Outdoor Guide Sommer 2014

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CHARAKTERE Tierisch – Sarah Marquis. Kritisch – Wolf Schneider HEIMWEH Fliegenfischen in Graubünden, Bike-Cross Val Aosta FERNWEH MTB-Tour durch Island, Trekking-Tour Westkanada TESTS Mountainbikes, Wanderschuhe, Trekking-Socken HINTERGRUND Wissenswertes über Zelte und Zelten, Gruppenpsychologie TOUREN Outdoor-City Ljubljana, Bike- und Wanderparadies Surselva

CHF 15.–/Euro 8.90 www.outdoor-guide.ch

SOMMER 2014

BIKE TREKKING KANU BERGSPORT



AUFTAKT

ENTDECKERGEIST

Die Welt entdecken. Wer tut das nicht gerne? Mal ehrlich: In fast jedem von uns steckt doch ein kleiner Kolumbus, Amundsen oder Hillary. Auch die Gründung von OUTDOOR GUIDE vor elf Jahren basierte nicht zuletzt auf der Überlegung, Berge und Natur zu erkunden, die aufgespürten Plätze und erlebten Momente zu teilen oder zu neuen Abenteuern anzuregen. Schade nur, dass die grossen Entdecker schon vor uns da waren und uns so langsam die Ziele ausgehen. Aber tun sie das wirklich? Bisweilen hat es denn Anschein. Manch alpinistisches Projekt, das schlagzeilenträchtig vermarktet wird, erinnert an «Und täglich grüsst das Murmeltier». «Kommt mir doch irgendwie bekannt vor ...», denkt man sich. Die grossen Berge sind längst alle bestiegen. Was also tun? Freihändig auf alle Achttausender nacheinander kraxeln? Barfuss auf alle zweit- und dritthöchsten Gipfel? Mit Stoppuhr im Sprinter-Stil auf alle Viertausender der Alpen? Paah, war auch schon irgendwie alles da! Der Publizist und passionierte ehemalige Freizeit-Bergsteiger Wolf Schneider kritisiert im Interview in dieser Ausgabe die alpinistische Rekordsucht. Über ein Dreivierteljahrhundert hat er mittlerweile beobachtet, was in den Bergen vor sich geht. Für manches findet er harte Worte. Gleichzeitig hat er Verständnis. «Die Lust, Rekorde aufzustellen oder zu brechen, ist ein zunehmend trauriges Kapitel», sagt er. «Es gibt keinen Südpol mehr zu erobern, es gibt nichts mehr zu entdecken.» – Steckt der Alpinismus in der Sinnkrise? Betrachtet man die Berge durch die Brille des Machos oder aus immer noch gern eingenommener, alpinistisch imperialistischer Sicht, mag das zutreffen. Doch Ma-

chismo und Imperialismus scheinen Auslaufmodelle in der Welt von heute. Auch in der Bergwelt. Dabei lohnt sich gerade ein differenzierter Blick auf die harten Helden von gestern, wenn es darum geht, eine neue Sicht auf die Outdoor-Welt und neue ambitionierte Projekte zu entwickeln. Einen solch persönlichen Lernprozess vollzog auch Autor und Bike-Abenteurer Harald Philipp auf seiner Reise durch Island (Seite 38). Als er auf der Vulkaninsel landete, wollte er etwas Aussergewöhnliches leisten. Als er wieder nach Hause flog, war er einfach glücklich, es geschafft zu haben, sich auf die Landschaft wirklich eingelassen und die Erlebnisse bewusst aufgesogen zu haben – spontan und eben nicht generalstabsmässig geplant. So wie 1933 Horace Dall bei seiner Durchquerung des windig wüsten Sprengisandur Hochlandes – auf einem Fahrrad ohne Gangschaltung. In diesem Sinne: viel Spass auf den Spuren neuer und alter Entdecker, beim Erforschen dieser Ausgabe von OUTDOOR GUIDE und auf eigenen Erkundungen im gerade beginnenden Outdoor-Sommer. Die OUTDOOR GUIDE-Redaktion

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Unser Ursprung: die raue Wildnis der Coast Mountains in Kanada. Unsere Verpflichtung: unermüdlich innovativ in der Entwicklung, präzise CONCEPTION/FABRICATION ARTISANALE/PERFORMANCE in der Verarbeitung. Unser Anspruch: beste Performance genau dann, wenn sie gebraucht wird.

arcteryx.com


EINBLICK

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BLICKFANG BLICKPUNKT WORT FÜR WORT Wolf Schneider – Publizist und Ex-Bergsteiger HAUTNAH Trail-Suche: Mit dem Mountainbike durch Island HAUTNAH Rucksacktour am Mount Assiniboine in Kanada HAUTNAH Auf Singletrails und Gämsenpfaden durchs Aostatal HAUTNAH Mehr als nur Angeln – Abenteuer Fliegenfischen HAUTNAH Bergwandern: Via Alpina für Geniesser PORTRÄT Sarah Marquis: Die Extrem-Wanderin DIE ETWAS ANDERE REPORTAGE TEST Bike-Test: Adieu 26 Zoll HINTERGRUND Zelte: Was Freizeit-Nomaden wissen sollten TEST 12 leichte Wanderschuhe im Praxistest HINTERGRUND Die ideale Trekking-Socke HINTERGRUND Psychologie: Gemeinsam auf Tour OUTDOOR-CITY Ljubljana: Sport, Schlemmen und Kultur REGIO-SPEZIAL Disentis Sedrun: Touren in der Surselva TOURENVORSCHLÄGE Doppelter Gipfelspass auf Tour SEITENBLICK Lesenswertes vom Büchermarkt AUSBLICK UND IMPRESSUM

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SOMMER 2014

BIKE TREKKING KANU BERGSPORT

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FOTOS TITELSEITE Dan Patitucci, Scott Sports / Markus Greber


BLICKFANG

Himmelfahrt Nicht nur für Kletterer sind die Dolomiten ein imposantes Ziel. Kraft und Ausdauer sind nötig, um sich zwischen den Felstürmen Kehre für Kehre gen Himmel zu schrauben – Konzentration ist gefragt, um wieder heil runterzukommen. Dan Patitucci am Abgrund zwischen Cadini Gruppe und den drei Zinnen, fotografiert von Janine Patitucci / patitucciphoto.com


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BLICKFANG

Höhenangst Normalerweise ist Höhenangst nicht das primäre Problem, das Paddler plagt. Ganz anders an den Toketee Falls in Oregon: Nach der ersten «kleinen» 9-Meter-Stufe folgt die nächste mit 26 Metern Höhe. Gute Landung! Kajaker Fred Norquist beim Tiefflug am North Umpqua River, fotografiert von Charlie Munsey / adventurelightphoto.com


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BLICKFANG

Höllenschlund Die Erde dampft, das Wasser kocht, dunkle Abgründe tun sich auf. 122 Meter stürzt der Haifoss Wasserfall auf Island in die Tiefe. Legenden beschreiben diese Gegend um den Vulkan Hekla als Tor zur Hölle. Zumindest der Anblick ist teuflisch schön. Andreas Irsara und Janine Patitucci beim Aufstieg aus der Haifoss Schlucht, fotografiert von Dan Patitucci / patitucciphoto.com


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BLICKFANG

Tiefblick Einmal tief durchatmen. Fast 800 Meter in die Senkrechte fällt die Nordwestwand des Half Dome ab. Alex Honnold meisterte die Route ohne Seil – eines der härtesten und spektakulärsten Free-Solo-Projekte weltweit. Alex Honnold beim Nachstellen seiner Free-Solo-Tour im kalifornischen Yosemite Nationalpark, fotografiert von Jimmy Chin / jimmychin.com


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BLICKFANG

Tiefflug «Superman» rettete seinerzeit die Welt vor dem Bösen – und wurde zumindest mit seiner Flugkunst Vorbild von Warren Verboom. Der Tessiner betreibt Extrem-Canyoning in Vollendung. Wo andere abseilen, zeigt er seinen Paradesprung: den Superman. Warren Verboom im freien Fall im Valle del Salto nahe des Ortes Maggia, fotografiert von Claudia Ziegler / claudiaziegler.com


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BLICKPUNKT

HEADS & FACTS

SCAN

40 Jahre Marmot

Arc’teryx Alpine Academy

David Lama: Reifeprüfung am Cerro Torre

Drei inspirierende lehr- und erlebnisreiche Bergtage – bereits zum dritten Mal findet vom 13. bis 15 Juni in Chamonix-Mont-Blanc und auf der Aguille du Midi die Arc’teryx Alpine Academy statt. Das Schulungsprogramm für über 300 Teilnehmer vom Einsteiger bis zum Bergprofi umfasst Workshops, Seminare und geführte Touren. Professionelle Bergführer sowie Arc’teryx Athleten leiten die Workshops. Von Hochtouren über Eisklettern, Spaltenbergung und Navigation bis zum Biwakieren auf der Hilleberg Biwaknacht sind viele Spielarten des Alpinismus geboten. Auch Ausrüstung kann getestet werden. Zusätzlich warten Vorträge zu Höhenmedizin, Tourenplanung und Ausrüstung. Entspannt endet der Samstag mit der Alpine Movie Night.

Jahrelang dominierte David Lama die Sportkletterszene. Dass alpines Klettern eine andere Hausnummer ist, dämmerte dem damals 19-Jährigen 2009 nach seinem ersten Versuch, den Cerro Torre zu besteigen. Die eisgekrönte Zinne in Patagonien gilt wegen ihrer Ausgesetztheit und drohenden Stürmen als einer der schwersten Berge weltweit. Lama scheiterte. 2010 erreichte er den Gipfel, nutzte aber Absicherungen, die einst Cesare Maestri mit einem Kompressor in die Route gebohrt hatte. 2012 gelang ihm schliesslich im dritten Anlauf zusammen mit Peter Ortner die Besteigung des Cerro Torre in sauberer Freikletter-Technik. Der Kinofilm «Cerro Torre – nicht den Hauch einer Chance» zeichnet Lamas Entwicklung nach und greift ethische Fragen des Bergsteigens auf. Seit 27. März in den Kinos.

WWW arcteryxacademy.com

WWW cerrotorre-movie.com

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Die besten Ideen entstehen oft ganz nebenbei. Von ihren Eindrücken bei einem Glaziologie-Projekt in Alaska motiviert, gründeten Eric Reynold und Dave Huntley 1971 den Marmot Bergsteiger Club. Noch im gleichen Jahr begannen sie Daunenprodukte zu schneidern. 1974 eröffneten sie in einem 100 Jahre alten Backsteingebäude in Colorado einen Skiverleih sowie ein Geschäft für Daunenjacken und Schlafsäcke – der Grundstein für die Firma Marmot, die heute zu den Grossen im Outdoor Business zählt. Das Bestreben, innovative Produkte zu entwickeln, ist nach 40 Jahren stärker denn je. Marmot NanoPro heisst die Technologie, mit der Jacken und Hosen zum Geburtstag maximalen Wetterschutz, hohen Tragekomfort und Robustheit erhalten. Kräftig gefeiert wird beim Melloblocco Boulderfestival vom 1.-4. Mai. WWW marmot.de WWW melloblocco.it


BLICKPUNKT

Lokale Bergwetterprognosen in Profiqualität

Haglöfs feiert 100. Geburtstag

Wer kennt das nicht: Die Bergtour ist geplant, der Wetterbericht ist super – los geht’s! Am Ziel dann die Ernüchterung: Gutes Wetter? Ja – im Nachbartal! Der Tourengipfel hüllt sich in dichte Wolken. Ein österreichisches System für präzise lokale Wettervorhersagen in weltweiten Bergregionen ist nun erstmals auch für private Nutzer verfügbar. MetGIS, ein Spin-off der Universität Wien, unterstützte bislang Expeditionen und andere Wetterdienste. Auf der neuen Website lassen sich sehr kleinräumige Vorhersagekarten für viele alpine Gebiete abrufen. Im Alpenraum bietet MetGIS derzeit 45 aktive Prognose-Regionen, 30 davon extrem kleinräumig (z.B. Val d'Isere, Mont-Blanc-Region, Zermatt, Grindelwald, St. Moritz, Davos sowie eine Vielzahl österreichischer Regionen). Die MetGIS-Vollversion ist kostenpflichtig.

100 Jahre und dabei topfit, hochfunktionell und perfekt gestylt in den Bergen unterwegs – die Firmengeschichte des schwedischen OutdoorSpezialisten zeigt, was Erfahrung bei Outdoor-Unternehm(ung)en Wert ist. Es war 1914, als Wiktor Haglöf in einer kleinen Holzhütte im schwedischen Dalarna nach selbst entworfenen Mustern seine ersten Rucksäcke produzierte. Eine Nachbarin half ihm mit ihrer Nähmaschine. Und so zog er bald per Fahrrad und zu Fuss los, um seine Rucksäcke an Bauern, Holzfäller und Schulkinder in der Region zu verkaufen. Wiktors Söhne stiegen später in das prosperierende Geschäft ein und bauten es aus. Heute ist Haglöfs unter dem Dach von Asics weltweit in 26 Märkten vertreten, beschäftigt rund 200 Mitarbeiter und setzt jährlich rund 95 Millionen Schweizer Franken um.

Seilschaften, komplett angeseilt und mit Steigeisen an den Stiefeln am Frühstückstisch – legendäre Geschichten über die Hörnlihütte am Fusse des Matterhorns gibt es mehr als genug. Diesen Sommer bleiben die Hörnlihütte und das benachbarte Berghaus Matterhorn (Belvédère) geschlossen. Die Herbergen erfüllen die heutigen Anforderungen bezüglich Umweltverträglichkeit und Infrastruktur nicht mehr. Deshalb werden beide Gebäude mit Blick auf das 150-Jahr-Jubiläum der Erstbesteigung des Matterhorn 2015 mit Investitionen von acht Millionen Franken saniert und umgebaut. Ein Glasbau wird den Neubau der Hörnlihütte und das Berghaus Matterhorn verbinden. Der Gebäudekomplex soll nach den Baumassnahmen in der Wasser- und Energieversorgung weitgehend autark sein. Die Eröffnung ist für Juli 2015 geplant.

WWW haglofs.com

WWW hörnlihütte2015.ch

SCAN

Umbau Hörnlihütte

WWW metgis.com

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BLICKPUNKT

Die Redaktion hat alle in der Rubrik BLICKPUNKT vorgestellten Produkte geprüft und – wenn für die Beurteilung nötig – in der Praxis getestet. Ausnahmen sind offen deklariert. Alle Hersteller-Angaben werden überprüft. Bei der Auswahl werden primär Produkte berücksichtigt, die empfehlenswert und/oder aussergewöhnlich sind.

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Runderneuert

Rucksack-Boot

Der «Kompakt» von Mammut ist der VW Golf unter den Schlafsäcken. Keine Extravaganzen, seit 25 Jahren ein treuer Begleiter, und auch das Preis-Leistungsverhältnis stimmt. Kein anderer Schlafsack hat im Laufe seiner «Karriere» so viele Auszeichnungen erhalten. Für den Sommer 2014 hat Mammut seine Kompakt-Linie komplett neu aufgelegt und erweitert. Was auf den ersten Blick beziehungsweise Zip auffällt, ist der verbesserte Reissverschluss. Eingeklemmte Zugschlitten, die beim Vorgänger noch zu Wutausbrüchen und «PippiPanik» geführt haben, gehören der Vergangenheit an. Auch die Führung des Zippers wurde an die natürliche Einhand-Armbewegung angepasst. Gut für Grosse: Den Klassiker «Kompakt 3-Season» gibt es auch in 210er Länge.

Grenzenloser Outdoor-Spass?! Mit dem «Yukon Yak» von Alpacka Raft kommt man dem sehr nahe. Es ist ein Mini-Raft-Boot – ein so genanntes «Packraft» –, das nur sagenhafte 2,2 Kilogramm wiegt. Mit dem Packmass eines Zwei-Personen-Zelts passt es locker in oder an einen TrekkingRucksack. Anders als Gewicht und Optik vielleicht vermuten lassen, sind die Boote erstaunlich robust. Grund dafür sind der 210 Denier starke Boden aus Ballistik-Nylon und die 70 Denier starken Nylon-Luftschläuche, die dank zweifacher PU-Beschichtung im Test selbst bei heftigem Fels-Kontakt keine grösseren Schrammen zeigten. Die Bootsform ist asymmetrisch mit spitz zulaufendem Heck, was für einen ordentlichen Geradeauslauf sorgt. Dadurch ist es auch für See-Querungen oder sanftere Flussfahrten geeignet.

MAMMUT «KOMPAKT 3-SEASON» 1870 Gramm (in Länge 210), ab CHF 215.INFO Mammut Sports Group AG, Tel. 062 769 81 81 WWW mammut.ch

ALPACKA RAFT «YUKON YAK» 2200 Gramm (lt. Hersteller), ab CHF 900.INFO Packrafting-Store, Tel. 0049 341 39 28 12 64 WWW alpackaraft.com


BLICKPUNKT

Trail-Intelligenz

Stilsicher

Bodenbeisser

Smartphones werden von Mountainbikern immer häufiger als Navigationshilfen im Gelände genutzt. Diesem Umstand trägt «Supertrail Map» Rechnung. Ab sofort sind alle Kartenblätter für die Nutzung mit der «Scout App» aufbereitet. Neben der Lokalisierung mittels GPS-Empfänger können Wegpunkte gesetzt, Routen angezeigt und sämtliche relevanten Tourdaten (Logs der gefahrenen Strecke, Distanz, Höhenmeter, Zeit, etc.) erfasst und später am Computer verwaltet und ausgewertet werden. Basis der «Supertrail Maps» bleiben die von ausgebildeten Kartenautoren recherchierten Singletrails einer Region, die nach Schwierigkeit (fünf Stufen Uphill, fünf Stufen Downhill) klassifiziert werden. Zudem werden Highlight-Trails ausgewiesen und weitere relevante Informationen dargestellt. Rechtzeitig zum Launch der Karten für «Scout App» gibt es ein halbes Dutzend neue Kartenblätter.

Sweet begnügt sich nicht einfach damit, die Fahrradhelmnormen zu erfüllen – die Norweger wollten mehr. Die fünfteilige In-Mold-Schalenkonstruktion des «Bushwhacker» verwendet unterschiedlich dicke Polycarbonat-Teile, um die Festigkeit zu erhöhen. Ein Sicherheitsplus verspricht der «Bushwhacker» mit MIPS (Multi-directional Impact Protection System), bei dem Wucht des Aufpralls teilweise absorbiert wird. Mit viel Hirnschmalz (und CAD-Rechenkapazitäten) ist auch die Ventilation optimiert worden. Der Anpassungsmechanismus funktioniert tadellos, sodass der Helm perfekt sitzt. Bei soviel Funktionalität bleibt eines der wichtigsten Kaufargumente fast vergessen: Der «Bushwhacker» ist in den sechs erhältlichen Farben im wahrsten Sinne des Wortes stilsicher.

Es gehört zum branchenübergreifenden Standard, dass nach Firmenübernahmen die potentiellen Synergien hervorgehoben werden. Bei Adidas und 5.10 sind das keine leeren Sprüche. Der «Scope GTX» profitiert von der extrem griffige profilierte Stealth-Rubber-Sohle, die der zugekaufte Kletterschuster 5.10 beisteuert. Den satt sitzenden und trotzdem komfortablen Leisten mit OrtholiteEinlegesohle steuert das Mutterhaus Adidas bei. Dass der technische Schuh für den anspruchsvollen Einsatz im Fels gedacht ist, dafür gibt es zwei Indizien: das aussergewöhnlich abriebfeste textile Obermaterial sowie die Fersenschlaufen, mit der die Schuhe am Rucksack oder Klettergurt befestigt werden können. Ausgestattet mit einer GoreTex-Membran, trotzt der Schuh auch widrigen Wetterbedingungen.

SWEET «BUSHWHACKER» 334 Gramm (Grösse L) CHF 219.(CHF 319.- mit MIPS) WWW sweetprotection.com

ADIDAS «SCOPE GTX» 950 Gramm (pro Paar, Grösse 42 2/3), CHF 220.INFO adidas sport gmbh, Tel. 041 784 14 14 WWW adidas.com

SUPERTRAIL MAP «SCOUT APP» EUR 7.99 (pro Region/Kartenblatt) INFO outkomm GmbH, Tel. 071 755 66 55 WWW supertrail-map.com

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BLICKPUNKT

SCAN

Dichtungsmittel

Berg-Bike-Schuh

Dünnstes Einfachseil

Reisetaschen begegnen vielen Herausforderungen: Staub, Dreck, Regen, Förderbänder, Matsch, Kentern, etc. Der Schweizer Hersteller Exped bringt mit dem «Tempest Duffle» eine wasserdichte Tasche auf den Markt, die nahezu alles mitmacht. Bemerkenswert ist das geringe Gewicht. Das sehr robuste Material Oxford-Nylon zeigte sich im Test wenig beeindruckt von den Versuchen, ihm Gebrauchsspuren zufügen zu wollen. Der wasser- und staubdichte YKK-Reissverschluss hielt sein Versprechen. Um Druck von diesem zu nehmen und das Schliessen zu erleichtern, sind im Inneren zwei Kompressionsriemen angebracht. Die zwei verstellbaren Trageriemen erlauben auch ein im voll beladenen Zustand mässig komfortables Schultern im Rucksack-Modus. Der «Tempest Duffle» ist in den Grössen 70, 100 und 140 Liter erhältlich.

Bei anspruchsvollen Bike-Touren werden Tragepassagen oft zur Rutschpartie. Verletzungen durch Umknicken oder tiefe Schürfwunden können gerade auf abgelegenen Routen heikel werden. Mit dem «Taron Sympatex Mid AM» liefert Vaude eine mögliche Lösung. Der knöchelhohe Bike-Schuh kombiniert guten Halt durch je einen Klett- und Ratschen-Verschluss mit der notwendigen Beweglichkeit im Fussgelenk durch eine flexible Neopren-Manschette. Die Kraftübertragung aufs Pedal funktioniert dank steifer Fussplatte tadellos. Die Vibram-Sohle gibt eine für Bike-Schuhe gute Trittsicherheit auf Fels- und Wurzelpassagen. Dank der grobstolligen Sohlenanordnung verirren sich nur wenige Steinchen dauerhaft in das Gummiprofil. Trockenen Fusses bleibt man auch: Eine Sympatex-Ausstattung macht den «Taron» wasserdicht.

Ein Seil für fast alle Alpin-Spielarten. Das verspricht das «Corbie 8.6» von Edelrid. Zertifiziert ist es sowohl als Einfach- wie auch als Halb- und Zwillingsseil. Mit 8.6 Millimeter Durchmesser gilt es aktuell als dünnstes Einfachseil der Welt. Ermöglicht wird dies durch eine neue Technologie, wobei der Seil-Kern ähnlich eines Seilmantels geflochten wird. Das soll zusätzliche Sicherheitsreserven und eine verbesserte Gleitfähigkeit liefern. Dafür hat Hersteller Edelrid einen ISPO Gold Award erhalten. Neben dem kleinen Durchmesser bringt das Seil ein entsprechend geringes Gewicht auf die Waage. Damit ist es prädestiniert für Alpin-Unternehmungen, bei denen es auf jedes Gramm ankommt. Erhältlich ist das «Corbie 8.6» in Längen von 30 bis 200 Meter. Ein Test seitens der Redaktion steht noch aus.

EXPED «TEMPEST DUFFLE» 780 Gramm, CHF 219.INFO Exped AG, Tel. 044 497 10 10 WWW exped.com

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VAUDE «TARON SYMPATEX MID AM» 1310 Gramm (p. Paar, in Gr. 46), CHF 290.INFO Völkl Schweiz GmbH, Tel. 041 769 72 20 WWW vaude.com

EDELRID «CORBIE 8.6» 51 Gramm/Meter, CHF 270.(60 Meter) INFO UB Sports GmbH, Tel. 043 244 51 35 WWW edelrid.de


Wasserkraft

Lichtgestalt

US-Spezialist Brunton setzt auf den Wasserstoffantrieb als alternative Energiequelle. Mit dem «Hydrogen Reactor» wurde ein kleines Kraftwerk für unterwegs entwickelt, das mit gespeichertem Wasserstoff Natel, GPS oder Tablet-PC aufl ädt. Der Strom wird über einen elektrochemischen Vorgang erzeugt: Wasserstoff aus einer Patrone reagiert mit Sauerstoff aus der Umgebungsluft. Neben Strom entsteht nur Wasserdampf, getankt wird über einen USB-Anschluss. Gewicht und Packmass gleichen dem eines Portemonnaies. Mittels einer gesondert erhältlichen Ladestation und destilliertem Wasser wird den Wasserstoff-Kartuschen zuhause neues Leben eingehaucht. Alternativ können die Patronen im Fachhandel getauscht werden. Als Ladeleistung gibt Brunton 4500 Milliampere an. Wie oft das für die Aufl adung reicht, hängt stark vom Endgerät ab.

Sehen und gesehen werden. Was in der Schickeria genauso wichtig ist wie im Strassenverkehr, hat Ortlieb in der neuen Produktlinie «High Visibility» umgesetzt. Neben dem intensiven Gelbton soll ein reflektierendes Garn, welches das komplette CorduraGewebe durchzieht, andere Verkehrsteilnehmer frühzeitig auf Velofahrer aufmerksam machen. Das Modell «Back-Roller High Visibility» lässt sich zusätzlich per Klickverschluss fest am Gepäckträger montieren. Die einzelne Packtasche verfügt über 20 Liter Stauraum und ist dank PUBeschichtung wasserdicht. Zusätzlich zum «Back-Roller» umfasst die «High Visibility Linie» aktuell die Modelle «Front-Roller», «Ultimate6 M» und «Office-Bag QL3». Ein Testprodukt stand vor Redaktionsschluss leider noch nicht zur Verfügung.

BRUNTON «HYDROGEN REACTOR» 244 Gramm (inkl. Kartusche), CHF 219.- (inkl. 2 Kartuschen) INFO Bus Sport AG, Tel. 081 750 03 30 WWW brunton.com

ORTLIEB «BACK-ROLLER HIGH VISIBILITY» 1680 Gramm (p.Paar, lt. Hersteller), CHF 298.- (p.Paar) INFO Gecko Supply GmbH, Tel. 044 273 18 01 WWW ortlieb.com


WORT FÜR WORT Wolf Schneider

Wolf Schneider – Publizist und Ex-Bergsteiger

«DIE ALPINISTISCHE REKORDSUCHT FINDE ICH LÄCHERLICH» Eine Qual und gleichzeitig eine Lust: Die Sprache und die Berge haben es Wolf Schneider angetan. Er arbeitete für den «Stern», schrieb für «Geo», moderierte Talk-Shows im Fernsehen, wurde zum «Sprachpapst» gekürt und bestieg 24 Viertausender – viele davon in der Schweiz. Seine kritischen und differenzierten Ansichten über Berge und Bergler teilt der streitbare Publizist auch mit 88 Jahren wortgewaltig wie eh und je.

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Wolf Schneider WORT FÜR WORT

Wortkünstler: Handarbeit ohne Computer.

Als langjähriger Leiter der Hamburger Journalistenschule predigten Sie Ihren Schülern: «Qualität kommt von Qual.» Über Ihre eigene journalistische Arbeit sagten Sie: «Ich plage mich mit allem, was ich tue.» Auch Ihre Hochtouren in den Alpen beschreiben Sie immer wieder als Strapaze. Lieben Sie es, sich zu quälen? Das Plagen beim Schreiben ist eine Charakterfrage. Es geht darum, intensiv an Texten zu arbeiten. Es reicht nicht, wenn allein die Rechtschreibung und die Grammatik stimmen. Man hat sich mit dem Text zu plagen. Aber diese Plage hat ausser dem Wort nicht viel gemeinsam mit dem Bergsteigen. In der frühen Morgendämmerung einen Geröllhang hinaufzustolpern, ist eine elende Veranstaltung. Aber ich sagte mir stets: «Halt die Schnauze, du willst da rauf, also musst du das investieren.» Diese Qualen waren zum Bergsteigen halt nötig. Trotz der Quälerei haben Sie immerhin 27 Viertausender bestiegen ... Es waren genau 24, und auf dreien war ich zweimal, nämlich auf dem Weisshorn, Zinalrothorn und Mönch. Wieso haben Sie diese Anstrengungen immer wieder auf sich genommen? Weshalb steigen wir Menschen voller Freude auf Berge? Erstens: Wegen der Aussicht auf den Triumph, es geschafft zu haben. Der Triumph, auf meine 4000er zu kommen, war für mich grösser als für andere Leute, die sich weniger plagen mussten. Und zweitens? Eine ganz grosse Rolle spielt bei mir die «Augenlust». Ich verstehe überhaupt nicht, was einen an der Eiger-Nordwand reizen kann. Da sieht man überhaupt nichts. Der Mittellegigrat über der Nordwand dagegen – das ist eine der fantastischsten Routen, auf die man auf Erden seine

Füsse setzen kann. Die Bezwinger der Eiger-Nordwand sind für mich reine Fexe, die um des Kletterns willen irgendetwas kaum Erreichbares tun. Es hat mich nie geärgert, dass ich so etwas nicht kann, es hat mich auch niemals gereizt. Aber auf der Mittellegihütte zu sein und über den Mittellegigrat zu steigen ... das ist fantastisch. Unglaublich, was sich da vor dem Auge entfaltet! Ihnen geht es um die Schönheit? Ich nenne es Lust. Es ist das Ungeheuerlichste, was einem Sinnesorgan auf Erden geboten werden kann. Physikalisch beweisbar das Gewaltigste an Perspektive, was das Auge überhaupt wahrnehmen kann, ist das Hochgebirge von oben. Auf dem Meer sieht man viereinhalb Kilometer weit, vom Gipfel des Mont Blanc 280 Kilometer weit. Es kommt also auf den Blickwinkel an? Waren Sie mal in New York? Grossartig ist nicht, wie klein die Taxis sind. Grossartig sind die anderen Wolkenkratzer. Sie sind in einem Reich der Türme. Das Matterhorn von Zermatt ist ja ganz eindrucksvoll. Aber das Matterhorn vom Zinalrothorn – das ist unglaublich. Man ist eben in einem Reich der Riesen und erblickt das Hundertfache dessen, was ein Mensch im Flachland jemals erblicken kann. Wie sieht Ihr Traumgipfel aus? Bei meiner ersten Besteigung des Weisshorns – wir waren die erste Partie im Jahr – war der Gipfel tatsächlich noch eine Schneespitze, die wir zum Sitzen niedertreten mussten. Das ist ein Gipfel! Aber ein Gipfel, der keiner ist? Trostlos! Monterosa: trostlos! Also, der Gipfel möchte bitte einer sein! Kein Plateau, auf dem eine halbe Kompanie Gebirgsjäger aufmarschieren kann. Auch totale Windstille hat mich enttäuscht. Ein pfeifender Wind oder ein Sturm wie auf dem Fiescherhorn, mit ziehenden Wolken, alles in rasendem Tempo, man muss geradezu kämpfen, um sich

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WORT FÜR WORT Wolf Schneider

Publizist: Arbeit an neuen Buchprojekten.

in der Senkrechten zu halten, das gehört für mich dazu. Von Karl Valentin gibt es den Spruch, als er auf der Lorelei war: «Ziagn tut’s da herob’n zum Verrecka!» Das ist schön! Sie sind ein Meister der Worte. Gab es Situationen in den Bergen, in denen Ihnen die Worte fehlten? Um Worte habe ich während der Touren nicht gerungen. Ich habe hinterher damit gerungen, sie beschreiben zu können. Das war mein Ehrgeiz.

gers entlang zum Grindelwaldgletscher, zehn Stunden bis Grindelwald. Die ersten sechs Stunden konnte man wirklich um sein Leben zittern. Es hörte sich an wie in einem Rangierbahnhof, in dem die Güterzüge aufeinander donnern, so rauschten die Lawinen von allen Seiten. Das war das eine Mal, als ich Angst um mein Leben hatte.

Aber es gibt ja Augenblicke, in denen man einfach sprachlos dasteht ... Ja, sprachlos, aber auch nicht um Worte ringend. Vollkommen hingegeben der Lust der Augen. Das Ganze in Worte umzusetzen, dazu hatte ich dann im Tal Zeit.

Und das andere Mal? Die andere Angst um mein Leben war, dass ich einen Grat nicht meistere. Aber da passiert ja nichts (lacht). Der Bergführer meinte: «Sollte ich rechts runterfallen, dann springen Sie bitte links ...!» War ja auch ein bisschen tröstend. Jedenfalls wusste ich, dass er auf der anderen Seite runter springen würde, wenn ich fiele.

Abgesehen vom Panorama – welche Erlebnisse in den Bergen haben Sie geprägt? Mein aufregendstes Erlebnis war der Abstieg von der Mittellegihütte. 1966 musste ich mit dem Bergführer zusammen von der Mittellegihütte fliehen. Es kam nachts ein Schneesturm auf. Wir versuchten zum Stollenloch der Jungfraubahn zurückzukehren, irrten drei Stunden lang durch den Eismeerkessel, in dichtem Schneegestöber zwischen stürzenden Lawinen. Sichtweite 10 bis 20 Meter – wir fanden den Weg nicht. Aus Angst vor weiteren Lawinen beschloss der Bergführer, wir müssten über den Challifirn absteigen, an der Südflanke des Ei-

Sie bezeichnen das Bergsteigen deshalb auch als persönliche Charakterleistung. Wieso? Ich bin nicht schwindelfrei, habe überhaupt kein Talent zum Bergsteigen. Ich musste mir das abtrotzen. Ich bin kein Kletterkünstler im Fels. Spass gemacht hat mir das Eisgehen. Was mich so fasziniert, das gleissende Licht. Am Mont Blanc wurde ich nicht höhenkrank, mehr wäre aber auch nicht drin gewesen. Ich habe unheimlich gekeucht, habe hart trainiert, bis ich mich rauf traute, ... mit sehr starkem Willen und der Bereitschaft, doch nicht hinzuschmeissen. Ich habe mich mehr oder weniger hinaufgequält. Die Begeisterung kam später.

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Wolf Schneider WORT FÜR WORT

Erzähler: «Das Zweitschönste nach der Besteigung des Gipfels sind die Erinnerungen daran.»

Auch die Erstbesteigung des Mont Blanc hat Sie beschäftigt. Die grossen Berge waren ja Jahrtausende lang so etwas wie eine Tabu-Zone. Als Moses mit den zehn Geboten vom Berg Horeb im Sinai herunterkam, verkündete er: Steigt nicht hinauf, sonst werdet ihr zerschmettert! Damit 1786 der Mont Blanc bestiegen werden konnte, musste erst mal der Himmel leergefegt werden von sämtlichen Göttern und Engeln. In den 1780er-Jahren passierte dreierlei: 1783, der Himmel wird erobert von den Brüdern Montgolfier – der erste Ballonflug. 1786, die Bergsteiger Jacques Balmat und Michel-Gabriel Paccard nehmen den Himmel mit der Erstbesteigung des Mont Blanc ein. Zuvor waren vielleicht Heerführer auf Berge gestiegen, um sich Übersicht zu verschaffen. Aber niemals aus purer Lust. 1789, die Französische Revolution und der Sieg des Atheismus: Das ist die notwendige Geburtsstunde allen Bergsteigens, denn der Himmel war zuvor verboten. Eine interessante kulturhistorische Deutung, derer sich viele Vertreter des modernen Alpinismus wohl kaum bewusst sind. Ich behaupte, im Lebensgefühl aller Bergsteiger schwingt das noch mit: «Ich erobere den Himmel. Eigentlich bin ich dafür nicht gemacht. Und eigentlich ist das ja mutwillig und tollkühn und war ja mal verboten.» Dass man sich ein Reich erobert, für das uns der liebe Gott nicht primär geschaffen hat, dieses Gefühl, glaube ich, ist in jedem Bergsteiger drin.

Himmlische Gefühle ... Sie haben ein Sachbuch mit dem Titel «Glück!» geschrieben. In einer alten Schnulze heisst es: «Das Glück wohnt in den Bergen.» Würden Sie das unterschreiben? Nein, die Bergbauern würden das auch nicht tun. Dass sie ein besonders romantisches oder glückliches Leben geführt hätten, entstammt der Gefühlsseligkeit des 19. Jahrhunderts, als man die Alpen touristisch entdeckte. Hat Glück in den Bergen auch immer mit dem latent drohenden Unglück zu tun? Ja, natürlich, die Angst, das Zögern war auf jeder Gratbegehung mein Begleiter: «Soll ich überhaupt ...?» Doch die grösste Angst von allen war die, mich selber am Abend ohrfeigen zu müssen, wenn ich mich nicht gewagt hätte. Das sind starke Emotionen! Vielleicht ist das ja auch eine Art Glück. Einen solchen grossen Triumph, den Mittellegigrat begangen zu haben, wie ich, können begabtere Bergsteiger nicht empfunden haben. Triumph als Glück? An der Eigernordwand ist dieser Triumph ja das einzige Ziel. Spass kann das ja in keinem Stadium machen. Die Rekordsucht ist ungeheuer. Dass man nach den Seven Summits, die ja alle auch schon vielfach bestiegen sind, die Seven Second Summits suchte, dann die Triple Seven Summits, und so weiter ..., ist ja die schiere Verrücktheit. Ich wollte nie irgendeinen Rekord aufstellen. Davon war

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HAUTNAH Mountainbiken Island

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Trail-Suche: mit dem Mountainbike durch Island

ABENTEUER IM DRACHENLAND Abenteuerträume – bis heute verkörpern sie oft die Sehnsucht nach spektakulären Pioniertaten. Doch gerade von einem Pionier der alten Schule hat Extrem-Biker Harald Philipp gelernt: Mehr als die Leistung zählt das Erlebnis. Ein MountainbikeTrip durch Island auf den Spuren der Erstbefahrer.

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HAUTNAH Mountainbiken Island

Auf den Spuren der Urzeit: Die Erde kocht, Volldampf voraus!

«Wir wären wahrscheinlich ertrunken, wenn wir uns nicht angeseilt hätten. Die Flussquerung war viel tiefer und reissender, als wir es erwartet hatten. Es dauerte einen ganzen Tag, und beinahe wäre unser Schlauchboot abgetrieben mit dem gesamten Proviant an Bord ...» Vor mir sitzt Dick Philipps, ein 81-jähriger Mann mit zerzaustem, weissem Vollbart. Er erzählt von seinem grossen Abenteuer. «Wir wollten die ersten Radfahrer sein, die die Hochwüste von Island durchqueren. Von Süden nach Norden, quer durch eine der unwirklichsten Landschaften der Erde.» Vor fast 60 Jahren war diese Idee in ihm gereift. Er war damals in seinen frühen Zwanzigern und voller Tatendrang.

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Seine grosse Leidenschaft war das Radfahren abseits asphaltierter und ausgebauter Wege. Gemeinsam mit Freunden hatte er den Radclub «Rough-Stuff-Fellowship» gegründet. Rough-Stuff, das stand für querfeldein: Fahren über Wiesen, Weiden und durch die Wälder seiner britischen Heimat. Doch es zog Dick weiter raus. Er plante jedes Detail seines isländischen Traums, suchte Sponsoren und Mitfahrer, die seine Abenteuerlust teilten. Drei junge Männer schlossen sich ihm an. Gemeinsam wollten sie ihre Grenzen ausloten. Auf Fixies, mit denen Hipster heute höchstens durch die Züricher Grossstadt hetzen, bezwangen die vier 1958 die karge nordische Wildnis: Die durchquerten das


Mountainbiken Island HAUTNAH

Auf den Spuren der Neuzeit: Besuch bei Bike-Pionier Dick Philipps (unten).

Hochland von Sprengisandur, fuhren zehn Tage lang durch endlosen schwarzen Sand, durch Landschaften, so karg und unwirtlich, dass die NASA dort einige Jahre später für die Mondlandung trainierte. Sie kämpften, litten – und letztendlich siegten sie. Zurück in England berichteten Zeitungsartikel in allen Fahrradzeitungen von ihrer Heldentat, ein Vortrag in Manchester folgte. Dann kam der Brief: «Sehr geehrter Herr Philipps. Mein Name ist Horace Dall, und ich habe Sprengisandur bereits 1933 mit dem Fahrrad durchquert.» Diese Episode aus dem Leben zweier Bikepioniere hatte mich schon vor meiner Reise nach Island fasziniert. Eine Geschichte, so gnadenlos und gleichzeitig mitreissend wie das Land selbst. Voller Träume, Illusionen, auf einer Bühne spielend, deren Naturgesetze bisweilen nicht mehr zulassen, als sich auf die harte Realität zu konzentrieren. Island – dort wollte ich hin. Dort musste ich hin.

Horace Dall war ein besonderer Mensch. Der Optiker aus Luton in England liebte die Einsamkeit. Nächtelang fotografierte er Sterne und Planeten wie vor ihm kein anderer. Seine grössten Abenteuer erlebte er in einer Epoche zwischen zwei Weltkriegen. Mit dem Fahrrad durchquerte er nicht nur das Hochland von Island, sondern überschritt auch den Hohen Atlas in Nordafrika, immer im Alleingang. Anders als Dick Philipps plante er nicht jedes Detail. Seine unglaublichen Abenteuer passierten ihm fast beiläufig. Seine SprengisandurDurchquerung war nahezu fahrlässig unvorbereitet. Ein Papierfetzen, nicht viel grösser als eine Hand, zeigte die gesamte Insel von Island und war seine einzige Landkarte. Mit Vorräten, die kaum für die Hälfte seines geplanten Trips ausgereicht hätten, liess er sich über den Fluss Þjórsá schiffen – und stand alleine in der Wüste. Nur einen Bruchteil seines Abenteuers verbrachte er tatsächlich auf dem Rad sitzend, denn die Landschaft

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Rucksacktour im Mount Assiniboine Provincial Park

MATTERHORNS DOPPELGÄNGER Er sieht ihm zum Verwechseln ähnlich ...! Markant wie das Schweizer Wahrzeichen, aber viel einsamer. Stoff für Glücksmomente abseits des Wanderer- und Bergsteigertrubels bieten die kanadischen Rockies mehr als genug. Besonders wild wird es rund um den Namensgeber des Mount Assiniboine Provincial Parks.

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Es donnert. Mächtig. Das Krachen wird von den schroffen Talwänden links und rechts aufgenommen, zurückgeworfen und verstärkt. Wieder und wieder, in immer kürzeren Abständen. «Sehr beeindruckend», murmele ich und schaue mich zu Stephan um. «Wollen wir uns vorsichtshalber wasserdicht verpacken?»

Seine Antwort bleibt ungehört, denn in diesem Moment donnert es erneut und es beginnt zu schütten. Erst kräftig, dann noch heftiger, dann verwandelt sich der Niederschlag in Hagel. Der Boden wird weiss, Körner sammeln sich in Mulden und in der vertieften Spur des Trails. Wir hocken uns unter eine Lärche, ziehen Regenüberzüge

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HAUTNAH Trekking Kanada

Traumpfad: der Weg oberhalb des Marvel Lake.

über die Rucksäcke und schlüpfen in Regenjacken und -hosen. Der Nadelbaum kann dem Druck von oben nicht lange standhalten, und so beschliessen wir weiterzugehen, dem Wetter die Stirn zu bieten. Das geht so lange gut, bis unsere Handschuhe durchweicht sind und die Finger langsam taub werden. Dann wird es ungemütlich. Im Valley of Rocks, das seinen Namen zu Recht trägt, schlängelt sich der Trail zwischen grossen Felsblöcken hindurch. Sie sind so grau wie die Wolken am Himmel, der immer tiefer hinabsinkt. Das Wetter hat der Landschaft alle Farbe entzogen, es ist so ganz anders als gestern, als wir aus den Sunshine Meadows in Richtung Mount Assiniboine aufgebrochen waren. Der Himmel blau, das Land in Grün- und Brauntönen, unterbrochen immer wieder vom satten Gelborange der Lärchen, die ihr Herbstkleid schon tragen. Die kanadischen Rockies, wie man sie sich Ende September vorstellt.

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Einsame Gipfelschönheit Das Ziel unserer Wanderung ist der Mount Assiniboine. Für diesen Berg, dem mit 3618 Metern höchsten der südlichen kanadischen Rockies, lassen wir sogar die berühmten und landschaftlich ebenso einzigartigen Nationalparks Jasper und Banff links liegen beziehungsweise östlich hinter den Bergen zurück. Wir sind zwar gestern früh in Banff gestartet und hatten uns im Ort noch mit Gaskartuschen, Trekking-Nahrung und Bärenspray eingedeckt, doch nun haben wir längst die Grenze von Alberta nach British Columbia überquert und stapfen durch den fast 400 Quadratkilometer grossen Mount Assiniboine Provincial Park. Eine Besonderheit und ein riesiger Unterschied zu den grossen Nachbarn: In diesen Park führt keine Strasse. Das ist umso erstaunlicher, als nur wenige Kilometer entfernt ein grosser Highway


Trekking Kanada HAUTNAH

Selbstverteidigung: Bärenspray für alle Fälle.

in den Banff Nationalpark führt, quasi eine Autobahn, die später als Landstrasse auch den Jasper Nationalpark durchschneidet. Rund um den Mount Assiniboine aber liegt nichts als Natur – atemberaubend schöne Natur, denn neben diesem monumentalen Berg gibt es weitere Gipfel und Gletscher, beeindruckende Felswände samt Zacken und Zinnen und sanft geschwungene Bergketten, umgeben von Lärchen- und Fichtenwäldern und gut einem halben Dutzend blaugrün schimmernden Seen. Schon vor 11 000 Jahren lebten Indianer in diesen Bergen und Tälern. Handelsrouten von Stämmen westlich und östlich der Rockies führten über die umliegenden Bergpässe. Und auch der erste Europäer, der den Berg erblickte, der heute jeden entweder an das Schweizer Matterhorn oder ein Stück Toblerone Schokolade erinnert – oder sogar beides –, war ebenfalls ein Händler. Und zwar kein geringer: Eine Erkundungsreise brachte

1841 Sir George Simpson in die Gegend, den Gouverneur der Hudson’s Bay Company, die damals den Fellhandel in weiten Teilen Nordamerikas kontrollierte. Im Jahre 1845 erwähnte der Jesuitenpater Pierre-Jean de Smet den Mount Assiniboine in seinem Tagebuch: «Die Monumente des Cheops und Chephren schwinden dahin, angesichts dieser gewaltigen natürlichen Felsenarchitektur.» Er befand sich auf einer Missionsreise, die ihn aus Idaho bis an den unweit entfernt liegenden Bow River und später weiter nach Fort Vancouver im heutigen US-Bundesstaat Washington führte. De Smet war sichtlich beeindruckt. Die ersten Männer jedoch, die den legendären Berg bestiegen, waren der Brite Sir James Outram und seine beiden Schweizer Führer Christian Hasler und Christian Bohren. 1901, über 50 Jahre nach dem Pater, erklommen sie den Gipfel über die Südwest-Wand. Und

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HAUTNAH Biken Aostatal

Auf Singletrails und Gämsenpfaden durchs Aostatal

HÖHENFLUG IN DIE VERGANGENHEIT Eine Mountainbike-Tour durchs Aostatal ist wie eine Zeitreise mit einer muskelbetriebenen Zeitmaschine. Wer genügend Körner für lange Anstiege mitbringt, dringt vor in eine Welt aus imposanten Gletschern und einsamen Berglandschaften – mit Dörfern wie aus einer längst vergangenen Märchenwelt.

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Biken Aostatal HAUTNAH

Die Wege sind noch feucht, die kalte Luft erwärmt sich in den Lungen zunächst nur widerwillig. Jetzt, im Spätsommer, ist die Hauptstrasse hinauf in den Wintersportort Breuil-Cervinia am Talende kaum befahren. Einige Hundert Höhenmeter, ein Dutzend Serpentinen und eine Tunnelpassage später zweigt der Weg von der Strasse ab – der ideale Zeitpunkt, die ersten Bekleidungsstücke im Rucksack zu verstauen. Denn die Betriebstemperatur für einen grossartigen Bike-Tag ist erreicht. Glasklar heben sich die Bergspitzen vom beinahe makellos blauen Himmel ab. Eine Gipfelpyramide scheint zum Greifen nah – das Matterhorn, die Bergikone. Der breite Schotterweg führt am Hang entlang. Fahrtechnisch entlockt er einem zwar keine Freudenjuchzer, doch dank

der grandiosen Aussicht legt das Gehirn diesen Weg durchaus unter der Kategorie «grossartige Erinnerungen» ab. Die Beine wirbeln Fahrer und Material vorwärts. Doch immer wieder verführen idyllische Plätze dazu abzusteigen. Still befehlen sie: «Setz dich, schau ins Tal, lausche der Stille!» Kaum auf dem Bike, wartet schon die nächste Versuchung innezuhalten. Diesmal liegt der Talboden beinahe unter den Fussspitzen, so steil fällt der Fels ab. Das ist keine Seltenheit im Aostatal. Hier, an der Südgrenze des Kantons Wallis zwischen der französischen Region Rhône-Alpes und dem Piemont erwarten den Biker jede Menge Höhenmeter – und entsprechend auch hochkarätige Abfahrten. Vom Mont Blanc bis zum

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HAUTNAH Biken Aostatal

Matterhorn fädeln einsame Trails durch die Landschaft, von flowig bis steil, von atemberaubend bis herausfordernd. Anstiege von 500 auf 2200 Meter Höhe sind bei Tagestouren durchaus Standard. Vier Tage werden wir in der Region unterwegs sein und sind uns bewusst, dass wir dabei nur einen ganz kleinen Bruchteil der möglichen Touren erkunden können. Startpunkt ist der gleichnamige historische Ort des Valtourneche auf etwa 1300 Meter über dem Meeresspiegel. Im 19. Jahrhundert starteten hier Expeditionen auf das zwölf Kilometer

Märchenhaft: Trail am Brecca d'Arver.

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entfernte Matterhorn. Valtournenche gilt daher als die Wiege des italienischen Alpinismus. Und in die gleiche Richtung wie damals die Bergsteiger sind auch wir am frühen Morgen in Richtung Matterhorn aufgebrochen.

Zeitreise in eine Welt ohne Hektik Der Schotterweg teilt sich nun in zwei schmale Pfade, die um ein verlassenes Pumpspeicherwerk herum führen. Fragende Blicke wechseln sich mit leuchtenden ab: ein Trail führt steil abwärts, der andere so steil hinauf, dass wohl nur Schieben hilft. Die Finger nesteln schon an den Fernbedienungen der Vario-Sattelstützen, da klärt ein Blick auf die Karte: Es geht hinauf. Nach einer kurzen Tragepassage zwischen malerischen Ruinen eines verlassenen Weilers wird der Weg aber bald fahrbar. Wieder auf dem Bike sitzend, geht es zwischen den verlassenen Häusern hindurch. Beinahe kann man das Lärmen und Treiben der ehemaligen Bewohner noch hören, die verwunderten Blicke angesichts der Frem-


Biken Aostatal HAUTNAH

den, die das Dorf durchqueren, noch fühlen. Enge, steile Gassen folgen. Nun geht es links hinab, ein steiler Trail zeichnet sich ab. Der Reisende und der Biker in der Brust kämpfen innerlich: noch ein paar Minuten die malerische Kulisse einatmen oder sofort den Trail heizen? Der Biker gewinnt. Der Daumen zuckt und senkt die Vario-Stütze in den Spassmodus ab. Steile und enge Spitzkehren warten darauf, bezwungen zu werden – mit dem Hinterteil weit über dem Hinterrad. Die oben noch recht steinigen, aber flowigen Wege führen weiter unten über Wiesen, dann zwischen Häusern hindurch wieder auf die Strasse. Rechts schimmert der Lago di Mayen durch die Bäume. Nach einem kurzen Ritt über das schlängelnde Asphaltband warten weitere schöne, nicht allzu steile Trails, die beinahe bis an die Talstation der Seilbahn führen, die hinauf nach Chamois fährt. Die Kabine ist schon in der Station, als wir ankommen. Die antrainierte Hektik beim Betreten bahnhofsähnlicher Infrastruktur ist überflüssig. Gondel und Gerätschaften sind schon etwas in die Jahre gekommen, sie bilden mit dem älteren Herren, der die Fahrscheine kassiert und of-

Flow am Bach: Die «Ru» bringt das Wasser von den Gletschern ins Tal.

fensichtlich für den Betrieb im Allgemeinen verantwortlich ist, ein Trio aus tiefer Entspanntheit. Es scheint, als könne sie nichts erschüttern. Mit ebendieser absolut authentischen Gelassenheit strebt die Gondel hinauf nach Chamois. Würde das tragende Seil reissen, fiele die Gondel aller Physik zum Trotz in Zeitlupe sanft gen Boden.

Raufkurbeln um runterzukommen – Kuhglocken, Bergseen und Ruhe Chamois ist ein Skiort, der zur warmen Jahreszeit Sommerschlaf hält. Doch an Schlaf ist erst einmal nicht zu denken. Nach einer Stunde des Höhenmetersammelns in den kleinsten Gängen lädt ein Bergsee ein, die Füsse im türkisgrünen Wasser baumeln zu lassen. Denn gleich wird es heiss: Herrliche Trails lassen die Bremsscheiben glühen. Über duftende und blühende Wiesen, vorbei an alten Gemäuern, begleitet vom allgegenwärtigen entfernten Läuten der Kuhglocken, führen sie ins nächste Bergdorf. In La Magdelene steigt Kaffeegeruch in die Nase, dessen Herkunft nicht zu ermitteln ist. Die Ruhe hier oben ist einzigartig. Einheimische wundern sich über die hochgerüsteten Bikes und geben bereitwillig Auskunft über den weiteren Wegverlauf. Oft passen die Lenker kaum durch die winkligen engen Gassen. Während die nun folgende Abfahrt kein Ende nimmt, melden die Kohlenhydratspeicher Notreserve. Bis zur Pizzeria am Tagesendziel in Châtillon ist es nicht mehr allzu weit. Doch die hungrigen Mägen müssen sich noch gedulden. Eine abgerissene Hydraulik-

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HAUTNAH Fliegenfischen Graub端nden

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Fliegenfischen Graubünden HAUTNAH

Mehr als nur Angeln – Abenteuer Fliegenfischen

KUNST DER VERFÜHRUNG Fliegenfischer sind die wahren Outdoor-Helden, denn Fische gucken nicht Meteo, sondern beissen bei jedem Wetter – oder auch nicht. Ein Abenteuer am Rand des Seetalsees mit dem Bündner Fliegenfischer-Original Beat Schlegel.

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HAUTNAH Fliegenfischen Graubünden

Fliegenfischen ist die Königsklasse des Fischens. «Eine Lebenseinstellung», sagt Beat Schlegel. Und am schönsten sei es an einem abgelegenen kristallklaren Bergsee. Das wollen wir mit eigenen Augen sehen, also heften wir uns an die nackten Fersen des Bündner Fliegenfischer-Profis. Beat kennt jeden Bergsee des Kantons fast besser als seine eigene Hosentasche und ist grundsätzlich barfuss unterwegs. Auch im Sommer über den Silvrettagletscher, wenn’s sein muss. «Die Sherpas in Nepal machen das ja auch so», sagt er, und versteht nicht, warum wir so grosse Augen machen. Von der Alp im abgelegenen Sardasca-Tal östlich von Klosters aus geht’s gute 400 Meter hoch über Stock, Wurzelwerk der Bergrosen und spitzigen Stein. Beat wieselt voran, wir, das Fotografenteam und die Autorin mit ihrem Partner, eilen flink, aber besohlt, hinterher. Die Herausforderung ist nicht der Aufstieg zum 2063 Meter hoch gelegenen See – bestückt mit Zelt, Matte, Schlafsack und Verpflegung. Das wahre Abenteuer beginnt, als wir die schmucke, nicht bewartete Seetalhütte hinter uns lassen und der «See», wie er knapp und hoch offiziell heisst,

Täuschend echte Fliegen – allesamt handgefertigt.

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sich vor uns ausbreitet wie ein grün-blau schimmernder Smaragd im Grund des Talkessels. Das Wetter passt. Strahlend blauer Himmel, praktisch wolkenlos. Aber eigentlich seien wir jetzt, Anfang Juli, zu früh, meint Beat. Auf der Höhe über der Baumgrenze würden die Fische oft erst ab Mitte Juli beissen. Macht nichts. Wir versuchen unser Glück trotzdem, waten, wie Beat, barfuss durchs eiskalte Gletscherwasser des Seebachs, der den See nährt, und schlagen hinten auf der morastigen Wiese unsere Zelte auf. Zwei Tage geben wir uns Zeit, um eine Forelle an Land zu ziehen. Und kaum haben wir unsere Matten aufgeblasen, die Schlafsäcke ausgerollt, steht Beat schon am See, hüpft über drei, vier kleinere auf den mächtigen Steinbrocken hinaus, der vier Meter entfernt vom Ufer wie ein Eisblock aus dem Wasser ragt, holt mit der Rute aus, schwingt die Schnur wie ein Cowboy sein Lasso kunstvoll durch die Luft, hin und zurück, mit jedem Schwung mehr Meter Schnur frei lassend, bis er die Fliege so weit draussen im See hat, wie er will, und den Köder auf der spiegelglatten Seeoberfläche absetzt. Jetzt können sie kommen, die Fische. Es ist serviert.


Fliegenfischen Graubünden HAUTNAH

Fies ausgetrickst und hypnotisiert Eigentlich ist Fliegenfischen ja fies. Die Fische werden ausgetrickst. Es sind keine lebenden Fliegen, wie der Name Laien Glauben machen könnte, sondern künstliche Köder, geschickt von Hand gebunden – einst aus Pferdehaar, Federn, Wolle, heute immer häufiger aus Kunststoff. Attrappen, die Fliegen und andere Insekten imitieren. «Du musst die Fische überlisten», sagt Beat. Je echter der Köder ausschaut, desto eher glaubt der Fisch, fette Beute vor sich zu sehen, und schnappt zu. «Wenn er mal einen Köder erspäht hat, ist der Fisch wie hypnotisiert. Dann macht’s in seinem Hirn ‹klick›, egal ob Haifisch, Makrele oder Forelle, und er hat nur noch die fette Beute im Visier. Die Kunst ist, den Fisch in genau diesen Zustand zu versetzen», sagt der Profi. Dabei gerät er ins Schwärmen: «In Kanada hab ich mal einen atlantischen Lachs gefangen. Das sind Mordsbrocken. Für einen Fliegenfischer das höchste der Gefühle!» Und auch hierzulande gingen immer wieder fette Fische an die Fliegenfischerangel. Etwa kürzlich im

Unterengadin die 12,5 Kilo schwere und 95 Zentimeter lange Bachforelle! Über 40 Minuten habe der junge Fischer gebraucht, um den fetten Fang an Land zu ziehen. Der Vater, den er angerufen habe, sei eine halbe Stunde Weg zu ihm herbei geeilt und habe ihm geholfen, diesen Prachtfisch an Land zu ziehen. Und ist es nicht wahr, dann wäre es zumindest gut erfunden. Beat sprudelt über mit solchen Erfolgsgeschichten. Fischermannsgarn vom Feinsten! Damit der Fang nicht nur in kühnen Träumen funktioniert, braucht es eben diese täuschend echten Fliegen. Und die zu binden ist eine Kunst. In Online-Foren und in der Fachliteratur finden sich zahlreiche Anleitungen zum Bau der künstlichen Köder. Dabei ist Fliegenfischen eine uralte Form, Fische zu fangen. Bereits in über 2000 Jahre alten griechischen Schriften findet man Hinweise auf künstliche Fliegen aus Fell- und Federstücken. Im frühen Mittelalter beschrieb eine Äbtissin eines Nonnenklosters in England den Bau von zwölf speziellen Fliegen zum Fang von Forelle und Äsche: Juliana Berners 1496 veröffentlichtes Werk «Treatyse of

Fliegenfischer aus Passion: Beat Schlegel und …

… seine liebste Rolle.

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HAUTNAH Wandern Via Alpina

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Wandern Via Alpina HAUTNAH

Via Alpina für Geniesser

SCHWITZEN UND SCHLEMMEN Via Alpina einmal anders: Wer auf der anspruchsvollsten nationalen Wanderroute unterwegs ist, braucht auf Luxus und Komfort nicht zu verzichten. Die «Genuss-Tour» von Engelberg nach Adelboden zeigt das in aller Deutlichkeit.

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HAUTNAH Wandern Via Alpina

Outdoor-Erlebnis auf der einen – Komfort, Wellness und Genuss auf der anderen Seite: Passt das überhaupt zusammen? Ruedi Jaisli, Geschäftsführer von Swiss Trails, dem offiziellen Tour Operator von Schweiz Mobil, hat dazu eine klare Meinung: «Heute wollen sich immer mehr Menschen draussen bewegen. Sie sind aber nicht bereit, auf einen gewissen Komfort zu verzichten. Das ist ein klarer Trend.» Sowohl im Wander-, als auch im Velo- und Mountainbikeland Schweiz sei dies gut zu spüren. Swiss Trails bietet deshalb die Möglichkeit an, Outdoor-Touren mit guten Wellness-Hotels zu verbinden. «Denn dafür», so Jaisli, «gibt’s bei einer relativ neuen, jüngeren und sportlichen Kundschaft eine grosse Nachfrage.» Klingt verlockend, das wollen wir doch testen! Wir suchen uns also das Filetstück der Via Alpina aus, der anspruchsvollsten nationalen Wanderroute. Für die geplanten sieben Etappen wählen wir bei Swiss Trails die

Hotelkategorie «Top Class». Will heissen: Wo immer möglich, logieren wir nach den langen Wanderungen in Viersterne-Hotels, erholen uns in hoteleigenen WellnessZonen und tanken auf Gault-Millau-Niveau wieder Energie. Schweiss und Entbehrungen tagsüber, Genuss und Erholung am Abend – ein interessantes Spannungsfeld. Selbstverständlich transportiert der Tour Operator die Koffer von Unterkunft zu Unterkunft – wir brauchen auf den einzelnen Tagesetappen nur das Nötigste mitzunehmen. Von Engelberg soll die Wanderung nach Gstaad führen. Am ersten Tag nach Meiringen (über den Jochpass), anschliessend nach Grindelwald (über die Grosse Scheidegg), Wengen (über die Kleine Scheidegg) und in den knackigsten Etappen auf die Griesalp (über die Sefinenfurgge) und weiter nach Kandersteg (über das Hohtürli). Als Dessert sind schliesslich noch die Abschnitte nach Adelboden (über die Bonderchrinde) und via Lenk nach Gstaad (über den Hahnenmoos- und den

Verlaufen ist (fast) unmöglich. Die Via Alpina ist als nationale Wanderroute gut beschildert.

Traumpfade: Schon die erste Etappe entlang des Engstlensees bietet spektakuläre An- und Aussichten.

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Wandern Via Alpina HAUTNAH

Trüttlisbergpass) vorgesehen. Einzelne dieser Tagesetappen sind auf der Website von Schweiz Mobil mit zehneinhalb Stunden Gehzeit veranschlagt – auf der Seite des Outdoor-Erlebnisses und der körperlichen Beanspruchung wird es also zweifellos an nichts fehlen.

Klassischer Fehlstart Schon bei der Planung sehen wir, dass es zwischen den offiziellen Routenvorschlägen von Schweiz Mobil und jenen von Tour Operator Swiss Trails Unterschiede gibt. Das Unternehmen von Ruedi Jaisli, einem der ersten Routenerkunder der heutigen Via Alpina, empfiehlt nämlich da und dort, für ein Teilstück auf den ÖV zurückzugreifen. Wir vertrauen voll und ganz auf seine Ortskenntnis und erklimmen am ersten Tag den Jochpass mit der Gondel- und der Sesselbahn. Fünf Stunden

Wandern bis zum «Alpentower» – eine vernünftige Ration für den Starttag, wie uns scheint. Der Start vom Jochpass verzögert sich allerdings. Denn nach den ersten Schüssen bemerkt Fotograf Rob, dass ihm sein Portemonnaie abhanden gekommen ist. Immerhin kann er den Zeitpunkt des Verlusts ziemlich genau rekonstruieren, weil er bei der Talstation des Sessellifts Trübsee–Jochpass sein Ticket noch vorgewiesen hat. Also ein Sprint zurück zur Bergstation und ein Telefonat ins Tal, wo anschliessend jede Sitzbank untersucht wird. Tatsächlich kommt das vermisste Portemonnaie kurz darauf zum Vorschein und wird anschliessend mit Lift zu seinem erleichterten Besitzer auf dem Jochpass befördert – dem Start steht jetzt nichts mehr im Wege. Sieben Stunden später wollen wir in Meiringen erstmals erkunden, was es denn mit den Begriffen «Wellness» und «Genuss» im Hotel so auf sich hat. Die 1600 Höhenmeter von Planplatten ins Dorf haben wir wie emp-

Kraxeleien: Auf fünfstündigen Etappen bleibt genügend Zeit für Spass.

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PORTRÄT Sarah Marquis

Sarah Marquis: Die Extrem-Wanderin

«ICH WERDE ZUM TIER» Sie wandert und wandert und wandert ... zuletzt in drei Jahren von Sibirien nach Australien. Dabei nimmt sie schier unmenschliche Strapazen auf sich. So entdecke sie ihre animalische Seite, sagt die 42-jährige Sarah Marquis, und finde «die vollkommene Harmonie mit der Natur». Die Geschichte einer Frau, die als Abenteurerin geboren wurde.

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Sarah Marquis PORTRÄT

Nach drei Monaten sind die Schmerzen weg. Am Morgen nach dem Aufwachen sind die Stimmen im Kopf verschwunden, die ihr einreden wollen, dass das alles doch viel zu anstrengend sei. Dass es keinen Sinn mache aufzubrechen, weiterzulaufen, zu kämpfen. Plötzlich ist es normal, Alltag, ihr Leben. Nach sechs Monaten ist ihr Körper rein, nach einem Jahr, bemerkt sie, werde sie zu Natur. Zu einem Tier, immer achtsam, mit geschärften Sinnen, um jederzeit alle lauernden Gefahren zu erkennen. Ihre Sensibilität gehe dann so weit, dass sie auf die Distanz von einem Kilometer Touristen riechen könne, sogar deren Shampoo. Sie sagt: «Natürlich gibt es immer wieder Rückschläge, dann kehren die Stimmen zurück, die Schmerzen. Es ist mühsam,

manchmal auch die Hölle. Aber es ist genau die Harmonie mit der Natur, die ich seit meiner Kindheit suche.»

Die wandernde Philosophin Sarah Marquis, 42, sitzt in einer Autobahnraststätte bei Martigny im Wallis. Nichts erinnert an das Tier mit den geschärften Sinnen. Sie trägt eine weisse Designer-Sportjacke, sie hat gepflegtes, langes, dunkelblondes Haar, ein strahlendes Lächeln – eine schöne Frau. Sie sei als Abenteurerin geboren, stellt sie gleich zu Beginn klar, was allerdings weniger mit Draufgängertum als viel mehr mit einem Geisteszustand zu tun habe. Und so ist sie auch mit

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PORTRÄT Sarah Marquis

der Bezeichnung «Abenteurerin» nicht restlos glücklich, eher fühlt sie sich als «wandernde Philosophin», die der Natur eine Stimme geben will, die sich als «Brücke zwischen Mensch und Natur» versteht. Im Gespräch zitiert sie Friedrich Nietzsche, hält fest, dass sie in ihren Vorträgen nie anklagend, belehrend oder moralisierend sei. In der technisierten Welt gehe oft das Wichtigste, die Grundlage von allem vergessen: die Erde. «Davon will ich einfach erzählen. Von meinen ungefilterten Eindrücken, die nicht erst vom menschlichen Gehirn eingeordnet wurden.» In ihrem Elternhaus erinnerte erst einmal wenig an die extremen Abenteuer, die sie später unternehmen sollte. Sie wuchs in Montsevelier im Kanton Jura mit einem älteren und einem jüngeren Bruder auf. Die Fa-

milie ging wandern und Pilze suchen, so wie das viele Schweizer Familien tun. Sie war eine gute Schülerin, kümmerte sich um die zahlreichen Haustiere: Schafe, Hasen, Hunde. So weit war alles «normal». Aber Sarah war anders. Das wurde spätestens klar, als sie als Achtjährige mit ihrem Hund einen Spaziergang zu einer nahe gelegenen Höhle unternahm, von den Fledermäusen fasziniert war und deshalb beschloss, dort zu übernachten. Die Eltern, die, ausser sich vor Angst waren und die Polizei alarmierten, hatte sie über ihr Vorhaben nicht informiert. Und auch für das Sackgeld hatte sie schon früh eine ganz eigene Verwendung: Während andere Süsses kauften, interessierte sie sich für OutdoorMagazine. So fing das an.

Alleine mit der Natur: Campieren in der Wüste Gobi.

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Sarah Marquis PORTRÄT

Abenteurerin des Jahres Es sei «eine grosse Ehre» für sie: Von der europäischen Outdoor-Branche wurde Sarah Marquis zur «Abenteurerin des Jahres 2014 in Europa» gewählt. An der Preisverleihung auf der Sportartikelmesse Ispo in München musste sie sich von einem langjährigen Freund und Sponsor vertreten lassen, da sie zu jener Zeit in den USA weilte. Gleichzeitig war sie vom renommierten Wissenschaftsmagazin «National Geographic» mit neun anderen für die Auszeichnung «Abenteurer des Jahres 2014» nominiert worden. Sieger in der Publikumswahl wurde allerdings der spanische Skibergsteiger, Mountainbiker und Bergläufer Kílian Jornet Burgada.

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DIE ETWAS ANDERE REPORTAGE

DAS EXPERIMENT – Übernachten auf dem «portablen Felsvorsprung» Ich soll mitten in einer Felswand übernachten. Und zwar allein. In einem Portaledge (portable ledge = portabler Felsvorsprung), das Big-Wall-Kletterern auf mehrtätigen Touren zu ein paar Stunden Entspannung verhilft. Dabei war ich in meinem bisherigen Leben vielleicht zwanzig Mal klettern! Allein beim Gedanken an Höhe und Dunkelheit wird mir mulmig. Es plätschert leise. Pesche Wüthrich kehrt mir den Rücken zu, wir unterhalten uns betont ungezwungen über das Wetter, seine Töchter, das Tessin. Hinter meinem Rücken geht es hundert Meter in die Tiefe, und ich pinkle bestimmt schon eine halbe Minute an den Fels. Erst im letzten Moment habe ich mein Bedürfnis angemeldet, denn Wasserlassen in der Felswand ist nicht ohne. Regel Nummer 1: Auf keinen Fall den Klettergurt ablegen. Nun bin ich aber in Gottes Namen eine Frau. «Normalerweise nimmt man Trichter und Flasche mit», lacht Pesche. Zum Glück ist jetzt nicht «normalerweise», und ich muss mich noch eine ganze Weile mit meinem gesamten Gewicht in den Gurt lehnen, bis meine

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übervolle Blase geleert ist. Ich nehme mir vor, in den nächsten Stunden nur noch so viel zu trinken wie unbedingt nötig. In der Felswand werden die Bedürfnisse aufs Wesentliche reduziert. Allein schon wegen des Gewichts kommt nur mit, was wirklich gebraucht wird. «Abgesehen davon kann auch alles potenziell in die Tiefe stürzen», warnt Pesche Wüthrich. Er ist Kletterer mit Leib und Seele, schon über 40 Jahre widmet er sich dem Fels. Drei Tage pro Woche arbeitet er im Flagship-Store von Transa in Zürich, die restliche Zeit verbringt er möglichst unter freiem Himmel. An der Sonne. Seine Vorliebe für schönes Wetter war auch der Grund, weshalb er vor 15 Jahren mit seiner damaligen Frau ins Tessin ausgewandert ist. «Ciao Kletterlegende», begrüssen ihn die Kumpanen in Ponte Brolla mit der typisch italienischen Betonung auf allen «E»s. «Kletterlegende» ist sein Spitzname, seit die Presse ihn vor Jahren so betitelte. Seine Freunde haben sogar einen Boulder so benannt: Ganz in der Nähe liegt also ein Felsblock mit dem Namen «Kletterlegende». Vor dem Einstieg hatte Pesche das gesamte Material für das nächtliche Experiment ausgelegt: Seile, Karabiner, Klettergurt, Schuhe, Lampe, Essen, Wasser, Schlafsack, Matte und schliesslich das Portaledge selber. «Das Cover


DIE ETWAS ANDERE REPORTAGE

lassen wir hier, sonst fühlst du dich wie im Zelt – und wir wollen ja ein bisschen Thrill! Es gibt bestimmt keinen Regen.» Ich nicke, lächle äusserlich entspannt. Innerlich frage ich mich: Wo ist die Grenze zwischen «ein bisschen Thrill» und tatsächlicher Angst? Schwer bepackt mit je zwei Rucksäcken steigen wir die ersten hundert Höhenmeter auf. Die Sonne steht schon tief, als wir am Fuss der Wand an meinem Nachtlager basteln: Aus Alustangen stecken wir den Rahmen zusammen, spannen ein Tuch dazwischen, und fertig ist das Doppelbett! Dann klettern wir los. Pesche bewegt sich gewandt wie eine Spinne in der Wand. Für ihn scheint auch das Hochziehen von Gepäck und Bett kein Problem zu sein. Vorstieg, Top-Rope montieren, schon ist der Lastenlift fertig. Dann tönt er: «Du kommst jetzt einfach nach!» Ja, einfach. Über ein Jahr ist es her, seit meinem letzten Mal im Fels. Senkrecht und glatt ragt die Wand empor. Ich bekomme Herzklopfen. Meine Fingerkuppen spüren die Reibung am Fels sofort. Aber schliesslich meistere ich die zwei Seillängen ohne Sturz. Oben wird erst einmal das luftige Lager eingerichtet: Pesche sichert mich doppelt. Stück für Stück übergibt er mir das Gepäck. Ich fi xiere jedes einzelne mit einem Karabiner: behutsam, aufmerksam. Das ist wichtig in der

Felswand. Ein Mätteli aufzublasen, wird zum Erlebnis, wenn sein Ende über dem Abgrund schwebt. Ein leichter Schwindel erfasst mich. Ich muss mich einen Moment lang am Seil festhalten. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase fühle ich mich auf dem Portaledge pudelwohl. Pesche beginnt auf dem Felsvorsprung neben mir zu kochen, ich lege mich hin, die Sonne geht langsam unter – so muss es sein! Ich fühle mich wie im Hotel, werde bedient und nach meinem Befinden gefragt. Mein Portaledge ist eine Suite mit französischem Bett und Seeblick. Die ersten Lichter spiegeln sich im Lago Maggiore. Dann verabschiedet sich mein Guide. «Wenn wirklich etwas ist: Ich bin in Rufdistanz. Ob mein Natel tatsächlich Empfang hat, weiss ich nicht. Aber es wird schon nix sein.» Er selber sei schon mal mitten in der Nacht vom Felsvorsprung gerollt – und erst durch den Sturz aufgewacht, erzählt mir Pesche im Hinunterklettern. Ein Adrenalinstoss höchster Klasse sei das gewesen. – Ob ich das wirklich wissen will? Nun bin ich allein. Ich überlege, was ich für die Nacht bereitlegen muss. Die warme Unterwäsche wollte ich noch überziehen. Doch wie zieht man Leggins an, ohne den Klettergurt zu lösen? Oberstes Gebot: Du bist immer gesi-

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Mountainbikes TEST

Bike-Test: Adieu 26 Zoll

EVOLUTION ODER REVOLUTION? Drei Jahrzehnte lang waren 26-Zoll-Laufräder bei Mountainbikes eine feste Grösse. Ab dieser Saison ist das weitgehend Vergangenheit. Die neuen Gardemasse lauten 27,5 und 29 Zoll. Sind die grossen Räder tatsächlich der grosse Wurf? OUTDOOR GUIDE schickte 19 Probanden zum Vielseitigkeitstest ins Tessin. gefragt. Die Bikes im Test sollen sich effizient bergauf bewegen lassen, verblockte Passagen problemlos wegstecken und auf technisch anspruchsvollen Abfahrten Spass machen. Damit auf langen Touren der Rucksack nicht in den Nacken rutscht und die Rückenmuskulatur entspannt bleibt, sollte die Fahrposition zudem nicht zu gestreckt ausfallen. Gefragt ist die goldene Mitte. Leider konnten nicht alle Hersteller bereits Ende Oktober ein fahrbares Muster liefern. Deshalb fehlen Marken wie Specialized, Cannondale und Stöckli dieses Jahr im Test.

FOTO Scott Sports/Daniel Geiger

FOTO Koba

Was muss ein gutes Bike leisten? Das Pflichtenheft des OUTDOOR GUIDE für den Mountainbike-Test orientiert sich bewusst an den Bedürfnissen engagierter HobbySportler. Die können oder wollen sich nicht mehrere Fahrräder leisten und starten allenfalls mal zum Spass bei einem Rennen. Anstiege bewältigen sie in der Regel aus eigener Kraft, und bergab ziehen sie im Zweifelsfall den anspruchsvolleren Weg vor – ein bisschen Spass muss schliesslich auch sein. Statt der für rennorientierte Modelle typischen Spezialisierung ist daher Vielseitigkeit

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TEST Mountainbikes

27,5- und 29-Zoll-Bikes übernehmen das Zepter Um den vollen Umfang von Veränderungen zu erfassen, muss man manchmal einen Schritt zurück machen und etwas Distanz gewinnen. Das gilt auch für die Mountainbikes, wie sie OUTDOOR GUIDE in den vergangenen Jahren im Vergleichstest hatte. Das Testfeld der Bikes für die Saison 2014 präsentiert sich ganz anders als noch vor fünf Jahren. Rollten damals noch alle Probanden auf Rädern mit 26-Zoll-Durchmesser, war dies beim aktuellen Test im Tessin bei keinem einzigen Velo mehr der Fall. Die Branche hat die Umstellung auf 29 oder 27,5 Zoll ebenso rasant wie komplett vollzogen. Gerade Bikes der vielseitigen, eher für lange Touren als für Rennen konzipierten Kategorie Allmountain profitieren von den

Alle Infos auf einen Blick Fahreigenschaften, Einsatzbereich, Gewicht und PreisLeistungs-Verhältnis – das sagen die Testgrafiken aus. Die Bewertungen erfolgten jeweils aus Sicht eines vielseitigen Einsatzbereiches bei Biketouren, berücksichtigen aber jeweils auch den primär vorgesehenen Einsatzbereich des Bikes (zum Beispiel mehr abfahrtsorientiert oder mehr aufstiegsorientiert; siehe dazu auch die Bewertungen Einsatzbereich). Die Wertung erfolgt jeweils in 10 farbigen Abstufungen. Für die beste Bewertung gibt es 10 farbige Felder. FAHREIGENSCHAFTEN ANSTIEGE Wie mühelos fährt sich das Bike bergauf? Bietet das Fahrwerk viel Traktion, neigt es zum Aufschaukeln? Passt die Sitzposition, um kraftvoll in die Pedale zu treten? Je höher der Wert, desto besser. ABFAHRT Kann man es bergab laufen lassen? Bietet das Bike Reserven für grobes Gelände und die nötige Laufruhe für hohe Tempi? Kommen Überschlagsgefühle in steilen Passagen erst gar nicht auf? Auch hier ist ein höherer Wert besser. ERGONOMIE Wie bequem ist das Bike, eignet sich die Sitzposition auch für stundenlange Ausfahrten, eventuell mit einem Rucksack? Lässt sich das Bike einfach beschleunigen, und kann man das Tempo auch über längere Strecken halten? Wieder ist ein höherer Wert besser.

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Vorteilen, die grössere Räder beim Überrollen von Hindernissen bieten. Und so viel vorweg: Weil die Hersteller intensiv an den Geometrien der Mountainbikes gearbeitet haben, erkauft man sich diese Vorteile kaum noch mit Abstrichen bei den Fahreigenschaften. Nicht nur bezüglich der Radgrössen hat sich einiges getan. Auch beim Antrieb stand der Innovationsmotor nicht still. Hier gilt das Motto: «Weniger ist mehr.» Waren Kurbeln mit drei Zahnkränzen vor fünf Jahren am Mountainbike noch die Regel, sind sie beim aktuellen Jahrgang nur noch an den Testbikes von Simplon, Wheeler und GT verbaut. Die Regel sind nun Antriebe mit zwei Kränzen, die zudem einen Tick kleiner ausfallen. In Kombination mit den grösseren Laufrädern resultieren wieder die gewohnten Gänge. SRAMs 11-Gang-Antrieb, einer der nächsten Trends, ist nur am Testbike von Intense verbaut. Der Ver-

EINSATZBEREICH ENDURO Die Anstiege werden meist aus eigener Kraft, aber ohne Stress bewältigt. Wichtiger sind für diesen Einsatzbereich die Abfahrtseigenschaften und Reserven für grobes Gelände. TOUR/ALLMOUNTAIN Auf langen Tagestouren in anspruchsvollem Gelände sind ausgewogene Fahreigenschaften gefragt. Ein Bike sollte sich weder bergauf noch in der Ebene oder bergab Schwächen erlauben, um hier gut abzuschneiden. MARATHON/RACE Hier ist Effizienz gefragt: Ein Bike sollte leicht sein, sich rasant beschleunigen lassen und eine Sitzposition bieten, die eine volle Kraftentfaltung erlaubt. Um bergauf möglichst viel Vortrieb zu ermöglichen, fällt das Fahrwerk merklich straffer aus.

FAKTEN AUSSTATTUNG Neben der Qualität von Rahmen und Federbeinen spielen die verbauten Laufräder, die Schaltung und die Bremsen eine zentrale Rolle. Ein hoher Wert steht für eine hochwertige Ausstattung. GEWICHT Bergauf ist das Gewicht bei Mountainbikes ein wichtiges Kriterium. Je leichter das Bike, desto höher die Punktzahl. PREIS Was bekommt man für sein Geld geboten? OUTDOOR GUIDE setzt den Preis in Relation zu den übrigen Bewertungen und beurteilt damit das Preis-Leistungs-Verhältnis.


Mountainbikes TEST

FAHREIGEN S AN AB C

PREIS CHF 10 999.GEWICHT 12,60 kg (getestete Rahmengrösse: Medium) GEWICHT LAUFRÄDER 4160 g FEDERWEG vorne 140 mm, hinten 140 mm RAHMEN Hauptrahmen und Hinterbau Carbon FEDERBEIN Fox Float Factory CTD FEDERGABEL Fox 34 Talas Factory FiT CTD SCHALTUNG Shimano XTR, 2x10 BREMSEN Shimano XTR Trail, Durchmesser Disc vorne 203 mm, hinten 180 mm, IceTec RÄDER DT Spline XRC1350 29, Komplett-Laufräder REIFEN Continental MountainKing, 29 x 2.40 Zoll SONSTIGES Teleskopsatttelstütze Rock Shox Reverb Stealth INFO BMC Trading AG, Tel. 032 654 14 54 WWW bmc-racing.com CHARAKTER Mit dem «TF01 XTR» trifft BMC ins Schwarze: Bergauf, bergab, in der Ebene – dieses Bike der Superlative mischt immer vorne mit. Auch in puncto Handling trifft der tolle Alleskönner aus Grechen die goldene Mitte aus Laufruhe und Wendigkeit. Bei der Ausstattung kommt vom Fahrwerk EIN EN FT über Shimanos XTR-BremsanS E HA E lage und -Schaltung bis zu den Laufrädern mit Carbon-Felgen von DT Swiss nur das Beste zum Zug. Aber etwas anderes A P darf es zu diesem astronomiG FAKTEN schen Preis auch nicht sein.

FAHREIGEN S AN AB C

PREIS CHF 3498.GEWICHT 12,70 kg (getestete Rahmengrösse: Medium) GEWICHT LAUFRÄDER 4430 g FEDERWEG vorne 120 mm, hinten 120 mm RAHMEN Aluminium Ultra Lite, dreifach konifiziert FEDERBEIN Fox Float Performance CTD Boost Valve FEDERGABEL Fox 32 Float Evolution CTD SCHALTUNG SRAM X.9, Schaltwerk SRAM X.0, 2x10 BREMSEN Avid Elixir 7, Durchmesser Disc vorne 180 mm, hinten 180 mm RÄDER Naben Sram MTH, Felgen Sun Ringlé Inferno 27 REIFEN Schwalbe Nobby Nic, 29 x 2.25 Zoll SONSTIGES – INFO Bergamont Schweiz AG, Tel. 032 654 14 94 WWW bergamont.ch CHARAKTER Das straffe Fahrwerk und die eher sportliche Sitzposition machen das «Contrail 8.4» von Bergamont zu einem effizienten Kilometerfresser für gemässigtes Gelände. Wenn es ruppig wird, fehlen dem Bike jedoch die nötigen Reserven, und bei hohem Tempo fährt es sich etwas nervös. Dafür ist das Bergamont das günstigste Mountainbike EIN EN FT im Test, und gemessen am S E HA E Preis können sich auch die Ausstattung und das Gewicht durchaus sehen lassen. Wer lieber weit als am Limit fährt, A P bekommt mit dem «Contrail G FAKTEN 8.4» viel Bike fürs Geld.

CH EREI M ZB AT T

BMC «TRAILFOX TF01 XTR»

CH EREI M ZB AT T

BERGAMONT «CONTRAIL 8.4»

AN = Anstiege, AB = Abfahrt, E = Ergonomie, E = Enduro, T = Tour, M = Race/Marathon, A = Ausstattung, G = Gewicht, P = Preis

zicht auf einen Umwerfer spart Gewicht und sorgt für einfachste Bedienung und einen aufgeräumten Lenker. Dafür ist die Gangauswahl eingeschränkt: Wer oft 1000 Höhenmeter am Stück bergauf fährt, ist mit zwei Kettenblättern vorne nach wie vor besser bedient.

Nützliche Details für grobes Gelände Obwohl nur an den Testrädern von BMC und Giant eine Kettenführung verbaut war, gab es im Testbetrieb keine Probleme mit abspringenden und sich zwischen

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FOTO Mountain Hardwear / James Newman

HINTERGRUND Zelte

Kaufberatung Zelte: Was Freizeit-Nomaden wissen sollten

GUTE OUTDOOR-NACHT Für manche ist es der Schrecken der Nacht, für Outdoor-Enthusiasten die Krönung einer Tour: das Zelten. Leid und Leidenschaft liegen nah beieinander, wenn es mit mobilen Behausungen aus Nylon & Co. in die Wildnis geht. Wer weiss, worauf es bei Zelten und beim Zelten ankommt, kann in Ruhe seine Outdoor-Träume geniessen.

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FOTO Mountain Hardwear / James Newman

Als Nomaden werden gemäss Wikipedia Menschen bezeichnet, «die aus kulturellen, ökonomischen oder weltanschaulichen Gründen eine nicht sesshafte Lebensweise führen». Zugegeben, als Dauerzustand wäre das für die meisten von uns nicht unbedingt erstrebenswert. Aber wenn wir uns in die Natur «flüchten», gehören Nächte im Zelt mit zum Schönsten, was das Outdoor-Leben zu bieten hat – vorausgesetzt, man geht solch kleine Abenteuer richtig an und hat sich für das passende Material entschieden. Worauf kommt es an – beim Zelt und beim Zelten?

Grundverschieden: Zelttypen und -formen Die Grundform eines Zeltes entscheidet bereits zu einem guten Teil über seinen Einsatzzweck. Bodenbeschaffenheit, Windexposition und Jahreszeit sollten berücksichtigt werden, wenn es um die grundsätzliche Form geht. Die gebräuchlichsten Zelttypen sind Tunnel- und Kuppelzelte sowie Mischformen. Für spezifische Einsatzzwecke kommen Geodät- und minimalistische Ultraleicht-Zelte in Frage. Als Übernachtungsstationen für mehrere Nächte erfreuen sich skandinavische «Lavus» Lappenzelte oder den Indianer-Zelten ähnliche «Tipis» zunehmender Beliebtheit. Das Tunnelzelt ist der Trekking-Klassiker. Die Halbröhrenform bietet ein sehr gutes Gewichts-Platz-Verhältnis und ermöglicht durch seine steilen Seitenwände ein angenehmes Raumklima und viel Platz. Vor allem die Modelle mit verlängerter Apside durch einen zusätzlichen Gestängebogen sind hervorragend für Touren in Gebiete geeignet, in denen nicht immer eitel Sonnenschein herrscht. So kann im Vorraum mit der Ausrüstung hantiert oder nasse Bekleidung abgelegt werden, ohne das trockene Innenzelt in einen Nassbereich zu verwandeln. Auch eignet sich die

erweiterte Apside bei Regen zum Kochen im Zelt – einwandfreie Belüftung vorausgesetzt. Längs in Windrichtung gesetzt, sind Tunnelzelte sehr hart im Nehmen. Nicht umsonst schmücken die roten Halbröhren in den Eiswüsten die Fotos von Polar-Expeditionen. Aufgestellt sind sie schnell. In der Regel werden nur zwei bis drei Gestängebögen in die entsprechenden Kanäle geschoben und das Zelt in der Länge gespannt, schon steht die Bude. Nachteil: Tunnelzelte müssen immer abgespannt werden, was zum Beispiel auf felsigem Untergrund problematisch werden kann. Hinzu kommt, dass sie eine verhältnismässig grosse Stellfläche benötigen, ebenfalls oft Mangelware im Fels. Hier punkten Kuppelzelte und Geodäten. Sie stehen von selbst und brauchen weniger Platz. Abgespannt werden sollten sie trotzdem, denn ordentlich gestraffte Zeltleinen optimieren die Stabilität der Konstruktion. Und gerade dort, wo Kuppelzelte ihre Stärken ausspielen – nämlich in alpinen Regionen und an Felsküsten –, legt der Wind nicht selten ohne Ansage plötzlich zu. Klassische Kuppelzelte tragen ihre Aussenhaut auf zwei oder drei sich kreuzenden Gestängen. Eine Art Sonderform sind Geodät-Zelte. Dabei kreuzen sich mindestens vier Gestänge an mehreren Stellen. Diese Rautenstruktur ist extrem stabil, schlägt aber auf der Waage ordentlich zu Buche. So wiegen Drei-Personen-Geodäte schnell zwischen vier und fünf Kilogramm, wie zum Beispiel das fast schon legendäre Modell «VE 25» von The North Face. Die Zielgruppe für Ultraleicht-Zelte ist sehr spitz. Dabei handelt es sich eher um Notbehausungen, meist für eine Person, die zwar durchaus passablen Wetterschutz bieten, Starkwind aber nicht allzu viel entgegenzusetzen haben – vom fast gänzlich fehlenden Komfort ganz zu schweigen. Trailrunnern und andere Outdoorern, die auf minimales Gepäck angewiesen sind, bieten solche Mini-Doppelwandzelte das Packmass einer Thermosflasche und ein Gewicht

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HINTERGRUND Zelte

Selbstanalyse – das richtige Zelt Gewicht ist nicht alles. Klar, niemand schleppt gerne zuviel. Doch mancher andere wichtige Aspekt gerät da schnell aus dem Blickfeld. Dabei machen sich der Komfort eines etwas geräumigeren Zeltes oder die Sicherheit eines stabileren Modells meistens bezahlt. Vor allem dann, wenn es draussen wirklich stürmt, regnet und ein funktionierendes mobiles Dach über dem Kopf das Beste ist, was einem passieren kann. Beantworten Sie ehrlich die folgenden Fragen, und Sie werden sehen, das individuell passende Modell zu finden ist gar nicht so schwer. • Welche Art von Touren will ich mit dem Zelt machen? • Wann und wo will ich das Zelt nutzen? • Wie will ich das Zelt transportieren? • Mit welchen Wetterbedingungen habe ich zu rechnen? • Wie weit entfernt von der Zivilisation werde ich sein? • Wie viel möchte ich ausgeben?

VAUDE «LIZARD GUL 1P»

TREKKING-TOUR NICHT-ALPIN

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BIKE-TOUR ALPIN

ULTRALEICHT-ZELT

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BIKE-TOUR NICHT-ALPIN

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KANU-TOUR MEER

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KANU-TOUR FLUSS & SEE

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ULTRALEICHT-TOUR (Z.B. TRAILRUNNING) FAMILIEN-TOUR

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EXPEDITION ALPIN EXPEDITION NICHT-ALPIN

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TIPI / LAVU

GEODÄT

MEHRTAGES-BERGTOUR

KUPPELZELT

EINSATZBEREICHE

TUNNELZELT

ZELTTYPEN UND IHRE EINSATZBEREICHE

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TYP Ultraleicht-Zelt PREIS CHF 850.GEWICHT 729 g (inkl. Packsack) PERSONEN 1 PACKMASS 35 x 10 cm LIEGEFLÄCHE (LÄNGE X BREITE) 210 x 60 cm EINGÄNGE/APSIDEN 1/1 AUSSENZELT MATERIAL & WASSERSÄULE 10 Denier Nylon-Ripstop, 3000 mm BODENWANNE MATERIAL & WASSERSÄULE 40 Denier Nylon-Ripstop, 10 000 mm GESTÄNGE Carbon BESCHREIBUNG Das Kürzel «GUL» steht für «giga-ultraleicht». Und leicht ist das «Lizard GUL 1P» allemal. Ein Mini-Doppelwandzelt für Trailrunner, Mountainbiker und Ultraleicht-Fans – mit dem Packmass einer Thermosflasche. Komfort heisst in diesem Fall: kaum Gewicht. Der Hauptaufbau besteht aus einem Halbbogens aus Carbon. Der muss allerdings mit einem Metalldorn im Boden versenkt werden, um ihm Halt zu geben, was in felsigem oder sandigem Gelände zur Herausforderung wird. Auch die Heringe sollten komplett im Boden versenkt werden, um bei Wind ausreichend Halt zu gewährleisten. In der kleinen Apside finden ein Tagesrucksack und ein Paar Schuhe Platz. Für sein geringes Gewicht und seinen spitzen Einsatzbereich macht das «Lizard GUL» insgesamt eine gute Figur. INFO Vaude Völkl (Schweiz) GmbH, Tel. 041 769 72 20 WWW vaude.ch


Zelte HINTERGRUND

EXPED «VENUS II EXTREME»

MSR «PAPA HUBBA NX»

TYP Trekking-Kuppelzelt klein PREIS CHF 679.GEWICHT 2970 g (inkl. Packsack) PERSONEN 2 PACKMASS 48 x 19 cm LIEGEFLÄCHE (LÄNGE X BREITE) 220 x 125 mm EINGÄNGE/APSIDEN 2/2 AUSSENZELT MATERIAL & WASSERSÄULE 40 Denier Nylon-Ripstop, 1500 mm BODENWANNE MATERIAL & WASSERSÄULE 70 Denier Nylon, 10 000 mm GESTÄNGE Aluminium DAC Featherlite NSL BESCHREIBUNG Das «Venus II Extreme» ist eine Festung – und das bei überschaubarem Gewicht. Obwohl die First-Stange nicht bis zum Boden geht, steht das Zelt beachtlich stabil. Das Innenzelt ist bereits eingehängt, die Gestänge-Kanäle, die im Aussenzelt verlaufen, sind deutlich markiert. Wie eine zweite Haut spannt sich das Nylon-Ripstop-Gewebe über die Konstruktion, die per Gestänge-Spanner festgezurrt wird. Das Venus bietet erstaunlich viele Detaillösungen. An den vormontierten Zeltleinen sind kleine Beutel befestigt, damit die Schnüre nach dem Abbau darin ohne Leinen-Chaos verstaut werden können. Im Innenzelt, das bei Bedarf schnell per T-Haken ausgehängt werden kann, ist ein nützliches Gepäcknetz an der Decke integriert. INFO Exped AG, Tel. 044 497 10 10 WWW exped.com

TYP Trekking-Kuppelzelt gross PREIS CHF 789.GEWICHT 2980 g (ohne Zeltleinen, inkl. Packsack) PERSONEN 3-4 PACKMASS 53 x 17 cm LIEGEFLÄCHE (LÄNGE X BREITE) 236 x 218 cm EINGÄNGE/APSIDEN 2/2 AUSSENZELT MATERIAL & WASSERSÄULE 20 Denier Nylon-Ripstop, 1200 mm BODENWANNE MATERIAL & WASSERSÄULE 30 Denier Nylon-Ripstop, 3000 mm GESTÄNGE Aluminium DAC Featherlite NSL BESCHREIBUNG Ein Vier-Personen-Zelt unter drei Kilo – das ist eine Ansage. Für gemässigte Trekking-Touren mit Freunden und Familie bietet das «Papa Hubba NX» ein sehr gutes Gewichts-Platz-Verhältnis. Der Aufbau geht dank farblich markierter Führung und Klick-Verschlüssen sehr schnell. Zuerst das Innenzelt plus Gestänge, dann das Aussenzelt darüber spannen. Die Gestänge sind zum Teil über Kunststoff-Drehgelenke vorverbunden. Der Innenraum ist freundlich hell, grosse Mesh-Taschen bieten ordentlich Stauraum. Ob die Wassersäule der Bodenwanne mit 3000 mm ausreichend ist, wurde in diesem Kurztest nicht ermittelt. INFO Icon Outdoor AG, Tel. 044 388 41 21 WWW cascadedesigns.com

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FOTO Lars Schneider / outdoor-visions.com

12 leichte Wanderschuhe im Praxistest

LEICHTFÜSSIG AUF DEN GIPFEL Hiking-Schuhe sollen hohen Tragkomfort, Trittsicherheit und eine gute Stützfunktion bieten. Dieser «Funktions-Spagat» gelingt immer öfter, wie unser Praxistest zeigt. Der OUTDOOR GUIDE erklärt, worauf beim Kauf zu achten ist und stellt zwölf aktuelle Modelle vor.

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FOTO Scarpa / Martin Lugger

FOTO Hanwag / Moritz Attenberger

Ratschläge können sehr wertvoll sein. Aber es gibt auch solche, auf die man getrost verzichten kann. Bestes Beispiel: «Du musst den Schuh erst einmal richtig einlaufen!» Wollen wir so etwas wirklich hören, wenn die Blasen an den Fersen schon so gross sind wie Teebeutel? Der Tragekomfort ist beim Kauf von Bergschuhen das Entscheidungskriterium Nummer eins, wie die Praxis in den Fachgeschäften zeigt. So verwundert es nicht, dass sich viele Outdoor-Sportler für leichte und komfortable Hikingschuhe entscheiden. Doch unabhängig davon, ob man auf Bergtouren einen leichten Hikingschuh, einen stabilen Trekking- oder einen steigeisenfesten Alpinschuh schnürt – der Schuh muss bereits bei der Anprobe gut sitzen. Eine Anpassung findet beim Tragen nämlich nur noch in geringem Masse statt.

Leisten bestimmt die Passform Wie gut der Schuh mit dem Fuss harmoniert, das bestimmt neben der Materialwahl in erster Linie der Leisten. Es ist dieses unscheinbare, der Fussform nachempfundene Kunststoffteil, das dem Schuh seine spätere Form gibt und darüber entscheidet, ob der Schuh perfekt sitzt und dem Fuss beim Gehen Stabilität verleiht oder ob er wenig Halt bietet und schmerzhafte Scheuerstellen und Blasen verursacht. Für jeden Schuhtyp gibt es spezielle Leisten, die nach Erfahrungswerten modelliert und über die Jahre fortlaufend angepasst werden. Die Leisten immer wieder neu abzustimmen, ist unerlässlich, denn statistisch gesehen ändern sich Form und Grösse des «Durchschnittsfusses» im Laufe der Zeit. «Innerhalb von

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TEST Hiking-Schuhe

20 Jahren sind die Füsse im Schnitt um eine ganze Nummer grösser geworden», weiss Bernhard Morgenegg, Verkaufsleiter bei der Lowa Schweiz AG. Verkaufte sich beim Schweizer Marktführer früher die Grösse 42 am meisten, wird mittlerweile die Schuhgrösse 43 am häufigsten nachgefragt. Die Füsse werden generell auch breiter. «Die Füsse werden im Alltag immer weniger gestützt oder geführt, weil wir sie oft in bequeme Turnschuhe stecken», erklärt Morgenegg: «Sie können sich so freier entfalten.»

Immer breiter, immer individueller Die Entwicklung von immer breiteren Leisten hat allerdings auch kommerzielle Gründe. Manche Marken arbeiten ganz bewusst mit etwas breiteren Leisten, damit mehr potentielle Käuferinnen und Käufer angesprochen werden können. Ein satt sitzender Schuh wäre in der

Praxis hinsichtlich Stützfunktion und Trittsicherheit zwar oft die bessere Wahl, aber im Zweifelsfall entscheiden sich viele Käufer dann doch für einen vermeintlich komfortableren, weil voluminöseren Schuh. Gerade kleinere Sportschuster, die nur mit wenigen Leisten arbeiten (können), verwenden deshalb oft etwas breitere Leisten. Schiere Grösse kann also auch von Vorteil sein. Marken wie Lowa bieten die Bestsellerprodukte in bis zu drei verschiedenen Breiten an, um möglichst alle Kundenbedürfnisse abdecken zu können. Ähnlich verhält es sich bei den Schuhgrössen: Einige Hersteller wählen dabei den Schritt in ganzen Grössen, andere wiederum bieten die Schuhe auch in halben Grössen (+/- 4 mm) an. Mittlerweile ist es bei Qualitätsschuhen die Regel, dass Hikingschuhe für Frauen über einem speziellen Damenleisten gefertigt werden. Diese sind meist etwas schmaler im Ballen-, höher im Ristbereich und schlanker an der

Alle Infos auf einen Blick Das sagen die Testgrafiken aus. KOMFORT PASSFORM/SITZ Ist der Leisten in sich «stimmig»? Ermöglichen die Materialien einen guten Sitz? 10 Punkte: sehr gute Passform 1 Punkt: für die Mehrheit unbefriedigende Passform TRAGKOMFORT Hier wird nur der Komfort beurteilt, ohne eventuelle damit verbundene Einschränkungen des Leistungsvermögens der Schuhe. 10 Punkte: sehr hoher Tragkomfort 1 Punkt: starke Komforteinbussen EIGENSCHAFTEN SCHNÜRSYSTEM Funktion der Schnürsenkel-Ösen, Anpassungsmöglichkeiten durch die Schnürung an den Fuss. 10 Punkte: perfektes Schnürsystem für eine ideale Schuhanpassung 1 Punkt: Schuh lässt sich nur schlecht anpassen SCHAFTSTABILITÄT Ein stabiler Schaft vermittelt Sicherheit, schränkt dafür die Beweglichkeit ein. 10 Punkte: sehr hohe Schaftstabilität und starke Führungs-/Stützfunktion 1 Punkt: sehr weicher Schaft TORSIONSFESTIGKEIT Ein torsionsfester Schuh stützt den Fuss und gibt Sicherheit.

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10 Punkte: sehr hohe Torsionsfestigkeit und starke Führung des Fusses. 1 Punkt: sehr hohe Verwindung der Schuhsohle. Gute Flexibilität für unebenen Untergrund, sehr gutes Abrollverhalten, Fussmuskulatur stark gefordert LAUFSOHLE Die Laufsohle sollte ein griffiges Profil und gute Traktion bieten. 10 Punkte: maximale Sicherheit, auf Schritt und Tritt 1 Punkt: rutschige Sohle, die zum Unsicherheitsfaktor wird DÄMPFUNG Starke Dämpfung ergibt hohen Laufkomfort, vermindert aber das Gespür für den Untergrund. Das Risiko von Fehltritten steigt. Sehr gut Trainierte benötigen weniger Dämpfung. 10 Punkte: sehr stark gedämpfter Schuh 1 Punkt: kaum spürbare Dämpfung SCHUH GEWICHT Absolute Bewertung, nicht in Relation zu anderen Eigenschaften. 10 Punkte: sehr leichter Schuh, reduzierter Kraftaufwand 1 Punkt: sehr schwerer Schuh PREIS/LEISTUNG Die Eindrücke aus dem Praxistest sowie die Qualität von Materialien und Verarbeitung in Relation zum offiziell empfohlenen Verkaufspreis. 10 Punkte: bestes Preis-Leistungs-Verhältnis 1 Punkt: Preis ist in Relation zur gebotenen Qualität nicht gerechtfertigt


Hiking-Schuhe TEST

DAMENMODELL adidas W Terrex Fast R PREIS CHF 260.GRÖSSEN EUR 36,5 – 46,5 GEWICHT (Paar) 864 g (Grösse 42 2/3) MATERIAL Gore-Tex-Membran, Continental TraxionSohle, Ortholite Einlage-Sohle KONSTRUKTIONSTYP Gestrobelt INFO adidas sport gmbh, Tel. 041 784 14 14 WWW adidas.com BEURTEILUNG Die satte Passform kompensiert die konstruktionsbedingt relativ geringe Schaftstabilität zumindest teilweise. Die Schnellschnürung ist zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig, erfüllt ihren Zweck aber sehr gut. Zieht man die Schnürung zu stark zu, ist am Zungenende Druck spürbar. Der EVA-Schaum bietet eine hohe Dämpfung, was den Schuh in Kombination mit dem tiefen Gewicht zur ersten Wahl all jener macht, die EI STA GEN SYS eine Fusion aus TrailrunningSchuh und bequemem Hikingschuh suchen. Der «Terrex Fast R» ist auch in einer Version ohne Gore-Tex-Membran sowie in eiG SC P ner Low-Cut-Version erhältlich. H

DAMENMODELL «Transalpina Lady GTX» PREIS CHF 270.GRÖSSEN EUR 36 - 46 GEWICHT (Paar) 1360 g (Grösse 42,5) MATERIAL Gore-Tex-Membran, Veloursleder mit Textileinsätzen, Vibram Cloud Sohle, Zwischensohle EVA und PU KONSTRUKTIONSTYP Klebegezwickt INFO Naturzone AG, Tel. 044 811 40 00 WWW aku.it BEURTEILUNG Beim «Transalpina GTX» ist alles auf Festigkeit und Stabilität ausgelegt. Die Klebezwickung mit fester Nylon-Brandsohle, der komplexe Sohlenaufbau und der hoch gezogene PU-Rand resultieren in einem stark stützenden Schuh mit extrem torsionsfester Sohle. Komplettiert wird das Ganze durch ein sehr gut funktionierendes Schnürsystem, das dem Fuss viel Halt bietet. Der Nachteil: Die solide Konstruktionsweise EI STA GEN SYS schlägt aufs Gewicht. Der weich gedämpfte Schuh eignet sich für all jene, die einen stabilen Hikingschuh suchen, der auch in anspruchsvollem Gelände nicht G SC P gleich klein beigibt. H T

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AKU «TRANSALPINA GTX»

FTEN HA L SC T

ADIDAS «TERREX FAST R MID GTX»

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P = Passform/Sitz, T = Tragkomfort, SYS = Schnürsystem, STA = Schaftstabilität, T = Torsionsfestigkeit, L = Laufsohle, D = Dämpfung, G = Gewicht, P = Preis/Leistung

Ferse. Auch wird bei Schuhen mit hohem Schaft berücksichtigt, dass der Wadenansatz von Frauen tiefer liegt.

Was Leisten leisten Der Leisten gibt dem späteren Schuh die Passform. Und zwar in den drei Zonen Zehenbox, Rist und dem so genannten Quartier (Bereich zwischen Knöchel und Ferse). Die Ausformung der Zehenbox hat auf den zu erwartenden Komfort und die Funktionalität des Schuhs den ge-

ringsten Einfluss. Entspricht allerdings die Ausformung des Quartiers oder die gewählte Härte der Polsterung nicht dem eigenen Fuss, sind Blasen, Druck- und Scheuerstellen die fast unvermeidliche Konsequenz. Die Ferse sollte so eng umschlossen sein, dass der Fuss guten Halt findet im Schuh, aber nicht so eng, dass der Schuh bereits bei der Anprobe drückt. Hier liefert eine Anprobe im Fachgeschäft meist schon erste Anhaltspunkte. Insbesondere dann, wenn man sich genügend Zeit nimmt und man sich auf den (hoffentlich vorhandenen) Treppenstufen so auf die Schuhspitzen stellt, dass der Zug auf die Fersen wirkt.

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Die ideale Trekking-Socke

WANDERKLUFT FÜR DIE ZEHEN Endlich an der Hütte, ... endlich die Zehen entspannen. Ob Wanderungen nicht nur fürs Auge, sondern auch für die Füsse ein Genuss sind, hängt nicht zuletzt von den Socken ab. OUTDOOR GUIDE hat auf der Suche nach der ultimativen Trekking-Socke fünf Modelle an Füsse und Nasen zitiert.

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FOTO Smartwool / Ty Milford

FOTO Smartwool/Kevin Arnold

FOTO Lars Schneider/outdoor-visions.com

Trekking-Socken HINTERGRUND

Arme Socke: Unbeachtet fristet sie ein dunkles Schattendasein in der muffig feuchten Atmosphäre wuchtiger Treter. Trekking-Socken zählen nicht gerade zu den Kultteilen unter den Ausrüstungsgegenständen. Auch der OUTDOOR GUIDE hatte das Thema auf die lange Redaktionswartebank geschoben: nicht so wichtig, wenig attraktiv, keine technischen Höhepunkte. Doch wer genau hinschaut, sieht mehr als nur ein «Stück Stoff»: Schutz für empfindliche Körperstellen, Dämpfer für Schläge, Passform-Optimierer und Klimaanlage. Die Socke – ein sportlicher Alleskönner? Im Idealfall ja. – Wenn sie zum Fuss passt!

Socken nach Mass? 28 Knochen, 19 Muskeln und 107 Sehnen und Bänder – der Fuss ist ein komplexes Konstrukt. Als Fundament des Körpers befinden sich an kaum einer anderen Stelle unseres Körpers derart viele Sensoren, die dem Gehirn weitergeben, auf welche Bodenbeschaffenheit es sich einstellen muss. Schränkt eine schlecht sitzende Socke diese Fühler ein, sind nicht mehr alle sensorischen Fähigkeiten gewährleistet. «Bei dauerhaftem Druck können Lymphstaus entstehen, und der Fuss kann einschlafen», erklärt Sportphysiotherapeutin Yvonne Burkert und meint: «Ideal wären individuell angepasste Socken.» Die Mass-Socke – ein ferner Traum oder machbar? «Erst wenn es schmerzt, kommt überhaupt die Überlegung auf, was dort unten falsch läuft», kritisiert die Spezialistin. Während dem Wanderschuhkauf meist eine lange Recherche und Anprobe vorausgehen, fällt bei Socken die Wahl oft im Vorbeigehen und auf das erstbeste Modell. Dabei nähern sich einige Hersteller schon recht weit dem Ideal. Michael Meier, Produktmanager bei Fal-

ke Ergonomic Sport System nennt als Beispiel dafür vor allem die Polsterungen: «Die Socken sind hinsichtlich Polsterstärke, Polsterzonen sowie deren Material speziell an die jeweiligen sportlichen Anforderungen angepasst. Je mehr Höhenunterschiede auf einer Wandertour zurückgelegt werden, desto mehr Stösse muss der Fuss wegstecken. Also ist eine stärkere Polsterung nötig.» Füsse sind Schwerstarbeiter. Bis zum Dreifachen des Körpergewichtes drückt beim Gehen auf sie ein. Da machen sich schon feine Nuancen der Entlastung wohltuend spürbar. Formstabile Polster verteilen die Kräfte eines einzelnen Druckpunkts auf eine grössere Fläche. Wo der Druck individuell am stärksten ansetzt, kann jeder selbst mit einem Blick auf seine Haut herausfinden. Unter deren Oberfläche befinden sich Zellen, die sich bei starker Reibung und konstantem Druck teilen und vermehren. Bekannt ist dieses Phänomen unter dem Begriff «Hornhaut». Wird diese zu dick, sinkt die Blutzirkulation.

Passform gegen Wanderwunden Dass ein Fuss innen – samt grossem Zeh – länger ist als aussen, kompensieren qualitativ hochwertige Socken durch eigene Formen für den linken und rechten Fuss. Dank einer speziellen Stricktechnik passt sich die Socke an die jeweilige Seiten-Fussform an. So entstehen weniger Falten. Ein weiterer individueller Unterschied liegt in der unterschiedlichen Anatomie der Geschlechter: Frauen haben bei vergleichbarer Schuhgrösse bis zu 30 Prozent weniger Fussvolumen. Deshalb gibt es bei Premium-Marken sämtliche Sockenmodelle meist auch als Frauenvariante. Am besten liesse sich die Passform bei einer Anprobe im Laden feststellen. Doch ist das

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HINTERGRUND Trekking-Socken

TEKO «MIDWEIGHT HIKING»

SMARTWOOL «PHD OUTDOOR LIGHT»

FALKE «TK2»

PREIS CHF 36.INFO Naturzone AG, Vertrieb Schweiz, Tel. 044 811 40 00 WWW tekosocks.com Hochgeschnittenes und weites Bündchen für eher breite Waden. Damit gut geeignet für Schuhe mit hohem Schaft. Der Einsatz von dünnerem Material als eine Art Lüftungsschlitz am Rist und eine relativ lockere Passform sorgen bei schmalen Füssen für viel Luft am Fuss.

PREIS CHF 29.INFO New Rock S.A., Tel. 091 935 14 00 WWW smartwool.com Die beachtliche Dämpfung an Ballen und Ferse hat bei allen Testern einen ähnlich positiven Eindruck hinterlassen. Die Socke passt sich perfekt an den Fuss an, unabhängig von der Fussform. Sowohl Tester mit schmalen als solche mit breiten Füssen waren mit der Socke zufrieden.

PREIS CHF 29.INFO Falke AG Schweiz, Tel. 044 659 2000 WWW falke.ch Ein ausgeprägtes Polster an der Ferse dämpft Stösse einwandfrei ab. Je nach Wadenansatz wirkt das relativ hohe Bündchen locker oder angenehm kompakt. Breite Füsse sind mit diesem Falke-Modell gut bedient. Schmale Füsse haben dagegen viel Luft in der Socke.

immer möglich? Rafael Ziani, Schweizer Importeur von Teko sieht die Schwierigkeit und verspieltes Potenzial genau in diesem Bereich: «Einige Fachhändler unterschätzen das Thema Socken massiv.» Zwei Dinge lassen sich vor dem Kauf auch ohne Anprobe klären: Material und Verarbeitung. Wenn Blasen die Wandererfüsse plagen, liegt das nicht unbedingt alleine an der Socke. Auch Faktoren wie zum Beispiel die Passform des Schuhs spielen eine Rolle. Permanente Reibung zwischen Haut und einer Oberfläche verursacht Wärme und mechanische Kräfte, die am Verbund der Hautschichten zerren. Dadurch wird die Bindung zwischen den Hautlagen geschwächt. Folge: Es bilden sich Hohlräume, Blasen entstehen. Ursache dafür können auch Sockennähte sein. Um diese Gefahr zu minimieren, verbinden einige Hersteller die einzelnen Teile der Socke durch eine elastische, nicht auftragende Naht miteinander. Der Träger spürt so keine «Wulst» zwischen den zusammengefügten

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Segmenten. Mit einem Blick auf die nach aussen gestülpte Socke lässt sich das im Laden ganz einfach überprüfen.

Merinowolle als Klimaanlage Einen entscheidenden Beitrag zum Komfort leistet zudem das verarbeitete Material, das als «Klimaanlage» funktionieren kann. An den Fusssohlen befinden sich rund 250.000 Drüsen, die im Durchschnitt bis zu einem Viertel Liter Schweiss am Tag produzieren. Mehr noch bei sportlicher Anstrengung. Konstanter Kontakt mit Schweiss weicht die Haut auf und erhöht dadurch weiter die Gefahr der Blasenbildung. Also sollte das Material der Socke die Feuchtigkeit kontrollieren. Wie auch bei allen OUTDOORGUIDE-Testmodellen greifen die meisten Hersteller dafür zum Naturprodukt Merinowolle. Deren Fasern sind wesentlich dünner als die herkömmlicher Wolle und kratzen


Trekking-Socken HINTERGRUND

Fazit: Die individuelle Fussform entscheidet

ICEBREAKER «HIKE+ LITE» PREIS CHF 29.90 INFO Icebreaker Switzerland Sarl, Tel. 044 809 99 80 WWW icebreaker.com Stark gepolsterte und relativ warme Socke. Dank gut anliegendem Bund und satter Passform auch für schmal geschnittene Füsse geeignet. Selbst nach unzähligen Waschgängen noch elastisch passend.

X-BIONIC «X-SOCKS TREKKING MERINO LIGHT» PREIS CHF 34.INFO X-Technology Swiss research, Tel. 044 786 03 03 WWW x-bionic.ch Vor allem im Mittelfussbereich liegt dieses Modell fast kompressionsartig an, verrutscht kaum und stabilisiert den Fuss. Kleines Manko ohne Einfluss auf Funktion oder Tragekomfort: Die Fäden im Sockeninneren sind teils nicht perfekt verwebt.

daher nicht auf der Haut. Zusätzlich kann Merinowolle 30 Prozent ihres Eigengewichts an Feuchtigkeit aufnehmen und hält den Fuss gefühlt lange trocken. Hinzu kommt die natürliche antibakterielle Eigenschaft von Merinowolle, die unangenehme Gerüche bis zu einem bestimmten Grad verhindert. Doch der Naturstoff birgt auch Nachteile: Eine zu 100 Prozent aus Merinowolle gefertigte Socke würde dem Träger nicht lange passen. «Für eine möglichst lange Lebensdauer benötigen Wandersocken ein stabiles Gerüst und einen gewissen Anteil an Elastan. Dafür ist vor allem auch eine äussere Nylon-Verstärkung an den beanspruchten Stellen notwendig: an den Fersen, entlang der Achillessehne und im Zehenbereich», erklärt Rafael Ziani. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Kunstfaser auch Hautkontakt hat. So wird bei Socken mit hohem Merinoanteil die Wolle um das Gerüst aus Kunstfaser gewebt, damit nur die verträgliche Merinowolle auf der Haut liegt. Baumwolle findet bei Wandersocken dagegen kaum

Wie verschieden die Fussformen und entsprechenden Vorlieben sein können, zeigen die Ergebnisse der OUTDOOR-GUIDE-Tester, die über mehrere Monate fünf paar Wandersocken von verschiedenen Marken an den Füssen hatten. Die einzige Vorgabe an die Hersteller hatte gelautet: Bestseller für Trekking-Touren. Dass diese Modelle ihrem guten Ruf tatsächlich gerecht werden, zeigen die fast durchweg positiven Bewertungen in den Testbögen. Resümee des Praxistests: Bei Premium-Marken lassen sich kaum relevante Unterschiede zwischen Wandersocken feststellen. Ausschlaggebend war auch hier vor allem die individuelle Fussform der Tester. Da das Ergebnis keine objektive Bewertung erlaubt, haben wir auf die gewohnte OUTDOOR-GUIDE-TestTabelle verzichtet. Alle aufgeführten Trekking-Socken sind auch als Frauenmodelle erhältlich.

Verwendung. Der Grund: Sie ist für kurze, aber schweisstreibende Aktivitäten, wie etwa Joggen, Trailrunning oder Fitnesstraining geeignet, speichert jedoch zu viel Feuchtigkeit. So würde sich die Socke schnell klamm und nass anfühlen. Ob eine Trekking-Socke tatsächlich ein sportlicher Alleskönner ist, hängt folglich von Herstellungsweise, Material und Passform ab. Der nächste Sockenkauf sollte also nicht im Vorbeigehen stattfinden, sondern ganz bewusst erfolgen. Denn für eine schmerzfreie Wanderung ist zu einem grossen Teil auch die Bekleidung unseres Körperfundaments ausschlaggebend. ✸

TEXT Barbara Meixner

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HINTERGRUND Gruppendynamik

Psychologie: Gemeinsam auf Tour

«ZUSAMMEN SIND WIR STARK» Ob auf dem Wanderpfad, am Seil oder auf dem Mountainbike – gemeinsam macht Bergsport doppelt Spass. Doch was, wenn es unterwegs plötzlich knarzt und kracht im Team? Sportpsychologen erklären die Gesetze der Gruppendynamik und geben Tipps für sichere und frustfreie Touren.

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FOTO Klaus Fengler

Paul, Thomas und Frank sind gute Freunde von früher. Nach langer Zeit haben sie endlich mal wieder einen Termin für ein gemeinsames Mountainbike-Wochenende gefunden. Die Tour ist schnell gewählt, die Hütte gebucht, die Vorfreude gross. Doch schon nach der ersten Stunde im Sattel hängt der Bike-Segen schief. «Wieso müssen wir eigentlich so rasen, ich bin schliesslich im Urlaub und will auch mal die Aussicht geniessen», mault Frank. «Wenn du weiter so rumtrödelst, schaffen wir die 1800 Höhenmeter nie», motzt Paul. «Ich hab’ ja fast noch Ruhepuls!» «Also ich muss nicht unbedingt bis zum Gipfel», wirft Thomas ein. «Hauptsache wir haben auf der Hütte Zeit für ein Bier und Tratsch über alte Zeiten.»

BEDÜRFNISSE: Was ist die perfekte Bergtour? Die Wettervorhersage besprechen, gemeinsam Karten studieren, die Ausrüstung diskutieren – all das ist bei der Tourenvorbereitung selbstverständlich. Doch darüber, was genau jedes Gruppenmitglied bei dem gemeinsamen Ausflug «sucht», herrscht meist grosses Schweigen. Dabei kann selbst eine technisch perfekt vorbereitete Tour gerade daran scheitern. «Es gibt ganz unterschiedliche Beweggründe, in den Bergen unterwegs zu sein», erklärt Thomas Theurillat, Psychologe, Bergführer und Coach aus Interlaken.

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FOTO Ortovox/Hansi Heckmair

FOTO visualimpact.ch/Rainer Eder

Gas geben oder entspannen?

«Der eine will trainieren und sich fordern, der andere in der Natur vom Arbeitsstress abschalten, ein dritter vor allem mit seinen Freunden Zeit verbringen oder neue Leute kennenlernen.» Im Grunde treibt jeden Bergsportler die Motiv-Mischung an, auf einer Tour Leistung, Erholung und Kameradschaft zu erleben. Je nach Tagesform und Laune ist mal das eine wichtiger, mal als das andere. «Konfliktpotenzial entsteht, wenn sich die Bedürfnisse der einzelnen Gruppenmitglieder zu stark unterscheiden», so Theurillat. Und vor allem: Wenn nicht schon vor der Tour darüber gesprochen wird. Denn die unterschiedlichen Motive führen spätestens dann zum Konflikt, wenn zum Beispiel der Leistungsorientierte auch bei Wind und Dauerregen unbedingt auf den Gipfel will, der Erholungssuchende aber lieber gemütlich in der Hütte auf besseres Wetter warten möchte. Unausgesprochene Bedürfnisse sind auch häufig der Grund für dicke Bergluft unter Paaren, betont Andreas Kühnrich, Trainer für Gruppendynamik und Führung beim Schweizer Mountainbikeguide-Ausbilder Swiss Cycling. «Zum Beispiel, wenn die Frau einfach mal

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wieder gemeinsam eine schöne Zeit verbringen möchte – und dann enttäuscht ist oder wütend wird, weil der Mann mit ständigem Blick auf die Pulsuhr alleine voranprescht.» Um solche Konflikte zu vermeiden, sollte sich jeder – egal ob vor einer Bike-, Kletter- oder Wandertour – selbst die Frage stellen: Wie müsste die Tour idealerweise laufen, damit ich hinterher sage: Das war super? «Gerade Männer sind es nicht gewohnt, sich über so etwas ‹Emotionales› Gedanken zu machen und das auch anzusprechen», sagt Theurillat. «Aber wer sich im Tal dafür Zeit nimmt, spart sich am Berg viel Frust.» Selbst wenn die Vorstellungen von der perfekten Tour nicht exakt dieselben sind, spricht das nicht zwangsläufig dagegen, gemeinsam aufzubrechen. «Der Leistungsorientierte kann zum Beispiel mehr Gewicht im Rucksack tragen, um auch bei einer leichteren Strecke auf sein Training zu kommen», rät Theurillat. «Oder er steigt bei einer Klettertour alle Seillängen vor.» Andersherum kann derjenige, dem der Erholungsfaktor sehr wichtig ist, sich um besonders leckeren Proviant kümmern oder eine besonders schöne Hütte aussuchen.


FOTO MAMMUT/Robert Bösch

FOTO Klaus Fengler

FOTO Ortovox/Hansi Heckmair

Gruppendynamik HINTERGRUND

Die Planung entscheidet ...

… wie die Tour endet.

Anton ist der Organisations-Freak in der TrailrunningClique, er hat die Ideen, die Zeit – und die EntertainerQualitäten. Mal wieder hat er alle zusammengetrommelt, die Strecke ausgesucht und die GPS-Daten besorgt. Als alle am Parkplatz stehen, ist irgendwie klar, dass er voraus läuft. «Also, ich kenn mich hier zwar gar nicht aus, aber Anton wird schon wissen, wo’s lang geht», wirft Anna lachend ein. Der schüchterne Marco war schon öfter in der Gegend und weiss, dass der spätere ausgesetzte Pfad bergab nach Regen gefährlich ist – aber er hält sich mit einer Alternatividee zurück. «Mit Alphatier Anton leg ich mich lieber nicht an», murmelt er.

einer Person die Rolle des Anführers zugeteilt oder sie nimmt sie sich selbst. Aus Gewohnheit, weil sie eh immer alles organisiert, weil ihr die Gruppe eine besondere Autorität zuschreibt, weil sie die stärkste Kondition hat – oder einfach die grösste Klappe. «Oft würde aber ein anderes Mitglied die Gruppe sicherer leiten», erklärt Benjamin Zweifel, der am Institut für Schnee- und Lawinenforschung den Einfluss von Gruppendynamik auf das Entscheidungsverhalten erforscht. «Nur ist diese Person zu zurückhaltend, um die Führungsrolle anzubieten oder einzufordern.» So hat der Doktorand im Rahmen seiner Studie mit Skitourengruppen beispielsweise beobachtet, dass in Familien oder bei Paaren oft wie selbstverständlich der Vater oder der Mann spurt und vorwegfährt – obwohl tatsächlich die erwachsene Tochter oder die Frau mehr über Lawinen- und Wetterkunde wussten. «Das Thema Führung anzusprechen, wirkt unter Freunden eher verkrampft und kleinlich», so der Kölner Sportpsychologe und Bergführer Tobias Bach. «Aber auch wenn man im Freizeit- oder Urlaubsmodus ist und unter Kumpels eigentlich keine Hierarchie aufstellen

FÜHRUNG: Wer leitet die anderen? Wenn eine Gruppe nicht offiziell von einem Bergführer oder einem anderen ausgebildeten Guide geleitet wird, übernimmt in der Regel einer aus der Clique die Führungsrolle. Diese sogenannte «informelle Führung» ergibt sich meist «irgendwie», ohne dass gross darüber gesprochen wird. Mehr oder weniger unbewusst wird

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FOTO Ljubljana Tourism / B. Cvetkovic

OUTDOOR-CITY Ljubljana

Ljubljana: Sport, Schlemmen und Kultur

SCHÜCHTERNE SCHÖNE Sanft im Geschmack, überraschend im Abgang. Ljubljana gleicht den Weinen, die auf den Hügeln rings um die Stadt spriessen. Die slowenische Hauptstadt drängt sich nicht auf und trifft doch den Geschmack fast aller Besucher. Sie erwartet von ihren Gästen keine «Entweder-oder-Lösung». Sie bietet eine besonders reizvolle Art des «All-inclusive-Urlaubs». Ljubljana – ein Spielplatz für Outdoor-Sportler und Kulturbegeisterte.

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FOTO Scott / Markus Greber

Ljubljana OUTDOOR-CITY

Von Barock zum Bike - ein paar Kilometer von der Altstadt entfernt beginnen die ersten Trails.

Frühmorgens liegt dichter Nebel über dem Moor vor den Stadttoren. Wie ein Fluss wabert die graue Masse über das Land und lässt die Berge am Ende des Sumpfgebiets wie Geister erscheinen. Das Ljubljana Moor ist Heimat von seltenen Vogelrassen, neugierigen Reptilien und dem ältesten Holz-Rad der Welt, das Archäologen vor Jahren zwischen Kröten und Schilf entdeckten. Was dem Volk vor 5000 Jahren als runde Innovation in die Wiege gelegt wurde, ist heute Leidenschaft von unzähligen Slowenen: das Rad. Mittagszeit und fünf Kilometer weiter nördlich des Moors – in der Altstadt. Ein gleichmässiges Rattern lässt die Menschen am Marktplatz aufhorchen. Es sind dicke Mountainbike-Reifen auf Kopfsteinpflaster. Eine Gruppe in bunter, schlammüberzogener Kleidung versammelt sich mit ihren Bikes neben prall gefüllten Obstständen. Die Reifen, samt Besitzern, durften gerade steile Trails erkunden. Und das in einer barocken Altstadt? Um das zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die Landkarte.

Ljubljana ist umgeben von zwei Stadtmauern. Die eine besteht aus Stein, ist von menschlicher Hand geschaffen und mit Toren versehen. Die andere ist eine natürliche: Hügel und Bergketten, die sich um die Stadt legen und sie zu einem grünen Kessel machen. Ein Kessel, der an Wochenenden zum sportlichen Spielplatz für Outdoorer mutiert und «Kletter-Affen» ebenso glücklich macht wie «Wildwasser-Ratten» – oder eben auch Biker. Ljubljana ist mit knapp 300 000 Einwohnern eine kleine Hauptstadt, jedoch mit vorteilhafter Lage. Der warme Wind vom nahen Mittelmeer weht herauf bis an die mittelalterliche Burg, die über der Stadt wacht wie ein Hofhund. An klaren Tagen hat der Hofhund Blick auf das Karawanken Gebirge und den Gipfel des Triglav in den Julischen Alpen, der 2864 Meter hoch über ganz Slowenien thront. Die Altstadt ist so übersichtlich, dass zwei Beine ausreichen, um alle Ecken zu erkunden. Und doch kann die Stadt es mit «den Grossen» aufnehmen und ihnen die kulturelle Stirn bieten.

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REGIO-SPEZIAL Surselva

Regio-Spezial: Surselva – Disentis

GRAUBÜNDENS WILDER WESTEN Längst nicht nur Freerider im Winter finden rund um Disentis in der Surselva ihr Eldorado. Magische Plätze, Kraftorte und gleissende Gletschergipfel bieten für Wander-, Bike- und Klettertouren eine Szenerie, die den Abenteuergeist inspiriert.

FOTO swiss-image / Roland Gerth

Mancher rückt da sogar mit der Goldwaschpfanne an.

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Surselva REGIO-SPEZIAL

FOTO Alex Buschor

Langsam geht die Sonne unter. Sanft steigt das Grasland an, um dann plötzlich zu zerklüfteten Felstürmen aufzuschiessen. Flüsschen mäandern durch die grüne Weite. Dazwischen funkeln Bergseen. Eine Landschaft wie aus einem Western. Fehlt nur noch das Klappern der Hufe. Doch es ist nur das Schlagen der Kette auf der Abfahrt mit dem Mountainbike. Das Ross ist aus Carbon, und statt in den Packtaschen am Pferdesattel steckt der Proviant im Rucksack am Rücken. Dennoch: In andere (Traum-)Welten zu entrücken, fällt in der Surselva rund um Disentis nicht schwer: im Val Piora zwischen Gotthard und Lukmanier genauso wie im Verclisa Talkessel oder hoch droben im Firn des Oberalpstocks und am Medelsergletscher. Und um das Bild vom Wilden Westen rund zu machen: Wer will, kann hier sogar seine Goldwaschpfanne zum Einsatz bringen. Kein Witz! Tatsächlich wurde schon im 17. Jahrhundert gemunkelt, dass es bei Disentis Gold geben soll. Gewissheit schuf 1982 der Schweizer Geologe David Knopf. Das Gestein erinnerte ihn an die Felsbeschaffenheit im kanadischen Golddistrikt Hemlo. Wenig später rückte tatsächlich eine kanadische Bergbaufirma zu Testbohrungen an. Die bestätigte eine goldführende Zone entlang dem Vorderrhein. So dauerte es nicht lange, bis die ersten Hobby-Goldwäscher anrückten – nicht im grossen Treck mit Planwagen, aber gut ausgestattet mit Goldwaschpfannen und Detektoren. «Das Goldvorkommen bei Di-

sentis ist eines der reichsten in ganz Europa», schreibt August Brändle auf seiner Internet-Seite. Er hat aus dem Mini-Goldrausch mittlerweile ein Geschäft gemacht. Als «Gold-Gusti» veranstaltet er Goldwaschkurse – nicht ohne Erfolg. Unter seinen Instruktionen fand Peter Bölsterli im Vorderrhein das bislang grösste Goldnugget der Schweiz. Es wog satte 123,1 Gramm. Doch die Zeit nur ins Goldwaschen zu investieren, wäre viel zu schade. Denn zum einen sind solche Funde zwar zugegebenermassen spektakulär, aber, ehrlich gesagt, auch selten. Zum anderen warten in der Surselva noch jede Menge weiterer Schätze für OutdoorEnthusiasten. Wie Diamanten glitzern Bergseen in wilder, hochalpiner Landschaft. Der prominenteste in der Gegend ist der Tomasee oder rätoromanisch «Lai da Tuma» – der Quellsee des Rheins. Vom Fusse des Piz Badus bis zu seiner Mündung in die Nordsee legt der Fluss 1324 Kilometer zurück. Zu Fuss schlängelt man sich vom Oberalppass durch Wiesen mit Enzian, Alpenrosen, Margriten und weissem Wollgras zum Tomasee. Er gehört zum Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung. Sein Wasser hat Trinkwasserqualität. Doch der Tomasee ist längst nicht das einzige lohnenswerte Bergsee-Ziel in der Region. Sage und schreibe 21 Seen, 18 Weiher und 14 Feuchtgebiete birgt das Val Piora zwischen dem Gotthard und Lukmanier Pass – ideal für erfrischende Tou-

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FOTO swiss-image / Roland Gerth

REGIO-SPEZIAL Surselva

ren an heissen Sommertagen. Neue Energie sammeln lässt sich bestens auch auf Wanderungen zu Kraftorten in den Bergen wie zum Beispiel zur Hexenplatte im Val Strem. Mit etwas Glück lassen sich auf der Tour sogar Steinböcke erspähen. Durch Touren an solch magische Plätze gestählt, können nun höhere Ziele in Angriff genommen werden. Denn ein Outdoor-Trip in den Wilden Westen Graubündens bringt auch ambitionierte Bergabenteurer auf Touren. Wer sich gerne in den Fels begibt, sollte Seil und Klettergurt nicht zu Hause lassen. Einsteiger bekommen im Klettergarten Siarra an der Maighelshütte ein Gespür fürs Gestein. Die 20 bis 35 Meter hohen Wände bieten grösstenteils Schwierigkeitsgrade zwischen 3 und 4. Auf einem ähnlichen Level bewegen sich die Routen am Klettergarten Cavradi. Gut abgesicherte Mehrseillängenrouten vom 3. bis 6. Schwierigkeitsgrad finden Sportkletterer am Brichlig in der Nähe der Cavardirashütte. Die nehmen erfahrene Alpinkletterer auch als Ausgangspunkt für die ebenfalls gut abgesicherte, drei- bis fünfstündige Granitkletterei über den Cavardiras-Südgrat. Ebenso hautnah erleben lassen sich die Berge auf Hochtouren. Das Massiv des Medelsergletschers bietet dabei nicht nur ein spektakuläres Motiv für die Fotopirsch. Von der Medelserhütte sind es etwa zweieinhalb Stunden bis zum Gipfel des Piz Medel. Etwa die Hälfte davon führt über vergletschertes Hochtourengelände. An klaren Tagen reicht die Aussicht vom Berner Oberland über die Zentralschweiz bis ins

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Engadin. Bleibende Eindrücke lassen sich in der Surselva bestens auch mit dem Mountainbike sammeln. Auch wenn die Gegend um Disentis noch im Schatten des weiter talwärts liegenden Laax steht, eignet sich Disentis gut als Ausgangspunkt für Biketouren. Trails und Passübergange gibt es genug. Und von der Bergstation der Luftseilbahn führt sogar eine Downhill-Strecke ins Tal. Hier fand 2011 ein Lauf zum Swiss Downhill Cup statt. Oberalp- und Tiarms-Pass sind für fahrtechnisch versierte Mountainbiker ebenfalls ein Volltreffer. Und der anspruchsvolle Singletrail durch das Hochtal Val Maighels zum Pass Maighels zählt fahrtechnisch wie landschaftlich auf jeden Fall zu den Höhepunkten eines Bike-Ritts durch die Surselva, wie auch die beinahe magischen Trails am Bostg. Unterm Strich alles Erlebnisse, die für echte Bergfexe mit Gold nicht aufzuwiegen sind. Und so mag es sie auch wenig kümmern, dass in der Surselva immer wieder darüber diskutiert wird, Gold im grossen Stile zu fördern. Die Bergsportler haben ihren Schatz längst gefunden. ✸

TEXTE Christian Penning, Jürg Buschor


Surselva REGIO-SPEZIAL

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FOTO swiss-image / Roland Gerth

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Kartendaten © 2014 Google

ZU FUSS (ab Seite 172) (1) CHRÜZLIPASS UND MITTELPLATEN (2) VAL PIORA (3) VERCLISA (4) VOM OBERALPPASS ZUR RHEINQUELLE (5) HOCHTOUR PIZ MEDEL MIT DEM BIKE (ab Seite 174) (1) SENDA ALPINA STATT PORTA ALPINA (2) PASS TIARMS (3) BOSTG (4) PASSO DEL SOLE (5) DOWNHILL-STRECKE DISENTIS

MIT SEIL UND HAKEN (Seite 176) (1) ALPINKLETTERN AM CAVARDIRAS SÜDGRAT (2) SPORTKLETTERN AM BRICHLIG (3) KLETTERGÄRTEN SIARRA UND CAVRADI NOCH MEHR OUTDOOR (Seite 176) (1) ABENTEUER-SEILPARK (2) GOLDWASCHEN

INDOOR (Seite 176) (1) KLETTERHALLE (2) ERLEBNISBAD BOGN SUEDRUN EVENTS (Seite 177) (1) TRAILFOX (2) BIKE-MARATHON LUMNEZIA OBERSAXEN (3) LA CUORSA DIL REIN

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TOUREN Bike & Hike

Doppelter Gipfelspass auf Tour

NEUE PERSPEKTIVEN Gibt es etwas Schöneres, als an einem freien Tag auf einen Gipfel zu steigen? Ja! Noch viel besser ist es, auf zwei Gipfel zu steigen. Und zwar auf benachbarte. Was nach doppelter Anstrengung tönt, ist es nicht – eröffnet aber ganz neue Blickwinkel.

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Bike & Hike TOUREN

Wie oft standen wir schon auf einem Gipfel, blickten in die Runde und bewunderten all die umliegenden Berge. Und dabei bemerkten wir gar nicht, dass sich das Wichtigste unserem Blick glatt entzog: der Berg, auf dem wir standen, der Berg, dem unsere ganze Anstrengung gegolten hatte. Denn vom aktuellen Gipfel aus liess sich bestenfalls sein oberster Hang sehen, und das noch dazu aus einer wenig vorteilhaften Perspektive. Wer auf dem Matterhorn steht, sieht unter sich lediglich brüchige Steine und gräuliche Firnflecken, und dabei steht er doch auf einem der schönsten Berge der Welt. Das kann es ja nicht sein! Genau deshalb lohnt es sich, nach einem Gipfel noch dessen Nachbarn zu besteigen. So lässt sich vom ersten

der zweite in voller Pracht bestaunen, und vom zweiten der erste. So kann man sich vom ersten auf den zweiten vorfreuen, und vom zweiten auf den ersten zurückfreuen. Zwei nahe Berge am gleichen Tag zu besuchen ist deshalb weit mehr, als einfach auf zwei Bergen zu stehen. Mani Matter hatte in seinem Lied von der Eisenbahn davon berichtet, wie die einen im Zug immer so sitzen, dass sie alles zum Voraus sehen, was da kommen wird, und die anderen immer so sitzen, dass sie alles sehen, was eben vorbeigerauscht ist. Die folgenden Tourentipps lösen endlich dieses Dilemma. Zwei benachbarte Gipfel zu besteigen ist nämlich so, als würde man eine Bahnreise zweimal unternehmen: einmal mit Blick nach vorne, einmal mit Blick nach hinten. ✸

TEXT UND FOTOS Daniel Anker Marco Volken Jürg Buschor

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TOUREN Bike & Hike

WANDER-SKALA (SAC) GRAD

WEG/GELÄNDE

ANFORDERUNGEN

T1 Wandern

Weg gut gebahnt. Falls nach SAV-Normen markiert: gelb. Gelände fl ach oder leicht geneigt, keine Absturzgefahr.

Keine. Mit Turnschuhen machbar. Orientierung problemlos, auch ohne Karte möglich.

T2 Bergwandern

Weg mit durchgehendem Trassee und ausgeglichenen Steigungen. Falls markiert: weissrot-weiss. Gelände teilweise steil, Absturzgefahr nicht ausgeschlossen.

Etwas Trittsicherheit. Trekkingschuhe sind empfehlenswert. Elementares Orientierungsvermögen.

T3 anspruchsvolles Bergwandern

Am Boden ist meist eine Spur vorhanden, augesetzte Stellen können mit Seilen oder Ketten gesichert sein, evtl. braucht man die Hände. Falls markiert: weiss-rot-weiss. Zum Teil exponierte Stellen mit Absturzgefahr, Geröllflächen, weglose Schrofen.

Gute Trittsicherheit, gute Trekkingschuhe. Durchschnittliches Orientierungsvermögen. Elementare alpine Erfahrung.

T4

Weg nicht überall sichtbar, Route teilweise weglos, an gewissen Stellen braucht es die Hände zum Vorwärtskommen. Falls markiert: weissblau-weiss. Gelände bereits exponiert, Grashalden, Schrofen, einfache, apere Gletscher.

Vertrautheit mit exponiertem Gelände, stabile Trekkingschuhe. Gewisse Geländebeurteilung und gutes Orientierungsvermögen. Alpine Erfahrung.

T5

anspruchsvolles Alpinwandern

Oft weglos, einzelne einfache Kletterstellen bis II. Falls markiert: weiss-blau-weiss. Exponiertes, anspruchsvolles Gelände, Schrofen, wenig gefährliche Gletscher und Firnfelder.

Bergschuhe. Sichere Geländebeurteilung und sehr gutes Orientierungsvermögen. Gute Alpinerfahrung und elementare Kenntnisse im Umgang mit Pickel und Seil.

T6 schwieriges Alpinwandern

Meist weglos, Kletterstellen bis II, meist nicht markiert. Häufig sehr exponiert, heikles Schrofengelände, Gletscher mit Ausrutschgefahr.

Ausgezeichnetes Orientierungsvermögen. Ausgereifte Alpinerfahrung und Vertrautheit im Umgang mit alpintechnischen Hilfsmitteln.

Alpinwandern

BIKE-SKALA* GRAD

TECHNIK

AUSDAUER

1

Auch für Anfänger geeignet. Geringe fahrtechnische Anforderungen.

Keine besonderen Anforderungen. Ein gute Grundkondition genügt.

2

Für geübte Fahrer problemlos fahrbar. Einzelne schwierige Steckenabschnitte möglich.

Touren mittlerer Länge ohne steile Anstiege.

3

Fahrtechnisch über längere Strecken anspruchsvoll. Für sehr gute Fahrer ist alles fahrbar.

Sportliche Touren, die eine gute Kondition voraussetzen. Teilweise auch steile Anstiege.

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Über längere Strecken sehr anspruchsvoll. Anforderungsreicher Untergrund und regelmässig auch grosse Steilheiten. Einzelne Schiebe-/ Tragepassagen möglich.

Konditionell anspruchsvolle, lange Touren für Trainierte.

5

Höchste Anforderungen an das fahrtechnische Können. Die Trails sind oft mit losen Steinen und Wurzeln durchsetzt, hohe Stufen und Spitzkehren sind nicht aussergewöhnlich. Auch für gute Fahrer mit Schiebe-/Tragepassagen.

Konditionell extrem anforderungsreiche Tour, die bestens austrainierten Sportlerinnen und Sportlern vorbehalten bleibt.

*In Anlehnung an die Schwierigkeitsskala der Supertrail Maps, www.supertrail-map.com

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TOUREN Hike Bike & Hike

ZWEI TORTEN, ZWEI HÜGEL LA CRASTA – LA STRETTA GR. St. Moritz ist weltbekannt. Pontresina nicht ganz. Zwischen beiden Engadiner Orten liegen ein Wald, gefürchtet bei den Langläufern des Engadiner Marathons, sowie ein See, geliebt von den Schwimmern in alpinen Gewässern. Der Stazersee, auf Rätoromanisch «Lej da Staz». So heisst auch das Hotel Restorant [richtig geschrieben – Rätoromanisch!] am Ufer: Idylle pur, mit oder ohne «Cuschina engiadinaisa». Die gleichnamige Torte gibt es aber nur in der Konditorei Kochendörfer in Pontresina. Diese Engadinertorte sieht so ganz anders aus als die Bündner Nusstorte – und schmeckt auch ganz anders. Eine Torte ist eben nicht eine Torte. Genauso wenig wie ein Whisky ein Whisky ist. Davon können wir uns im Waldhotel am St. Moritzer See überzeugen, das 2500 verschiedene Whiskys bereithält – Weltrekord. Ach ja, am Weg zwischen den Kur- und Gourmetorten liegen noch zwei waldige Gipfel, die niemand kennt. Aber ihre Namen sind verheissungsvoll wie ein Bissen Torta engiadinaisa oder ein Schluck Johnnie Hiker: La Crasta und La Stretta. SCHWIERIGKEIT T1, für die Gipfelanstiege auf La Crasta und La Stretta je kurz T3. Wege nur teils markiert; kurze weglose Abschnitte. ZEIT 4 h HÖHENDIFFERENZ Auf- und Abstieg rund 500 m AUSGANGS- UND ENDPUNKT St. Moritz (1775 m) EINKEHREN/UNTERKUNFT Hotel Restorant Lej da Staz, Tel. 081 833 60 50, www.lejdastaz.ch. Hotel Waldhaus am See, Tel. 081 836 60 00, www.waldhaus-am-see.ch. STRECKE Bahnhof St. Moritz – Uferweg nach St. Moritz Bad bis nach der Inn-Mündung in den St. Moritzer See – ostwärts zum Bach Ovel da Staz – Alp da Staz – Plaun da Staz (1950 m) – auf Weg hinauf auf den Ostrücken und weglos westwärts durch den Arven-Lärchen-Wald zum höchsten Punkt von La Crasta (2012 m) mit kleiner Felswand im Sonnenhang – zurück über Ostrücken – Weg

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über P. 2002 m – Wegkreuzung P. 1981 m – Wanderweg Richtung Bahnhof Pontresina (1774 m) – über den RosegBach – südwärts auf Spazierwegen durch den Wald – Station Surovas – Steg über den Flaz – Hotel Albris mit der Bäckerei-Konditorei Kochendörfer (1820 m) – auf der Strasse zurück zum Bahnhof Pontresina – Stazerwald – Lej da Staz (1815 m) – Wanderweg durch den hügeligen Wald bis zum Aussichtspunkt La Stretta (1934 m); der höchste Punkt liegt, schwierig auszumachen, etwas oberhalb des Weges – Nebengipfel P. 1899 m – Hotel Waldhaus am See – Bahnhof St. Moritz. VARIANTE Nach der Wanderung noch eine Runde durch St. Moritz machen – in den Confiserien Hanselmann und Hauser lassen sich die verlorenen Kalorien bestens wieder ersetzen. KARTEN/LITERATUR Landeskarte 1:25 000, 2521 St. Moritz – Bernina. 1:50 000, 268 T Julierpass. Ernst Bromeis-Camichel/Andrea Badrutt, «Graubünden – Das blaue Wunder», Südostschweiz Buchverlag 2008. TIPP Badezeug für den Stazersee. INFO www.stmoritz.ch, www.pontresina.com, www.engadinertorte.ch DANIEL ANKER


Hike TOUREN

SPITZFINDIGKEITEN SPITZ, NOSPITZ LIE. Heissen müsste diese Tour eigentlich: Augstenberg. So nennt sich nämlich der höchste Gipfel im Talkessel von Malbun, den sich die Gemeinden Schaan und Vaduz teilen. 2359 Meter hoch ist er, weitsichtig, eindrücklich, dolomitig. Auch gut besucht, der Prachtsberg, und gut betucht, mitsamt Fürstin-Gina-Weg-Abschnitt. Würde auch passen, schon rein vom Namen her: Augstenberg, Kaiser Augustus, blaublütig. Doch geht es uns hier um Bergzwillinge. Und da fällt beim genaueren Studium der Landeskarte auf, dass sich links und rechts vom Augstenberg zwei Spitzen gegenüberstehen, die sich auch sprachlich ein Duell zu liefern scheinen: der Spitz – sozusagen der Inbegriff des Berges – und dessen Verneinung. Irgendwie im Stil von Materie und Antimaterie. Also fast schon metaphysisch. Aus These und Antithese machen wir daraus ganz dialektisch eine lohnende Synthese: eine Tour, die konditionell eher locker ist, geologisch durchaus auch, technisch aber nicht unterschätzt werden sollte. Und wer das alles (no-)spitzfindig findet, kann sich ja einfach daran erfreuen, den weitläufigen Talkessel von Malbun mal von oben kennenzulernen. SCHWIERIGKEIT T4-. Die anspruchsvollen Stellen befinden sich am Spitz, im Abstieg vom Augstenberg und am Nospitz. Die Wegfindung im Abstieg vom Nospitz ist nicht ganz leicht. ZEIT 3 ¾ h HÖHENDIFFERENZ Aufstieg 580 m, Abstieg 980 m AUSGANGSPUNKT Bergstation Sareis (2003 m). Vom Bahnhof Sargans per Bus nach Malbun und mit der Sesselbahn hinauf (www.bergbahnen.li). ENDPUNKT Malbun (1602 m). EINKEHREN/UNTERKUNFT Bergstation Sareis, evtl. Pfälzerhütte (www.alpenverein.li), Alpwirtschaft Pradamee (www.pradamee.li)

STRECKE Malbun – Sesselbahn Sareis (Bim Chrüz) – südwärts und beim Wegweiser den Fürstin-Gina-Weg wählen – mehr oder minder dem Gratkamm entlang zum Sareiserjoch – nach dem Sattel P. 2078 Weg verlassen und auf Pfadspuren (einzelne Kraxelstellen) zum Spitz – auf dem Grat weiter, wieder in den markierten Weg einmünden und zum Augstenberg. Vom Gipfel auf schwach erkennbarer, aber mit Steinmännchen markierter Spur zunächst süd(west)wärts, dann wieder nach Nordwesten, um den Nordwestgrat des Augstenberg auf ca. 2260 m zu erreichen – auf guter Spur auf dem Grat zum Silberhorn und zur Tälihöhi – den Pfad in der Westflanke aufspüren, bei einer Gabelung den höheren Weg wählen und zuletzt etwas kraxelnd auf den Nospitz. Auf dem gleichen Weg hinunter und zur undeutlichen, schmalen Spur, die durch dichte Legföhren zum offenen Sattel P. 1919 führt – kurz weglos ostwärts hinab, dann etwas rechts haltend – ab ca. 1880 wird der Weg deutlicher und führt via Rinderstofel zur Alp(wirtschaft) Pradamee. Zuletzt auf breitem Alpweg hinunter nach Malbun. VARIANTE Vom Augstenberg interessanter Abstecher südwärts zum Bettlerjoch mit der Pfälzerhütte (hin und zurück 1 Std. 15 Min.). KARTEN, LITERATUR Landeskarte 1:25 000, 1136 Drei Schwestern, 1156 Schesaplana. Manfred Hunziker, «Alpine Touren Ringelspitz / Arosa / Rätikon», SAC-Verlag. INFO www.tourismus.li MARCO VOLKEN

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SEITENBLICK Buch-Tipps

LESE- UND FACHBÜCHER Spannende Neuheiten und praktische Standardwerke, inspirierende Geschichten, Bildbände und nützliche Tourenbücher: Die OUTDOOR GUIDE-Redaktion präsentiert eine breite Auswahl.

Alp Traum Ruhe, Romantik und Rosenduft? In diesem Buch wird dem Leser das wahre Leben auf der Alp nahe gebracht. Die Autorin porträtiert 15 Frauen, die sich dem einsamen Leben mit viel Tier und wenig Luxus verschrieben und in der Höhe ihr Glück gefunden haben. Der Arbeitstag beginnt früh und endet spät. Dazwischen liegen Probleme wie lahmende Kühe, kiloschwere Käselaibe, verschwundene Zicklein oder unerwartete Gewitter. Berührend und authentisch taucht man als Leser ein in den harten Alltag der Älplerinnen und entwickelt eine Riesenportion Respekt für die Frauen und ihre Leistung. Daniela Schwegler, Vanessa Püntener, «Traum Alp – Älplerinnen im Porträt», ISBN 978-3-85869-557-4, www.rotpunktverlag.ch, CHF 39.50

Leben mit Lachsen In Alaska leben 720 000 Menschen. Umgerechnet bedeutet das: Auf einen Quadratkilometer kommt etwa ein halber Mensch. Massig Platz für Wildnis und Abenteuer, die Dirk Rohrbach auf der Suche nach dem wahren Alaska zur Genüge begegnen. Ob Bär, Elch oder Eichhörnchen – alles scheint in diesem Land ein Stückchen überdimensionierter als im Rest Amerikas

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zu sein. Es ist der erbarmungslose Charakter der Natur, der die Flora und Fauna prägt. Und mit ihr manchmal das etwas «aussergewöhnliche» Verhalten der Einwohner. Ein Einblick in die Geschichte und Seele des nördlichsten Bundestaates der USA. Dirk Rohrbach, «Gebrauchsanweisung für Alaska», ISBN 978-3-49227634-4, Piper Verlag, www.piper.de, CHF 21.90

Eineiige Velo-Gefährten Die Zwillinge Hansen und Paul machen sich mit ihren Velos auf den Weg von Berlin nach Shanghai, um in den Zeiten des schnellen Reisens die Verbindung zur Erde wiederzufinden. Und entdecken dabei gleichzeitig ihre eigene Freiheit. Meditatives Gestrampel, absolute De-Sozialisierung durch Zeltübernachtungen und einseitige Ernährung stehen auf der einen Seite. Auf der anderen: exotische Schauplätze und eindrucksvolle Landschaften abseits der Touristenpfade kombiniert mit grenzenloser Gastfreundschaft. Persönliche Reiseanekdoten aus sieben Monaten und 13 600 Kilometern im Sattel. Hansen und Paul Hoepner, «Zwei nach Shanghai», ISBN 978-3-89029-440-7, Malik Verlag, www.malik.de, CHF 28.90

Wilde Welt im Sattel 20 Jahre in der MTB-Szene haben das Nähkästchen von Bike-Redakteur Henri Lesewitz fast zum Überquellen gebracht. Zeit, auch andere an wundersamen Weltmeisterschaften, Pedal-Qualen im Himalaya und Downhill-Partys teilhaben zu lassen. So bunt wie Gottes Zoo ist die Biker-Gemeinde. Und so bunt auch die Reportagen, Bilder und Porträts in diesem Buch, in dem es um viel mehr als nur Sport geht. Witzig und authentisch gewährt der «Profi» mit


Buch-Tipps SEITENBLICK

Wort und Bild Einblick in die Welt der Velo-Fanatiker, was auch die «Anderen» zum Schmunzeln bringt. Henri Lesewitz, «Prost Qualzeit», ISBN 978-3-7688-3683-8, Delius Klasing Verlag, www.delius-klasing.de, CHF 28.90

Abgefahrene Inspiration Zum Biken braucht es eine Strasse, einen Weg oder zumindest einen Trampel-Pfad! Es sei denn, man heisst Hans Rey. Dann könnte die Mauer einer Reisterrasse, ein Baumstamm über einem Fluss im Dschungel Borneos oder der Wüstensand vor den Pyramiden von Gizeh als Untergrund für die Veloreifen herhalten. Seit 25 Jahren ist Hans «No Way» Rey ein Begriff in der MountainbikeSzene. Sei es als Künstler auf zwei Rädern, Stuntman oder Abenteurer. In seinem Bildband berichtet der Mann, der keinen Weg braucht, von den schönsten und spektakulärsten Trails rund um die Erde. In Erinnerungen schwelgen und neue «Wege» entdecken. Geht nicht – gibt’s nicht! Hans Rey, «No Way – Meine Mountainbike-Abenteuer», ISBN 978-37688-3682-1, Delius Klasing Verlag, www.delius-klasing.de, CHF 40.90

Paddel-Kunst Wer hat im Physikunterricht nicht aufgepasst? Dann ran ans Paddel! Denn wer sein Kanu unter Kontrolle haben möchte, darf sich nicht nur allein auf die Landschaft konzentrieren, sondern muss auch Strömungen, Paddelschlagwinkel und Kanuformen bei der Tour auf dem Wasser einberechnen. Das Buch gibt einen Eindruck davon, was den Paddelanfänger während den ersten Tagen auf dem Wasser erwartet und wie er sich für schwierige Touren vorbereiten kann. Anhand von Skizzen und Zeichnungen wird die Theorie anschaulich vermittelt. Trotz

ausführlicher Beschreibungen und Anleitung sollte die gelebte Praxis im Kanu nicht zu kurz kommen. Dann klappt es auch mit der Physik. Falk Bruder, «Solo im Kanu», ISBN 978-3-86686-010-0, Conrad Stein Verlag, www.conrad-stein-verlag.de, CHF 11.90

Menschen, Mythen, Meilensteine Es ist eine andere Welt dort oben, auf über 8000 Metern. Hart, überwältigend und lebensgefährlich. Und doch so anziehend für zigtausende Bergsteiger, die sich Jahr für Jahr auf die höchsten Berge der Welt hochkämpfen. Mit «Herausforderung 8000er» geben die Autoren einen faszinierenden Einblick in die Geschichte und die alpinistischen Pionierleistungen an den 14 «Höchsten». Fundierte Schilderungen hinterlassen ein Gefühl von Respekt gegenüber den Alpinisten, die sich in die unzugänglichen Gebiete wagten und wagen, nur um einmal ganz oben zu stehen. Dabei werten oder verurteilen die Autoren in keiner Weise über Themen wie «Ausverkauf der Berge» oder «Höhen-Tourismus». Ihnen geht es um den Respekt und die Leistungen am Berg. Ein Buch zum Staunen – auch für kritische Zweifler. Richard Sale, George Rodway, Eberhard Jurgalski, Jochen Hemmleb, «Herausforderung 8000er», ISBN 978-3-7022-3294-8, Tyrolia Verlag, www.tyrolia-verlag.at, CHF 51.90

Frauengipfel Was? Eine Frau wollt ihr mit in die Wand nehmen? Seid ihr verrückt? «Damen» in den Bergen haben mit mehr zu kämpfen als Höhenluft und kniffligen Kletterstellen. Die Vorurteile und gesellschaftlichen Konventionen bilden nur einen Teil der zu überwin-

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AUF WIEDERSEHEN IM WINTER: NÄCHSTE AUSGABE AM 15. NOVEMBER 2014 UNTER ANDEREM MIT: INTERVIEW Marco Büchel – endlich Zeit zum Freeriden OUTDOOR-CITY Turin – das Tor ins Winterparadies HAUTNAH Dolomiten, Engadin, Georgien, Norwegen TESTS Touren-, Freeride- und All-Mountain-Ski, Splitboards HINTERGRUND Skischuhanpassung, Tourenbekleidung

IMPRESSUM VERLAG UND REDAKTION OUTDOOR GUIDE Fleubenstrasse, CH-9450 Altstätten Telefon +41 (0)71 755 66 55 www.outdoor-guide.ch E-Mail: info@outdoor-guide.ch HERAUSGEBER Jürg Buschor REDAKTION Peter Bader, Moritz Becher, Valérie Bischoff, Yannick Bischoff, Jürg Buschor, Mia Hofmann, Thorsten Kaletsch, Sarah Himmelberger, Barbara Meixner, Christian Penning

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REDAKTIONELLE MITARBEITER Laurens Van Rooijen, Thomas Hebestreit, Harald Philipp, Daniela Schwegler, Lars Schneider, Mila Hanke, Daniel Anker, Marco Volken

ANZEIGEN Jürg Buschor Telefon +41 (0)71 755 66 55 Mobile +41 (0)78 636 39 87 E-Mail: juerg.buschor@outdoor-guide.ch

LAYOUT Marvin Lang

ABONNEMENTE E-Mail: leserservice@outdoor-guide.ch

BILDNACHWEIS TOUREN-KARTEN Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (BA140117)

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DRUCK Bechtle Druck & Service GmbH Zeppelinstrasse 116, D-73730 Esslingen

FOTO K2 Sports

FOTO Scott Sports/Dom Daher

FOTO Christian Penning

FOTO Barbara Meixner

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