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Mit dem Ego-Virus geimpft
Egoismus, der krank macht
Die Pandemie verschärft die weltweiten Ungleichheiten in bislang ungekanntem Ausmaß. Die schwächsten Staaten drohen beim Impfen vergessen zu werden. Von Anton Landgraf
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Es ist ein dramatischer Appell, den das Pflegepersonal aus Manaus in die Welt schickte. »Sauerstoff, gebt uns Sauerstoff«, ruft eine Krankenschwester in der brasilianischen Metropole in ihre Handykamera. Seit die In fektionszahlen wegen einer neuen Mutation des Corona-Virus in die Höhe schießen, spielen sich in der Stadt im Amazonas gebiet, in der zwei Millionen Menschen leben, apokalyptische Szenen ab. Hunderte Patienten können nicht mehr versorgt werden. Es gibt fast keine freien Krankenhaus- und Intensivbetten mehr. Das Gesundheitssystem ist kollabiert.
Weltweit steigen weiter die Fallzahlen, weit über hundert Millionen Menschen haben sich bereits angesteckt. Doch seitdem die ersten Impfstoffe zugelassen wurden, ist ein Ende der Pandemie in Sicht. In Europa, Nordamerika und anderen Teilen der Welt soll bald ein großer Teil der Bevölkerung eine Impfung erhalten. In wenigen Monaten könnte sich die Lage entspannen.
Gänzlich anders verhält sich die Situation in einigen Staaten Südamerikas und Afrikas. Die schwächsten Staaten drohen vergessen zu werden. Dort werden Impfstoffe in diesem Jahr nur eingeschränkt oder gar nicht verfügbar sein, obwohl in vielen dieser Staaten die Zahl der Corona-Infektionen weiter hoch ist. Es ist zudem von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, denn nur wenige Länder des globalen Südens sind in der Lage, flächendeckend Tests durchzuführen. Für Eritrea, Kamerun oder die Demokratische Republik Kongo liegen keine gesicherten Zahlen über Infektionen vor. In Konfliktgebieten wie in Teilen Äthiopiens existiert keine oder nur noch eine rudimentäre Gesundheitsversorgung. Wenig erfasst ist die Situation von Millionen von Flüchtlingen, die oft unter unmenschlichen Bedingungen leben müssen.
Eine Frage des Geldes
Amnesty International und andere Nichtregierungsorganisationen wie Frontline, Global Justice Now und Oxfam haben sich im Bündnis People’s Vaccine Alliance zusammengeschlossen und warnen vor nationalen Alleingängen bei der Impfstrategie: Die Pandemie sei nicht zu Ende, wenn alle Menschen in Europa immunisiert seien, sondern erst, wenn das Virus weltweit besiegt sei. »Das Horten von Impfstoffen untergräbt die globalen Anstrengungen, die sicherstellen sollen, dass alle Menschen überall vor Covid-19 geschützt werden«, sagt Maria Scharlau, Völkerrechtsexpertin bei Amnesty International. »Reiche Staaten haben gemäß des UN-Sozialpakts eine klare menschenrechtliche Verpflichtung, ärmere Länder dabei zu unterstützen, ihre Bevölkerung zu impfen.«
Die gerechte und möglichst simultane Verteilung der Impfstoffe ist eine der zentralen Herausforderungen der Pandemie. Und sie ist auch eine Frage des Geldes, weil eine ausreichende Versorgung für viele Länder nur schwer zu finanzieren ist. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat deshalb zusammen mit der Globalen Impf-Allianz (Gavi) im April die Impfstoffplattform Covax gegründet, die mittlerweile von mehr als 190 Staaten unterstützt wird. Die Idee ist simpel: Staatliche und private Geldgeber zahlen in einen Fonds ein, der dank seiner gebündelten Marktmacht bessere Konditionen in den Verhandlungen mit den Herstellern erzielen kann. Die erworbenen Impfstoffe sollen anschließend an die teilnehmenden Länder geliefert werden, damit sie mindestens ein Fünftel ihrer Bevölkerung impfen können. Erklärtes Ziel von Covax ist es, dass bis Ende 2021 in allen Staaten weltweit das medizinische Personal und besonders vulnerable Bevölkerungsgruppen geimpft sind. Dafür soll das Kinderhilfswerk Unicef, das bereits zahlreiche Impfkampagnen etwa gegen Masern und Polio organisiert hat, im Auftrag von Covax bis Ende 2021 zwei Milliarden Impfdosen und eine Milliarde Spritzen einkaufen und in arme Länder ausliefern.
Der Haken ist allerdings, dass Covax nur Impfstoff kaufen kann, der auch verfügbar ist. Seth Berkley, der Vorsitzende von Gavi, fordert die Produktion von weiteren fünf Milliarden Dosen in diesem Jahr, um »sicherzustellen, dass wir die Impfstoffe gerecht an jene verteilen können, die sie brauchen«. Covax allein könne eine zeitnahe und gerechte weltweite Verfügbarkeit von Impfstoffen nicht garantieren.
Eine wesentliche Ur sache für die mangelnde
Verfügbarkeit besteht darin, dass die reichen Staaten fast die gesamten lieferbaren Impfstoffe für dieses Jahr aufgekauft oder entsprechende Vereinbarungen mit den Herstellern getroffen haben. Nach Angaben von Oxfam hatten diese Länder sich im September 2020 bereits 51 Prozent der in nächster Zeit lieferbaren weltweiten Impfstoffmenge durch Exklusivverträge mit den Herstellern gesichert, obwohl sie gemeinsam nur 13 Prozent der Weltbevölkerung stellen.
Dieser »Impfnationalismus« beruht auf umfassenden bilateralen Kaufvereinbarungen zwischen Unternehmen und einzelnen Staaten. Von den sechs Milliarden Dosen Impfstoff, die 2021 schätzungsweise produziert werden können, haben allein die USA mehr als zwei Milliarden für sich reserviert, die EU hat für ihre Mitgliedstaaten Verträge über eine Milliarde Einheiten abgeschlossen. Die kanadische Regierung hat so viele Impfdosen eingekauft, dass die internationale Kritik daran nicht abreißt. Wie andere Staaten bestellte sie 2020 vorsorglich große Mengen bei gleich mehreren Herstellern, weil noch nicht absehbar war, welcher Impfstoff tatsächlich eine Zulassung erhalten würde.
15 Milliarden Impfdosen benötigt
Wie eine Recherche der People’s Vaccine Alliance belegt, sind ärmere Länder deswegen nur noch begrenzt in der Lage, ihre Bevölkerung vor Covid-19 zu schützen. Tatsächlich könnten 67 Länder, darunter Kenia, Myanmar, Nigeria, Pakistan und die Ukraine – Staaten, die weit mehr als zwei Millionen Covid-19-Fälle gemeldet haben – in diesem Jahr nur ein Zehntel ihrer Bevölkerung impfen. Schon jetzt zeigt sich eine gewaltige Diskrepanz: Bis zum 5. Februar wurden weltweit mehr als 108 Millionen Menschen geimpft, aber nur vier Prozent in den Ländern des Globalen Südens, die meisten davon in Indien. Von den ärmsten Ländern war nur Guinea in der Lage zu impfen: 55 Menschen.
Angesichts begrenzter Produktionskapazitäten sind frei erwerbbare Impfstoffdosen in Milliardenanzahl frühestens wieder 2022 verfügbar. Setzt man für die Immunisierung zwei Impfungen voraus, würden weltweit 15 Milliarden Dosen be nötigt. »Es wird vier bis fünf Jahre dauern, bis alle auf diesem Planeten die Impfung bekommen«, schätzte kürzlich Adar
Zeichnung: Lea Berndorfer
Poonawalla, der Vorsitzende des indischen Großherstellers Serum Institute of India in der Financial Times.
Für eine schnellere Versorgung könnte eine bessere globale Verteilung der Produktionsstätten sorgen, um an vielen Orten gleichzeitig Impfstoffe und medizinische Ausrüstung herzustellen. Nach Angaben von UNICEF werden derzeit nur 43 Prozent der weltweiten Kapazitäten zur Herstellung von Covid-19-Impfstoffen genutzt. Doch dafür müssten erfolgreiche Hersteller wie Biontech und Moderna ihr Wissen weitergeben. Dies ginge zum einen mit Lizenzen, die allerdings in dieser Phase von den Pharmaunternehmen selten vergeben werden. Unter bestimmten Voraussetzungen wären auch sogenannte Zwangs lizenzen denkbar, dann müssten die Unternehmen eine Lizenz erteilen. Dafür wären jedoch umfangreiche Kriterienkataloge zu prüfen. Schließlich könnten die Patentrechte für Covid-19-Impfstoffe auch – für einen bestimmten Zeitraum – ausgesetzt werden.
Indien und Südafrika haben im Oktober die Welthandels organisation (WTO) aufgefordert, das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) für medizinische Produkte mit Bezug auf Covid-19 für die Dauer der Pandemie auszusetzen. Der Schutz geistigen Eigentums behindere derzeit »eine rechtzeitige Versorgung mit bezahlbaren medizinischen Produkten«, heißt es in dem Antrag. WTO-Mitglieder sollten eine Ausnahmegenehmigung erhalten, damit Unternehmen vor Ort auf das eigentlich geschützte Patent der Impfstoffe und das dazugehörige technologische Wissen zugreifen und Impfstoffe herstellen können.
Rund hundert Staaten haben sich mittlerweile dieser Forderung angeschlossen, ebenso 300 NGOs, darunter Amnesty International, zahlreiche Wissenschaftler und internationale Organisationen wie die WHO. Die EU, die USA und andere reiche Staaten, wie die Schweiz und Japan, lehnen den Vorschlag jedoch bislang ab. »Es ist nachvollziehbar, dass alle Staaten sich genug Impfstoff für ihre Bevölkerung sichern wollen«, sagt Maria Scharlau von Amnesty International. »Gleichzeitig müssen sie jedoch durch das zeitweise Aussetzen von TRIPS den Weg freimachen, damit mehr Impfstoff an viel mehr Standorten produziert werden kann. Ansonsten verletzen sie ihre Menschenrechtsverpflichtungen.«
Die WHO und andere Organisationen drängen nun darauf, die Herstellung von Impfstoffen zu erleichtern. Bereits im Mai 2020 starteten Costa Rica und die WHO den Covid-19 Technology Access Pool (C-TAP) als freiwillige Plattform, um alle Daten, das Wissen und das geistige Eigentum zu bündeln und dann die Produktion und den Technologietransfer an andere potenzielle Produzenten nicht exklusiv zu lizenzieren. So könnten die Kosten gesenkt werden, und gleichzeitig würde die Verfügbarkeit von Impfstoffen erhöht. Die Plattform wurde in den vergangenen Jahren bereits erfolgreich angewendet, um Krankheiten wie HIV/Aids, Hepatitis C und Tuberkulose besser zu bekämpfen.
WANN WIRD WO GEIMPFT? EINE PROJEKTION
bis März 2022 bis Juni 2022 bis Ende 2022
bis 2023. Quelle: The Economist Intelligence Unit
Zu wenig Beatmungsgeräte
Doch während viele Staaten C-TAP unterstützen, stehen große Pharmafirmen der Forderung, geistiges Eigentum gesammelt freizugeben, ablehnend gegenüber. Der Vorstandsvorsitzende von Pfizer, Albert Bourla, bezeichnete die Idee als »Unsinn«. Ein baldiger Schutz vor Covid-19 ist jedoch dringender denn je, da die meisten ärmeren Staaten die Kranken kaum behandeln können. So standen zu Beginn der Pandemie für die rund 110 Millionen Menschen, die in Äthiopien leben, gerade mal 30 Beatmungsgeräte zur Verfügung, in Mosambik sind es rund 20 Geräte für 29 Millionen Menschen.
Hinzu kommen gravierende mittelbare Folgen, sollte die Pandemie noch lange anhalten. Bereits jetzt ist nach Angaben des Bundesentwicklungsministeriums jeder zweite Job in Afrika gefährdet oder verloren gegangen. Weil der Lockdown in afrikanischen Ländern dazu geführt hat, dass Lieferungen von Nahrungsmitteln unterbrochen wurden und keine Medikamente mehr verteilt werden konnten, muss eine Hunger- und Armutskrise befürchtet werden.
Auch die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass die extreme Armut dramatisch ansteigen wird. In dem Bericht »Global Humanitarian Overview 2021« heißt es, dass mindestens 235 Millionen Menschen weltweit Hilfe benötigen werden, weil es ihnen an Trinkwasser, Nahrungsmitteln und Sanitärversorgung mangelt. Das entspricht einer Steigerung um 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Bei der Vorstellung des Berichts warnte UNONothilfekoordinator Mark Lowcock vor neuen Hungersnöten: »Die reiche Welt kann nun das Licht am Ende des Tunnels sehen. In den ärmsten Ländern ist das nicht der Fall. Die Covid-19-Krise hat Millionen von Menschen in die Armut gestürzt und den Bedarf an humanitärer Hilfe in die Höhe schnellen lassen.«
Nicht das Virus habe in den verwundbaren Ländern den größten Schaden angerichtet, sondern dessen Folgen: Nahrungsmittelpreise, die in die Höhe schnellen, sinkende Einkommen, überforderte Gesundheitssysteme, geschlossene Schulen. »Es handelt sich um die trostlosesten und dunkelsten Aussichten, was den humanitären Bedarf in der kommenden Zeit angeht, die wir jemals prognostiziert haben«, sagte Lowcock. »Wir sehen eine große Wende zum Schlechten. Das führt zu Instabilität, zu Konflikten. Die ganze Welt wird den Preis dafür bezahlen.«
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Corona-Impfstoffe sind teuer. Das muss nicht sein. Jörg Schaaber von der BUKO Pharma-Kampagne spricht über Impfgerechtigkeit und bezahlbaren Schutz für alle.
Interview: Lea De Gregorio
Bedeutet Impfgerechtigkeit, dass reiche Länder zurückstecken müssen?
Am Anfang ist der Impfstoff knapp. Und natürlich müssen manche Personengruppen warten. Wir müssen aber beachten, dass es Unterschiede gibt. Für ältere Menschen ist das Virus viel gefährlicher als für jüngere. Und für bestimmte Berufsgruppen, wie zum Beispiel medizinisches Personal oder Pflegepersonal in Heimen, ist eine Impfung besonders wichtig. Erst einmal sollten diese Gruppen überall auf der Welt versorgt werden. Es geht nicht, dass wir in den reichen Ländern Privilegien in Anspruch nehmen, die wir anderen nicht gewähren.
Wie ließe sich Impfgerechtigkeit herstellen?
Die wichtige Frage ist, wie viel Impfstoff überhaupt zur Verfügung steht. Das ist ein wichtiger Punkt, über den zu wenig geredet wird. Es ist ja nicht so, dass alle Fabriken, die technisch dazu in der Lage wären, die Impfstoffe auch herstellen dürfen. Die Patentinhaber entscheiden, wer sie produziert, und das führt zu einer unnötigen Verknappung von Impfstoffen.
Amnesty International fordert, den Patentschutz für CoronaImpfstoffe zu lockern. Würde das die größten Probleme aus der Welt schaffen?
Das ist ein wichtiger Schritt. Er würde ermöglichen, dass Impfstoffe auch von anderen Fabriken hergestellt werden können. Der zweite Punkt ist aber der Technologietransfer. Einige Impfstoffe werden nach traditionellen Prinzipien hergestellt. Aber bei mRNA-Impfstoffen ist die Herstellung anders, da ist auch Technologietransfer wichtig. Auf der anderen Seite braucht man für den Aufbau einer solchen Produktion keine so riesigen Kapitalsummen und keine so langen Vorlaufzeiten wie für die traditionelle Impfstoffherstellung.
Costa Rica hat vorgeschlagen, einen Patentpool für Covid-19Produkte aufzubauen.
Der Vorschlag von Costa Rica umfasst nicht nur das Aussetzen der Patentpflicht, sondern schließt auch den Technologietransfer ein. Es geht darum, in unterschiedlichen Teilen der Welt Kapazitäten aufzubauen. Denn es kann nicht sein, dass arme Länder bei der Produktion von reichen Ländern abhängig bleiben. Ein Patentpool kann sehr erfolgreich sein, um ärmeren Menschen Zugang zu wichtigen Arzneimitteln zu verschaffen. Das zeigt das Beispiel HIV. Der Patentpool hat dazu beigetragen, dass heute rund zwei Drittel aller HIV-Positiven, die eine Behandlung brauchen, die auch bekommen. Das sah vor zehn Jahren noch ganz anders aus.
Ein Patentpool würde genügen?
Es geht auch um Geld. Man sollte nicht unterschätzen, wie günstig man Arzneimittel und Impfstoffe herstellen kann, wenn man keine übergroßen Gewinne erzielen will. Sicherlich gibt es noch nicht in allen Ländern die erforderlichen Produktionsmöglichkeiten. Aber in Indien oder Thailand ist die Pharmaindustrie relativ gut entwickelt und kann auch für andere arme Länder günstig produzieren. Nur ein Beispiel: Die Behandlung einer Person mit HIV kostet mit patentgeschützten Medikamenten ungefähr 10.000 USDollar im Jahr – mit generisch hergestellten Produkten 150.
Die WHO versucht, mit dem Programm Covax eine faire Verteilung des Impfstoffes sicherzustellen. Was ist davon zu halten?
Es ist ein Versuch, wenigstens die gröbsten Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Die Menge der Impfdosen, die Covax bisher zugesagt wurden, ist aber viel zu gering, um die Menschen im globalen Süden zu versorgen. Zudem handelt es sich vielfach nur um Versprechen. Während in Deutschland schon mehrere Millionen Menschen geimpft sind, ist es in Afrika derzeit noch kaum jemand. Die Afrikanische Union rechnet damit, dass es auch mit zusätzlich eingekauften Mengen zwei Jahre dauern wird, bis 60 Prozent geimpft werden können. Es ist außerdem völlig undurchsichtig, welche Preise für Impfstoffe gezahlt werden. Die reichen Länder stecken Milliarden Euro in Covax, und es ist grundsätzlich gut, dass sie bereit sind, etwas abzugeben. Aber wenn für die Impfdosen zu viel gezahlt wird, führt das zur Verknappung und letztlich zu mehr Profit für große Pharmafirmen.
Ihre Kritik ist, dass große Konzerne unterstützt werden.
Ja, das ist die Gefahr. Dass es um viel Geld geht, kann man daran sehen, dass die Aktienkurse der meisten Impfstoffhersteller rasant steigen.
Und das Geld treibt die Forschung voran?
Bei Corona werden enorme Anstrengungen unternommen, um Medikamente zu entwickeln, allerdings erst seit deutlich wurde, dass viele Menschen betroffen sind – auch in reichen Ländern. Man darf auch nicht übersehen, dass Staaten den Firmen enorm viel Geld für Forschung und den Aufbau der Produktion gegeben haben. Bei anderen Krankheiten sieht das völlig anders aus. So sterben zum Beispiel jedes Jahr weltweit 1,5 Millionen Menschen an Tuberkulose, obwohl man die Krankheit behandeln kann. Aber die jüngsten Medikamente für die Standardbehandlung sind über 50 Jahre alt. Dazu wird kaum geforscht, weil Tuberkulose fast ausschließlich ärmere Länder betrifft und keine großen Gewinne verspricht.
Foto: Roland Brinkmann
JÖRG SCHAABER
Jörg Schaaber ist Soziologe und Gesundheitswissenschaftler. Er arbeitet für die BUKO PharmaKampagne. Das Bündnis befasst sich mit den Schattenseiten der globalen Arzneimittelversorgung.