18 minute read
Film: Musikdokumentation »Liebe, D-Mark und Tod«
Yüksel Özkasap ist unter Türk*innen in Deutschland bekannt als »Nachtigall von Köln«.
Foto: Rapid Eye Movies
Advertisement
Lieder aus der fremden Heimat
Regisseur Cem Kaja hat mit »Liebe, D-Mark und Tod« eine spektakuläre Musikdokumentation über 60 Jahre türkischer Migration gedreht. Von Jürgen Kiontke
Wenn es einen besonderen Star gibt unter den vielen Stars in Cem Kayas rasanter Musikdokumentation »Aşk, Mark ve Ölüm« – zu deutsch: Liebe, D-Mark und Tod –, dann ist es wohl Derdiyoklar Ali. Per Kamera sind wir mitten in einem seiner wilden Konzerte. Seine E-Gitarre trägt er lässig wie Frank Zappa, zieht, schleift sie über die Bühne, spielt mal auf dem Boden, mal hinter den Ohren … Ein explosives Gitarrensolo jagt das andere; locker eingestreut die Gesangsfetzen auf Türkisch, Kurdisch und Arabisch.
Nicht minder eindrucksvoll, aber von völlig anderer Basis, dem Schlager, aus gehend, ist der Gesang Yüksel Özkasaps, unter Türk*innen in Deutschland als »Nachtigall von Köln« bekannt, unter Deutschen, wie Gitarrist Ali auch, gar nicht. Dabei hat Özkasap goldene Schallplatten gesammelt – und das, obwohl der Großteil ihrer Arbeit auf Kassetten in türkischen Supermärkten über den Tresen ging. Asyk Metin Türköz? Veröffentlichte über 70 Singles! Ismet Topcu? Psychedelik-Meister auf der Langhalslaute Saz!
Sie alle begannen in den späten 1960er Jahren mit Karrieren, die dem offiziellen Musikbetrieb verborgen blieben. Wie rund 3.000 anderen Künstler*innen ist ihnen gemein, dass sie als »Gastarbeiter*innen« nach Deutschland kamen, in Autowerken und weiteren Industriebetrieben am Band standen, bis sich eine andere Zukunft auftat.
Die türkischen Musiker*innen traten zunächst recht bieder auf Hochzeiten auf, trauten sich mit dem Aufkommen der Rockmusik aber bald mehr zu. Ein neuer Stil entstand: »Gurbetçi-Lieder«, Lieder aus der Fremde; eine originär in Deutschland gespielte Musik, deren Texte meist von den Härten der Migration, von Rassismus, Heimweh und Arbeitsalltag (»Statt Fleisch und Knochen habe ich nur noch Sägemehl im Körper«) reichte.
Und im Herkunftsland Türkei? Zu Zeiten der Militärdiktatur wurden die Werke der Künstler*innen von Geheimdienst und Polizei als Protestform eingestuft –mit durchaus ernsten Folgen, wenn sie auf Familienbesuch kamen und im Gefängnis landeten.
Aber der Film bleibt nicht in der Vergangenheit stehen. Mit der Wiedervereinigung erlebte die Musik mit türkischen Wurzeln in Deutschland abermals einen Politisierungsschub, dem sich auch der einfache Hochzeitssänger nicht entziehen konnte – vor dem Hintergrund rassistischer Anschläge wie jenem in Solingen 1993, bei dem fünf Menschen starben. Musik und Texte wurden härter und direkter. Und so gibt der Film auch einen Ausblick auf die Gegenwart und die heu tigen Protagonist*innen. »Liebe, D-Mark und Tod« setzt diesen vielfältigen Musikformen ein Denkmal, lässt das Publikum eintauchen in eine unbekannte Kultur direkt um die Ecke. Wie Ali sind die Protagonist*innen im Interview schlagfertig, politisch bewusst, nehmen souverän Stellung zu ihrer Migrationsgeschichte, die mit Archivmaterial, Ausschnitten aus TV-Dokumentationen und privaten Konzertaufnahmen zu turbulenten Sequenzen montiert ist. Ein Meisterwerk filmischer Geschichtsschreibung, das einen bisher verborgenen, authentischen Musikschatz zugänglich macht. ◆
»Aşk, Mark ve Ölüm – Liebe, D-Mark und Tod«. D 2022. Regie: Cem Kaya. Kinostart: 29.September 2022
FILM & MUSIK
Menschen kaufen Menschen
Sandra aus Deutschland ist 29 Jahre alt, in ihrem Jurastudium steht sie kurz vor dem Examen. Menschenhandel ist ihr Thema, und das ist kein Zufall: Bereits als Schülerin wurde sie ins Prostitutionsmilieu verschleppt und erfuhr rohe Gewalt am eigenen Körper. Grizelda aus Südafrika engagiert sich gegen den »Verkauf« junger Mädchen in die Prostitution. Auch sie wurde entführt. Stepanka aus Tschechien teilt das Schicksal der beiden, sie war lange Zeit eine Gefangene, hatte 30 Freier am Tag. Anders als die beiden Aktivistinnen lebt sie heute zurückgezogen auf einem Bauernhof und ist dabei, eine Familie zu gründen.
Die drei Frauen sind Opfer von Menschenhandel geworden. Nun sind sie die Hauptdarstellerinnen in Helen Simons Dokumentarfilm »Voices from The Fire«. Der Titel stammt aus einem Gedicht, das übers Bild läuft. Dort heißt es: »Wir werden ein Licht in der Dunkelheit sein.«
Die Frauen in Simons Film konnten den Strukturen der Prostitution nur mit erheblicher Eigenenergie und einer Portion Glück entkommen. Was sie da rüber berichten, geht oft an die Grenzen des Erträglichen. Sandra und Grizelda halten darüber Vorträge in der Öffent lichkeit und werden durch ihre Arbeit regelmäßig zurückgeworfen in die Zeit, in der sie schwerer Gewalt ausgesetzt waren.
Die Internationale Arbeitsorgani sation der UNO geht von 20, andere Ver einigungen gehen gar von 40 Millionen Menschen weltweit aus, die von dieser Art der organisierten Kriminalität betroffen sind. Simons Film benennt auch Hintergründe: Armut, Diskriminierung und frühe Gewalterfahrungen machten den Nährboden aus, auf dem sich diese totale Ausbeutung überhaupt erst entfalten könne.
Ebenso aber berichtet sie von konkreten Hilfen und Ausstiegsmöglichkeiten. »Voices from The Fire« ist ein zutiefst bewegender und wichtiger Film.
»Voices from The Fire« CZE/D 2021. Regie: Helen Simon. Kinostart: 25. August 2022
Der Klang von Lagos
Busse hupen, Autos hupen, Mopeds hupen. Stimmfetzen fliegen vorbei, werden plattgewalzt von vorbeizischenden Motorengeräuschen, ein Lachen, jemand lobt den Namen des Herrn, jemand anderes will einen Energydrink, Fahrräder klingeln. Zu Beginn setzt uns Emeka Ogboh mitten in der Fremde aus , lässt uns allein im hektischen Verkehr, im tobenden Leben. Aber wo? Der Titel verrät es: »6°30’33.372’’N 3°22’0.66’’E« sind die geografischen Koordinaten eines Busbahnhofs in Lagos. Die Ojuelegba Bus Station liegt im wohl geschäftigsten Stadtviertel in ganz Nigeria, das nicht zum ersten Mal für ein Stück Musik Material liefert. Schon Fela Kuti porträtierte das damals für sein wildes Nachtleben ebenso wie für das Verkehrschaos bekannte Ojuelegba auf seinem klassischen Album »Confusion« als Chiffre für das postkoloniale, im Umbruch befindliche Nigeria. Diesen Faden nimmt der in Lagos und Berlin lebende Klangkünstler Ogboh wieder auf, in dem er Techno-Einflüsse mit den westafrikanischen Wurzeln sowie mit Alltagsgeräuschen verschmilzt. Afrikanische Trommeln verwandeln sich übergangslos in pluckernde Club-Beats und transformieren sich nahezu unbemerkt wieder zurück, während man über einen Markt schlendert und in einer Bar in »Ayilara« landet, dem Rotlichtviertel, das einen eigenen Track bekommt. Ogboh, der schon mit einer Klanginstallation auf der Biennale in Venedig vertreten war, hat seit seinem Kunststudium an der University of Nigeria immer wieder Lagos kompositorisch porträtiert. Aus Melodien und Beats, Geräuschen und Stimmen entsteht auch auf »6°30’33.372’’N 3°22’0.66’’E« eine akustische Topografie der brodelnden Metropole – ihrer Probleme, aber mehr noch ihrer Vielfalt und Schönheit. Plötzlich bricht der Rhythmus ab, irgendwo im Hintergrund klingt noch eine verlorene Melodie nach, einen Moment lang scheint die Zeit stehen zu bleiben – dann wieder Hupen und Stimmengewirr, Hektik und Chaos, Überwältigung. Das Leben lässt sich nicht aufhalten.
Emeka Ogboh: 6°30′33.372″N 3°22′0.66″E (Danfotronics)
Marokkanische Rituale
Als »Gnawa Music of Marrakesh: Night Spirit Masters« im Jahr 1991 zum ersten Mal erschien, konnte Bill Laswell nicht wissen, was er anrichten würde. Bevor der heute legendäre Jazz-Bassist, der sich im Westen als einer der ersten tiefer mit dem auseinandersetzte, was man damals Weltmusik nannte, die Compilation veröffentlichte, hatte außerhalb Marokkos kaum jemand von der Musik der Gnawa gehört: Eine marginalisierte ethnische Minderheit, deren Vorfahren vermutlich als Schwarze Sklaven aus der Sahelzone ins arabische Marokko gebracht wurden. Ihre auf Instrumenten wie Langhalslaute, Gefäßklapper und Fasstrommel gespielte Musik kann auch als Methode der Identitätssicherung verstanden werden. Die polyrhythmische, hypnotische Musik begleitet zudem ihre Rituale, die dem Sufismus verwandt sind und eine ganze Nacht lang dauern. Man hätte bereits damals die Frage stellen können, ob die elf Stücke wirklich die Trance induzierende Qualität der Gnawa-Musik transportieren und ihre heilige Bedeutung angemessen repräsentieren können. So trug »Night Spirit Masters«, das nun wiederveröffentlicht wird, zwar zu einem Paradigmenwechsel bei. Musik aus fernen Kulturen wurde nicht mehr bloß als exotisch wahrgenommen, sondern sollte ernsthaft gewürdigt werden. Andererseits aber steht das Album auch für ein Dilemma: Das regionale Phänomen der Gnawa-Kultur wurde zum global vermarktbaren Thema, die Maâlem genannten Zeremonienmeister wurden von Festivals eingeladen und von Pop- und Jazzgrößen wie Peter Gabriel zur Zusammenarbeit aufgefordert. Aber, so fragten Kritiker*innen, ist es Gnawa-Musik, wenn sie von ihrer spirituellen Dimension befreit ist? Heute existiert beides nebeneinander: Während Bands wie die New Yorker Innov Gnawa für den Grammy »Bester Dance-Track« nominiert werden, finden die Rituale, aus denen diese faszinierende Musik geboren wurde, meist im Verborgenen statt.
»Gnawa Music of Marrakesh: Night Spirit Masters« (Zehra)
SCHREIBEN SIE EINEN BRIEF
Tag für Tag werden Menschen gefoltert, wegen ihrer Ansichten, Herkunft oder aus rassistischen Gründen inhaftiert, ermordet, verschleppt, oder man lässt sie verschwinden. AMNESTY INTERNATIONAL veröffentlicht an dieser Stelle regelmäßig Geschichten von Betroffenen, um an das tägliche Unrecht zu erinnern. Internationale Appelle helfen, solche Menschenrechtsverletzungen anzuprangern und zu beenden. Sie können mit Ihrem persönlichen Engagement dazu beitragen, dass Folter gestoppt, ein Todesurteil umgewandelt oder ein Mensch aus politischer Haft entlassen wird. Schreiben Sie bitte, im Interesse der Betroffenen, höflich formulierte Briefe an die jeweils angegebenen Behörden des Landes.
• BRI E FE GEGEN DAS VE R GESSEN
Foto: Spring96.org
BELARUS MARFA RABKOVA
Die belarussische Menschenrechtsverteidigerin Marfa Rabkova ist seit September 2020 allein wegen ihrer legitimen Menschenrechtsarbeit als Koordinatorin des ehrenamtlichen Netzwerks der Menschenrechtsorganisation Viasna in Untersuchungshaft. Es liegen insgesamt elf An klagepunkte gegen sie vor, was eine Gefängnisstrafe von bis zu 20 Jahren bedeuten könnte. Unter anderem wird ihr »Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung« (Paragraf 285 (2) des Strafgesetzbuchs) vorgeworfen. Insgesamt fanden in ihrem Prozess bereits 30 Anhörungen statt, bisher jedoch ohne Ergebnis. Die umstrittene Präsidentschaftswahl im Jahr 2020 führte in Belarus zu Protesten, auf die die Behörden mit massiven Repressionen reagierten. Viasna ist eine der wichtigsten Informationsquellen über Menschenrechtsverletzungen in Belarus. Mitglieder der Organisation erlebten im Kontext der Wahlen erhebliche Schikanen durch die Behörden. Mehrere Mitarbeiter*innen von Viasna befinden sich aktuell in Haft. Trotz besorgniserregender Symptome und einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustands wird Marfa Rabkova in der Untersuchungshaft nicht angemessen medizinisch versorgt. Laut ihrer Familie hat sie Zahnschmerzen, die seit fast einem Jahr nicht behandelt werden. Nachdem sie sich mit dem Coronavirus infiziert hatte, entzündeten sich zudem ihre Lymphknoten und sie hatte mehrere Monate lang Schmerzen im Unterleib.
Bitte schreiben Sie bis 31.Oktober 2022
höflich formulierte Briefe an den belarussischen Generalstaatsanwalt und fordern Sie ihn auf, dafür zu sorgen, dass Marfa Rabkova umgehend freigelassen wird und alle Anklagen gegen sie fallen gelassen werden. Bitten Sie zudem darum, dass sie bis zu ihrer Freilassung angemessen medizinisch versorgt wird.
Schreiben Sie in gutem Belarussisch, Russisch, Englisch oder auf Deutsch an:
Generalstaatsanwalt Andrei Shved Ul. Internatsiyanalnaya 22 220030 Minsk, BELARUS E-Mail: info@prokuratura.gov.by (Anrede: Dear Prosecutor General / Sehr geehrter Herr Generalstaatsanwalt) (Standardbrief Luftpost bis 20 g: 1,10 €)
Senden Sie bitte eine Kopie Ihres Schreibens an:
S. E. Herrn Denis Sidorenko Am Treptower Park 32, 12435 Berlin Fax: 030-53635923 E-Mail: germany@mfa.gov.by (Standardbrief: 0,85 €)
KUBA JOSÉ DANIEL FERRER GARCÍA
José Daniel Ferrer García, der Vorsitzende der informellen Oppositionsgruppe Unión Patriótica de Cuba, wurde am 11.Juli 2021 in Verbindung mit einer Protestveranstaltung festgenommen und wegen »Störung der öffentlichen Ordnung« angeklagt und in haftiert. Seit dem 4.Juni 2022 wird ihm der Kontakt zur Außenwelt verweigert – bis auf einen kurzen Besuch seiner Familie am 12.Juli. Am 7.Juli 2022 hatte der UN-Ausschuss über das Verschwindenlassen bekanntgegeben, dass er die kubanische Regierung aufgefordert habe, Informationen über die Situation von José Daniel Ferrer an seine Familie und Rechtsbeistände weiterzugeben. Kurz da rauf konnte seine Schwester Ana Belkis Ferrer in den Online-Netzwerken bekanntgeben, dass die kubanischen Behörden ihrer Familie erlaubt haben, José Daniel Ferrer am 12.Juli für kurze Zeit zu besuchen. Seine Angehörigen berichteten später, dass sie ten von Kuba und fordern Sie ihn auf, José Daniel Ferrer García umgehend und bedingungslos freizulassen, da er sich nur deshalb in Haft befindet, weil er friedlich von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht hat.
Foto: Osvaldo Torres Riso (CC BY-SA 4.0)
ihn bei ihrem Besuch nur in Unterwäsche, extrem abgemagert und voller Mückenstiche vorfanden. Der Oppositionssprecher leidet seit einiger Zeit an diversen Gesundheitsbeschwerden, die auf frühere Gefängnisaufenthalte zurückgehen. Seine Familienangehörigen haben immer wieder angeprangert, dass er im Gefängnis von Mar Verde, wo er seit mehr als einem Jahr inhaftiert ist, physischer und psychischer Folter sowie erniedrigender Behandlung durch die Gefängnisbehörden ausgesetzt ist. Er ist ein gewaltloser politischer Gefangener und muss umgehend und bedingungslos frei gelassen werden.
Bitte schreiben Sie bis 31.Oktober 2022
höflich formulierte Briefe an den Präsiden-
Schreiben Sie in gutem Spanisch, Englisch oder auf Deutsch an:
Miguel Díaz Canel Presidente de la República de Cuba Hidalgo Esquina 6, Plaza de la Revolución La Habana, CP 10400, KUBA E-Mail: despacho@presidencia.gob.cu Twitter: @DíazCanelB Facebook: /PresidenciaCuba (Anrede: Dear President Díaz Canel / Sehr geehrter Herr Präsident) (Standardbrief Luftpost bis 20 g: 1,10 €)
Senden Sie bitte eine Kopie Ihres Schreibens an:
Botschaft der Republik Kuba I. E. Frau Juana Martínez González Stavanger Straße 20, 10439 Berlin Fax: 030-44737038 E-Mail: recepcion@botschaft-kuba.de (Standardbrief: 0,85 €)
PHILIPPINEN LEILA DE LIMA
Die philippinische Senatorin Leila de Lima stellte sich am 24.Februar 2017 der Polizei, nachdem ihr Drogendelikte vorgeworfen wurden. Seither ist sie in einer Hafteinrichtung der Polizeizentrale Camp Crame in Quezon City in der Region Metro Manila inhaftiert. Die ehemalige Vorsitzende der Menschenrechtskommission war eine lautstarke Kritikerin des sogenannten »Kriegs gegen Drogen« unter dem damaligen Präsidenten Rodrigo Duterte, im Zuge dessen die Behörden unzählige Menschenrechtsverletzungen begingen. Im April und Mai 2022 zogen drei Personen, die gegen die Senatorin ausgesagt hatten, ihre Aussagen zurück. Alle drei Zeugen sagten aus, von der Polizei und hochrangigen Regierungsangehörigen genötigt und bedroht worden zu sein, um die Senatorin fälschlich mit Drogendelikten in Verbindung zu bringen. Am 9.August wies das Amt des philippinischen Ombudsmanns auch die Bestechungsvorwürfe gegen Leila de Lima aufgrund von Ungereimtheiten in verschiedenen Zeugenaussagen zurück. Somit wird immer deutlicher, dass die Vorwürfe gegen Leila de Lima konstruiert wurden, um sie strafrechtlich zu verfolgen. Am 1.Juli kam es auf den Philippinen zu einem Machtwechsel, und ein neuer Prä sident trat das Amt an. Der neue Justiz minister erwägt eine Überprüfung des Falls.
Bitte schreiben Sie bis 31.Oktober 2022
höflich formulierte Briefe an den Justiz minister der Philippinen und fordern Sie ihn auf, Leila de Limas Fall unverzüglich und unparteiisch zu überprüfen, um die Senatorin bei entsprechender Beweislage umgehend freizulassen und die Anklage gegen sie fallen zu lassen.
Briefentwürfe auf Englisch und Deutsch finden Sie unter www.amnesty.de/briefe. Sollten Sie eine Antwort auf Ihr Appellschreiben erhalten, schicken Sie sie bitte an: info@amnesty.de AMNESTY INTERNATIONAL
Zinnowitzer Straße 8, 10115 Berlin Tel.: 030 - 42 02 48 - 0, Fax: 030 - 42 02 48 - 488 E-Mail: info@amnesty.de, www.amnesty.de
Schreiben Sie in gutem Filipino, Englisch oder auf Deutsch an:
Secretary Jesus Crispin C. Remulla Department of Justice, Padre Faura Street Ermita, Manila 10020, PHILIPPINEN E-Mail: communications@doj.gov.ph oder osec@doj.gov.ph Fax: 00632-85262618 (Anrede: Dear Secretary / Sehr geehrter Herr Justizminister) (Standardbrief Luftpost bis 20 g: 1,10 €)
Senden Sie bitte eine Kopie Ihres Schreibens an:
Botschaft der Republik Philippinen Frau Lillibeth Pono, Gesandte (Geschäfts trägerin a. i.) Luisenstraße 16, 10117 Berlin Fax: 030-8732551 E-Mail: info@philippine-embassy.de (Standardbrief: 0,85 €)
»Nach mir die Freiheit!«
Mit dem Testament die Menschenrechte verteidigen, damit auch nach dem eigenen Ableben Geld für menschenrechtliches Engagement da ist. Wie geht das? Brauche ich ein Testament? Welche Form muss es haben? Und wo bewahre ich es auf? Cornelia Rump, Fachanwältin für Erbrecht und Beraterin von Amnesty International in Deutschland, beantwortet die wichtigsten Fragen.
Interview: Sandra Lüderitz-Korte
Wenn für den Todesfall nichts geregelt ist, die Form nicht gewahrt oder das Geregelte nicht gefunden wird, können individuelle Wünsche nicht in die Tat umgesetzt werden. Wem empfehlen Sie ein Testament?
Wer seinen Nachlass anders regeln möchte, als es die gesetzliche Erbfolge vorsieht, braucht ein Testament. Also alle, die einen Menschen begünstigen möchten, mit dem sie zum Beispiel nicht verwandt oder verheiratet sind. Oder man will eine Organisation im Testament bedenken.
Mit einem Testament können Sie selbstbestimmt festlegen, wer erbt und wer sich nach dem Tod um alle Angelegenheiten kümmern soll. Außerdem kann man bestimmen, wer einen Teil des Nachlasses als Vermächtnis erhält. Auch Organisationen wie Amnesty International können als Erbe oder mit einem Vermächtnis bedacht werden. Amnesty kennt sich übrigens auch mit der Abwicklung von Nachlassangelegenheiten aus.
Welche Form muss ein Testament haben?
Man kann ein Testament handschriftlich verfassen oder notariell beurkunden lassen. Beide Formen sind grundsätzlich gleichwertig. Damit ein handschriftliches Testament auch in der Form wirksam ist, muss der gesamte Text des Testaments von Hand niedergeschrieben und – natürlich – unterschrieben werden. Eine entsprechende Überschrift wie »Testament« oder »Mein letzter Wille« hilft dabei, es einzuordnen. Ich kann sehr empfehlen, das Testament mit einem Datum zu versehen.
Wie bewahre ich ein Testament auf?
Beim notariellen Testament wird das Testament automatisch in amtliche Verwahrung gegeben. Wenn Sie Ihr Testament von Hand geschrieben haben, können Sie es selbst in amtliche Verwahrung geben. Das kostet ungefähr 100 Euro. Mit der Verwahrung ist garantiert, dass Ihr Testament aufgefunden wird und nicht abhanden kommt.
Zusammengefasst: Wenn Sie Ihren Nachlass nach Ihren individuellen Vorstellungen weitergeben möchten, ist es wichtig, das zu Lebzeiten zu regeln und dafür zum Beispiel ein Testament aufzusetzen. In Deutschland gilt sowohl das notarielle als auch das handschriftliche Testament. Damit ein Testament später zur Abwicklung kommt, ist es am sichersten, Ihr Testament amtlich verwahren zu lassen, es also zu einem Nachlassgericht zu geben.
Wenn Sie Amnesty International oder weitere Organisationen bedenken möchten, ist es sinnvoll, sich vorab bei den betreffenden Organisationen zu melden. So können Sie sich über Ihre Wünsche und deren Umsetzbarkeit näher abstimmen. Allen, die Amnesty im Testament mitbegünstigen möchten, bieten wir als Hilfestellung ein kostenfreies juristisches Erstgespräch mit Fachanwältin Rump per Telefon an. ◆
Mehr dazu unter: amnesty.de/testament
Ihre Ansprechpartnerin für Testamentsspenden bei Amnesty in Deutschland: Sandra LüderitzKorte, zu erreichen unter 0170-8898965, sluederitz@amnesty.de
Cornelia Rump (links) und Sandra Lüderitz-Korte (rechts) auf der Amnesty-Jahresversammlung in Köln 2022.
JETZT MAL EHRLICH
Von Markus N. Beeko
Kennen Sie das? »Genau …«, Pause, Luft holen, sprechen: So beginnen Menschen im Gespräch öfters ihren Wortbeitrag, zumindest in meiner Berliner Blase. Will man sich damit vergewissern, dass man jetzt dran ist? Als ich meine Beobachtung mit der Familie teilte, entgegnete man mir: »Stimmt, hast Du vorhin auch gemacht!« Eine Erinnerung, wie schnell wir uns Floskeln und Phrasen unbewusst aneignen. Eine Phrase, die mich immer irritiert: »Jetzt mal ehrlich.« Was will man damit sagen? Jetzt ausnahmsweise wirklich mal »ehrlich«? Auch auf ein »Ich muss Dir ehrlich sagen …« folgt selten ein wahrhaftes Eingeständnis, sondern meist die Verkündung des eigenen Weltbilds.
Wie ehrlich schauen wir auf uns und die Welt? In seinem Buch »Warum es so schwer ist, ein guter Mensch zu sein« beschreibt Armin Falk uns alle als »Weltmeister*innen im Geschichtenerzählen«. Wir erzählen uns und anderen Geschichten, die uns helfen, etwas »Falsches« zu tun, ohne das eigene Selbstbild zu gefährden.
Zur Wahrheit gehört, dass die meisten von uns daran scheitern, immer zu tun, was wir »eigentlich« richtig finden. Die Klimakrise – eine existenzielle Bedrohung? Klar! Unser Leben entschieden danach ausrichten? Fehlanzeige. Kein Platz für Rassismus? Klar! Aber was tue ich, wenn jemand in der U-Bahn belästigt wird? gungssicherheit zu gewährleisten und gleichzeitig (!) aus fossilen Energien auszusteigen, so gilt es, Handels- und Sicherheitsbeziehungen aufzubauen und dabei (!) die Achtung von Völkerrecht und Menschenrechtsstandards zum »Teil des Deals« zu machen.
Wenn Katar seinen selbst ausgerufenen Wandel »ehrlich« meint, dann gehört zu einer »Energie-Partnerschaft« unser aktives Dringen auf die Verbesserung der Arbeitnehmer*innenrechte. Wenn die Türkei anerkanntes Mitglied der internationalen Staatengemeinschaft sein will, dann muss sie die europäische Menschenrechtskonvention achten – und die Urteile gegen den Kulturmäzen Osman Kavala und den Amnesty-Ehrenvorsitzenden Taner Kiliç aufheben.
Im Grundgesetz, Artikel 1, Absatz 2, bekennen wir uns zu »Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt«. Tun wir das? Oder ist dies auch nur eine unserer vielen »Erzählungen«? ◆
Wir finden »gute« Gründe, nicht das zu tun, was wir richtig finden. Weil es mit Aufwand, Kosten, Risiken oder Unannehmlichkeiten verknüpft ist. Es finden sich Erzählungen, die das eigene (Nicht-) Handeln rechtfertigen, wenn das Gewissen beruhigt werden will.
Eine solche Erzählung ist die der »Real politik«: »Wir würden ja gerne, aber die Realitäten sind leider andere.« Oder frei nach Bertolt Brecht: »Wir wär’n gern gut, anstatt so roh, doch die Verhältnisse, sie sind nicht so.« Brecht übte damit allerdings Kritik an diesen Verhältnissen und wollte sie verändern.
Der russische Angriffskrieg konfrontiert uns mit unangenehmen Realitäten. Eine ist, dass wir Verstöße gegen Völkerrecht und Menschenrechte von Russland, der Türkei, China oder den Kriegsparteien im Jemen-Konflikt hingenommen haben – Business as usual. Man hat weggeschaut und nun scheinen die Handlungsspielräume durch globale Abhängigkeit und akute »Sachzwänge« erschreckend ein geengt. Robert Habeck, gepriesen für ehrliche Worte, formuliert zur Energie versorgung: »Wir können nicht alle Länder von Lieferungen ausschließen.« Es ehrt ihn, dass er dieses Dilemma ausspricht. Und richtig ist: Wir werden nicht mit einem Rutsch alle Sünden der Vergangenheit heilen können. Richtig ist aber auch: »Ehrlich sein« reicht nicht. »Sich ehrlich machen« braucht ein ehr liches »Machen«: So wie es gilt, Versor-
Amnesty / Foto: Bernd Hartung
Markus N. Beeko ist Generalsekretär der deutschen Amnesty-Sektion.
IMPRESSUM
Amnesty International Deutschland e.V. Zinnowitzer Str. 8, 10115 Berlin Tel.: 030-420248-0 E-Mail: info@amnesty.de Internet: www.amnesty.de Redaktionsanschrift: Amnesty International, Redak tion Amnesty Journal Zinnowitzer Str. 8, 10115 Berlin E-Mail: journal@amnesty.de Adressänderungen bitte an: info@amnesty.de Redaktion: Maik Söhler (V.i.S.d.P.), Nina Apin, Anton Landgraf, Tobias Oellig, Pascal Schlößer, Uta von Schrenk, Lena Wiggers Mitarbeit an dieser Ausgabe: Birgit Albrecht, Markus N. Beeko, Ronny Blaschke, Bernhard Clasen, Hannah El-Hitami, Luciana Ferrando, Oliver Grajewski, Tobias Griessbach, Aza Gudieva, Kristina Hatas, Annette Jensen, Jürgen Kiontke, Martin Krauß, Felix Lill, Patrick Loewenstein, Sandra Lüderitz-Korte, Fabian Melber, Arndt Peltner, Wera Reusch, Bettina Rühl, Till Schmidt, Oliver Schulz, Regina Spöttl, Cornelia Wegerhoff, Maren Wegner, Elisabeth Wellershaus, Brigitte Werneburg, Thomas Winkler, Marlene Zöhrer Layout und Bildredaktion: Heiko von Schrenk/schrenkwerk.de Druck und Verlag: Zeitfracht GmbH, Nürnberg Spendenkonto: Amnesty International Bank für Sozialwirtschaft IBAN: DE23 3702 0500 0008 0901 00 BIC: BFS WDE 33XXX (Konto: 80 90 100, BLZ: 370 205 00) ISSN: 2199-4587
Der Verkaufspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Für unverlangt eingesandte Artikel oder Fotos übernimmt die Redaktion keine Verantwortung. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung von Amnesty International oder der Redaktion wieder. Die Urheberrechte für Artikel und Fotos liegen bei den Autoren, Fotografen oder beim Herausgeber. Der Nachdruck von Artikeln aus dem Amnesty Journal ist nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion erlaubt. Das gilt auch für die Aufnahme in elektronische Datenbanken, Mailboxen, für die Verbreitung im Internet oder für Vervielfältigungen auf CD-Rom.
Mit diesem Turnbeutel kannst du zeigen, dass dir die Ausbeutung der Arbeitsmigrant*innen für die WM in Katar nicht egal ist. Mit jedem Einkauf im Amnesty-Shop setzt du nicht nur ein Statement für die Menschenrechte, sondern unterstützt uns auch bei der Sicherung unserer Unabhängigkeit im Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen weltweit.