Rauszeit Winter 2012

Page 1

RAUSZEIT

RAUSZEIT

Ausgabe Winter 2012/2013 Preis: 2,00 €

Foto: Bergans of Norway / Asgeir Helgestad

ERLEBT

BESSERWISSER NACHGEFRAGT

Wer Kälte und Schneesturm trotzt, erlebt Lappland im Winter einsam, tierisch und wild. Nur der Kebnekaise wacht über dem Winterwanderer. Mit Pulka, Zelt und Chef durch den schwedischen Schnee. Mehr auf S. 10

Im Winter friert jeder Mensch? RAUSZEIT erklärt, warum sich der Winter kalt anfühlt und wie der Körper warm bleibt - mithilfe von ganz einfachen Mitteln und etwas Menschenverstand. Mehr auf S. 20

Nach Hexen, Goethe und Sowjets hat heute ein stürmischer Mann das Sagen auf dem Brocken. Bei Regen, Schnee und Sonnenschein. Der Wettermann aus dem Harz gewährt Einblick in sein ereignisreiches Leben. Mehr auf S. 22


RAUSZEIT Winter 2012/2013

STANDPUNKT

Polarlichte Momente Kalte klare Luft am Morgen sagt uns den bevorstehenden Winter voraus. Es ist die ZEIT der Entschleunigung. Vielleicht bei einer heißen Tasse Tee, vielleicht mit einem Buch in der Hand an einem offenen Feuer sitzend, vielleicht mit Schneeschuhen durch die winterliche Landschaft stapfend. Winter ist aber auch die ZEIT, um über kommende Abenteuer im RAUS zu sinnieren. Wo soll es hingehen? Es braucht kein Vorwissen, nicht viel ZEIT oder Mut, den Finger über eine Landkarte gleiten zu lassen. Im Kopf werden ohne Passkontrollen Landesgrenzen überfahren, innerhalb von Sekunden Gebirge überschritten oder Weltmeere durchsegelt. Der »Dort-würde-ich-gern-mal-hinfahren-Moment« steht genauso am Anfang jeder Reiseplanung wie der Kauf der notwendigen Ausrüstung. Dieser Moment ist der Ausgangspunkt für langes Nachdenken, Abwägen und letztendlich für die finale Entscheidung: Da will ich hin! Im Gegensatz dazu, wenn aus einer Idee ein Trip wird, der manchmal mit einem über Jahre dauernden Planungsprozess verbunden ist, steht die schnelle Entscheidung. Vermutlich planen, entscheiden und verreisen die Menschen heute mit sehr viel weniger ZEIT als früher. Reisen werden regelrecht konsumiert. Wir müssen effizient planen, störungsfrei reisen, uns »auf Knopfdruck« erholen und möglichst geschwind und gesund wieder am Arbeitsplatz erscheinen. Am besten alles innerhalb eines verlängerten Wochenendes. Die ZEIT für Abenteuerliches und Improvisation ist im straff getakteten Urlaubsplan nicht mit eingerechnet. Wollen wir das wirklich? Wir wissen aus eigener Erfahrung: Es sind die Szenen neben der Haupthandlung, die den »Urlaubsfilm« wirklich aufregend machen. Unerwartete Begegnungen, außergewöhnliche Orte, Improvisationskunst – daran erinnern wir uns noch lange. Wer seine RAUSZEIT selbst organsiert, wird Regisseur seines persönlichen Reisefilms. Das Urlaubsabenteuer – Klappe die Erste. Entlegene Winkel entdecken und den Mut für abenteuerliche Schritte aufzubringen – dafür braucht ihr ZEIT. Belohnt werdet ihr mit unauslöschlichen Urlaubserlebnissen und einzigartigen Geschichten, die man immer wieder gerne erzählt. Vielleicht bei einer heißen Tasse Tee, vielleicht an einem offenen Feuer sitzend - vielleicht wieder über die Landkarte gebeugt. Wir kennen das Gefühl, wenn Reiseträume im Kopf kribbeln. Macht mit uns den ersten Schritt: Finger auf die Karte und los ... Wir wünschen euch viel Spaß beim Planen und Erleben! Andreas Hille, Michael Bode und Teams

2

Im hohen Norden, ab dem 60. nördlichen Breitengrad, ziehen sich in den Wintermonaten grünlich schimmernde Fäden und Spuren über das Himmelszelt. Die als Polarlichter bekannten Erscheinungen ziehen Menschen in ihren Bann. Sie entstehen, wenn geladene Teilchen des Sonnenwindes auf die äußere Schicht der Erdatmosphäre treffen. Die Häufigkeit von Polarlichtern ist abhängig von einem elfjährigen Aktivitätszyklus der Sonne. Am Ende einer Phase kommt es zu besonders starken Sonneneruptionen. Die NASA sagt die nächste Hochphase für den Winter 2013 voraus: das Jahr der Polarlichter steht uns bevor.

Schutz mit Stil Warm und weich, statt kalt und hart. Ribcap ist die erste Mütze, die nicht nur wärmt, sondern bei einem Aufprall den Kopf dank eingenähter Protektoren schützt. Während hartes Material entweder hält oder bricht, verformt sich das viskoelastische Material in der Mütze und absorbiert dadurch die Aufprallenergie. Dank auffälliger Farben sind die Mützen auch im Herbstnebel oder in Winternächten nur schwer zu übersehen und bieten Schutz beim Radfahren, Schlittschuhlaufen oder sonstigen Draußen-Aktivitäten mit »Aufprallpotenzial«. Die Ribcap-Mützen sind faltbar und leicht in der Tasche zu verstauen. Preis: Modell Jackson 86 Euro Modell Dylan 79 Euro

Auf Fell gebettet Mit dem Gastein GTX® hat Meindl einen Winterstiefel in Wanderschuhoptik und mit den Vorteilen eines stabilen Bergschuhs entwickelt, den man zu fast jeder Aktivität bei frostigen Temperaturen tragen kann. Das weiche Nubukleder mit Wachsgriff wurde als Komplettlederschuh verarbeitet. Leichte Wanderungen, Spaziergänge und die langen Wege im Alltag sind mit dem Gastein GTX® locker zurückzulegen. Der Fuß wird dabei warm und trocken gehalten. Für die guten Isolationseigenschaften ist ein Komplettfutter aus warmem und echtem Lammfell verantwortlich. Erhältlich als Damen- und Herrenmodell. Preis: 229,95 Euro

Tiefergelegte Wärmeschicht Im Winter kriecht schnell die Kälte durch die Schuhe in den Fuß und lässt den ganzen Körper frösteln. Sind die Füße nicht warm, dann kann der ganze Körper keine konstante Temperatur aufbauen. Filzeinlagen isolieren und wärmen den Fuß – und sind nebenbei noch bequem. Die Filz-Einlegesohlen von Barth bestehen zu 100 Prozent aus gewalkter Wolle. Durch die Einlage wird die eindringende Bodenkälte reduziert und das Fußbett trocken gehalten. Preis: 9,95 Euro


UNTERNEHMUNGS-BERATER Anke Kunst/CAMP4

Bitte einsteigen Das Schneeschuh-Modell Xplore von Tubbs ist der perfekte Einsteigerschuh für angehende Schneeschuh-Abenteurer. Dank der »QuickFit«-Bindung lässt sich der Schuh einfach und unkompliziert anbringen: Mit nur einer Schlaufe zurrt man den Schuh im Mittelteil fest und fixiert damit den Fuß. Der an der Spitze nach oben gebogene Alurahmen verhindert, dass der Schuh sich vorne zu stark in den Schnee gräbt und den Schritt verlangsamt, und somit die Bewegung anstrengender macht. Größen: 21», 25», 30». Preis: 149,95 Euro

Ob winterliche Genusswanderung oder sportlich anspruchsvolle Tour: Schneeschuhwandern ist vielseitig und gewinnt immer mehr Anhänger. Was man über die Sportart wissen muss – von der richtigen Ausrüstung über die Tourenplanung und Orientierung im Gebirge bis hin zu Gehtechniken und der Beurteilung der Lawinengefahr – das vermittelt der Praxisratgeber »Schneeschuhgehen«. Die passenden Schneeschuhe für erste Schnupper touren gibt es in unterschiedlichen Größen bei SFU, Camp4 und Basislager im Verleih. Mehr dazu erfahrt ihr im Laden. Autor: Christian Schneeweiß Titel: »Schneeschuhgehen – Praxiswissen vom Profi zu Ausrüstung, Technik und Sicherheit« Verlag: Bruckmann Preis: 19,95 Euro

Lieblings-Ausrüstungsgegenstand? Mein Winterschlafsack, mit dem ich gelernt habe, dass man im Winter nicht frieren muss. Meine Powerstretch-Klamotten, mit denen ich gelernt habe, dass man im Winter nicht frieren muss. Und natürlich meine Ultraleichtdaunenjacke, mit der ich gelernt habe ...

Paul Teichert/SFU

Storm ins Dunkle Die vollständig wasserdichte Black Diamond Storm bietet bis zu 100 Lumen helles und zuverlässiges Licht. Auch unter stürmischen Bedingungen. Neben den Modi Nahbereich, Fernlicht und Blinklicht besitzt die StormStirnlampe auch einen speziellen Nachtsichtmodus. Vor allem in der Wildnis kann helles weißes Licht die Augen irritieren. Das rote Spotlicht der Storm lässt sich direkt aktivieren, ohne durch die normalen Modi steuern zu müssen. Preis: 59,95 Euro

Alle Produkte aus dieser Zeitschrift, Schneeschuhverleih und Pulkaverleih gibt es bei CAMP4 Karl-Marx-Allee 32 10178 Berlin www.camp4.de

SFU Schmiedestraße 24 30159 Hannover www.sfu.de

Seit wann bei CAMP4? Von Anfang an: Den ersten Laden an der Jannowitzbrücke haben wir eigenhändig ausgebaut und mit den Vertretern die Aufträge am Küchentisch geschrieben. Gelernter Beruf? Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen Verkäuferin mit Leib und Seele. Irgendwann habe ich mal studiert. Schon fast vergessen was.

Schneeschuh-Schnuppern

Basislager Kaiserstraße 231 76133 Karlsruhe www.basislager.de

Anke ist in der ganzen Welt »am Fels« zu Hause. Klettern ist ihre große Leidenschaft, und auch einer der Gründe, weshalb sie heute Geschäftsführerin bei CAMP4 ist. 1991: Drei Berliner planen unabhängig voneinander, einen Laden für Kletterausrüstung zu eröffnen. »Die Ostberliner Kletterszene war damals recht überschaubar. Alle kannten sich, wussten aber nichts von den Ideen der anderen.« Sieben Monate später eröffnet CAMP4.

SFU Neue Straße 20 38100 Braunschweig www.sfu.de

Allgemeine Anfragen und Anregungen bitte an redaktion@rauszeit.net IMPRESSUM Herausgeber und verantwortlich für den Inhalt: Michael Bode, Andreas Hille Redaktion & Konzept: outkomm GmbH, Fleubenstrasse 6, CH - 9450 Altstätten, www.outkomm.ch, redaktion@rauszeit.net Layout & Produktion: Marvin Lang Druck: Jungfer Druckerei und Verlag GmbH Copyright: Alle Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung ist ohne Zustimmung der Herausgeber unzulässig und strafbar.

»In meiner Freizeit laufe ich Marathon und mit dem dazu gehörigen Kilometerprogramm bin ich schon gut beschäftigt.« Neben dem Marathon, und seinem Hauptberuf als Feuerwehrmann, findet Paul immer noch die Zeit, bei SFU nebenberuflich die Reiseleidenschaft bei den Kunden anzufeuern. Es liegt wohl an seiner eigenen Sehnsucht zu verreisen. Seit wann bei SFU? Seit gut drei Jahren bei SFU. Ich bin damals nach Hannover gezogen. Um Anschluss zu bekommen, und dies gleich noch mit einer meiner Freizeitbeschäftigungen zu verbinden, habe ich mich bei SFU beworben. Was soll ich sagen: Ich habe neue Freunde gefunden und bin sehr gut aufgenommen worden! Gelernter Beruf? Gelernt habe ich den Beruf des Karosserie- und Fahrzeugbauers, komme also aus dem Handwerk. Nach meinem Wehrdienst habe ich eine Ausbildung bei der Berufsfeuerwehr absolviert und mir somit einen Kindheitstraum erfüllt. Lieblings-Ausrüstungsgegenstand? Da denke ich, macht es vor allem die Symbiose der verwendeten Ausrüstung. Bei mir kommt es hauptsächlich auf Funktionalität, Haltbarkeit und Praxistauglichkeit an. Und wenn es dann noch gut aussieht, ist es fast meins – zum Beispiel mein Hilleberg Soulo Zelt.

3


RAUSZEIT Winter 2012/2013

Inuit Kinder auf Baffin Island Kanada, fotografiert von Jordan Manley, jordanmanley.com

Winterbiwakieren im Toggenburg Schweiz, fotografiert von Angelo Brack, angelobrack.ch

4

Rentier-Trekkingtour im Stora Sjรถfallet Nationalpark Schweden, fotografiert von Lars Schneider, outdoor-visions.com


RAUSBLICK

Jubil채umseisklettern in Alaska, fotografiert von Nicolas Chibac / MAMMUT, ataraxia2012.com

5


RAUSZEIT Winter 2012/2013

Erlebt: Schneeschuhwandern Dolomiten

GIPFEL DER EINKEHR Wer auf Schneeschuhen durch das verschneite Pustertal in den Dolomiten stapft, merkt recht bald, dass hier zu jedem Traumgipfel die passende Hütteneinkehr wartet. Ein Risiko bleibt: das Einsinken im Apfelstrudel.

Schwer ächzt der Nadelwald unter der Last des Neuschnees. Nur langsam kriecht die Sonne in das Hochpustertal, löst kleine Schneebomben von den überfrachteten Ästen. Unsere Atemwölkchen leuchten im Gegenlicht. Die fleißig wippenden Schneeschuhe katapultieren feinen Pulverschnee in die Luft, der im Flackerlicht der Morgensonne regelrecht explodiert. Sagenhaft, unsere Einstiegstour mit Schneeschuhen. Oder soll ich es vorwegnehmen? Unsere Einstiegsdroge ist eine landschaftliche Romanze. Somit erwischt uns schon auf der ersten Hüttentour zur Alpe Nemes das Trapperfeeling voll und ganz. Anfangs bewegen wir uns noch etwas ungelenk mit dieser neuartigen Schuhvergrößerung. Schlorcksen breitbeinig wie John Wayne durch die tief verschneite Prärie. Doch je länger wir die gleißenden Hänge hochstapfen, desto si-

6

cherer werden wir auf den ausladenden Schneetellern. Szenen aus alten Jack-London-Büchern tauchen vor unseren Augen auf. Kein Wunder, die winterlich verschneiten Dolomiten bieten die perfekte Kulisse für unser Schneeschuh-Wintermärchen. Die schroffen Gipfel der Dreitausender rund um die Drei Zinnen sind zwar mit Schneeschuhen kaum erreichbar, aber die zahlreichen Höhenwege und Zwischengipfel um die Zweitausend-Meter-Marke bieten das perfekte Gelände, um sich den Felsgiganten anzunähern. Im Sommer ziehen diese himmelhohen Türme zahllose Wanderer an. Im Winter bekommen sie eine Haube aus Schnee und Eis, und die sattgrünen Wiesen zu ihren Füßen verwandeln sich in weiße Wellen. Stille kehrt ein, und die Bergwelt bleibt sich selbst überlassen. Jetzt schlägt die Stunde der Schneeschuhgeher. Denn mit den Trapperschuhen

an den Füßen kommt man in den Bergen auch dort vorwärts, wo der normale Wanderer einsinkt.

Glitzerende Strudelköpfe Zurück zur Tour: Kaum über der Baumgrenze, da erstrahlt der Monte Rosso – die 2.390 Meter hohe Rotecke – im untypischen Reinweiß. Wie die Spitze eines mit Puderzucker verzierten Croissants ragt ihr geschwungener Gipfelaufbau aus den sich schichtweise erhebenden Almen. Der Wind hat feine Linien in die Hänge ziseliert, kleine verspielte Wechten gezaubert, die uns den Weg zum Gipfel weisen. Die Beine werden trotz stärkendem Ausblick immer schwerer. Die Erlösung liegt nah: Auf der Alpe Nemes werden uns köstliche Schlutzkrapfen mit zerlassener Salbeibutter kredenzt.


Die Südseite der Drei Zinnen beim Aufstieg von der Auronzohütte zum Paternsattel.

Angekommen - die Zinnen in ihrer vollen Pracht.

Die Terrasse bietet ein hochrangiges Panorama. In den gut eingeschenkten Gläsern spiegeln sich die Sextener Rotwand und der Elferkogel. Rot sehen wir trotzdem nicht. Schon das erste Sahnestück des Hochpustertals birgt Suchtpotenzial. Als Stützpunkt für das große Schneeschuhabenteuer eignet sich der Ort Sexten auf 1.300 Metern Höhe. Wer auf der Brennerautobahn kurz vor Brixen Richtung Bruneck fährt und dem Pustertal folgt, gelangt bald ins Hochpustertal und erreicht die 2.000-Seelen-Gemeinde. Schlägt man in Richtung Süden einen Halbkreis von etwa fünfzehn Kilometern um den kleinen Ort, liegen darin mindestens fünf grandiose Schneeschuhtouren – genug Stoff für eine großartige Winterwoche und weiße Kristallträume. Halb ausgeruht und voller Schneeschuhdrang klettern wir am nächsten Morgen aus den Betten. Beim zweiten Streich wird sogar die Anfahrt zum Gedicht. Zwischen Welsberg und Niederndorf mündet das still gelegene Pragser Tal in das Pustertal. Wir tuckern auf einer Panoramastraße zunächst am Stollbach entlang und später mit Schneeketten in vielen schönen Kehren hoch zur Plätzwiese – eine der größten Hochalmen Südtirols. Eben und einfach geht es vom Parkplatz zur Dürren-

steinhütte. Gut so, denn die Hohe Gaisl mit ihren 3.146 Metern Höhe zieht unsere Blicke magisch an und wir möchten ja nicht schon beim Aufwärmen über die Bratpfannen an unseren Füßen stolpern. Über weite Kuppen arbeiten wir uns dann auf herrlich gepresstem Schnee bis zum Heimkehrerkreuz empor, dem mit 2.307 Metern Seehöhe höchsten Gipfel der Strudelköpfe. Dort reicht der Blick von den Drei Zinnen bis zum Monte Cristallo. Während die Zinnen aus der Westsicht eher brav wirken, kommt der Monte Cristallo in all seiner majestätischen Pracht zur Geltung. Wenn sich nach der Anstrengung nicht immer die Magensäfte regen würden, könnten wir hier stundenlang innehalten und seiner »Majestät« tief in die winterlichen Augen blicken. Der Tee in der Thermoskanne ist noch heiß – aber die Müsliriegel bleiben heute erneut im Rucksack. Unten an der Dürrensteinhütte hat uns Philipp Schwarz, der Hüttenwirt und Chefkoch, schon beim Raufgehen gesteckt: »Heute gibt es Tris di Gnocchi – dreierlei Nocken mit Käse-, Tomatenund Spinatfüllung. Ihr müsst auf dem Rückweg unbedingt vorbeischauen.« Natürlich möchten wir den Chef nicht erzürnen und tun ihm den Gefallen. Auch zu unserem eigenen Nutzen selbstverständlich.

Weiche Landung Beim dritten Streich halten wir uns gar nicht erst lange mit Vorgeplänkel auf. Wir hüpfen direkt in Sexten rein in die Gondel und schweben mit der großen Kabinenbahn hinauf zur Bergstation des Helms auf 2.041 Meter. Knappe 400 Höhenmeter stapfen wir bis zum Gipfel. Andächtig genießen wir das atemberaubende Panorama. Richtung Süden haben wir immer wieder freien Blick auf die Sextener Sonnenuhr: fünf dicht gruppierte Bergmajestäten, auf denen der Schneewanderer die Uhrzeit ablesen kann – je nachdem, auf welchem Gipfel gerade die Sonne steht. Allerdings reicht das Zifferblatt nur von neun bis ein Uhr, entsprechend heißen die Berge Neuner- bis Einerkofel. Auf dem Karnischen Höhenweg, der in diesem verwächteten Zustand wie eine computersimulierte Traumstrecke für SchneeschuhFans anmutet, wandern wir entlang der Schafalpe zum Obermahdsattel. Der erstklassige Schnee ermöglicht sogar auf Teilstrecken eine Art Schneeschuhabfahrt. Die will jedoch geübt sein. Zuviel Rückenlage sorgt für einen Freifahrtschein auf dem Hosenboden. Bei zu viel Vorlage können die Frontzacken unvermittelt greifen

7


RAUSZEIT Winter 2012/2013

Nach ein paar Touren sind die Schneeschuhe schon fast mit den Füßen verwachsen.

und der Freifahrtschein wird mit einem fulminanten Salto eingeläutet. Solche Stürze gehören anfangs dazu und machen Spaß. Besonders, wenn der Schnee einen beim Sturz in einem federleichten Bett aus Zuckerwatte auffängt. Bevor man sich aber ins exponierte Gelände wagt, sollte man eine Übungseinheit im sicheren Gelände einlegen. Wir bleiben bis zur Sillianer Hütte und dem Hornischegg am Grat. Dann, ganz plötzlich, eine falsche Abzweigung, und schon rutschen wir unvermutet in ein Bermudadreieck mit bewirtschafteten Hütten. Wehe dem, der nicht rechtzeitig den Ausweg aus dem Dreieck findet. Man erzählt sich, dass schon zahlreiche Schneeschuhwanderer infolge von frischem Apfelstrudel und Dampfnudeln die letzten Sonnenstrahlen verpasst haben und einige Höhenmeter ins Tal bei Dunkelheit zurücklegen mussten. Am nächsten Tag nehmen wir eine kleinere Tour in Angriff, unsere Beine sind eh noch ziemlich pomadig von der großen Tour am Vortag. Wir starten am Fischleinboden und ziehen unsere Schlurfspur hinauf zur Rudihütte, unterhalb der Sextener Rotwand. In den zunächst noch schattigen Waldpassagen bleibt es lange bitterkalt. Aber einige sehr steile Kehren lassen den Puls gut aufjaulen. Sie sorgen für eine angenehme Betriebstemperatur. Kaum über der Baumgrenze, bei der Rotwandhütte, kämpft sich die Sonne unvermittelt durch. Wir können dem Quecksilber förmlich beim Klettern zusehen. Zuerst kommt die Jacke runter. Keine fünf Minuten später der Pulli; es dauert auch nicht mehr lange, bis die Hemdsärmel hochgekrempelt werden. Die Schneekristalle beginnen unter den Strahlen zu glitzern und funkeln uns entgegen. Bei der ganzen Anstrengung haben wir uns eine Pause verdient. Routiniert kehren wir in die erste Hütte ein, die

8

auftaucht. Lange dauert es bekanntlich nicht, bis Wanderer in den Dolomiten auf ein Gasthaus treffen. Bei Cappuccino und Tiramisu auf der Rudihütte genießen wir den Blick auf die schroffe Rotwand. Die Sonne läuft zur Höchstform auf. Nicht nur die bis dato kaltgraue Rotwand errötet zusehends. Auch bei uns scheint der 30er-Lichtschutzfaktor an seine Grenzen zu stoßen. Unbeschreibliches Wetter. Das gibt uns Hoffnung für unsere Königstour, die bereits am nächsten Tag auf uns wartet.

Glückliche Amateure Yippie, der Blick aus dem Fenster lässt uns im Nu aus dem Bett schnellen. Keine Wolke am Himmel – das Hoch hält durch! In Windeseile grasen wir den Frühstückstisch ab und springen in das Auto. Hinter Toblach geht’s links ab ins Höhensteintal. Kurz vor dem Dürrensee erspähen wir die Drei Zinnen erstmals im Vorbeiflitzen. Freudig erregt schnallen wir die Schneeschuhe an. Schon auf dem Weg hoch zur Auronzohütte verballern wir gewaltig Körner. Aber egal, die Sonne strahlt, absolutes Kaiserwetter und außer uns sind gerade mal eine Handvoll Leute unterwegs. Wir können uns dieses majestätische Dreigestirn, diese wohl meistfotografierte Felstrilogie der Welt, ganz in Ruhe zu Gemüte führen. Die Umrundung der Drei Zinnen ist ein Klassiker und für Schneeschuhfreaks eine absolute Paradetour. Eigentlich unglaublich. Im Sommer wimmelt es hier nur so von Ausflüglern. Aber für Skitouristen ist die Abfahrt wohl zu unspektakulär und normale Winterwanderer haben hier keine Chance. Selbst wenn sie sich mit dem Schneemobil zur Auronzohütte shutteln lassen: hier ist Schluss. Das ist unse-

Verdiente Pause mit Ausblick auf die verschneiten Dolomiten.

re Trumpfkarte. Mit den Schneeschuhen erobern wir dieses monumentale Territorium fernab vom üblichen Rummel. Und das Beste daran – es ist kinderleicht! Selbst wer den alpinen Winter sonst überwiegend auf der Couch bei Skirennen im Fernsehen wahrnimmt, hat mit Schneeschuhen Zutritt ins winterliche Gebirge. Kurze Genusstouren entfachen schnell Lust auf mehr und dann kommt die Kondition von ganz alleine. Selbst wenn es an alpinen Grundkenntnissen über Schneeund Lawinenkunde hapert, kein Problem. Mittlerweile werden im gesamten Alpenraum viele geführte Touren mit professionellen Guides angeboten. Mehrtageskurse vermitteln den Teilnehmern ganz nebenbei auch die Basics über die winterlichen Gefahren, ohne dass man dafür die Schulbank drücken müsste. Wir überschreiten den Patternsattel. Jetzt erst entfalten die Drei Zinnen ihre gewaltige Aura. Wir kürzen ab, verzichten auf die Dreizinnenhütte und queren gleich parallel zu den berühmt-berüchtigten Nordabstürzen über die Lange Alm. Hier sind wir mutterseelenallein, bestaunen mit Ehrfurcht und Grausen die ar…glatte Nordwand der großen, mittleren Zinne. 1933 wurde sie von dem Italiener Emilio Comici erstmals durchstiegen. Er benötigte mit seinem Team drei Tage dafür. Im Jahr 2002 durchkletterte der deutsche Extrembergsteiger Alexander Huber die Wand ohne Seil und andere Hilfsmittel –ein 500-Meter-Solo im oberen achten Schwierigkeitsgrad – und stand nach vier Stunden oben. Ein Meilenstein der Alpingeschichte. Wir lassen uns volle sechs Stunden Zeit für diesen Panorama-Knüller. In die Alpingeschichte gehen wir damit sicherlich nicht ein, dennoch werden wir diese Schneeschuhtour unser ganzes Leben lang nicht vergessen. Text und Fotos: Norbert Eisele-Hein


INFORMATION: Das Hochpustertal ist ein großartiges Schneeschuhrevier. Der Panoramafaktor liegt enorm hoch. Egal, ob Anfänger oder Profi: Hier findet jeder eine Tour. www.hochpustertal.info, I-39038 Innichen, Pflegplatz 1, Tel. +39(0) 474 913149 REISEZEIT: Bis in den Mai hinein können hervorragende Schneeverhältnisse herrschen. UNTERKUNFT: Sämtliche Talorte verfügen über eine Vielzahl an Pensionen, Hotels und Hütten in unterschiedlichsten Preisklassen. Camper finden im Caravanpark Sexten, www.caravanparksexten.it, einen vielfach prämierten Wintercampingplatz mit großem Angebot.

AZ MARMOT 1/2 HOCH

DIE DREI-ZINNEN-UMRUNDUNG: Mittelschwer, lang, aber dafür auch die Königstour der Dolomiten. In den Sommermonaten ist diese Route stark frequentiert, aber im Winter und auf Schneeschuhen wird die Runde um die steilsten Zähne der Dolomiten zum Traum. ANSPRUCH: Beim steilen Wiederanstieg von der Lange Alm kann es sein, dass bei eisigen Verhältnissen die Frontzacken der Schneeschuhe sauber eingesetzt werden müssen. Die Orientierung auf der Tour fällt leicht, einzig die Versorgungslage ist dürftig. Da im Winter die Dreizinnenhütte und die Auronzohütte geschlossen sind, muss genug Brotzeit mit ins Gepäck.

ÜBERNACHTUNG: Die Auronzo- und die Lange Alm-Hütte sind im Winter geschlossen! Die Dreizinnenhütte ist ebenfalls geschlossen, verfügt aber über einen spartanischen, unbeheizten Winterraum mit sechs Betten. Übernachtung nur im Rifugio Lago d’ Antorno, www.lagoantorno.com, Tel. + 39(0)435/3 9148. Dort wird auch das Schneemobil-Shuttle hoch zur Auronzohütte angeboten.

MARMOT PRO CHRISTIAN SCHLESENER

ANFAHRT: Von Toblach auf der SS 51, bei Schluderbach links nach Misurina und vor dem Ort wieder links zum Lago d’ Antorno. Bus: Linie 445.

JACKET UP TRACK JACKET PANT PRO TOUR PANT

KLAUS KRANEBITTER

AUSGANGSPUNKT: Parkplatz Rifugio Lago d’ Antorno, 1.880 Meter. Er liegt einen knappen Kilometer vor der Mautstraße hoch zur Auronzohütte, die im Winter fast immer gesperrt ist. Wer sich den Anstieg zur Hütte sparen will, kann mit einem Schneemobil-Taxi hochtuckern (Zeitersparnis:1,5 Stunden).


RAUSZEIT Winter 2012/2013

Erlebt: Pulka Tour Lappland

CHEFSACHE LAPPLAND »Nimmst du mich mal mit?«, fragt meist der kleine Bruder den großen Bruder. Mit ähnlicher Unschuld traf mich die gleiche Frage – allerdings vom großen Chef. Doch in der Wildnis Skandinaviens gibt es keine Hierarchien: Hier fällt das Wetter ganz alleine die wichtigen Entscheidungen.

Es ist Sommer. Ich sehe aus dem Fenster meiner Berliner Wohnung. Ein leichter Regen hat den städtischen Asphalt abgekühlt. Unter Platanen flanieren Paare und Vergnügungssuchende. Heute hat mich der Chef gefragt, ob ich einen Bericht über unsere gemeinsame Wintertour im vergangenen März schreiben würde. So versuche ich mich aus der Verklärung des weichen Sommerdunstes zu befreien und wende mich der kristallenen Erhabenheit des nordischen Winters zu.

Zeit zum Auftauen Wir hatten uns am Flughafen verabredet. Eine leichte Nervosität war auch der Abfertigungsangestellten beim Anblick unseres sperrigen Gepäcks anzumerken. Seesack, Pulkas und Skier. Einiger Vorbereitungsaufwand lag hinter uns. Haben wir nichts vergessen? Sind die Daheimgebliebenen instruiert? Erst nach der zweiten Runde Bier an der Flughafenbar in Stockholm legt sich die Nervosität. Eigentlich wollte ich mal wieder alleine unterwegs sein, mich ganz kopf- und seelenfrei dahintreiben lassen. Dazu hatte ich mir mit der Überquerung des Inarisees eine weniger spektakuläre Landschaft ausgesucht. Das ist natürlich nichts für einen alten Himalaya-Bergsteiger wie den Chef. Als wir uns auf den Kebnekaise –

10

Schwedens höchsten Berg – einigen, bin ich froh, denn da wollte ich auch schon immer mal hin. Gespannt verfolge ich aus dem Fenster des Fliegers die Route nach Norden entlang der allmählich zufrierenden Ostsee. Vor der Landung einsame, weite Winterlandschaft. Wir sind richtig. Der Flughafen Kiruna hat den Charakter eines Busbahnhofes. Ein bestellter Taxifahrer hält ein Schild mit meinem Namen hoch. Zunächst fahren wir in die nüchterne Bergbaustadt Kiruna, die ähnlichen Charme wie der Flughafen versprüht, um Brennstoff für Kocher und Laterne zu kaufen. Dann geht es in rasanter Fahrt, spikesbereift, auf eisiger Piste knapp 70 Kilometer nach Westen, bis in Nikkaluokta die Straße endet. Ein teures Vergnügen. Gut, dass der Chef dabei ist. Die kleine Siedlung Nikkaluokta ist einer der Ausgangspunkte für Wanderungen auf dem nördlichen Kungsleden – dem schwedischen Königspfad – und ins Kebnekaise-Gebiet und hat sich mit der von einer Sami-Familie geführten Hüttenanlage stilvoll darauf eingestellt. Wir machen uns gerade daran, die Ausrüstung – noch im Fluggepäckformat – in tourenpraktische Funktionseinheiten aufzuteilen, als uns ein norwegischer Hüttennachbar türklopfend auf den inzwischen vom Polarlicht durchwobenen Sternenhimmel aufmerksam macht. Ein mehrstimmiger Husky-Chor setzt passend zum Schauspiel ein.

Glitzernder Willkommensgruß Der erste Morgen: welch ein Tag! Strahlendes Blau, Winterstille. Wir beginnen die Tour mit einigen lustigen Pirouetten im Schnee für ein schließlich misslungenes Selbstauslöser-Startfoto. Was soll´s, jetzt geht’s endlich los. Nach diesem Moment sehne ich mich immer ein ganzes Jahr lang. Durch ein weites Tal laufen wir nach Westen. Wie zu erwarten herrscht hier einiger »Verkehr«. Schließlich befinden wir uns auf dem Zubringer zur »A9 der Wintertourengeher«, dem nördlichen Kungsleden. Über den ganzen Tag verteilt begegnen uns drei Hundegespanne, zwei Schneescooter und eine Gruppe Franzosen auf Skiern. Hauptverkehrsader auf schwedisch. Nach sechs Kilometern die erste Raststätte. Wir parken die Pulkas vor »LapDånalds«, einer kleinen Hütte, die im Sommer als Grillstation auf hungrige Wanderer wartet. Leider werden die berühmten Renburger nur in der warmen Jahreszeit angeboten und so reichen wir uns vor der winterschlafenden Kote mit leichter Überwindung Müsliriegel aus dem eigenem Proviant. Erst kurz vor der Kebnekaise-Fjällstation lässt uns ein plötzlich sichtverschlingendes Schneegestöber nicht lange zögern: genug für heute. Wir finden zwischen schneeumfegten Hügeln und gebeugten Birken einen ebenen Platz zum Zelten. »Schaffst Du das allein?«


Einschlafen mit Schneesturm, aufwachen mit sonnigem Blick auf Kebnekaise - der Gipfel rechts.

Ein dreistes Hermelin macht sich über den »Rentiervorrat« eines Vielfraßes her.

»Klar!«, rufe ich in den Wind, während sich der Chef mit der Kamera entfernt, um die tosende Stimmung einzufangen. Etwas nervös wühle ich kniend im Schnee, um die Heringe für unser sich wild gebärdendes 4-MannExpeditionszelt einzugraben, als es passiert: Wie ein aufgeschrecktes Schneehuhn, nur in rot, fliegt plötzlich der Packsack des Zeltes davon. In Zeltleinen verstrickt, kann ich dem exotischen Vogel nur nachblicken, bis er im Grau des Schneetreibens verschwindet. Wie peinlich, gelte ich doch als der Zeltfreak und bin für meinen peniblen Zeltaufbau berüchtigt. Mit gesenktem Haupt beende ich mein Bauwerk, als der schnelle Chef plötzlich auftaucht. Und – tatsächlich – da flattert doch etwas Rotes in seiner Hand. Nächster Tag, neues Glück! Sonne flutet durch das Zelt, Windstille, unglaublich. Vorsichtig kriechen wir aus dem Zelt. Das Kebnekaise-Massiv baut sich majestätisch vor uns auf und seine steilen Felswände weisen uns den Weg nach Südwesten. Anders als am Vortag geht es jetzt spürbar bergan. Ein Blick zurück in das Tal, durch das wir gerade gekommen sind. Unter der Schneedecke lassen sich zwischen dünnem Birkenbestand windende Wasserläufe und Seen erahnen. Vor uns eisige Mondlandschaft, flankiert von abweisendem Fels. Es geht weiter aufwärts. Als wir endlich den Pass erreicht haben, bin ich angesichts des keuchenden Chefs froh, dass es jetzt nur noch bergab geht. Abends, im Zelt, reiche ich dem frierenden Angeschlagenen Wärmflasche und Schnaps. Offenbar das beste Mittel gegen eingeschleppte Zivilisations- und Chefbüroviren, denn bald schon unterhalten wir uns angeregt über klassische Musik und unsere sehr unterschiedliche Sozialisation in den Nischen der DDR.

Stürmische Zeiten Ich liege noch im Schlafsack, als uns ein vorbeieilender, Kungsledenkommunikationsbedürftiger warnt: »Starkwind ab 14 Uhr sagt der Wetterbericht voraus!« »Naja, dann woll´n wir doch mal«, schäle ich mich aus den Daunen und plustere mich auf zum Kräftemessen mit der Natur. Tatsächlich beginnt es kurz nach zwei ordentlich zu wehen. Die Landschaft verwandelt sich in einen fliegenden Teppich mit Fransen, lichtgetränkt und schattiert in einem bizarren Muster aus Sonne und Wolken. Im Windschutz der Kuoperjokka-Schutzhütte genießen wir während der Mittagspause fasziniert dieses Schauspiel. Und wieder überlassen wir uns dem Rausch der Elemente auf einsamen Bahnen. Es fällt nicht schwer, denn der Wind weht uns inzwischen nach Norden, da wo wir hinwollen. So leer ist die A9 selten. Nur Rentiere, denen das Wetter auch gefällt, wagen sich bis an die Leitplanken unserer Route. In der Trance des Dahindriftens bin ich als Vorangehender fast erschrocken, als ich plötzlich vor der Sälka-Hütte stehe. Stünden in dem Moment nicht gerade die sympathischen Wirte Ulla und Kurt mit der Ankündigung zu noch mehr Wind vor der Tür, wäre ich wohl weitergezogen. So lockt uns das knisternde Hüttenofenfeuer. Schnell bin ich mir mit dem Chef einig und wir richten uns ein, hacken Holz für Ofen und Sauna, holen Wasser aus dem nahen Eisloch und scherzen mit zwei belgischen Mitbewohnerinnen über das übertriebene Sicherheitsbedürfnis von Winterwanderern. Der Chef resümiert gerade »no risk, no fun«, als Ulla plötz-

lich mit der erschütternden Nachricht hereinkommt, ein Flugzeug sei am Kebnekaise abgestürzt. Ja, wir haben richtig verstanden: »An aircraft crash this afternoon on Kebnekaise!«. Dessen westliche Flanken haben wir doch soeben ganz schwerelos umrundet und nur ein paar Kilometer entfernt hat sich eine Tragödie abgespielt. Eine norwegische Militärmaschine mit fünf Besatzungsmitgliedern, zum Manöver unterwegs, hat es getroffen. Keine Überlebenden, wie wir später erfahren. Die stürmische Nacht lässt die Hütte ächzen und beben und auch der nächste Morgen ermuntert nicht zum Weiterlaufen. Eigentlich sollte der Berg Sälka (1.865 Meter), zu dessen Füßen wir gerade klein beigeben, »unser« Berg werden. Eine Besteigung bei gutem Wetter soll eine grandiose Aussicht auf die große schwedische Gipfelkette mit Kebnekaise und nach Westen bis zum Atlantik bieten. Am Nachmittag unternehmen wir im Schneetreiben einen vorsichtigen Versuch, in die Ausläufer des Berges einzusteigen, als uns eine donnernde Lawine warnt: diesmal nicht. Bekehrt kehren wir um. Den zweiten Hüttenabend teilen wir uns mit der inzwischen per Motorschlitten eingeflogenen lüsternen Boulevardpresse aus Stockholm. Am nächsten Morgen die Ruhe nach dem Sturm. Wir sind erleichtert, als wir den Spuk hinter uns lassen und unsere ersten Spuren durch den Schnee ziehen, der unschuldig in der Sonne glitzert. Dieser Tag steht ganz im Zeichen des Tjäktjapasses – dem geografischen Höhepunkt des Kungsleden – dessen Linie sich in der Ferne bereits abzeichnet. Mit fließender Energie streben wir dahin. Ein dahintapsendes Schneeschuhpärchen beneidet uns um

11


RAUSZEIT Winter 2012/2013

REVIER Das Gebiet rund um den »Kebnekaise« ist logistisch gut erschlossen. Mit dem Flugzeug via Kiruna sind die Ausgangsorte Nikkaluokta, Abisko und auch Vakkatavare in einem Tag zu erreichen. In diesem Gebiet liegt der wohl populärste Teil des Kungsleden, dem schwedischen Fernwanderweg. Die bewirtschafteten Schutzhütten stehen in einem Abstand von etwa 15 Kilometern, verlässt du aber den Kungsleden, bist du allein. Ganz wichtig: Es gibt in diesem Gebiet keinen Handyempfang! WETTER Da der Kebnekaise relativ dicht am vom Golfstrom beeinflussten Atlantik liegt, schlägt das Wetter in diesem Gebiet oft Kapriolen. Temperaturen zwischen +1 und –30 °C sind im Winter jederzeit möglich. Der Wetterwechsel vollzieht sich mitunter sehr schnell und orkanartig innerhalb eines Tages. Weht der Wind von Nordosten, stürzt das Thermometer in den Keller. Unsere Windspitze im Zelt: 110 km/h. AUSRÜSTUNG 110 km/h oder –30 °C – da gibt es keinen Kompromiss bei der Auswahl des Zeltes. Ein Modell von Hilleberg, Nammatj oder Keron, ist ratsam. Die Größe sollte dem Wintergepäck entsprechend sein. Also immer größer nehmen als die angegebene Personenzahl. Vergessen wird oft der Zeltboden: Wenn dieser komplett mit einem sehr dünnen Evazote Zeltteppich (z.B. von EXPED) ausgelegt wird, »strahlt« er nicht so viel Kälte ab. Wir empfehlen einen Benzinkocher. Der »Primus Omnifuel« ist seit Jahren der zuverlässigste Expeditions-Kocher, den wir kennen. Als Verbraucherrichtlinie für zwei Personen kann in etwa ein Liter Primus Fuel für drei Tage angesetzt werden. Den Brennstoff zur Sicherheit in Kiruna bei Intersport oder in der Abisko Fjällstation vorbestellen. Fürs Schneeschaufeln aller Art gehört eine Schaufel ins Gepäck. Isolation bei Bekleidung, Schlafsack und Isomatte ist naheliegend. Als Schlafsackfüllung kommt eigentlich nur Daune in Frage – mindestens eine 900 Gramm Daunenfüllung, wie zum Beispiel bei einem Winterschlafsack der Firma Highlight oder dem Modell »Puma« von Western Mountaineering. Es empfiehlt sich Unterwäsche aus Wolle, wie zum Beispiel von Woolpower. FORTBEWEGUNG UND TRANSPORT Backcountry-Ski mit Schuppen, Stahlkanten und Telemark- bzw. NN-75-mm-Bindung sind das beste Verkehrsmittel. Für steilere Passagen sind Steigfelle nötig. Der Schuh sollte einen herausnehmbaren Innenschuh haben, denn nur dieser lässt sich über Nacht im Zelt trocknen. Die Ausrüstung wird am effektivsten mit einer Pulka (Gepäckschlitten mit Zuggestänge) transportiert. Mit dieser lässt sich auch ein Startgewicht von über 40 Kilogramm gut ziehen. Pulka-Verleih gibt es bei Basislager, CAMP4 und SFU - siehe Bezugsadressen. Mehr Informationen unter: lappland@rauszeit.net

12

Als Geister der Verstorbenen interpretieren die Sami die grünen Lichter am Nordhimmel.

Der Kungsleden gleicht an manchen Stellen einer Lappländischen Hauptverkehrsader.

unsere gleitende Fortbewegung auf Skiern. Später, als es steiler wird, gerät das Gleiten allerdings etwas ins Stocken. Doch euphorisiert durch immer grandiosere Rückblicke in das weite Trogtal, kämpfen sich zwei winzige Ameisen mit Gepäckschlitten immer weiter hinauf zum Badewannenrand. Unglaublich, was diese kleinen Tierchen so schaffen!

oser Bergkulisse in das zarte Lila des klaren Winterabends. Wir wollen gar nicht reingehen, als die ersten Sterne zu funkeln beginnen. Aber gleich ist Küchenschluss und ich unterbreche die Stille mit dem Fauchen des Kochers. Diesmal gibt’s kein Dessert, aber dafür Lichtshow kostenlos. Man kann das Polarlicht kaum mit Worten beschreiben. Bei den Sami galt es als Aktivität der Geister von Verstorbenen und mir kommt es tatsächlich so vor, als seien die wehenden Himmelsgardinen ein Medium in eine andere Dimension. Schade nur, dass die Füße irgendwann kalt werden, und auch der Kopf droht vom Hin- und Herstaunen bald aus seinem Gelenk zu fallen. Die letzten Etappen vergehen wieder mit nomadischer Routine, ohne dass wir es versäumen, die sehr abwechslungsreiche Landschaft mit allen Sinnen aufzunehmen. Am letzten Pass allerdings versagen meine Sinne komplett. White out. Keine Konturen, Himmel und weiße Landschaft werden eins. Geht es hoch oder runter? Nur die Skispitzen zeigen, wo vorn ist. Plötzlich scheint es immer steiler bergab zu gehen – verkrampft in Schneepflugstellung stemme ich mich gegen das Nichts – aber es wird immer schneller – gleich falle ich …! Da muss ich feststellen: Ich stehe ja auf der Stelle. Die letzte Nacht im Windkanalzelttest. Wir hoffen in dieser Aussichtslage auf einen Abschiedsblick auf die umrundeten Berge, die sich aber düster verschleiern. Windgebeutelt taumeln wir morgens etwas traurig die letzten Kilometer durchs Vistastal nach Nikkaluokta.

Rollenverteilung im Zelt Die nächsten Tage sind gezeichnet von gelassener Selbstverständlichkeit. Angenehme Routine hat sich eingestellt. Das tägliche Prozedere – wie der Lageraufbau – funktioniert reibungslos Hand in Hand. Taktvoll hält sich der Chef zurück, wenn ich mit dem Ehrgeiz eines ambitionierten Friseurs um das Zelt schreite, um alle Abspannleinen perfekt zu justieren. Dann folgt die Inneneinrichtung mit Teppich, Therm-a-Rest-Sessel und Couchtisch. Für Licht und Wärme sorgen Gaslampe und Kerzenstumpen. Mein Part in der Küche ist das abendliche Menü. Dazu reiche ich dampfende Suppe, heißen Tee mit Schuss, und dann das Hauptgericht. Später stehen die Schale mit Chips und zwei kleine Gläschen zwischen uns. Nach den langen Abenden »an der Bar« bin ich froh, dass ich am Morgen erst vom Duft richtigen Kochkaffees geweckt werde. Wunderbar! Frühstück im Bett. Nachdem ich den Kopfteil meiner Isomatte hochgeklappt habe, werden mir Müsli an Pulvermilch und sonntags Rührei mit Speck serviert. Wir haben unseren Rhythmus gefunden. Schnell ist alles eingepackt und während ich noch augenreibend eine zweite Tasse genieße, bricht der frühe Chef – längst schon wieder in Form des drahtigen Bergbezwingers – bereits auf. Wir gönnen uns diesen Abstand bei gutem Wetter. Jeder kann so unbeschwert sein eigenes Tempo finden, fühlt sich nicht getrieben oder gebremst. Etwa eine Tagesetappe vor Abisko verlassen wir den Kungsleden-Pfad. Wir folgen den vereinzelt blassroten Kreuzen als Wegmarkierung nach Osten. Hier sind offenbar selten Menschen unterwegs. Aber dafür sehr viele Tiere. Ein fliehender Vielfraß verrät uns unfreiwillig seinen Kühlschrank. Im Schnee hat er sein erlegtes Ren vergraben. Ein weißes Hermelin als Mitesser leckt dort gerade noch sein blutiges Schnäuzchen. Später dann eine Elchfamilie und Spuren vom Luchs, und über allem wacht der segelnde Seeadler. Die nordische Wildnis jenseits ausgetretener Pfade. Wir erkämpfen uns einen weiteren Höhepunkt. In exponierter Lage stellen wir unser rotes Zelt vor grandi-

Abspann des Films zeigt: Stolze Männer in der Sauna, Kirchenbesuch in Kiruna, Einkauf beim Rentierschlachter und Flughafenbier. In Berlin 23° Grad mit langer Unterhose. Zartes Grün und nackte Mädchenbeine erblickend, bei der Fahrt durch die frühlingspralle Großstadt. Zuhause angekommen ist der Klumpen Rentierfleisch im Schlafsack noch immer gefroren. Das nächste Mal bringe ich einen Schneemann mit.

Text: Matthias Müller, Camp4 Fotos: Andreas Hille, Camp4


Alpha SV – arcteryx.com


RAUSZEIT Winter 2012/2013

Erlebt: Mecklenburger Seenplatte

FARB-FERN-SEEN Auf halbem Weg zwischen Berlin und Ostsee breitet sich die Mecklenburgische Seenplatte aus: Gewässer, Flüsse, dazwischen dichte Wälder und verschlafene Ortschaften. Im Herbst tauschen die Bäume ihre grünen Blätter gegen buntes Laub und der Nebel legt Ruhe übers Land. »Zum Heulen schön«, denken sich die Mecklenburger Wölfe. Ist das Leben manchmal wirklich so einfach? Im Moment schon. Hinter mir liegen knapp dreißig Kilometer Paddelstrecke durch den Müritz-Nationalpark. Eine ruhige Tour entlang der Havel, über meist kleinere Seen. Ihre baumbestandenen Ufer bilden einen bunten Saum, wie er farbenprächtiger kaum sein könnte. Die Blätter der Buchen strahlen rot und gelb, dazwischen goldfarbenes Birkenlaub und die grünen Kronen der Kiefern. Alles wiegt sich im Wind, der beharrlich über den See streift. Es ist Herbst und der »Indian Summer« ist in der Mecklenburgischen Seenplatte eingezogen. Für mich gibt es in diesem Moment gar keinen Zweifel: Genau jetzt ist die schönste Zeit, um hier loszupaddeln. Sei es für zwei Tage oder zwei Wochen. Die Bedingungen sind ideal und nach dem Sommer mit seinen vielen

14

Besuchern ist jetzt Gelassenheit eingekehrt. Nur noch vereinzelt sieht man einen Angler in seinem Ruderboot sitzen, die großen Motorboote sind von den Seen verschwunden, es ist wunderbar still geworden. Das Land und die Seen kommen zur Ruhe – und jeder, der hier unterwegs ist, auch. In meinem Kajak habe ich alles, was ich für die nächsten Etappen benötige: Zelt, Schlafsack, Isomatte, warme Klamotten für die kühlen Herbstabende und ein leichtes Tarp, um längere Regenschauer besser abwettern zu können. Auch kulinarisch und kulturell bin ich gut vorbereitet: Ein kompakter Gaskocher und kiloweise Essen sorgen für einen zufriedenen Magen. Ein gutes Buch für gediegene Unterhaltung. Doch gelesen habe ich in den letzten zwei Tagen wenig, die Land-

schaft ist Unterhaltung genug. Mutter Natur zaubert die besten Spielfilme auf ihre Leinwand. Ich vermisse nichts und habe alles. Vor mir liegen noch etwa sechzig Kilometer bis Zippelsförde im nördlichen Brandenburg. Dafür habe ich vier weitere Tage eingeplant. Es ginge auch schneller, aber ich will ein paar Haken schlagen und dort paddeln, wo es mir am Ursprünglichsten erscheint. Ich fahre die Strecke nicht zum ersten Mal und dennoch freue ich mich auf alles, was kommen wird: auf die sich durch Feld und Wald windende Schwaanhavel und den Plätlinsee, dessen Lage, und noch mehr dessen besondere Wasserfarbe mich immer an die Worte des Schriftstellers Hans Fallada denken lassen: »Das Land sieht flach aus, ab und zu liegt zwischen den reifen Feldern ein dunkler


Morgens halb zehn in Mecklenburg: Leinen los und den Indian Summer genießen!

Wasser, Wälder und Weite: Für eine Erkundung dieser ursprünglichen Landschaft gibt es kein geeigneteres Fortbewegungsmittel als das Kajak.

Waldstreif. Wer es nicht weiß, kann nicht ahnen, dass jeder dieser dunklen Waldstreifen einen tief ins Land geschnittenen langen See bedeutet, Seen mit tiefstem, klarstem Wasser, von einem bezaubernden Türkisgrün oder Azurblau.« Danach geht es weiter Richtung Gobenowsee, Rätzsee und schließlich über Canow und den Hüttenkanal nach Rheinsberg und den Rhin hinunter.

wohner pro Quadratkilometer. Das ist weniger als ein Fünftel des Durchschnittswertes der Bundesrepublik. Diese auf den ersten Blick recht traurige Statistik lässt das Herz des aktiven Naturliebhabers höher schlagen. Wo sonst in Deutschland gibt es für Paddler mehr zu entdecken als hier? Und wenn man möchte, alles in vollkommener Einsamkeit. Es scheint, dass die wirtschaftliche Rückständigkeit der Vergangenheit das Kapital der Zukunft für die Region ist. Denn immer deutlicher erkennt man, welches Potenzial hier schlummert. In den letzten Jahren ist die Besucherkurve stark nach oben geschnellt. Kajakverleiher schießen wie Pilze aus dem Boden, Campingplätze verzeichnen Jahr für Jahr Rekordergebnisse. Das bleibt natürlich nicht ohne Folgen. An Schleusen kommt es während der Hochsaison zu stauähnlichen Zuständen, genervte Wassersportler braten in der Sonne, überforderte Freizeitkapitäne versuchen verzweifelt ihre für teures Geld geliehenen 12-MeterYachten in der Schleuse einzuparken. Nicht selten mit beeindruckenden Kollateralschäden. Doch die Hochsaison ist nun schon lange vorbei. Von Menschenmassen ist jetzt, im Oktober, nichts mehr

Vergessenes Land Dass sich hier so viel Natur erhalten konnte und nur wenige Wasserabschnitte verbaut sind, hat viel mit der industriellen Rückständigkeit der Region zu tun. Bis zur Wende galt Mecklenburg als die Kornkammer der DDR. Land- und Forstwirtschaft bildeten das wirtschaftliche Standbein. Doch mit dem Fall der Mauer verloren diese Bereiche an Bedeutung. Trotz massiver Initiativen siedelten sich in den letzten zwanzig Jahren nur zögerlich große Unternehmen an. Die Region der Mecklenburgischen Seenplatte als »Flächenland« zu bezeichnen wäre im bundesweiten Vergleich eine gut gemeinte Untertreibung. Im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte leben statistisch nur etwas mehr als vierzig Ein-

zu spüren. Nur die abwechslungsreichen Touren sind die gleichen wie in den heißen Sommermonaten. Für Paddler bieten hunderte miteinander verbundene Seen überraschende Momente und massenhaft abenteuerliche Möglichkeiten mitten in Deutschland. Abseits der kleineren Wasserflächen findet man mit der Müritz und den angrenzenden Seen ordentliche Großgewässer, die besonders für winderprobte Kajaker eine Herausforderung darstellen. Von der Seenplatte aus kann man per Kajak aber auch zu entfernteren Destinationen aufbrechen. Richtung Hamburg oder Berlin, zur Ostsee oder bis zur Oder. Die Wasserwege setzen keine Grenzen.

Tierisches Rendezvous Und so lasse ich mich auf den einzelnen Abschnitten immer wieder gerne treiben und konzentriere mich auf das Hören und Sehen. An den Ufern des Rätzsees fliegt ein Eisvogel von Ast zu Ast. Der eigentümliche Gefährte, der nur wenige Zentimeter misst und mit seinem bunten Federkleid eher an einen Kolibri erinnert, ist blitzschnell unterwegs. Seinen Namen verdankt er weniger der Tatsache, dass er seit der Eiszeit hier lebt, sondern

15


RAUSZEIT Winter 2012/2013

Im Morgennebel auf dem Woblitzsee.

wohl dem Umstand seiner blauen Federn, die unseren Vorfahren wie blau geschmiedetes Eisen erschienen. In den letzten Jahren hat sich sein Bestand immer stärker erholt, was auch auf andere heimische Vögel wie den Fischadler oder Seeadler zutrifft. Letzteren kann man im Herbst besonders gut beobachten, denn er überwintert in den Wäldern der Seenplatte. Zur Mittagszeit hat man gute Chancen auf Adler-Sichtung: Langsam lässt sich der gefiederte Hüne mit einer Flügelspannweite von bis zu 2,4 Metern von der aufsteigenden Luft nach oben ziehen. Erspäht er etwas dicht unter der Wasseroberfläche, stürzt er sich lautlos in die Tiefe und greift nach seiner Beute. Mein Kajak scheint den Seeadler wenig zu stören oder zu interessieren – Paddler passen nicht in sein Beuteschema. Hinter Canow überpaddle ich unbemerkt die Landesgrenze zu Brandenburg – von nun an heißt es »Kurs Süd«. Die Landschaft bleibt jedoch die gleiche. Ausgedehnte Wälder rechts und links der Ufer, Wasser und weite Horizonte. Die Sonne glitzert auf der dunklen Oberfläche, die ruhig vor meinem Kajak liegt. Ich schaue in die Ferne und bin zufrieden. Dank der letzten großen Eiszeit vor zwanzigtausend Jahren kann ich jetzt entspannt über die Seen paddeln. Die Gletscher waren damals ein dicker Panzer, der die Region glatt hobelte. Zurück blieb ein blaues Herz mit vielen Adern. Geologisch betrachtet bilden die Brandenburgische und die Mecklenburgische Seenplatte eine Einheit. Am Nachmittag des fünften Tages zieht ein richtiger Sturm auf und ich entschließe mich anzulanden, bevor auch noch Regen dazukommt. So errichte ich mir ein richtiges Lager und baue vor meinem Zelt noch das Tarp auf. Das Boot ziehe ich an Land und drehe es um – und mit den ersten Regentropfen sitze ich zufrieden unter meinem flatternden Dach und bereite mir ein dreigängiges Menü. Der Tomatensuppe aus der Tüte folgt ein ordentliches Stück geräucherten Zanders. Frisch vom Fischer. Und als Dessert schließ-

16

Die Wälder reichen bis an die Ufer der Seen – und bilden so einen farbenprächtigen Horizont.

lich ein Eierkuchen aus der Pfanne. Es regnet sich so richtig ein. Auf dem Wasser schlagen die dicken Tropfen große Blasen, die kurz darauf wieder platzen. Ich schaue genüsslich zu und lausche dem Regen und meinem Kocher, auf dem gerade das Wasser für den Kaffee zu brodeln beginnt. Mir schießt ein Wort durch den Kopf: Freiheit. Ein großes Wort. Aber genau darum geht es. Sich ins Boot zu setzen und loszupaddeln. Vier Kilometer oder vierzig. Weite und Unabhängigkeit zu erfahren. Dafür muss es nicht immer in ferne Länder gehen. Im einsamen Nordosten der Republik, kaum zwei Autostunden von Berlin oder Hamburg entfernt, hat man genau dieses Gefühl. Später klettere ich in meinen Schlafsack, die Regentropfen trommeln ohne Unterlass auf das Zelt und ich fühle mich geborgen wie an keinem anderen Ort dieser Welt. In der Nacht lässt der Regen nach, doch ein anderes Geräusch macht sich plötzlich breit. Es raschelt und schnaubt, ab und an ist ein Kratzen zu hören. Ein Waschbär ist auf nächtlichem Besuch. Ich klatsche in die Hände und vertreibe so den putzigen Räuber von meinen Essensvorräten. Schon morgen Nacht gehört dieser wunderbare Platz wieder ihm ganz allein.

Bewohner mit Fell Am nächsten Tag hat der Regen nachgelassen, riesige Wolken jagen über den Himmel und spiegeln sich im Wasser. An der Umtragestelle zu meiner letzten Etappe, dem Rheinsberger Rhin, treffe ich Robert Franck. Er betreibt eine Kajakstation direkt am Anfang des kleinen Flüsschens und bietet naturkundliche Führungen an. Der sympathische 45-Jährige betreut wild lebende Fischadler und ist Wolfsbeauftragter. Ich merke, dass es ein längeres Gespräch wird und beschließe, später zu starten. Der Rhin kann warten. Robert kennt sich perfekt in der Umgebung aus und weiß, an welchen Stellen etwas zu beobachten ist. »Auf der Mitte des

Rhins hast du gute Chancen, einen Fischotter zu treffen – der heißt Oscar«, berichtet er. Meinen ungläubigen Blick beantwortet er umgehend: »Kein Scherz«. Seine Augen flackern wild, als er mir von seinen »Haustieren« erzählt. Doch bis zu einer Erklärung, wie Oscar zu seinem Namen kam, so weit schaffen wir es gar nicht. Denn viel mehr interessieren mich die Wölfe. Oder genauer die Frage, ob diese – gleich dem Waschbären der letzten Nacht – auch Hausbesuche abstatten. »Es ist absolut unwahrscheinlich, dass irgendein Paddler je einen frei lebenden Wolf zu Gesicht bekommt. Darauf wette ich!« Robert weiß mit seiner lebhaften, von Leidenschaft getränkten Sprache zu begeistern: »Wir wissen, dass die Wölfe schon länger hier unterwegs sind und in einer Nacht mühelos Distanzen von 60 Kilometern und mehr zurücklegen können. Und sie sind großartige Schwimmer, selbst breite Flüsse stellen für sie kein Hindernis dar.« Aber Wölfe aus nächster Nähe zu beobachten, hält er für nahezu unmöglich. »Das gibt es nur bei Andreas Kieling im Fernsehen. Nur dass es gar keine Wölfe waren, sondern dressierte Hunde, die dieser gefilmt hatte. Er hat dann aber so getan, als seien es Wölfe, um mal richtig tolle Bilder zu zeigen.« Bei diesen Worten ist Robert ein wenig verärgert und schüttelt entrüstet den Kopf. Letztendlich schließt er das Thema schmunzelnd ab: »Der Kieling ist jetzt sicher nicht mehr mein OutdoorHeld!« Einige Tiergeschichten später schaue ich auf meine Uhr und bemerke, dass es nun höchste Zeit wird, abzulegen. Vor mir liegen noch achtzehn gemütliche Paddelkilometer auf dem Rhin. Beim Ablegen denke ich über Oscar, die echten Wölfe und den neugierigen Waschbären von letzter Nacht nach. Wildnis vor der Haustür. Eine Herbsttour voller Freiheit und Überraschungen. Ich muss schmunzeln und paddle los. Text: Niels Hoffmann Fotos: Lars Hoffmann


Vor der untergehenden Abendsonne auf der Müritz: Im Herbst erlebt man das Licht und die Stille der Seenplatte am intensivsten.

NATIONALPARK Mit 320 km² ist der Müritz-Nationalpark in Mecklenburg-Vorpommern einer der größten deutschen Nationalparks. Die Landschaft besteht zu über 70 Prozent aus Wäldern – der Rest ist durch Moore, Seen und Flussläufe geprägt. Da weite Teile des Nationalparks seit über 50 Jahren nicht bewirtschaftet werden, haben sich hier seltene und vom aussterben bedrohte Tierarten angesiedelt: über 280 Vogel arten - wie zum Beispiel der See- und Fischadler - oder zahlreiche Otter und Biber tummeln sich hier ungestört. REVIER Das Revier der Mecklenburgischen Seenplatte erstreckt sich über eine Vielzahl von Seen und kleineren Flüssen. Es ist eines der bedeutendsten Gebiete für Kajakfahrer. Vom Tagestrip bis zur Drei-WochenTour ist alles möglich. Viele Orte haben sich in den letzten Jahren auf Wasserwanderer eingestellt und bieten eine gute Infrastruktur. Im Herbst schließen die meisten Einrichtungen wie Kajakverleihe, Campingplätze und Restaurants. Also unbedingt vorher anrufen! Wer mit eigenem Boot anreist, ist völlig unabhängig und erreicht auch entlegene Seen und Ströme. ANFORDERUNGEN UND AUSRÜSTUNG Beginner sollten nicht mehr als 20 Kilometer Paddel strecke pro Tag einplanen. Besonders bei kälteren Temperaturen ist das Tragen einer Schwimmweste absolute Pflicht, das Mobiltelefon gehört zudem wasserdicht verstaut, damit im Falle eines Falles Hilfe gerufen werden kann. Trockene Klamotten sollten im wasserdichten Packsack stets zum Wechseln dabei sein. Eine Möglichkeit, die meist unbewegten Füße beim Paddeln warm zu

halten, sind spezielle Neoprenschuhe. Mithilfe einer langen Funktionsunterhose und Regenhose bleiben auch die Beine warm und trocken. Bei Stürmen und Gewittern sollte das Wasser gemieden werden. Stattdessen ist es Zeit einen Kaffee oder Tee im Zelt zu genießen. Bei längeren Touren also unbedingt Schlechtwettertage mit einplanen. Grundsätzlich gilt: Alles, was trocken bleiben soll, muss wasserdicht eingepackt sein. Auf jeden Fall der Schlafsack, der im Herbst einen Komfortbereich von mindestens 0 °C haben sollte. Ein Kajakwagen leistet auf einigen Touren gute Dienste, wenn das beladene Boot über Land transportiert werden muss (Umtragestellen). Leichte, atmungsaktive Regenbekleidung wird beim Paddeln stets in Reichweite aufbewahrt – genauso wie die Hut, Sonnencreme und das Fernglas zur Greifvogelbeobachtung. LITERATUR UND KARTEN Der »Kajak Kompass Mecklenburg Vorpommern« (Thomas Kettler Verlag, 264 Seiten, 19,90 EUR) gibt einen ausgezeichneten Gesamtüberblick und wartet mit zahlreichen Tourenvorschlägen auf den Seen und Flüssen Mecklenburgs auf. Die im gleichen Verlag frisch erschienene Kombination aus Kajakführer und Karte im Taschenbuchformat (»Kajak KOMPAKT – Mecklenburgische Kleinseen 1 & 2«, Preis je 9,90 EUR) liefert neben detaillierten Etappenbeschreibungen auch viele Informationen und eignet sich sehr gut zur Planung und Begleitung von Touren zwischen Rheinsberger Gewässern und dem Müritz-Nationalpark.

Funktionsunterwäsche für den Ganz-Jahres-Einsatz Die neue Lite-Linie von Woolpower ist der perfekte Outdoor-Allrounder – auch für den Sommer. Denn diese innovative Thermo-Unterwäsche sorgt aufgrund der Kombination von Merino- und Synthetikfasern für das perfekte Körperklima.

www.scandic.de | www.woolpower.de


RAUSZEIT Winter 2012/2013

EinBlick: BERGANS

DIE 1.500-KRONEN-REVOLUTION Norweger sind eher nüchterne Menschen. Sie erfinden ein Produkt nur dann, wenn sie es auch wirklich brauchen. Genau so hat 1908 auch die Geschichte von Bergans of Norway begonnen. Ole Ferdinand Bergan war unzufrieden damit, wie mühsam er die Lasten herumbuckeln musste. Er entwickelte deshalb kurzerhand ein neues Rucksack-Tragsystem. Das war der Startpunkt für ein Unternehmen, dessen Erfolgsgeschichte noch lange nicht zu Ende geschrieben ist ... »Patent Nr. 20547 bitte zum Schalter!« So schallte wahrscheinlich die Ansage durch ein norwegisches Patentamt, als Ole Ferdinand Bergan 1908 mit dem von ihm erfundenen ersten »anatomischen Rucksack« den obligatorischen Behördengang absolvierte. Das Ergebnis: Patent genehmigt, Name Bergans festgehalten und zurück nach Hause. Kein großer Akt – jedenfalls nicht für ihn. Welchen Stein er damit jedoch ins Rollen gebracht hatte, war ihm damals sicher nicht bewusst. Für ihn war bei der Erfindung seines neuen Tragegestells nur eines entscheidend: die Passform, die sich anatomisch an den Rücken anpasst und auch auf langen Touren einen hohen Tragekomfort gewährleistet. Aus gutem Grund – Ole verbrachte auf der Jagd unzählige Tage in der norwegischen Wildnis. War er erfolgreich, drückten bald nicht mehr nur das Gewicht von Zelt, Kocher und warmer Bekleidung auf seine Schultern. Während einer »Jagd-Wanderung« kam ihm die zündende Idee: Er integrierte elastische Zweige in das Rückengestell und schaffte damit das erste flexible Tragsystem. Später dann tauschte er die Zweige durch leichte Stahlrohre und Lederriemen aus. Der Grundgedanke blieb derselbe: Das Rucksackgestell passte sich der Anatomie des Rückens an und nicht umgekehrt. Dass ihm die Erfindung und der praktische Nutzen wichtiger waren

18

als der damit verbundene Ruhm, zeigte sich kurze Zeit später. Er verkaufte das Patent für 1.500 norwegische Kronen – auch damals ein bescheidener Betrag – an den Händler Sverre Young und wendete sich neuen Erfindungen zu. 45 weitere Patentanmeldungen lauten auf den Namen Ole Ferdinand Bergan. Für Sverre Young machte sich der Patentkauf schon sehr schnell bezahlt: Er konnte mit der tschechischen Armee einen äußerst lukrativen Kaufabschluss tätigen. Young hatte nicht vergessen, wer ihm dieses ertragreiche Geschäft ermöglicht hatte und wollte Bergan nachträglich am Erfolg beteiligen. Doch dieser lehnte das Geld ab: »Ein Handel ist ein Handel.« Niemand konnte ja schließlich wissen, dass die Erfindung ein Erfolg sein würde. Bergan war prinzipientreu: Verkauft ist verkauft, ein Handschlag ist ein Handschlag. Sein Name bleibt trotzdem sehr eng mit der Erfindung verbunden, die sich schon bald herumsprach. Auf Jagdausflügen, Bergtouren oder Expeditionen gehörten die Bergans-Rucksäcke in Norwegen schon nach kurzer Zeit zur Standardausrüstung.

Norwegische »Draußen-Tradition« Der Innovationsgeist eines Ole Ferdinand Bergan ist in Norwegen stets präsent und sorgt dafür, dass auch

heute noch zahlreiche Produktinnovationen aus dem hohen Norden kommen. Nicht ganz überraschend: Den Nachfahren der Wikinger bleibt gar nichts anderes übrig, als sich funktionell auszurüsten. Norwegen ist ein wildes Land: Nur fünf Prozent des Territoriums sind besiedelte Gebiete, 75 Prozent des Landes dominieren die Berge, 1.700 Gletscher zählt die Nation. Die Wildnis beginnt vor der Haustür – mit allem, was dazugehört: Garstige Wetterbedingungen mit starken Winden, Regen, Graupel, Schnee und Tiefsttemperaturen sind nicht außergewöhnlich. »Ut på tur, aldri sur« – Draußen sein macht Spaß! Das ist für Norweger und Bergans mehr als ein nationaler Marketingslogan. Es ist Ausdruck der norwegischen Seele, die eng mit ihrem Land und der Natur verbunden ist. Auch die Birkebeiner, zwei skandinavische Skilangläufer, die als Bildmarke alle Bergans-Produkte zieren, sind Teil der norwegischen Tradition und Geschichte. Jeder Norweger kennt sie: 1206 herrschte Bürgerkrieg in Norwegen. Das Land war in Aufruhr und der zwei Monate alte Königssohn Håkon Håkonsson war in Gefahr. Die Birkebeiner, mutige Krieger mit aus Birkenwurzeln geschnürten Stiefeln, retteten das Baby und brachten den zukünftigen König auf Langlaufskiern in Sicherheit. Dank einem im 19. Jahrhundert entstandenen Gemälde


sind die mutigen Männer nicht in Vergessenheit geraten und zum Symbol Norwegens geworden. Und zum Markenzeichen von Bergans. Ein Land, eine Tradition, ein Symbol. Für Ragnar Jensen, den heutigen Unternehmensbesitzer und Geschäftsführer stehen die Birkebeiner für Mut, Ausdauer und Loyalität. »Eigenschaften, die das Unternehmen seit Jahren für sich selbst als Grundlage seiner Arbeit sieht.« Die Rechte an dem Gemälde und den Begriff Birkebeiner hatte bereits 1945 ein Bergans-Mitarbeiter den Kindern des Malers abgekauft. Eine Portion nationale Verbundenheit, die in das Unternehmen überging, war im Preis inklusive.

elterlichen Stall von Ragnar Jensen entstand. »Bis zu diesem Zeitpunkt gab es nur die schweren Holzboote, die man auf langen Touren mühselig zum Wasser und um unpassierbare Passagen herum tragen musste. Es war einfach Zeit, etwas Zweckmäßigeres zu erfinden. Wie zum Beispiel ein leicht zusammenklappbares Kanu, das man transportieren kann.« Bei diesen Worten grinst der Erfinder spitzbübisch. Nach ein paar Monaten des Tüftelns und Ausprobierens auf einigen norwegischen Flüssen hatte das Ally Marktreife erlangt. Das Patent für seine Erfindung hatte Jensen zu diesem Zeitpunkt selbstverständlich schon lange angemeldet.

Wacher Erfindergeist

Alles außer Mainstream

Über 100 Jahre nach Oles Eingebung steht der Name Bergans of Norway immer noch für qualitative Ausrüstung, zündende Ideen und viel Herzblut. 1908, das Jahr der offiziellen Firmengründung, war erst der Startschuss für eine norwegische Erfolgsgeschichte. Der Erfinderdrang scheint sich mit dem Namen auf die späteren Mitarbeiter übertragen zu haben. Es blieb nicht bei den Rucksäcken – das Angebot wurde um Schlafsäcke, Outdoor-Bekleidung und Zelte erweitert. Herausragend ist auch das legendäre Faltkanu Ally, das im

Vor über achthundert Jahren mussten die Birkebeiner ihren Mut in der Wildnis unter Beweis stellen. Für Bergans gilt auch heute noch: Mut zum Neuen! Als die Firma Anfang der Neunzigerjahre nach einem infernalen Brand in Produktionsstätten und Lagerräumen vor dem Nichts stand, war der Zeitpunkt für eine Neuausrichtung gekommen. »Alles außer Mainstream« war die klare Entscheidung von Ragnar Jensen und seinem Team. Wählte fast die gesamte Konkurrenz für die Konfektionierung von Wetterschutzjacken ein amerikani-

sches Laminat, so stießen die Norweger auf der Suche nach dem besten Laminat auf ein ganz anderes Produkt: Dermizax. Der Name steht für ein außergewöhnliches Laminat, das extrem wasserdampfdurchlässig ist, zu 100 % wasserdicht und trotzdem hoch elastisch. Es war das Einzige, das die Produktverantwortlichen auch bei den harschen norwegischen Wetterbedingungen zu überzeugen wusste. »Es war ein riskanter Schritt, das damals unbekannte Dermizax in den neuen Kollektionen zu verwenden. Wir wussten nicht, ob die Kunden das neue Material ohne Weiteres annehmen würden«, gibt sich Jensen heute kritisch. Der Erfolg gibt ihm letztlich Recht. Letztendlich muss man immer wieder den Mut aufbringen, die Menschen von seinen neuen Ideen zu überzeugen. Mit Freude. Der Geschäftsführer denkt auch nach über 20 Jahren in der Firma noch nicht ans Aufhören. Dafür schlummern noch zu viele Ideen in seinem Kopf. »Natürlich gibt es kein Patentrezept für innovative Entwicklungen, aber solange der Geist von Ole Ferdinand Bergan im Unternehmen weiterlebt, brauche ich mir keine Sorgen zu machen.« Text: Barbara Meixner Fotos: Barbara Meixner und Bergans Archiv

19


FOTO Marmot

RAUSZEIT Winter 2012/2013

Besserwisser: Isolation

NUR HEISSE LUFT »Zieh dich warm an!« Dieser Satz ist seit der Kindheit bei vielen fest im Unterbewusstsein verankert. Aber warum macht »warme Kleidung« den Körper eigentlich gar nicht warm? RAUSZEIT bietet feurige Aufklärung. 1983 wurde an der russischen Forschungsstation Wostok in der Antarktis die bisher tiefste Temperatur der Erde registriert: -89,2 ˚C. Was das Thermometer anzeigt, muss allerdings nicht zwangsläufig dem entsprechen, was wir fühlen. »Windchill« beschreibt den Unterschied zwischen der gemessenen und der gefühlten Temperatur in Abhängigkeit von der Windgeschwindigkeit. Aber auch ohne Wind verliert der menschliche Körper Wärme durch Strahlung, Ableitung und Verdunstung. Deshalb verwendet er den Großteil der in Form von Nahrung und Flüssigkeit aufgenommenen Energie dafür, die Körperkerntemperatur konstant bei +37 ˚C zu erhalten. Schon eine vermeintlich minimale Abweichung der Kerntemperatur um +/- 2 ˚C kann zu Beeinträchtigungen oder gar zum Versagen lebenserhaltender Funktionen führen.

Warm zittern Sobald der Körper in Bewegung ist, produzieren unsere Muskeln Wärme. Machen wir allerdings auf einer Winterwanderung eine längere Pause und sind nur ungenügend bekleidet, versucht der Körper automatisch nachzuhelfen: Er beginnt zu zittern. Mit diesen unfreiwilligen Muskelbewegungen kann der Körper seine Wärmeproduktion um das Vier- bis Fünffache erhöhen. Es gibt

20

Körperzonen, die besonders temperaturempfindlich sind. Arme, Oberschenkel, Knie und Waden kühlen relativ schnell aus. Auch über den Kopf geht bei tiefen Temperaturen sehr viel Köperwärme verloren. Besonders gefährdet sind »exponierte« Stellen wie die Ohrmuschel und die Nase oder ungenügend kältegeschützte Gliedmaßen wie Finger und Zehen. Zusätzlich wird das Frieren durch Flüssigkeitsmangel, Erschöpfung, mangelnde Fitness oder unpassende Kleidung gefördert.

Federleichte Wärme Weil niemand gerne friert, versucht sich der Mensch durch Bekleidung und Schuhe warm zu halten. Fakt ist jedoch: All diese Produkte wärmen nicht! Sie dienen nur dazu, die vom Körper produzierte Wärme zurückzuhalten. Das heißt, sie isolieren. Je effektiver ein Isolationsmedium die abgegebene Wärme einschließen kann, desto besser ist es für tiefe Temperaturen geeignet. Diesbezüglich hat die Natur die Nase vorn. Lebewesen haben im Laufe der Evolution perfekte Isolationsmöglichkeiten für ihren Körper entwickelt, die sie in frostigen Zeiten schützen. Die unter den Enten- und Gänsefedern versteckten Daunen sind die klaren Gewinner der darwinistischen Entwicklung. Sie können im Verhältnis zu ihrem Eigengewicht große Mengen an Luft

einschließen und zurückhalten. Aus dem kaum sichtbaren Kern einer Daune entfalten sich strahlenförmig seidenweiche Beinchen mit feinsten Verästelungen. Die komplex strukturierten Teile speichern große Mengen an warmer Luft. Das Gewicht einer einzelnen Daune liegt bei »lächerlichen« 0,001–0,002 Gramm. Kein anderes Produkt ist so leicht und bietet ein vergleichbares Isolationsvermögen. Welches Isolationsvermögen ein Daunenprodukt hat, hängt unter anderem von der Füllmenge ab. Die Gleichung ist einfach: Je mehr Daune der Hersteller verwendet hat, desto wärmer wird einem mit der Jacke oder dem Schlafsack sein. Neben der Füllmenge ist auch die Qualität entscheidend. Diese wird zum einen durch das Mischverhältnis von Daunen zu Federn definiert. Je höher der Daunenanteil desto besser das Gewichts-/ Isolationsverhältnis. So steht die Zahlenkombination 90/10 zum Beispiel für 90 Gewichts-Prozent Daune und 10 Prozent Federn. Zum anderen bestimmt die Bauschkraft (Fillpower), die in cuin gemessen wird, die Qualität. Cuin – cubic inch – beschreibt wie viel Raum eine definierte Menge Daune einnimmt. Je mehr Raum, desto höher der Luftscheinschluss und dementsprechend die Isolationskraft. 800er Daune heißt zum Beispiel, die Daune nimmt einen Raum von 800 Kubikinch pro Unze ein.


FOTO Woolpower FOTO Woolpower

Beide Werte sollten auf dem jeweiligen Produkt angegeben sein. Auch nach starker Komprimierung kehrt Daune in ihre Ursprungsform zurück. Neben dem geringen Gewicht hat sie also ein sehr kleines Packmaß.

Natürliche Alternative Gerade im Winter hat das Naturprodukt Merinowolle bei der Bekleidung in den letzten Jahren ein erstaunliches Comeback hingelegt. Anders als die »normale« Schafwolle, die die meisten in ihrer Kindheit hingebungsvoll zu hassen gelernt haben, kratzt die Merinowollfaser dank ihrem geringen Faserdurchmesser nicht. Trotzdem können die gekräuselten Merinofasern viel warme Luft in sich binden. Die Faser ist hygroskopisch. Das bedeutet, sie ist in der Lage, bis zu 30 Prozent ihres Eigengewichts an Wasserdampf zu absorbieren. Wolle wärmt auch dann noch, wenn sie feucht ist, denn bei der Aufnahme der Feuchtigkeit entsteht in einem exothermischen Prozess sogenannte Absorptionswärme. Damit eignet sich Kleidung aus Merinowolle auch für Wintersport. Neben dem Wärmefaktor bringt Merinowolle noch eine andere Eigenschaft mit, die sie zum idealen »Wintersportpartner« macht: Sie riecht auch nach schweißtreibenden Aktivitäten kaum bis gar nicht und nimmt Umgebungsgerüche nicht in ihre Fasern auf. Mittlerweile ist die Verwendung von Wolle nicht mehr nur auf Unterbekleidung beschränkt. Einige Hersteller verwenden das Naturprodukt für Jacken und Mäntel und vereinen damit Funktion mit Outdoor-Mode.

Dauerbrenner Neben den »natürlichen« Optionen wie Daune und Wolle bieten Hersteller zahlreiche ausgereifte Möglichkeiten den Körper im Winter warm zu halten. Beliebt sind auch Kunstfasern, die in verschiedener Form als Isolationsmedium eingesetzt werden. In Schlafsäcken und Jacken zum Beispiel als zu Matten verarbeitete Kunstfasern. Eine spezielle Kunstfaser, die über herausragendes Wärmehaltevermögen verfügt, ist das Material »PrimaLoft«. Ähnlich wie bei der Daune wird hohe Isolationsleistung bei geringem Gewicht erzeugt. Da die Füllfasern bei PrimaLoft durch einen speziellen Prozess silikonisiert sind, nehmen die Fasern wenig Feuchtigkeit auf. Das bedeutet: Primaloft trocknet rasch, ist wasserdampfdurchlässig und bietet deswegen ideale Eigenschaften für Wintersportler. Aber auch Fleecejacken und -pullover erfreuen sich in der kalten Jahreszeit nach wie vor großer Beliebtheit. Nicht nur, weil sie kuschelig weich, knitterfrei und pflegeleicht sind, sondern weil sie nur wenig Feuchtigkeit aufnehmen und selbst feucht ihre Isolationsfähigkeit nicht verlieren. Ein Nachteil von herkömmlichem Fleece ist die hohe Winddurchlässigkeit. Diesbezüglich verdient sich sogenanntes »Hardfleece« mit einer engmaschigen Oberflächenstruktur bessere Noten.

Persönliche Hitzewallung Unabhängig vom gewählten Isolationsmedium ist im Winter ohnehin möglichst zu vermeiden, dass man bei den sportlichen Aktivitäten ins Schwitzen gerät. Die beste Me-

thode, dies zu verhindern, ist das bewährte Zwiebelprinzip, bei dem je nach Bedarf eine Schicht aus- oder angezogen wird. Die sogenannte Temperatur-Komfortzone des Menschen bewegt sich so um die 27 ˚C, das heißt: Der Mensch fühlt sich am wohlsten, wenn zwischen Körper und Kleidung in etwa eine Temperatur von 27 ˚C herrscht. Wenn also eine extrem dicke Daunenjacke den Großteil der vom Körper abgegebenen Wärme von rund 34 ˚C speichert, gerät man schnell ins Schwitzen, denn dem Körper ist »zu heiß«. Natürlich hat jeder Mensch und Körper ein variables Wärme- beziehungsweise Kälteempfinden, das unter anderem durch das Geschlecht, den Ermüdungszustand, die Körperstatur oder den Fitnessgrad bestimmt ist. Der Temperaturregulierung kann auch das An- oder Ausziehen von Handschuhen und Mützen dienen sowie Lüftungsöffnungen an der Kleidung. Ohnehin sollte man gerade bei Textilien auch auf die technischen Detaillösungen und auf die Schnitte achten. Jackensaum, Bein- oder Armabschluss sollten, wenn immer möglich, verstellbar sein, damit bei großer Kälte die Wärme nicht entweichen oder der kalte Wind vom Körper ferngehalten werden kann. Ein körpernaher, aber nicht zu enger Schnitt erlaubt eine gute Bindung der warmen Luft, verhindert aber eine direkte Wärmeableitung. Warum das so wichtig ist, wissen wir spätestens jetzt: Warm ist der Körper – der Rest ist nur Isolation. Text: Stefan Bode, SFU

21


RAUSZEIT Winter 2012/2013

Nachgefragt: Ingo Nitschke

EIN HARTER BROCKEN Ingo Nitschkes Welt besteht aus Cirrocumulus, Sturmtiefs und Niederschlagsmengen. Der Wettermann vom Brocken ist schwer zu greifen – zumindest bei Terminfragen. Erst wenn er nach dem alltäglichem Touristenandrang den Harz für sich alleine hat, kehrt Ruhe ein – in ihm und der Natur. »Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?«, dachte sich Goethe, als er auf dem 1.142 Meter hohen Brocken im Harz stand und in die deutsche Ferne blickte. 200 Jahre später hat Ingo Nitschke sich das in die »Ferne Schweifen« zum Beruf gemacht. Der ausgebildete Wetterdiensttechniker blickt seit 33 Jahren in alle Himmelsrichtungen, misst Schneehöhen, sagt Niederschläge voraus und stellt sich den unglaublichen Winden in den Weg, die hier oben vorbeidonnern. »1983 erreichte der Wind sogar eine Geschwindigkeit von 263 Kilometern pro Stunde, rekordverdächtig für Deutschland.« 306 Tage im Jahr schleicht dichter Nebel um den in altdeutschen Sagen als Blocksberg bekannten Berggipfel. Genügend Platz für mystische Geschichten und Legenden. Und in der Walpurgisnacht? Dann tanzen Hexen um einen mit Echsen, Spinnenbeinen und Kinderhänden gefüllten Kessel und verzaubern den Brocken jedes Jahr aufs Neue. Ob es Hexen waren, die Nitschke einen Zaubertrank verabreichten, der ihn für immer an den Berg band, oder ob er einfach vom Wetter fasziniert war – diese Frage kann er selbst nicht mehr so recht beantworten. Die Entscheidung für den Beruf fiel früh. Auch die Entscheidung für den speziellen Standort. Schon seine Eltern hatten das Wetter auf dem Brocken im Griff und mit ihm die drei Kinder, die die Wetterstation samt dazugehöriger Wildnis als Heimat sahen, bis der Mauerbau der sowjetischen Besatzung 1961 aus dem freien Brockenblick in die Ferne

22

ein streng bewachtes Sperrgebiet machte. Das Resultat: Kinder waren plötzlich verboten. »Als ich sechs Jahre alt war, durften unsere Eltern nur noch alleine auf die Wetterstation.« Für viele Jahre war der Brocken im Harz mit seinen 1.142 Metern unbezwingbarer als die meisten Achttausender im Himalaya. Für Nitschke war trotzdem klar: Eines Tages wird er hier oben arbeiten. Knapp 20 Jahre nach Ankunft der sowjetischen Kaltwetterfront steigt Ingo Nitschke das erste Mal als Wettermann auf den höchsten Berg im Harz und betritt die Grenzzone – mit den dazugehörigen Regeln und Aufl agen. Als guter Arbeitnehmer bringt er sämtliche Voraussetzungen mit, die man in der DDR nicht haben will: Verwandte im West-Ausland, unverheiratet, nicht in der Partei und auch sonst eher ein Dorn im Auge des sozialistischen Systems. Ein bisschen Revoluzzer statt Arbeitersohn. Der Brocken war Hochsicherheitszone, das Verbindungsstück zwischen Ost und West. Und Ingo Nitschke mittendrin: »Ich hatte schon immer lange Haare und mochte Rockmusik. Deshalb habe ich auch die ein oder andere Abmahnung bekommen.« Hexerische Magie oder einfach Glück. Aber selbst die höchsten Majore konnten ihm nichts anhaben. 2012 – über 20 Jahre nach dem Mauerfall – bestimmt das Wetter immer noch den Alltag von Ingo Nitschke. Doch mittlerweile blickt er oft nicht mehr alleine in die Ferne. Der Brocken ist zum Anziehungspunkt für

Touristen aus dem Osten und aus ganz Deutschland geworden. Seit die Grenzen offen sind, tummeln, fl anieren und picknicken sie an Goethes Sehnsuchtsort. Einmal den legendären Ex-Grenzposten und den »wilden« Harz erleben. Wenn das Treiben um seinen Arbeitsplatz zu hektisch wird, entschwindet Nitschke mit seiner Frau Willi in die wirkliche Ferne, um in der skandinavischen Wildnis ein wenig Ruhe aufzusaugen. »Wir verzichten lieber auf ein neues Auto oder die goldene Schrankwand, solange wir in Zukunft noch in alle Ecken der Welt reisen können.« Ein wenig Reise hat sich das Ehepaar mit zurück in den Harz gebracht. »Hasi, baust du mir einen Campingplatz?« Mit diesem Satz entstand 2002 die Idee und kurze Zeit später der Camping-Platz von Willi und Ingo Nitschke am Schierker Stern – mit Blick auf Königsberg und Blocksberg. Skandinavisches Flair weht um die Zeltstangen. Weite Plätze ohne Absperrungen, kaum Regeln und viel Freiheit. Wie in Skandinavien, wo man fast überall sein Zelt aufstellen darf. »Ganz wichtig«, lacht Nitschke, »zäunchen- und blumenkastenaufstellende Dauercamper gibt es hier nicht.« Mountainbiker, Kletterer und Skiwanderer nutzen den Platz das ganze Jahr als Ausgangspunkt für das Erforschen von unbekannten Ecken im Harz. Eine zuverlässige Wettervorhersage ist im StellplatzService inklusive, denn die liefert der Wettermann vom Brocken seinen Gästen regelmäßig und persönlich. Nitschke weiß, dass es abseits der Touristenströme am Brocken und im Harz landschaftliche Perlen gibt, die kaum jemand kennt. »Der Brocken hat neben seiner Geschichte etwas Irres und Unerforschtes«, philosophiert er und wird nachdenklich. Wenn an einem Wintertag mit Schneetreiben die Sonne über den kristallisierten Bäumen untergeht und das Land in fahles Rot taucht, ist das keine Hexerei, sondern Magie. Spät abends, nach einer 14-Stunden-Schicht auf der Wetterstation steht Nitschke oft alleine auf dem Dach seiner Welt. Er blickt in die Ferne und weiß: Das Gute liegt so nah – in guten wie in stürmischen Zeiten. Text: Barbara Meixner Fotos: Ingo Nitschke und Fotolia


10 Fragen an Ingo Nitschke 1. Glaubst Du an das Schicksal und wenn ja, warum? Ja, weil ich zu viele Sachen erlebt habe, die man im Rückblick als ein solches bezeichnet hat. 2. Bitte vervollständige den folgenden Satz: Ein Abenteuer ist ... ... jede Abweichung vom normalen Tageseinerlei. 3. Auf welchen Ausrüstungsgegenstand würdest Du unterwegs nicht verzichten? Kommt auf die Unternehmung an. Ein Flachmann mit einem guten schottischen Whisky kann einen eigentlich in jeder Lage entspannen.

LOFOTEN

FREDRIK SC

HENHOLM

4. Was hat Dir im Leben schon mal richtig Angst gemacht? Dumme Menschen, vor allem wenn sie im Rudel auftreten. 5. Wer war der beeindruckendste Mensch, den Du je kennengelernt hast, und warum? Keine bekannte Person – einfach nur Menschen, die im Leben nicht so viel Glück haben – auch gesundheitlich – und trotzdem zufrieden sind. 6. Was hast Du im Leben wirklich Relevantes gelernt? Verlass dich nur auf dich selbst und pack es an! 7. Was ist Glück für Dich? Mich bei -25 °C – im Schein der Stirnlampe – auf den Kufen meines Hundeschlittens von unseren sechs Huskys durch den tiefverschneiten Oberharz ziehen zu lassen und dabei keine Menschen zu treffen. 8. Welchen Kindheitstraum hast Du Dir erfüllt? Ich arbeite noch daran: weniger Arbeit, mehr Reisen. 9. Welche Dinge werden heutzutage oft überschätzt? Materieller «Wohlstand», übertriebenes Gesundheitsbewusstsein und Sicherheitsdenken. 10. Wie würde der Titel Deiner Autobiografie lauten? Keine Zeit für Langeweile.

Fonna Down Jacket

Sirdal Pants

Technisch ausgefeilte Daunen-Skijacke. Dank extrem hoher Daunenqualität, langer Belüftungsreißverschlüsse unter den Achseln, abnehmbarem Schneefang und Skipasstasche das ideale Modell für kalte Tage auf der Piste.

Ganz gleich, wie steil der Aufstieg und wie anspruchsvoll die Abfahrt ist – in der Sirdal Pants stehen Ihnen ungetrübte Skifreuden bevor. Dank der preisgekrönten, wasser- und winddichten Dermizax™ NX Membran mit der marktweit besten Atmungsaktivität kann auch widriges Winterwetter Sie nicht vom Skifahren abhalten. Wer Wert auf eine Skihose mit besten Trageeigenschaften legt, ist mit dieser hochfunktionalen Hose bestens beraten.

forever pioneers

Explorers choice since 1908

www.bergans.de


RAUSZEIT Winter 2012/2013

LIEBESERKLÄRUNG »ALLES STILL! NICHTS HÖR ICH KLOPFEN ALS MEIN HERZE DURCH DIE NACHT – HEISSE TRÄNEN NIEDERTROPFEN AUF DIE KALTE WINTERPRACHT.« (THEODOR FONTANE) Ich rieche an ihnen, sauge das mir vertraute Aroma durch meine Nase. Es erinnert mich an früher, es ist der Geruch nach Heimat. Als Kind hatte meine Mutter uns Kindern Handschuhe gestrickt, aus fester Wolle. Je mehr wir sie benutzten, desto mehr verfilzten sie. Doch erst dank der richtigen Schicht Filz wurden sie unschlagbar warm. Noch heute kann ich mich an erbärmlich kalte Füße erinnern, aber kalte Finger hatte ich nie. Beim Schlittenfahren, wenn die Hände mehr im Schnee als woanders waren, bildete sich eine Eiskruste auf den Handschuhen. Beim Hochlaufen konnte ich an der Eiskruste saugen und meinen Durst stillen. Zum Trinken war ja die Zeit viel zu wertvoll, an so einem kurzen Wintertag. Vor über zwanzig Jahren habe ich mir ein »echtes« Wollpaar geleistet: die Gewalkten. Noch dicker, noch wärmer, noch winddichter als die von Mama. Jahr für Jahr waren sie meine verlässlichen Winterpartner. Inzwischen sind sie in Ehren gealtert, die Jahre sind ihnen anzusehen, so wie mir auch. Die Innenfläche ist vom Greifen dünner geworden, aber wir sind trotzdem noch ein gutes Team und immer noch schenken sie mir Wärme in Eis und Schnee. Nein, ich werde sie nicht durch ein Paar jüngere ersetzen – versprochen! Nun hängen die »Neuen« wieder im Laden und warten auf ihre Käufer. Unscheinbar und schüchtern zwischen all den hoch technischen, wasserdichten, aktmungsaktiven Modellen. Sie machen kein Aufhebens von sich, preisen sich nicht an mit Spezialfunktionen. Sie sind einfach sie selbst: Himalaya-Walkwollfäustlinge. Legenden aus Wolle. Stefan Krickeberg, Basislager

PRODUKTINFORMATION Die Expeditions-Fäustlinge Himalaya Mitten aus 100 Prozent Schladminger Walk-Wolle sorgen garantiert für warme Hände. Das Material wird zu einem festen und leicht wasserabweisenden Handschuh verstrickt. Die Wolle wärmt auch noch, wenn sie feucht ist. Durch das Walken verfilzt das Material, ist winddicht und enorm haltbar. Dazu nimmt die natürliche Faser wenig Geruch an und taugt auch nach Jahren noch als zuverlässiger Fäustling. Vom Rohstoff, über die Arbeitskraft bis hin zum fertigen Produkt kommt bei dem Fäustling alles aus einem regionalen Guss. Preis: ab 29,95 Euro

24 Foto: www.lodenwalker.at


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.