GLOBAL+ Nr. 66 / Sommer 2017

Page 1

NUMMER 66 | SOMMER 2017

Globalisierung und Nord / Süd-Politik

Arbeitsgemeinschaft Swissaid | Fastenopfer | Brot für alle | Helvetas | Caritas | Heks | www.alliancesud.ch

Was leistet Gewaltprävention ? Asylkosten fressen Entwicklungsbudget

Sorgfaltspflicht : UKParlament weist den Weg

Investieren im Iran ? Ja, aber nur wenn …


Kurz notiert Agenda 2030 : Plattform nimmt Form an sf. Am 4. Mai haben sich in Bern auf Einladung von Alliance Sud, KOFF, dem SGB und der Umweltallianz rund 60 Organisationen zu einer Konferenz zur Umsetzung der Agenda 2030 in der und durch die Schweiz getroffen. Ziel war, die Zusammenarbeit zur Agenda 2030 zu strukturieren. Beim ersten Treffen im Oktober 2016 zeigte sich breites Interesse an einer vertieften Zusammenarbeit verschiedenster NGOs und Gewerkschaften. An der zweiten Konferenz wurde beschlossen, dass als Basis einer Plattform Agenda 2030 ein Verein gegründet werden soll; Arbeitsgruppen werden sich mit der Ausarbeitung der Statuten und der Finanzierung befassen; um die Inhalte kümmert sich eine Kerngruppe, der auch VertreterInnen aus den Bereichen Menschenrechte, kollaborative Wirtschaft, Gender und Jugend angehören. Lanciert werden soll die Plattform am 2. Geburtstag der Agenda 2030 am 25. September. Schuldenfalle und Fluchtgelder dh. Hintergrundinformation zu Entwicklungshemmnissen in Afrika aus dem Web : Das Afrika-Komitee und das Zentrum für

Afrikastudien in Basel publizieren vierteljährlich das « afrika-bulletin ». Gegenstand der aktuellen Nummer ist « Die Schuldenfalle ». Themen sind unter anderem die Gefahren einer neuen Schuldenkrise, unlautere Finanzflüsse und die illegitimen Kredite für Mosambik sowie die Verstrickungen der Credit Suisse. Einen Hinweis verdienen auch zwei neue Studien der Friedrich-EbertStiftung : « Bekämpfung der Kapitalflucht aus Afrika – Zeit zu handeln » (Autor : Léonce Ndikumana) und « Steuerflucht – Die internationale und europäische Dimension » (Autor : Markus Henn). EuGH : TTIP vor nationale Parlamente ia. Der europäische Gerichtshof ( EuGH ) hat am 16. Mai ein Gutachten mit weitreichenden Folgen für jene Freihandelsverträge der « neuen Generation » veröffentlicht, die auch Klauseln zu Investitionen enthalten. Es hält fest, dass der Vertrag der EU mit Singapur ein gemischtes Abkommen sei, das den nationalen Parlamenten zur Ratifizierung vorgelegt werden müsse : wegen des Streitschlichtungsmechanismus zwischen Investoren und Staaten sowie wegen der Investitionen, die nicht direkt sind, wie etwa Portfolioinvestitionen. Der Entscheid bedeutet, dass TTIP – falls es je abgeschlos-

sen würde – allen 38 nationalen und regionalen Parlamenten unterbreitet werden müsste. Nicht betroffen scheint TISA, da es sich nicht auf Investitionen bezieht. Die EUKommission selbst hatte es jedoch auch als gemischtes Abkommen bezeichnet. IEA : Trendwende erstmals erkannt js. Die Internationale Energieagentur ( IEA ), bekannt für konservative Prognosen zur Energiezukunft, hat in ihrem Perspektivenbericht 2017 zum ersten Mal ein « Unter2-Grad »-Szenario vorgestellt. Sie kommt zum Schluss, dass « netto null » Emissionen des globalen Energiesektors bis 2060 technisch machbar seien, wenngleich noch eine Kluft zwischen notwendigen Massnahmen und der bisherigen Politik besteht. Bisher hatte die IEA jeweils « Energietrends » extrapoliert und eine Temperaturzunahme von mindestens 2,7 Grad prognostiziert. Ausschlaggebend für den Gesinnungswandel scheinen die stagnierenden Emissionen der letzten drei Jahre zu sein, welche auf den exponentiellen Zubau Erneuerbarer und gesteigerte Effizienz zurückzuführen sind. Darin sieht die IEA 75 Prozent des Potenzials, wenngleich sie weiterhin auch auf nukleare Energie ( 6 Prozent ) und sog. « Carbon Capture & Storage » ( 14 Prozent ) setzt.

Impressum GLOBAL + erscheint viermal jährlich. Herausgeberin: Alliance Sud, Arbeitsgemeinschaft Swissaid | Fastenopfer | Brot für alle | Helvetas | Caritas | Heks E-Mail: globalplus@alliancesud.ch Website: www.alliancesud.ch Social Media Politik: www.facebook.com/alliancesud www.twitter.com/AllianceSud Social Media InfoDoc: www.facebook.com/AllianceSudDok www.twitter.com/dok_alliancesud Redaktion: Daniel Hitzig ( dh ), Kathrin Spichiger ( ks ), Andrea Rotzetter ( ar ) Tel. + 41 31 390 93 34/30 Bildredaktion: Nicole Aeby Grafik: Clerici Partner Design, Zürich Druck: s+z: gutzumdruck, Brig Auflage: 2200 Einzelpreis: Fr. 7.50, Jahresabo: Fr. 30.– Förderabo: mind. Fr. 50.– Inseratepreise/Beilagen: siehe Website Bildnachweis Titelseite: Im tunesischlibyschen Grenzort Ras Ajdir wehren sich gestrandete ägyptische Wanderarbeiter gegen ihre Abschiebung nach Libyen, wo Bürgerkrieg herrscht. © Panos / Carlos Spottorno Die nächste Ausgabe von GLOBAL + erscheint Anfang Oktober 2017.

2

GLOBAL + SOMMER 2017

Alliance Sud auf einen Blick Präsidium Caroline Morel, Geschäftsleiterin Swissaid Geschäftsstelle Mark Herkenrath ( Geschäftsleiter ) Kathrin Spichiger, Andrea Rotzetter Monbijoustrasse 31, Postfach, 3001 Bern Tel. + 41 31 390 93 30 Fax + 41 31 390 93 31 E-Mail : mail@alliancesud.ch Entwicklungspolitik – Agenda 2030 Sara Frey, Tel. + 41 76 388 93 31 sara.frey@alliancesud.ch – Entwicklungszusammenarbeit Eva Schmassmann, Tel. + 41 31 390 93 40 eva.schmassmann@alliancesud.ch – Steuer- und Finanzpolitik Dominik Gross, Tel. + 41 31 390 93 35 dominik.gross@alliancesud.ch – Klima und Umwelt Jürg Staudenmann, Tel. + 41 31 390 93 32 juerg.staudenmann@alliancesud.ch – Handel und Investitionen Isolda Agazzi, Tel. + 41 21 612 00 97 isolda.agazzi@alliancesud.ch

– Unternehmen und Menschenrechte Laurent Matile, Tel. + 41 21 612 00 98 laurent.matile@alliancesud.ch – Medien und Kommunikation Daniel Hitzig, Tel. + 41 31 390 93 34 daniel.hitzig@alliancesud.ch Regionalstelle Lausanne Isolda Agazzi / Laurent Matile Tel. + 41 21 612 00 95 / Fax + 41 21 612 00 99 lausanne@alliancesud.ch Regionalstelle Lugano Lavinia Sommaruga Tel. + 41 91 967 33 66 / Fax + 41 91 966 02 46 lugano@alliancesud.ch InfoDoc Bern Dagmar Aközel-Bussmann / Emanuel Zeiter Tel. + 41 31 390 93 37 dokumentation@alliancesud.ch Lausanne Pierre Flatt / Nicolas Bugnon / Cécile Mégard / Amélie Vallotton Preisig Tel. + 41 21 612 00 86 documentation@alliancesud.ch


Foto : © Daniel Rihs

Retten Konzerne die Welt ?

Aus dem Inhalt Prevention of Violent Extremism Didier Burkhalters neues Steckenpferd

6

Entwicklungsausgaben Geld bleibt hier für Asyl

7

Unternehmen und Menschenrechte Eine Lektion aus London

8

Uno-Jahr zu nachhaltigem Tourismus Vorwärts in die falsche Richtung Foto : © Fabian Stamm

4

Auslandsinvestitionen 10 Der Iran als Test für die Schweiz

Klimafinanzierung 12 Bundesrat produziert heisse Luft

Multinationale Konzerne investierten seit 2010 durchschnittlich mehr als 600 Milliarden Dollar pro Jahr in Geschäftsaktivitäten in Entwicklungsländern – Tendenz steigend. Zugenommen haben nicht nur ihre Direktinvestitionen in China, Indien oder Südafrika, sondern auch jene in den ärmeren Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas. Sie übersteigen klar die Ausgaben der Industrieländer für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit in diesen Ländern. Heute versichern diese Konzerne, dass sie sich bei ihren Investitionen in Entwicklungsländern freiwillig an Kriterien der sozialen und ökologischen Unternehmensverantwortung orientieren. Und nicht wenige inszenieren sich als Vorreiter bei der Umsetzung der Uno-Agenda 2030 für die nachhaltige Entwicklung. Hinter diesen Versprechen stecken oft nur Marketingüberlegungen, manchmal aber auch die Erkenntnis, dass nachhaltige Entwicklung letztlich alternativlos ist. Sind multinationale Konzerne also die neue Speerspitze der Entwicklungszusammenarbeit ? Die Antwort : leider nein. Zwar können multinationale Konzerne tatsächlich dazu beitragen, dass in Entwicklungsländern neue Arbeitsplätze und Lebensperspektiven entstehen. Oder dass sich umweltfreundliche Technologien verbreiten. Oft genug drängen sie aber schwächere lokale Betriebe aus dem Markt und ersetzen einheimische Arbeitskräfte durch importierte Maschinen. Gleichzeitig nutzen sie ihren politischen Einfluss, um sich privilegierten Zugang zu öffentlich finanzierter Infrastruktur zu verschaffen. Vor allem aber schaffen zu viele ihre Gewinne immer noch ins steuergünstige Ausland. Trotzdem setzen die Entwicklungsagenturen der Industrieländer mehr denn je auf Partnerschaften mit solchen Unternehmen. Sie wollen private Investitionen in Richtung Entwicklungsländer mobilisieren, indem sie deren Risiken absichern. Bevorzugte Partner sind oft die Konzerne des eigenen Landes. Will heissen : Öffentliche Entwicklungsgelder und die Expertise staatlicher Entwicklungsfachleute werden eingesetzt, um die Investitionen von privaten Grossunternehmen des Geberlandes risikoärmer und lukrativer zu machen. Für diese neue Strategie gibt es zwei Gründe. Da ist einerseits die Hoffnung, dass tatsächlich mehr entwicklungsfördernde Investitionen in ärmere Länder fliessen. Andererseits geht es darum, Budgetkürzungen zu kaschieren. Wenn die Industrieländer mit ihren schrumpfenden staatlichen Entwicklungsausgaben mehr private Investitionsflüsse erzeugen, hat das einen strategischen Effekt : Es fällt weniger auf, wie weit sie sich vom Ziel entfernen, 0,7 Prozent ihres Nationaleinkommens in die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit zu investieren. Ob und wie der tatsächliche Entwicklungsnutzen von Partnerschaften mit dem Privatsektor gemessen werden soll, ist offen. Auch bei der Finanzierung von Schutzmassnahmen gegen den Klimawandel soll der Privatsektor vorangehen. Doch mit Schutzdämmen – um nur ein Beispiel von vielen zu nennen – wird sich nie eine Rendite erwirtschaften lassen. Dennoch setzt der Bundesrat in seinem jüngsten Bericht zur internationalen Klimafinanzierung der Schweiz weitestgehend auf private Beiträge. Nur hat er keinen Plan, wie das funktionieren soll. Sein Motto scheint : Entwicklung ist umso besser, je weniger sie die öffentliche Hand kostet. Diese zynische Haltung verkennt die Fakten. Mark Herkenrath, Geschäftsleiter von Alliance Sud

GLOBAL + SOMMER 2017

3


Foto : © Panos / Petrut Calinescu

Makoko ist eine illegal gebaute Siedlung in der Lagune von Lagos, Nigeria, wo der Staat keine öffentlichen Schulen betreibt. Im Bild eine der wenigen Privatschulen für zugewanderte französischsprachige Kinder aus Benin.

Prävention gegen gewalttätigen Extremismus

Entwicklungszusammenarbeit als Sicherheitspolitik ? Nathalie Bardill 1

Zwischen Terror und Unterentwicklung gibt es einen direkten

Zusammenhang. Davon sind UN-Gremien, aber auch die offizielle Schweiz überzeugt. Auslegeordnung der akademischen Erkenntnisse.

Für den Schweizer Aussenminister gehören Entwicklungszusammenarbeit ( EZA ) und Sicherheitspolitik zusammen. Innenpolitische Sicherheitsbedenken und aussenpolitische Bedrohungslagen liessen sich kaum mehr trennen. Die Prävention gegen gewalttätigen Extremismus ( Prevention of Violent Extremism, PVE ) erachtet Didier Burkhalter daher als eine wichtige Aufgabe der EZA. Wenn die EZA Ansätze der PVE verfolge, entziehe sie terroristischen Gruppen den Nährboden. Diese EZA stärke die « Widerstandsfähigkeit von Individuen und Gemeinschaften » und unterstütze sie darin, « Kontexte so zu gestalten, dass sich Menschen nicht zu politisch oder ideologisch motivierter Gewalt hinreissen »2 liessen. So steht es im Aussenpolitischen Aktionsplan der Schweiz zu PVE. Die Angst

4

GLOBAL + SOMMER 2017

vor terroristischen Anschlägen wächst, auch bei uns. Projekte, die gewalttätigen Extremismus zu verhindern versuchen, stossen darum auf breite Unterstützung in der Bevölkerung wie auch in der Uno.3 Die Entwicklungszusammenarbeit hat zum Ziel, die globale Armut zu mindern. Bedeutet PVE, dass sie sich neu orientieren muss ? Oder trägt sie sowieso schon dazu bei, Gewalt und extremistischen Ideologien den Nährboden zu entziehen ? Inwieweit klassische Armutsbekämpfung gewalttätigen Extremismus vermindert, ist in der Forschung umstritten. Problematisch an dieser Forschung ist aber, dass sie bisher auf das ( vergleichsweise ) marginale Phänomen des transnationalen Terrorismus fokussierte. Sie vernachlässigt den Blick auf lokale,


aber breit abgestützte extremistische Bewegungen und auf die Beweggründe, sich solchen Bewegungen anzuschliessen. Die Terrorismusforschung verneint einen direkten Zusammenhang von Armut und Ungleichheit mit Gewaltakten. Forschung zu politischer Gewalt hingegen zeigt, dass hier durchaus ein Zusammenhang mit Armut und ökonomischer Marginalisierung von Minderheiten besteht. Der Zusammenhang ist dort besonders stark, wo die staatlichen Strukturen schwach sind. Ein schwacher Staat und fehlende bürgerliche Freiheiten sind nach Ansicht der Wissenschaft wichtige Faktoren für die Entstehung von politischer und extremistischer Gewalt. Schlechte Regierungsführung, fehlende staatliche Versorgung der Grundbedürfnisse ( Bildung, Gesundheit, Wohlfahrt ) sowie Diskriminierungs- und Exklusionserfahrungen von Minderheiten können unter dem Schlagwort der « Fragilität » zusammengefasst werden. Dazu gehören auch fehlende politische Partizipation und die zunehmende Repression von Andersdenkenden. Fokussiert die EZA auf diese Faktoren, erschwert sie extremistischen Gruppen die Mobilisierung von Anhängern. Sie geht damit auch gegen potenzielle Ohnmachtsgefühle vor. Frustration alleine reicht jedoch nicht aus, um gewaltbereite Gruppierungen hervorzubringen : Hier spielt auch eine Rolle, ob politische oder zivilgesellschaftliche Akteure die Gunst der Stunde nutzen und die Unzufriedenheit zu kanalisieren wissen. Viele Interventionen der EZA setzen zu Recht bei der guten Regierungsführung, der Rechtsstaatlichkeit und der politischen Partizipation an. Solche Demokratisierungsansätze bergen allerdings auch gewisse Risiken. Denn politische Transitionen können durch ihre Instabilität neue Chancen für extremistische Gruppen eröffnen und sind anfällig für politisch motivierte Gewalt. Gewalt hat vielfältige Ursachen Für die Prävention von Gewalt ist denn auch zentral, dass Menschen innerhalb ihrer Gemeinschaft eingebunden sind. Fehlen lokale Strukturen, speziell für Jugendliche auf der Suche nach Sinn und Identität, so können gewaltbereite Organisationen in die Bresche springen. Die Inklusion der Jugend wird im Schweizer Aktionsplan zu PVE auf den Zugang zu Berufsbildung und Arbeitsplätzen zugespitzt. Ein Forschungsüberblick zu Treibern von gewalttätigem Extremismus bestätigt, dass gewisse extremistische Gruppen Unterbeschäftigte und Arbeitslose rekrutieren. Er empfiehlt der EZA deshalb, die Schaffung von Arbeitsplätzen zu priorisieren, speziell in Regionen mit starken oppositionellen Strömungen und mit Fokus auf Männer im kampffähigen Alter. Während solche Interventionen sinnvoll sein können, warnt eine andere Studie aber davor, den Zusammenhang von politischer Gewalt und Arbeitslosigkeit zu hoch zu bewerten. Die Bereitschaft zu politischer Gewalt entstehe aus vielschichtigen Unrechtserfahrungen, Arbeitslosigkeit allein reiche dazu nicht aus. 4 Ein Fokus auf die Berufsbildung – in enger Verknüpfung mit der Schaffung von Arbeitsplätzen, um nicht noch weitere frustrierte Arbeitslose zu produzieren – ist trotzdem ein valabler Ansatz, um die Rekrutierungsbasis extremistischer Gruppen zu schmälern. Bildungsprogramme sind für die PVE auch deshalb sinnvoll, weil die Förderung von kritischem Denken, Toleranz und gewaltlosen Konfliktlösungsstrategien die Anziehungskraft extremistischer Ideologien verkleinert. Bildung kann allerdings auch die Sensibilität für soziale und ökonomische Ungleichheit erhöhen und die Bereitschaft

« Das Innovativste an der schweizerischen Aussenpolitik ist, dass sie nicht nur auf Interessen, sondern auch auf innere Werte baut. Unsere Interessen, also die Sicherheit und die Wohlfahrt, werden besser erreicht, wenn wir klare Werte vertreten : mehr Frieden, Menschenrechte, Demokratie, weniger Armut und eine bessere Umwelt. » 5 Bundesrat Didier Burkhalter

für einen politischen Umsturz fördern. Dies gilt aber vor allem dort, wo kaum Möglichkeiten für gemässigten Protest und politische Einflussnahme bestehen. Bildungsinterventionen allein genügen also nicht. Problematisch am PVE-Ansatz ist, dass gewalttätiger Extremismus aktuell vor allem mit dem politischen Islam in Verbindung gebracht wird. Es besteht die Gefahr, dass EZA im Zuge dieses Ansatzes ihre Interventionen auf Bevölkerungsgruppen reduziert, die aufgrund ihrer Religion pauschal verdächtigt werden. Ein allzu offenkundiger Extremismus-Fokus kann ausserdem bei der betroffenen Bevölkerung und Zivilgesellschaft auf Widerstand stossen. Er erschwert die Zusammenarbeit mit Organisationen, die regierungskritisch auftreten und von den herrschenden Eliten nur schon deshalb als extremistisch bezeichnet werden. Klar ist, dass die EZA bereits heute einen Beitrag zur Gewaltprävention leistet. Ihre Kernaufgabe – der Einsatz für eine gerechtere Verteilung von Ressourcen, für einen funktionierenden Rechtsstaat, integre Institutionen und politische Teilhabe sowie für eine starke und offene Zivilgesellschaft – mindert zugleich die Anziehungskraft gewaltbereiter Gruppen, die eine bessere Zukunft versprechen. Die EZA hat hier einen Nutzen, auch wenn sie nicht ausdrücklich unter der Fahne der PVE segelt. Allerdings ist sie auch kein Garant für die Verhinderung von Gewaltausbrüchen. Gewalt ist ein genauso komplexes Phänomen wie Entwicklung ein vielschichtiger Prozess ist. Die EZA kann einen wichtigen Beitrag für die Entwicklung und gegen die Gewalt leisten, vollständig kontrollieren kann sie beides nicht.

1 Die Historikerin Nathalie Bardill hat sich für Alliance Sud im Rahmen eines über Drittmittel finanzierten Projekts mit PVE auseinandergesetzt. 2 EDA, Aussenpolitischer Aktionsplan der Schweiz zur PVE. 2016. 3 Plan of Action to PVE, December 2015; Geneva Conference on PVE, April 2016. 4 Mercy Corps, Youth & Consequences. 2015. 5 Unternehmertag Liechtenstein, Mai 2016.

GLOBAL + SOMMER 2017

5


Asylkosten als Entwicklungsausgaben anrechnen

Der grosse Etikettenschwindel Nathalie Bardill

Auch 2016 blieb jeder fünfte Franken an

öffentlichen Entwicklungsgeldern im Inland. Die Schweiz ist damit die grösste Empfängerin ihrer eigenen Entwicklungsgelder.

Anfang April veröffentlichten das EDA und die OECD kurz nacheinander ihre neusten Zahlen zum Stand der öffentlichen Entwicklungsgelder ( aide publique au développement, APD ). Die Schweizer APD-Quote stieg – gemessen am Bruttonationaleinkommen BNE – im Jahr 2016 auf 0,54 Prozent. Dieser Anstieg verblüfft angesichts sinkender Anteile der eigentlichen Entwicklungszusammenarbeit auf 0,39 Prozent gegenüber 0,41 Prozent im Vorjahr, wie das EDA kommunizierte. Der Rückgang in der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe wurde demnach durch den steigenden Anteil an Asylkosten wettgemacht. Konkret sind 19,4 Prozent der Schweizer APD-Gelder ins Asylwesen geflossen. Alliance Sud verurteilt diese von der OECD zugelassene Anrechnungspraxis klar. Im internationalen Vergleich des Entwicklungsausschusses ( DAC ) der OECD bewegt sich die Schweizer APD-Quote weiterhin in den Top Ten. Doch darunter gibt es Länder wie beispielsweise Deutschland, die trotz hoher Asylkosten weiterhin zusätzliche Mittel für die eigentliche Entwicklungshilfe bereitstellen. In der Spitzengruppe liegen die Quoten der « genuinen Entwicklungsmittel » ( also ohne Asylkosten ) von Norwegen, Luxemburg und beinahe auch Schweden immer noch doppelt so hoch wie in der Schweiz.

Seit 1998 rechnet die Schweiz ihre Asylkosten an die APD an. Zwischen 2004 und 2013 sogar am Grosszügigsten – sie übertraf damit das zweitplatzierte Geberland fast um das Doppelte. Seither wurde die Schweiz zwar von einigen Ländern überflügelt, sie bewegt sich aber immer noch in der Spitzengruppe. Es sind hauptsächlich EU-Länder, die seit 2014 vermehrt Asylkosten anrechnen. Löbliche Ausnahme ist da Luxemburg. Auch Frankreich, das Vereinigte Königreich und Irland rechnen nur einen kleinen Prozentsatz der Asylkosten an. Der Etikettenschwindel mit der Anrechenbarkeit von Asylausgaben als APD verhindert eine echte Vergleichbarkeit der APD-Quoten der Mitgliedsländer des DAC, denn die Berechnungsmethoden der Asylkosten unterscheiden sich von Land zu Land. Das DAC hat darum 2016 einen Klärungsprozess der Methodologien eingeleitet, der im besten – aber unwahrscheinlichen – Fall dazu führen wird, dass die Anrechenbarkeit der Asylkosten eingeschränkt oder gar ganz ausgeschlossen wird. Für die Direktion für Zusammenarbeit und Entwicklung der OECD ist das Asylwesen zwar eine wichtige Aufgabe der Mitgliedsländer, trotzdem beobachtet sie die Anrechnung der Asylkosten kritisch und mahnt, dass die Mitgliedsländer deswegen ihr Engagement für langfristige Entwicklungszusammenarbeit nicht vernachlässigen sollen. 1 Ob die DAC-Mitglieder die Ansicht ihres Vorstands teilen, wird sich in diesem Klärungsprozess zeigen. Inwiefern in Zukunft Asylkosten geltend gemacht werden können, hängt auch von der Einigung auf die neue OECD-Messgrösse TOSSD ( Total Official Support for Sustainable Development ) ab, welche die gesamten Finanzflüsse in Entwicklungsländer abbilden soll und in welche Asylkosten ausgelagert werden könnten. Kann man sich nicht auf TOSSD einigen, droht, dass die APD noch zusätzlich mit entwicklungsfernen Kosten aufgebläht wird.

1 Rich Countries Criticized for Using Aid Money to Host Refugees instead of Tackling Poverty, Reuters, 26. April 2017.

Foto : © Keystone / Elisabeth Real

Gezerre um Zahlen

Kinder von syrischen Asylbewerbern spielen im Durchgangszentrum Ober Halden, Hinteregg, Kanton Zürich.

6

GLOBAL + SOMMER 2017

Die Ausgaben der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit ( aide publique au développment, APD ) sind dazu bestimmt, wirtschaftliche und soziale Entwicklungen in Empfängerländern zu fördern oder multilateralen Organisationen zuzukommen. 1970 versprachen die reichen Länder im Rahmen der Uno, 0,7 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung ( BNE ) für die Entwicklung ärmerer Länder bereitzustellen. Die APD-Quote misst, inwiefern die OECD-Länder ihrer Verantwortung gegenüber den Armen und Ärmsten dieser Welt nachkommen. Seit 1992 dürfen die Kosten für die Versorgung und Unterbringung von Asylsuchenden im Inland angerechnet werden. So notwendig und sinnvoll diese Ausgaben sind, sie tragen nichts zur Entwicklung bei und und ihre Anrechnung an die APD wird daher von Alliance Sud wie auch der OECD-Direktion für Zusammenarbeit und Entwicklung kritisiert.


Unternehmen und Menschenrechte

Das britische Parlament setzt Druck auf Laurent Matile

Auch in Grossbritannien nimmt

die Umsetzung der Uno-Leitprinzipien Fahrt auf. Ein Bericht verlangt weitgehend dasselbe wie die Konzernverantwortungs-

Das Vereinigte Königreich war 2013 das erste Land, das einen Nationalen Aktionsplan ( NAP ) zur Umsetzung der Uno-Leitprinzipien für Unternehmen und Menschenrechte verabschiedete. Drei Jahre früher als die Schweiz. Im Mai 2016 wurde der britische Plan überarbeitet und als Reaktion darauf hat das Joint Committee on Human Rights des Parlaments1 im März 2017 einen Bericht verabschiedet, der gerade auch in der Schweiz grösste Aufmerksamkeit verdient; denn die Qualität und Tiefe der Analyse sind vorbildlich.2 Sie enthält insbesondere zahlreiche wörtlich zitierte Aussagen von Unternehmensund Behördenvertretern, Statements aus der Wissenschaft und von NGOs, die ein differenziertes Gesamtbild ergeben. Zunächst verleiht der Bericht der Enttäuschung des parlamentarischen Komitees Ausdruck, wie ambitionslos die Überarbeitung des NAP im vergangenen Jahr ausgefallen sei; dabei wird vor allem das Fehlen einer grundlegenden Analyse des IstZustands ( baseline study ) moniert. Das Komitee appelliert an die Regierung, einen breiten Fächer von interessierten Parteien zu konsultieren, ambitioniertere Ziele zu entwickeln und Massnahmen zur Evaluierung dieser Ziele einzuführen. Das sind ähnliche Forderungen, die Schweizer NGOs nach der Veröffentlichung des Schweizer Aktionsplans erhoben haben. Belegt durch zahlreiche Zeugenaussagen, streicht der Bericht die spezielle Verwundbarkeit von Kindern3, von Frauen und Mädchen heraus, die alle von gewissen Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen betroffen sind. Besonders gilt das im Bergbau, in der industriell betriebenen Landwirtschaft und in der Textilindustrie. Im Zentrum stehen die Versammlungsfreiheit, Verletzungen bezüglich Gesundheit und Sicherheit, Tiefstlöhne und exzessive Arbeitszeiten, Menschenhandel, Zwangs- und Kinderarbeit. Letztere sei verbreitet in der globalen Tabakindustrie, die notabene in der Schweiz stark vertreten ist. Im öffentlichen Beschaffungswesen verlangt der Bericht die Einführung der Sorgfaltsprüfung beim Abschluss von Verträgen und den Ausschluss von Firmen von öffentlichen Aufträgen, wenn sie diese Bedingung nicht erfüllen, auch auf lokaler Ebene. Diese Forderung soll sich auch auf Exportkredite und andere Finanzanreize für Auslandsengagements erstrecken. 4 Dieser Ausschluss beträfe Unternehmen, die sich Menschenrechtsverletzungen haben zuschulden kommen lassen ; zuständig wäre ein Gericht oder der nationale OECDKontaktpunkt. Speziell deutlich wird der Bericht in seinem Abschnitt über den Zugang zur Justiz für Opfer von Menschenrechtsverletzungen. Nach der Auflistung der aktuell bestehenden Hinder-

Foto : © Keystone / Peter Schneiderl

initiative.

Demonstration « Walk for Freedom » am 15. Oktober 2016 in Bern gegen Zwangsarbeit, Menschenhandel und Sklaverei.

nisse für Betroffene und der Analyse der jüngsten Rechtsanpassungen in den USA, in Frankreich und den Niederlanden empfiehlt der Bericht die Einführung eines Gesetzes, das allen Unternehmen eine Sorgfaltsprüfungspflicht vorschreibt – diese soll sich auf Mutterfirmen, deren Töchter und die gesamte Wertschöpfungskette beziehen, um Menschenrechtsverletzungen vorzubeugen. Ein Unternehmen, das es unterlassen hat, die notwendigen Massnahmen gegen Menschenrechtsverletzungen zu treffen, müsste sich vor Zivil- und Strafgerichten verantworten, so wie es der Bribery Act 2010 vorsieht. Um straflos zu bleiben, müssten Unternehmen belegen, dass sie ihre Sorgfaltsprüfungspflicht erfüllt haben. Ein Massnahmenpaket also, das – abgesehen vom Einsatz des Strafrechts – jenem entspricht, das die Konzernverantwortungsinitiative verlangt. Der Bundesrat hat das Volksbegehren bekanntlich am 11. Januar ohne Gegenvorschlag zurückgewiesen. Hat da jemand etwas von « verpasste Chance » gesagt ?

1 House of Lords and House of Commons Joint Committee on Human Rights. Human Rights and Business 2017 : Promoting responsibility and ensuring accountability. Sixth Report of Session 2016 –172. 2 http://bit.ly/2o8EGw9 3 Laut der ILO arbeiten weltweit 168 Millionen Kinder, darunter mehr als die Hälfte in gefährlichen Berufen. 4 Das Volumen öffentlicher Märkte beläuft sich auf 1000 Mrd. Euro pro Jahr. Das entspricht durchschnittlichen 12 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ( BIP ) in den OECD-Ländern.

GLOBAL + SOMMER 2017

7


« Der Tourismus zerstört das, was er sucht, indem er es findet. » Hans Magnus Enzensberger

Qualität statt Quantität Eva Schmassmann

Das laufende Uno-Jahr des nachhaltigen Tourismus soll

einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Agenda-2030-Ziele leisten. Doch das Jahr droht als reine Tourismusförderung missbraucht zu werden.

Foto : © CCO Public Domain / Simon Steinberger

Das von der Uno-Generalversammlung zum internationalen Jahr des nachhaltigen Tourismus erklärte Jahr 2017 sollte das Bewusstsein stärken für den Beitrag des Tourismus zur Erreichung der Uno-Ziele für nachhaltige Entwicklung. Doch bei Halbzeit gibt es keine Hinweise für die notwendigen Verhaltensänderungen in Politik, der Tourismusbranche oder bei den Reisenden. Gemäss UNWTO ( UN World Tourism Organisation ) trägt der Tourismus 10 Prozent zum globalen Einkommen bei. Jede 11. Stelle ist im Tourismusbereich angesiedelt. Wird der Tourismus anders gestaltet und entwickelt, so hat er grosses Poten-

Wer erhält, wohin fliesst das Geld für touristische Dienstleistungen ? Je weniger Intermediäre wie Agenturen und Zwischenhändler mitverdienen, desto besser.

8

GLOBAL + SOMMER 2017

zial, einen signifikanten Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung zu leisten. Dies wurde bereits in der Ausarbeitung der Agenda 2030 erkannt. Drei der darin enthaltenen siebzehn Ziele für nachhaltige Entwicklung ( SDG ) beziehen sich explizit auf den Tourismus; namentlich das SDG 8 zu Arbeit in Würde, SDG 12 zu nachhaltigen Produktions- und Konsummustern sowie SDG 14 zu Meeresökosystemen. Indirekt ist der Tourismus aber noch wesentlich stärker mit der Agenda 2030 verknüpft. So braucht es in Bezug auf weitere Ziele der Agenda 2030 – von Anstellungsbedingungen ( Lohn, Weiterbildung, Frauenförderung ) über die Nutzung der Ressourcen ( Wasserver-


brauch, Umwelt- und Gewässerschutz, CO2-Emissionen, Nutzung erneuerbarer Energien ) bis zur Steuermoral – verstärkte Anstrengungen. Die bisherige Kampagne der UNWTO zum internationalen Jahr des nachhaltigen Tourismus lässt eine vertiefte Auseinandersetzung mit diesen Themen jedoch vermissen. Vielmehr ist die Rede vom Wachstumspotenzial im Tourismussektor. So wird auf den erwähnten eindrücklichen Beitrag des Tourismussektors zum Welteinkommen und im Stellenmarkt verwiesen. Und auf das weiterhin ungebremste Wachstum bei der Anzahl TouristInnen weltweit. Damit wird aber höchstens ein Beitrag des Tourismus an die wirtschaftliche Entwicklung gemessen, nicht jedoch auf die soziale oder die ökologische. Im Rahmen der Agenda 2030 müssen jedoch alle drei Ebenen dringend verbunden werden. Es muss also auch diskutiert werden, wie viele Ressourcen der Tourismus verbraucht, ob Menschenrechte respektiert werden und welche Auswirkungen er auf eine Gesellschaft und deren sozialen Zusammenhalt hat. Wer reist ? 2015 zählte die UNWTO 1,3 Milliarden internationale Touristen. Gemäss Prognosen wird dieser Wert bis 2030 auf 1,8 Milliarden steigen. Bis 2050 ist mit einer Verdoppelung zu rechnen. Gemessen an der Weltbevölkerung von rund 7,5 Milliarden scheint dies ein grosser Anteil zu sein. Diese Statistik zählt jedoch grenzüberschreitende Reisen und nicht Individuen, letztere werden also oft mehrfach gezählt. Schätzungen bezüglich Reisende gehen davon aus, dass sich höchstens 5 Prozent der Weltbevölkerung Reisen über die Landesgrenzen hinaus überhaupt leisten können. Ressourcenverbrauch im Tourismus Bei Auswirkungen des Tourismus auf die Umwelt denken heute wohl die meisten an den CO2-Ausstoss. Im Vergleich zu anderen Wirtschaftssektoren verursacht der Tourismus allerdings nur 5 Prozent der weltweiten Emissionen ( 2011 ). Doch sind gerade die Flugverkehrsemissionen – sie entsprechen 40 Prozent der dem Tourismus zugeschriebenen Emissionen – besonders klimaschädlich. Sie finden in einer Höhe statt, wo sie den Treibhausgaseffekt wesentlich stärker beeinflussen als Emissionen an der Erdoberfläche. Hinzu kommt, dass sich die Emissionen trotz Effizienzsteigerungen im Transportwesen bis 2040 verdoppeln werden. Der Anstieg bei der Anzahl Reisenden übersteigt die Effizienzgewinne also bei Weitem. Der Ressourcenverbrauch im Tourismus ist aber auch in anderen Bereichen enorm. Problematisch ist insbesondere der Wasserverbrauch. Wobei das Luxushotel mit Wellnessanlage natürlich wesentlich stärker zu Buche schlägt als die kleine Pension ohne Swimmingpool. So wird der Wasserverbrauch im Tourismus zwischen 94 und 3300 Litern pro Person und Tag beziffert. Prognosen gehen von einer Verdoppelung des Wasserverbrauchs bis 2050 aus. Zum Vergleich : Der durchschnittliche Wasserverbrauch in der Schweiz liegt bei ca. 170 Litern. Oft unterschätzt wird der Landverbrauch. Tourismus ist auf Infrastruktur wie Flughäfen, Strassen, Hotelanlagen, Skigebiete, Golfplätze und anderes angewiesen. Für die Nahrungsmittelproduktion und insbesondere die Abfallentsorgung braucht es zusätzlich Boden. In Gegenden mit hohem Touristenaufkommen reichen für die lokale Bevölkerung gebaute Deponien nicht aus. Beim Landverbrauch gehen Prognosen von

einer Verdoppelung bereits bis 2040 aus, bis 2050 wird sogar mit einer Verdreifachung gerechnet. Wer profitiert ? Und wer trägt die Kosten ? Die Nutzniesser des Tourismus können relativ einfach identifiziert werden : Werden Nahrungsmittel auf lokalen Märkten gekauft ? Werden Angestellte auf dem lokalen Arbeitsmarkt rekrutiert ? Zu welchen Bedingungen ? Erhalten sie Weiterbildung und Zugang zu Stellen im oberen Management ? Wo werden die Steuern bezahlt ? Gehört der Tourismusanbieter zu einem internationalen Konsortium mit Sitz in einer Steueroase ? Für den Touristen und die Touristin sind die Informationen zwar nicht immer gleich gut zugänglich, doch nachfragen kostet nichts. Eine umfassende Analyse der Kosten ist meist schwieriger. Klar ist jedoch, dass viele Kosten von der lokalen Bevölkerung getragen werden ; Infrastruktur wird von den lokalen Steuerzahlenden finanziert. Deshalb ist es unerlässlich, dass die Tourismusanbieter auch vor Ort ihre Steuern entrichten. Anfallende Gesundheitskosten durch Luftverschmutzung und Lärmbelastung sind schwer zu beziffern. Auch sie werden aber von der Allgemeinheit getragen. Recherchen zu den Panama Papers haben ergeben, dass zahlreiche Tourismusanbieter ihre Geschäfte über Steueroasen abwickeln. Sie profitieren von einer vom Staat finanzierten Infrastruktur, ausgebildeten Arbeitskräften und Nationalparks, verweigern dem gleichen Staat jedoch einen fairen Anteil am Gewinn, den sie daraus erwirtschaften. Nachhaltig geht anders. Tourismus steht auch regelmässig in der Kritik von Menschenrechtsorganisationen. Über Land- oder Oceangrabbing werden lokale Gemeinschaften enteignet. Nachhaltiger Tourismus muss aber Perspektiven auch für AnwohnerInnen schaffen. Im internationalen Jahr des nachhaltigen Tourismus gehört entsprechend auch der Respekt für Menschenrechte und Kinderrechte – Stichwort Kinderprostitution – auf die internationale Agenda. Zum einen braucht es rechtliche Rahmenbedingungen, welche die Tourismusanbieter in die Pflicht nehmen. Ebenso wichtig sind jedoch wir selbst, wir alle : Als verantwortungsvolle Reisende, die Fragen stellen bezüglich Umweltschutz, Arbeitsrechte und lokale Produkte.

Veranstaltungsreihe Alliance Sud InfoDoc widmet dem Thema Tourismus und Entwicklung 2017 eine Veranstaltungsreihe. Weiterführende Artikel und Links zum Thema finden sich auf der Website www.fairunterwegs.ch des Arbeitskreises für Tourismus und Entwicklung, Info-Grafiken zum Tourismus gibt es online bei www.welt-sichten.org.

GLOBAL + SOMMER 2017

9


Handel, Unternehmen, Menschenrechte

Iran : Investieren mit Verantwortung – geht das? Isolda Agazzi

Unternehmen müssen die Menschenrechte respektieren, auch

bei Investitionen im Ausland. Welche Rolle soll die Schweiz bei der Erschliessung des Investoren-Eldorados Iran spielen ? Nach dem 2015 in Lausanne unterzeichneten Atomabkommen mit dem Iran gaben sich in Teheran westliche Wirtschaftsdelegationen die Klinke in die Hand, auch aus der Schweiz. Zwar ist aus schnellen Geschäften nichts geworden, doch mit der Wiederwahl des Reformers Hassan Rohani zum Präsidenten lebt deren Hoffnung – und die der iranischen Mehrheit – weiter. Ein Land mit enormen, kaum ausgebeuteten Rohstoffvorkommen und 80 Millionen gut ausgebildeten EinwohnerInnen ist ein vielversprechender Markt. 2016 betrug das Schweizer Handelsvolumen mit dem Iran 517 Mio. Franken, Exporten von 496 Mio. standen Importe von 21 Mio. gegenüber. Doch Schweizer Unternehmen, namentlich die Banken, bleiben mit Investitionen im Land der Mullahs zurückhaltend. Der Grund : Die USA zögern weiterhin, ihre Sanktionen gegenüber dem Iran aufzuheben. So beteuern Credit Suisse und UBS bis heute, keine Geschäftsverbindungen mit Iran zu unterhalten. Andererseits hat Vitol1, der in der Schweiz domizilierte grösste Erdölhändler der Welt, im Januar 2017 der National Iranian Oil 1 Mrd. US-Dollar in Euro2 geliehen. Als Sicherheit dienen zukünftige Exporte raffinierter Erdölprodukte. Menschen- und Arbeitsrechte, Umweltstandards Vorauszuschicken ist, dass die meisten ausländischen Investitionen den Zielen nachhaltiger Entwicklung zuwiderlaufen, denn sie gehen in die Erdöl- bzw. Erdgas-Ausbeutung. Und VertreterInnen iranischer Minderheiten weisen darauf hin, dass Investitionen das herrschende Regime stärkten statt der lokalen Bevölkerung zugute zu kommen. Bei einem Besuch des Parlaments in Bern verlangten sie, auf Investitionen im Iran ganz zu verzichten oder zumindest auf die Einhaltung von Menschen- und Arbeitsrechten bzw. die Einhaltung von Umweltstandards zu pochen. Das ist sehr viel leichter gesagt als getan, denn die Herausforderungen sind gewaltig : • Die Privatsphäre im Internet ist im Iran kaum geschützt. Die Sicherheit aller, die professionell mit Informatik zu tun haben, ist latent gefährdet. • Kinderarbeit ist weit verbreitet, geschätzte 3 Millionen Kinder sind davon betroffen. • Sexuelle Belästigung wird kaum verfolgt, ist aber in der Arbeitswelt stark verbreitet. • Die Arbeitssicherheit ist prekär. Gemäss der iranischen Organisation für Rechtsmedizin sind von Mai bis Juli 2015 650 Menschen bei Arbeitsunfällen getötet worden, 10 109 wurden verletzt, und die Dunkelziffer liegt mögli-

10

GLOBAL + SOMMER 2017


Foto : © Fabian Stamm

cherweise noch sehr viel höher. ArbeitnehmerInnen im Iran, die sich weigern, unter gefährlichen Bedingungen zu arbeiten, geniessen keinen rechtlichen Schutz. Tödliche Arbeitsunfälle ereignen sich im Iran achtmal häufiger als im globalen Durchschnitt. • Beunruhigend ist auch das Ausmass der Diskriminierung am Arbeitsplatz. Das Gozinesh-Gesetz verbietet Frauen, religiösen und ethnischen Minderheiten, aber auch Regimegegnern den Zugang zu gewissen Berufen. Von den drei Millionen nach Iran geflüchteten AfghanInnen sind zwei Drittel illegal im Land und werden dementsprechend ausgebeutet und diskriminiert. • Die Hälfte der iranischen Bevölkerung gehört einer Minderheit an, die diskriminiert wird. So ist zum Beispiel in den kurdischen Gebieten die Arbeitslosigkeit höher, der Lebensstandard tiefer und der Zugang zur Bildung eingeschränkt, Infrastruktur und Grundversorgung sind ungenügend. Ausländische Investitionen konzentrieren sich auf Teheran – dabei wäre es wichtig, mit vereinbarten Quoten auch in den von Minderheiten bewohnten Regionen Arbeit zu schaffen. • Die Korruption ist stark verbreitet. Das Land liegt im Index von Transparency International ( 2016 ) auf Rang 131 von 176 erfassten Ländern. • Gewerkschaftsrechte werden nicht respektiert, die unabhängige Vertretung von ArbeitnehmerInnen ist verboten. Es gibt kein Gesetz, das diese vor Missbrauch, Diskriminierung oder Belästigung schützt. ArbeiterInnen geniessen keinen Kündigungsschutz, kein Streikrecht. Wer die Arbeit niederlegt, riskiert Peitschenhiebe. Gewerkschaftsführer gelten als Staatsfeinde und werden immer wieder ins Gefängnis gesteckt. • Der Rechtsstaat ist schwach, es gibt willkürliche Verhaftungen, weder Meinungsäusserungs- noch Versamm-

Überall in Teheran prangen riesige Wandbilder des international bekannten Künstlers Mehdi Ghadyanloo an den Fassaden : Paradiesische Idyllen, Märtyrerkitsch- und surreale Motive, die das « Amt für Stadtverschönerung » in Auftrag gibt, sollen den Russ an den Häuser fassaden verdecken.

lungsfreiheit sind garantiert. Die Justiz ist nicht unabhängig. • Bei staatlichen Prestige-Projekten kommt es zu illegalen Enteignungen und erzwungenen Räumungen. • Die Umwelt ist stark gefährdet. Laut Issan Kalantari, einem früheren Landwirtschaftsminister, steuert der Iran wegen der zunehmenden Wasserknappheit auf eine ökologische Katastrophe zu. Luftverschmutzung und Versteppung sind weitere Probleme, die durch ausländische Investitionen sogar noch zunehmen könnten. • Schliesslich kann es ausgesprochen schwierig sein, verlässliche Geschäftspartner zu finden, denn die Führungsstrukturen im Iran sind undurchsichtig, und einzelne Ansprechpartner können noch mit Sanktionen belegt sein. Verantwortung der Schweiz Eine prekäre Situation also, an der das religiöse Establishment, das im Iran die entscheidenden Fäden in der Hand hält, nichts Wesentliches zu ändern bereit scheint. Und eine Zivilgesellschaft, die Veränderungen hör- und sichtbar einfordert, tolerieren die Mullahs nicht. Unter diesen Umständen müssen die Herkunftsländer von Investoren eine besondere Verantwortung einfordern, so verlangen es die Uno-Leitprinzipien für Unternehmen und Menschenrechte. In seinem Nationalen Aktionsplan ( NAP ) vom 9. Dezember 2016 zur Umsetzung dieser Leitprinzipien unterstreicht der Bundesrat, dass er von den Unternehmen die Einhaltung der Menschenrechte nicht nur in der Schweiz verlangt, sondern überall, wo sie aktiv sind. Doch im NAP steht nichts darüber, mit welchen konkreten Massnahmen der Bundesrat sicherstellen will, dass die betroffenen Unternehmen ihre Verantwortung auch tatsächlich wahrnehmen. Alliance Sud verlangt, dass der Bundesrat mit verbindlichen Massnahmen sicherstellt, dass Schweizer Unternehmen die Menschenrechte und Umweltstandards vollumfänglich einhalten, namentlich durch die Verankerung des Prinzips der Sorgfaltsprüfung, das sich in drei Etappen gliedert : 1. Identifizieren, ob Menschenrechte verletzt werden könnten ; 2. Vorbeugende und korrigierende Massnahmen treffen ; 3. Bericht erstatten . Der Bundesrat sollte in erster Linie die Schweizer Unternehmen für die schwierige Menschenrechtslage im Iran sensibilisieren. In seine Dialoge mit problematischen Regimen über Meinungsäusserungsfreiheit und Todesstrafe sollte der Bundesrat auch die Fragen nach dem Umgang von Unternehmen mit den Menschenrechten aufnehmen. So wie es andere Länder bereits tun. Und schliesslich stellt sich auch die Frage, welchen Beitrag die Schweiz leistet – gerade wenn Schweizer Investoren beteiligt sind – , um die Beachtung der Menschenrechte zu fördern ; darunter namentlich die internationalen Normen der Arbeitsrechte.

1 Umsatz von 152 Mrd. US-Dollar im Jahr 2016. 2 Vitol clinches $1 billion pre-finance oil deal with Iran : sources, Reuters, January 4, 2017.

GLOBAL + SOMMER 2017

11


Bericht des Bundesrates zur Klimafinanzierung

Ausser Spesen nix gewesen ! Jürg Staudenmann

Der Bundesrat hat auch nach Jahren noch keinen Plan, wie er jährlich

rund eine Milliarde Franken für internationale Klimaschutzprojekte mobilisieren will. Schlimmer noch : Er bestätigt, dass er dafür dreistellige Millionenbeträge von Deza und Seco zweckentfremden will.

Widersprüche . . . Der Bericht enttäuscht aber auch aus anderen Gründen : Einige der Schlussfolgerungen stehen in klarem Widerspruch zum analytisch soliden Mittelteil des Berichts. So wird korrekterweise darauf hingewiesen, dass gemäss Klimarahmenkonvention « die von den Industrieländern für klimarelevante Projekte zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel […] neu und zusätzlich sein » müssen. Nichtsdestotrotz will der Bundesrat « öffentliche Mittel aus bestehenden1 Quellen » verwenden und bestätigt zudem – zum ersten Mal schwarz auf weiss – , dass diese « wie bis anhin schwergewichtig aus den Rahmenkrediten für die IZA ( Deza, Seco ) […] aufzubringen » seien.2 Im Klartext : Jährliche Beiträge in dreistelliger Millionenhöhe sollen mit Mitteln aus dem schrumpfenden Entwicklungsbudget statt aus zusätzlichen Finanzquellen finanziert werden; Klimaschutzmassnahmen statt Armutsbekämpfung. – Die Begründung des Bundesrates, Klimaprojekte seien per se Entwicklungsprojekte, greift nicht nur für Alliance Sud zu kurz. Selbst der Green Climate Fund ( GCF ) lehnte kürzlich einen Projektantrag ab, weil er ihn als Entwicklungs- statt als Klimaprojekt einstufte.

12

GLOBAL + SOMMER 2017

. . . und Zweckoptimismus Der Bundesrat hofft, « einen massgeblichen Teil des von der Schweiz zu leistenden fairen Anteils ( … ) via mobilisierte private Mittel zu erbringen ». Und dies, obschon der Bericht konstatiert, dass umstritten sei, « wie private Mittel an das staatliche Finanzierungsziel von 100 Milliarden US-Dollar ab 2020 anzurechnen sind ». – Man mag die ( zweck- )optimistische Haltung des Bundesrates teilen oder nicht. Zumindest aber müsste der Bundesrat aufzeigen, wie er gedenkt, solche privaten Mittel in der Schweiz zu mobilisieren. Doch just in dieser zentralen Frage bleibt der Bericht jegliche Antwort schuldig, obschon der Bundesrat noch im Mai 2016 ( in Antwort auf die Interpellation

Foto : © Panos / Mikkel Ostergaard

Das Pariser Klimaübereinkommen verpflichtet alle OECD-Staaten gemäss ihrer Klimaverantwortung und Wirtschaftsleistung ab 2020 gemeinsam 100 Mrd. US-Dollar pro Jahr an Entwicklungsländer zu zahlen. Alliance Sud weist seit Jahren darauf hin, dass der angemessene Anteil der Schweiz rund 1 Prozent beträgt. In weniger als drei Jahren müssen also neue Finanzmittel von rund 1 Mrd. Franken pro Jahr generiert werden. Der Nationalrat verlangte deshalb 2015 ( im Postulat 15.3798 ) Auskunft darüber, « zu welchen Beiträgen an die internationale Klimafinanzierung die Schweiz ab 2020 verpflichtet werden könnte und wie diese zu finanzieren wären ». In seinem Bericht dazu vom 10. Mai 2017 spielt der Bundesrat die Beitragshöhe herunter. So veranschlagt er einen « fairen Anteil der Schweiz » auf lediglich 450 bis 600 Mio. US-Dollar pro Jahr und begründet dies mit einer « gewichteten Betrachtung » zugunsten der Emissionen innerhalb der Landesgrenzen. Damit redet der Bundesrat die Wirtschaftsstärke der Schweiz klein – wir erwirtschaften rund 1 Prozent des Einkommens der OECD-Staaten – und blendet unsere tatsächliche Verantwortung in der globalen Klimakrise aus; die Stichworte dazu lauten graue Emissionen in importierten Gütern, Flugverkehr oder Finanzplatz Schweiz.


16.3027 ) versprach, im Bericht auch « Optionen der Finanzierung […] einschliesslich verursachergerechter und innovativer Finanzierungsmöglichkeiten » darzustellen. Stattdessen will er nun nur noch nicht näher erläuterte « Instrumente » einsetzen oder « neue Partnerschaftsmodelle […], welche die Mobilisierung privater Mittel begünstigen », prüfen. Klar ist, dass private Unternehmen oder InvestorInnen nur dann in Klimaschutzmassnahmen in Entwicklungsländern investieren werden, wenn sie daraus direkten oder indirekten Nutzen ziehen können, was etwa im Bereich erneuerbare Energien mehr und mehr der Fall ist. Im Bereich dringender Klimaanpassungsmassnahmen winkt hingegen kaum ein privatwirtschaftlicher Nutzen. Deshalb unterstreicht das Pariser Klimaübereinkommen die Wichtigkeit von Mitteln der öffentlichen Hand und verlangt, die Hälfte aller Klimafinanzierungsbeiträge für Adaptationsmassnahmen zugunsten der ärmsten und klimaexponiertesten Bevölkerung der Entwicklungsländer vorzusehen. Zementierter Stillstand Alarmierend ist, dass der Bund in der Frage nach der zusätzlichen, verursachergerechten Mobilisierung öffentlicher Mittel seit 2011 keinen Schritt weitergekommen ist. Damals empfahl ein interdepartementaler Bericht verschiedene verursacherge-

Für die zentralen – und gesetzlich verankerten – Aufgaben der Armutsbekämpfung wie Bildung und Gesundheitsvorsorge, aber auch die Stärkung der Zivilgesellschaft, wird in Zukunft weniger Geld zur Verfügung stehen. Bild : Slum in Manila, Philippinen

rechte Finanzierungsoptionen zur weiteren Prüfung ; die differenzierte Auslegeordnung wurde jedoch schubladisiert. Denkbar wäre beispielsweise die zweckgebundene Verwendung ( eines Teils ) der Einnahmen aus der CO2-Abgabe; dass dies verfassungskonform ist und in der Kompetenz des Bundesrates liegt, belegte bereits ein Rechtsgutachten aus dem Jahr 2008.3 Auch ein « quasi-freiwilliger » Beitrag von privaten Unternehmen in einen Klimafonds, zum Beispiel als Gegenleistung zur ( Teil- )Befreiung von der CO2-Abgabe, wäre grundsätzlich möglich. Dieser Ansatz wäre nicht einmal neu : Der sogenannte Klimarappen könnte auf internationale Klimafinanzierungsbeiträge ausgedehnt werden. Auch könnte die bereits existierende Kompensationsvorschrift für Treibstoffimporte erhöht und die Einnahmen daraus zweckgebunden eingesetzt werden. Noch einfacher wäre die Einführung einer Kompensationspflicht oder einer Klima-Abgabe auf internationale Flüge. Auch hier liefern zahlreiche bereits existierende Lösungen aus EU-Ländern mögliche Vorlagen. Schliesslich könnte der Bundesrat auch einen fixen Grundpreis für die jährlich herausgegebenen Emissionszertifikate festlegen und die Einnahmen zweckgebunden für Klimaschutzmassnahmen in Entwicklungsländern verwenden. Fazit Statt mit konkreten Lösungen vorwärtszumachen, hofft der Bundesrat bei der internationalen Klimafinanzierung auf vage und völkerrechtlich umstrittene Zuschüsse aus dem Privatsektor. Dabei sichert er sich durch die beschränkten Mittel der IZA ab. Zeugt dies lediglich von Führungsschwäche, von Mutlosigkeit oder ist es etwa die Angst vor politischem Gegenwind in einem Parlament, das Ausgaben und Staatseingriffe vor allem dort bewilligt, wo es der eigenen Klientel zugutekommt ? Klar scheint nur, dass der 19-seitige Bericht des Bundesrates dem Auftrag der PostulantInnen der aussenpolitischen Kommission in keiner Weise gerecht wird. 1 Hervorhebungen durch den Autor. 2 « Internationale Klimafinanzierung – Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulats der aussenpolitischen Kommission des Nationalrats 15.3798 vom 2. Juli 2015 ». 3 Umbricht Rechtsanwälte, 2008 : « Rechtsgutachten über den verfassungsrechtlichen Rahmen einer Klimalenkungsabgabe des Bundes ».

Private und öffentliche Klimagelder js. Die Umlenkung von privaten Investitions- und Finanzströmen in Billionenhöhe in Richtung klimafreundliche Technologien ist zwar ein wichtiges Credo des Pariser Übereinkommens. Die vertraglich ebenfalls vereinbarten jährlichen 100 Mrd. US-Dollar an Klimafinanzierung für Entwicklungsländer stehen jedoch auf einem anderen Blatt, denn die ärmsten und vom Klimawandel am stärksten betroffenen Bevölkerungen profitieren kaum von diesen privatwirtschaftlichen Investitionen. Vor allem für Anpassungsmassnahmen in Entwicklungsländern sind aufgrund der fehlenden « Return-on-Investment »-Aussichten öffentliche Mittel notwendig.

GLOBAL + SOMMER 2017

13


Weiterbildungsangebot in Entwicklung und Zusammenarbeit Herbstsemester 2017

Planung und Monitoring von Projekten

18.09. - 22.09.

Urbanization Challenges in the 21st Century - The Role 03.10. - 06.10. of Development & Cooperation Evaluation von Projekten

10.10. - 13.10.

Tools and Techniques for Community Participation

30.10. - 03.11.

Policy Making: Institutions and Processes

06.11. - 10.11.

Wirkungsanalysen: Methoden und Anwendungen

21.11. - 24.11.

Oil, Gas, Minerals: Fueling Development or Undermining the Future?

27.11. - 01.12.

Auskunft Ăźber Zulassung und Anmeldung: www.nadel.ethz.ch


Lesezeichen

Karussell

Alltägliches gegen Afrika-Klischees

— Seit Mitte April ist der neue Fastenopfer-Geschäftsleiter Bernd Nilles im Amt. Er war zuvor Generalsekretär des internationalen Netzwerks CIDSE in Brüssel. — Neu bei Caritas sind Anette Bier als Delegierte Israel und Palästina sowie Myriam Haberecht als Programmverantwortliche ( PV ) zur Dürrekrise, Mandy Zeckra, bisher PV Syrien, leitet neu die Abteilung Humanitäre Hilfe. Neu als PV Haiti arbeitet Judith Binder. Caritas verlassen haben folgende Chefdelegierte : Peter Mc Canny ( Sudan ), Thomas Brüggemann ( Südsudan ) und Marcel Reymond ( Philippinen ) ; ausserdem die Delegierten Jonathan Brigham ( Philippinen ) und Bernd Serway ( Äthiopien/Südsudan ) sowie der PV Philippinen Sandino Rothenbücher. — Tobias Meier, langjähriger Leiter des Helvetas-FairShops, hat zu Ecos gewechselt, seine Nachfolgerin Annette Bernath war zuvor Marketingleiterin bei Tchibo. Nicole Aeby, Product Manager Print Products im FairShop, wechselt in die Bildredaktion der NZZ. Simon Ming, Online-Teamleiter bei Helvetas, wechselt zu MSF, wo er als Field Communication Manager im Einsatz sein wird. Auf ihn folgt Simone Häberli, bisher bei Ringier als Head Digital Projects tätig. Wechsel auf dem Sekretariat der Swiss Water Partnership : Soraya Kohler löst Lucien Blaser ab, Céleste Dembélé wird neuer Landesdirektor in Benin und löst Bruno Poitevin ab, der neu als Koordinator für Pakistan und Bangladesch arbeitet. Pensioniert werden Markus Ischer ( Landesdirektor Kirgistan ) und Franz Gähwiler ( Programmkoordinator Nepal/Bhutan ). — Neu im Team beim Heks sind die Finanzbuchhalterin Cécile Barny sowie Chantal Wälti in der Kommunikation in Lausanne. Das Heks verlassen haben Brigitte Berger ( HH, Philippinen ) sowie die beiden Delegierten Anita Frey ( Philippinen ) und Myriam Girardet ( Haiti ). — Wim Nellestein wechselt von der SRK-Jugendarbeit intern zur Not- und Katastrophenhilfe Schweiz. Brigitte Schutte, Senior Assistentin ebendort, hat das SRK verlassen. — Neu zu Biovision gestossen ist Jorge Tamayo, der zusammen mit Michael Bergöö – neu Leiter des Programms Schweiz – das Sustainable Development Network Switzerland aufbaut. — Bei Public Eye ist Sylvie Lang neu für die Abteilung Soft Commodities zuständig. Neu in der Administration arbeitet Baptiste Corthay. — Bei der Deza wechselt Anton Hilber, bisher Co-Leiter des Globalprogramms Klimawandel, als Berater in Klimafragen zur Weltbank nach Washington. Seine Stelle übernimmt Konrad Specker, bisher Leiter der Abteilung Institutionelle Partnerschaften. Auf ihn folgt Rahel Bösch, vorher im Kobü Phnom Penh. Die Leitung des dortigen Kobüs übernimmt Carine Salerno, die aus dem Kobü Myanmar wechselt. Sarah Koch, dipl. Mitarbeiterin im Stab Südzusammenarbeit, wechselt in die Abt. Menschliche Sicherheit des EDA, die bisher stv. Leiterin des Stabs Südzusammenarbeit Nicole Merkt wechselt ins Seco. Kuno Schläfli, bisher Leiter der Abt. Wissen, Lernen, Kultur in der Globalen Zusammenarbeit, wechselt als Berater menschliche Sicherheit ins Kobü Pristina, Walter Reithebuch, bisher stv. Leiter im Kobü Tegucigalpa, wird neu Programmbeauftragter bei der Abt. Globale Institutionen in Bern. Seine Stelle in Honduras übernimmt Chantal Felder, bisher Programmbeauftragte bei der Abt. Westbalkan der Ostzusammenarbeit. Im Kobü Havanna übernimmt neu Peter Tschumi die Leitung. Er löst Peter Sulzer ab, der als Programmbeauftragter Grosse Seen nach Bern wechselt. Martin Roch wird neu Programmbeauftragter der Abt. Südasien, die bisherige Beraterin für Menschenrechtsfragen in der Abt. Südasien, Simone Troller, wird neu Migrationsbeauftragte in der Botschaft in Amman. Ihre Stelle in Bern übernimmt Inana GöbelBösch, bisher Junior Professional Officer der Deza. Odile Inauen, bisher wiss. Mitarbeiterin des Globalprogramms Migration und Entwicklung, wird neu Stabsmitarbeiterin im Staatssekretariat des EDA. Ihre Stelle übernimmt Hans Peter Wyss, der bisher als Berater für Migrationsfragen an der Weltbank tätig war.

ez. In ihrem neuen Buch « Afrika : genauer betrachtet » zeigt Kirsten Rüther, Professorin am Institut für Afrikawissenschaften an der Universität Wien, « Perspektiven aus einem Kontinent im Umbruch » auf. Rüther verbindet in ihrer Erzählweise Geschichten aus dem Alltag mit wissenschaftlicher Reflexion und widerlegt damit gängige Klischees und Vorurteile zu Afrika. Sie schafft es, theoretisch auf Konzepte wie « Familie », « Verwandtschaft » oder « Beziehungen » einzugehen, und diese mit realitätsnahen Inhalten zu füllen, indem sie Verbindungen zu literarischen Texten, ( Reise- )Begegnungen und persönlichen Erfahrungen herstellt. Im Bewusstsein, dass es nicht möglich ist, den Kontinent als Ganzes zu fassen – schon gar nicht in einem rund 200-seitigen Buch – , geht sie episodenhaft auf Ereignisse aus den Bereichen Migration, Stadtleben, Mode, Religion oder Gesundheit ein. Die Autorin dazu : « Afrika ist komplex, darüber zu erzählen, braucht viele Geschichten. » Am Ende jedes Kapitels gibt Rüther vertiefende Literaturempfehlungen ab. Das Buch ist mit Schwarz-Weiss-Fotografien illustriert. Rüther widmet der Fotografie das eigene Kapitel « Jenseits des imperialen Blicks », in dem sie sowohl auf politische Fotografien wie auch auf Alltagsbilder eingeht. Umbruch, Kirsten Rüther, Edition Konturen, Wien/Hamburg, 2017, 207 S. Ausleihbar bei Alliance Sud InfoDoc unter der Signatur : AF/af/138

Zeitschriften-Lese ( n ) Linksregierungen in Lateinamerika ila – das Lateinamerika-Magazin – widmet seine April-Ausgabe 2017 den Linksregierungen in Lateinamerika und geht der Frage nach, inwiefern der Aufschwung der Rechtsparteien eine linke Ära beendet. Die Autorinnen und Autoren skizzieren die aktuelle Lage der Linksregierungen in Lateinamerika anhand verschiedener Themen und untersuchen, wo die Regierungen erfolgreich waren, wo nicht und was sie in der Zukunft besser machen könnten. www.ila-web.de

Flucht und Konflikt Die neuste Ausgabe ( Mai 2017 ) der Zeitschrift « W & F Wissenschaft und Frieden » beleuchtet das Thema Flucht und Migration aus verschiedenen Perspektiven : Flucht und Konflikte, Migration und Klimawandel, Fluchtursachen und Verantwortung, Flucht und Sozialpsychologie, Flucht und Solidarität, um nur einige zu nennen. Die Artikel werden von Bildern der Künstlerin Sigrun Bennemann umrahmt, die sich in ihrem Werk eingehend mit dem Thema « Flucht und Migration » beschäftigt. http://wissenschaft-und-frieden.de

Monbijoustrasse 29/31, 3011 Bern Öffnungszeiten : 13.30 – 17.30 h ( Mo – Fr ) dokumentation@alliancesud.ch, www.alliancesud.ch/dokumentation

GLOBAL + SOMMER 2017

15


Foto : © Andri Pol

Von Alliance Sud ins Bild gesetzt. In Tonga, dem Königreich im Südpazifik, ist es am Sonntag nur erlaubt zu essen, zu schlafen und zu beten. Auf der Insel landen sonntags keine Flugzeuge, Geschäfte, Bars und Cafés bleiben geschlossen, es fahren keine Taxis. An diesem Tag der Woche gibt es erst recht nichts, was die streunenden Hunde aus der Ruhe bringen könnte.

« Andri Pol ist ein Bilderzähler mit Witz, schonungslos, ohne bös zu sein », hiess es in der Laudatio für den Schweizer Fotografen des Jahres 2017. Der fotografische Autodidakt Andri Pol ( *1961 ) aus Bern machte eine Ausbildung als Zeichenlehrer an der Schule für Gestaltung in Luzern. Seit 1990 ist Pol als freischaffender Fotograf tätig, seine Fotografien wurden unter anderem in folgenden Tageszeitungen und Zeitschriften veröffentlicht : GEO, Weltwoche, Merian, NZZ am Wochenende, National Geographic Deutschland, Allegra, Das Magazin, Facts, Bilanz und andere. www.andripol.com

Zahlen und Fakten zum globalen Tourismus Quellen : FAIReisen, ILO, Weltbank

Bis zu 85 Prozent

3,5 Milliarden

20 Prozent

des Geldes, das Pauschalreisen kosten, erreichen das TourismusLand gar nicht.

Passagiere zählt die Luftfahrtbranche pro Jahr – meist mehrfach.

unter den Landesdurchschnitten liegen die Löhne im Tourismussektor.

GLOBAL + Postfach | 3001 Bern | Telefon + 41 31 390 93 30 E-Mail : globalplus@alliancesud.ch | www.facebook.com/alliancesud

www.alliancesud.ch


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.