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Street Art: Das bunte Erbe der Schwarzen Panther
Rachel Wolf-Goldsmith: »Our Liberation«.
Das bunte Erbe der Schwarzen Panther
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Oakland an der US-Westküste war ein Zentrum der Bürgerrechtsbewegung, hier gründete sich auch die militante Black Panther Party. Heute erinnern mehr als 1.000 Wandbilder an die Kämpfe von damals und verbinden sie mit aktuellen Forderungen der »Black Lives Matter«-Bewegung. Von Arndt Peltner (Text und Fotos)
Fährt man von San Francisco über die Bay-Bridge nach Oakland, dann liegt direkt neben dem Freeway 580 das California Hotel. Auf den ersten Blick wirkt es, als hätten die Eagles einst genau für dieses Gebäude die folgende Textzeile geschrieben: »You can check out any time you like, but you can never leave!‹« Doch der Eindruck täuscht, das trutzburgartige, denkmalgeschützte Backsteingebäude aus den 1930er Jahren war einst ein Zentrum der afroamerikanischen Community. Oakland galt lange Zeit als eine »Black City«. Jazz, HipHop und Black Power sind tief verwurzelt in »The Town«, wie Oakland auch genannt wird. Und dieses kulturelle Erbe wird im Erdgeschoss des California Hotels gewissermaßen verwaltet. Dort befinden sich die Räume des Bay Oakland in den Folgejahren prägte und noch immer deutlich nachwirkt. Im Jahr 2016, 50 Jahre nach der Gründung der BPP, wurde die Geschichte der Gruppe in einer vielbeachteten Ausstellung im Oakland Museum of California nachgezeichnet, die aufgrund der großen Nachfrage später zu einer Dauerausstellung wurde.
Area Mural Programs (BAMP), einer gemeinnützigen Organisation, die die Stadt durch öffentliche Kunst verschönert. »Für mich ist Oakland einfach ein Ort, an dem die Leute wissen, hier können sie sich ausdrücken und konnten das schon immer. Viele brachte genau das hierher, sie blieben und ließen ihre Stimmen hören«, sagt Andre Jones, der Gründer und Geschäftsführer der Organisation. Der 44-jährige Afroamerikaner kam selbst vor etlichen Jahren aus Philadelphia in diese Stadt, die bekannt, berühmt und auch berüchtigt ist für ihren politischen Aktionismus. Hier wurde 1966, wenige Monate nach der Ermordung von Malcolm X und den tödlichen Polizeikugeln auf einen unbewaffneten, afroamerikanischen Jugendlichen in San Francisco, die radikale Black Panther Party (BPP) gegründet, die Patrouille in Lederjacken
Ziel der Black Panther Party war es, die Schwarzen in den innerstädtischen Ghettos zu organisieren und gegen Polizeigewalt zu einen. Die Black Panthers kleideten sich in schwarzen Lederjacken, trugen dazu schwarze Baretts und patrouillierten bewaffnet durch die afroamerikanischen Nachbarschaften. Sie suchten nicht nur die Konfrontation mit den »pigs«, wie Polizist*innen von ihnen genannt wurden,
BAMP Collective: »Justice for my Ancestors«.
Troy Lovegates: »Portrait of Derrick Hayes mural«.
sondern auch mit lokalen Drogendea ler*in nen und Kriminellen, die das tägliche Leben in den Communities erschwerten. Außerdem organisierten die Aktivist*innen kostenfreie Gesundheitszentren und Schulspeisungen. Das Modell aus Oakland machte in anderen US-Städten Schule. 1968 war die Black Panther Party mit rund 2.000 Mitgliedern in Städten wie Chicago, New York, Philadelphia und Los Angeles aktiv. Für die beiden Gründer und Führungspersonen der Panthers, Huey Newton und Bobby Seale, bildete der Marxismus die Grundlage ihres politischen Zehn-Punkte-Programms. Es ging ihnen um ein Ende der Polizeigewalt, um faire Arbeitsbedingungen und eine gleichberechtige Teilnahme Schwarzer am vielgepriesenen »American Dream«.
Die Black Panther Party war ein besonders lauter Teil der damaligen »Black Power«-Bewegung, die Bürgerrechte forderte. FBI-Chef J. Edgar Hoover betrachtete die BPP als »eine der größten Gefahren für die nationale Sicherheit« und ließ sie unterwandern. 1982 löste sich die Organisation offiziell auf, doch ihre Geschichte blieb im Stadtraum von Oakland lebendig, insbesondere auf vielen Wandbildern, sogenannten Murals. Heute berufen sich die »Black Lives Matter«-Aktivist*innen auf diesen Teil der Stadtgeschichte. Das Black Panther-Erbe aufgreifend, fordern sie ein Ende der Polizeigewalt, politische und soziale Gleichberechtigung, bezahlbaren Wohnraum, eine ehrliche Aufarbeitung der US-amerikanischen Geschichte und, nicht zu vergessen, »Black Pride«.
All das drückt sich in gut 1.000 Wandbildern im gesamten Stadtgebiet aus, die teils mehrere Stockwerke hoch sind. »Sie sind nicht unbedingt politisch«, erklärt Andre Jones. »Mir und anderen geht es nicht darum, das Denken von Politikern zu verändern. Murals drücken vielmehr soziale Gerechtigkeit aus. Sie sollten einen sozialen Kontext haben, der die Leute anspricht.« Die öffentliche Kunst an den Häuserwänden soll Stellung beziehen, und die Künstler*innen sollen eine mahnende Rolle an den Brennpunkten der Stadt spielen, so Jones. »Kunst ist eine Möglichkeit, darüber aufzuklären, was vor sich geht. Und genau das machen diese Kunstwerke in Oakland.«
Stolz auf die eigene Geschichte
Tatsächlich kann man sie überall in der Stadt sehen: an jeder Ecke, an Hauptverkehrsadern, in Seitenstraßen und unter Brücken. Ganz Oakland ist eine riesige und kostenlose Open-Air Galerie. Die Murals sind oft knallig und farbenfroh, mit viel Liebe zum Detail geschaffen und an keinen Stil und keine Technik gebunden. Sie regen zum Nachdenken an, vermitteln den Stolz auf die eigene Geschichte und schlagen eine Brücke zwischen dem eins tigen und dem heutigen Kampf gegen Rassismus, Polizeigewalt und Unterdrückung.
Nur ein paar Straßenblocks vom California Hotel entfernt, an der Ecke 30th Street und San Pablo, befindet sich ein Mural, das Andre Jones gemalt hat. Es ist fünf Meter hoch und acht Meter breit. An der Entstehung war die Community beteiligt: Jones wollte vorab wissen, was sie an dieser Stelle sehen will. Man wünschte sich eine Ehrung der Black Panthers – ein immer wiederkehrendes Thema der »Street Art« in Oakland. Jones hat in seinem Bild einer sitzenden Kämpferin der Black Panthers die Reiterin Brianna Noble zur Seite gestellt. Noble wurde bekannt dafür, dass sie nach dem Mord an George Floyd 2020 als »Urban Cowgirl« zu den Protesten ritt. Und genau so hat sie Jones in seinem Wandbild verewigt: hoch zu Ross, eine stolze, mutige und furchtlose Afroamerikanerin.
In 80 Stunden schuf Jones ein Bild, das man am besten vor Ort erfahren und erleben sollte. Der Verkehr rauscht vorbei, es ist nicht gerade die beste Gegend. Und doch drückt es all das aus, was Oakland ausmacht. Private Hauseigentümer*innen, aber auch Firmen treten an BAMP mit der Bitte heran, doch ein Wandbild an ihrem Gebäude zu realisieren, erzählt Jo-
Andre Jones
Rachel Wolf-Goldsmith: »Our Movement«.
Community Rejuvenation Project: »AscenDance«.
nes. Und die Künstler*innen seiner Organisation sind nicht die einzigen, die in »The Town« auf mächtigen öden Außenwänden eine andere, buntere Realität schaffen. Die öffentlichen Kunstwerke sind in Oakland äußerst beliebt, vor allem diejenigen, die sich laut und klar für soziale Gerechtigkeit und »Empowerment« sowie gegen Rassismus und die alltägliche Polizeigewalt gegen Minderheiten aussprechen.
Ein Rundgang in Downtown und kleine Abstecher in die Paralellstraßen Telegraph Avenue und Franklin Street bieten einen faszinierenden Einblick in diese Freiluftgalerie. Die Murals dort tragen Titel wie »Justice for our ancestors«, »Our liberation« oder auch »Youth Empowerment«. Und in vielen dieser Wandbilder tauchen Personen und Symbole der Black Panthers auf. Die Community wolle diesen Teil der Geschichte vor dem Vergessen bewahren und stolz darauf verweisen, dass die Black Power im Zentrum des gesellschaftlichen Bewusstseins stehe, erklärt Jones. Diese Botschaft sei wichtig für die Stadt, die immer im Schatten San Franciscos stehe. »Wir haben zwar nicht die finanziellen Mittel, um politisch Einfluss nehmen zu können, aber wir haben People Power«, sagt Jones. Die große Bereitschaft, sich für die eigene Community einzusetzen, zähle zum wichtigsten Erbe, das die Panthers Oakland und dem ganzen Land hinterlassen hätten. ◆