Rauszeit Winter 2013

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RAUSZEIT

FOTO Dan Patitucci

FOTO Lars Schneider, outdoor-visions.com

RAUSZEIT

Ausgabe Winter 2013/2014

Preis: 2,00 €

NACHGEFRAGT BESSERWISSER ERLEBT Schöne Einsamkeit. Eine Tirolerin klettert auf japanische Vulkane, überquert patagonische Eiswüsten und besteigt afghanische Berge. Ihr Glück liegt in der weiten Ferne. Mehr auf S. 22

Schlafen im Eispalast. Worauf kommt es beim Wintercamping an und was muss ins Gepäck? Der Besserwisser verrät, wie man auch in eisigen Nächten süß träumt. Mehr auf S. 20

Mit Pulka durchs Allgäu? Sieben Freunde haben es getan – und stießen bei der Suche nach verborgenen Tälern auf eine Märchenlandschaft in einer einsamen Bergwelt. Mehr auf S. 10


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Die Natur muss sich nicht anstrengen, um großen Einfluss auf unser Leben zu nehmen. Sie zeigt sich uns tagtäglich in unterschiedlichsten Facetten, Formen und Farben. Der Mensch ist nur ein kleiner Teil dieser gewaltigen und oft unberechenbaren Natur. Und doch – oder gerade deshalb – möchten wir ihr ständig nahe sein, in ihr Abenteuer erleben und persönliche Grenzen neu ausloten. Wer das tut, braucht zumindest eine berechenbare Komponente, die ihn auf diesem Weg begleitet: einen Partner, auf den immer Verlass ist. Dinge wie ein warmer Schlafsack, eine wasserfeste Jacke oder ein sturmtauglicher Kocher sind Weggefährten, die uns auch in den heikelsten Momenten ein Gefühl von Geborgenheit und Schutz vermitteln und uns als Reisende sehr viel wert sind. Das sollten sie auch. Wenn wir unser Zelt an einem vollkommen unbekannten Platz aufstellen, suchen wir nach einem möglichst vertrauten Rückzugsort für erholsame und sichere Nächte. Ein stabiles, zuverlässiges Zuhause aus Stangen und Stoff inmitten neuer Eindrücke und Erfahrungen. Wer den Ausrüstungspartner nicht von Anfang an kritisch unter die Lupe nimmt kann auf der ersten Tour schnell eines Besseren belehrt werden. Denn ein Schlafsack, der gut aussieht garantiert nicht automatisch warme Nächte. Niemand möchte in der Wildnis kalte Füße bekommen, wenn er feststellt, dass »der Andere« auf den ersten Blick vielleicht ausreichend, für dieses Abenteuer jedoch nicht gut genug gerüstet ist. Eine perfekte Partnerschaft kann vieles bedeuten. Es kann die Gewissheit sein, dass der Regen stundenlang am wasserdichten Stoff meiner Jacke abperlen wird. Ein solches Vertrauen lässt mich die herbstliche Landschaft in Ruhe genießen. Es ist das Gefühl, zu wissen, dass nach dem Zeltaufbau in der Kälte des Sturms ein warmer Schlafsack auf mich wartet. Und es sind die Jahre alten Wanderschuhe, die mich aufrichtig Schritt für Schritt durch unwegsames Gelände begleiten, während ich verzweifelt auf der Suche nach dem richtigen Weg im Nebel bin. Perfekte Partner sind zuverlässige Wegbegleiter und Wegbereiter. Gute Ausrüstungsteile schützen uns vor kalkulierbarem Risiko und vermeidbarer Frustration – sie sind RAUS Partner ohne Kompromisse. Sie verschaffen uns die ZEIT, Momente zu genießen. Wer sich angekommen und geschützt fühlt, der sammelt Kräfte für den nächsten Aufbruch. Und so kann »Mutter Natur« auch weiterhin in verspielten Wetterkapriolen versinken und unberechenbar auf uns einwirken. Denn wir wissen, dass wir für jede ihrer Launen den berechenbaren Partner haben. Wir wünschen euch viel Spaß bei der Partner wahl! Andreas Hille, Michael Bode und Teams

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FOTO Dominik Haas / Swisswool

STANDPUNKT

Wer hat’s erfunden? Wolle ist ein Meisterwerk der Natur: Sie isoliert, kann ein Vielfaches ihres eigenen Gewichts an Nässe aufnehmen, ohne sich dabei nass anzufühlen und ist sehr robust. Doch sie kann auch unangenehm kratzen - zumindest ein Teil, wie zum Beispiel die grobfasrige Wolle vieler Schweizer Schafe. Daher konnten die Bauern dieses Produkt bisher nur schlecht verkaufen. Aus diesem Gedanken heraus entstand die Idee zur »Swisswool«: In abgeschiedenen Schweizer Talorten wurden 22 Sammelstationen für die kratzige Schurwolle eingerichtet und eine regelmäßige Sammlung organisiert. Aus der gesammelten Swisswool entstehen Matratzenvliese, Gebäudedämmung, Teppiche oder Funktionskleidung. Einer der Hauptabnehmer der Swisswool ist die Firma Ortovox, die aus und mit diesem Material eine eigene Textilkollektion entworfen hat. In der weiteren Verarbeitung zur Jacken-Füllung erhält die Wolle eine Filzfreiausrüstung, wird mit einer aus Mais gewonnen Faser versetzt, geöffnet, kardiert und kreuzgelegt. Jährlich werden auf diesem Wege rund 400 Tonnen Wolle direkt beim Erzeuger gesammelt und funktionell genutzt – zum Beispiel als Jackenfüllung. Und das, ohne zu kratzen.

Winterkrallen Vereiste und verschneite Straßen und Wege halten uns im Winteralltag oft davon ab, unsere Wander- oder Laufschuhe zu packen, um frische Luft zu schnappen oder joggen zu gehen. Mit den »Husky Gripfeet« bekommen die Füße Schneeketten verpasst, die guten Halt auf frostigem Untergrund bieten und glatte Stellen trittsicher machen. Anzubringen sind sie ganz einfach: Dank einer festzurrbaren Kordel lassen sich die hakigen Helfer kompakt am Schuh oder Stiefel fixieren und rutschen nicht einmal beim Joggen. Die aus hochwertigem TPE-Gummi hergestellten Anti-Rutsch-Füße behalten auch bei extremer Kälte von bis zu minus 40 Grad ihre optimalen Funktionseigenschaften und sorgen mit 20 Wolfram-Spikes für zuverlässigen Halt. Reflektierende Bändchen machen auch nachts auf den Träger aufmerksam. Preis: 29,95 Euro

Verwandlungskünstler Müssen funktionelle Outdoorjacken immer aussehen, als wäre der Träger gerade auf dem Weg zum Mount Everest? Vaude zeigt, dass technische Funktion auch alltagstauglich sein kann. Die »Rincon«-Winterjacke lässt sich auch im Sommer nur schwer in den Kleiderschrank verbannen: Dank der außergewöhnlichen textilen Konzeption lassen sich Außen- und Innenjacke auch einzeln tragen. Die 3-in-1-Jacke besteht aus einer bequemen, warmen Fleece-Innenjacke und einer wasser- und winddichten Funktionsaußenjacke. Zusätzlich garantiert das atmungsaktive Innenmaterial, dass bei schweißtreibenden Tätigkeiten die Feuchtigkeit nach außen transportiert wird und sich nicht am Körper zu stauen beginnt. Eine sportlich-elegante Lösung für Alltag und Rauszeiten. Preis: 249,95 Euro


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FOTO WOOLPOWER

UNTERNEHMUNGS-BERATER

Kalte Wahrheit Welches Bild taucht bei dem Wort »Erfrierung« in den Köpfen der Menschen auf? Meist eine schwarze Zehe, Extrembergsteiger im Himalaya oder abenteuerliche Expeditionen in der Arktis. Doch Erfrierungen treffen nicht nur Extrembergsteiger. Auch in heimischen Breitengraden und direkt vor der Haustür sind Erfrierungen und Unterkühlungen bei falschem Verhalten im Winter nicht ausgeschlossen. Grundsätzlich versteht man unter einer Erfrierung die Beschädigung von Gewebe durch Kälteeinwirkung. Wird der Körper extremer Kälte ausgesetzt, kühlt er aus und drosselt automatisch die Blutversorgung der Körperteile, die am weitesten von den inneren Organen entfernt liegen: Ohren, Nasenspitze, Hände und Füße sind in diesen Momenten besonders gefährdet. Risikofaktoren für eine Erfrierung sind unter anderem feuchte, an der Haut anliegende Kleidung, starker Wind oder zu enge Kleidungsstücke oder Schuhe, welche die Durchblutung einschränken. Die ersten Anzeichen von Unterkühlung zeigen sich oft in nadelstichartigem Schmerz im betroffenen Körperteil. Wird nicht umgehend reagiert, schadet das langfristig der Haut. Im Sommer hilft Sonnencreme dabei, die Haut zu schützen. Wie reagieren wir jedoch im Winter? Wer bei sportlichen Aktivitäten draußen leicht ins Schwitzen gerät, sollte – wenn möglich – die feuchte Kleidung schnell wechseln. Denn sobald Stillstand eintritt, friert der Schweiß an der Haut fest und hinterlässt seine Zeichen. Auch wenn Alkohol gerüchteweise wärmt, ist von hochprozentigen Getränken dringend abzuraten. Alkohol sorgt zwar für kurzfristige Erwärmung durch Gefäßerweiterung, jedoch ist es genau diese Erweiterung, die dann wiederum maßgeblich zum Wärmeverlust des Körpers beiträgt. Je weniger Haut Kälte und Wind ausgesetzt ist, desto geringer das Risiko von Erfrierungen. Sind Kopf, Hände und Füße ausreichend geschützt, wird auch der restliche Körper warm bleiben. Wer also in frostigen Situationen auf die Warnsignale seines Körpers hört, kann den kommenden Winter ohne Sorgen genießen.

Sturmhaube Über den Kopf verliert der Körper erstaunlich viel Wärme. Wer bei kalter Witterung Halspartie und Kopf mit einer isolierenden Mütze schützt, hat auch gute Chancen auf warme Füße. Klingt komisch, ist aber leicht zu erklären: Ein ausgekühlter Körper beginnt zuerst, die Durchblutung an den Extremitäten wie Händen und Füßen einzuschränken. Keine Durchblutung, keine Wärme. Die »Balaclava«-Sturmhaube von Woolpower schützt den Kopf, die seitliche Halspartie mit den großen Blutgefäßen dicht unter der Haut und die Ohren. Wird es kurzzeitig doch zu warm, lässt sich die Balaclava wie eine Kapuze nach hinten klappen. Eltern und Kinder sind mit der Sturmhaube aus Merinowolle sicher geschützt und können sich stundenlang Schneemännern, Rodelabfahrten oder Winterwanderungen widmen – ohne kalte Ohren oder kalte Füße zu bekommen. Preis: ab 27,95 Euro

Heißer Rock Betreten wir nach einem langen Winterspaziergang einen warmen Raum, bemerken wir oft an den Oberschenkeln ein auffälliges Kribbeln. Doch wieso genau dort? Viele Hosen haben einen gut sitzenden Schnitt. Das bedeutet nicht selten, dass die Hose direkt an der Haut anliegt und sich kein Warmluftpuffer zwischen Kleidung und Körper bilden kann. Die meisten Hosen haben keine Isolation, sondern sind auf Beweglichkeit ausgelegt, ohne zu isolieren. Kalten Oberschenkeln wirkt der »Maribu Rock« von Bergans entgegen. Der Rock ist rundum mit dem extrem wärmenden Material PrimaLoft® Eco gefüttert. Bei Stillstand und Pausen lässt er sich schnell überstreifen. Preis: 89,95 Euro

Albert Faulwasser/Basislager »Vor dem Zelt oder einer Hütte sitzen, schauen, schweigen und ein Glas trinken.« Das fasziniert Albert mindestens genauso am Draußensein wie die Tatsache, komplett abschalten zu können dank natürlicher Ruhe und sportlicher Anstrengung. Diese magischen Momente, die ihm vor allem beim Zelten immer wieder begegnen, lassen ihn regelmäßig seine Kamera zücken. »Die Stimmung und das spezielle Licht am frühen Morgen oder späten Abend sind unbeschreiblich.« Seit wann bei Basislager? Seit Mai 2005. Gelernter Beruf? Ich habe für eine Zeit Physik studiert, bin dann auf Geoökologie umgestiegen und mache nun noch nebenher gemeinsam mit einer Kollegin einen Abschluss als Einzelhandelskaufmann. Lieblingsverkaufsbereich und warum? Am liebsten berate ich Kunden von A bis Z, das heißt über verschiedene Bereiche hinweg. Ansonsten gehören Bekleidung, Reisezubehör, Messer und Werkzeuge zu meinen Hauptbereichen. Auf welchen Ausrüstungsgegenstand würdest du auf Reisen nie verzichten und wieso? Auf meine Arc´teryx Beta AR – ein Traum von einer Jacke. Sehr hochpreisig, aber das Geld wert: Damit bleibt man auch bei monsunartigem Regen trocken. Welches Reiseziel steht ganz oben auf deiner »Liste«? Südwestliche Alpen gehen immer und immer wieder! In der Ferne: Westkanada und Neuseeländische Südalpen. Das ist ein richtig großes Hochgebirge auf etwa gleicher Breite wie »unsere« Alpen – aber doch mit anderer Natur und auf der anderen Seite der Erde.

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Reisebildschirm

Martin Supplie/SFU Die schönsten Stunden in der Natur? »Wenn ich bei gutem Wetter unter freiem Himmel schlafen kann.« Aber auch wenn es draußen stürmt und der Regen laut auf das Zeltdach prasselt, fühlt Martin sich in seinem Schlafsack wohl. Hängt der Ingenieur nicht gerade am Felsen oder im Eis, sucht er beim Fantasiespiel »Midgard« nach abenteuerlichen Rollen. Die passende »Rolle« in der Natur hat er dagegen schon gefunden. »Am Draußensein faszinieren mich die Ruhe und das Gefühl, auf mich selbst gestellt zu sein.« Seit wann bei SFU? Seit Mitte der 90er-Jahre bin ich bei SFU. Gelernter Beruf? Maschinenbauer. Lieblingsverkaufsbereich und warum? Mein Lieblingsverkaufsbereich ist die Kletterecke, weil ich mich dort mit dem beschäftigen kann, wofür ich mich am meisten in meiner Freizeit interessiere. Auf welchen Ausrüstungsgegenstand würdest du auf Reisen nie verzichten und wieso? Es gibt viele Ausrüstungsteile, für die ich mich begeistern kann, und ich habe einen großen Ausrüstungsberg im Keller. Einen zweiten auf dem Dachboden. Aber für mich ist jedes Ausrüstungsteil austauschbar beziehungsweise ersetzbar. Für mich ist das Wichtigste, meine Fantasie zu benutzen und so einzubringen, dass ich gut mit dem auskomme, was mir zur Verfügung steht. Welches Reiseziel steht ganz oben auf deiner »Liste«? Ganz oben auf meiner Wunschliste stehen Klettergebiete in Wales und Schottland wie Pembroke und Ben Nevis. Bei uns ist es das Elbsandstein. Leider lässt es meine Zeit nicht zu, oft in diesen Traditionsklettergebieten zu sein.

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Moderne Technologien gehören heutzutage zum beruflichen und privaten Alltag. Doch wohin mit der technischen Ausstattung, wenn man unterwegs ist? Der Rucksack- und Taschenspezialist Osprey hat mit der Umhängetasche »Beta Port« eine praktische Lösung realisiert, damit wir unsere modernen Kommunikationsgeräte tagtäglich sicher und praktisch nahe bei uns tragen können. Das in das gepolsterte Hauptfach der Tasche integrierte »Port Fenster« ermöglicht einen direkten Zugriff auf elektronische Geräte, ohne sie auspacken zu müssen: Durch das spezielle Schutzmaterial hindurch lässt sich das Touchpad des Tablets ohne Verzögerung bedienen. Zusätzlich ist die Beta Port weich gefüttert, sodass Brille und Touchscreen nicht verkratzen. Innovation und Diskretion in Taschenform. Preis: 79,95 Euro

Winterfell Bei kalten Temperaturen bekommen Tiere ein Winterfell. Doch was macht der Mensch? Auf der Suche nach dem menschlichen Winterfell stoßen wir auf die »Ultralight Down Hoody« Jacke von Patagonia. Die sorgt mit der Bauschkraft von hochwertiger Gänsedaune für maximale Wärmeleistung bei minimalem Gewicht. Nur 252 Gramm bringt das Daunenwunder auf die Waage. Dank des speziell konstruierten Innenlebens der Jacke bleiben die Daunen, ohne zu verrutschen, am richtigen Punkt – und isolieren damit genau dort, wo man die Wärme am meisten benötigt. Dank eines taillierten Schnitts trägt die Jacke nicht auf und lässt sich problemlos auch unter einer Hardshelljacke anziehen. Ein perfekt komprimierbarer Kälteschutz für alle Wintereinsätze. Preis: 319,95 Euro

Wärme-Flasche Eine Tasse Tee nach einer kühlen Winterwanderung wärmt und stärkt. Frustrierend jedoch, wenn nach dem Aufschrauben der Flasche nur eine kalte Brühe heraustropft. Die Islolierflasche »Light & Compact« von Thermos hält ihren Inhalt 24 Stunden verlässlich warm oder kalt. Doppelwandiger Edelstahl und die mit einer Kupferschicht überzogene Außenhaut ermöglichen eine besonders gute Isolierleistung. Praktisch und zuverlässig ist auch der Thermos-Schraubverschluss. Kein Tröpfchen entrinnt der Flasche ohne Einwirken von Menschenhand – der Rucksack bleibt trocken und sauber. Nach Gebrauch lässt sich der Deckel auseinanderschrauben und kann direkt zum Säubern in die Spülmaschine wandern. Thermos Light & Compact gibt es mit 0,5 / 0,75 / 1 Liter Volumen. Preis: ab 29,95 Euro


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Tradition mit Stil

Mathias Hascher/Camp4

Für die grönländische Urbevölkerung gehört der »Anorak« zu den traditionellen Bekleidungsstücken. Auch das Wort stammt aus der Sprache der Inuit und bedeutet übersetzt so viel wie »wärmende Jacke«, denn ohne durchgehenden Reißverschluss dringt im Brust- und Bauchbereich kaum Kälte ein. Mit einer Neuinterpretation des Anoraks wirft sich der »Lifjell« von Bergans warm und stylish in den Winter. Er ist an der Vorderseite mit einer großen Tasche mit horizontalem Reißverschluss ausgestattet. Die bietet Platz genug für Ausrüstungsteile wie Handschuh, Kompass oder Landkarte, die ständig griffbereit sein sollten. Der Anorak aus dem Drei-LagenLaminat »Element Active« ist komplett wasser- und winddicht sowie atmungsaktiv. Beim An- und Ausziehen hilft ein seitlicher Reißverschluss. Preis: 329,95 Euro

Als Camp4-Stammkunde wurde Mathias eines Tages von einem der Gründer angesprochen, womit er als Student sein Geld verdiene. Schon ein paar Tage später gehörte er zum Team. Es ist die Einfachheit des Lebens in der Natur, die Mathias immer wieder nach draußen zieht. Ob mit Kletterausrüstung am Berg oder mit Paddel und Kindern auf dem Fluss. »Es ist der meditative Moment beim Klettern einer Schlüsselpassage; der Glücksmoment, wenn eine Schwierigkeit gemeistert und eine brenzlige Situation überstanden ist.« Seit wann bei Camp4? Oktober 1994. Gelernter Beruf? Ich habe viele Jahre Mathematik studiert. Aber eigentlich war ich damals eher in den Bergen der Welt unterwegs und stark in ein Entwicklungshilfeprojekt in Nepal eingebunden – und bin nie zum Abschluss gekommen. Irgendwann hatte ich meinen Platz im Camp4 gefunden und mit dem Gedanken, Mathematiker zu werden, einfach abgeschlossen. Und ich bereue es nicht!

Bett aus Daunen Welche Eigenschaften sollte ein Schlafsack auf einer Herbst- oder Wintertour mitbringen? Er sollte warm, stabil und leicht sein. Die »Absolut«-Serie des Schlafsackspezialisten Highlight beweist mit dem Modell »Absolut -10«, dass ein Drei-Jahreszeiten-Schlafsack auch an moderaten Wintertagen zum Einsatz kommen kann. Eine luftdurchlässige Beschichtung schützt den Absolut gut vor Feuchtigkeit und Wind. Um die empfindlichen Füße, die im Zelt samt Schlafsack oft an die feuchte Zeltwand stoßen, vor Nässe und Kältebrücken zu schützen, sind im Fußteil zusätzliche unempfindliche Primaloft-Einlagen eingebaut. Mit einem Daunen-Feder-Verhältnis von 90/10 und einer Bauschkraft von 820 cuin ist der Absolut technisch wirklich absolut unschlagbar. Überzeugend sind auch die kurzen Transportwege: Der komplette Schlafsack ist »Made in Europe«. Preis: 419,95 Euro

Alle Produkte aus dieser Zeitschrift, Schneeschuhverleih und Pulkaverleih gibt es bei Basislager Kaiserstraße 231 76133 Karlsruhe www.basislager.de

CAMP4 Karl-Marx-Allee 32 10178 Berlin www.camp4.de

SFU Schmiedestraße 24 30159 Hannover www.sfu.de

SFU Neue Straße 20 38100 Braunschweig www.sfu.de

Allgemeine Anfragen und Anregungen bitte an redaktion@rauszeit.net IMPRESSUM Herausgeber und verantwortlich für den Inhalt: Michael Bode, Andreas Hille Redaktion & Konzept: outkomm GmbH, Fleubenstrasse 6, CH - 9450 Altstätten, www.outkomm.ch, redaktion@rauszeit.net Layout & Produktion: Marvin Lang Druck: Jungfer Druckerei und Verlag GmbH Copyright: Alle Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung ist ohne Zustimmung der Herausgeber unzulässig und strafbar.

Lieblingsverkaufsbereich und warum? Eindeutig Bergsport, weil mir das Thema am meisten ans Herz gewachsen ist. Gleich danach kommen Zelte, weil hier meine Kunden stark von sehr umfassender praktischer Erfahrung und Marktkenntnis profitieren. Auf welchen Ausrüstungsgegenstand würdest du auf Reisen nie verzichten und wieso? Meine Stirnlampe: Die braucht man immer und überall, egal ob nach einem »Verhauer« beim Abstieg vom Berg im Dunkeln oder wenn in einer indischen Großstadt mal wieder der Strom ausfällt. Fast genauso wichtig: mein First Aid Kit. Für Kinderpflaster habe ich ohnehin ein Abo. Welches Reiseziel steht ganz oben auf deiner »Liste«? Kaukasus – weil ernsthaftere Bergtouren in verlassenen Gegenden noch immer mein Herz höher schlagen lassen. Vielleicht auch weil ich durch die Familie in den letzten Jahren eher unter Entzug leide. Was soll’s, das wird schon wieder. Paddeln in Mecklenburg und Klettern in Sachsen ist auch schön!

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Erlebt: Bergsteigen in Kenia

SCHWARZ-WEISSER BERG Entlang des »Great Rift Valleys« liegen die größten Bergmassive des afrikanischen Kontinents. Klimatische und geografische Extreme treffen dort aufeinander. Die zwei SFU Mitarbeiter Paul und Fabian lassen sich von diesen Aussichten nicht abschrecken und machen sich zusammen mit Freundin Svenja auf den Weg zu einer afrikanischen Bergtour. Aus meiner Nase kommt immer noch Staub und die Beine sind schwer. Auch Paul und Svenja schauen müde aus dem Fenster. Bei Temperaturen von über 35 Grad haben wir gerade den Mount Longonot mit 2.777 Metern erklommen und sind ziemlich erschöpft. Ein staubiges und hitziges Unterfangen, jedoch genau die richtige Vorbereitung für unser eigentliches Ziel auf dieser Reise: das Dach Kenias – der Mount Kenya. Jetzt sitzen wir in einem vollbepackten Kleinbus und sind auf dem Weg zum Mount Kenya Nationalpark, der sich im Landesinneren befindet. Die ersten Blicke auf den angestrebten Berg in der Ferne sorgen bei uns dreien für mulmige Gefühle: Der obere Teil des Berges ist schlichtweg nicht zu sehen, denn es scheint, als wären alle Regenwolken Kenias an einem Platz zentriert und regnen gerade am

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Westhang ab. Während des Mittagessens verschwindet unser Guide James und steht kurze Zeit später mit einem Matatu* vor der Tür des Restaurants. Mit an Bord sind neben James und dem Koch Charles noch vier Träger. Das Matatu ist in landestypischer Manier vollgestopft mit Ausrüstung, Menschen und Nahrung. Paul, Svenja und ich schauen uns verständnislos an: Und das soll alles auf den Berg rauf? Das Gefährt bohrt sich durch den vom Regen aufgeweichten Weg zum »Sirimon Gate«, dem Eingang zum Mt. Kenya Nationalpark. Die Stimmung in der Mannschaft ist gut, nur den drei »Westlern« ist ein wenig unbehaglich zumute. Ich frage mich, ob es das alles wert ist? Immerhin rennen wir mit einer sechs Mann starken Crew auf den Berg. Dabei tragen wir lediglich

einen Tagesrucksack mit fünf bis zehn Kilogramm Gewicht. Den Trägern hingegen dürfen wir unsere großen Wanderrucksäcke mit fast 20 Kilogramm mitgeben. Können wir nicht selbst unseren »Mist« da hochtragen, wenn wir schon unbedingt auf den Gipfel wollen? Unsere Antwort lautet: Jein. Wir haben wirklich nur das Nötigste an Ausrüstung dabei und können auf kein Teil verzichten. Vor allem Lebensmittel, Zelte und warme Bekleidung fallen ins Gewicht.

Wässriges Trinkgelage Angekommen am Gate beginnen die Träger alles in unsere und ihre Rucksäcke aufzuteilen. Ihre Rucksäcke werden dann – für unsere Vorstellung – vollkommen


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Am Ziel: Point Lenana auf 4985 Metern.

Oben: Die Sonne erhellt den Gipfel Batian (5199 Meter). Unten: Das Gepäck wird fachmännisch afrikanisch auf dem Dach verstaut.

outdoor-unfachmännisch außen an ihre Rucksäcke angebunden. Der liebevolle Versuch, den Trägern mithilfe von eigenen Erfahrungen die Last der Rucksäcke auf die Hüften umzulegen, scheitert kläglich. Schließlich werden zu unserem Erstaunen die Hüftgurte der rund 20 Kilogramm schweren Rucksäcke gar nicht genutzt. Die erste Etappe verläuft vom Sirimon-Gate zum Old Moses Camp. Auf der Strecke von rund neun Kilometern und 650 Höhenmetern müssen wir etliche Male auf unsere Träger warten, da wir sonst ohne Nahrung und Zelte am Old Moses Camp ankommen würden. Stolz macht sich bei uns breit – jedoch mit der Gewissheit, dass sich die Situation in den nächsten Tagen schnell ändern wird. Nach anfänglich sehr warmen Temperaturen wird es mit der Höhe deutlich frischer. Der Schweiß läuft uns trotzdem über die Gesichter und wir trinken Wasser ohne Ende. Unser erfahrener Guide James bereitet uns auf den ersten Metern schon theoretisch für die Höhe in den kommenden Tagen vor. Er rät uns, sehr viel Flüssigkeit zu uns zu nehmen, je höher wir kommen. Der Urin muss unbedingt weiß-transparent sein. Wir trinken und trinken. Ständig müssen wir anhalten, um zu trinken oder eben – und das ist die Kehrseite der

Trink-Medaille – Susu** zu machen. Unser Tagesziel, das Old Moses Camp auf 3.300 Metern Höhe, erreichen wir nach knapp drei Stunden Marsch. Und dort ist unser Susu schon längst weiß. Nach der ersten Nacht blicken wir aus dem Zelt: Der Mount Kenya offenbart uns sein schönstes Gesicht. Im Sonnenaufgang glitzern die Gipfel des Bergmassivs in der Morgensonne. Allerdings sind auch die Entfernung und die Höhe zu erahnen und zeigen uns das erste Mal ein realistisches Bild dieser Tour auf. Aber bei diesem Wetter freuen wir uns auf die heutige Tagesetappe: Vom »Old Moses Camp« zum »Shipton‘s Camp« stehen uns rund 17 Kilometer und weitere 900 Höhenmeter bevor. Die Route führt durch die Ausläufer der Hochebene. Die Träger haben uns heute schnell eingeholt und düsen davon. Wahnsinn. Wir ersteigen in mehreren Phasen die 3.800 Meter – folgen dem einzigen Pfad, der sich auf und ab am Berg entlangwindet. Nach der Überquerung einer Brücke, die über einen reißenden Bergfluss führt, zieht plötzlich eine Wolkenfront vom Tal herauf und umhüllt uns rasch im Nebel. Die Sicht ist in wenigen Minuten gleich null. Dann setzt auch noch Regen ein. Mit dem Abstieg in das Mackinder Valley platzen

die Regenwolken auf und das Nass stürzt auf uns hinab. Trotz Regenbekleidung ist alles schnell klamm und feucht, später nass. Wir marschieren weiter. Zu allem Überfluss entscheidet sich unsere Crew, im strömenden Regen und mit minimaler Sicht einen Mittagssnack zuzubereiten. So stehen wir frierend und durchnässt im Valley und über unseren Köpfen knallt sich eine Gewitter ein. Die letzten Kilometer und Höhenmeter auf 4.200 Meter gehen schwer aus den Beinen. Einziger Lichtblick: das Shipton’s Camp, das mit warmen Zimmern und einem heißen Essen auf uns wartet. Wirklich? Nach fünf Stunden Aufstieg erreichen wir das Camp. Dank des Regens gibt es keine Aussicht und in der »Bettenburg« zieht es durch Ritzen und Spalten in den Wänden. Es wird eine kühle Nacht. Aufgrund des Wetters entscheiden wir uns am nächsten Morgen für eine relativ kleine, dreistündige Akklimatisierungstour. So marschieren wir auf der Hochebene und genießen schöne Bergsichten, da sich das Wetter langsam bessert. Zumindest kurzzeitig. Auf 4.600 Metern angekommen gibt es für jeden eine Reihe Schokolade und einen halben Liter Wasser. Plötzlich beginnt es zu schneien und zu hageln: Schnee in Afrika! Schnell steigen wir ab.

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Die Ausrüstung und Nahrung für fünf Tage und acht Bergsteiger muss gerecht verteilt werden.

Für den restlichen Tag gibt es nur noch eine wichtige Aufgabe: trinken.

Hoch hinaus Der Wecker schellt in aller Herrgottsfrüh. Wir quälen uns aus unseren dicken Daunenschlafsäcken und in die kalten, klammen Wanderstiefel. Ich traue mich gar nicht vor die Tür zu gucken, hatte es doch in der Nacht so heftig geregnet, dass ich einmal davon wach wurde. Der Blick vor die Tür belohnt uns jedoch für alle bisherigen Strapazen: eine sternenklare Vollmondnacht. Diese Aussicht sowie warmer Tee mit ordentlich Zucker lässt ungeahnte Kräfte erwachen und so schaffen wir es mit James und einem Träger, als Allererste und pünktlich um drei Uhr morgens loszuklettern. Die Strecke beginnt im Kegel unserer Stirnlampen und mit Handschuhen sowie Mütze, da es bitterkalt ist. Es geht bergauf. Steil, für einen kurzen Moment eine Rast. Ein, zwei große Schlucke Wasser trinken. Auf meiner Uhr klettert die Höhenmeteranzeige: 4.250 Meter, 4.300 Meter, 4.400 Meter. Die Pumpe läuft und Schnappatmung setzt ein. 4.700 Meter – so hoch waren wir noch nie. Bei mir setzt nach rund eineinhalb Stunden ein leichter Schwindel ein. Das Ende für mich? Der Weg gabelt sich an einem See: rechts entlang zum Gipfel, links bergab ins Tal. Also rechts oder links? Die Vernunft muss siegen. Da James ein erfahrener Bergführer ist, schildere ich ihm meine Symptome. Er

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schaut mich an, reißt mir die Mütze vom Kopf, die Regenjacke, die Fleecejacke und das Merinoshirt auf und sagt: »Breath deeply!«***. Die Aktion zeigt schnell Wirkung und sofort geht es mir besser. Nach einiger Zeit beginnt die Kletterpartie: links vom Weg geht es steil bergab. Die Felsen sind nicht nur verschneit, sondern auch vereist, es ist glatt und noch immer stockdunkel. Kein Gipfel in Sicht. Langsam setzt die Dämmerung ein. Vereinzelt tauchen vereiste Seile als Option zum Festhalten auf. Dann fünf, sechs Stufen auf einer in den Felsen gehauenen Eisenleiter. 4.890 Meter: Das kleine Summitplateau ist erreicht. Und genau in diesem Moment geht die Sonne über Afrika auf. Danke James! Wir fünf fallen uns in die Arme, bedanken uns und lassen den Freudentränen vollen Lauf. Die Sonne taucht den Himmel in großartige farbliche Facetten und die Luft ist kalt und klar. Die Strapazen der letzten Tage scheinen für einen kurzen Moment vergessen. Wir genießen diesen Moment und machen ein paar Fotos. Doch langsam macht sich Hunger und leichter Kopfschmerz breit. Wir saugen ein letztes Mal den Blick in unsere Gedanken auf und beginnen dann mit dem Abstieg.

Langer Heimweg Stück für Stück verlassen wir die alpine Landschaft und kommen in der Hochebene an. Die Träger, die nicht mit uns auf dem Gipfel waren, sind vorausgegangen und haben ein reichhaltiges Frühstück gezaubert. Das Wetter

ist wechselhaft, aber es regnet nicht. Nach bislang sechseinhalb Stunden Klettern, Auf- und Abstieg sowie Frühstück hat sich der Körper ein wenig an die Strapazen gewöhnt. Von nun an geht es immer weiter bergab, denn unsere Übernachtungsmöglichkeit befindet sich auf 3.000 Metern. Komischerweise geht es aber nicht so steil hinab, wie wir es uns wünschen. Stattdessen gemäßigt bergauf, bergab, bergauf, bergab und über Stunden verlieren wir nur wenige Höhenmeter. Nach zehn Stunden auf den Beinen lockert das Wetter ein wenig auf und wir können am Horizont ein Camp erahnen. Für die letzte Nacht der Tour haben wir eine eigene Hütte aus Stein und Holz, in der drei richtig gemütliche Betten stehen. Die Strapazen stecken noch ein wenig im Körper, als wir am letzten Morgen unserer Tour früh erwachen. Nach einem Frühstück packen wir unsere ausgebreiteten und mittlerweile getrockneten Sachen wieder ein und marschieren los. Die letzten zehn Kilometer führen uns durch einen urigen Wald. Die Bambusbüsche sind meterhoch und wir stoßen immer wieder auf frische Büffel- und Elefantenspuren. Auf einmal setzen James und ein Träger zum Sprint an, da unweit von uns Elefanten im Gebüsch Radau machen. Wir schließen uns dem Sprint an und nutzen die letzten Energiereserven, um den Dickhäutern zu entkommen. So schön die Tiere auch sind, können Begegnungen für den Menschen sehr gefährlich werden. Am Eingang des Nationalparks wartet bereits ein Matatu auf uns. Nach Regen, Sonne,


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KAO Solar Flashlight Der lange Abstieg durch den Mount Kenya Nationalpark führt über sumpfige Wiesen.

REISEZEIT Das Mount-Kenya-Massiv ist das zweithöchste Bergmassiv in Ostafrika. Rund 15 Kilometer südlich des Äquators gibt der Berg seinem Land den Namen. Das Klima ist gezeichnet durch eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit und große Niederschlagsmengen. Optimale Bedingungen für eine Besteigung des Mount-Kenya-Bergmassivs sind die trockenen und heißen Sommermonate von Januar bis Februar.

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ANFORDERUNGEN/AUSRÜSTUNG Die Anforderungen sind abhängig von der Routenwahl und der Wahl des Veranstalters. Unbedingt ist ein warmer Schlafsack (Komfortbereich von –10 °C), robuste Regenbekleidung und Funktionskleidung, z. B. Merinowolle und Daune, zu empfehlen. Das Wichtigste sind aber das Schuhwerk (Kategorie B/C) sowie Trekkingstöcke. TOUR-VERANSTALTER Bei der Besteigung des Mount Kenya ist man auf einen Veranstalter angewiesen, der sich um Lebensmittel, den Transport und das Guiding kümmert. »Arch Treks & Safaris« aus Nairobi bieten unterschiedliche Touren in Kenia an. Von der Safari bis zur Besteigung des Mount Kenya. Sehr zu empfehlen, dank guter Organisation und zuverlässiger Guides: www.archtreksafaris.com

Schnee und Dschungel sind wir erschöpft, aber überglücklich. Wir haben die afrikanische Bergwelt – mit allen Wetterkapriolen zu lieben und zu hassen gelernt – und wollen unbedingt wiederkommen. Text: Paul Teichert, Fabian Groher Fotos: Fabian Groher * Ein Matatu ist ein elfsitziger japanischer Kleinbus, in dem zumeist mind. die doppelte Anzahl von Passagieren plus Gepäck und manchmal auch Hühnern und Ziegen quer durchs Land kutschiert werden. ** Kisuaheli für Pipi machen *** Zu Deutsch: »Atme tief ein und aus!«

More Infos: www.essential-elements.ch


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Erlebt: Skiabenteuer im Allgäu

ALPINE WOHNGEMEINSCHAFT Sieben junge Leute wollen einfach mal raus: die Berge ganz aus eigener Kraft erkunden, fernab der Zivilisation den Puls der Natur spüren, entlegene Ecken der Heimat aus einem neuen Blickwinkel kennenlernen. Die abenteuerliche Geschichte eines etwas anderen WG-Ausflugs. Niemand war wirklich darauf heiß gewesen, um vier Uhr früh aufzustehen und sich in Skiklamotten aufs Fahrrad zu setzen. Doch seit ein paar Stunden nimmt das Abenteuer seinen Lauf. Das Projekt »Eissee« hat begonnen. Nach einer extrem kurzen Nacht haben wir uns aus den Betten gequält, ein letztes, ausgiebiges Frühstück am WG-Küchentisch zu uns genommen und träumen uns nun mit verschlafenem Blick pedalierend unserem Zeltlager in weißer Einsamkeit entgegen. Doch bevor unsere »Wigwams« stehen, gibt es noch einige Höhenmeter zu überwinden. Vor einem Jahr sind wir zusammen in ein altes Bauernhaus gezogen. Wir – Anna, Michi, Marvin, Kim, Valle, Eric und Jojo – sind seit Jahren Freunde. Nach unserer Schulzeit im Allgäu verschlug das Leben jeden in eine

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andere Ecke unseres Planeten. Im vergangenen Sommer aber fanden wir alle in die Heimat zurück. Und da dauerte es nicht lange, bis wir die ersten Pläne schmiedeten, die Winterschätze unserer alten »neuen« Heimat zu erkunden. Das abgelegene Rauheck, weit hinten im Oytal, südlich von Oberstdorf, soll unser Ziel sein. Den Weg dorthin wollten wir aus eigener Kraft meistern – ohne motorisierte Hilfsmittel. Ausgerüstet mit Zelt, Kocher und warmer Kleidung kurbeln wir von Oberstdorf hinauf ins Oytal. Eine ausgeklügelte Konstruktion erlaubt es uns, die Pulkas, vollgepackt mit Material, als Fahrradanhänger zu verwenden. Sie dienen uns als Transportmittel für Kameraequipment, Campingausrüstung und Verpflegung. Die Skischuhe, die großen, schweren Rucksäcke mit Ski dran und die Pulkas am

Bike machen das Treten nicht einfach. Schwitzend, fluchend, mit kurzen Fotostopps – so fliegt der halbe Vormittag vorbei. Die Laune ist trotz aller Anstrengung super. Die idyllische Allee kurz vor dem »Oytalhaus« gibt uns das Gefühl, in ein Winter märchen einzutauchen. Die glitzernden Schneekristalle in der frischen Luft, die überzuckerten Bäume, umgeben von riesigen Bergformationen, sind die erste wirkliche Belohnung des Tages. Nach knapp 20 Kilometern satteln wir am Oytalhaus um, lassen die Räder zurück, um endlich die Ski vom Rücken zu nehmen. Eigentlich sind wir schon auf dem Sprung, als der Hüttenwirt auf uns zukommt. »Griaßt euch! Woll`ad ihr it no a g’scheite Brotzeit, bevor a nauf goat?«, schmettert uns eine kräftige Stimme entge-


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Trotz Sonne und Pulverschnee ein harter Aufstieg. Die Pulkas mit Ausrüstung im Schlepptau.

Auch bei Minusgraden kommt die Hygiene im »Zeltlager« nicht zu kurz.

gen. Wir blicken uns an. »Mhhh scho, äh ja, sehr gern!« Schnell lassen wir uns von der Option einer sonnigen Pause überzeugen. Deutlich schwerer fällt es uns, mit vollem Bauch von der sonnenüberfluteten Terrasse aufzubrechen, doch wir haben noch einen langen und harten Weg vor uns, den wir vor Sonnenuntergang hinter uns bringen müssen.

Marvin mutmaßen, dass der beste Energieschub wohl aus dem eiskalten Wasser unterhalb des Stuibenfalls komme. Ratzfatz sind die beiden splitterfasernackt und springen in den Bach. »Diese Freaks!« Als alle wieder in adäquater Montur dastehen, geht es weiter. Im Nu gelangen wir auf das Plateau an der Käseralpe. Nach der letzten Kehre blicken wir in einen riesigen Talkessel, der uns fast komplett umschließt. Die Dimensionen der umliegenden Berge im Vergleich zu uns kleinen Kreaturen sind überwältigend: auf der einen Seite die steilen Felswände der Höfats, zur anderen die beeindruckenden Eisfälle unterhalb des Rauheck-Gipfels. Es ist vollbracht! Fast zehn Stunden sind wir nun schon unterwegs. Völlig erschöpft liegen wir uns in den Armen und genießen die atemberaubende Kulisse. Den perfekten Platz für unser Basecamp haben wir schon ausgespäht, doch ans Beine hochlegen ist noch lange nicht zu denken. Es ist schon vier Uhr nachmittags. Wir teilen uns in Arbeitsgruppen auf. Die einen verdichten stampfend die Schneedecke als Untergrund für die Zelte, andere kümmern sich um Wasser. Unser Zimmerer, alias Küchenmeister Kim, hat sich schon

Stiller Märchenwald Zu zweit vor jeden Pulka geschnallt, lässt sich die Strecke durch das tief verschneite Tal recht gut meistern. Der Weg führt uns entlang eines kleinen, leise rauschenden Bachs, vorbei an Fichten und Latschen, immer tiefer in die abgeschiedene Bergwelt des Allgäuer Hauptkamms. Hinein in die Einsamkeit – keine Menschenseele weit und breit. Mit der Zeit wird der Aufstieg immer steiler, die Sonne brennt, die Kräfte schwinden. Nach etwa zwei Dritteln der Strecke legen wir am rauschenden Stuibenfall eine Pause ein: trinken, die Ski ausziehen, sich ein paar Minuten in den Schnee fallen lassen, entspannen – das Beste, was man sich nach der stundenlangen Schufterei vorstellen kann. Kim und

zu Hause einen Plan für die perfekte Sterneküche zurechtgelegt. Mit der Lawinenschaufel, den Pulkas als Windschutz und einem mitgebrachten Brett zaubert er inmitten der Bergkulisse eine wunderschöne Küchenzeile, bestückt mit zwei Benzinkochern. Wahnsinn! Als alle Zelte eingerichtet sind und die GourmetKüche bereit ist, taucht die sinkende Sonne die Berge in sanftes Rosa. So weit abgeschieden die unglaubliche Schönheit der heimatlichen Natur zu spüren, bewegt uns sehr. Wir sind uns alle einig: Wir haben den perfekten Ort für unsere Basecamp-WG gefunden.

Kalter Morgengruß Minus 15 Grad. In glitzernden Wölkchen steigt der Atem vom Mund in Richtung Zeltdecke. Was für eine Überwindung, aber gleichzeitig auch was für ein Erlebnis, sich nach so einer schneidig kalten Nacht in aller Herrgottsfrüh aus dem mollig warmen Schlafsack zu quälen. Jetzt etwas Warmes! Mit den ersten Sonnenstrahlen sitzen wir gemeinsam bei einem heißen Kaffee aus unserer Camping-Espressomaschine. Sogar an ein wenig Luxus, einen Schuss frische Milch, hat Kim gedacht.

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Die Wolken öffnen ihre Vorhänge für ein spektakuläres Naturschauspiel – und wir sind die einzigen Zuschauer.

Die schneebedeckten Berge lachen uns ins Gesicht. Während wir genüsslich schlürfen, schmieden wir Pläne für den Tag. Ein Blick nach oben verrät, welch unerschöpfliche Möglichkeiten die Berge vor unserer Nase bieten. Mit einer topografischen Karte legen wir die Route für die erste Tour fest. Sie führt uns zunächst in südlicher Richtung eine steile 400-Höhenmeter-Flanke hinauf. Die anschließende Querung endet nach langem Marsch an den Eisseen. Die Szenerie an den 1.800 Meter hoch gelegenen Bergseen ist ein Schauspiel für die Sinne. Im Süden türmen sich riesige schneebedeckte Flanken und Felsen auf. Talauswärts schweift der Blick vorbei an weiten, mit Pulverschnee bedeckten Flanken und bleibt an der Gipfelformation des Schneck (2.268 Meter) hängen. Entlang des steilen Felsabbruchs, der uns mit seinen mächtigen Wasserfällen schon vom Camp aus beeindruckte, fahren wir ab. Müde, aber glücklich, kehren wir ins Basecamp zurück. Die schneereichen Erfahrungen des Tages noch in den Köpfen, heißt es sofort wieder: Ran an die Arbeit! Unterm Himmelszelt, so weit oben in den Bergen, reduziert sich alles auf das Lebensnotwendige: Wasser für den Abend herbeischaffen, benutzte Kleidung, so gut es geht, trocken bekommen und ein warmes Essen zubereiten. Anna und Valle machen sich auf den Weg zum nahegelegenen Bach, um Wasser für Nudeln und Tee zu holen. Küchenchef Kim verteilt die Arbeiten: Zwiebeln schneiden, Soßen und Gewürze aus dem Zelt holen, Besteck und Töpfe zusammensuchen. Es ist schön zu sehen, mit wie wenig

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wir so zufrieden sind. Kein Handy, kein Internet, kein Licht einer Stadt. Nichts, was einen hindert, den Puls des Lebens bewusst an Körper und Geist zu erleben.

Bewegendes Lagerleben »Ihr könnt alle liegenbleiben«, tönt Jojos Stimme am nächsten Morgen, »es hat Nebel!« Die Stimmung schwankt. Raus und dem Wetter trotzen? Oder ausschlafen, ohne das Gefühl zu haben, etwas zu verpassen? Doch ehe wir nochmals einnicken, drücken die Sonnenstrahlen den Nebel aus dem Tal, und Jojos offizieller Weckruf hallt durch das Camp. Kaffee aufsetzen, Haferbrei zubereiten, die Tagesrucksäcke packen – die Handgriffe laufen am zweiten Morgen schon routiniert ab. Jeder weiß, was zu tun ist, um möglichst schnell an den heißen und heiß begehrten Kaffee zu kommen. Unsere Blicke wandern hinauf zum Rauheck – unserem Tagesziel. Ein langer, anstrengender Vormittag liegt vor uns. Der Aufstieg führt uns an den Eisseen vorbei, weiter über einen steilen Nordosthang hinauf zum Seichereck. Hier folgen wir dem Grat Richtung Süden bis zum Gipfel. Die gesamten Allgäuer und Lechtaler Alpen liegen uns zu Füßen. Was für eine Aussicht! Dieses Gipfelerlebnis in absoluter Ruhe mit guten Freunden teilen zu dürfen, ist jede Anstrengung wert. Wie so oft in diesen Tagen holt uns bei der Abfahrt der Nebel ein und macht das Gelände zu einer Art Labyrinth in Weiß. Wir kämpfen uns durch eine graue Suppe zurück zu den Zelten, zu den wärmenden Schlafsäcken. Die Nachtru-

he im Camp kehrt schnell ein an diesem Abend. Kein Geräusch stört die absolute Stille, die uns auf dem Plateau umgibt. Die Dunkelheit hüllt uns ein, und kurz nach 22 Uhr dringen nur noch die regelmäßigen Atemzüge aus den Zelten. Die letzte Tour führt zum Älpele Sattel, der über mäßig steiles bis steiles Gelände hoch zum Falkenberg führt. Vom Grat blicken wir hinab auf ein Wolkenmeer in den Tälern. In totaler Glückseligkeit sitzen wir auf unseren Rucksäcken und genießen die Brotzeit. Schweigen ist Gold. Tief verträumt und unglaublich zufrieden genießen wir die Freiheit über den Wolken und schweifen mit unseren Blicken über die vom Sonnenlicht bestrahlten Gipfel. Nach den Stunden am Berg gleiten wir genüsslich durch den Tiefschnee hinab ins Camp. Noch voller Energie spielen wir die WG-Federball-Meisterschaften aus. Natürlich gibt es nur Gewinner. Vollkommen beflügelt von so viel Wildnis und frischer Luft steht unser letzter Abend im Schnee im Zeichen des Genusses. Als ersten Gang gibt es Gemüsebrühe, verfeinert mit ein paar frischen Kräutern und Gries. Während die Suppe auf dem Benzinkocher dahinköchelt, schwingen wir die Messer. Frische Tomaten, Möhren und Zwiebel liegen bereit. Ski und Snowboards entpuppen sich als perfekte Schneidbretter. Die Suppe wärmt unsere geschundenen Körper. Dank der zwei Benzinkocher und des Pulkas als Windschutz müssen wir auch nicht lange auf unseren Hauptgang warten: »Spagetti pomodoro à la Bergsteiger«. Mit Schokolade und Flachmann im Gepäck wickeln wir uns für die mehr


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Schneekristall statt Sternenküche. Gourmets kommen im Basecamp auf ihre Kosten.

INFORMATION Das Oytal ist ein autofreies Tal im Oberallgäu. Es liegt südlich des Luftkurorts Oberstdorf. Es bietet Sommer wie Winter großartiges Panorama im Herzen des Allgäuer Hauptkamms. Beste Zeit für Skitouren: Februar bis Ende März. AUSRÜSTUNG Zu empfehlen sind – je nach Gruppengröße – die Bergans Expeditionszelte »Wiglo« und »Lavo«. Ein Daunenschlafsack für kalte Nächte bis -20 Grad und ein Benzinkocher von Primus der auch bei niedrigen Temperaturen zuverlässiger Kochpartner ist. Ein Pulka für flache Talanstiege ermöglicht den Transport von viel Ausrüstung und dient zusätzlich als stabiles Bauteil für die »Basecamp-Wohnung«. Unerlässlich bei Touren im hochalpinen Gelände: Lawinenausrüstung, bestehend aus Schaufel, Sonde und LVS-Gerät. ANFORDERUNG Skitouren im Oytal verlangen eine gute Tourenvorbereitung und gute Kenntnisse in der Beurteilung der Lawinengefahr. Die Zustiege aus dem Tal sind für Tagestouren sehr lang und fordern hohe körperliche Fitness. Ab der Käseralpe ist man im Hochalpinen Gelände unterwegs, wo ein hohes Maß an Aufmerksamkeit gefordert ist.

als verdiente Nachspeise in die Schlafsäcke ein. Die Sonne neigt sich gen Horizont und überlässt dem aufsteigenden Mond die Bühne der Impressionen. Wir packen die Spielkarten aus und lassen den Tag mit einer zünftigen Runde »Schafkopf« ausklingen. Unser ausgelassenes Lachen mischt sich mit einem Tropfen Wehmut. Morgen schon wird uns die Zivilisation wieder fest im Griff haben. Text: Eric Haufe Fotos: Johannes Heel

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Erlebt: Winterreise durch den Kosovo

DER ZAUBER DER »VERWUNSCHENEN BERGE« Friedvoll legt der Winter ein weißes Tuch über das Land. Kaum anderswo in Europa haben sich die Menschen mehr danach gesehnt als im Kosovo. Krieg, Gewalt und Zerstörung sind Vergangenheit. Eine bewegende Winterreise in die Bergregionen an der Grenze zu Albanien. Grüne Wiesen, Bäume, die sich langsam verfärben, mittendrin ein paar Häuschen – ich fand eine beinahe paradiesische Idylle vor, als mich im Herbst eine Wandertour in das kleine Bergdorf Bogë im Nordwesten des Kosovo verschlug. Etwa 200 Menschen leben hier – die meisten von ihnen Käser, Bauern und Hirten –, und am Ortsrand steht verloren ein Schlepplift. Fahren die Leute hier oben etwa Ski? Ich wurde neugierig, erkundigte mich, und langsam, aber sicher reifte in meinem Kopf die Idee, diesen abgelegenen Winkel Europas noch einmal zu besuchen – im Winter. In Bogë stieß ich auf Fatos Lajçi, einen ehemaligen Guerilla-Kämpfer, der heute Berghütten in den Albanischen Alpen baut. »Ideal für Winterabende fernab von jedem Trubel. Perfekt, um die bis zu 2.500 Meter hohen Berge auf einsamen Touren zu erkunden«, dämmerte es mir.

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Vier Monate später. Fatos sieht genauso aus wie beim letzten Mal, als er mich in seinen schlabberigen Klamotten und mit seinem fransigen schwarzen Haarschopf vom Flughafen in Priština abholt. Wir wollen zuerst in Bogë Ski fahren und dann ein paar Tage beim Tourengehen in seinen Hütten verbringen. Am Ende will ich noch nach Brezovica, einst das größte Skigebiet im ehemaligen Jugoslawien. »Wir hatten bisher noch nicht so viel Schnee«, berichtet Fatos. Weiß gefleckte Hänge ziehen auf der Fahrt an uns vorbei. »Letztes Jahr lag der Schnee allein im Ort zwei Meter hoch.« Nach kurzer Zeit türmen sich die Schneewehen schon höher auf. Wir nähern uns den Albanischen Alpen. Erst um Mitternacht erreichen wir Bogë. Der Ort schimmert im Mondlicht in magischem Blau.

War hier nicht mal Krieg? Am nächsten Morgen quere ich auf dem Weg zur ersten Skitour das »Skigebiet« von Bogë, in dem wenige Menschen zu sehen sind. Nur vereinzelt lässt sich einer mit dem Schlepplift den steilen, eisigen Hang hinaufziehen. Ein schlaksiger Junge steigt seitwärts einige Meter auf. Dann setzt er mit zittrigen Knien den ersten Schwung an. Schon landet er im Schnee, entledigt sich unfreiwillig seiner Ski und purzelt den Hang hinab. Ein Stück weiter unten rutschen zwei Burschen auf Müllsäcken direkt in eine Gruppe Menschen. Schnell wird mir klar: Hier kann man das Skifahren als ahnungsloser Anfänger vielleicht ganz gut lernen, aber viel geboten für erfahrene Wintersportler ist nicht. Eine einfache Fahrt mit dem Schlepplift auf den Gipfel kostet einen


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ICH LIEBE NATUR

Ich liebe Performance

Handwerk in seiner ursprünglichen Form. Die Menschen im Kosovo leben kreativ von und mit dem Wenigen, das sie besitzen.

Euro, die Tageskarte zehn. Also zücke ich eine Münze und lasse das Chaos hinter mir. Am Gipfel gleite ich entlang eines Grates in einen kurzen Hang, in den ich sechs Schwünge setze. Die Schneekristalle funkeln unschuldig in den Sonnenstrahlen und im Westen erheben sich hochalpine Gipfel. Unheimlich friedvoll wirkt die Szenerie. War hier nicht mal Krieg? Sicher, doch die Zeiten haben sich geändert. Das »jüngste« Land Europas ist erst fünf Jahre alt, etwa halb so groß wie das Bundesland Hessen und umringt von Albanien, Montenegro, Serbien und Mazedonien. Die Landschaft ist hügelig und nur an manchen Stellen felsig und schroff, denn unter der Schneedecke liegen viele Flussebenen und Obstplantagen. Doch im äußersten Westen durchbrechen die »Verwunschenen Berge« die landschaftliche Sanftmut. Sie erheben sich als Teil der Albanischen Alpen wie ein hoher Bürstenkamm. Der zweitgrößte Gipfel der Dinarischen Alpen, der 2.656 Meter hohe Gjeravica, ragt an der Grenze zu Albanien in den Himmel. Im Süden säumen die Šar-Berge wie karge, wuchtige Pyramiden den gleichnamigen Nationalpark – eine abgeschiedene alpine Gebirgsregion, noch weitgehend ohne Massentourismus. Luchse, Bären, Gämsen und Wölfe teilen sich die Berge. Ähnlich muss es in Österreich vor hundert Jahren ausgesehen haben. Nach der Tour zieht es mich ins »Rudi Pub« an der Talstation, wo ich ein Bier und eine gefüllte Paprika bestelle. Ylber »Rainbow« Rudi, der Skilehrer von

Bogë, nimmt sich einen Stuhl und setzt sich an den Tisch. »Skifahren ist mein Leben«, erzählt der 53-jährige Rainbow. Seine Augen blitzen unter den buschigen Brauen. Ylber hat schon in ganz Jugoslawien als Skilehrer gearbeitet. 1992 kam er nach Bogë, um »The Future« aufzubauen, eine Skischule und ein Hotel. Die Serben brannten »The Future« im Krieg nieder. 2003 bauten Rudi und seine Leute alles wieder auf. Für Ylber war es nun nicht mehr so wichtig, selbst Skifahren zu gehen. Er wollte einfach diese kleine Enklave des Wintersports im Kosovo am Leben erhalten. »Ich liebe es, im Winter draußen zu sein, und ich liebe die Berge«, sagt Ylber. »Und wenn du etwas liebst, dann willst du, dass es weiterlebt.«

Zwischen Leiden und Leidenschaft Auch Fatos hat in dieser Region viel über Liebe und Ausdauer gelernt. Wir sprechen darüber, als wir am nächsten Tag Bogë verlassen, um in der Region Rugovë mit Skiern an den Füßen ein Tal und seine umliegenden Gipfel zu erkunden. »Als junger Mann lieh ich mir ein Pferd,«, erzählt Fatos, während wir über vereiste Spurrinnen einer rutschigen Schotterstraße rumpeln, »holte zwei Bäume aus dem Wald und baute meine eigenen Ski.« Geld, um sich welche zu kaufen, hatte er schließlich nicht. Er malte mit einer Schablone den Schriftzug »ELAN« drauf und glitt schon bald die Hänge hinunter,

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In Fatos Hütte findet der bescheidene Bergsteiger, alles was er braucht.

sprang über Felsen und setzte seine Schwünge zwischen die Bäume im Wald. »Ich konnte damit alles fahren«, lacht Fatos, »aber am Ende des Winters waren die Dinger komplett verbogen.« Wenig später erreichen wir Pepaj, unser Ziel. Wir wollen den 2.403 Meter hohen Gipfel des Hajla besteigen und mit den Skiern abfahren. Fatos glaubt, es könne eine Erstbefahrung werden. Im Winter wohnt hier niemand mehr. Die Straße ist gesperrt. Also parken wir etwa 450 Höhenmeter unterhalb in einem Dorf mit einer Moschee und packen bei einem Bauernhaus unsere Ausrüstung. Drei Hütten, erzählt Fatos, habe er in den letzten Jahren in der Nähe des Hajla gebaut. Im Sommer nutzt sie eine Non-Profit-Umweltorganisation für Natur- und Umweltschutz als Übernachtungsgelegenheit im Rahmen ihrer Jugendprogramme. Im Winter verbringt der 41-Jährige dort gut und gern auch mal mehrere Wochen. Ein älterer Mann mit sanften blauen Augen und einer Tellermütze aus Flanell kommt aus dem Bauernhaus und küsst Fatos auf die Wangen. »Dieser Mann war während des Krieges immer sehr hilfsbereit«, sagt Fatos und erzählt, wie Osman Shala, 69, immer wieder Albanern im Kampf gegen die Serben Unterschlupf und Verpflegung gewährt hatte. Fatos’ Bruder Besnik wurde im April 1999 bei der Verteidigung von Pepaj erschossen – wenige Wochen bevor der Krieg zu Ende war. Er wurde nur 27. Osman bietet uns Kaffee und warme Hausschuhe an. »Es war Krieg, da war man auf alles gefasst«, sagt Fatos. »Eine Zeit lang wollte ich ganz Serbien niederbrennen, aber das ist vorbei. Für mich gibt es keinen Hass mehr.« Eine unerwartete Aussage. Denn hier wurde der Hass innerhalb von Familien weitergegeben wie die Armbanduhr des Großvaters, und Fehden dauerten traditionell manchmal Jahrhunderte an. Der dreistündige Aufstieg zu Fatos neuester Hütte am nächsten Tag geht gut voran. Diese Hütte mit rustikalen Holzbalken und viel Glas ist ein gemütliches Zuhause.

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Vor allem im Winter verirren sich kaum Besucher in die albanischen Alpen.

Fatos hat den ganzen Sommer mit dem Bau verbracht, und das mit nicht viel mehr als einer Kettensäge und einem Hammer in der Hand. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Holzböden, zwei Stockwerke, Schlafzimmer, Strom – die Unterkunft bietet keinen großen Luxus, aber alles, was man braucht, um im Winter ein paar gemütliche Tage nah an der Natur zu verbringen. Wir bleiben lange am Kaminfeuer sitzen. Am nächsten Morgen ist Fatos noch im Tiefschlaf. Bereits am Abend hatte er angedeutet, dass ich gerne alleine auf Erforschungstour losziehen kann. Also mache ich mich ohne ihn auf den Weg zum Gipfel des Hajla und spure an windgebeutelten Kiefern vorbei. Hinter den Wechten des Gipfelgrates tut sich ein 360-Grad-Blick nach Mazedonien, Albanien, Montenegro und Serbien auf. Der Schnee wird immer besser, je weiter ich abfahre. Dann steige ich nochmals über eine Flanke auf, um den Sonnenuntergang zu genießen. Die Temperaturen fallen rasch, und über den Šar-Bergen in der Ferne brauen sich dunkle Wolken zusammen. Nach einer längeren Phase ohne Neuschnee ist nun ein Sturmtief im Anmarsch.

Wintersport als Friedensstifter Es schneit stark, als ich in Brezovica ankomme. Die Winterstürme der letzten Monate haben die Šar-Berge mit sechs Metern Schnee präpariert. Kein Wunder also, dass Brezovica einst zu den populärsten Skigebieten in Jugoslawien zählte. Zehn Lifte gibt es hier. Es ist also alles da für einen Pistenzauber wie in den Alpen. Oder besser gesagt: Es wäre alles da. Denn zum ersten Mal seit der Inbetriebnahme 1979 laufen die Lifte im Winter 2012/13 nicht. Und niemand weiß, ob und wann der Betrieb wieder aufgenommen wird. Das Management hat die Rechnungen nicht bezahlt. So ist Skifahren im Kosovo. Gut, dass ich ohnehin auf Skitouren eingestellt und nicht auf die Lifte angewiesen bin.

Ehe es losgeht, will ich mich stärken. In einem Haus aus Holz und Stein, das einst sein Großvater am Berg gebaut hat, lange bevor es die ersten Lifte gab, treffe ich Igor Nikol cˇevi´c. Er ist Serbe. Igor hat das Erbstück zur Pizzeria umfunktioniert. In Camouflage-Jacke und mit sauber getrimmtem Ziegenbart stellt er mich seiner Frau Dragina und seiner 20-jährigen Tochter Tina vor. Sie servieren mir Brandy und serbische Pfannkuchen. Wir kommen ins Gespräch, und bald habe ich das Gefühl, ich könnte mich noch Stunden mit diesen netten, fürsorglichen und freundlichen Menschen unterhalten. Mit den »bösen« Serben haben sie so gar nichts gemein. »Sogar während des Krieges konnte man hier Ski fahren«, erzählte Igor. Ich hatte zuvor schon gehört, dass Brezovica, als der Großteil des Landes in Feuer aufging, so etwas wie eine Oase der Ruhe war, wo Albaner und Serben nicht zuletzt wegen ihrer gemeinsamen Leidenschaft, Ski zu fahren, gut miteinander auskamen. Die Anekdote klingt zwar wie ein rosarot gefärbtes Märchen, aber Igor glaubt fest daran, dass der Sport maßgeblich dazu beigetragen hat, diesen Ort vor größerem Leid zu verschonen. »Was machen ein Serbe und ein Albaner, wenn sie zehn Minuten lang zusammen im Lift sitzen oder zwei Stunden lang zusammen auf einen Gipfel steigen?«, fragt er. »Sie reden: Du bist Skifahrer. Ich bin Skifahrer. Dann könnten wir doch gemeinsam fahren!« Ist das der Zauber der »Verwunschenen Berge«? Doch ganz verschont blieb auch Brezovica nicht. »Zuerst habe ich mir gedacht: Wie soll ich denn jetzt meine Schulden bezahlen?«, sorgte sich Igor, als er von der Schließung der Liftanlagen hörte. Mittlerweile sieht er das gelassener: »Ich arbeite noch. Nicht so wie früher, aber ich arbeite.« Stimmt. Als wir unsere Schneebrillen aufsetzen und nach draußen treten, werden wir Zeuge, wie Hunderte Menschen ihre Ski schultern und den Berg hinaufstapfen, um ein paar Schwünge in den Pulverschnee zu


REVIER Die »Verwunschenen Berge« (Bjeshkët e Namuna) liegen im westlichen Teil des Kosovo und erinnern mit Gipfeln bis 2.656 Metern Höhe an die Alpen. Eine Schneedecke von bis zu sechs Metern baut sich im Winter in den Šar-Bergen im Süden des Landes auf. Die Infrastruktur ist vor allem im Winter nicht mit der in den Alpenländern zu vergleichen. Beste Reisezeit für »Schneetouren«: der Januar und die erste Februarhälfte. ANREISE Am besten mit dem Flugzeug nach Priština und von dort aus weiter mit dem Auto. Brezovica ist auch über Skopje (Mazedonien) erreichbar. Ein gültiger Reisepass ist für Mazedonien notwendig, für den Kosovo reicht auch ein Personalausweis. Ein Visum ist nicht erforderlich. Reisen in den Kosovo lassen sich auf eigene Faust organisieren, doch einfacher ist die Organisation mit einem ortskundigen Guide. Tourist-Information Kosovo: www.kosovoguide.com AUSRÜSTUNG Vor Ort gibt es kaum die Möglichkeit, sich mit Ausrüstung zu versorgen, deshalb sollte der Rucksack bereits zu Hause final bestückt sein. Vor allem auf einer Ski- oder Schneeschuhtour gehört Sicherheitsausrüstung wie LVS, Sonde und Schaufel in das Gepäck.

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Harte Arbeit gehört zum Alltag im Kosovo.

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setzen. »Lezgo!«, sagt Igor und drückt mir meine Ski in die Hand. Der Aufstieg beginnt. Nun macht sich der Brandy bemerkbar. Doch wir schaffen es auf den Gipfel – irgendwie. So wie wohl auch die Menschen im Kosovo, die es nie leicht hatten, ihren Weg zu finden – irgendwie. Die Route ins Tal führt durch knietiefen Pulverschnee. Gespenstische Nebelschwaden ziehen um die Baumwipfel. Nur vage können wir erahnen, was uns auf der Abfahrt bevorsteht. Vor ein paar Stunden hat mir Igor anvertraut, dass er sich nicht sicher sei, was die Zukunft bringe. Denn trotz seiner Umtriebigkeit sei er ja immer noch Serbe, und viele Leute im Kosovo könnten nicht einmal mit einem Serben sprechen, ohne diesen sofort umbringen zu wollen. »Ich hoffe wirklich, dass wir bleiben können«, sagt Igor, schwingt über das friedlich weiße Tuch des Winters und verschwindet im Nebel. Text: Tim Neville Fotos: Dan Patitucci

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EinBlick: Firmenporträt Patagonia

DER RUF DER WILDNIS Warum gründet jemand ein Unternehmen – geht es um Erfolg, Ruhm, Geld? Für den jungen Amerikaner Yvon Chouinard waren praktischer Eigennutz und Leidenschaft für die Natur der Ansporn, vor genau 40 Jahren eher zufällig den Grundstein für die Bekleidungsfirma Patagonia zu legen. Ganz nebenbei revolutionierte er dabei die Welt der OutdoorAusrüstung Stück für Stück. Am Anfang ging es nur bergab. Meterweit. Das Seil um Schulter und Hüfte gewickelt, Stück für Stück weiter hinab und näher heran an den exponierten Falkenhorst. Für den halbwüchsigen Chouinard war das Abseilen an steilen Felswänden die einzige Möglichkeit, an junge Greifvögel heranzukommen, um sie für die Ausbildung in einer Falknerei einzufangen. Doch der banale SchülerJob entwickelte sich schnell zu mehr; die Abseilübungen waren der Beginn des Aufstiegs. »Anfangs kamen wir gar nicht auf die Idee, die Felsen hinaufklettern zu wollen – bis zu dem Tag, als ich mich am Stony Point hinunterließ und auf diesen Burschen stieß, der hinaufkletterte«, schreibt Chouinard in seinem Buch »Let my people go surfing«.1 Ab diesem Moment ging es nur noch bergauf: Bereits mit 15 Jahren erfasst Chouinard der Berg- und Klettervirus, der ihn sein ganzes Leben nicht mehr loslassen wird, und aus dem kurze Zeit später eine Geschäftsidee wächst, bei der es zumindest anfänglich gar nicht ums Geschäft geht. Aus Unzufriedenheit über die damals existierende Kletterausrüstung fasst er den Entschluss, sich sein eigenes Material anzufertigen: Handwerklich begabt und überzeugt von seiner Idee, entstehen auf einem gebrauchten Amboss aus den alten Schneideblättern eines Mähdreschers die ersten wiederverwendbaren Felshaken. Ein durchdachtes Recycling-Werk, das bald auch von anderen Kletterern aus der Szene für gut befunden wird. Überschüssige Ware, die der in Maine geborene Kletterer nicht für seine eigenen Touren benötigt, verkauft er. Der Kofferraum seines Autos mutiert zu einem fahrbaren Verkaufsstand – Nachschub produziert Yvon zwischen Strand, Seil und Sonne:

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»Die Nachfrage nach Ausrüstung wuchs, bis ich mit der Herstellung von Hand nicht mehr nachkommen konnte.« Daraufhin entwickelt er Werkzeuge und Maschinen, die eine »Massenproduktion« in einer kleinen kalifornischen Garage möglich machen. Zusammen mit dem Luftfahrtingenieur Tom Frost entsteht so die erste Ausrüstungs-Firma: »Chouinard Equipment«. Doch trotz hoher Nachfrage bleibt der Gewinn anfänglich niedrig, teils sogar aus. Die Mitarbeiter – allen voran Chouinard selbst – verbringen mehr Zeit in den Felswänden und auf Reisen als an der Werkbank, und überlassen das Geschäft dem Zufall. Leichtsinn oder fortschrittliches Geschäftsmodell? Die Kletterszene testet das Material auf Herz und Nieren. Immerhin hängen Chouinard und seine Mannen selbst in den Haken und sind – um ihr eigenes Leben zu sichern – darauf angewiesen, nur das beste Material herzustellen.

Eine Philosophie aus Stoff Auf einem Klettertrip in Schottland kauft Chouinard ein schlichtes Rugby-Shirt, das er darauf regelmäßig zum Klettern trägt. Es ist leicht, robust und ideal für extreme Bedingungen am Berg geeignet. Rasch wird aus dem schnellen Kauf eine innovative Geschäftsidee – Kletterer und Bergsteiger benötigen praktische und robuste Kleidung, die viele Bergtouren überlebt und auch den hohen Ansprüchen von Extremsportlern genügt. Textile Qualität und robustes Material sind Mangelware, wieso also nicht seine eigene Kleidung herstellen? 1973 gründet Chouinard sein eigenes Unternehmen. Ein Unter-

nehmen, das schon durch seinen Namen Reiseträume in den Köpfen erwachen lässt und Bilder von wilden Flüssen und rauen Landschaften verspricht: Patagonia. Genau 40 Jahre und unzählige Ideen später: Patagonia ist der kleinen Garage im kalifornischen Vorort entwachsen. Mittlerweile kümmern sich 1.680 Mitarbeiter in aller Welt um die Entwicklung, Herstellung und Vermarktung der farbenprächtigen Funktionsbekleidung. Dabei ist das Sortiment nicht mehr auf alpine Ausrüstung beschränkt: Surfer halten sich das kalte Meereswasser mit Patagonia-Neoprenanzügen von der Haut, Fliegenfischer steigen in wasserfeste Patagonia-Latzhosen und Schneeschuhwanderer streifen sich Patagonia-Merinowollhemden über. Ein Blick auf das Logo mit dem Fitz-Roy-Massiv reicht, um den Betrachter kurzzeitig in die patagonische Wildnis zu entführen – weit weg vom Alltag, hinein in die Natur. Während viele Hersteller in den frühen 90er-Jahren bei Outdoor-Ausrüstung schlichte Farben wie beige, braun und grün verwenden, setzt die kalifornische Marke früh eigenwillige farbliche Akzente und rückt sich mit ungewöhnlichen Farbkombinationen in das Rampenlicht der Wildnis-Laufstege. Immer mehr »bunte Punkte« blitzen durch Europas Bergwälder. Unzählige Bergsteiger erinnern sich noch heute an ihr erstes Patagonia-Fleece: lila, grau, grün und blau. Doch einige schwelgen nicht nur in Erinnerungen: Nicht selten schummelt sich am Gipfelkreuz oder bei einem gemütlichen Hüttenabend ein über 20 Jahre altes Patagonia-Fleece zwischen moderne Funktionsjacken und Softshells und »erzählt« mit viel Stoff und ohne Worte von einer Zeit, als alles begann und nur eine einzige Jacke für sämtliche sportlichen Aktivi-


täten im Schrank hing. Obwohl das Sortiment heute viel größer ist als vor 40 Jahren, fasst Chouinard die Kernbotschaft in seinem Buch ganz selbstverständlich zusammen: »Das sind alles Sportarten, für die man keinen Motor braucht, bei denen es kein Publikum gibt und mit denen man nichts gewinnen kann, außer die eigene Zufriedenheit und die Momente, in denen wir uns eins fühlen mit der Natur.« Zusätzlich gilt in allen Unternehmenszweigen – so unterschiedlich sie auch sein mögen – der gleiche Design-Grundsatz: »Weniger ist mehr.« Egal, ob im Fluss, am Berg oder in der Kletterwand – was keinen Nutzen hat, lässt der Patagonia-Designer weg. Inspiriert zu dieser Art des Schaffens hatte Chouinard der französische Schriftsteller und Flieger Antoine de Saint-Exupéry, der schon Anfang des 20. Jahrhunderts folgende Erkenntnis äußerte: »Etwas ist nicht dann vollkommen, wenn man nichts mehr hinzufügen, sondern nichts mehr weglassen kann!« Was bringt es, wenn eine Jacke gut aussieht, aber keinen oder kaum praktischen Nutzen erfüllt? Es entstehen Kollektionen, die den Ansprüchen von Extremsportlern ebenso genügen wie denen von Menschen, die »nur« gerne draußen unterwegs sind. Einfach gesagt: Funktionsunterwäsche muss Feuchtigkeit ableiten und schnell trocknen, eine Regenjacke muss wasserfest und atmungsaktiv sein, Fleece-Pullis für den Berg müssen den Körper warm halten – egal, ob bei extremen Aktivitäten oder einem Spaziergang im Regen.

Verantwortung für die Erde Für die Patagonia-Abenteurer der »ersten Stunde« bietet die Wildnis unbegrenzte Möglichkeiten, um sich zu entfalten. Doch schon früh wird dem Naturmenschen Chouinard klar, dass »Menschenhand« mehr negative als positive Auswirkungen auf die empfindlichen Umweltsysteme hat. Er hält seine Sorgen fest: »Wir alle erkannten, was an den abgelegenen Orten dieser Welt passierte: schleichende Umweltverschmutzung, Abholzung tropischer Regenwälder und die erst langsame, dann rasch zunehmende Ausrottung von Fischen und wild lebenden Tieren.« Patagonias oberstes Ziel wird es daher von Anfang an, nicht nur das beste Produkt herzustellen, sondern dabei die Umwelt so wenig wie möglich zu belasten. Doch wie lassen sich die Versprechen an der Natur einhalten, wenn jeden Tag Hunderte Jacken, Pullis und Shorts mit dem Fitz-Roy-Logo über den Ladentisch wandern? Kurz nach der Firmengründung beginnt Patagonia, ausgewählte Umweltaktivisten finanziell und organisatorisch zu unterstützen und entwickelt sich im Laufe der Jahre zum Vorbild für andere Unternehmen in der Branche. 1985 verpflichtet sich die Firma dazu, mindestens ein Prozent des Umsatzes für den Schutz und die Erhaltung der Umwelt zu spenden. Daraus wird 2001 der offizielle »1 Percent for the Planet«-Club – ein Zusammenschluss mehre-

rer Hersteller, die sich so dem Umweltschutz widmen. Zusätzlich wird in die Forschung und Entwicklung alternativer Textilien investiert, um die ökologischsten Möglichkeiten auszuloten. Heute verwendet Patagonia bei einem Großteil der Kleidungsstücke umweltfreundliche »e-Fasern« wie zum Beispiel Recycling-Polyester, Hanf oder chlorfreie Wolle aus ökologischem Anbau. Vor ein paar Jahren ging Patagonia sogar noch einen Schritt weiter und sorgte mit einer spektakulären Werbekampagne für Aufsehen: »Kauf diese Jacke nicht!«, stand in großen Buchstaben unter einer Patagonia-Jackenwerbung. Mit der ausgefallenen Aktion wollte das Unternehmen darauf aufmerksam machen, dass der Großteil der Gesellschaft dem unreflektierten Konsum folgt, ohne sich grundlegend zu überlegen, ob es das neue »Teil« überhaupt braucht. Für Patagonia steht fest: Die nachhaltigste Jacke ist eine, die hochwertig ist und auch über viele Jahre zuverlässig ihre Funktion erfüllt. Der natürliche Kreislauf der Welt ist bereits aus den Fugen geraten, dessen ist sich auch Chouinard durchaus bewusst. »Wir werden nie ein völlig nachhaltiges, keinen Schaden verursachendes Produkt herstellen. Aber wir werden uns sehr bemühen.« Denn auch ein kleiner Schritt in die richtige Richtung ist ein wichtiger Schritt. Zurück zur Natur, zurück zum Anfang. Text: Barbara Meixner Fotos: Patagonia-Archiv 1

Yvon Chouinard: »Let my people go surfing«. Redline Verlag. 2010.

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RAUSZEIT Winter 2013/2014

Besserwisser: Wintercampen

TRÄUME IM SCHNEE Wer sich im Winter mit Zelt und Schlafsack RAUS wagt, sollte zwar ein wenig Respekt, jedoch keine Angst vor Kälte haben. Mit der richtigen Ausrüstung und ein paar hilfreichen Tipps können Nächte bei Minustemperaturen zu unvergesslich schönen Momenten werden. Daniel (SFU), Sigi (Basislager) und Nick (Camp4) waren gemeinsam auf Hundeschlitten-Tour in Schweden. Den Temperaturen zu trotzen, darin sind sie Meister. »Die Farben sind wahnsinnig intensiv, es ist noch einsamer und ruhiger als im Sommer. Und am Himmel glitzern die Sterne.« Daniel Willert weiß, wovon er spricht. Seit Jahren zieht es ihn auch im Winter immer wieder mit dem Zelt RAUS in den Schnee. Die Kälte ist beim Anblick einer funkelnden Weite schnell vergessen. Für Sigi Perenthaler sind es genau die etwas schwierigeren Voraussetzungen, die das Wintercampen so interessant machen. »Man wird eins mit der Natur, und weiß, dass man ihr sehr viel Sensibilität entgegenbringen muss, um keine unangenehmen Erfahrungen zu machen.« Diese Einstellung macht den Menschen aufmerksamer, und er beginnt die Natur anders und intensiver wahrzunehmen. Eine Einführung in eine faszinierende Welt.

Dach überm Kopf Wer im Winter draußen schlafen möchte, braucht vor dem ersten Mal vor allem drei Dinge: ein bisschen Überwindung, guten Rat und die passende Ausrüstung. »Grundsätzlich ist Ausrüstung im Winter deutlich wichtiger als im Sommer oder Herbst«, weiß Daniel aus Erfahrung. Funktionell sollte sie sein, und warm. Was gehört also unbedingt ins Gepäck?

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Die Planung beginnt mit dem Dach über dem Kopf. Aufgrund vieler Ausrüstungsteile, die im Winter essenziell sind und meist mit in das Zelt müssen, ist das Platzthema ein entscheidendes Kriterium bei der Zeltwahl. Da sich bei einem Dreipersonenzelt der Platz des »Dritten« schnell in ein Ausrüstungslager verwandelt, ist eher eine Zelt-Nummer größer in Betracht zu ziehen. Zusätzlichen Raum zum Lagern oder Kochen verschafft ein integrierter Vorraum – die sogenannte Apsis. Selbstverständlich hängt die Entscheidung sehr davon ab, in welchen Regionen das Zelt zum Einsatz kommen wird. Treffen wir in heimischen Gefilden eher selten auf extreme Bedingungen, schlägt das Wetter in den Bergen oder in Skandinavien schnell um und fordert das Zeltmaterial bis auf jede Naht und Stange. Ein Kubikmeter nasser Schnee kann zum Beispiel bis zu 500 Kilogramm auf die Waage bringen. Um dieser Last zu trotzen, sind die Gestänge der sogenannten Kuppel- oder Geodät-Zelte speziell für solche Verhältnisse ausgelegt: Durch die Anordnung der Gestänge und die Form der Zelte weisen sie eine sehr hohe Eigen- und Windstabilität auf. Neben der Stabilität bringt für Sigi das ideale Winterzelt noch eine andere Eigenschaften mit: »Die Lüftungslöcher müssen so hoch angebracht sein, dass sie auch bei starkem Schneefall noch

ständige Luftzufuhr garantieren.« Das Zelt ist im Winter Schlafzimmer, Küche und Aufenthaltsraum zugleich. Folglich kann die frische Luft schnell knapp werden und Feuchtigkeit entstehen, die sich ohne Zirkulation auf die Kleidung niederschlägt. Die Wahl des Schlafplatzes trägt einen großen Teil dazu bei, wie komfortabel die Nächte im Zelt sind. Er muss auf jeden Fall lawinensicher und so windstill wie möglich sein. Die Himmelsrichtungen einzubeziehen kann von Vorteil sein. Wo wird zum Beispiel am nächsten Morgen die Sonne ihre ersten Strahlen auf den Boden werfen? Aus dem Zelt zu steigen und die wärmende Morgensonne zu spüren, das ist nicht nur für Nick ein unbeschreibliches und naturnahes Gefühl. Danach geht es an die Prüfung der Schneekonsistenz: Ist der Schnee fest und stabil, kann das Zelt ohne Vorarbeit aufgestellt werden. Bei pulvrigem Schnee muss der Zeltplatz erst mit Ski- oder Schneeschuhen festgetrampelt werden, damit das »Haus« samt Bewohner nicht langsam im Boden versinkt. Nun beginnt die eigentliche Aufbauarbeit und Platzpräparation, für die immer eine Schaufel im Gepäck sein sollte. Einen besonderen Wintercampingtrick verrät Daniel: »Im Vorraum, im Bereich der Apsiden, buddele ich einen Kältegraben. Durch eine Vertiefung um oder vor dem Schlafplatz wird es für den


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Schlafenden wärmer, da die kälteste Luft automatisch zur tiefsten Stelle fließt.« Einfachste Physik, die einem kalte Füße ersparen kann. Die finale Fixierung des Zeltes garantieren spezielle Schneeheringe: Diese sind länger und breiter als ihre »Sommerkollegen« und werden als T-Anker vergraben – das heißt im 180-Grad-Winkel parallel zur Schneeoberfläche. Das garantiert auch bei starken Windböen einen sicheren Stand. Das WildnisHotelzimmer steht, die Nacht bricht herein.

Einfache Raumgestaltung Zwischen Sonnenunter- und aufgang liegen in der kalten Jahreszeit viele Stunden der Ruhe – und bei richtiger Vorbereitung Stunden der Entspannung. »Im Winter geht alles ein wenig langsamer, und man hat viel Zeit, da es früh dunkel wird.« Deshalb steht für Nick nach dem Zeltaufbau die »Inneneinrichtung« auf dem Plan. Damit so wenig Feuchtigkeit wie möglich ins Zelt gelangt, sollten alle Kleidungsstücke und Füße vor dem Betreten vom Schnee befreit werden. Der ausgehobene, circa 40 Zentimeter tiefe Kältegraben dient dann auch als Putz-, Koch- und Sitzplatz. Dafür einfach im vorderen Teil des Zeltes Platz nehmen und die Füße in die Grube baumeln lassen. Für eine warme Nacht im Zelt sorgt der richtige Schlafsack. Doch was bedeutet in diesem Fall »richtig«? Hat doch ein jeder Mensch ein unterschiedliches Wärmeund Kälteempfinden. Abgesehen von den angegebenen Temperaturbereichen des jeweiligen Herstellers, die den regionalen Bedingungen entsprechen sollten, gibt es im Winter einen guten und praktischen Rat für den passenden Schlafsack: Er muss nicht perfekt passen! Das heißt, der Schlafsack sollte beim Wintercampen groß genug sein, dann lassen sich nachts noch Innenschuhe und Kleidung mit einpacken und vor Kälte und Nässe schützen. Für Nick hat sich der Schlafsack auf Schlittenhund-Tour zum tragbaren Wäschetrockner

entwickelt: »Ich habe meine Innenschuhe und meinen Pulli in den Schlafsack gepackt, damit es morgens beim Anziehen nicht so kalt ist. Die Socken lassen sich ebenso im Schlafsack trocknen.« Um Platzprobleme von vornherein auszuschließen, ist das Probeliegen im Laden ein entscheidendes Kriterium. Bei längeren Touren, wenn zwischendurch keine Möglichkeit besteht, die Kleidung zu trocknen, können Schlafsäcke durch die Körperausdünstungen feucht und klamm werden. Um dies zu verhindern, lässt sich ein als »Vapour Barrier Liner« (Dampfsperre) bezeichneter dampfdichter Innensack zwischenschalten, der die vom Körper abgegebene Feuchtigkeit vom eigentlichen Schlafsack fernhält. Als Schutz vor Bodenkälte ist eine hochwertige und isolierende »Campingmatratze« notwendig. Eine mit Daunen gefüllte Winterisomatte hält den Frost ab und sorgt zusätzlich noch für eine bequeme Liegefläche. Ein guter Rat von Wintercamper Sigi: »Um die Atmosphäre im Zelt noch behaglicher zu gestalten, hilft meist schon eine dünne Evazote-Matte, wie zum Beispiel der Zeltteppich vom Exped. Diese verhindert, dass Feuchtigkeit am Boden kondensiert.«

Eine gute Nacht Nach der Einrichtungsphase steht für Wintercamper ein nicht ganz unwichtiger Punkt auf der Tagesordnung: Energie und Flüssigkeit tanken. Auch wenn wir es aufgrund der Temperaturen kaum spüren, verliert der Körper auch im Winter einige Liter Flüssigkeit in Form von Schweiß – alleine nachts lässt der Mensch 250 bis 500 Milliliter Dampf ab. Für den Energie- und Flüssigkeitshaushalt ist ein effizienter Campingkocher, der den weichen Schnee in möglichst kurzer Zeit zum Teewasser dahinschmelzen lässt, ein wichtiger Begleiter. Für Chefkoch Sigi ist die Wahl des Kochers mit ausschlaggebend für das Gelingen einer Tour: »Für mich hat sich der Trangia-Sturmkocher

immer wieder als sehr tauglich auch für den Winter bewiesen.« Besonders gut mit Minustemperaturen umgehen können sogenannte Omnifuel-Kocher, die auch bei Kälte verlässlich heizen. Erfahrene Wintercamper wissen, dass sich die langen Abendstunden mit ausgiebigen Menüs spannend gestalten lassen. Um den Körper nach einem anstrengenden Tag zur Ruhe kommen zu lassen und den Flüssigkeitshaushalt aufzubessern, empfiehlt sich anfänglich eine warme Suppe. Die darauffolgenden Menüpunkte hängen von der Koch- und Tragelust der Beteiligten ab. Für Daniel ist das Essen ein praktischer Wärmegenerator. »Ich merke regelmäßig, dass ich zu wenig esse und dann nichts mehr zur Energieproduktion habe.« Auf einer durchschnittlichen Trekkingtour verbraucht der Körper bis zu 21.000 Kilojoule am Tag – bei Kälte muss der Körper sogar noch mehr Energie aufwenden. Um dem Körper vor dem Bettgehen noch mal einzuheizen, helfen ein paar Sprints um das Zelt, die den Kreislauf in Schwung bringen. Ein guter Schlafsack isoliert und reflektiert die vom Körper abgegebene Wärme, deshalb sollte sich der Schlafende nicht übertrieben warm anziehen, um im Inneren überhaupt Wärme entstehen lassen zu können. Nur der Kopf muss bedeckt sein, da über diese ungeschützte Stelle sehr viel Körperwärme entwischen kann. Warm eingepackt und mit vollem Magen kann die winterliche Nacht und ihre unbeschreibliche Stille kommen. Text: Daniel, Nick, Sigi

Daniel / SFU

Nick / Camp4

Sigi / Basislager

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Nachgefragt: Conny Zamernik

NATÜRLICH EINSAM Alleine zu sein ist für manchen eine Belastung. Nicht für Conny Zamernik. »Einsamkeit kann etwas sehr Schönes sein – draußen in der Natur«, sagt sie. In Connys Welt dreht sich alles um Berge und ums Reisen. In St. Anton am Arlberg führt sie eine kleine Lodge und durchstreift die Berge – im Winter auf Ski, im Sommer zu Fuß und beim Klettern. Und wenn die internationalen Gäste weg sind, treibt es sie selbst hinaus in die weite Welt – meist in abgelegene Bergregionen. »Ich wohne in einem kleinen Dorf mit 2.500 Einwohnern. Ich kenne fast jedes Gesicht«, erzählt Conny. In kurzer Hose und Laufshirt durchstreift sie mit einer Tüte in der Hand einen steilen Tobel im Wald hoch über St. Anton am Arlberg. Zweieinhalb Stunden lang war sie heute Laufen. Auf kleinen Pfaden und Steigen ist sie durchs Verwall gerannt, hat ordentlich Höhenmeter gesammelt und ihre Lungen mit Bergluft durchgepustet. Jetzt tut sie das, was sie »Entspannung« nennt. Sie kraxelt durch den Steilwald und füllt peu à peu eine Tüte mit Steinpilzen. »Es ist doch wunderschön, zumindest ein bisschen von dem leben zu können, was uns die Natur gibt«, sagt Conny und hält strahlend ein besonders stattliches Schwammerl-Exemplar in die Luft. Bodenständig ist sie. Sie braucht die Heimat wie die Pilze den Waldboden im Sattelwald. Und dennoch zieht es sie in ein paar Wochen wieder hinaus in die Welt. Mit ihrem Lebenspartner Jacob Slot, mit dem sie eine kleine Lodge in St. Anton am Arlberg führt, hat sie in Kolumbien Gletscher in Äquatornähe bestiegen. In Afghanistan beeindruckte sie Warlords, als sie mit riesigem Rucksack in die Berge des Hindukusch wanderte. In Nepal schleppte sie auf der Expedition zum Achttausender Shishapangma wie ein Yak. Und in Grönland hat sie ihre Skispuren von Gipfeln gezogen, auf denen zuvor noch nie ein Mensch mit zwei Brettern gewesen war. In Japan sah sie Schneemengen, die sogar ihr als Tirolerin den Atem verschlugen. Magisch angezogen aber fühlt sich Conny immer wieder von Patagonien. Bei all ihren Trips sind Berge, sportliche Herausforderungen

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und Abenteuer stets nur ein Teil, gewissermaßen das Werkzeug, um sich selbst und die Welt zu entdecken. »Ich finde es großartig, andere Kulturen, Lebensweisen und Menschen kennenzulernen, und dabei entstehen manchmal auch Freundschaften«, überlegt Conny. Doch am wohlsten fühlt sie sich in einsamen Landstrichen. Hier fängt der stets in ihr glimmende Entdeckerdrang Feuer. Dabei scheut sie auch keine Anstrengungen. Vor ein paar Jahren stieß sie bei einem ihrer Patagonienabenteuer mit ihrem Partner Jacob auf einen Vulkan, weit draußen auf dem Südlichen Patagonischen Inlandeis – den Cerro Lautaro. Seitdem lässt sie der Berg nicht mehr los. Schon fünf Mal zwangen sie Sturm, Kälte oder unüberwindbare Gletscherspalten auf dem Weg zum Gipfel des 3.623 Meter hohen Gletschermassivs zur Umkehr. Dennoch unternahmen sie immer wieder einen Anlauf. »Manche Berge ziehen mich einfach magisch an«, gesteht Conny. »Der Cerro Lautaro ist einer davon.« Was sie reizt, ist längst nicht nur der Gipfel, sondern vor allem der Weg dorthin. »Ich habe auf dem Patagonischen Inlandeis das Gefühl, dass ich in etwas hineingehe – wie in einem Märchen durch einen magischen Spiegel in eine versteckte Welt.« Das Hineingehen in diese einsame Zauberwelt ist für Conny oft kein Spaziergang: Stürme, tagelanges Warten im Zelt oder in klammen, kalten Hütten ohne Heizung, Gewaltmärsche mit schwerem Rucksack, um vor der nächsten Schlechtwetterfront noch das Etappenziel zu erreichen. »Hier draußen fragst du nicht nach dem Wieso«, meint sie. »Denn alle paar Stunden entdeckst

du Orte, an die du anders nie gekommen wärst.« Etwas zu entdecken – und sei es nur für sich selbst –, das sei es wert. »Vielleicht«, philosophiert Conny über die Magie solcher Plätze, »ist es einfach die Reise zu Orten ohne Regeln, Gesetze und Grenzen, die mich anzieht. Zu Orten, an denen ich mich ganz der Natur hingeben und ergeben muss.« So wie auch bei ihrem Lauf auf den Spuren der historischen Eisenbahnstrecke »La Trochita«: 168 Kilometer in vier Tagen. Conny war noch nie zuvor einen Marathon gelaufen. Die Schmerzen in den Beinen und der Hüfte, die Sandkörner in den Socken machten die letzten Schritte zur Qual. Conny war trotzdem glücklich. »Es ist diese Ruhe und Unberührtheit der Landschaft, die einem den Atem raubt und gleichzeitig die Seele überschwappen lässt vor Glück. All das ist Teil meines Lebens, und ich möchte keine Minute davon missen – genauso wie das hier«, sagt sie, als sie nach Berglauf und Schwammerlsuche zu Hause in den Garten kommt. Die Tüte mit den Pilzen ist prallvoll. Entspannt lässt sich Conny in einen Korbsessel auf der Terrasse fallen. Sie wirkt zierlich. Die meisten Besucher der Lodge ahnen wohl kaum, welch ein Energiepaket sie vor sich haben. Ob sie stolz auf ihre Leistungen sei? »Nein«, winkt sie bescheiden ab. Erfolge definiert sie anders: »Mein Bestes getan zu haben und immer noch imstande zu sein, zu lachen.« Sagt sie, schnappt sich ein kleines Messer und beginnt die Steinpilze zu putzen ... Text: Christian Penning Fotos: Jacob Slot, Christian Penning


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Die Berge der Welt sind ihr Zuhause: Conny Zamernik aus St. Anton am Arlberg.

10 Fragen an ... Conny Zamernik 1. Glaubst du an das Schicksal und wenn ja, warum? Manchmal habe ich das Gefühl, dass es so etwas wie eine Vorbestimmung gibt, aber im Grunde ist doch jeder sein eigener Meister. 2. Bitte vervollständige folgenden Satz: Ein Abenteuer ist ... ... eine Situation, in der man sich in etwas hineinbewegt, ohne zu wissen, was auf einen zukommt. 3. Auf welchen Ausrüstungsgegenstand würdest du unterwegs nicht verzichten? Auf Sonnencreme. 4. Was hat dir im Leben schon mal richtig Angst gemacht? Angst hatte ich noch nicht wirklich. Einmal mussten wir eine Nacht lang das Zelt mit dem Rücken stützen, weil auf dem Inlandeis ein Sturm mit über 180 km/h über das Lager fegte. 5. Wer war der beeindruckendste Mensch, den du je kennengelernt hast, und warum? Ein alter Bergfreund, Wolfgang Stefan. Er hat einen großen Teil der Entwicklung des Bergsteigens miterlebt, war auf der ganzen Welt in den Bergen unterwegs. Ein wahnsinnig schlauer Fuchs in den Bergen, mit einem tollen Charakter. 6. Was hast du im Leben wirklich Relevantes gelernt? Situationen so zu nehmen, wie sie kommen, und damit etwas Gutes anzufangen. 7. Was ist Glück für dich? Gesund zu sein. Dinge machen zu dürfen, die mein Leben lebenswert machen. 8. Welchen Kindheitstraum hast du dir erfüllt? Es ist nicht unbedingt ein Kindheitstraum. Aber ich finde, ein Projekt zu schaffen, ist immer wieder etwas Schönes. Doch Erfolge entwickeln sich zum Teil auch durch Misserfolge. 9. Welche Dinge werden heutzutage oft überschätzt? Materielle Dinge. 10. Wie würde der Titel deiner Autobiografie lauten? Frei, wenn ich will!


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LIEBESERKLÄRUNG »UND JEDEM ANFANG WOHNT EIN ZAUBER INNE, DER UNS BESCHÜTZT UND DER UNS HILFT ZU LEBEN.« (HERMANN HESSE) imaginären Zylinder, und schon wird aus dem »Stück Stoff« eine bequeme Mütze. »Simsalabim« – schon verwandelt sich die Mütze in ein Haarband, das mir auf der Klettertour die langen Haare aus dem Gesicht hält und die Augen offen für wunderbare Ausblicke. Mit einem weiteren Zauberspruch mutiert das »Stück Stoff« zu einem kuscheligen Schal, der mich auf Winterwanderungen vor eisigen Winden schützt. Wenn ich abends im Zelt liege, in den Schlafsack krieche, dann wickelt es sich sanft um meinen Hals, sagt mir auf seine Art und Weise »Ich bin immer für dich da« und wärmt mich in den Schlaf. Dann verwandelt sich das »Stück Stoff« in ein Stück Heimat und gehört zu mir wie die Sehnsucht, bald wieder in die ungewohnte Ferne zu entschwinden. Türkis, rot, gelb, bunt, zauberhaft. Svenja Kallmeyer/SFU

PRODUKTINFORMATION / MERINO BUFF Das feine Schlauchtuch aus Merinowolle bietet unzählige Tragemöglichkeiten: In ein paar Sekunden lässt es sich zum Beispiel von einem Schal zur Mütze oder zu einem Haarband umformen. Die Merinowolle hilft dem Körper dabei, die Temperatur zu regulieren und Wärme zu speichern, indem es die Feuchtigkeit schnell von der Haut weg und an die Stoffoberfläche transportiert. Anders als die Mikrofaser sorgt die Merinowolle von ganz alleine für eine natürliche Geruchskontrolle – auch nach mehreren Tagen in der Wildnis riecht das Buff deshalb kaum. UVP: 25,95 Euro

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FOTO Christian Penning

Türkis, rot, gelb, bunt, magisch. Auf den ersten Blick scheint es nur ein kleines »Stück Stoff« zu sein, aber für mich ist es mehr: ein großer Teil meiner Welt, der Stoff aus dem Helden gemacht sind. Eine Reise bedeutet für mich Abenteuer, faszinierende Landschaften zu entdecken und die Chance, Gewohnheiten eine gewisse Zeit hinter mir zu lassen. Doch egal, wie weit oder wohin ich reise, ein Stück Vertrautes trage ich immer bei mir, an mir oder auf mir. Es ist dieses »Stück Stoff«, das in den Jahren des Reisens fast so etwas wie ein neuer Körperteil für mich geworden ist, und das beinahe so selbstverständlich zu mir gehört wie ein Fuß oder ein Finger, so verwachsen fühle ich mich damit. An diesem Stoff haftet ein Zauber, der Zauber von Behaglichkeit und Geborgenheit in der Ferne. Es braucht nur einen Griff in den


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