NUMMER 53 | Frühling 2014
Globalisierung und Nord / Süd-Politik
Arbeitsgemeinschaft Swissaid | Fastenopfer | Brot für alle | Helvetas | Caritas | Heks | www.alliancesud.ch
Welche Entwicklungshilfe wirkt ? Neues Zauberwort: Global Partnership
Steuerabkommen: Haupt sache, wir profitieren
Multis und Menschen rechte: Staaten kneifen
Kurz notiert Vorbildlicher OECD-Kontaktpunkt in Norwegen me. Die Umsetzung der OECD-Leitprinzipien für Multis funktioniert in Norwegen besser als meistenorts. Die hohe Glaubwürdigkeit bestätigt ein Gutachten (peer review) über den dortigen nationalen Kontaktpunkt ( NKP ). 2011 wurde der NKP in ein regierungsunabhängiges Gremium umgewandelt, zusammengesetzt aus vier von Wirtschaft, Gewerkschaften und NGOs vorgeschlagenen Fachleuten. Das führte zu einer klaren Erhöhung der eingereichten Klagen. Das Gremium zögert auch nicht, klar festzuhalten, ob ein Unternehmen die Leitprinzipien verletzt hat oder nicht. Und schliesslich greift es auf Dritte zurück, die vor Ort recherchieren. Im Unterschied zu anderen NKP engagiert sich der norwegische auch sehr aktiv für die Einhaltung der OECDVorgaben im Privatsektor. Kurz, ein Vorbild, von dem der Schweizer NKP noch sehr weit entfernt ist. Post-2015-Agenda auf Abwegen ns. Die Post-2015-Agenda soll die Staaten auf die Menschenrechte als Kern aller Ziele verpflichten. Der jüngste Vorschlag
Impressum GLOBAL + erscheint viermal jährlich. Herausgeberin: Alliance Sud Arbeitsgemeinschaft Swissaid | Fastenopfer | Brot für alle | Helvetas | Caritas | Heks Monbijoustrasse 31, Postfach 6735, 3001 Bern Tel. 031 390 93 30, Fax 031 390 93 31 E-Mail : globalplus@alliancesud.ch www.alliancesud.ch Redaktion: Daniel Hitzig (dh), Kathrin Spichiger (ks), Tel. 031 390 93 34/30 Bildredaktion: Nicole Aeby Grafik: Clerici Partner Design, Zürich Druck: s+z: gutzumdruck, Brig Auflage: 2400 Einzelpreis: Fr. 7.50 Jahresabo: Fr. 30.– Förderabo: mind. Fr. 50.– Inseratepreise/Beilagen: auf Anfrage Bildnachweis Titelseite: Der Satkhira-Distrikt in Bangladesch wird regelmässig überflutet. Für die Böden ein Segen, für die Wirtschaft und die Bevölkerung eine Belastung. Foto: Panos / G.M.B. Akash Die nächste Ausgabe erscheint im Juni 2014.
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der Open Working Group ( OWG ) lässt aber zweifeln, ob die grosse Transformation gelingt. «Beyond 2015» und «Concord» kritisieren, dass die OWG in die Fussstapfen der Millenniumsziele ( MDG ) trete und erneut widersprüchliche Einzelziele aneinanderreihte. Aussen vor blieben die Menschenrechtsverpflichtungen von Staaten und Konzernen, die gerechte Verteilung innerhalb planetarer Grenzen sowie zwischen Einkommensgruppen und Geschlechtern, aber auch universale soziale Sicherungs systeme. Wieder setze man auf Wachstum, Industrie und herkömmliche statt erneuer bare Energieversorgung. Es fragt sich, ob das Gesamtwerk ex-post mit regulierenden Prinzipien wieder auf Kurs gebracht werden kann, wie das Insiderstimmen behaupten. Handelsliberalisierung zwischen Westafrika und EU ia. Nach zehnjährigen Verhandlungen haben sich die EU und die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ( C EDEAO ) auf ein Wirtschaftspartnerschaftsabkommen ( WPA ) geeinigt. Die EU akzeptiert, dass die 16 CEDEAO-Länder ihre Zölle in zwanzig Jahren um 75 Prozent senken statt um 80 Pro-
zent in nur zehn Jahren, wie ursprünglich gefordert. Das Abkommen soll zu einer Ausweitung des Handels im Wert von 42 Milliarden Euro pro Jahr führen. Westafrikanische NGOs sind gegen das Abkommen, sie befürchten weitere De-Industrialisierung und zunehmende Arbeitslosigkeit durch die Liberalisierung. Dienstleistungen, darunter das Bankwesen, werden ebenso liberalisiert wie die Investitionen, Patente sollen streng geschützt werden. Das WPA muss noch von beiden Seiten ratifiziert werden. Neuer Web-Auftritt der Deza dh. Was tun mit einer in Auftrag gegebenen Studie, die zu unliebsamen Resultaten kommt ? Man «veröffentlicht» sie so, dass es ( fast ) keiner merkt. So unlängst geschehen mit der Untersuchung des World Trade Ins titute ( siehe S. 9 ). Das soll in Zukunft jedoch anders werden; Alliance Sud durfte einen Blick auf die Beta-Version der neuen DezaWeb-Plattform werfen. Und siehe da : Die Seite wird aktuelle Analysen und Diskus sionsbeiträge systematisch zugänglich machen und sogar Kommentare zulassen. Wir sind gespannt und freuen uns auf lebhafte Debatten.
Alliance Sud auf einen Blick Präsidium Hugo Fasel, Direktor Caritas Schweiz Geschäftsstelle Peter Niggli (Geschäftsleiter) Kathrin Spichiger, Rosa Amelia Fierro Postfach 6735, 3001 Bern Tel. 031 390 93 30 Fax 031 390 93 31 E-Mail: mail@alliancesud.ch Entwicklungspolitik – E ntwicklungszusammenarbeit: Nina Schneider, Tel. 031 390 93 40 nina.schneider@alliancesud.ch – H andel / WTO: Isolda Agazzi / Michel Egger Tel. 021 612 00 95 lausanne@alliancesud.ch – I nternat. Finanz- und Steuerpolitik Mark Herkenrath, Tel. 031 390 93 35 mark.herkenrath@alliancesud.ch – I nternat. Umwelt- und Klimapolitik Nicole Werner, Tel. 031 390 93 32 nicole.werner@alliancesud.ch – M edien und Kommunikation Daniel Hitzig, Tel. 031 390 93 34 daniel.hitzig@alliancesud.ch
Dokumentationszentrum Bern Jris Bertschi / Emanuela Tognola / Emanuel Zeiter Tel. 031 390 93 37 dokumentation@alliancesud.ch Regionalstelle Lausanne Isolda Agazzi / Michel Egger / Frédéric Russbach Tel. 021 612 00 95 / Fax 021 612 00 99 lausanne@alliancesud.ch Dokumentationszentrum Lausanne Nicolas Bugnon / Pierre Flatt / Amélie Vallotton Preisig Tel. 021 612 00 86, doc@alliancesud.ch Regionalstelle Lugano Lavinia Sommaruga / Silvia Carton Tel. 091 967 33 66, Fax 091 966 02 46 lugano@alliancesud.ch
Daniel Rihs
Rückzug in die Wagenburg
Aus dem Inhalt 4
Staaten – Wirtschaft – Zivilgesellschaft Alle an einem Tisch in Mexiko-Stadt
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Recht auf Wiedergutmachung Hohe Hürden für Opfer aus dem Süden
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Steuerabkommen mit Süd-Ländern Peinliche Blösse des Bundesrats
Vor 24 Jahren wollte die Schweiz in den Verhandlungen mit der EU den Fünfer und das Weggli herausholen. Sie wollte vollen Zugang zum EUBinnenmarkt und die EU-Rechtsprechung mitbestimmen, ohne Mitglied zu werden oder aussenpolitische Kompetenzen an die Gemeinschafts organe abzutreten. Der zuständige Chef-Unterhändler Franz Blankart bezeichnete die Verhandlungsaufgabe als «Quadratur des Kreises». Die Schweizer Maximalposition erwies sich als illusionär. Verhandlung um Verhandlung wurde sie von den EU-Unterhändlern zerzaust, bis nichts davon übrig blieb – die diplomatische Quadratur des Kreises blieb so unlösbar wie die mathematische. Mit Gusto ritten die Gegner des schliesslich vorgeschlagenen EWR-Beitritts auf dem Scheitern der illu sionären Verhandlungswünsche des Bundesrats herum. Nach dem 9. Februar muss die Schweiz nun zum zweiten Mal die Quadratur des Kreises versuchen. Die Gewinner der Volksabstimmung beschwichtigen, die EU werde Neuverhandlungen der bilateralen Verträge zustimmen und der Schweiz künftig Bedingungen «à la carte» beziehungsweise nach Rosinenpicker-Art zugestehen. Denn die Schweiz sei für die EU ebenso wichtig wie die EU für die Schweiz, und im Notfall hätten wir auch Druckmittel wie die Gotthardsperrung oder die «Umleitung des Rheins in die Rhone», was der selbsternannte Sonderbotschafter Roger Köppel zwar für etwas «extrem» hält, aber als «Eventualität» bezeichnet. A la carte wollte seinerzeit schon Blankart den Zutritt zum Binnenmarkt aushandeln – es blieb Illusion. Nach dem EWR-Nein 1992 bestand die EU darauf, die bilateralen Verträge mit der Schweiz untereinander zu verknüpfen – kein Einzelvertrag kann herausgebrochen werden, ohne die anderen zu gefährden. Dass dem so ist, wollen die Gewinner vom 9. Februar nicht glauben. Sie geben sich Illusionen hin, die früher die Spezialität der Integrationsbefürworter waren. In dieser Selbstüber schätzung, diesem Grössenwahn ist natürlich längerfristig die Möglichkeit angelegt, den Volksentscheid zu korrigieren. Kurzfristig stärkt der Entscheid vom 9. Februar den Rückzug in die Wagenburg, der seit dem Ausbruch des Steuerstreits 2009 im Gange ist. Wesentliche Teile der politischen Kaste fühlen sich ungerechtfertigt vom Ausland angegriffen und glauben, der EU oder der Welt den schweizerischen Volkswillen diktieren zu können. Angesichts der Aufgaben der Schweiz in den anstehenden Fragen der Weltinnenpolitik – Klimavertrag, internationale Verständigung über einen Neuanlauf nachhaltiger Entwicklung – oder nur schon in der selbstgewählten Aufgabe als Konfliktvermittlerin in der OSZE ist die Wagenburg die denkbar schlechteste Ausgangsposition.
Peter Niggli, Geschäftsleiter Alliance Sud
Neue Umwelt- und Sozialstandards 10 Stellt die Weltbank die Weichen richtig ? Ökologische Landwirtschaft im Süden 12 Besser gerüstet für den Klimawandel WTO nach Bali 13 Hoffnung für das multilaterale System
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Foto: Panos / H eldur Netocny
Wassertank in einer Schule in der Provinz Ost-Singhbhum im indischen Bundesstaat Jharkand. Der Tank wurde vom Entwicklungsprogramm des Tata-Konzerns gebaut.
Ministerkonferenz zur Global Partnership for Effective Development Cooperation
Wer steuert die Entwicklung nach 2015 ? Nina Schneider Am
15. und 16. April treffen sich in Mexiko-Stadt die Regierungen
von Geber- und Empfängerstaaten mit allen relevanten Akteuren der Ent
wicklungszusammenarbeit zu einer Multistakeholder-Konferenz. An dieser Konferenz möchten sich die OECD-Geberländer als durchsetzungsfähige Umsetzungspartner für die Post-2015-Agenda präsentieren.
Noch bevor die Inhalte der Post-2015-Agenda der Uno ausdiskutiert und festgelegt sind, stellt sich die Frage, wer dereinst die Umsetzung der Ziele leiten und überwachen wird. Und nach welchen Grundsätzen ? Die Rede ist von einer «Globalen Partnerschaft», in der sich alle wichtigen Entwicklungsakteure die Verantwortung für Finanzierung und Umsetzung teilen. Gemeint ist, dass die Regierungen von Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern und ihre Parlamente, internationale Organisationen, Entwicklungsbanken und Stiftungen, VertreterInnen aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und dem Privatsektor global anstehende Krisen fortan gemeinsam lösen und damit die traditionellen Geber der Industriestaaten entlasten.
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Attraktive Versprechen, doppelte Standards Die Idee der geteilten gemeinsamen Verantwortung klingt schöner, als sie ist. Die Global Partnership for Effective Development Cooperation1 wird an der Ministerkonferenz in Mexiko eine Blaupause dessen präsentieren, was unter geteilter Verantwortung zu verstehen ist. Doch es gilt noch etliche Klippen zu umschiffen. Zwar haben sich die traditionellen OECD-Geberund die Empfängerländer in einem zehnjährigen Prozess mit Konferenzen in Paris, Accra und Busan auf Grundsätze der Zusammenarbeit verpflichtet. Diese garantieren den Entwicklungsländern – zumindest auf dem Papier – den Lead in der Gestaltung von Entwicklungsprogrammen. Parallel dazu schuf
sich die internationale Zivilgesellschaft mit den Istanbul-Prinzipien2 ein Rahmenwerk zur Stärkung entwicklungsförderlicher und gerechter internationaler Rahmenbedingungen. Es rückt Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit, den Schutz der Umwelt und die demokratische Mitsprache ins Zentrum der Entwicklungsarbeit. Angesichts der neuen internationalen Machtverhältnisse wurden zur Konferenz in Busan 2011 auch die BRICS-Staaten und finanzkräftige Akteure aus der Privatwirtschaft eingeladen. Beiden wurde die volle Mitsprache ohne Verpflichtung gewährt – mit dem zweifelhaften Ergebnis, dass nun doppelte Standards gelten, «die allen Akteuren erlauben, entlang ihrer Möglichkeiten ihre je spezifische Rolle zu spielen». Die Unternehmen haben offenbar erkannt, dass sie sich aus Eigeninteresse an der Lösung globaler Krisen beteiligen müssen. Das ändert nichts daran, dass sich die Konzerne weiterhin prioritär an der Rendite orientieren müssen. Das freiwillige Mitmachen der Wirtschaft bietet den staatlichen Gebern den willkommenen Vorwand, hinter die eingegangenen Verpflichtungen zurückzufallen. Transparenz, systematischer Einbezug von Empfängerländern und ihren Institutionen sowie die Mitsprache der Direktbetroffenen beziehungsweise Nutzniessenden drohen auf der Strecke zu bleiben. Das grosse Dilemma Grundsätzlich begrüssen die internationalen NGOs – so auch Alliance Sud – die Bestrebungen, die gemeinsam entwickelten Prinzipien3 zur Entwicklungswirksamkeit in der Post-2015-Agenda zu verankern. Gleichzeitig befürchten sie, dass die Global Partnership Unrechtsverhältnisse zementieren wird. Um das zu verhindern, müssten der Privatsektor und die Entwicklungsbanken auf dieselben Verfahren der gemeinsamen Verantwortung, auf Transparenz und die Stärkung lokaler Institutionen sowie demokratischer Mitwirkungsprozesse verpflichtet werden. Und zwar unter dem Lead der Regierungen, die international für die Realisierung von Menschen- und Umweltrechten verantwortlich sind. Das Sekretariat der Global Partnership wird seit der Konferenz in Busan 2011 von der OECD und Uno gemeinsam finanziert. Bis jetzt hat es keine überzeugende Arbeit geleistet. Der erste Fortschrittsreport über die Umsetzung der Wirksamkeitsprinzipien wird erst Mitte März, einen Monat vor der Konferenz, aufliegen. Noch immer wird um Vertretungen im Leitungsgremium gerungen – so etwa um einen zweiten Sitz für die Zivilgesellschaft, der anlässlich der Erweiterung auf 24 Mitglieder einem Gewerkschaftsvertreter zugesprochen werden soll. Auch die Arbeitsgruppen zur Weiterentwicklung und Messung der gemeinsamen Prinzipien und Indikatoren kommen kaum vom Fleck. Nur der sogenannte «New Deal» hat es geschafft, starke Indikatoren für eine zukunftsfähige Agenda zu entwickeln. Er ist ein Rahmenwerk, das erlaubt, die Wirksamkeitsprinzipien auf die Friedensförderung und die institutionelle Stärkung fragiler Staaten anzuwenden. Derweil zieren sich die Regierungen, der Zivilgesellschaft Gelder zu sprechen zur Stärkung demokratischer Mitsprache in lokalen Entwicklungsfragen. Die Verhandlungen mit dem Privatsektor bleiben vertraulich. So ist auch noch offen, ob in Mexiko die internationalen NGOs zum Thema Privatsektor ans Rednerpult gelassen werden. Matt Simonds, ein akkreditierter Beobachter der internationalen Gewerkschaftsvereinigung ITUC, bringt auf den Punkt, warum der Zug zu entgleisen droht:
«Einmal mehr ist der Einbezug der Zivilgesellschaft ein Feigenblatt. Noch ist unklar, wozu wir uns einen zweiten Sitz im Steering Board erkämpfen. Wann immer wir unsere Ideen und Konzepte vorstellen, werden wir abgeblockt. Alle unsere Inputs zur Verpflichtung des Privatsektors auf Menschen-, Arbeits- und Umweltrechte oder seinen Beitrag zur Armutsreduktion werden höflich angehört und übergangen.» Die Entwicklungsländer der G-77 sind wenig begeistert, dieser ungleichen Partnerschaft den Lead für die Post-2015-Agenda anzuvertrauen. Sie sehen in dieser Rolle eher das Development Cooperation Forum der Uno ( DCF ). 4 Anders als die Global Partnership, die vom Entwicklungsausschuss der OECD-Länder ins Leben gerufen wurde, garantiere das DCF einen gerechteren Interessenausgleich unter den Staaten. Wenn nach der Konferenz – wie es sich ankündigt – als einziges Ergebnis ein schwaches Communiqué vorliegt, dann bröckelt nicht nur ein Pfeiler, sondern das Fundament einer zukunftsfähigen Post-2015-Entwicklungsagenda. 1 www.effectivecooperation.org/ 2 www.globaleverantwortung.at/start.asp?ID=241426 3 www.alliancesud.ch/de/ep/eza/busan-bilanz-gindroz/?searchterm=None 4 www.un.org/en/ecosoc/dcf/
Public-Private Partnerships – das innovative Modell zur Lösung globaler Krisen ? ns. In den Verhandlungen zur Post-2015-Agenda präsentieren sich finanzkräftige Weltkonzerne als effiziente und unbürokratische Akteure der Entwicklungszusammenarbeit. Das freut die zunehmend kooperationsunwilligen Regierungen, die sich gerne hinter Multi-StakeholderForen verstecken. Angesichts knapper Staats kassen überlassen sie die Verantwortung für die Lösung globaler Krisen gerne dem Privatsektor. Die Legitimität und Wirkung dieser Zusammen arbeit von Regierungen, Uno-Organisationen und der Privatwirtschaft ist heftig umstritten. Denn transnationale Konzerne haben viele Krisen ( mit- ) verursacht, die sie zu lösen versprechen. Die jüngste Studie1 von Global Policy Forum, Brot für die Welt und Misereor analysiert den Einfluss transnationaler Unternehmen auf die Gestaltung internationaler Regelwerke. Sie kommt zum Schluss, dass Konzerne mit in transparenten Direktinvestitionen statt einen Beitrag an öffentliche Güter zu leisten, zunehmend die demokratische Mitsprache aushöhlen. 1 Lou Pingeot, Corporate influence in the Post-2015 process, Januar 2015, www.bit.ly/1k7NjyL
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Multis und Menschenrechte
Wenn das Recht verspottet wird Michel Egger
Wessen Rechte von einem Multi mit Füssen getreten werden, der soll Wiedergut
machung erstreiten können. Eine neue Studie zeigt, wie schwierig das für Opfer im Süden ist, wenn der Multi seinen Sitz im Norden hat. Zu hoch sind die rechtlichen und praktischen Hürden, namentlich in der Schweiz.
Die Umwelt von Tausenden wird Tag für Tag verschmutzt, ihre Gesundheit gefährdet, ihre Menschen-, Arbeits- und Gewerkschaftsrechte werden mit Füssen getreten. Die Verantwortung dafür tragen oft multinationale Gesellschaften, von denen einige ihren Konzernsitz in der Schweiz haben. Die Uno sieht zwar vor1, dass Opfer ihre Rechte einklagen und Wiedergutmachung erlangen können, mit der Umsetzung dieser Rechte und Prinzipien hapert es jedoch weltweit. In vielen Ländern fehlt es an unabhängigen und funktionierenden Rechtssystemen, die Behörden sind korrupt und / oder Komplizen der Multis. Welche Mittel und Wege etwa sollen betroffene Gemeinden in der Demokratischen Republik Kongo haben, um gegen die Gewässerverschmutzung durch Glencore vorgehen zu können ? Wer sich wehrt, riskiert überdies, verfolgt zu werden.
Fotos: Meinrad Schade
Grosse Gesetzeslücken Wenn die Opfer von Menschenrechtsverletzungen vor Ort nicht zu ihrem Recht kommen, sollten sie in jenen Ländern klagen können, wo die Muttergesellschaften ihren Sitz haben. Wie die
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diesbezüglichen Möglichkeiten in Nordamerika, der EU und der Schweiz aussehen, untersucht eine Studie2 von ICAR ( International Corporate Accountability Roundtable ) und der ECCJ ( European Coalition für Corporate Justice ), die eng mit der Schweizer Kampagne «Recht ohne Grenzen» zusammenarbeiten. Die Experten kommen zu einem klaren Schluss: «Im Allgemeinen erfüllen die Staaten ihre Pflicht nicht, den Opfern von Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen, die ausserhalb ihres Staatsgebiets operieren, effizienten Zugang zu Justiz und Wiedergutmachung zu ermöglichen.» Und sie bestätigen, was der Bundesrat in seiner Antwort auf die Interpellation Seydoux3 ( JU / SP ) ausgeführt hat: «Es gibt keine zwingenden juristischen Grundlagen, welche den Zugang zur Schweizer Justiz garantieren, wenn das Justizsystem im Ausland Lücken aufweist.» Seit Langem bieten einzig die USA mit ihrem Alien Tort Claim Act ( ATCA ) die Möglichkeit, von Multis begangene Menschenrechtsverletzungen einzuklagen. Das Gesetz erlaubt jedermann ( unabhängig von seiner / ihrer Nationalität ), die
US-Justiz anzurufen, falls internationales Recht irgendwo in der Welt verletzt wird. Seit 1980 wurden über 200 Klagen gegen Firmen eingereicht. Der Abschluss des Falls Kiobel vs. Royal Dutch Petroleum ( 2013 ) könnte das allerdings ändern. Der Supreme Court hat die Anwendbarkeit von ATCA für Fälle ausserhalb der USA stark eingeschränkt. Welche Auswirkungen dieses Urteil haben wird, ist noch offen. Verantwortungslosigkeit der Muttergesellschaften Generell treffen Opfer von Menschenrechtsverletzungen im Süden auf eine ganze Reihe von juristischen und praktischen Hürden. Das sind die wichtigsten:
1 Das «Forum non conveniens». Es erlaubt den Gerichten, Fälle unter dem Vorwand zurückzuweisen, die Klage müsse dort eingereicht werden, wo das Recht verletzt wurde. Auf dieser Basis trat die US-Justiz nach der Katastrophe von Bhopal ( 1984 ) nicht auf Klagen gegen Union Carbide ein. Diese Bestimmung gibt es weder in der EU noch in der Schweiz. Die EU schreibt sogar ausdrücklich vor, dass Zivilklagen wegen ausserterritorialen Vorfällen gegen Firmen mit Sitz in der EU akzeptiert werden müssen. Ein britisches Gericht hat dementsprechend die Klage gegen Trafigura akzeptiert. Der Rohstoffmulti wurde angeklagt, an der Verklappung von Giftmüll in der Elfenbeinküste beteiligt gewesen zu sein.
2 Der «corporate veil», die juristische Trennung von Mutterund Tochtergesellschaft in zwei verschiedene Einheiten. Diese Haftungsbeschränkung ist die Norm in den meisten Rechtssystemen, und sie wird nur in ganz aussergewöhnlichen Fällen aufgehoben. In der Schweiz ist es quasi unmöglich, diesen Schleier zu lüften. Obwohl Glencore sowohl die Kontrolle über ihre Niederlassung im Kongo hat als auch die Profite von dort einstreicht, kann die Muttergesellschaft nicht haftbar gemacht werden für die Taten ihrer Tochter. In einigen Ländern gibt es jedoch Spielraum: In den Niederlanden kann die Justiz auf Fälle eintreten, wenn die Klage gegen die Mutter- und gegen ihre Tochtergesellschaft hinlänglich verbunden ist. So verurteilte 2013 ein Zivilgericht Shell Nigeria für ökologische Schäden, die wegen des mangelhaften Schutzes von Pipelines entstanden waren. 3 Prozesshindernisse und Gerichtskosten. Sobald es, wie in der Schweiz, am Kläger liegt, Beweise zu liefern, wird ein Prozess sehr aufwendig. Dies vor allem, wenn ein Gericht Unternehmen nicht dazu verpflichten kann, wichtige Unterlagen zugänglich zu machen. Gerichtskosten sind oft exorbitant, und es ist extrem schwierig für Kläger aus dem Süden, dafür staatliche Hilfe zu erhalten. Während die niederländische Regierung die gegen Shell klagenden nigeri-
Links: Ein Lift bringt dreissig Arbeiter der Mopani Copper Mines ( MCM ) in Kitwe, Sambia, rund anderthalb Kilometer unter Tag. Der Schweizer Rohstoffkonzern Glencore ist Mehrheitsaktionär der Kupfermine, die rund 20 000 Sambier beschäftigt. Rechts: Blick in eine offene Kupfermine der Mopani Copper Mines. Die Staubwolke im Hintergrund stammt von einer Sprengung.
anischen Bauern finanziell unterstützt hatte, liessen die Schweizer Behörden die Witwe des ermordeten kolumbianischen Gewerkschafters Luciano Romero bei ihrer Klage gegen Nestlé ( 2012 ) im Regen stehen. 4 Sammelklagen. Sie sind geläufig in den USA und zulässig in einigen europäischen Ländern, namentlich in Gross britannien. In der EU steigt die Akzeptanz, dass NGOs im Namen von Opfern klagen können, wie etwa Friends of the Earth Netherlands gegen Shell in Nigeria. Anders ist es in den USA, wo Dritte direkt von Gesetzesbrüchen betroffen sein müssen. In der Schweiz gibt es weder die Möglichkeit, in Vertretung Dritter zu klagen noch Sammelklagen einzureichen. Zu Letzteren ist allerdings eine Gesetzesrevision in Arbeit. 5 Fehlender Wille bei den Behörden. Ein offenkundiges Beispiel dafür ist die Klage im Fall Romero. In 15 Monaten haben die Justizbehörden nichts unternommen, ausser das Dossier vom Kanton Zug in die Waadt zu verschieben, mit der Auflage an die Kläger notabene, die Unterlagen auf Französisch zu übersetzen. Schliesslich wurde beschlossen, gar nicht auf die Klage einzutreten. «Es ist erschütternd, dass die Schweizer Justiz nicht gewillt ist, fundierten Vorwürfen gegen Unternehmen nachzugehen», sagt Wolfgang Kaleck, Generalsekretär des European Center for Constitutional and Human Rights ( ECCHR ). Ein Rekurs beim Bundesgericht ist hängig. In all diesen Punkten braucht es Verbesserungen. «Die Staaten müssen mehr und bessere Regeln erlassen, einerseits auf gesetzlicher Ebene, andererseits durch klare politische Entscheidungen in Richtung besseren Zugang zu Rechtsmitteln», folgern ICAR und ECCJ in ihren zahlreichen Empfehlungen. In der Tat: Im Kampf gegen die Straflosigkeit von Firmen, die Menschenrechte verletzen, wird man nur etwas erreichen, wenn die Sitzstaaten ihre Verantwortung wahrnehmen. 1 Uno-Pakt über bürgerliche und politische Rechte (Pakt II, Art. 2) und Uno-Leitprinzipien zu Wirtschaft und Menschenrechten 2 The Third Pillar: Access to Judicial Remedies for Human Rights Violations by Transnational Business, 2013, www.bit.ly/19ffKao 3 www.bit.ly/1fUZg7P
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+ . . . mehr zum Thema. Das E-Dossier «Multis und Menschenrechte» umfasst ausgewählte Online-Quellen zu Corporate Social Responsibility und verlinkt mit Kampagnen, die sich für eine bessere Regulierung der Unternehmen einsetzen. www.alliancesud.ch/de/dokumentation/ e-dossiers/multis
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Steuerabkommen mit Entwicklungsländern
Finanzplatzpolitik voller Widersprüche Mark Herkenrath
Vor fünf Jahren beschloss der Bundesrat den allmählichen Abschied
vom Bankgeheimnis. Seither versucht er, in neuen Steuerabkommen Vorteile für die Schweiz unterzubringen. Wie sich diese Verträge auf die betroffenen Entwicklungsländer auswirken, ist ihm bis heute nicht klar.
Foto: KEYSTONE / Peter Schneider
Diesen Frühling ist es genau fünf Jahre her, dass sich die Schweiz von ihrem Dasein als Steuerfluchtoase zu verabschieden begann. Am 13. März 2009 versprach der Bundesrat, fortan für einen sauberen Finanzplatz zu sorgen. Insbesondere gelobte er, ausländischen Steuerbehörden zukünftig die sogenannte erweiterte Amtshilfe – also den Informationsaustausch auf Anfrage – zu gewähren. Mit der Umsetzung dieser neuen Politik hapert es allerdings immer noch. Und es mehren sich die Widersprüche.
«Die grosse Mehrheit aller Entwick lungsländer hat weiterhin keine Möglichkeit, bei der Schweiz Infor mationen über mögliche Steuer flüchtlinge einzuholen.» Heute hat die Schweiz mit 44 der insgesamt 148 Entwicklungsländer dieser Welt ein Doppelbesteuerungsabkommen. Trotzdem sehen nur gerade vier davon die erweiterte Steueramtshilfe vor. Das bedeutet, dass die grosse Mehrheit aller Entwicklungsländer weiterhin keine Möglichkeit hat, bei der Schweiz Informationen über mögliche Steuerfluchtgelder einzuholen. Bei den Industrieländern ist es hingegen nur noch eine kleine Minderheit, die keinen Anspruch auf solche Informationen hat. Im Gegensatz zu den ärmeren Ländern dürfen sie aus serdem bereits mit dem automatischen Informationsaustausch rechnen. Es geht vorwärts . .. Dass das Geschäft mit unversteuerten Vermögen aus Entwicklungsländern nicht ungehindert weitergehen darf, ist inzwischen aber auch dem Bundesrat klar. Im Februar 2014 hat er deshalb endlich eine leichte Ausdehnung der erweiterten Amtshilfe beschlossen. Neu soll der Informationsaustausch auf Anfrage einseitig auf alle bisherigen Doppelbesteuerungsabkommen ausgeweitet werden. Konkret heisst das, dass der Bundesrat rund einem Drittel aller Entwicklungsländer endlich
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Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf steht mit ihrer internationalen Steuerpolitik immer wieder im Regen.
auch ein bisschen Unterstützung im Kampf gegen die Steuerflucht gewähren will. Die betroffenen Länder sollen die erweiterte Amtshilfe erhalten, ohne mühsame Verhandlungen über die Revision des bestehenden Abkommens führen zu müssen. Besonders erfreulich an diesem Beschluss ist, dass er einen Verzicht auf Gegenforderungen bedeutet. In den letzten Jahren hat der Bundesrat die Revision bestehender Abkommen nämlich nicht nur für die Einführung einer erweiterten Amtshilfeklausel genutzt, sondern von den Abkommenspartnern gleichzeitig massive Konzessionen verlangt. Die betroffenen Länder sollten sich unter anderem bereit erklären, die Quellensteuern auf die Einkünfte schweizerischer Auslandunternehmen zu senken. Amtshilfe im Fall von Steuerhinterziehung war also nur gegen zusätzliche Steuerprivilegien für Schweizer Investoren zu haben. Damit soll nun Schluss sein. . .. oder doch nicht ? Trotzdem ist der jüngste bundesrätliche Beschluss erst ein Anfang. Ungeklärt ist, was mit den über hundert Entwicklungsländern geschehen soll, mit denen die Schweiz noch kein Doppelbesteuerungsabkommen hat. Für sie würde der Neuabschluss eines solchen Abkommens weiterhin einen beträchtlichen Verhandlungsaufwand bedeuten. Eigentlich sollte ihnen der Bundesrat deshalb rasch ein einfaches Steuerinformationsabkommen ( TIEA : Tax Information Exchange Agreement ) anbieten. Ein solches TIEA würde die erweiterte Amtshilfe regeln, aber sinnvollerweise die Quellensteuern auf die Einkünfte schweizerischer Auslandinvestoren unberührt lassen. Genau das will der Bundesrat aber nicht. Wie er in einem Bericht vom April 2012 festgehalten hat, möchte er einfache Steuerinformationsabkommen nur ganz ausgewählten Ländern anbieten. Gemeint sind Länder, die für Schweizer Auslandinvestoren sowieso uninteressant sind. Die restlichen Entwicklungsländer sollen die Steueramtshilfe weiterhin nur dann erhalten, wenn sie mit der Schweiz ein neues Doppelbesteuerungs abkommen vereinbaren. Dabei müssen sie immer noch eine Einschränkung der Quellensteuern gewärtigen. Ob sich das aus Sicht der betroffenen Länder überhaupt lohnt, ist jedoch fraglich. In einem kürzlich veröffentlichten Zusatzbericht gibt der Bundesrat zu, dass er hier auch keine klare Antwort hat. Unklare Folgen Mit dem neuen Zusatzbericht reagiert der Bundesrat auf ein Postulat der nationalrätlichen Wirtschaftskommission. Die Kommission verlangte in ihrem Vorstoss detaillierte Auskünfte darüber, wie sich Doppelbesteuerungsabkommen mit Entwicklungsländern auf deren Steuereinnahmen auswirken. Ausserdem wollte sie wissen, wie der Bundesrat die Auswirkungen tiefer Quellensteuersätze auf die Höhe der Schweizer Direkt investitionen einschätzt. Die bundesrätlichen Antworten auf das Postulat fallen ernüchternd aus. Kurz gesagt scheint der Bundesrat kaum eine Ahnung zu haben, ob Doppelbesteuerungsabkommen mit tiefen Quellensteuersätzen den betroffenen Entwicklungs ländern eher Nutzen oder Schaden zufügen. Nicht einmal die Auswirkungen auf die Schweizer Auslandinvestitionen scheint er zu kennen. Konkret hält der Bericht fest, die Folgen von Doppelbesteuerungsabkommen hingen von zahlreichen Faktoren ab. Ob tiefere Quellensteuern zu einem erhöhten Zufluss ausländischer
Investitionen führten, werde kontrovers diskutiert. Der Bundesrat könne deshalb unmöglich einschätzen, wie sich Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz auf die Steuereinnahmen und den Finanzhaushalt der betroffenen Partnerländer auswirkten. Entwicklungspolitische Ignoranz Pikant an diesem Bekenntnis zur Unwissenheit ist, dass es im Widerspruch zu all dem steht, was der Bundesrat bis anhin behauptet hat. Bisher hat er regelmässig argumentiert, Doppelbesteuerungsabkommen mit tiefen Quellensteuersätzen würden dem Partnerland auf jeden Fall mehr Schweizer Direkt investitionen bescheren. Das wiederum erhöhe die dortige Steuersubstanz und sei darum auch für Entwicklungsländer nützlich. Heute wissen wir, dass der Bundesrat für diese Behauptung keinerlei Belege hatte. Bedenklich ist aber auch ein anderes Eingeständnis. Es geht um die Frage, wann der Bundesrat ein Doppelbesteuerungsabkommen einem einfachen Informationsabkommen vorziehe. Hier lautet die Antwort, die möglichen finanziellen Auswirkungen auf das Entwicklungsland seien für diese Entscheidung «nicht ausschlaggebend». Das lässt darauf schliessen, dass der Bundesrat seine Steuerpolitik gegenüber Entwicklungsländern nahezu ausschliesslich von den Eigeninteressen der Schweiz abhängig macht. Ob ein Doppelbesteuerungsabkommen oder ein einfaches Steuerinformationsabkommen aus entwick lungspolitischer Sicht sinnvoller wäre, scheint ihn nur wenig zu kümmern.
Steuerabkommen unter der Lupe Eine Studie des renommierten World Trade Institute ( WTI, Universität Bern ) zeigt, dass Schweizer Doppelbesteuerungsabkommen mit Entwicklungsländern tendenziell vor allem der Schweiz nützen. Notabene geht der Bundesrat in seinem Zusatzbericht mit keinem Wort auf die WTI-Studie ein. Pikant: Die Studie entstand im Auftrag der Deza. Schweizer Doppelbesteuerungsabkommen: Aktuelle Politik und Entwicklungsrelevanz, Elisabeth Bürgi Bonanomi, Centre for Development and Environment und World Trade Institute, Bern, 2013, www.bit.ly/1fCenEB
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+ . . . mehr zum Thema. Die Medienberichterstattung über die Schweizer Steuerpolitik gegenüber Entwicklungsländern und Doppelbesteuerungsabkommen finden Sie in unserem Pressearchiv im Dossier «Bankgeheimnis und Steuern».
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Umwelt- und Sozialstandards der Weltbank werden reformiert
Eine wichtige Weichenstellung Knud Vöcking1
Die Weltbank ist im Wandel. Aus Hilfeempfängern sind zum Teil
Konkurrenten geworden. Geblieben ist der Kampf der Zivilgesellschaft, dass es bei Entwicklungsinvestitionen mehr Mitsprache und bessere Regeln braucht. In den 80 er- und 90 er- Jahren stand die Weltbank immer wieder im Kreuzfeuer der Kritik. Grosse Infrastrukturprojekte in Brasilien, riesige Staudämme in Indien oder grossflächige Umsiedlungen in Indonesien schürten Proteste von Betroffenen und der internationalen Zivilgesellschaft. In der Folge sah sich die Weltbank gezwungen, nach und nach ein System von Umwelt- und Sozialstandards, die sogenannten Safeguards, für ihre Projektfinanzierung einzuführen. Seitdem haben sich die Kräfteverhältnisse in der Weltwirtschaft tiefgreifend gewandelt und zu einem Wettlauf um neue Möglichkeiten für Geschäfte und Investitionen geführt. Ehemalige Klienten der Weltbank wie China, Brasilien oder Indien sind zu Konkurrenten um lukrative Aufträge geworden. Jetzt hat die Weltbank eine umfassende Reform der Safeguards in Angriff genommen ( Safeguard Review ). In der gesamten Finanzwelt gelten die Standards der Weltbank als Benchmarks, an denen sich alle anderen orientieren. Darum ist der Prozess von weitreichender Bedeutung. Unbotmässige Einmischung oder sinnvolle Regeln ? Dabei gibt es in Teilen des Weltbank-Managements die Ansicht, dass die Standards schlecht fürs Geschäft seien. Sie hätten eine abschreckende Wirkung auf die Empfängerstaaten und würden die Wettbewerbsfähigkeit der Bank beeinträchtigen. Seitens der Schwellenländer wird häufig geltend gemacht, dass die Safeguards eine Einmischung in die Souveränität der Empfängerländer seien. Die internationale Zivilgesellschaft ist besorgt, dass sich im Laufe der Reform diese Ansichten durchsetzen werden und zu einer Abschwächung der Standards führen. Dabei zeigen Untersuchungen unter anderem der Internen Evaluierungsgruppe der Weltbank ( IEG )2, dass richtig und umfassend angewandte Standards Schaden von Betroffenen und der Umwelt abwenden. So finden in Infrastruktur-, Bergbau- oder Agrobusinessprojekten immer wieder Zwangsumsiedlungen statt. Laut IEGSchätzungen sind davon an jedem beliebigen Tag weltweit mindestens eine Million Menschen betroffen. Die aktuellen Zahlen dürften noch höher sein, die Bank erfasst diese jedoch nicht. Nur starke und stringent angewandte Standards können dafür sorgen, dass die Umgesiedelten nicht in noch tiefere Armut gestürzt werden. Berichte des Inspection Panel, der unabhängigen Beschwerdestelle der Weltbank, machen aber auch deutlich,
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dass es schon jetzt ein erhebliches Defizit bei der Implementierung der Safeguards gibt. Eine Verwässerung der Standards wäre jedoch fatal. Rückfall in die 90er-Jahre ? Leider gibt die neue, im Oktober 2013 verabschiedete Strategie der Weltbank Grund zur Besorgnis. In ihr wird – neben den allgemeinen Zielen zur Reduzierung der Armut bis 2030 – reichlich abgehoben auf «transformatorische Projekte» gesetzt, mit denen in Ländern und Regionen entscheidende Weichen gestellt werden sollen. Dieser Ansatz erinnert stark an die Grossprojekte, die der Auslöser für die Einführung der Umwelt- und Sozialstandards waren. Gleichzeitig sollen bürokratische Hindernisse beseitigt, Projekte zügiger genehmigt werden und das Geld entsprechend schneller fliessen. Dies geht klar zu Lasten von sorgfältiger Planung und öffentlicher Partizipation. Zudem will man auch grössere Risiken eingehen, ohne zu sagen, wer denn im Endeffekt das Risiko tragen soll. Die Bank oder die von den Projekten Betroffenen ? Seit Langem gibt es in der Bank eine «Zustimmungskultur» 3, bei der es für die Projektverantwortlichen im Management wichtiger ( und der Karriere förderlicher) ist , möglichst schnell hohe Summen auszugeben, ohne Rücksicht auf die möglichen Auswirkungen auf die Armen oder die Umwelt. Die neue Strategie wird diesen Trend eher verstärken. In ihrer aktuellen Form genügen die Umwelt- und Sozialstandards nicht für das stark gewandelte Portfolio der Weltbank. Der Anteil der reinen Projektfinanzierung ist immer weiter zurückgegangen. Finanzierungen auf der Basis von Programmen oder Politiken sowie die Geldvergabe durch Finanzintermediäre ( Staats- und Privatbanken, Investmentgesellschaften ) bestimmen einen Grossteil des Geschäfts der Weltbank. Und für diese Geschäftsbereiche gibt es nach wie vor keine Standards.
1 Knud Vöcking ist Referent für Internationale Finanzinstitutionen bei der NGO urgewald e.V. 2 IEG, Safeguards and Sustainability Policies in a Changing World, An Independent Evaluation of the World Bank Group Experience, 2010, www.bit.ly/1lF3oge 3 beschrieben in: Wapenhans W., Report on the Portfolio Management Taskforce, World Bank, 1992
Foto: Ueslei Marcelino ( Reuters)
Bau einer Pumpstation bei Cabrobo im Bundesstaat Pernambuco ( Brasilien ). Wasser aus dem Fluss São Francisco soll dereinst zur grossflächigen Bewässerung genutzt werden. Bei um strittenen Projekten im Einzugsgebiet des Flusses spielt die Weltbank seit über fünfzig Jahren eine massgebliche Rolle.
Die Forderungen der Zivilgesellschaft Die Zivilgesellschaft ist sich einig in zentralen Forderungen an die Überarbeitung der Umwelt- und Sozialstandards der Weltbank: > Es darf keine Abschwächung bestehender Standards geben. Die Harmonisierung mit Standards anderer Finanzinstitutionen hat sich immer am höchsten Standard zu orientieren. > Die Safeguards sollen für das gesamte Portfolio der Weltbank gelten, also beispielsweise auch für development policy lending oder programs for results. > In die Standards sind auch Themen wie Menschenrechte, Gender, Behinderte, Arbeitsrechte oder Klima aufzunehmen, die bislang nicht abgedeckt wurden. Ausserdem sollen die Safeguards für den gesamten Bereich öffentlicher Finanzierung voll in der Verantwortung der Weltbank bleiben. Das betrifft namentlich die beiden Unterorganisationen der Weltbank, die Internationale Bank für Wiederaufbau
und Entwicklung ( IBRD ) und die Internationale Entwicklungs organisation ( IDA ). Bei der Privatsektorfinanzierung, wie sie die beiden Weltbank-Organisationen Internationale Finanz-Corporation ( IFC ) und Multilaterale Investitions-Garantie-Agentur ( MIGA ) betreiben, hatte man sich dafür entschieden, den Klienten die Verantwortung für das Risikomanagement zu übergeben und sich lediglich auf die Rolle der Supervision zu beschränken. Die IEG kommt zum Schluss, dass dieses Modell für den öffentlichen Sektor ungeeignet sei und auch beim Privatsektor erhebliche Mängel aufweise. 4 Umwelt- und Sozialstandards sind kein Selbstzweck und erst recht kein «Gutmenschentum». Sie sind untrennbar verbunden mit der Reduzierung von Armut. Wenn sie gut umgesetzt werden, schützen sie die Umwelt, verhindern Leid und fördern die Lebensbedingungen der marginalisierten, verletzlichen und ärmsten Bevölkerungsschichten. Jede Abschwächung der Standards würde ein falsches Signal senden und Finanzen in Projekte und Programme fliessen lassen, die ihre sozialen und ökologischen Kosten ausser Acht lassen. 4 IEG, Evaluative Directions for the World Bank Group’s Safeguard and Sustainability Policies, Evaluation Brief 15, 2011, www.bit.ly/1hTh57S
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Doppelt sinnvoller Beitrag zur Ernährungssicherheit
Mit ökologischer Landwirtschaft gegen den Klimawandel Nicole Werner
Dieses Frühjahr verabschiedet der Uno-
Neben dem Extrem des Untergangs ganzer Inseln hat der fortgesetzte Klimawandel weitere dramatische Folgen. Die Wis senschaft bestätigt schon heute : Durch höhere Temperaturund Niederschlagsschwankungen werden die Ernteerträge in vielen Entwicklungsländern abnehmen. Die Ärmsten dieser Welt werden nicht nur weiterhin hungern, dursten und in der Armutsfalle gefangen bleiben, der Klimawandel macht damit auch bereits erzielte Entwicklungsfortschritte wieder zunichte.
Klimarat IPCC die Teile zwei und drei seines fünften Sachstandsberichts. Klar ist bereits jetzt : Investi-
tionen in Massnahmen zur Anpassung an den Klima wandel und zum Klimaschutz zahlen sich für
Foto : Christian Bobst / H eks
die gesamte Menschheit aus.
Gemüseanbau mit einfachsten Mitteln in der Sahelzone. In Yonoféré im Ferlo in Senegal unterhält das Heks ein Bewässerungsprojekt.
Im zweiten Teil des IPCC-Berichts1 geht es um die Auswirkungen des Klimawandels auf Mensch und Natur. Im dritten Teil, der im April in Berlin verabschiedet werden soll, stehen der Klimaschutz und dessen wirtschaftliche Implikationen im Zentrum. Der erste Teil des fünften Klimaberichts befasst sich mit den wissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels.2 Er ist seit September letzten Jahres veröffentlicht und hält unter anderem fest, dass der Meeresspiegel bis zum Jahr 2100 bei einem ungebremsten Klimawandel bis zu achtzig Zentimeter steigen wird. Mit anderen Worten : Die pazifischen Atolle Tuvalu, Kiribati und die Marshall-Inseln werden noch in diesem Jahrhundert zu einem grossen Teil überflutet, sofern nicht endlich der Ausstoss von Klimagasen sinkt. 1 www.ipcc.ch/report/ar5/#.UxMTyYXZ5Kg 2 www.ipcc.ch/report/ar5/wg1/#.UxMTgIXZ5Kg 3 Catherine Badgley, Jeremy Moghtader, Eileen Quintero, Emily Zakem, M. Jahi Chappell, Katia Avilés-Vázquez, Andrea Samulon and Ivette Perfecto (2007). Organic agriculture and the global food supply. Renewable Agriculture and Food Systems, 22, S. 86 – 1 08.
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Resilienz durch ökologische Landwirtschaft Einen erheblichen Beitrag zur Ernährungssicherheit in Entwicklungsländern kann die ökologische Landwirtschaft leisten. Forschungsergebnisse belegen, dass die Erträge in Entwicklungsländern durch biologischen Landbau um bis zu 80 Prozent über denen der konventionellen Landwirtschaft liegen.3 Schonende Bodenbearbeitung wirkt der Verdichtung von Böden entgegen. Der Boden kann dadurch mehr Wasser speichern, und die Erosion nimmt ab. Zudem bleiben mehr CO2 und Stickstoff, ein wichtiges Element zur Pflanzenernährung, im Boden gespeichert. Gerade dem durch den Klimawandel zunehmenden Hitzeund Wasserstress für Pflanzen kann mit der ökologischen, diversifizierten Landwirtschaft begegnet werden. Das Risiko von Ernteausfällen sinkt, wenn Bauern und Bäuerinnen ihre Produktion diversifizieren, indem sie verschiedene Sorten von Ackerpflanzen einsetzen, welche jeweils bei unterschiedlichen klimatischen Bedingungen den besten Ertrag liefern. Mit der Umstellung auf ökologische Landwirtschaft haben 45 000 Familien in Honduras und Guatemala ihre Getreideernte von 400 – 600 kg auf 2000 – 2500 kg pro Hektare steigern können. In Burkina Faso und Niger haben Boden- und Gewässerschutz in Trockengebieten degradiertes Land wieder fruchtbar gemacht. Doch selbst «best practices» haben ihre Grenzen. Bei einer globalen Temperaturerhöhung von mehr als zwei Grad Celsius sind die globalen Folgen unberechenbar. Armut wird entgegen den Vorgaben der Millennium-Entwicklungsziele wieder zunehmen, wenn nicht umgehend die erforderlichen Massnahmen zur Anpassung an den Klimawandel und zum Klimaschutz getroffen werden.
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+ . . . mehr zum Thema. Hintergründe zur ökologischen Landwirtschaft : www.katalog.alliancesud.ch/German/Main.htm (Suche mit dem Schlagwort Ökolandwirtschaft)
Nach der WTO-Ministerkonferenz in Bali
Leben Totgesagte länger ? Isolda Agazzi
Nach dem relativen Erfolg der Ministerkonferenz in Bali gibt es für die Welt
handelsorganisation (WTO) viel zu tun. Sie muss zehn Entscheidungen in die Praxis
umsetzen. Und die Doha-Verhandlungsrunde neu beleben, die genau besehen immer noch in den Anfängen steckt.
dauerhaft beigelegt werden kann. Im Disput um Exportsubventionen einigte man sich in Bali nur auf eine Absichtserklärung, die solcherlei Unterstützung verurteilt. Im Juni wird der WTO- Landwirtschaftsausschuss weiter darüber beraten. Schliesslich wollen die LDC wissen, wann ihre Anliegen rund um die Baumwolle, um Zölle und kontingentfreien Zugang zum Markt der Industrieländer, die in Bali nur in nicht bindender Form behandelt wurden, in die Praxis umgesetzt werden. Zudem wollen vierzehn Länder, darunter die Schweiz, die USA, die EU und China, nicht warten, bis die Doha-Runde allenfalls abgeschlossen wird, ehe über die Umwelt gesprochen wird. Ende Januar am WEF in Davos haben sie beschlossen, Verhandlungen zu einem Vertrag über die Liberalisierung von Umweltgütern und -dienstleistungen in Angriff zu nehmen. Dabei geht es unter anderem um Solarpanels und Windkraftanlagen. Die interessierten Länder decken 86 Prozent dieses Marktes ab. Dieser plurilaterale Vertrag könnte auf alle WTO-Mitglieder ausgedehnt werden, sobald 90 Prozent des Welthandels von ihm erfasst werden. Der Welthandel mit Umweltgütern umfasste im Jahr 2012 955 Milliarden Dollar, wobei teilweise noch Zölle von bis zu 35 Prozent erhoben wurden. Bis Ende Jahr will Roberto Azevedo ein Arbeitsprogramm zusammenstellen, um die Doha-Runde wieder aufzunehmen. Dabei soll die Entwicklung im Zentrum der Verhandlungen stehen; Landwirtschaft, Industrie und Dienstleistungen sollen gemeinsam verhandelt werden. An den Mitgliedsstaaten ist es zu entscheiden, ob sie – wie in Bali – auch einem zerstückelten Ansatz zustimmen wollen. Die Entwicklungsländer werden allerdings kaum dafür zu gewinnen sein.
Foto : Nir Elias ( Reuters )
Anfang Februar hat WTO-Generaldirektor Roberto Azevedo verlangt, dass die Präsidenten der Verhandlungsgruppen ihre Pläne, wie das Bali-Paket umgesetzt werden soll, vorlegen. Dieses enthält namentlich ein Abkommen über Handelserleichterungen und bringt, de facto, eine neue Segmentierung der Entwicklungsländer mit sich. Denn es sieht eine neue Art von spezieller und unterschiedlicher Behandlung der Länder des Südens vor. Geberländer haben ihre technische und finanzielle Unterstützung bekanntzugeben, bevor Entwicklungs- und die am wenigsten entwickelten Länder ( LDC ) Verpflichtungen übernehmen müssen. Beide haben die Wahl, ob sie gewisse Zusagen sofort ( Kategorie A ) oder nach einer Übergangszeit ( Kategorie B ) umsetzen wollen. Und wieder andere können zuwarten, bis sie technische und finanzielle Unterstützung erhalten haben ( Kategorie C ). Die Industrieländer dagegen müssen ihre Zusagen sofort umsetzen. Man erwartet, dass die Schwellenländer fast alle ihre Zusagen in der Kategorie A einordnen werden, wenige unter B, keine unter C. Das Abkommen tritt erst in Kraft, wenn es zwei Drittel der WTO-Mitglieder ratifiziert haben, was zwei Jahre dauern dürfte. Die WTO prognostiziert als Folge des Vertrags eine Steigerung des Welthandels gegenüber heute um 1000 Milliarden Dollar pro Jahr. Der andere Pfeiler des Bali-Pakets betrifft die Landwirtschaft. Bevor Indien die erkämpften Lager für seine Ernährungssicherheit einrichten kann, muss es bekanntgeben, in welchem Umfang es die eigene Landwirtschaft unterstützen will. Seit 2003 gab Indien keine solchen Zahlen mehr bekannt. Parallel dazu hat die WTO bis zur nächsten Ministerkonferenz im Jahr 2017 Zeit, einen Vorschlag vorzulegen, wie der Subventionsstreit
Thailand hat letztes Jahr eine überdurchschnittlich erfolgreiche Reis ernte erlebt. Im Januar 2014 lagerten in Thailand 18 Millionen Tonnen Reis, fast die Hälfte dessen, was 2012 / 13 insgesamt auf dem Weltmarkt gehandelt wurde. Im Bild : Udon Thanii .
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Neue Publikation von Alliance Sud
Licht ins Dunkel um Nahrungsmittelspekulation Daniel Hitzig Was bewirkt die Spekulation mit Derivaten auf Nahrungsmitteln ? Einig sind sich Wissenschaft und Politik nur, dass man sich uneinig ist. Unbestritten ist, dass die Nahrungsmittelspekulation in den letzten zehn Jahren um den Faktor dreiunddreissig gewachsen ist. Die Alliance-Sud-Studie «Nahrungsmittelspekulation – (k) ein Problem» kommt zum Schluss, dass die Argumente der SpekulationskritikerInnen stichhaltiger sind.
In den Jahren 2007 / 08 und 2010 / 11 haben sich Nahrungsmittel vorübergehend massiv verteuert. Mit fatalen Folgen für die Ärmsten, es kam in mehreren Ländern zu Hungerre volten. Es gibt starke Indizien dafür, dass die Preisanstiege eine Folge der Deregulierung der Finanzmärkte ab den 1990er-Jahren waren. Die USA, die EU und Japan haben reagiert und Massnahmen zur Re-Regulierung getroffen. Und die Schweiz ? Die breitere Öffentlichkeit hat kaum davon Kenntnis genommen, dass am 31. März 2014 die Vernehmlassung über ein neues Bundesgesetz über die Fi nanzmarktinfrastruktur ( FinfraG ) endet. Der
Bundesrat schlägt vor, den Handel mit De rivaten «möglichst EU-konform» zu regulieren und so zu verhindern, dass die Schweiz zur «Regulierungsoase» – mit den mittlerweile bestbekannten Reputationsrisiken – wird. Laut Schätzungen des Eidgenössischen Finanzdepartements geht es um einen Markt von 90 000 Milliarden Franken, was rund 14 Prozent des globalen Derivate geschäfts entspricht. In seinem Vorschlag kommt der Bundesrat der Branche allerdings weit entgegen, denn der ausserbörsliche, in sogenannten «Dark Pools» abgewickelte Derivatehandel soll sich weiterhin selbst regulieren dürfen. Die von Markus Mugglin im Auftrag von Alliance Sud verfasste Studie schlägt weder einen alarmistischen noch einen polemischen Ton an. Im Gegenteil: Die trotz der Komplexität der Materie gut lesbare Studie gibt einen nüchternen Überblick über den Stand der Diskussion rund um die Auswirkungen der Nahrungsmittelspekulation, international und in der Schweiz. Mit der Einreichung der Spekulationsstopp-Initiative der JungsozialistInnen wird die Diskussion darüber jetzt aus dem Dunkel ans Licht geholt. Die
32-seitige Studie von Alliance Sud gibt allen Interessierten die nötigen Grundlagen dafür in die Hand.
Lateinamerika. Thomas Hackl wird Delegierter Rumänien. Die Caritas verlassen haben Robert Moosbrugger, Programm Haiti, und Susanne Loosli, Sumatra/Philippinen, sowie Erik Lode, Chefdelegierter Pakistan. — Beim Fastenopfer koordiniert neu Daniel Hostettler die Entwicklungspolitik. François Mercier hat die Fachverantwortung Vergabeprojekte übernommen. — Von Helvetas wechselt Karin Füeg, bisher Landesdirektorin Tadschikistan, zu UN Women nach Kenia. Jacques Mérat, Berater für städtische Entwicklung, wird Projektleiter der Deza in der Mongolei. Isabelle Dauner vom Beraterteam für ländliche Entwicklung ist offen für Neues. — Nachfolgerin von Regula Walther beim Fundraising Stiftungen von Solidar ist Barbara Mangold, zuvor bei der Stiftung für Gesellschaft, Kultur und Presse. Stephan Titze, bis jetzt Länderkoordinator Pakistan, wurde mit Nicolas Karadjian ersetzt. Aline Dessarzin verstärkt das Team Humanitäre Hilfe. — Beim SRK ist Fabienne Weibel, früher Caritas, die neue Programmverantwortliche
Haiti. Von der GIZ kommt Carole Hinden, die neue Programmverantwortliche Westafrika. Ebenfalls von Caritas gewechselt hat Susanne Loosli als neue Programmverantwortliche Grundlagen und Entwicklung. Im Juni be ginnt Thomas Gass ( bisher Fairmed ) als neuer Leiter der Abteilung Grundlagen und Entwicklung. — Johanna Capeder von der Sektion Wasserinitiativen wird neu Programmbeauftragte der Deza im Kobü Taschkent. Ihre Nachfolgerin ist Nathalie Rizzotti. Lorenzo Suarez, bisher Abteilung Südasien, wird neu Programmbeauftragter in der Botschaft in Addis Abeba. Ersetzt wird er durch Christian Scherrer. Geneviève Comtesse, bisher in der Ostzusammenarbeit, wechselt ans Desk Mongolei in der Abteilung Ostasien. Ihre Nachfolgerin in der GUS heisst Erika Placella. Matthias Weingart, bisher Chef Humanitäre Hilfe im Kobü Tiflis, wird neuer Kooperationsdirektor im Kobü Islamabad. Neuer Chef Finanzen und Administration im Kobü Bamako wird JeanPaul Dietrich.
STUDIE von MarkUS MUgglIn IM aUfTrag von allIancE SUD März 2014
NahruNgsmittelspekulatioN – ( k )eiN problem ? «Commodity prices are influenced by a number of external factors, including the supply of and demand for comm odities, speculative activities by market participants, global political and economic conditions and related industry cycles and production costs in major producing countries.» Glencore Annual Report 2012, S. 22
«While it is unlikely that these investments affect long term price trends, they have most likely affected price variability.» The Worldbank, Global Economic Prospects, Commodity Markets Outlook, Volume 2, Juli 2013, S. 18
«In der Tat spielen viele Faktoren eine Rolle, und auch wir haben nicht behauptet, dass Spekulation der zentrale Faktor für die Nahrungsmittelpreisbildung ist. Auch wenn realwirtschaftliche Faktoren Vorrang haben, bedeutet das ja in keiner Weise, dass Spekulation nicht zu Preisverzerrungen beiträgt.» Offener Brief von Oxfam Deutschland an Allianz SE, 30. Oktober 2013, www.oxfam.de
Download der Studie «Nahrungsmittelspekulation – ( k )ein Problem ?»: www.bit.ly/1iwLhbY Download der Studie aufs Tablet ( Apple only ): www.bit.ly/1jB1YQF Kommentar von Peter Niggli zur Studie: www.bit.ly/1ex3aiD
Karussell — Esther Oettli, Leiterin des Heks-Auslandbereichs, ist pensioniert worden. Ihr Nachfolger ist Peter Merz, der früher für Lateinamerika zuständig war. Karin Schöpfer, Assistentin der Direktion, wechselt in die Umweltbranche. — Nach 24 Jahren tritt Werner Küng, Swissaid-GL-Mitglied und Leiter der Abteilung Information und Fundraising, in den Ruhestand. Sein Nachfolger ist Jon Andrea Florin, ehemaliger Leiter einer Werbeagentur. Pensioniert wird auch Ruedi Fischer, GL- Mitglied und Leiter der Entwicklungszusammenarbeit. Er wird durch Jeremias Blaser ersetzt, der viele Jahre für das UNDP tätig war. — Bei Brot für alle ist jetzt Julia Jawtusch zuständig für das Dossier Klima und Landwirtschaft. Sie hat biologische Landwirt- schaft studiert. Die neue Direktionsassistentin heisst Monika Boedtker. — Paul Rüegg übernimmt die Leitung der Caritas-Katastrophenhilfe von Peter Zihlmann. Neu dort sind auch Benôit Rabiller, Delegierter Haiti, und Marcel Reymond, Chef delegierter Philippinen. Noemi Grossen und Janne Christ verstärken die Abteilung Afrika/
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Lesezeichen
Blicke in die Vergangenheit Fokus liegt auf der jüngeren Geschichte der Schweiz mit ihren globalen Beziehungen und Vernetzungen sowie auf dem Engagement von SchweizerInnen gegen soziale Missstände weltweit. Innerhalb dieses Rahmens variieren die einzelnen Aufsätze sowohl zeitlich als auch geografisch. So wird beispielsweise über den Alltag eines Schweizer Ehepaars in Ruanda um 1970 berichtet, oder es wird ein Vergleich zwischen dem norwegischen und dem schweizerischen Entwicklungsdiskurs hergestellt. Der Blick zurück auf die Entwicklungsarbeit lässt vieles in der Gegenwart anders erscheinen. Der Sammelband ist für Geschichtsinteressierte und für PraktikerInnen der Entwicklungsarbeit empfehlenswert. Schweizer Geschichte(n aus) der Entwicklungs zusammenarbeit
Der wissenschaftliche Sammelband «Handlungsfeld Entwicklung. Schweizer Erwartungen und Erfahrungen in der Geschichte der Entwicklungsarbeit» befasst sich aus his torischer Perspektive mit der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Herausgegeben haben ihn die HistorikerInnen Sara Elmer, Konrad J. Kuhn und Daniel Speich Chassé. Der
> Im Dokumentationszentrum von Alliance Sud ausleihbar unter der Signatur: EU / ch / 364
EZA – ergänzende Literatur Im Dokumentationszentrum von Alliance Sud steht Ihnen ergänzende Literatur zur Geschichte der Entwicklungszusammenarbeit in der Schweiz zur Verfügung. Eine Auswahl von Titeln finden Sie unter folgendem Link: www.alliancesud.ch/de/dokumentation/downloads/bibliografie.pdf
Zeitschriften-Lese (n)
den von einem Kurzabriss zu Forschungstrends über soziale Bewegungen eingeleitet.
www.afrikakomitee.ch/Bulletin.htm
Mediale Bilder prägen Proteste Jugendliche Protestierende in Guinea und Uganda orientieren sich an medialen Bildern aus anderen Weltteilen und übernehmen entsprechende Protestformen, um mitunter ein internationales Publikum auf sich aufmerksam zu machen. Dies geht aus einem der drei Aufsätze von «Afrika-Bulletin», Februar/März 2014, hervor, die soziale Bewegungen in vier Ländern Afrikas in den Fokus nehmen. Die Texte haben einen wissenschaftlichen Hintergrund und wer-
Wirkstoffarmes gegen Armutskrankheiten Indien gilt gemeinhin als Apotheke der Armen. Ein Ruf, der im Schwerpunkt «Medikamente» von «Welt-Sichten», März 2014, Kratzer bekommt. Demnach vertreiben einige Pharmafirmen minderwertige Arzneien in Weltgegenden, wo Qualitätsmängel weniger rasch auffallen. Wegen der wirtschaftlichen Bedeutung der Pharmabranche drückt dabei die indische Arzneiaufsicht auch mal ein Auge zu. Andere Heftbeiträge widmen sich der Forschung sowie der traditionellen Medizin. Unter dem Stichwort Public-Private Partnerschaft greift ferner ein Kästchen die Zusammenarbeit der Schweiz mit der Gates-Stiftung auf. www.welt-sichten.org
Das Fachportal für die Geschichtswissenschaften der Schweiz «infoclio.ch» bietet eine Datenbank an, in der geschichtswissenschaftliche Master- und Doktorarbeiten von Schweizer Universitäten aufgeführt sind. Eine Suche nach den Schlagworten Entwicklungszusammenarbeit und Entwicklungsarbeit lohnt sich: www.infoclio.ch/de/liz_diss
EZA – historische Quellen Das Projekt «Diplomatische Dokumente der Schweiz» widmet sich der Aufarbeitung von Quellen zur Geschichte der schweizerischen Aussenbeziehungen. In den E-Dossiers zum «Beginn der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit» und zu «Die Schweiz und das Jahr Afrikas» sind Quellen als PDF-Dokumente bereitgelegt: www.dodis.ch/de/datenbank/e-dossiers
Oral History Der Verein «humem» sammelt audiovisuelle Dokumente, in denen ZeitzeugInnen über ihre Erfahrungen in der Entwicklungszusammenarbeit berichten. Für den Zugang zum grössten Schweizer Oral-History-Archiv muss ein Passwort angefordert werden: www.humem.ch
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Das Dokumentationszentrum von Alliance Sud – wo Sie mit Ihrer Informations suche richtig sind. Persönlich oder online. Monbijoustrasse 31, 4. Stock 3011 Bern Öffnungszeiten: 13.30 – 17.30 h ( Mo – Fr ) Telefon: +41 31 390 93 37 dokumentation@alliancesud.ch
www.alliancesud.ch/dokumentation www.facebook.com/AllianceSudDok www.twitter.com/dok_alliancesud
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Von Alliance Sud ins Bild gesetzt.
2,1 Mrd. Franken
Diesen Betrag gab die Schweiz 2012 effektiv für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit aus.
Mit so vielen Entwicklungsländern hat die Schweiz ein Steuerabkommen, das Informations anfragen über Steuer hinterzieher zulässt. Quellen: Alliance Sud/ Erklärung von Bern, www.admin.ch
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Postfach 6735 | 3001 Bern Telefon 031 390 93 30 E-Mail: globalplus@alliancesud.ch www.facebook.com/alliancesud
www.alliancesud.ch
Foto: Manuel Bauer
360 Mrd. Dollar
So viel unversteuertes Vermögen aus Entwicklungsländern liegt nach konser vativen Schätzungen auf Schweizer Bankkonten.
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Zahlen und Fakten zum Umgang der Schweiz mit Geld aus dem und für den Süden
Die Leute von Sam Dzong im Königreich Mustang, heute Nepal, kennen nichts weiter als ihr Dorf am Ende der Welt. Was können sie tun, wenn sie nichts mehr zu essen haben, weil sich das Klima ändert ? Weil ihr Ackerland vertrocknet, suchen die Bewohner eine neue Heimat. Auch Sangmo wird eines Tages umziehen. Doch bisher weiss niemand in Sam Dzong, woher man das Geld für das nötige Bau material nehmen soll. Der Fotograf Manuel Bauer wurde mit seinen Arbeiten aus Tibet weltbekannt. Er lebt in Winterthur und engagiert sich seit 2008 für die Bewohner von Sam Dzong. www.samdzong.org, www.himalayaschildren.ch