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Saudi-Arabien: 15 Jahre Haft für Rechtsanwalt

Allen Schikanen zum Trotz standhaft

Wer sich in Saudi-Arabien für die Menschenrechte einsetzt, kann schnell im Gefängnis landen. Der Rechtsanwalt Waleed Abu al-Khair, der auch den Blogger Raif Badawi verteidigte, verbüßt wegen seines Engagements 15 Jahre Haft. Von Regina Spöttl

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Am 6. Juli 2014 verurteilte das Sonderstrafgericht in Dschidda den saudischen Menschenrechtsverteidiger Waleed Abu al-Khair zu 15 Jahren Gefängnis, einem ebenso langen Reiseverbot und einer Geldstrafe in Höhe von 200.000 Rial (44.000 Euro). Der Richter ordnete an, dass fünf Jahre der Freiheitsstrafe aus gesetzt werden könnten, wenn der An geklagte seine »Vergehen« bereut, sich entschuldigt und die Legitimität des Sonderstrafgerichts anerkennt. Doch Abu al-Khair blieb standhaft.

Das Gericht befand ihn in folgenden Anklagepunkten für schuldig: »Ungehorsam gegenüber dem Herrscher«, »Gründung einer nicht genehmigten Organisation«, »Kritik an der Justiz und Infragestellung der Integrität der Richter«, »Schädigung des Rufs des Staates durch den Austausch mit internationalen Organisationen« sowie »Aufbereitung und Übermittlung von Informationen, die die öffentliche Ordnung beeinträchtigen«. Der Richter ordnete an, dass Waleed Abu al-Khair die gesamte Freiheitsstrafe von 15 Jahren verbüßen müsse, weil er eine Entschuldigung und die Anerkennung des Sonderstrafgerichts verweigert habe.

Waleed Abu al-Khair ist Rechtsanwalt und Vorsitzender der 2008 von ihm gegründeten Organisation Menschenrechtsmonitor Saudi-Arabien. Er hat viele Opfer von Menschenrechtsverletzungen vor Gericht vertreten. Unter seinen Mandant*innen ist auch der Blogger Raif Badawi, der im März 2022 unter Auflagen aus der Haft entlassen wurde. Waleed Abu al-Khair verteidigte auch 16 friedliche Reformer, die Haftstrafen von bis zu 30 Jahren verbüßen müssen.

Seit 2011 war Waleed Abu al-Khair ins Fadenkreuz der saudischen Behörden geraten. Er und seine Familie wurden schikaniert, eingeschüchtert, überwacht, mit Reiseverboten belegt, mehrfach festgenommen und verhört. Am 2. Oktober 2013 nahmen Sicherheitskräfte Abu alKhair fest, als er in seinem Haus eine Diwanniya veranstaltete, eine informelle Zusammenkunft zur Erörterung von politischen Themen und Menschenrechten.

Nur vier Tage später begann das Verfahren gegen Waleed Abu al-Khair vor dem Strafgericht in Dschidda, das ihn zu einer dreimonatigen Haftstrafe verurteilte. Das relativ milde Urteil hatte zur Folge, dass sein Fall vor das berüchtigte Sonderstrafgericht gebracht wurde. Bei der Urteilsverkündung berief sich der Richter auf ein neues Antiterrorgesetz. Im Berufungsverfahren, das durch die Staatsanwaltschaft angestoßen wurde, bestätigte das Sonderstrafgericht das Urteil von 15 Jahren Haft.

Während seiner Inhaftierung wurde Waleed Abu al-Khair mehrfach geschlagen, misshandelt und in Einzelhaft gehalten, wo er dauerhaft grellem Licht ausgesetzt und um den Schlaf gebracht wurde. Seine schwangere Ehefrau, die Frauenrechtlerin Samar Badawi, durfte mit ihm telefonieren, ihn jedoch nicht besuchen. Samar Badawi brachte das gemeinsame Kind zur Welt, ohne dass ihr Ehemann bei der Geburt dabei sein durfte.

Von November 2019 bis Mitte Januar 2020 trat Waleed Abu al-Khair in den Hungerstreik, um gegen seine Einzelhaft und die unzureichende medizinische Behandlung seiner Diabeteserkrankung zu protestieren. Seine Zelle wurde mehrfach und vor allem nachts gestürmt, man beschlagnahmte seine Bücher und überführte ihn in einen Hochsicherheitstrakt, wo er abermals misshandelt wurde.

Amnesty International betrachtet Waleed Abu al-Khair als gewaltlosen politischen Gefangenen, der friedlich sein Recht auf Meinungsfreiheit ausgeübt hat, und fordert seine sofortige und bedingungslose Freilassung. Gegenüber Amnesty sagte er: »Ich bereue meine Entscheidungen nicht. Wenn du ein Ziel im Leben hast, werden die Dinge einfacher. Meine Ziele sind Gerechtigkeit, Rechte, Meinungsfreiheit und das Recht aufzustehen und zu sagen, die Regierung ist unfair.« ◆

Regina Spöttl ist Sprecherin der Koordinationsgruppe Saudi-Arabien und Golfstaaten von Amnesty International in Deutschland.

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