Global Nr. 64 / Winter 2016/17

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NUMMER 64  |   Winter 2016 /  17

Globalisierung und Nord / Süd-Politik

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Schweizer Klimafinanzierung : Die schubladisierten Lösungen USR III : Die neuen Steuerschlupflöcher

Tisa: Kein Abschluss mehr in diesem Jahr

Eine UN-Konvention zu Business & Human Rights?


Kurz notiert Unlautere Finanzflüsse: Die Schweiz bleibt eine Blackbox dgr. Mitte Oktober hat der Bundesrat nach langem Zögern den Bericht « Unlautere und unrechtmässige Finanzflüsse aus Entwicklungsländern » veröffentlicht. Der Bericht sollte Klarheit schaffen über die Rolle des Schweizer Finanzplatzes bei solchen ­Finanzflüssen. Hinter diesem Anspruch bleibt der Bundesrat allerdings weit zurück: Der Bericht liefert zwar einen guten Überblick über die aktuellen internationalen Bemühungen im Rahmen der OECD und der G-20 im Kampf gegen Steuerflucht, Geldwäscherei und Korruption, bleibt dabei aber sämtliche Antworten zur spezifischen Rolle des Schweizer Finanzplatzes in der globalen Schattenwirtschaft schuldig. Ein schwer nachvollziehbares Versäumnis angesichts der Tatsache, dass hierzulande nach wie vor am meisten ausländische Vermögen weltweit verwaltet werden. EU-Parlament zur Unternehmens­ verantwortung lm. Mit einer klaren Mehrheit von 569 zu 54 Stimmen ( bei 74 Enthaltungen ) hat das ­EU-Parlament einer Resolution über die Verantwortlichkeit von Unternehmen für

IEA nicht auf der Höhe der Zeit js. Der Bericht « World Energy Outlook 2016 » der Internationalen Energie-Agentur ( IEA ) sorgt für Kopfschütteln. Die 1974 von der OECD ins Leben gerufene Agentur veröffentlicht unter anderem regelmässig Projektionen über den zukünftigen globalen Energie-Mix. Im aktuellen Bericht werde der Durchbruch der erneuerbaren Energien, der in der ganzen Welt zu beobachten sei, völlig unzureichend eingeschätzt, kritisieren Greenpeace und Oil Change International. Zwar räume die IEA ein, dass sie die ­erneuerbaren Energien lange unterschätzt habe, in die Projektionen sei diese Erkennt-

Impressum

Alliance Sud auf einen Blick

GLOBAL + erscheint viermal jährlich.

Präsidium Melchior Lengsfeld, Direktor Helvetas

Herausgeberin: Alliance Sud, Arbeitsgemeinschaft Swissaid | Fastenopfer | Brot für alle | Helvetas | Caritas | Heks E-Mail: globalplus@alliancesud.ch Website: www.alliancesud.ch Social Media Politik: www.facebook.com/alliancesud www.twitter.com/AllianceSud Social Media InfoDoc: www.facebook.com/AllianceSudDok www.twitter.com/dok_alliancesud Redaktion: Daniel Hitzig ( d h ) , Kathrin Spichiger ( k s ) , Tel. + 4 1 31 390 93 34/30 Bildredaktion: Nicole Aeby Grafik: Clerici Partner Design, Zürich Druck: s+z: gutzumdruck, Brig Auflage: 2200 Einzelpreis: Fr. 7.50, Jahresabo: Fr. 30.– Förderabo: mind. Fr. 50.– Inseratepreise/Beilagen: auf Anfrage Bildnachweis Titelseite: Demonstration an der Weltklimakonferenz COP22 in ­ Marrakesch, November 2016. © M osa’ab Elshamy/AP/Keystone Die nächste Ausgabe von GLOBAL + erscheint Ende März 2017.

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schwere Menschenrechtsverletzungen in Drittländern zugestimmt. Das Parlament lädt die EU-Kommission ein, Regeln zur Unternehmensverantwortung einzuführen, die sich auf die gesamte Wertschöpfungskette beziehen. Es schlägt die Einführung eines ­Labels vor, das bestätigt, dass ein Produkt ohne Menschenrechtsverletzungen hergestellt wurde. Diese Zertifizierung soll ProduzentInnen und KonsumentInnen sensibilisieren. Ein unabhängiges Organ soll die Vollmachten erhalten, die Einhaltung der Regeln zu überprüfen.

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Geschäftsstelle Mark Herkenrath ( G eschäftsleiter ) Kathrin Spichiger, Andrea Rotzetter Monbijoustrasse 31, Postfach, 3001 Bern Tel. + 4 1 31 390 93 30 Fax + 4 1 31 390 93 31 E-Mail : mail@alliancesud.ch Entwicklungspolitik – Entwicklungszusammenarbeit Eva Schmassmann, Tel. + 4 1 31 390 93 40 eva.schmassmann@alliancesud.ch – Agenda 2030 Sara Frey, Tel. + 4 1 76 388 93 31 sara.frey@alliancesud.ch – Internationale Finanzen und Steuerpolitik Dominik Gross, Tel. + 4 1 31 390 93 35 dominik.gross@alliancesud.ch – Klima und Umwelt Jürg Staudenmann, Tel. + 4 1 31 390 93 32 juerg.staudenmann@alliancesud.ch – Welthandel und Investitionen Isolda Agazzi, Tel. + 4 1 21 612 00 97 isolda.agazzi@alliancesud.ch

nis aber nicht eingeflossen. Noch immer werde in den Voraussagen einseitig auf Technologien wie Kohle gesetzt, obwohl Sonnenenergie beispielsweise in Indien schon heute billiger – und ohne hohe soziale Kosten für die Beeinträchtigung von­ Luft- und Wasserqualität – produziert werde. Sozial-ökologisch Geld anlegen dh. Erstmals gibt es in der Schweiz ein reguläres Sparkonto, mit dem BankkundInnen direkten sozial-ökologischen Nutzen in Entwicklungsländern stiften. Die Alternative Bank Schweiz ( ABS ) und Oikocredit haben ein solches Förderkonto lanciert. Die ABS vergibt Darlehen in der Höhe der angelegten Gelder an Oikocredit International mit Sitz in den Niederlanden. Die sozial orientierte Investmentgenossenschaft finanziert damit Partnerorganisationen in über siebzig Entwicklungsländern. So werden vor Ort Kleinkredite ermöglicht, erneuerbare Energien gefördert oder Finanzierungen an Kleinbauerngenossenschaften geleistet. Die ABS garantiert die Sicherheit der Guthaben ; angesichts der anhaltend tiefen Zinsen liegt dieser aktuell bei 0 Prozent. Profitieren sollen also primär Dritte, nicht die AnlegerInnen.

– Konzerne und Menschenrechte Laurent Matile, Tel. + 4 1 21 612 00 98 laurent.matile@alliancesud.ch – Medien und Kommunikation Daniel Hitzig, Tel. + 4 1 31 390 93 34 daniel.hitzig@alliancesud.ch InfoDoc Bern Dagmar Aközel-Bussmann/Emanuela Tognola/ Emanuel Zeiter Tel. + 4 1 31 390 93 37 dokumentation@alliancesud.ch Regionalstelle Lausanne Isolda Agazzi/Laurent Matile/Katia Vivas Tel. + 4 1 21 612 00 95/Fax + 4 1 21 612 00 99 lausanne@alliancesud.ch InfoDoc Lausanne Pierre Flatt/Nicolas Bugnon/ Amélie Vallotton Preisig Tel. + 4 1 21 612 00 86 documentation@alliancesud.ch Regionalstelle Lugano Lavinia Sommaruga Tel. + 4 1 91 967 33 66/Fax + 4 1 91 966 02 46 lugano@alliancesud.ch


« Trump versteht was von Kohle », Wahlhelferin im Bundesstaat West Virginia.

Aus dem Inhalt 4

Mittelmobilisierung für ­ Klimazahlungen Wie es geht, weiss Bundesrat seit 2011

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Unternehmenssteuerreform III Was wirklich auf dem Spiel steht

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Dienstleistungsabkommen Tisa Warum ein Abschluss fatal wäre

Unternehmen und Menschenrechte 10 Langer Weg zu einer Uno-Konvention Agenda 2030 und Entwicklung 13 Wie werden Gelder wirksam eingesetzt ?

Donald Trump hat gewonnen. Zumindest die Stimmenmehrheit der weissen männlichen Wähler in massgebenden Bundesstaaten. Verloren haben unter anderem der Klimaschutz, der politische Anstand, die Muslime und wir, der afrikanische Kontinent. So und ähnlich lautet der Tenor der Kommentare zu den US-Wahlen in den Online-Medien in Kenia, Nigeria und Uganda. Ein Blick in die Wahlberichterstattung und LeserInnen-Beiträge ausserhalb des reichen Nordens lohnt sich. Wie berichten eigentlich die Medien in Entwicklungs- und Schwellenländern, die von der US-Politik genauso betroffen sind wie wir ? In Bangladesch zeugen zahlreiche Beiträge von der massiven ( und wohl berechtigten ) Furcht, dass sich der Klimawandel nochmals verschärfen könnte. Trump hält die globale Erwärmung bekanntlich für eine hässliche Erfindung der chinesischen Propaganda. Was kümmert ihn, dass in Bangladesch der Anstieg des Meeresspiegels bereits Auswirkungen zeigt und Sturmfluten zunehmen ? Immerhin haben 47 der ärmsten und am meisten betroffenen Entwicklungsländer an der jüngsten Klimakonferenz in Marrakesch bekannt gegeben, dass sie nun umso ambitioniertere eigene CO2-Reduktionsziele verfolgen wollen. Und umso dringender ist, dass andere reiche Länder als Trumps USA sie jetzt dabei unterstützen und die dafür ver­ sprochenen Mittel bereitstellen. Bedenklich : In der Schweiz hat der Bundesrat 2011 entsprechende Vorschläge in der Schublade verschwinden lassen ( Seite 4 ). Zurück zu Trump. Nicht nur in Bangladesch, auch in Mexiko und anderswo ist man besorgt über Trumps Pläne zur Ausschaffung der ­sogenannt illegalen Einwanderer. Wohin mit Zehntausenden von Landsleuten, die möglicherweise zurückkehren müssen ? Was tun ohne die Geldüberweisungen der Familienmitglieder ? Was wird mit der US-amerikanischen Entwicklungszusammenarbeit geschehen ? Und was mit ­Exporten in die USA, die wieder mit hohen Zöllen belegt werden sollen ? Daniel Kalinaki beschreibt die Wahl Trumps in Kenias « Daily Na­ tion » als die wohl afrikanischste in der Geschichte der USA. Einige LeserInnen widersprechen : Immerhin habe die unterlegene Partei die Niederlage anerkannt, ohne eine Revolte anzuzetteln. Sicher berechtigt ist die Frage, die Owei Lakemfa in der nigerianischen « Premium Times » stellt : Wie sollen wir uns ein Vorbild nehmen an der Demokratie eines Landes, das zutiefst gespalten ist und der Welt einen frauenfeindlichen, xenophoben Steuerhinterzieher vor die Nase setzt ? Die « Dhaka Tribune » teilt die Befürchtung vieler KommentatorInnen in Nord und Süd, das Beispiel Trump könnte Schule machen und fremdenfeindlichen verlogenen Demagogen dieser Welt massiven politischen Auftrieb geben. Es wurde x-fach gesagt : Jetzt soll die neue Administration ihre ­Arbeit aufnehmen, bevor sich zeigt, wohin sich die Politik der USA bewegt. Anlass für Optimismus gibt es dabei kaum. Eines ist aber sicher : Die gewisse moralische Autorität, welche die USA mit der Wahl des ers­ ten schwarzen Präsidenten vor acht Jahren gewonnen hatte, ist verspielt und breitester Ernüchterung gewichen.

Mark Herkenrath,  Geschäftsleiter von Alliance Sud

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Foto : © D aniel Rihs

Foto : © D ermot Tatlow/Laif /  Keystone

Trump in Uganda


Klimazahlungen: Schweiz steht sich selber im Weg

Richtige Vorschläge liegen seit 2011 in der Schublade Jürg Staudenmann

Die Schweizer Regierung weiss schon seit Jahren, wie zusätzliche

­Klimagelder mobilisiert werden können. Ein Bericht1 dazu an den Bundesrat taucht jetzt aus der Schublade auf. Und bestätigt, was Alliance Sud schon lange ­fordert : Es gibt sinnvolle und realistische Wege, wie unser Land rund 1 Milliarde Dollar pro Jahr für den internationalen Klimaschutz bereitstellen kann.

2009 hat der Bundesrat das Uvek damit beauftragt, in Zusammenarbeit mit dem EFD und dem EJPD einen Bericht über « neue und zusätzliche Finanzierungsinstrumente für die ( öffentlichen ) Schweizer Beiträge an das internationale Klimaregime » zu erstellen. Die AutorInnen gingen damals davon aus, dass die Schweiz mit ansteigenden Zahlungen – bis 2020 auf bis 800 Millionen Franken – rechnen muss und durchleuchtete deshalb verschiedene bestehende und denkbare neue Finanzquellen, um die nötigen Mittel möglichst verursachergerecht zu mobilisieren. Der Bericht ist mit 30. November 2011 datiert, er wurde aber erst unlängst auf der Website des Bundesamts für Umwelt ( Bafu ) ins Netz gestellt. Der Bundesrat hat das Gegenteil dessen getan, was die Fachleute aus vier Departementen – auch das Seco hat mitunterzeichnet – empfohlen haben : Die Regierung hat die potenziell geschuldeten Beiträge der Schweiz stets kleingeredet. Und zweitens hat der Bundesrat darauf gesetzt, dass dereinst der Privatsektor zwei Drittel der geforderten Beiträge übernehmen wird. Dabei zeigte der Bericht, dass es möglich und sinnvoll ist, neue Finanzierungsoptionen ins Auge zu fassen, welche die Mittel genau dort mobilisieren, wo die meisten CO2-Emissionen generiert werden. Dies hätte auch einen, im Rahmen der Energiewende erwünschten, steuernden Nebeneffekt. Was steht im Bericht ? Unter der Prämisse der Schuldenbremse sieht der Bericht grundsätzlich zwei Optionen : ( 1 ) Entweder werden Beiträge an die internationale Klimafinanzierung « in den bestehenden Aufgabenbereichen des Bundes » kompensiert. Oder aber ( 2 ) es werden zusätzliche Einnahmen generiert, die – möglichst über eine Zweckbindungsbestimmung auf Verfassungsebene – dafür eingesetzt werden können. Der Vorteil der zweiten Option, also neuer Finanzquellen mit Zweckbindung, wäre, dass Mittel « langfristig und im notwendigen Umfang zur Verfügung stehen ». Auch würden sie « der kurzfristigen Steuerung durch das Parlament entzogen ». Der Bericht wurde umgehend schubladisiert. Die verschiedenen, durchaus viel versprechenden Finanzierungsoptionen,

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die der Bericht vorschlug ( siehe Kasten ), wurden nicht weiter analysiert. Der Bundesrat verfolgte nur Option 1 und entschied, die Klimafinanzierungsbeiträge fortan aus dem Entwicklungsbudget zu finanzieren. Anfang nächstes Jahr muss der Bundesrat einen neuen Bericht zu Klimafinanzierungsoptionen vorlegen.2 Man darf gespannt sein, welche der Vorschläge, die jahrelang in der Schublade lagen, « wiederentdeckt » werden. Oder kommen gar neue, innovative Ideen dazu ? So könnte man beispielsweise in Betracht ziehen, für alle Flüge eine Kompensationsabgabe zugunsten eines Klima-Fonds oder bestehender Klima-Kompensationsmechanismen einzuführen. Ein solcher Mechanismus wäre fiskalneutral, würde also nicht von der Schuldenbremse tangiert. Auch Einnahmen aus Import-Sanktionen für neu immatrikulierte Personenwagen, welche die CO2-Emissionsvorschriften nicht einhalten, könnten über ein solches Instrument für internationale Klimafinanzierung genutzt werden. Die richtige Abzweigung verpasst Die Tatsache, dass die Erkenntnisse und Ideen aus dem Bericht von 2011 nicht weitergesponnen wurden, ist nicht nur äusserst betrüblich. Der Bericht ist vor allem eine verpasste Chance. Ihn zu schubladisieren, führte unter anderem dazu, dass in der ­Botschaft zur internationalen Zusammenarbeit für die Jahre 2017 – 2020 12,5 Prozent des Deza-Budgets für den internationalen Klimaschutz aufgewendet werden.3 Auch im neuen CO2Gesetz, dessen Revision dieser Tage aus der Vernehmlassung kommt und das 2020 in Kraft treten soll, findet man keine An 1 http://bit.ly/2fo6UOW 2 Die Aussenpolitische Kommission des Nationalrates hat den Bundesrat Mitte 2015 mit einem einstimmig überwiesenen Postulat ( 1 5.3798 ) damit beauftragt. 3 Alliance Sud moniert seit Jahren, dass Mittel aus der gesetzlich v­ erankerten Armutsbekämpfung und dem Kampf gegen die wachsende Ungleichheit zunehmend für Klimazahlungen eingesetzt werden. Der Bericht weist darauf hin, dass eine Übergangsfinanzierung ( …  ) solange « a us dem ordentlichen Bundeshaushalt » erfolgen müsse, bis alter­ native Quellen erschlossen sind. Er verweist dabei aber ausdrücklich auf die Verwendung von « z usätzlichen Mitteln für die Entwicklungshilfe » sowie den Bafu-Rahmenkredit Globale Umwelt.


Foto : © S imon Belcher/Image Broker/Keystone

Das sind die 2011 ­schubladisierten Finanzierungsoptionen1

Der Schutz des fragilen Weltklimas verlangt, dass alle Länder gemeinsam und entsprechend ihrer Verantwortung handeln.

sätze des 2011er-Berichts. Zwar erwähnt der Bundesrat in seinen Erläuterungen zur Gesetzesvorlage, dass die Schweiz ab 2020 mit 450 bis 1100 Millionen Franken pro Jahr an Klimafinanzzahlungen zu rechnen hat; er macht aber keine Vorschläge, wie diese Mittel verursachergerecht – also just im Rahmen des revidierten CO2-Gesetzes – beschafft werden können. Der ominös schubladisierte Bericht von 2011 hätte die Grundlage geschaffen, um die guten Vorschläge in den fünf Jahren bis heute weiter auszuformulieren und in die politische Diskussion einzubringen. So aber gehört die Schweiz heute zum schrumpfenden Kreis der wohlhabenden Staaten, die ohne finanzielle Zusagen an die jährlichen Klimakonferenzen reisen.

1. Erhöhung der Mineralölsteuer

2. Einführung einer Verbrauchssteuer auf Flugtreibstoffe ( Kerosin ); oder

3. auf alle fossilen Treibstoffe

4. Einführung einer generellen ­Klimasteuer auf ­sämtliche ­Treib­hausgasemissionen

5. Versteigerung von Emissionsrechten für Unternehmen

6. Weitere Zweckbindung der bestehenden ­Brennstoff-Abgabe Der Bericht hält unter anderem fest, dass eine Erhöhung der Mineralölsteuer den Vorteil habe, dass sie bereits existiere und der Vollzugsaufwand gering wäre. Allgemein wäre eine stärkere Besteuerung des Verkehrs sinnvoll, weil sie nicht nur dem Verursacherprinzip entspreche, sondern einen positiven, steuernden Nebeneffekt auf einen der Haupt-Emittenten von Treibhaus­ gasen hätte. Zur Option 4 heisst es : « Nach dem Verursacherprinzip schneidet eine generelle Klimasteuer am besten ab. Sie liesse sich – je nach Ausgestaltung des Instruments – mit verhältnismässigem Aufwand vollziehen. » In Kenntnis der im Bericht beschriebenen Option 5 ist es aus heutiger Sicht schwer verständlich, dass sie im Zuge der soeben vor­ gelegten Botschaft zur Einbindung der Schweiz in den europäischen Emissionshandel nicht weiterverfolgt wurde. Abschliessend folgert der Bericht, dass die Schweizer Klimabei­träge mit einer neuen zweckgebundenen Finanzierungsquelle sichergestellt werden können. Damit würden die erforderlichen zusätzlichen Mittel « ­langfristig und im notwendigen Umfang zur Ver­ fügung stehen ».

1 Die meisten der Empfehlungen des s­ chubladisierten Berichts decken sich mit den Stossrichtungen, die der ­K lima-Masterplan Schweiz 2.0 der ­K limaallianz seit Sommer 2016 v­ orschlägt.

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Referendum über die Unternehmenssteuerreform III

Das neue Steuerschlupfloch Dominik Gross

Ursprünglich sollte die Unter­

nehmenssteuerreform III die Konzern­steueroase Schweiz austrocknen. Die zinsbereinigte ­Gewinnsteuer stellt diese Absicht nun gänzlich auf den Kopf. Sie dürfte auch den Entwick­ lungsländern schaden.

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Im Juni 2016 haben die eidgenössischen Räte die Vorlage zur Unternehmenssteuerreform III ( USR III ) verabschiedet. Eigentlich sollte die Vorlage die Schweizer Steuerpolitik den neuen internationalen Standards von OECD, EU und G-20 anpassen und die Steueroase Schweiz für Konzerne austrocknen. Sie zielt nun aber weit an dieser ursprünglichen Intention vorbei. Eine starke bürgerliche Mehrheit des Parlaments hat die Reformvorlage genutzt, um alte Sondersteuerregime durch neue zu ersetzen und den Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen weiter anzuheizen. Mit dramatischen Konsequenzen : Befürchtet werden Steuerausfälle von mindestens 1,5 Milliarden Franken pro Jahr beim Bund, für gewisse Firmen könnte ein effektiver kantonaler Gewinnsteuersatz von nur noch 3 Prozent gelten. Gegen dieses Paket hat ein breites Bündnis aus links-grünen Parteien und Gewerkschaften mit über 57 000 gültigen Unterschriften am 6. Oktober das Referendum eingereicht. Am 12. Februar 2017 wird über die Vorlage abgestimmt.


Foto : © Russell Kightley/SCIENCE PHOTO LIBRARY/Keystone

Wie gross das Loch sein wird, das die Unternehmenssteuerreform III verursacht, ist kaum zu berechnen. Die USR II ging von Einbussen für die Bundeskasse von 80 Millionen Franken aus. Schliesslich betrugen die Steuerausfälle ein ­Vielfaches mehr. Bild : Illustration zweier sich annähernder schwarzer Löcher, die in einem aufgehen werden. Ein Ereignis, das Gravitationswellen auslösen wird.

Steuervermeidung durch Konzerne kostet den Süden 200 Milliarden Dollar pro Jahr Aus entwicklungspolitischer Sicht sind vor allem die verschiedenen neuen Sondersteuerregime problematisch, die Bundesrat und Parlament mit der USR III einführen wollen, um die alten, nicht mehr OECD-konformen Privilegien für Holding-, Domizil- und gemischte Gesellschaften zu ersetzen. Ob sie neue Möglichkeiten für Gewinnverschiebungen innerhalb von Konzernen eröffnen werden, die ihren Hauptsitz in der Schweiz und Tochterfirmen in Entwicklungsländern haben, wird bei ­einem Ja zur USR III erst mit den noch auszuarbeitenden Verordnungen entschieden werden. Demokratiepolitisch ist das insofern problematisch, als die eigentlichen Steuererleichterungsdimensionen, welche die USR III multinationalen Konzernen eröffnet, erst durch diese Verordnungen klar werden. Deren Erlass liegt in der Kompetenz des Bundesrates. Steuerschlupflöcher stecken oft in den Details der Verordnungen, und dazu haben substanziell weder die Stimmberechtigten noch das Parlament etwas zu sagen. Klar ist aber jetzt schon : Die Patentbox, die zinsbereinigte Gewinnsteuer, Steuerabzüge für Forschungs- und Entwicklungsausgaben sowie bei der Kapitalsteuer können grundsätzlich als Instrumente zur Gewinnverschiebung benutzt werden. Diese richten im globalen Süden verheerenden Schaden an : Gemäss Schätzungen des Internationalen Währungsfonds ( IWF ) verlieren die Entwicklungsländer jährlich über 200 Mil­ liarden Dollar durch die Steuervermeidung von Konzernen. Umgekehrt steht für den Tiefsteuerstandort Schweiz einiges auf dem Spiel, wenn es nicht gelingen sollte, die alten Sondersteuerregime durch neue zu ersetzen. Nach Angaben des Bundesrates gibt es zurzeit 24 000 Unternehmen in der Schweiz, die privilegiert besteuert werden. Sie bringen dem Bund jährlich etwa vier Milliarden Steuern ein und sollen rund 135 000 bis 175 000 Menschen beschäftigen. Auch wenn dies nur gerade 3,2 Prozent aller Beschäftigten in der Schweiz entspricht, betrifft es einzelne Regionen mehr als andere. Der Arc lémanique, der Kanton Zug oder die Region Basel beherbergen sehr viele privilegiert besteuerte Unternehmen. Im Kanton Basel-Stadt etwa kommen fünfzig Prozent aller Gewinnsteuereinnahmen aus privilegierten Quellen. Sogar die Basler SP-Finanzdirektorin Eva Herzog, die zu Beginn des politischen Prozesses aus nachvollziehbaren Gründen eine der wenigen prominenten BefürworterInnen der Reform in ihrer Partei war, liess mittlerweile durchblicken, dass sie den Gesetzesentwurf aus der Feder des Bundesrates jenem des Parlamentes vorgezogen hätte. Eine Idee für die schwarze Liste der OECD ? Wer sich jene Version der zinsbereinigten Gewinnsteuer genauer anschaut, die der Ständerat ganz am Schluss des Dif­ ferenzbereinigungsverfahrens noch in die Vorlage hineinge-

schrieben hat, kommt nicht um die Frage herum : Wofür soll diese zurzeit gut sein, wenn nicht, um Gewinnverschiebungen zu ermöglichen ( siehe Kasten ) ? Das Instrument ermöglicht es den Unternehmen, auf sogenannt überschüssigem Eigenkapital erzielten Kapitalertrag ( Zins ) vom steuerbaren Gewinn abziehen zu können. Durch die Negativzinspolitik der Nationalbank liegt der Leitzins aber zurzeit im Minus. Deshalb können die Unternehmen bis auf Weiteres nicht von diesem Konstrukt profitieren. Es ist ausserdem fraglich, wie lange die OECD die zinsbereinigte Gewinnsteuer noch dulden wird, da man in Belgien bereits klar negative Erfahrungen damit gemacht hat. Auch die EU-Kommission setzt diese in ihren neusten Vorschlägen gegen die Steuervermeidung auf die Abschussliste. Es kann also gut sein, dass das Instrument auf eine schwarze Liste kommt, bevor die Nationalbank die Negativzinsen aufgibt. Steuergesetzgebung ist eine hoch komplexe Materie. Beherrscht wird sie vor allem von spezialisierten Steuerkanzleien und internationalen Beratungsunternehmen, die im Interesse ihrer Kundschaft Steuerschlupflöcher suchen und finden. Noch effizienter ist es, diese via Lobbying schon in den Gesetzgebungsprozess einzubringen. Mit dem Argument, die Standortattraktivität der Schweiz stehe auf dem Spiel, setzt die Offshore-Industrie hierzulande immer wieder ihre Interessen durch. Am 12. Februar werden wir sehen, ob dieses Argument auch an der Urne eine Mehrheit der Stimmberechtigten findet.

So wird die zinsbereinigte ­Gewinnsteuer zum ­Schlupfloch Die zinsbereinigte Gewinnsteuer erlaubt es, den Zinssatz auf überschüssiges Eigenkapital höher anzusetzen, als dies der Leitzins der Nationalbank vorgibt. Voraussetzung dafür ist, dass der Kapita­l­ ertrag auf einem konzerninternen Darlehen erzielt wird. In diesem Fall richtet sich der verrechenbare Zinssatz nach dem Fremdvergleichsgrundsatz ( Arm’s length principle ), wonach bei einem konzern­ internen Darlehen marktübliche Zinssätze verrechnet werden müssen. Der Fremdvergleichsgrundsatz eröffnet allerdings Manipulationsmöglichkeiten des Zinssatzes, da Fremdvergleiche oft willkürlich vorgenommen werden ( siehe GLOBAL+ Nr. 60 ). Das geht so : Das Mutterhaus in der Schweiz will den ­Gewinn ihrer Tochterfirma im afrikanischen Hochsteuerland in einen Schweizer Tiefsteuer­ kanton verschieben. Es gewährt der Tochterfirma ein Darlehen, legt dafür jedoch einen derart hohen Zinssatz fest, dass die von der Tochter zu entrichtenden Zinsen den von ihr erzielten Unternehmens­ gewinn substanziell schrumpfen lässt. So steigt der Gewinn beim Mutterhaus und sinkt bei der ­Tochterfirma. Die zinsbereinigte Gewinnsteuer hält also Schweizer Kantone auch nach der ­Abschaffung der Holdingprivilegien als Standorte für Konzernhauptsitze steuerlich attraktiv.

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Das Dienstleistungsabkommen Tisa

Die Verhandlungen stecken fest Isolda Agazzi

Die Obama-Administration setzte noch einmal Druck auf, doch

die Vertragspartner wollen nichts überstürzen. Selbst wenn die ­Tisa-Verhandlungen 2017 fortgesetzt werden sollten, bleibt vieles daran problematisch, namentlich die Liberalisierung des Service public. Das gilt auch für die Schweiz, trotz den Beteuerungen des Bundesrates.

Das Trade in Services Agreement ( Tisa ) – seit 2012 ausserhalb der Welthandelsorganisation ( WTO ) von 23 Mitgliedern vorangetrieben – sollte noch vor Ende des Jahres unter Dach und Fach gebracht werden. Am 5./6. Dezember war dafür eine Ministerkonferenz in Genf anberaumt. Diese wurde kurzfristig annulliert. Wie es mit Tisa weitergeht, bleibt vorläufig in der Schwebe. Zu gross und zahlreich waren die Differenzen, namentlich bei der Liberalisierung der öffentlichen Dienstleis­ tungen und dem Datenschutz. Am 7. Oktober enthüllte Wikileaks, dass die Europäische Union ( EU ) von den beteiligten Entwicklungsländern1 verlangt hat, dass sie ihre Service-public-Angebote einfrieren sollen, ohne später darauf zurückkommen zu können. Das betrifft etwa die Telekommunikation in Costa Rica, Mexiko und Pakistan, Umweltdienstleistungen in Costa Rica, Panama und Peru, den Energie- und Bergbausektor in Mexiko und Pakistan oder das Verbot, lokales Personal bei der Rekrutierung zu bevorzugen in Mauritius.2 Das ist umso befremdlicher, als die EU behauptet, sie wolle ihren eigenen Service public nicht liberalisieren. Denn das hiesse, dass deren Service public ausländischer Konkurrenz gegenüber geöffnet und letztlich privatisiert werden würde. Kommt dazu, dass viele Länder ihren Service public quersubventionieren, um so sicherzustellen, dass die Grundversorgung auch in abgelegenen, « unrentablen » Gebieten ­gewährt bleibt. Akzeptierten die Entwicklungsländer die Begehren der EU, so wären sie wegen der Sperrklinkenklausel ( ratchet clause ) fortan ausländischen Anbietern von Dienstleistungen ausgeliefert : Sie könnten Privatisierungen – wenn diese nicht die gewünschten Resultate bringen – nicht mehr rückgängig machen. Die EU geht aber noch weiter : Sie verlangt von den an Tisa beteiligten Entwicklungsländern die Marktöffnung im Detailhandel, im Flugverkehr und Seetransport.

1 Chile, Costa Rica, Hongkong, Mauritius, Kolumbien, Mexiko,   Pakistan, Panama, Peru 2 http://bit.ly/2fS0lBl

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Umwelt- und Informatikdienstleistungen Und die Schweiz ? Sie hat unter Druck der EU in ihrem dritten überarbeiteten Angebot vom 21. Oktober ihren Widerstand in Bezug auf kommunale und kantonale Umweltdienstleistungen und Umweltverträglichkeitsprüfungen aufgegeben. All dies wird der Sperrklinkenklausel unterworfen. Dabei hat die Schweiz, wie übrigens auch die EU, immer versichert, Tisa werde nicht zu einer Privatisierung des Service public führen. Das neue Schweizer Angebot bedeutet aber nichts anderes, als dass Gemeinden und Kantone in Fragen von Abfall- und Abwasserentsorgung bei zukünftigen Investitionen liberalisieren muss und – wegen der Sperrklinkenklausel – nicht mehr darauf zurückkommen kann. Umweltverträglichkeitsprüfungen müssten neu nicht mehr zwingend an Schweizer Büros vergeben werden. Der Anhang über Ursprung und Herkunft von Dienstleistungen ( « Localisation » ) verbietet eine Reihe von Massnahmen. So darf zum Beispiel ein Land ( wie etwa die Schweiz ) nicht mehr vorschreiben, wo ein Dienstleistender seinen Wohnsitz hat, dass seine Arbeit mit einer Anwesenheit hierzulande verbunden sein und auf hiesige Befindlichkeiten Rücksicht nehmen muss. Dabei wäre es sinnvoll, solcherlei regulieren zu ­können, etwa wenn es um KonsumentInnen-, Unternehmensoder Umweltschutz geht. Aber auch im Hinblick auf die nationale Sicherheit. In ihrem neuen Angebot hat die Schweiz, auch hier auf Druck der EU, einer vollständigen Liberalisierung von Infor­ mationstechnologie-Dienstleistungen zugestimmt – eine Pre­ miere in einem Schweizer Freihandelsabkommen. Sie hat nicht einmal Systeme zur Abwehr von Cyberkriminalität ausgeschlossen, obwohl solche zur nationalen Verteidigung ge­ hören und dieser Passus unbestreitbar eine Gefährdung der ­eigenen Sicherheit darstellen könnte. Geht es darum, die Begehren anderer Staaten zu anerkennen, zeigt sich die EU dagegen sehr zurückhaltend. So hat sie sich gegen die von den USA vorgebrachten « neuen Dienstleistungen  » verwahrt, die erst entwickelt werden und darum wenig oder gar nicht reguliert sind. Sollte Tisa in Kraft treten und


Drohende Liberalisierung von Post, SBB, Swisscom und SRG Auch wenn die Schweiz in ihrem Angebot klargemacht hat, dass staatsnahe oder Regiebetriebe von der Liberalisierung ausgeschlossen sein sollen, so versteckt sich in den Anhängen des Tisa-Vertrags die Gefahr, dass auch die heutige Aufstellung der Post, der SBB, der Swisscom und der SRG keineswegs in Stein gemeisselt ist. Denn auch diese Betriebe sollen den Regeln des Marktes unterworfen werden. Wer sagt, das sei doch heute bereits der Fall – die jüngsten Ankündigungen der Post belegen dies – , muss zur Kenntnis nehmen, dass mit Tisa ­dieser Prozess irreversibel wird. Sollte der Bund eines Tages beschlies­sen, den Service public wieder stärker öffentlich zu steuern, könnte er dies nicht mehr tun. Andere Anhänge sind genauso beunruhigend. Erwähnt sei jener über die Transparenz, der multinationalen Unternehmen die rechtliche Grundlage gibt, sich über Lobbying in nationale Gesetzgebungsprozesse einzumischen. Entschlösse sich die Schweiz zum Beispiel, genetisch veränderte Organismen definitiv zu verbieten, so hätte Monsanto eine solide Rechtsgrundlage, um dagegen vorzugehen. Sähe der Multi seine Rechte verletzt, könnte er sein Herkunftsland überzeugen, juristisch gegen die Schweiz vorzugehen. Auch hier liesse sich einwenden, multinationale Firmen seien mit Lobbyisten doch bereits heute in der Schweizer Politik aktiv. Das stimmt zwar, doch Tisa gäbe ihnen das Recht, sich

auf allen Ebenen des Gesetzgebungsprozesses einzumischen, ebenso auf kommunaler wie auf Bundesebene. EU stellt sich quer gegen freien Datentransfer Schliesslich ist auch der Anhang über den elektronischen ­Handel, der den grenzüberschreitenden Transfer persönlicher Daten betrifft, sehr problematisch. Unsere Daten – ob sie Bankgeschäfte, Gesundheit oder Konsumgewohnheiten betreffen  – müssten nicht mehr zwingend auf in der Schweiz befindlichen Servern verwaltet werden. Sie könnten von multinationalen Firmen nach deren Gutdünken verwendet und gehandelt werden. Das widerspricht den aktuellen Erfordernissen des Schweizer Daten- bzw. Persönlichkeitsschutzes. Hier legt sich auch die EU vehement quer gegen die Ansprüche der USA. Die Frage ist, wie lange noch ? Kurz, wird Tisa unterzeichnet, werden Dienstleistungen im grossen Stil auf den Markt geworfen. Ein spezielles Augenmerk muss dabei auf private Bildungseinrichtungen gerichtet werden. Werden diese ohne Einschränkungen zu Marktbedingungen in Drittländern zugelassen, so werden sich über kurz oder lang Bildungssysteme mit zwei Geschwindigkeiten etablieren. Private Schulen werden zugunsten von öffentlichen ausgebaut werden, die besten Lehrkräfte würden dorthin gehen, wo die Kinder der Bessergestellten ausgebildet werden, die sich das finanziell leisten können. Es gilt, sich sehr ernsthaft zu über­ legen, ob das ein zukunftsfähiges Modell ist.

Wie problematisch die Privatisierung öffentlicher Dienste ist, zeigt das ­Beispiel von Accra, der ­Hauptstadt von Ghana. Bild : Ein Mit­ arbeiter von Safe Water Network ( SWN ) liefert in einem ­Quartier der oberen Mittelklasse s­auberes Trinkwasser. In ärmeren Bezirken kann sich die Bevölkerung dies nicht leisten. Foto : © N yani Quarmyne /Panos

ein teilnehmendes Land hat es versäumt, eine Dienstleistung explizit vom Geltungsbereich auszunehmen – im Fall der Schweiz zum Beispiel etwa Airbnb oder Angebote rund um den Einsatz von Drohnen –, so kann es später nicht mehr da­ rauf zurückkommen.

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Uno berät über eine verbindliche Konvention

Unternehmen und Menschenrechte : Und sie dreht sich doch Laurent Matile

In der Schweiz steigt die

­politische Betriebstemperatur rund um die Konzernverantwortungsinitiative. Parallel dazu nimmt das Thema auch in den Vereinten Nationen Fahrt auf.

Foto : © M unem Wasif/Vu/Keystone

Vom 14. bis 16. November versammelten sich rund 2000 Regierungs-, Unternehmens- und ZivilgesellschaftsvertreterInnen aus 140 Ländern am 5. Business and Human Rights Forum in Genf. Thema: die zähen Fortschritte, die bei der Umsetzung der Uno-Leitprinzipien für Unternehmen und Menschenrechte1 seit deren Verabschiedung 2011 erzielt worden sind. Einige Tage vorher, vom 24. bis 28. Oktober, traf sich im Genfer Palais des Nations eine intergouvernementale Uno-Arbeitsgruppe ( IGWG ) zu ihrer zweiten Sitzung. Deren Thema: Wie geht es weiter mit der Umsetzung der Resolution 26/9 des Uno-Menschenrechtsrats2 vom Juni 2014 ? Das Mandat der Arbeitsgruppe ist es, «ein juristisch international bindendes Ins­ trument zu transnationalen und anderen Unternehmen und den Menschenrechten auszuarbeiten.»3 Diese Resolution war dank der Mobilisierung von rund 600 Organisationen der Zivilgesellschaft aus dem globalen

Zu den Menschen­ rechten gehören auch die in den Konven­ tionen der International Labour Orga­ nisation festgelegten Arbeitsrechte. Bild : Kleiderfabrik in Dhaka, Bangladesch.

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Norden und Süden zustande gekommen, die gemeinsam die «Allianz für einen Vertrag» gebildet hatten. Gemeinsames Ziel ist, der Straflosigkeit für die Verursachung ökologischer und menschlicher Katastrophen ein Ende zu bereiten. Die Explosion in einer agrochemischen Fabrik von Union Carbide 1984 im indischen Bhopal bleibt ebenso unvergessen wie die Verklappung von Tonnen toxischer Abfälle in der ecuadorianischen Umwelt zwischen 1964 und 1990 durch die Chevron-Tochter Texaco. Oder der Einsturz der Kleidermanufaktur im Rana-Plaza-Gebäude in Sabhar ( Bangladesch ), der über 1100 Todesopfer gefordert hat. Der Menschenrechtsrat hat sich vorgenommen, diese Gesetzeslücke durch die Ausarbeitung einer internationalen Konvention zu füllen. Wie schon anlässlich der ersten Sitzung im Juli 2015 hat sich die Arbeitsgruppe erst mit dem « Inhalt, dem Geltungsbereich, der Art und der Form des zukünftigen juristischen Instruments » befasst. Die eigentlichen Verhandlungen werden dann erst beim dritten Zusammentreffen der IGWG im Oktober 2017 aufgenommen. Bis wirklich ein konkreter Vorschlag vorliegt, dürfte also noch einiges Wasser die Rhone hinunterfliessen. Verbindliches Recht statt freiwilliger Prinzipien Der Weg zu bindenden Verpflichtungen ist mit Hindernissen gepflastert und wird seit vierzig Jahren von multinationalen Unternehmen und – genauer noch – von deren Interessenver-


bänden hintertrieben. In den 70er-Jahren hatten sich die Vereinten Nationen vorgenommen, einen Verhaltenskodex für Multis zu erarbeiten. 1976 wurden die OECD-Leitprinzipien für multinationale Unternehmen verabschiedet, die 2011 überarbeitet wurden. 2000 schliesslich lancierte der damalige UNGeneralsekretär Kofi Annan am Weltwirtschaftsforum ( WEF ) in Davos den Global Compact, der die Unternehmen zu sozialverträglichem Verhalten einlud. Nicht wenige konstatieren allerdings, dass damit die Dynamik für gesetzliche Regelungen unterbrochen wurde ; seither berufen sich Unternehmen gerne auf ihre freiwilligen Massnahmen, obwohl verschiedenste Studien4 deren mangelhafte Effizienz nachgewiesen haben. Die Länder des globalen Nordens, wo 85 Prozent der Multis ihre Sitze haben, wollen keine verbindliche Konvention. Die USA, Australien und Kanada weigern sich, in der Arbeitsgruppe mitzutun ; auch Russland hat signalisiert, dass es keinen solchen Vertrag wünsche. Auf Druck der Zivilgesellschaft und ihres Parlaments war hingegen die EU bei der Sitzung im Oktober dabei. 2015 hatte sie strikte Rahmenbedingungen bei der Erarbeitung der Konvention durchgesetzt: Der Text soll sich auf alle Unternehmen beziehen, also auch auf nationale; die multinationalen Firmen sollen am Verhandlungstisch mit dabei sein, und die Diskussionen sollen sich im Rahmen der Uno-Leitprinzipien von 2011 bewegen. In einem Punkt unterscheidet sich die Erarbeitung einer zukünftigen neuen UN-Konvention ganz grundsätzlich vom Prozess, der zu den sogenannten Ruggie-Prinzipien von 2011 geführt hat: Die Resolution 26/9 sieht eine klassische Regu­ lierung durch die Staaten vor, sie verabschiedet sich wieder vom Multistakeholder-Ansatz, der in den Ruggie-Leitprinzi­ pien Staaten, Unternehmen und der Zivilgesellschaft je unterschiedliche Rollen zugewiesen hat. Dieser inklusive Ansatz ­hatte es nach 2003 erlaubt, den Grabenkrieg um die Ausgestaltung von Normen im Spannungsfeld von Unternehmen und Menschenrechten zu beenden.5 Seither nur noch die Staaten am Verhandlungstisch zugelassen. In welche Richtung zukünftige Verhandlungen für eine neue UN-Konvention zu Unternehmen und Menschenrechten gehen, lässt sich heute nicht abschätzen. Klar ist nur, dass die Erarbeitung eines bindenden Instruments viel Zeit brauchen wird. Aufgrund der Erfahrungen mit den Verhandlungen von 2003 ist von mehreren Jahren auszugehen, wobei es keine Gewissheit gibt, dass dabei je ein konkretes Resultat erzielt werden kann. Kommt dazu, dass multinationale Unternehmen nur dann zur Rechenschaft gezogen werden könnten, wenn das Land, in dem sie ihren Sitz haben, die Konvention auch ratifi­ ziert. Zu erwarten, dass die gesamte Staatenwelt ( inklusive die 1 http://www.skmr.ch/cms/upload/pdf/140522_leitprinzipien_wirtschaft_ und_menschenrechte.pdf 2 https://documents-dds-ny.un.org/doc/UNDOC/GEN/G14/082/53/PDF/ G1408253.pdf?OpenElement 3 Die Resolution war von Ecuador und Südafrika eingebracht ­w orden. Mitunterzeichnet wurde sie von Bolivien, Kuba und Venezuela. A ­ n­g enommen wurde sie mit 20 Stimmen vor allem aus Entwicklungs­ ländern. 14 Staaten, darunter viele aus der EU, stimmten dagegen.   13 Länder enthielten sich. Die Schweiz nahm an der Abstimmung nicht teil. 4 siehe GLOBAL + Nr. 60/Winter 2015/16

Vertreter des Nordens ) einen neuen Vertrag rasch anwende, scheint fast schon naiv. Der unmittelbare Nutzen der Konvention wäre darum beschränkt. Angesichts dieser zahlreichen Unwägbarkeiten wäre es bedauerlich, wenn die Staaten, aber auch die Unternehmen, ihre Bemühungen einfrieren würden, der effektiven Umsetzung der Uno-Leitprinzipien von 2011 zum Durchbruch zu verhelfen. Im Gegenteil, sie müssten jetzt ihre Anstrengungen für den unverzichtbaren «Smart mix» verdoppeln, der verbindliche gesetzliche Regeln und freiwillige Massnahmen auf intelligente Weise kombiniert.

Fragen, die eine neue ­Uno-Konvention ­beantworten muss Das sind einige der wichtigsten Fragen, die sich bei der Ausarbeitung einer neuen UN-Konvention zum Thema Unter­ nehmen und Menschenrechte stellen: • Wie soll sich dieser neue Vertrag zu den Uno-Leitprinzipien verhalten? • Sollen alle Menschenrechtsverletzungen abgedeckt sein oder nur « grobe Verstösse » gegen die Menschenrechte ? • Soll sich der Vertrag ausschliesslich auf multinationale Firmen beziehen, oder auf sämtliche Unternehmen, unabhängig von ihrer Grösse ? • Schliesst der Vertrag auch neue extrater­ ritoriale Verpflichtungen der Staaten ein ? • Soll das neue Instrument den Unternehmen direkte Vorschriften machen ? • Wie würde die Einhaltung dieser Verpflichtungen überprüft, auf nationaler und /oder internationaler Ebene ? • Und wie sähe das Verhältnis aus zwischen dem Vertrag und den Handels- sowie den Investitionsschutzabkommen ? Zu all diesen Fragen haben Wissenschaftler und Zivilgesellschaft schon zahlreiche Vorschläge unterbreitet.1

1 Siehe, z.B., The Struggle for a UN Treaty : towards global regulation on human   rights and business. Rosa Luxembourg ­S tiftung/Global Policy forum, 2016.   http://bit.ly/2flva0q

5 http://ap.ohchr.org/docs/E/E-CN_4-Sub_2-2003-12-Rev_2.pdf

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Studienprogramm NADEL Entwicklung und Zusammenarbeit Frühjahrssemester 2017

Planung und Monitoring von Projekten

20. - 24.02.

Migration: Eine Herausforderung für die IZA

07. - 10.03.

Finanzmanagement und Wirtschaftlichkeit von Entwicklungsprojekten

20. - 24.03.

M4P – Making Markets Work for the Poor

27. - 31.03.

Aktuelle strategische Debatten in der IZA

11. - 13.04.

VET between Poverty Alleviation and Econonomic Development

24. - 28.04.

Food Security

Corporate Responsibility and Development

08.-12.05.

16. - 19.05.

Auskunft über Zulassung und Anmeldung: www.nadel.ethz.ch


Agenda 2030 und Entwicklungszusammenarbeit

Wie werden Entwicklungsgelder wirksam eingesetzt ? Eva Schmassmann  Nachdem

sich die Weltgemeinschaft mit der Agenda 2030 auf gemeinsame

Ziele verpflichtet hat, diskutierte sie in Nairobi, welche Form der Entwicklungszusam­

Wir erinnern uns : 1970 erklärten die Industrieländer im Rahmen der Uno, mehr Geld für Entwicklungszusammenarbeit investieren zu wollen, nämlich 0,7 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung. Mit wenigen Ausnahmen ist es beim Versprechen geblieben. Neben der Höhe wurde in den letzten Jahren vor allem auch um das Wie der Entwicklung gerungen : Wie werden die zu erreichenden Ziele definiert ? Und welche Art der Entwicklungszusammenarbeit leistet einen wirksamen Beitrag an diese Zielerreichung ? 2011 wurde im südkoreanischen Busan die Global Partnership for Effective Development Cooperation ( GPEDC ) initiiert. Früher waren hochrangige Treffen zur Wirksamkeit von Entwicklungszusammenarbeit vom Entwicklungsausschuss der OECD ( OECD-DAC ) organisiert worden, die GPEDC ist dagegen eine gemeinsame Plattform von OECDDAC und Uno, bei der auch weitere Akteure der Entwicklungszusammenarbeit, beispielsweise Entwicklungsorganisationen, der Privatsektor oder wohltätige Stiftungen einbezogen sind. Kritisiert wurde in Busan insbesondere die traditionelle Form der Entwicklungs-« hilfe ». Gemäss der 2005 in Paris verabschiedeten Prinzipien der Wirksamkeit sollten sich die Geberländer und Institutionen vermehrt koordinieren, sich an nationalen Entwicklungsplänen orientieren oder Lieferbindungen bei Entwicklungsprojekten aufheben. Im Fokus stand also ein Wechsel hin zu einem partnerschaftlicheren Verhältnis zwischen Geber- und Empfängerländern von Entwicklungsgeldern. Mit der Verabschiedung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung hat sich die Weltgemeinschaft im letzten Herbst ein neues Zielsystem gegeben. Als universelles Rahmenwerk betrifft es auch die nationalen Politiken im globalen Norden, die sich Richtung Nachhaltigkeit entwickeln sollen. Die Entwick-

Foto : © C hristof Schuerpf/Keystone

menarbeit einen wirksamen Beitrag zur Erreichung der vereinbarten Ziele leisten kann.

Nicht alle Schweizer Entwicklungsgelder erreichen die Bedürftigen im Süden : 2014 gab die Schweiz über 44 Millionen Franken für die im Kosovo stationierte Swisscoy-Truppe aus.

lungszusammenarbeit bleibt aber weiterhin ein wichtiges Instrument, um insbesondere die ärmsten Länder bei ihrer Zielerreichung zu unterstützen. Dementsprechend bleibt die Frage nach der Wirksamkeit aktuell. Ende November ( nach Redaktionsschluss ) traf sich die internationale Staatengemeinschaft im Rahmen der GPEDC in Nairobi zum zweiten hochrangigen Treffen zur Wirksamkeit in der Entwicklungszusammenarbeit. Im Zentrum der Diskussionen stand die Frage, welche Art der Entwicklungszusammenarbeit einen wirksamen Beitrag an die Erreichung der Agenda-2030-Ziele leisten kann. Die Bereitschaft, sich an der Wirksamkeitsdebatte zu beteiligen, ist jedoch abgeflaut. Im globalen Norden geht der Trend wieder Richtung Instru-

mentalisierung der Entwicklungsgelder, um migrations- oder aussenpolitische Ziele zu erreichen. Im globalen Süden haben gerade starke, autoritär geprägte Regierungen wenig Interesse am Einbezug der Zivilgesellschaft ( siehe Kasten ). Im Rahmen der Agenda 2030 ist jedoch wichtig, dass diese Debatte wieder an Fahrt gewinnt. Denn die Frage nach Koordination der verschiedenen Akteure bleibt höchst relevant, ebenso die Mitbestimmung lokaler Gemeinschaften, um eine Bevormundung durch wohltätige Stiftungen, den Privatsektor oder internationale NGOs zu verhindern und die sehr knappen Ressourcen sinnvoll einzusetzen. Ob die GPEDC als Multi­ stakeholder-Plattform dabei eine wichtige Rolle spielen kann, wird sich wohl erst in den nächsten Jahren zeigen.

« Enabling Environment » Aus Sicht von Alliance Sud war die Anerkennung von zivilgesellschaftlichen Organisationen als eigenständige Akteure der Entwicklung an der Kon­ ferenz von Busan ein wichtiger Schritt. Dazu gehört jedoch auch das sogenannte Enabling Environment, das heisst, Rahmenbedingungen, die sie in der ­Er­füllung dieser Rolle unterstützen und nicht einschränken. Nur so können Süd-NGOs in der Gestaltung nationaler Entwicklungspläne ihre ­Bedürfnisse einbringen und zu ihren Regierungen ein Korrektiv bilden.

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Lesezeichen

Die globale Gier nach Land

Kurt Langbein dokumentiert in seinem Buch zum gleichnamigen Film « Landraub » das einträgliche Geschäft mit Land und die Folgen für die ärmsten Länder der Welt. Das Spekulationsgeschäft um Land in den Ländern des Südens oder in Osteuropa ist heute rentabler denn je. Denn einerseits ist die Land­ investition im Vergleich zu anderen Investitionen relativ sicher, und andererseits braucht es für die Nahrungsmittel- sowie Futtermittelproduktion und die Produktion von Biotreibstoffen viel Land. Der Autor und Filmemacher zeigt in « Landraub » auf, was die Landnahme der ausländischen Grossinvestoren für die ansässigen Bauern bedeutet. Eine Problematik, die sich in allen betroffenen Ländern nachzeichnen lässt : Statt des erhofften wirtschaftlichen Aufschwungs einer Region finden Landvertreibungen und Umsiedlungen statt, und oft wird den betroffenen Bauern die wirtschaftliche sowie die soziale Lebensgrundlage entzogen. Gleichzeitig werden Böden zerstört, und es entstehen Monokulturen. Der Autor kommt zum Schluss, dass die Agrarindustrie keine Ernährungssicherheit garantiert, sondern in eine Sackgasse führt. Die Zukunft seien kleinbäuerliche Strukturen unter Einsatz von modernen Methoden. Landraub : Die globale Jagd nach Ackerland/Kurt Langbein, Wals bei Salzburg : Ecowin, 2015. 192 S. Ausleihbar bei Alliance Sud InfoDoc unter der Signatur : Eg/57 Website zum Thema : Brot für alle. Das Thema « Land Grabbing » bildet einen ­entwicklungspolitischen Schwerpunkt des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen : www.brotfueralle.ch Mehr bei Alliance Sud InfoDoc Weiterführende Medien zu Landraub finden sich bei Alliance Sud InfoDoc in unseren Pressedossiers, Zeitschriften sowie Büchern vor Ort.

Zeitschriften-Lese ( n ) Minderheiten im Heiligen Land

« Bedrohte Völker – Pogrom » widmet die Ausgabe 4/2016 dem Vielvölkerstaat Israel. Im Fokus stehen dabei jene ethnisch-religiösen Minderheiten, die sonst kaum im Rampenlicht von Politik und Medien stehen und rund fünf Prozent der Bevölkerung ausmachen. So stellt das Heft die Beduinen, Drusen und Kurden vor und gibt eine Übersicht über die christlichen Gemeinschaften. Ausserdem zeigt es, wie die armenische Gemeinde die eigene Kultur pflegt, gewährt Einblick in den Alltag der palästinensischen Bevölkerung und geht den Integrationsproblemen jüdischer Einwanderer nach. www.gfbv.de

Ein Plädoyer für die Ernährungssouveränität

Das ist der Tenor des Dossiers, das « Südlink », September 2016, beiliegt. Es diskutiert das Konzept der Ernährungssouveränität, das auf einer kleinbäuerlichen, ökologisch angepassten Landwirtschaft und der politischen Teilhabe von Produzierenden und Konsumierenden beruht. Aus den Beiträgen wird einmal mehr deutlich, dass für ein zukunftsfähiges Landwirtschafts- und Ernährungssystem die Abkehr von der globalen Agroindustrie unumgänglich ist, wenn traditionelle Anbaupraktiken und die Vielfalt des Saatguts erhalten und die Existenz der Bäuerinnen und Bauern gesichert werden sollen. www.inkota.de

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Karussell — Karin Mader betreut bei Brot für alle neu das Dossier Unternehmensverantwortung in der Elektronikindustrie. Sie ersetzt Daniela Renaud für die Kampagne « High Tech – No Rights ». — Bei Helvetas ist Gian Branschi der neue stv. Teamleiter Public Fundraising, er war davor im Marketing bei der Post und Tamedia tätig. Heini Conrad, Landesdirektor Kosovo, geht in Pension. — Boris Orlowsky heisst der neue Senior Advisor Climate Change bei Caritas. Lukas Fiechter, bisher Programmverantwortlicher Nepal, wechselt in die Abteilung Katastrophenhilfe. Gerhard Meili, PV in der Abteilung Asien/Europa, ist pensioniert worden. Caritas verlassen haben ausserdem Stefan Ege und Alessandro Manferdini ( beide Katastrophenhilfe ). — Beim Heks arbeiten Angela Smith und Ursula Borloz neu im Bereich Human Resources. Rebecca JäckliDürsteler ersetzt im Kirchgemeinden-Marketing Regula Demuth. Sarah Pfister ( Abteilungsleiterin Lateinamerika/Afria ) und Regula Hafner ( Abteilungsleiterin Latein­ amerika/Afrika ad interim ) haben das Heks ebenso verlassen wie Thierry Pleines, Programmbeauftragter in Lausanne. — Vom Fastenopfer zu Max Havelaar gewechselt hat der Kommunikationsverantwortliche Patricio Frei. Neu obliegt die Projektleitung Kampagnen Mischa von Arb. Ebenfalls neu an Bord sind für die PR in der Deutschschweiz Colette Kalt sowie Tiziana Conti für die Suisse Romande, Simon Degelo am Desk für Haiti und Noemi Honegger als Unterstützung für Laos und die Philippinen. — Beim SRK ist Grégoire Labhardt neuer Programmverantwortlicher für El Salvador und Honduras. Chris­ tina Aebischer, bisher in dieser Funktion, wechselt als Fachexpertin M & E in die Abteilung Grundlagen und ­ ntwicklung. E — Wechsel in der Clean Clothes Campaign von Public Eye : David Hachfeld – er kommt von Oxfam Deutschland – ersetzt ab Januar 2017 Christa Luginbühl, die in die Geschäftsleitung von Public Eye gewechselt hat. — Bei der Deza wechselt Patricia Barandun von der Abt. Westafrika Programmbeauftragte ( PB ) in die Abt. Globale Institutionen der Globalen Zusammenarbeit ; G ­ eneviève Contesse, bisher Abt. Ostasien, arbeitet neu als PB Abt. Süd-Östliches Afrika-Nordafrika-Palästina. Von der Abt. GUS wechselt Pierre Maurer zur Abt. Asien und Amerika der Humanitären Hilfe. Zurück vom Feld in die Zentrale kommt Boris Maver ( Port-au-Prince ) als PB in der Abt. Westafrika und Serge Oumow ( Kobü Cotonou ) in die Abt. Ostasien. Die bisherige Chefin Kooperation in Belgrad Isabel Perich ist neu Beraterin für sektorielle Fragen in der Abt. Westbalkan. Jürg Schneider, bisher in der Abteilung Nordafrika und Mittlerer Osten der ­Humanitären Hilfe tätig, ist neu Programmverantwortlicher in der Abteilung Ostasien.

Monbijoustrasse 29/31, 3011 Bern Öffnungszeiten : 13.30 – 17.30 h ( Mo – Fr ) dokumentation@alliancesud.ch, www.alliancesud.ch/dokumentation


Agenda 2030: Umsetzung in der und durch die Schweiz

Welche Rolle für die Nichtregierungs­ organisationen ? Sara Frey und Eva Schmassmann  Welche

Schweizer NGO arbeitet

zu welchem Ziel der Uno-Agenda für nachhaltige

Entwicklung ? Wo und wie wollen die Organisationen der Schweizer Zivilgesellschaft enger zusammen­

arbeiten ? Zur Diskussion und Klärung dieser Fragen

trafen sich NGO-VertreterInnen am 18. Oktober

Zum Vernetzungstreffen eingeladen hatten Alliance Sud, das Kompetenzzentrum Friedensförderung, der Schweizerische Gewerkschaftsbund und die Umweltallianz. Rund fünfzig Organisationen, die in verschiedensten thematischen Feldern ­arbeiten, setzten sich schliesslich intensiv mit der Thematik auseinander. Das wichtigste Fazit der Tagung : Die meisten ­Organisationen wünschen sich eine Zusammenarbeit, sei dies im Bereich der Sensibilisierung oder wenn es darum geht, die Konsultationen des Bundes im Hinblick auf den für das Jahresende 2017 erwarteten « Baseline Report » zu koordinieren. Die Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung ( SDG ) feierte im September ihren ersten Geburtstag. Die Schweiz hat am Hochrangigen Politischen Forum der Uno im Juli 2016 erste Umsetzungsansätze präsentiert. Bevor viel Konkretes entstehen kann, muss die Schweiz erst untersuchen, wo sie betreffend Umsetzung steht. Dazu wird geprüft werden müssen, inwiefern die 169 Unterziele der Agenda 2030 erfüllt sind oder nicht. Sämtliche zuständigen Bundesstellen müssen dazu ihre Einschätzung abgeben und den bestehenden Handlungsbedarf ausweisen. Ein wichtiger Schritt, um die Agenda 2030 in der gesamten Verwaltung bekannt zu machen. Darauffolgend sollen zivilgesellschaftliche Akteure konsultiert werden. Diese Konsultationen der zivilgesellschaftlichen Orga­ nisationen und der Privatwirtschaft werden im kommenden Frühling stattfinden. Die grundsätzliche Absprache zum Thema Agenda 2030 unter Nichtregierungsorganisationen stand im Zentrum des Treffens in Bern, auch im Hinblick auf die Konsultationen des Bundes. Angeschrieben hatten die VeranstalterInnen Nicht­ regierungsorganisationen und Gewerkschaften aus den verschiedensten Bereichen wie Umwelt, Arbeit, Entwicklung, ­Frieden, Bildung, Gesundheit, Geschlechtergerechtigkeit, Menschen mit Behinderung usw. Das grosse Interesse, auf welches die Konferenz stiess, motiviert alle Beteiligten, auf dem ein­ geschlagenen Weg weiterzufahren. Gemeinsam gilt es herauszufinden, wie die Interessen der Zivilgesellschaft am besten eingefordert werden können. Die Organisationen ordneten im Verlauf des Tages ihre Arbeit den verschiedenen Zielen und Unterzielen zu, neudeutsch Mapping genannt. Erfreulicherweise arbeiten Schweizer NGOs

Fotos : ©  A lliance Sud

im ­Progr in Bern.

Wie soll die Arbeit der Schweizer Zivilgesellschaft rund um die Agenda 2030 koordiniert werden? Ein Netzwerk der Netzwerke könnte die Antwort auf diese Herausforderung sein.

bereits zu jedem der 17 Ziele. Konsens war, dass es eine Zusammenarbeit zur Agenda 2030 brauchen wird. Wie diese genau ausgestaltet wird, ist noch nicht geklärt. Zwei Punkte haben sich jedoch herauskristallisiert : Es gibt viel an Sensibilisierungsarbeit zu leisten, und es gilt, ein kritisch-konstruktives Auge auf die Bundespolitik zu werfen. Die Vorschläge für die Form der zukünftigen Zusammenarbeit reichten von einer losen Zusammenarbeit zu thematischen Vorlagen des Bundes über eine SDG-Charta für Schweizer NGOs bis zu einer koordinierten Plattform mit einer Kerngruppe unter Einbezug verschiedener bestehender Plattformen oder Netzwerke. In der nächsten Zeit werden die vier einladenden Organisationen gemeinsam mit den Eingeladenen einen Vorschlag zur Form der Zusammenarbeit aus­ arbeiten. Darüber hinaus soll das Gespräch mit weiteren Akteuren der Zivilgesellschaft wie etwa der Wissenschaft gesucht werden.

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2017: Veranstaltungen von Alliance Sud InfoDoc

Tourismus und nachhaltige Entwicklung InfoDoc, die öffentlichen Dokumentationszentren

von Alliance Sud in Bern und Lausanne, organisieren eine Veranstaltungsreihe.

Veranstaltungen Bern 2. Februar, 18 h 15

Was, wenn alle reisen können ? Zielkonflikte der Agenda 2030. Feierabendgespräch mit Eva Schmassmann ( Alliance Sud ).

4. April, 18 h 15

Nachhaltiger Massentourismus – Ein Widerspruch ? Feierabendgespräch mit Christine Plüss ( Arbeitskreis Tourismus und Entwicklung ).

8. Juni, 12 h 00

Film am Mittag : « Die Gans mit den goldenen ­Eiern – Tourismus an Costa Ricas Pazifikküste » ( Dokumentarfilm ).

21. September, 18 h 15

Voluntourismus – Vom Freiwilligendienst zum touristischen Angebot ? Podium mit Stefan Stolle ( Helvetas ) und Georg L’Homme ( Unité ).

26. Oktober, 12 h 00

Film am Mittag : « When I Grow up I Want to Be a Tourist », « Slumtourismus in Jakarta », « Voluntourismus ».

22. November, 18 h 15

Reisen im Jahr 2030 ? – Reisen im Spannungsfeld Klimaerwärmung und fossile Mobilität, Podium mit Caroline Beglinger ( VCS Verkehrs-Club der Schweiz ) und Kai Landwehr ( myclimate ).

Foto : © M uhammad Hamed/Reuters

Veranstaltungen Lausanne

Leicht bekleidete Touristinnen in der jordanischen ­Wüstenstadt Petra.

Seit 1950 wächst der Tourismussektor nahezu ununterbrochen. Dieser wirkt sich auf die globale Klima­erwärmung aus – und ­umgekehrt. Was sind die sozialen und ökologischen Folgen dieser weltweiten Reisetätigkeit ? Exis­tieren Alternativen zum ­Massentourismus ? Indem die Uno 2017 zum « Internationalen Jahr des nachhaltigen Tourismus » erklärt hat, rufen die ­Ver­einten Nationen zur Diskussion über die negativen ­Auswirkungen des Massentourismus auf.

Zahlen und Fakten zu Tourismus und Entwicklung Quellen : Welttourismusorganisation; planetoscope.com

2. März, 18 h 30

Le tourisme dans tous ses états : conflits face à l’agenda 2030 ( avec Eva ­Schmassmann, ­Alliance Sud ).

16. März, 12 h 00

Midi film : Tourisme et soutenabilité : aspects ­sociaux, économiques et environnementaux du voyage ( extraits ).

18. Mai, 18 h 30

Débat : Tourisme humanitaire ? Philippe Randin ( Nouvelle Planète ) et Isabelle Lejeune ( Tourism for Help ).

15. Juni, 12 h 00

Midi film : Tourisme de catastrophe.

14. September, 12 h 00

Midi film : Tourisme et soutenabilité : aspects ­sociaux, économiques et environnementaux du voyage ( extraits ).

12. Oktober, 18 h 30

Débat : Un tourisme durable pour tous, est-ce possible ? Alexandre ­Savioz et Seraina Hürlemann, UNIL et un-e représentant-e d’une agence de voyage.

12. Oktober – 1. Dezember

Exposition : «  Tourisme durable » en collaboration avec l’Ecole ­cantonale d’art du Valais ( ECAV ) Änderungen bleiben vorbehalten.

45

5 Prozent

1245 Mrd. US-$

um diesen Faktor hat sich die Zahl der ­TouristInnen seit 1950 ­vervielfacht.

der weltweiten CO2-Emissionen ­stammen aus dem ­Tourismus.

werden jährlich weltweit im Tourismus ­umgesetzt.

GLOBAL +   Postfach  |   3001 Bern  |   Telefon + 41 31 390 93 30 E-Mail : globalplus@alliancesud.ch  |   www.facebook.com/alliancesud

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