser erlaubt es nur dem Investor, zu klagen, dem Staat, in dem investiert wird, jedoch nicht. Teil der Verhandlungen ist auch eine Stärkung des Patentschutzes, was den Zugang zu Generika und Saatgut erschweren würde. Im Visier der TPP sind auch jene Märkte und Dienstleistungen, die von staatlichen Unternehmen kontrolliert werden. Erstaunlicherweise enthält das Abkommen kein eigenes Kapitel über die Landwirtschaft, umso schwieriger ist es für BeobachterInnen zu beurteilen, welche Auswirkungen TPP im hochsensiblen Bereich der Ernährungssicherheit haben wird. TTIP : Die USA und die EU gehen zum Angriff über 2013 haben die Vereinigten Staaten zusammen mit der Europäischen Union – ihr Handel macht rund die Hälfte des Welthandels aus – eine zweite atlantische Front gegen die WTO eröffnet : Die Verhandlungen über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft, ihrerseits besser bekannt unter dem englischen Kürzel TTIP. Weil die Zolltarife zwischen den USA und der EU bereits sehr tief sind, liegt der Fokus auf der Vereinheitlichung von unterschiedlichen Regulierungen. Europäische NGOs sprechen sich vehement gegen die TTIP aus, denn sie befürchten einen Angriff auf Sozial- und Umweltstandards, auf den Konsumentenschutz, die in der EU alle deutlich griffiger ausgestaltet sind als in den USA. Genmanipulierte Früchte und

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Gemüse, chloriertes Geflügel, Hormon-Rindfleisch, ein Abbau von Arbeitsrechten auf den Stand der USA, die nur gerade zwei der acht Grundnormen der internationalen Arbeitsorganisation ( ILO ) ratifiziert haben – aus diesem Stoff sind die begründeten Befürchtungen auf der europäischen Seite des Atlantiks. Ebenfalls dazu gehört die Art und Weise, mit welchen umweltschädlichen Methoden ( « Fracking » ) die USA an ihre Schiefergas-Vorräte gelangen. Der umstrittenste Teil des Abkommens betrifft jedoch den Schutz von Investitionen : Wie beim TPP zielen die Vereinigten Staaten darauf ab, Investitionsstreitigkeiten

NGOs befürchten einen Angriff auf Umwelt- und Sozialstandards und den Konsumentenschutz, die in der EU griffiger sind als in den USA. von wenig transparenten Schlichtungsstellen klären zu lassen. Aufgrund des Widerstands der Zivilgesellschaft und einzelner Staaten hat die EU eine Online-Konsultation initiiert und die Verhandlungen an diesem Kapitel solange ausgesetzt, bis die 100 000 eingetroffenen Stellungnahmen ausgewertet sind. Angeführt werden die Kritiker von Deutschland, das sich wegen des Atomausstiegs einer 3,7-Milliarden-Euro-Klage des schwedischen Energie-Multis Vattenfall gegenüber sieht. Aus formaljuristischen Gründen abgelehnt hat die EU-Kommission hingegen den Vorstoss des « Aktionsbündnisses Stop TTIP », den Vertrag mit Hilfe einer Europäischen Bürgerinitiative ( EBI ) zur Diskussion zu stellen. TISA : Dienstleistungen deregulieren Neben diesen regionalen Mega-Abkommen wird auch an plurilateralen thematischen Abkommen gearbeitet, die Federführung dafür liegt meist bei den Industrieländern. 2012 haben rund fünfzig Staaten, darunter die USA, die EU, die Schweiz und einige mit den Vereinigten Staaten befreundete Entwicklungsländer, die Verhandlungen für ein umfassendes Dienstleis-


tungsabkommen ( TISA – Trade In Services Agreement ) auf­ genommen ( siehe GLOBAL+ Nr. 54 ). TISA könnte ganze Wirtschaftszweige deregulieren und für die Privatisierung öffnen : den Service public, die Finanzdienstleistungen, Staats- und staatsnahe Unternehmen, die Vergabe öffentlicher Aufträge. Für die NGOs und die Gewerkschaften geht es auch in diesem Fall darum, bestehende Sozial- und Umweltstandards zu verteidigen, den Schutz von ArbeitnehmerInnen, KonsumentInnen und der Privatsphäre zu schützen. Was haben all diese Abkommen gemeinsam ? Sie zielen auf eine möglichst weitgehende Privatisierung, Deregulierung und Liberalisierung der Weltwirtschaft. Ihr Ziel ist es, neue Standards festzulegen, die auf alle Länder angewendet werden ; und zwar auch auf jene, die nicht an den Verhandlungen beteiligt sind oder die einem Abkommen erst später beitreten. Diese Mega-Abkommen stellen einen kaum verhüllten Angriff auf China, Indien und Südafrika dar, die sich im Rahmen der WTO gegen die Liberalisierung des Handels mit Industriegütern, der Dienstleistungen, der Vergabe staatlicher Aufträge und der Investitionen wehren und sich hartnäckig für gerechtere globale Regeln in der Landwirtschaft einsetzen. Kurz : Die Handelsströme sollen in eine neue Richtung gelenkt werden, zum Nachteil der aufstrebenden Länder des Südens. Darunter leiden werden nicht nur Länder, die sowohl mit den USA als auch mit der EU Handelsabkommen kennen. Die Textilindustrie von Mexiko zum Beispiel, das durch Freihandelsabkommen mit beiden Blöcken verbunden ist, könnte zwischen den euro­ päischen und der US-Industrie aufgerieben werden, wenn die

TTIP verabschiedet wird. Ein anderes Beispiel : Heute importiert die EU Zitronen vor allem aus Südafrika, Ägypten und Marokko. Mit der TTIP würden die USA auch verstärkt Zitrusfrüchte in die EU exportieren. Und auch die ärmsten Länder riskieren, Leidtragende zu sein : Gemäss einer unlängst publizierten Studie würden die Exporte der am wenigsten entwickelten Länder in die EU zu einem Rückgang der Nationaleinkommen ( BIP ) von drei Prozent führen.2 Nicht von ungefähr nehmen die grossen Schwellenländer an diesen Verhandlungen nicht teil – zumindest vorläufig. ­Sollte bei TISA ein Durchbruch gelingen, dürfte das Interesse der Industrieländer an der Doha-Runde der WTO endgültig ­erlöschen. Und die Schwellen- und Entwicklungsländer wären ihres wichtigsten Hebels beraubt, um im Agrarbereich für sie bessere Bedingungen auszuhandeln. Die Schweiz ist bei den TISA-Verhandlungen dabei, den atlantischen Mega-Deal verfolgt sie mit grossem Interesse, denn er könnte auch auf die Schweiz Auswirkungen haben. Alliance Sud setzt sich dafür ein, dass sich die Schweiz von TISA zurückzieht. Zu gross sind die Risiken für ihren eigenständigen Service public, zu wichtig ist, dass Staaten nach eigenem Gutdünken regulieren können. Und nicht zuletzt sollte sich die Schweiz entschieden gegen den Schlag gegen eine gerechte, multilaterale Handelsordnung stellen. 1 Australien, Brunei, Chile, Japan, Kanada, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur, Vereinigte Staaten, Vietnam 2 http://bit.ly/1eouxwr

Foto : © M artin Meissner /  A P /  Keystone

Das Volk soll nicht angehört werden. Die EU-Kommission will keine Europäische Bürgerinitiative ( EBI ) gegen das Transatlantische Freihandelsabkommen zulassen. Fast 250 Organisationen wollen trotzdem Unterschriften gegen die TTIP sammeln.

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Foto : © J oerg Boethling

Auf Sagar Island im Gangesdelta im in­ dischen Bundesstaat Westbengalen hat der ansteigende Meeres­ spiegel einen Deich zerstört. Die Kosten für den erforderlichen Küstenschutz sind nur eine der Herausforde­ rungen an eine ge­ rechte internationale Klimapolitik.

Entscheidende Monate für das globale Klima

Auf nach Paris ! Jürg Staudenmann

Ende 2015 soll in Paris ein neuer Klimavertrag unterzeichnet werden,

der das Kyoto-Protokoll ablösen und ab 2020 alle Nationen verbindlich in ein wirksames internationales Klimaschutz-Regime einbinden soll. Wie realistisch ist dies? Und wie steht die Schweiz dazu ?

Mehrmals schon bekräftigten die Regierungen, alles zu unternehmen, damit die Klimaerwärmung nicht über 2 Grad Celsius ansteigt. Dazu müssten die globalen Emissionen von Treib­ hausgasen allerdings auf 50 Prozent des Standes von 1990 und bis 2050 auf null gesenkt werden. Nach dem gescheiterten Klimagipfel in Kopenhagen 2009 lag die Klimapolitik jahrelang praktisch im Koma. Nun herrscht Aufbruchstimmung, bis zur Klimakonferenz in Paris vom nächsten Jahr doch noch einen Vertrag zustande zu bringen. Neu sollen sich alle 196 Staaten verpflichten, ihren anteilmässigen Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels und seiner Folgen zu leisten. Das Prinzip « Klimagerechtigkeit » spielt eine entscheidende Rolle, ob es tatsächlich zu einem Durchbruch kommt. Getreu dem Verursacherprinzip der Klimakonvention müssen die Staaten « gemeinsame, aber unterschiedliche » Beiträge zur Eindämmung der Klimakrise treffen. Staaten, die bisher am meisten Emissionen verursacht haben, sollen stärker in die Pflicht genommen werden und auch zur Finanzierung von Anpassungs- und Reduktionsmassnahmen in Entwicklungs­ ländern beitragen. Die Entwicklungs- und Schwellenländer pochen dabei auch auf ihr Recht, im Zuge der « nachholenden Entwicklung » bis

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2050 ihren gerechten Anteil an den durchschnittlich noch verkraftbaren Emissionen von 2,1 Tonnen pro Kopf und Jahr zugestanden zu bekommen. Rechnet man dies auf die nötige Reduktion in Industriestaaten um, so müssten dort über 80 Prozent gegenüber 1990 eingespart werden. Zum Auftakt lud Ban-Ki Moon alle Staats- und Regierungs­ chefs am 23. September nach New York ein, um sie frühzeitig auf einen gemeinsamen visionären Pfad einzuschwören. Zeitgleich mit dem grössten Klimagipfel seit 2009 gingen allein in New York weit über 300 000 Menschen auf die Strasse. Laut Bill McKibben von 350.org, um « Einbrecher-Alarm » zu schlagen, weil « wir mit dem Diebstahl an der Welt und an den zukünftigen Generationen nicht einverstanden sind ! » Was die Zivilgesellschaft fordert . .. Auch unter NGOs ist zurückhaltende Zuversicht zu spüren. Damit in Paris ein neues Klimaabkommen mit griffigen und umsetzbaren Massnahmen zustande kommt, verlangen sie ein solides rechtliches Abkommen mit klaren, verbindlichen Regeln und der Zusage zu ambitionierten Taten schon vor 2020. Das bedingt, Klimagerechtigkeit als zentrales Element anzuerkennen sowie ausreichende Zusagen von öffentlichen Geldern für


.  .. und was die Schweiz tut Noch wird verwaltungsintern verhandelt, welches Mandat man der Delegation nach Paris mitgeben wird. Am Klimagipfel in New York hielt Bundesrätin Leuthard vorderhand an einer minimalen Verringerung der inländischen Emissionen um 20 Prozent bis 2020 fest. Man wartet ab, was die EU macht. Diese erwägt allerdings bereits eine durchschnittliche Zielvorgabe von mindestens 30 Prozent bis 2020. Um dies zu erreichen, müssen Mitgliedstaaten mit vergleichbarer Wirtschaftsleistung wie die Schweiz ( Deutschland, Dänemark, Schweden, England ) ihre Emissionen bis 2020 um 40 Prozent und bis 2050 zu 100 Prozent reduzieren. Daran muss sich die Schweiz orientieren – und nicht am Kohleland Polen !

Die Schweiz muss sich an EUMit­gliedstaaten mit vergleichbarer Wirtschaftsleistung orientieren – und nicht am Kohleland Polen !

Willkommen Eva und Jürg ! Kathrin Spichiger Diesen

Herbst konnte das

entwicklungs­politische Team von Alliance Sud

Foto : zvg

zwei neue MitarbeiterInnen begrüssen. Foto : zvg

Anpassungsmassnahmen und den Übergang zu einer Low-Carbon-Ökonomie. Ausserdem muss Komplementarität mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung ( SDGs ) bestehen.1 So auch in der Schweiz: Am 23. September hat Alliance Sud zusammen mit rund 60 Mitgliedern der Klima-Allianz die « St. Doris-Petition » lanciert, die diesem Heft beiliegt. Sie fordert den Bundesrat auf, sich doppelt einzusetzen: In der Schweiz für einen wirksamen und gerechten Klimaschutz, was die konsequente Umstellung der inländischen Energieversorgung auf erneuerbare Quellen verlangt. Und im internationalen Kontext, indem sie ihren gerechten Anteil an den 100 Mrd. Dollar pro Jahr aufbringt, den die Industriestaaten den Entwicklungsländern ab 2020 zugesagt haben, um diese in ihren Emissionsreduktions- und Anpassungsmassnahmen zu unterstützen. Ohne ausreichende Finanzzusagen wird es 2015 kein Klimaabkommen geben.2

Eva Schmassmann

Jürg Staudenmann

Eva Schmassmann hat am 1. September von Nina Schneider das Dossier Politik der Entwicklungszusammenarbeit übernommen. Bereits während ihres Studiums der internationalen Beziehungen in Genf und Berlin spezialisierte sich Eva auf den Gebieten Menschenrechte und Handel. Während dieser Zeit engagierte sie sich bei der Gesellschaft für bedrohte Völker, wo sie später haupt­ beruflich Kampagnen im Bereich Rohstoffabbau und dessen Auswirkungen auf indigene Völker leitete und Repräsentationsaufgaben auf internationaler Ebene übernahm. Zuvor war Eva zwei Jahre für die Swiss Academy for Development ( SAD ) und drei Jahre beim Institut für Föderalis­mus der Universität Fribourg tätig. Vor ihrem Stellenantritt bei Alliance Sud koordinierte Eva die China-Plattform, einen entwicklungspolitischen Zusammenschluss von NGOs, welcher sich für die Stärkung von menschen- und arbeitsrechtlichen Standards im bilateralen Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und China einsetzte.

2 Alliance Sud hat dazu Anfang September 2014 ein Positionspapier veröffentlicht: « A ngemessene Klimafinanzierung statt kreative Buchführung : Grundbaustein eines neuen internationalen Klima­ vertrags 2015 » . http://bit.ly/1ws60k3

Jürg Staudenmann ist der Nachfolger von Nicole Werner im Dossier Klima- und Umweltpolitik. Nach 13 Jahren Auslandtätigkeit im multilateralen Umfeld kehrte Jürg diesen Sommer mit seiner Familie in die Schweiz zurück. Sein vielseitiger beruflicher Werdegang begann nach dem Stu­dium zum Umweltingenieur an der ETH Zürich. Als Forschungsassistent und später Leiter eines interdisziplinären Teams an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ( ZHAW ) lagen seine Kerngebiete im Umwelt- und Abwassermanagement. Nach sieben Jahren Forschungs­tätigkeit und dem Nachdiplomstudium für Entwicklungszusammenarbeit ( NADEL ) zog es Jürg ins Feld ; er verpflichtete sich beim Uno-Entwicklungsprogramm ( UNDP ). Zunächst war er Junior Professional Officer ( JPO ) im Umweltprogramm in Palästina und danach zwei Jahre Evaluationsspe­zialist am Hauptsitz in New York. Es folgten sechs Jahre als Wasserbewirtschaftungsexperte in Bratislava und weitere vier Jahre in Belgrad, wo Jürg in der Funktion des UNDP Deputy Resident Representative unter anderem den Politikdialog mit der Regierung führte.

3 Vgl. die Rede von Bundesrätin Leuthard am 23. September anlässlich des Uno-Klimagipfels in New York. http://bit.ly/1r8YWd1

Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit !

An der Klimakonferenz in Lima diesen Dezember wird die Form des angepeilten neuen Klimaabkommens diskutiert, welches dahin im Dezember 2015 in Paris unterzeichnet werden soll. Die Schweiz sollte ihr Angebot bis dahin anpassen: von einem bisher zurückhaltenden zu einem gerechten und visionären, das ihrer wirtschaftlichen, technologischen und finanziellen Kompetenz entspricht. Nur so dürfte sie sich dann tatsächlich auch rühmen – mit den Worten von Bundesrätin Leuthard in New York –, zu den « Architekten für [die] Bewältigung » des globalen Klimawandels zu zählen.3

1 Green Alliance 2014 : Paris 2015 – Getting a global agreement on climate change. http://bit.ly/1qcnVeS

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Alliance Sud InfoDoc

Näher bei den BenutzerInnen InfoDoc ab sofort ganz andere Möglichkeiten, ihr Publikum anzusprechen und zu finden. Das Centre de documentation in Lau­ sanne bestand seit 1995 in praktisch unveränderter Form. Heute ist alles anders : Dass sogar Wände rausgeschlagen wurden, um einen Blick in die neu gestalteten Räume zu ermöglichen, hat mehr als nur Symbolcharakter. InfoDoc Lausanne wird ihr Lokal auch in Zukunft mit der éducation21, der Stiftung Bildung für Nachhaltige Entwicklung, teilen.

Foto : Jris Bertschi

Pierre Flatt In den letz­ten Wochen ist das jüngste Projekt von ­InfoDoc realisiert worden. Und es ist ein eigentlicher Quantensprung in der Geschichte der Dokumentationszentren von Alliance Sud. Seit 1978 war die Berner Dokumentation im 4. Stock an der Monbijoustrasse 31 zu Hause. Im September 2014 ist sie an beste Passantenlage im Erdgeschoss des Neben­ gebäudes umgezogen. Der Bezug eines Ladenlokals mit Schaufenster bringt der Berner

Dem Publikum näherzukommen, sichtbarer und zugänglicher zu werden, das ist bei InfoDoc Programm. Neben den bekannten Dienstleistungen wie Recherchen und Pressedokumentation gehört dazu,  dass InfoDoc in Zukunft auch Debatten,  Vorträge und kleine Ausstellungen organisieren wird. In der Winterausgabe von GLOBAL+ ­wird das neue Konzept detailliert vorgestellt werden. Die eigentliche Einweihung der neuen Räume werden InfoDoc Bern und Lausanne Anfang 2015 feiern. Sie hören und lesen von uns !

Sichtbarer und zugänglicher : die Alliance Sud InfoDoc an der Monbijoustrasse 29/31.

Karussell — Neu in der Katastrophenhilfe von Caritas arbeiten Gabriele Herrmann ( Chefin Pakistan ) und Cédric Perreman ( Philippinen ). Barbara Dietrich, Programmverantwortliche Asien/Europa und die Kolumbien-Delegierte Inger Johannsen sind ausgetreten. — Neu am Empfang von Fastenopfer arbeitet Brigitte Galea, von COTMEC kommt Hélène Bourban, die in Lausanne als Fachverantwortliche Bildung und Jugendarbeit tätig ist. — Walter Leissing, seit 1980 bei Helvetas, Teamleiter interne Dienste, und Thomas Stadtmüller, Berater im Umwelt- und Klimateam, werden pensioniert. Neu an Bord ist die Bildungsexpertin Katharina Walker, sie kommt von der Indo-German Chamber of Commerce. — Bei Terre des Hommes Schweiz wird das institutionelle Fundraising neu von Sarah Kreis betreut, sie ersetzt Elke Fassbender, die zu Brot für alle gewechselt hat. In der Administration ist Michelle Huber durch Nurcan Sarica ersetzt worden. — Neu bei Solidar Suisse als Programmverantwortlicher für Pakistan und Sri Lanka ist Helmut Rählmann, der zuvor für das Norwegische Rote Kreuz in Jemen war. Von

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Kampaweb kommt Fabienne Widmer, die sich um Online-Kampagnen kümmert. — Die Administration der Erklärung von Bern wird mit Simon Tondeur verstärkt, er kommt von Greenpeace Schweiz. — Der neue Chef des Deza-Globalprogramms Wasser heisst Johann Gély, bisher ebenda Programmbeauftragter, er löst François Münger ab, der in Pension geht. Valérie Engamare koordiniert neu bei der Sektion Analyse und Politik die Arbeit an der EZA-Botschaft 2017–2020 des Bundes. Vom NADEL in Zürich stösst als Programmbeauftragter Reinhard Pfeiffer zur Sektion Qualitätssicherung. Neuer Koordinator im Kobü Ouagadougou wird Jean-Bernard Dubois, bisher Chef des Globalprogramms Klimawandel. Er löst Nicolas Randin ab, der in die Schweizer Uno-Mission in New York wechselt. In der integrierten Botschaft in Port-au-Prince übernimmt Dorothée Lötscher als Programmbeauftragte von Hans Peter Reiser, der in Pension geht. Von der GIZ ( Deutscher Entwicklungsdienst ) kommt Saskia Bauner als neue Programmverantwortliche in die integrierte Botschaft von La Paz. Dominique Favre, bisher Leiter des Stabs der Regionalen Zusammenarbeit, wird neu

stv. Leiter des Bereichs Globale Zusammenarbeit. Seine Stelle übernimmt Philippe Sas, der vom Seco kommt. Die neue Programmverantwortliche Armut in der Sektion Qualitätssicherung ­heisst Anne Moulin. Sie löst dort Laurent Ruedin ab, der in die Abteilung Westbalkan der Ost-Zusammenarbeit wechselt. Chantal Nicod, bisher stv. Leiterin der Abteilung Globale Institutionen, wird neue Chefin der Abteilung Westafrika. Dort löst sie Hans Jörg Ambühl ab, der in Pension geht. Ihre Stelle übernimmt Patrick Egli. Jacques Mader, bisher Regionalberater im Kobü Dar es Salaam, wird neu Berater für Sektorpolitik in der Abteilung Ost und Südliches Afrika. Er löst Andreas Loebell ab, der als Programmverantwortlicher ins Kobü Bamako wechselt. — Vom UNDP in Belgrad kommt Jürg Staudenmann zu Alliance Sud, wo er das Dossier Klima/Umwelt von Nicole Werner übernommen hat. Eva Schmassmann, Nachfolgerin von Nina Schneider im Dossier Entwicklungspolitik, koordinierte zuletzt die Kampagne gegen das Freihandelsabkommen mit China. Im Sekretariat des Regionalbüros Lausanne ersetzt Katia Vivas Frédéric Russbach, in Lugano folgt Mirka Caletti auf Silvia Carton.


Lesezeichen

Hat Europa in der Nahost-Politik versagt ?

Véronique de Keyser, ehemalige belgische Abgeordnete des Europaparlaments, und Stéphane Hessel, der im Februar 2013 verstorbene französische Verfasser der Essays « Empört Euch ! » und « Engagiert euch ! », haben das Buch « Palästina : Das Versagen Europas » geschrieben. Es handelt sich um ein « Plädoyer für eine friedliche Lösung des Nahostkonflikts, die die Rechte des palästinensischen Volkes respektiert », wie der Rotpunktverlag zur Übersetzung des französischen Originals schreibt. Das Buch zeichnet den historischen und politischen Prozess im Nahen Osten der letzten Jahre bis 2012 nach. Der Fokus liegt nicht

allein auf dem Verhältnis zwischen Israel und Palästina, sondern auch auf der Verantwortung, die Europa in diesem Konflikt übernehmen muss – nicht zuletzt kritisiert de Keyser die Politik der Europäischen Union. Hessel stellt dem Buch ein leidenschaftlich verfasstes Kapitel voran. Er schreibt von der « Fackel der Hoffnung, aber auch des Zorns ». Das Buch bietet eine kritische, nachdenklich stimmende Sicht auf die Konsequenzen der Politik für den Nahostkonflikt. Das macht « Palästina : Das Versagen Europas » lesenswert. Dennoch, oder gerade deshalb, ist auch das Plädoyer von Hessel und de Keyser kritisch zu lesen. Geschichte des Nahostkonflikts Die deutsche Bundeszentrale für politische Bildung ( bpb ) versammelt in ihrem E-Dossier zu Israel Artikel zur Geschichte des Nahostkonflikts. Auf einer – noch nicht ganz nachgeführten – Zeitleiste sind wichtige his­ torische Daten des Konflikts angeführt. www.bpb.de/internationales/asien/israel/45042/ nahostkonflikt

Gaza Sderot – Das Leben trotz allem Sechs Menschen aus Gaza ( Palästina ) und sechs Menschen aus Sderot ( Israel ) berich-

Zeitschriften-Lese ( n ) lockert sind die Textbeiträge wie stets mit einer aufschlussreichen Faktenseite ; diesmal zudem mit einem grafisch aufbereiteten « 10-Schritte-Plan zur Beendigung der Goldsucht ». www.newint.org

Zerstörerischer Goldrausch « New Internationalist », September 2014, steht im Zeichen des Goldes. Ginge es nach dem Redaktor des Schwerpunkts, müsste die Goldproduktion eingestellt werden. Er hält die mit der Förderung einhergehenden Umweltschäden und die menschenrechtlichen Verfehlungen der Goldkonzerne ( darunter drei Schweizer Firmen ) für nicht länger verantwortbar – wegen der Öko-Krise und des nachweislich geringen praktischen Nutzens von Gold. Aufge-

Strahlendes Urangeschäft Sinkende Preise, angeblich nachlassende Nachfrage – und doch wird der Uranbranche eine rosige Zukunft vorausgesagt. Wie das aufgeht, ist dem Dossier von « iz3w », September/Oktober 2014, zu entnehmen. Der Einleitungsbeitrag, der die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Implikationen des Uranabbaus umreisst, zeigt auch auf, warum die zivile, sogenannt friedliche, und die militärische Nutzung von Uran untrennbar sind. Andere Beiträge werfen etwa ein Schlaglicht auf die Gesundheitsrisiken, denen die MinenarbeiterInnen und -anwohnerInnen ausgesetzt sind. www.iz3w.org

ten in kurzen Videos von Arte.tv über ihren  Alltag. Sie sprechen über Bomben und Krieg, aber auch über Musik und Humor. http://gaza-sderot.arte.tv/de/

Gaza in der Zukunft ? Die Publikation der Uno « Gaza in 2020 : A liveable place ? » erörtert die Frage, ob Gaza 2020 noch bewohnbar sein wird. Der Report ist auf der Website des Uno-Hilfswerks für PalästinaFlüchtlinge ( UNRWA ) einsehbar. www.unrwa.org/newsroom/press-releases/gaza-

2020-liveable-place

Wie es nach den jüngsten Ereignissen im Nahostkonflikt weitergehen soll und welche Rolle die Schweiz übernehmen kann, diskutierte Pierre Krähenbühl, Generalkommissar der UNRWA, in der Sternstunde Philosophie von SRF 1 vom 7.9.2014. www.srf.ch/sendungen/sternstunde-philosophie/ wie-weiter-im-nahen-osten-pierre-kraehenbuehl

Alliance-Sud-InfoDoc-Pressearchiv Nicht alles ist online : Das aktuelle Geschehen in Israel/Palästina lässt sich über zahlreiche Printartikel in unserem Pressearchiv verfolgen.

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+

Alliance Sud InfoDoc – Information und Dokumentation. Persönlich oder online. Monbijoustrasse 29 / 31 3011 Bern Öffnungszeiten : 13.30 – 17.30 h ( Mo – Fr ) Telefon : +41 31 390 93 37 dokumentation@alliancesud.ch

www.alliancesud.ch/dokumentation www.facebook.com/AllianceSudDok www.twitter.com/dok_alliancesud

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Von Alliance Sud ins Bild gesetzt.

12,5 Tonnen

stösst die Schweiz pro Jahr und Kopf an CO2-Äquivalenten aus. Um das 2°- C-Ziel ein­ zuhalten, dürften es nur 2,1 Tonnen sein.

20 bis 30 %

der chinesischen Emissionen von Klimagasen entstehen bei der Produktion für den Export.

1 Mrd. CHF

Zahlen und Fakten   zur Schweiz und dem globalen Klima

sollte die Schweiz ab 2020 gemäss ihrer Klima-Verantwortung jährlich an die Klima­ anpassungs- und Reduktionsmassnahmen in Entwicklungs­ländern bezahlen. Quellen : Bafu, Global Carbon Project, Alliance Sud.

Foto : © M ichael Hauri

GLOBAL +

Postfach 6735  |   3001 Bern Telefon 031 390 93 30 E-Mail : globalplus@alliancesud.ch www.facebook.com/alliancesud

www.alliancesud.ch

Jedes Jahr verschwinden Tausende Mädchen und junge Frauen aus der armen, bäuerlich geprägten vietnamesischen Grenzregion zu China. Dort bremst die 1-Kind-Politik das Bevölkerungswachstum und schafft ein Ungleichgewicht zwischen Frauen und Männern, denn weibliche Embryos werden häufig abgetrieben. Der Schweizer Fotograf Michael Hauri begleitete mit seiner Kamera betroffene Frauen, die nach China verkauft wurden und denen die Flucht zurück in ein halbwegs normales Leben gelang. Die Reportage ist im Zusammenhang mit dem Förderpreis «Globetrotter World Photo» entstanden. Michael Hauri, geboren 1983 in Liestal, studierte Fotojournalismus und Dokumentar­ fotografie in Hannover und war danach als Fotograf für verschiedene deutsche Zei­ tungen und Magazine tätig. Seit 2009 ist er Inhaber einer eigenen Agentur in Berlin. Er ist ausserdem Dozent für das Thema Multimedia Storytelling, unter anderem am MAZ, der Schweizer Journalistenschule in Luzern. www.michaelhauri.ch


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