Arbeit in der Vuca Welt

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Persönliche Ausgabe von : Arbeit in der VUCA-Welt

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KAPITEL 1 Der stille Paradigmenwechsel

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Abschnitt 1

Die binäre Zeit Mitten im Paradigmenwechsel❶ „The future is already here. It‘s just not very evenly distributed.“ William Gibson

Wir sind mitten in der binären Zeit. Während die Generationen XYZ schon längst in der Freelance-Ökonomie des 21. Jahrhunderts eigene Wege und neue Lösungen suchen, drehen die Politiker, Gewerkschafter und Wirtschaftsweisen Freelance-Ökonomie weiter ihre Bahnen in der Welt von gestern. Dabei haben die digitale Revolution, das Internet und die Kommunikationstechnologien schon eine neue Zeiteinheit geschaffen, die von Simultanität, Ubiquität und dem Algorithmen-Tempo bestimmt wird. Letztere beschleunigen alles und machen aus festen Strukturen flüchtige Momente. In dieser neuen VUCA-Welt, wo alles flüchtig, ungewiss, komplex und binär wird, handeln nicht nur die Finanzmärkte im Algorithmen-Tempo. Auch die Arbeitsmärkte unterliegen den neuen Zeit,- Raum- und Geschwindigkeitsgesetzen. Sie sind VUCA. Selbst wenn noch niemand hierzulande diesen Begriff kennt und benutzt, ist er Teil des globalen Paradigmenwechsels, dem auch der deutsche Arbeitsmarkt nicht entgeht. Zwischen dem offiziellen Diskurs über den Wert der Arbeit und der Wirklichkeit hat sich schon eine Kluft aufgetan. Sie wird jeden Tag tiefer und breiter. Das bekümmert jedoch nicht die

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Stützen der Gesellschaft. Sie wissen, was das Volk gern hört und kennen dessen Bedürfnis nach Gewissheiten, Ruhe und Ordnung. Deshalb reden sie auch weiter von gerechtem Lohn und sozialer Sicherheit. Das kommt immer noch gut an. Die Medien verbreiten weiter diese frohe Botschaft. Allein der Glaube daran kommt vielen allmählich abhanden. Von „guter Arbeit und gutem Geld“ profitiert nämlich in Wirklichkeit nur noch eine Minderheit, selbst in Deutschland. Die Festanstellungen werden seltener❷ und das bedeutet für die Mehrheit der Erwerbstätigen langfristig soziale Unsicherheit. Die Lebensstellung bleibt hierzulande nur noch das Privileg der 4,5 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Diese 10% der Erwerbstätigen zählen zwar nicht alle zu den Besserverdienern, sie sind jedoch insgesamt auf der sicheren Seite des Arbeitsmarktes und kennen die VUCA-Welt nur aus dem Leben der anderen. Die anderen erleben burnout, Standortverlagerungen, den globalen Wettbewerb und die Realität der flüchtigen, komplexen und schwankenden Märkte. Wenn sie noch im oberen Segment der Besserverdienenden❸ sind, dazu gehören 26,6% der gutverdienenden Festangestellten und 18% der Unternehmer, so haben sie zwar ihr Auskommen. Doch auch ihre Arbeitswelt ist nicht vor der VUCA-Welt geschützt.❹ Für die andere Hälfte im unteren Segment verabschiedet sich die Festanstellung nach und nach aus dem geregelten Arbeitsleben, weil das ökonomische Umfeld es so will und der Druck nach unten hin immer stärker wird.

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Gestern waren es die Lean-Management-Vorgaben; heute sind es die schnellen technologischen Veränderungen, die unsicheren und flüchtigen Märkte, die Kapitalflüsse, die mit Hochgeschwindigkeit durch die Welt strömen. Gemeinsam schaffen sie neue Regeln und Raster, die nicht etwa mit den alten kollidieren, sondern sie einfach umgehen und überlagern. Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ist das beste Beispiel dafür, wie ein Paradigma stillschweigend durch ein neues ersetzt wird, ohne dass Wirtschaft und Gesellschaft gleich aus den Fugen gerieten. ❶ Thomas S. Kuhn. The Structure of Scientific Revolutions.1962.

❷ Die Festanstellung stirbt aus. FOCUS. 11.06.2010 ❸ Deutschlands oberste 10%. Reich schon mit 3009€ netto. FAZ Wirtschaft 29.8.2014. Johannes Pennekamp und Manfred Schäfers. ❹ Hunderttausende Chefs verdienen nicht einmal Mindestlohn. DIE WELT, 05.01.14

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Abschnitt 2

Die neue (Un)ordnung VUCA ist da! VUCA steht für vier der fünf Grundkomponenten der globalen Wirtschaftstransaktionen: Volatility, uncertainty, complexity, ambiguity:❶ Alle Transaktionen und Phänomene sind flüchtig, ungewiss, komplex und immer zwiespältig: ambiguous. Dieser Zwang zur doppelten, binären Lesart ist wohl die größte Herausforderung für die Wirtschaft, die Unternehmen und die Arbeitenden. Was brauchen sie nämlich alle? Gewissheit. Planbarkeit. Garantien. Sicherheiten. Die VUCA-Welt wirft aber alles über den Haufen: Zukunftspläne, Karriereleitern, langfristige Investitionen und Ausbildungsraster, Letztere sind die individuellen Investitionen für die Zukunft. Auch sie bringen nur noch kurzfristige Renditen. Diese Kurzfristigkeit ist die fünfte Komponente der globalen Märkte. Sie hat inzwischen alle Bereiche der Makro- und Mikroökonomie erfasst, die Arbeitsmärkte inbegriffen. Hier revolutioniert die neue Kurzfristigkeit alles: Arbeitsgesetze und Arbeitsmodelle, Ausbildungen und Qualifizierungen. Langfristig erworbenes Know-how ist in kürzester Zeit überholt und Diplome werden zu wertlosen Papieren auf dem

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Arbeitsmarkt. Wir leben und arbeiten heute in der VUCA-Welt und ihr Leitmotiv heisst: Nichts Langfristiges! Das flexible Kapital arbeitet kurzfristig und die Investitionen sollen kurzfristig hohe Renditen einfahren. Produkte sind nur noch kurzfristig vermarktbar, oft überflüssig und nur solange wertvoll, wie sie gefragt sind und das Angebot nicht die Nachfrage übersteigt. Das gleiche gilt für den tätigen Menschen im 21. Jahrhundert, der diese oft überflüssigen Produkte herstellt, als homo faber oder animal laborans.❷ Hinter dem ständigen Ruf nach Innovationen, Kreativität, Erfindungsgeist stehen der Wille und die ökonomische Notwendigkeit, die VUCA-Märkte ständig mit neuen Produkten zu stimulieren, die schnell optimale Gewinne erzielen. Die Hardware-Branche ist dafür das beste Beispiel: Jedes Jahr kommen neue Smartphones und Tablets auf den Markt. Was ist der absolute Wert eines ipods? Er ist in allen Fällen flüchtig, ungewiss, komplex und zwiespältig. Der Wandel der Arbeit und der Arbeitsbedingungen❸ betrifft fast alle, aber nur wenige fühlen sich wirklich davon betroffen. Das haben der Klimawandel und der Wandel auf dem Arbeitsmarkt gemein. Sie sind in ihren Auswirkungen scheinbar lokal begrenzt und werden darum von den meisten aus ihrem Bewusstsein und ihrem Alltag verdrängt. Was geht uns schon das Schicksal der Arbeitsmigranten an, solange es uns nicht selbst betrifft! Was haben wir mit der endemischen Freelance-Ökonomie in den USA zu tun oder den Wanderarbeitern in China?

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Eigentlich sehr viel, denn die Globalisierung ist grenzenlos. Der Übernahme vieler italienischer Unternehmen durch chinesische Investoren folgte immer der Austausch der Arbeitnehmer vorort durch junge chinesische Arbeitsmigranten.❹ Roberto Saviano hat in seiner Dokumentation „Gomorrah“ auch diese stille Revolution und ihre Folgen beschrieben.❺ Inzwischen hat sich die Zahl der Unternehmensaufkäufe in Deutschland im letzten Jahr verdreifacht und die deutschen mittelständischen Unternehmen stehen ganz oben auf der Einkaufsliste der chinesischen Investoren.❻ Aber auch kleine Zulieferer mit viel immateriellem Vermögen sind begehrte Häppchen und Schnäppchen. Zugegeben, Griechenland, Italien und Portugal liegen weit weg und die Club-Med-Länder im Mittelmeerraum interessieren nur als Urlaubsziele. Doch der Aufkauf der italienischen Familienunternehmen ist auch ein Menetekel für die deutschen Unternehmen❼. Der Ausverkauf der griechischen Infrastrukturen oder der französischen Schlachthöfe an chinesische Investoren sollte die Deutschen ebenfalls nicht gleichgültig lassen. In Zeiten des globalen Informationsflusses ist Unwissenheit keine Schallmauer mehr. Die VUCA Welt bestimmt das prekäre Leben der Menschen in den Billiglohnländern und in den europäischen Krisenländern. Dort haben 30-60% der Jugendlichen auf dem lokalen Arbeitsmarkt kaum Zukunftschancen, weil die europäische Wirtschaftskrise strukturell und nicht konjunkturell bedingt ist. Auch Frankreich liegt gleich nebenan und ist mit Deutschland noch vorläufig in einer Gütergemeinschaft liiert. VUCA bedeutet © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 8


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übrigens in der Sprache der Zulus „Wach auf!“ ❶„What VUCA really means for You. Harvard Business Review, January-February 2014. ❷ „The Human Condition“,1956. Hannah Arendt unterscheidet die Arbeit des homo faber, das ist der kreative Handwerker, der sein Werk als Ganzes schafft, vom animal laborans (der moderne Fabrikarbeiter), der nur noch Fragmente in ständiger Wiederholung herstellt und den Überblick und den Sinn für seine Arbeit als Werteinheit verloren hat. pdf. ❸ 80% des wissenschaftlichen Nachwuchses an deutschen Hochschulen im Zeitvertrag. Quelle: Statistisches Bundesamt, 28.05.2013. ❺ Roberto Saviano. Gomorrah. 2007. Acienda cerca operai, ma solo cinesi. Il fatto. Emilia Romagna. 12. 11. 2011 ❻ Chinesen kaufen deutsche Firmen. Auf der Suche nach Übernahmezielen. ntv. 01.04.2012. ❼ Chinesen übernehmen reihenweise deutsche Firmen. Die Welt, 01.12.2012.

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Abschnitt 3

VUCA 21 Paradigmenwechsel mit unbequemen Wahrheiten Die Wirtschaft arbeitet auf flüchtigen, ungewissen, komplexen und schwankenden Märkten. Unternehmen überleben nur im globalen Wettbewerb, wenn sie mobil, flexibel und agil sind. Das gilt auch für ihre Mitarbeiter, ob sie noch festangestellt oder schon temporäre Honorararbeiter sind. Der Paradigmenwechsel hat für sie zwei Namen: VUCA und Freelance-Ökonomie. Die Großkonzerne haben die VUCA-Herausforderung durch multiple Standorte, multinationales Management mit flexiblen und mobilen Humanressourcen gelöst. So können sie sich den schwankenden Märkten lokal anpassen und die Schwerpunkte zeitgerecht verlagern. Somit sind sie auch immer auf Tuchfühlung mit der VUCA-Welt, denn die ist nicht nur flüchtig, komplex und ungewiss, sie bietet auch immer verschiedene Lesarten. Das macht das Tagesgeschäft der Manager und Unternehmer nicht leichter. VUCA wird zum Bestandteil ihrer Markt- und Marketingstrategien und jeder Schritt ist ein Risiko, denn selbst die unmittelbare Zukunft ist nicht mehr planbar. Das gleiche gilt für die Arbeit als Prozess und menschliche

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Wertschöpfung. Alles wird flüchtig, ungewiss, komplex und zwiespältig wie die Märkte, auf denen morgen Waren und Leistungen vermarktet werden müssen, von denen heute manche zwar schon eine Vision, aber nur wenige ein klares Konzept haben. Die Arbeit ist eine Ressource und somit eine Ware, mit der das Kapital einen Mehrwert produziert. Das sagte bereits Karl Marx 1844. Die neoliberalen Ökonomie von heute hat alle Alternativen von gestern - Sozialismus, Kommunismus, die soziale Marktwirtschaft - überdauert. Der Wert der Arbeit ist heute mehr denn je an den VUCA-Marktwert gekoppelt. Mit diesem Paradigmenwechsel müssen sich nicht nur die Unternehmen, sondern vor allem die Arbeitenden auseinandersetzen. Die VUCA-Welt unterliegt außerdem einem endogenen Beschleunigungsgesetz. Auch das sind störende Fakten. Niemand stört sich an dem Wort Arbeitsmarkt, doch Arbeit darf noch nicht als Ware betrachtet werden. Das widerspricht ja der Ethik der protestantischen Arbeitswelt und stellt die zwölf Bücher des Sozialgesetzbuches sowie die Existenzberechtigung der Gewerkschaften insgesamt infrage. Die haben jedoch den Übergang von der Industrie- in die Dienstleistungsgesellschaft verpasst und verschlafen auch noch den Anschluss an die Dritte industrielle Revolution. Die Industrie 4.0 und ihre Konsequenzen für den lokalen und globalen Arbeitsmarkt liegt jenseits ihrer Wahrnehmung. Intelligente Maschinen, die untereinander kommunizieren, passen nicht

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mehr in ihre Raster. Wenn es noch einen Arbeitsmarkt, lokal, global oder virtuell gibt, dann wird dort die Arbeit wie jede andere Ware vermarktet, und zwar mit den alten und neuen Marketingstrategien ohne die soziale Komponente. Das Arbeitsverhältnis wird wieder auf die reine Transaktion begrenzt. Nun aber bleibt die Arbeit ein aktiver Prozess, der entweder von einem Arbeitstier, einer Maschine oder einem Menschen ausgeführt wird. Die Gleichstellung von Mensch, Arbeit und Ware löst immer noch heftige Kontroversen aus. Dahinter stehen ja wertvolle und einzigartige Menschen und keine Konsumobjekte, heißt es im mediengerechten Volapük.. Der Mensch sei ja keine Ware! Dahinter ständen ja viele immaterielle Werte, philosophische und religiöse Inhalte, wiederholt man immer wieder. Niemand möchte gern als Wegwerfware oder Einwegflasche betrachtet werden. Der Quantensprung vom Menschen als Krone der Schöpfung zum kurzfristigen Konsumgut wird nur leichten Sinnes im Rotlichtmilieu und für Zeitarbeiter auf der Durchreise vollzogen. Dass die Freelance-Ökonomie das Individuum zu einer Arbeitsmonade macht, dessen Wert in der VUCA-Welt 21 ständig neu bestimmt und vermarktet werden muss, passt einfach nicht in die schöne Welt der Festanstellungen, der sicheren Rente und der sozialen Marktwirtschaft, die schon stillschweigend entsorgt wurde, aber in den Köpfen der Menschen und in den Reden der Volksvertreter weiterlebt. Ein Arbeitsmarketing 2.0, das die Arbeit als Ware und den © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 12


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Menschen dahinter als Marke Ich über die Sozialen Netzwerke vermarktet, ist für viele eine Zumutung und für die meisten Betroffenen eine grosse Herausforderung. Wen betrifft das Arbeitsmarketing 2.0? Jeder zweite Arbeitnehmer wird 2020 aus der Festanstellung in die Freelance-Ökonomie umgestiegen sein. Das behaupten die Prognosen für die US Wirtschaft, die im Gegensatz zur europäischen Wirtschaft im Aufschwung ist.❶ Der Paradigmenwechsel ist schon längst da, behauptet auch die britische Ökonomistin, Lynda Gratton. Nur wollen ihn die meisten nicht wahrnehmen.❷ ❶ „Five Reasons Half of You will be Freelancers by 2020.“ Michel Kaufman.Forbes. February 28, 2014. ❷ „The Shift.“ How the Future of Work is already here.“ Lynda Gratton. 2011.

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Abschnitt 4

Arbeitsmarketing 2.0 Paradigmenwechsel am Arbeitsmarkt Wenn Arbeit eine Dienstleistung und eine Ressource ist, so hat auch sie in der freien Marktwirtschaft einen Wert, der von Angebot und Nachfrage bestimmt wird. Der Wert der Arbeit wird also, mit Ausnahme des öffentlichen Dienstes und der sozialistischen Arbeitswelt, von seinem schwankenden Marktwert bestimmt und wie Wertpapiere und Rohstoffe auf den Märkten gehandelt werden, ungeachtet der Gewerkschafter, die 6,1 Millionen Erwerbstätige in Deutschland vertreten. Davon arbeitet ein Viertel im öffentlichen Dienst. Der Begriff Marketing kam erst im 20. Jahrhundert auf, zu einer Zeit, als der Handel nicht nur Bedürfnisse und Wünsche befriedigen, sondern ständig neue wecken sollte. Marketingtheorien und Strategien füllen inzwischen ganze Bibliotheken und es kommen immer wieder neue hinzu, die die vorigen überflüssig machen. Überflüssigkeit zu vermarkten gehört zum Marketing. Steve Jobs hasste diesen Begriff, war jedoch ein perfekter Marketer, weil er die neuen Trends intuitiv erfasste und pragmatisch vor den anderen Konkurrenten umsetzen konnte. © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 14


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Inzwischen wird auch das Marketing 2.0 überflüssig und soll schnell vom Workforce Marketing verdrängt werden. Es ist die logische Fortsetzung der angewandten Sozialen Medien in der Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts. Wie weit unterliegen die Arbeit und der Wert der Arbeitenden den neuen Marketingstrategien 2.0,❶die sich immer intensiver der Sozialen Medien und Netzwerke bedienen? Facebook will mit BranchOut den globalen Jobmarkt erreichen. XING bewirbt intensiv die neuen Freiberufler und LinkedIn hat unzählige kluge Marketingkonzepte entwickelt, um die lokalen Potentiale auf den globalen Märkten zu verwerten. Mehr dazu in den folgenden Kapiteln. Arbeitsmarketing 2.0 ist jedoch mehr als nur eine neue Dienstleistung oder ein Trendwort. Der Begriff schöpft seinen Inhalt aus den Realitäten des Arbeitsmarkts des 21. Jahrhunderts, der fast alle Werteinheiten der Arbeit neu ordnet. Dazu gehören nicht nur die Arbeitszeit, die Arbeitsverträge oder Bedingungen. Dazu gehören vor allem die Ausbildung, die Qualifizierungen, der Wert der Diplome, die Authentifizierung der professionellen Kompetenzen und eine Zeitschiene, die sich nicht mehr gefällig ausbreitet, sondern immer wieder neu verknüpft werden muss. ❶ 21 Rules For Effective Marketing Strategies. Visualy. 2013

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Abschnitt 5

Im Zeitraffer Welche Veränderungsschübe beschleunigen den Paradigmenwechsel am Arbeitsmarkt? Die Globalisierung, die Webökonomie➊ und das flexible Kapital❷! Was verändern sie am Ende des Stranges, wo der Mensch die Arbeit macht und die Arbeit den Menschen?❸ Der amerikanische Soziologe Richard Sennett hat diesen Prozess schon vor zwei Jahrzehnten anhand von Fallstudien in den USA eindeutig analysiert. Was damals eine Bestandsaufnahme der Veränderungsschübe auf dem amerikanischen Arbeitsmarkt der 80er und 90er Jahre war, erreicht heute das alte Europa, das nicht darauf vorbereitet ist, weil es die Arbeit immer noch mit sozialer Sicherheit verknüpft. Weder die Freelance-Ökonomie noch die harten Fakten des herannahenden TTIP werden von der Gesellschaft als Paradigmenwechsel wahrgenommen. Der bringt jedoch viel mehr als nur die Ablösung der Festanstellung durch prekäre Arbeitsverhältnisse. Er bringt den Wissensarbeiter nach vorn an die Front der Wissensgesellschaft und macht ihn zum letzten homo laborans. Dass die Zukunft den Wissensarbeitern gehört, wiederholen die „Entscheider der Welt“ alle Jahre wieder bei ihrem Treffen in Davos. Es ist eine klare Warnung an all jene, die nicht im © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 16


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globalen Wissensfluss mitschwimmen wollen. Es klingt aber auch nach Belohnung für die Streber der Wissensklasse XYZ, die in der MINT-Liga der Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts mitspielen können. Wird sich aber aus den Arbeitern der Wissensgesellschaft 21 wieder eine einflussreiche Elite entwickeln, nach dem Vorbild der Schreiberkaste zur Zeit der Pharaonen, die aus ihrem Wissen politische Macht und Einfluss schöpfte? Oder werden die Wissensarbeiter der Webökonomie am Ende nur die Plebejer der digitalen, blauen oder grünen Ökonomie sein? Die Plebejer waren zwar die freien Bürger Roms. Ihnen fehlte jedoch der Status der Patrizier und deren Reichtum, um aus ihrem Dasein ein selbstbestimmtes Leben zu machen. Schreiber und Plebejer lebten jedoch in Zeiteinheiten, in denen sich ihr Wissen und der damit verbundene Status über viele Generationen hin entwickelten. In VUCA-Zeiten ist das Wissen kurzfristig und wird von anderen Kräften vorangetrieben: Das flexible Kapital zwingt die Märkte und die Unternehmen in die Kurzfristigkeit. Für die agile Kurzfristigkeit des Kapitals sind alle langfristigen Bindungen hinderlicher Ballast. Die Globalisierung verkürzt nicht nur Zeit und Raum, sie schafft vor allem eine neue Sichtweise. «Die Welt ist flach», so Thomas Friedman, denn die Globalisierung 21 präsentiert sich dank der neuen Ubiquität flach wie eine Landkarte auf den Bildschirmen vor den Augen der Entscheider. Dank dieses permanenten Flachbildes können sie in 3D selbst die kleinsten Knotenpunkte der globalen Vernetzungen gleichzeitig erfassen und simultan lösen.

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Die Webökonomie entwickelt sich aus der digitalen Revolution und deren Folgeerscheinungen. Durch ihre Viralität bringt sie in immer kürzeren Zyklen neue Technologien und Innovationen auf den globalen Markt. Daraus entstehen neue Geschäftsmodelle, neue Unternehmen, neue Bedürfnisse und neue Herausforderungen. Die Produkte der kommenden Innovationswellen werden noch schneller entwickelt, hergestellt und optimal vermarktet werden als die Produkte der Konsumgesellschaft, die nur kurzfristig haltbar und langfristig ruinös sind. Angewandte Kurzfristigkeit im Unternehmensalltag heißt heute just in time und betrifft nicht nur die Logistikbranche, sondern auch alle Dienstleistungsbereiche und die Industrie. Angewandte Kurzfristigkeit ist auch die Dynamik der „Makers“, die die digitale Revolution wieder mit der realen Welt der Erfinder und Tüftler zusammenbringen. Dazu hat Chris Anderson, dem amazon auch das „Long Tail Gesetz“ verdankt, schon 2012 seine Visionen von der neuen industriellen Revolution 21 beigetragen.❹ Die digitale Ökonomie könne nur nachhaltig die Menschheit aus ihrer selbstverschuldeten Sackgasse herausbringen, indem sie das digitale Know-how mit dem Wissen und den Fertigkeiten der Handwerker zusammenbringt. Die immaterielle Webökonomie, mit ihren Business 2.0 Geschäftsmodellen generiere zwar riesige immaterielle Werte, aber keine Lösungen mehr. ❶ Webökonomie oder auch digitale Ökonomie ❷ Das flexible Kapital. Der Begriff stammt von Richard Sennett. „Die Kultur des neuen Kapitalismus Berlin-Verlag,“ Berlin 2005. Das Buch basiert auf Vorlesungen des Autors im Rahmen der Castle Lectures in Ethics, Politics, and Economics an der Yale University im Sommer 2004.

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Dazu auch: "Wir müssen die Arbeit umverteilen" DIE ZEIT. 9.7.2011 ❸ Arbeit wird in den meisten europäischen Staaten mit „sozial“ verbunden: Bundesministerium für Arbeit und Soziales. ❹ „The Makers. The New Industrial Revolution.“ Chris Anderson. 2012. Mehr...

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Abschnitt 6

Das magische Dreieck 2.0 Selbstmarketing. Workforce Marketing. Proaktives Arbeitsmarketing Die Priorität schlanker Strukturen wurde zur Mantra der Unternehmensberater der 60er Jahren und ist es noch heute. Doch erst die neue Kurzfristigkeit macht sie wirklich alternativlos. In der VUCA Welt ist es betriebswirtschaftlich klüger, auf temporäre Mitarbeiter zurückzugreifen, anstatt langfristige Arbeitsverhältnisse zu unterhalten. Jeder zweite Erwerbstätige wird in den nächsten Jahren vor der Alternative stehen, sich entweder als Zeitarbeiter oder Leiharbeiter von einer Zeitagentur vermarkten zu lassen oder zu versuchen, als Solo-oder/und Serial-Entrepreneur, Honorararbeiter, Freelancer, virtueller Mitarbeiter im glokalen Wettbewerb zu Aufträgen und Arbeit zu kommen. Das sind die Prognosen für die USA, wo die Wirtschaft langsam wieder aus ihrer strukturellen Schieflage herauskommt. Und wie steht es in der EU? Die Sozialen Netzwerke für Business haben aus dem Paradigmenwechsel in der Arbeitswelt ein magisches Dreieck entwickelt, aus dem sich auch eine ganz neue Dynamik entwickeln soll.

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1. Selbstmarketing für die Millionen Elementarpartikel der Erwerbstätigen im Freelance, die im lebenslangen Lernprozess und auf Dauerakquise sind. Was für Künstler und Freiberufler wie Architekten schon längst selbstverständlich ist, gilt künftig für alle Erwerbstätigen in der Selbstständigkeit. 2. Workforce Marketing für die Millionen Kleinunternehmen, die sich in immer kürzeren Abständen auf dem VUCA Mark mit neuen Produkten und vor allem neuen Strategien orten müssen, 3. Arbeitsmarketing 2.0 ist ein proaktives Personalmanagement aller Unternehmer in den Sozialen Medien und mit deren Strategien. Dazu gehören auch immer mehr Big Data. Was bedeutet dieser Wechsel für den individuellen Erwerbstätigen, der künftig frei, aber ständig auf Akquise ist und mit seinen immateriellen Werten die Abnehmer überzeugen will? Wissensarbeit ist nicht sichtbar, in vielen Fällen nicht greifbar, muss aber sichtbar und begreifbar gemacht werden, damit der Anbieter auch zeitgerecht findbar wird. Diese immateriellen „Alleinstellungsmerkmale“ müssen auch in immer kürzeren Abständen angepasst, überholt oder komplett ausgewechelt werden, weil ja alles nur noch kurzfristig haltbar ist. Für seine permanente Selbstvermarktung braucht der individuelle Jobsucher auf Lebenszeit neben seiner professionellen Expertise viel digitales und virales Know-how. Auch die klassischen Marketingkonzepte wie Branding, SWOT-Analyse, Vermarktungs-Strategien, Wettbewerbsvorteile, ein flexibler Marketing Mix und die zielgerechte Segmentierung © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 21


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müssen auf das Personal Branding und Selbstmarketing des selbsttätigen Freelancers heruntergebrochen und ständig gepflegt werden. Mit einem professionellen Selbstmarketing versucht der Einzelne in der Freiberuflichkeit, den Anschluss an die Realitäten der Arbeitsvermarktung 2.0 zu behalten. Wo laufen all die vielen Fäden zusammen? Auf den Sozialen Netzwerken für Business, für ein besseres Arbeitsleben oder für Profis! Das sind die drei Slogans, mit denen LinkedIn, XING und Viadeo ihre virtuellen Messehallen anbieten. Auf einen Ausstellungsstand dort können weder die KMU noch die Freelancer künftig verzichten, denn die Sozialen Netzwerke für Business haben sich inzwischen auch zu informellen Kontoren gemacht. Das Workforce Marketing ist eine ganz neue Business Solution. Es soll das Qualitätsmanagement 2.0 mit dem Personal-Management der KMU in Einklang bringen und ist absolutes Neuland für die meisten Unternehmen und Mitarbeiter. Hier warden mehrere Bereiche gleichzeitig vernetzt und Grenzen überschritten. Das verlangt von den Unternehmern sowie von den Mitarbeitern ein konsequentes Umdenken und viele neue Kompetenzen. Kapitel 5 ist dieser komplexen Terra Nova gewidmet. Ein proaktives Arbeitsmarketing gibt den kleinen agilen Unternehmen der Webökonomie die Möglichkeit, mit geringer Stammbelegschaft und einem soliden Netzwerk von temporären Mitarbeitern auch größere Projekte durchzuführen. Sie müssen nur im Vorfeld, proaktiv nach passenden Kompetenzen suchen und wissen, wo sie diese in Echtzeit bekommen können und zu © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 22


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welchem Preis. Die Großunternehmen halten es ebenso und setzen dafür schon die entsprechende Big Data Software ein. Wie aber entsteht der Mashup zwischen dem VUCA-Jobmarkt und den Sozialen Netzwerken wie LinkedIn, BranchOut (Facebook), Viadeo und XING? Letztere haben sich ganz ungezwungen in den neuen Freiräumen zwischen dem alten Arbeitsmarkt und dem neuen mobilen, agilen und flexiblen Jobmarkt eingerichtet und wurden zur Interface zwischen den Unternehmen und den Millionen Jobund Arbeitsuchenden, die grenzübergreifend arbeiten wollen. Hier sind alle gleich: Alle sind Unternehmer, ob sie Selbstunternehmer, Kleinunternehmer oder Großkonzern heißen. Ihre Beziehungen werden zu kurzfristigen Geschäftsbeziehungen und eigentlich ist ja alles (wieder) sehr einfach geworden. Darum fördern LinkedIn, Viadeo und XING auf ihren Plattformen die Selbstvermarktung, Workforce Marketing und proaktives Arbeitsmarketing 2.0 und vermarkten dabei gleichzeitig ihr eigenes Firmenbranding und ihre vielen Dienstleistungen.

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KAPITEL 2 Vom Mythos Arbeit

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Abschnitt 1

Das Ende aller Werte Arbeit als Befreiung? Das Wort Arbeit bleibt im Deutschen historisch und philosophisch vorbelastet. Doch auch travail oder labor werden weiter mythisiert und regelmässig noch einmal alljährlich am 1. Mai gefeiert, obwohl es eigentlich keinen Grund mehr zum Feiern gibt. Die traditionellen Aufmärsche sind eine Farce und die offiziellen Reden werden zu einem rituellen Spiegelgefecht, das niemand mehr ernst nimmt. Hauptsache, der Tag der Arbeit bleibt weiter arbeitsfrei. Der Arbeitskampf ist auf der Arbeitnehmerseite schon verloren und das wissen alle. Über die Bedeutung und den Sinn der menschlichen Arbeit haben Soziologen und Philosophen in den vergangenen Jahrhunderten schon viel geschrieben: Arbeit als Zwang, Arbeit als Freiheit, Arbeit als Selbstverwirklichung, Arbeit als unersetzbarer Sozialisierungsprozess, Arbeit als Werteinheit, Arbeit als Wertschätzung oder Arbeit als gestohlene Zeit und Entfremdung. Dass die Arbeit keine Ware sein darf, versuchen einige Gewerkschafter noch immer zu widerlegen und die Parteien zu Wahlzeiten wieder mediengerecht aufzubereiten. Bei jeder industriellen Revolution steht neben der Forderung nach mehr Freiheit die konkrete Frage der Arbeit. In der Französischen Revolution stand hinter den Forderungen nach © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 25


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liberté, égalité Arbeitsfreiheit.

auch

das

Bedürfnis

nach

unbegrenzter

Es ging der Masse nicht so sehr um die Meinungsfreiheit oder gar um Demokratie. Viel wichtiger war den Menschen damals, den Arbeitsmarkt vom lästigen Zunft- und Ständezwang und den vielen unzeitgemäßen Regeln zu befreien, die bei einer wachsenden Bevölkerung Millionen Menschen zu Tagelöhnern, Vaganten oder zu Migranten machten und in den wachsenden Städten zu Engpässen führten. Die Zersprengung der traditionellen Ständegesellschaft war das eigentliche Werk der ersten politischen Revolution der Neuzeit. Nicht die Vertreibung der Adligen oder der Kirchenfürsten brachte frischen Wind in die alten Strukturen, sondern die Befreiung der Arbeit von den Zunftzwängen. Durch diesen Paradigmenwechsel konnten sich die Erfindungen, Ideen und Innovationen des 18. Jahrhunderts im 19. Jahrhundert erst frei entfalten. Plötzlich entstanden ganz neue Kompetenzraster und Berufsbilder. Die erste industrielle Revolution im 19. Jahrhundert zerstörte allerdings Jahrzehnte später Millionen Arbeitsplätze in den Werkstätten der Handwerker, was Josef Schumpeter als notwendige „schöpferische Zerstörung“ betrachtete. Sie verlängerte jedoch allmählich die Lebenserwartungen der Zeitgenossen. Im 19. und 20. Jahrhundert wurde die Festanstellung oder sogar die Lebensstellung in einem Unternehmen oder innerhalb einer Institution zum Inbegriff der sozialen Sicherheit. Sie verschaffte den Zugang zum stetigen Wohlstand.

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Das 20. Jahrhundert schuf den Salaryman, den Archetyp des Angestellten, der im Anzug und mit Aktentasche jeden Tag ins Büro fährt und damit einen sozialen Status bekommt, aber Arbeiten macht, deren Sinn und Zusammenhang er nicht mehr überschaut. Er trägt zwar einen Anzug und ein weisses Hemd, macht sich auch nicht mehr die Hände schmutzig. Trotzdem war auch dieser Wissensarbeiter nur ein Prozessvollzieher. Eigeninitiative, Kreativität und selbstbestimmtes Arbeiten passten jedoch nicht ins Prozessmanagement, das alle deutschen Unternehmen freudig von den amerikanischen Vorbildern übernommen haben. Sie beruhen alle auf dem Mythos des energischen Managements, das bedingungslose Unterwerfung seitens der Belegschaft fordert. Auch damit ist es in der VUCA-Welt vorbei. Komplizierte und langatmige Prozesse werden schnell von den Technologien überholt. Mobile Mikrostrukturen erfordern ein konsequentes Umdenken. Der Salaryman ist ein Auslaufmodell. Ende des 20. Jahrhunderts dezimierte die Automatisierung zuerst die Arbeiterklasse und einige Jahrzehnte später die Kaste der Büroangestellten. Millionen Jobs verschwanden vom Arbeitsmarkt und Millionen Jobs entstanden ein Jahrzehnt später durch die digitale Revolution und ihre Kinder. Sie gehören zur Generation der Makers, der Entwickler und Vernetzer von Ideen und Ansätzen, die die Technologien immer weiter voran treiben. Was das Business 2.0 im Einzelhandel schon revolutioniert hat, war nur der Anfang der Webökonomie. Auch die Industrie 4.0 ❶ wird weiter Arbeitsplätze zerstören. Der

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Wettlauf mit den Machinen, so die MIT-Forscher Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee,❷ ist schon verloren. Der homo laborans muss sich neue Arbeiten und Aktivitäten suchen, bei denen er sein humanes Alleinstellungsmerkmal beweisen kann und die nicht von Maschinen gemacht werden können. Das gilt für das untere Segment der Handwerker oder Handarbeiter ebenso wie für das mittlere Segment der Wissensarbeiter. Ihr Wissen ist nicht nur durch das Internet und die Beschleunigung gefährdet, es ist gar nicht mehr gefragt. Ein Beispiel hierfür sind die zur Zeit noch heiß begehrten und hoch dotierten SEO-Analysten: Ihr Jobprofil gab es vor fünf Jahren noch nicht und in spätestens in fünf Jahren werden sie nicht mehr gebraucht. Entweder Google‘s Software oder die lernenden Maschinen machen alles besser, schneller und billiger. Die neuen Kommunikationstechnologien, allen voran die Algorithmen, die sie mit ermöglichen, haben aber noch eine andere immaterielle Effizienz: 1. Sie überholen in ihrer Beschleunigung auf ganz unblutige Weise Regeln, Bestimmungen und Gesetze, die langsam und oft mühselig entstanden und in Demokratien nicht mehr so leicht abzuschaffen sind. 2. Sie entwickeln sich in Freiräumen, die von den Gesetzen gar nicht erfasst werden. Der Arbeitsmarkt wurde nämlich von der Politik und der Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten entgrenzt und zum gesetzlichen Vakuum, in dem sich das Neue einrichten konnte. © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 28


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Die Technologien schaffen schneller neue Tatsachen, als das Bewusstsein der Zeitgenossen sie begreifen und die Gesellschaft sie in ihre Strukturen einarbeiten kann. Das zeigt sich besonders am Arbeitsmarkt, wo alles nur eine Frage des Angebots und der Nachfrage ist. Sie bestimmt die Machtverhältnisse und die Entlohnung. Nur wird der viel zitierte Seltenheitswert bei steigenden menschlichen Ressourcen und intelligenten Maschinen immer flüchtiger und ungewisser. ❶ Die 4. industrielle Revolution. Zukunftsmanager 3/2012 ❷ March of the Machines. Andrew McAfee & Erik Brynjolfsson. MIT, Januar 2012. pdf ❸ EU Freizügigkeitsgesetz 2005.

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Abschnitt 2

Überholt auf freier Strecke Was hat sich am Arbeitsmarkt verändert? Eigentlich alles. Er ist nicht mehr zentralisiert und überschaubar, sondern dezentralisiert, komplex und konfus. Er folgt nicht mehr festen Regeln, sondern wurde systematisch dereguliert, auch in Deutschland, wo 2003 die Hartz-Reform schleunigst Millionen Arbeitscheue zurück auf den Arbeitsmarkt bringen sollte. Darum hat Deutschland heute mit die höchste Beschäftigungsrate in Europa und ist gleichzeitig Champion in der Liga der Billiglöhner und der Zeitarbeitervermarktung. Sein Partner Frankreich dagegen ist Vabanque-Spieler der Sozialleistungen, Champion des gesetzlichen Mindestlohns, hat aber die höchste Arbeitslosenrate in Europa. Beide Länder jedoch importieren massenweise Billiglöhner aus den Nachbarländern, damit ihre Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben. Die Freizügigkeitsregulierungen und der Zustrom der Arbeitsmigranten aus aller Welt machen es möglich. Die Arbeit ist in vielen Bereichen nicht mehr lokal, sondern glokal bestimmt. Die nationalen Arbeitsbestimmungen wurden durch transnationale Direktiven❶ ersetzt, die nur die wenigsten

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kennen, einige kräftig nutzen und andere den Job kosten. Arbeit heißt inzwischen Job. Aber mit Job bezeichnete man im Englischen des 14. Jahrhunderts einen wertlosen Klumpen, der mühselig von einem Ort zum anderen geschoben wurde. Kein Politiker würde hierzulande öffentlich von Jobmarkt sprechen, obwohl Arbeitsämter schon lange Jobcenter heißen und 100 000 Angestellten in den institutionellen Arbeitsagenturen bundesweit einen Job garantieren. Ihre Mitarbeiter (ver)zweifeln schon seit längerem an dem Sinn ihrer Arbeit. «Der Arbeitsmarkt ist ein Ort, wo die Nachfrage mit dem Selbstangebot der Arbeitenden formell oder informell zusammentrifft», so Wikipedia. Aber an welchem Ort trifft heute das Selbstangebot der Arbeitenden mit der Nachfrage zusammen? In den Jobcentern? In den Stellenanzeigen der Tageszeitungen? Bei Wissensarbeitern wird ja schon die Kompetenzbeschreibung zu einem Origami. Was bedeutet heute das working for a better life (XING) auf einem flüchtigen, ungewissen, komplexen und schwankenden Arbeitsmarkt, der von kurzfristigen Strategien bestimmt wird und was ist eigentlich ein Freiberufler auf dem Arbeitsmarkt 21? ❶ EU Freizügigkeitsrichtlinie

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Abschnitt 3

Der atomisierte Arbeitsmarkt Mit Netz und doppeltem Boden Mit Ausnahme der 20 deutschen Spitzenunternehmen, die nur noch knapp 5% der Erwerbstätigen direkt beschäftigen, werden Unternehmen in kleine Einheiten zerlegt und so abgespeckt, dass oft nur noch die Führungsebene und die Kernaktivitäten übrig bleiben. So sind sie mobil, flexibel, schlank und auf den VUCA-Märkten immer agil. Und was ist die Folge? Es ist noch lange nicht das Ende der Arbeit ❶ wie es der amerikanische Ökonomist Jeremy Rifkin vor zwanzig Jahren angekündigt hatte, aber der Arbeitsmarkt geht weltweit mit Riesenschritten auf die 20:80 Gesellschaft zu, in der nur noch 20% einen sicheren und gut bezahlten Job haben, der sie ein Leben lang begleitet. In den USA arbeitet laut offizieller Zahlen schon jeder dritte im Freelance. Inoffiziell liegt die Rate wahrscheinlich viel höher, nicht nur in den USA. Mit dem permanenten Fitnesszwang der Unternehmen hat sich der Arbeitsmodus in den letzten Jahrzehnten überall verändert. Aus langfristig wird kurzfristig und aus Festangestellten werden temporäre Mitarbeiter, Zeitarbeiter, Leiharbeiter, Selbstunternehmer, Ich-AGler, Freelancer, Zuarbeiter oder Hybride. Hybride sind nicht nur die Studenten mit Nebenjobs, sondern auch die vielen Scheinunternehmer, Selbstständigen

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mit Teilzeitverträgen und freischaffende Journalisten, Dozenten, Kreative, die aufstocken oder Teilzeitstellen mit digitaler Heimarbeit verbinden und die slashers. Slashers haben gleich mehrere Kompetenzen, die sie gleichzeitig oder abwechselnd ausüben. Je nach Nachfrage und oft aus Neigung. Das verschafft diesen neuen Freelancern mehr Freiheiten und bringt sie nicht unbedingt in die Abhängigkeit von Online-Jobbörsen. Immer mehr Unternehmen lagern interne Prozesse aus und umgeben sich mit einem lockeren Netz aus temporären Mitarbeitern, die zeitnah und marktgerecht je nach Auftragslage beschäftigt werden. Die Industrie braucht zwar weiter dringend Fachkräfte. Da aber gerade temporäre Wissensarbeiter immer häufiger spezifische und hochaktuelle und vor allem ständig aktualisierte Kompetenzen mitbringen müssen, gehen die Unternehmen dazu über, auch diese qualifizierten Wissensarbeiter, Manager und Projektleiter auszulagern oder nur noch mit befristeten Werkverträgen hinzuzuziehen. Die Großunternehmen jedoch haben den permanenten Zugriff auf die global worker, die die Kompetenzen 2.1 aufbringen. Sie können sie sich auch da beschaffen, wo sie am preisgünstigsten sind. Aber auch die kleinen und mittleren Unternehmen benötigen zunehmend Fachkräfte, die digital fit sind und aktuelle Fachkenntnisse mitbringen. Wenn sie in der 4. Industriellen Revolution dabei sein wollen, brauchen sie dafür die passenden Experten, die schon die Kompetenzen im Vorfeld einsatzbereit mitbringen. Für die kommende Industrie 4.0 ist aber das Bildungssystem im endgültig im Verzug und die Unternehmen

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werden sich diese Kompetenzen woanders beschaffen müssen. Wo findet ein Kleinunternehmer in Eberswalde qualifizierte Mitarbeiter, um die technologischen Potentiale der Industrie 4.0 in seinem Unternehmen zügig umzusetzen? Sicher nicht beim örtlichen Jobcenter, sondern überregional, grenzübergreifend im Schmelztiegel der globalen Vernetzungen. So erklärt sich auch der Widerspruch zwischen den stagnierenden Arbeitslosenzahlen und den dringend gesuchten Fachkräften, die es aber nur jenseits der veralteten Strukturen gibt. Das sind seit einem Jahrzehnt die Sozialen Netzwerke für Business und im Internet. Auf diesen virtuellen Business-Foren gibt es außerdem all das, was im Arbeitsalltag der Kurzfristigkeit abhanden kommt, aber alle immer dringender brauchen: Netzwerken, Kontakte pflegen, auf dem Laufenden bleiben! Netzwerke und Wissensaustausch wurden nicht von der Webökonomie und den Sozialen Netzwerke für Business erfunden. Geschäftsbeziehungen entwickelten sich schon immer durch den regelmässigen Austausch von Informationen und Meinungen und vor allem im zwanglosen, aber konstanten Dabeisein. Der Arbeitsmarkt des 20. Jahrhunderts wurde nach dem europäischen Debakel zügig an die amerikanischen Managementtheorien angepasst. Auch die Sozialen Netzwerke für Business enthalten das smarte Denken und Handeln des American Way of Living and Working.❸ Die Business Communities 2.0 der Sozialen Netzwerke sind im Gegensatz zu den traditionellen Business-Netzwerken, Clubs und Verbänden public domain. Ihre Türen sind immer offen für all jene, die sich von den Begriffen wie business, professional, © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 34


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und working life betroffen fühlen. Es weht ein Hauch von Freiheit und Gleichheit und die Brüderlichkeit wird durch den „community spirit“ ersetzt. Es sind eigentlich die Merkmale der Zeiten im Umbruch. Alles scheint möglich, zugänglich und leicht und machbar. Mit diesen Komponenten entwickelt sich auch das informelle Arbeitsmarketing 2.0 und die Sozialen Netzwerke für Profis haben daraus ein Milliardengeschäft entwickelt. ❶ Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft. Jeremy Rifkin. 1995. Der Originaltitel ist jedoch viel eindeutiger: „The End of Work: The Decline of the Global Labor Force and the Dawn of the Post-market Era.“ ❷ Schlanke Produktion wird die Welt verändern. SPIEGEL Special 3/1991 ❸ Working the American Way. Robert Day. 2005.

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Abschnitt 4

Arbeitsnomaden To Go Der flexible Jobber Die Zukunft der Arbeit gehört den Arbeitsnomaden, sofern das Wort Zukunft für sie noch Sinn macht, denn Arbeitsnomaden leben nur noch in kleinen Zeitfenstern. Dieser Arbeitsnomadismus ist global und grenzenlos wie das flexible Kapital➊, dessen Komparsen die unbegrenzte Bewegungsfreiheit und Gleichzeitigkeit sind. Wie sehr das flexible Kapital den Arbeitsmarkt, das Leben der Einzelnen und der Gemeinschaft binnen einer Generation verändert hat, wurde von Richard Sennett anhand von Fallstudien in den USA der 90er Jahre beschrieben:»The Corrosion of Character. The Personal Consequences of Work in the New Capitalism» Die Kapitalmärkte brauchen die unbegrenzte Freiheit. Dank der EU-Deregulierung des EU Arbeitsmarkts sollten auch die Menschen mehr Handlungsfreiheit und viel mehr Spielräume bekommen, so die EU-Kommissare 2004. Offiziell wollten sie liberalisieren und damit den Austausch von Waren und Dienstleistungen von den nationalen Zwängen befreien. Dabei entstand die Arena eines transnationalen Konkurrenzkampfes, wo nicht nur Produkte, Unternehmen, sondern auch Menschen © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 36


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miteinander auf dem Arbeitsmarkt konkurrieren. Es ist ein klarer Wettbewerbsvorteil für die Unternehmen in Billiglohnbereichen in der Agrar- und Nahrungsmittelindustrie, im Dienstleistungsund im Baugewerbe. Sie können sich billige Arbeitskräfte aus aller Welt beschaffen. In Dienstleistungsbereichen, wo eher Wissensarbeiter benötigt werden, wird gern mit Praktikanten und Aufstockern jongliert. So arbeiten viele Akademiker wie Tagelöhner zu Stundensätzen, für die sich kein Handwerker bemühen würde. «L’Horreur économique» nannte schon Viviane Forrester 1996 in ihrem gleichnamigen Essay die neuen kleinen Zeiträume, in denen der Einzelne verkapselt und nach Gebrauch entsorgt wird. Damals wurde ihre Analyse als abstruser Zukunftspessimismus zerrissen. Sie war nur Essayistin und nicht ChefökonomIN bei irgendeinem Konzern oder renommierten Wirtschaftsinstitut. Dafür hatte sie jedoch die Freiheit, auch politisch unbequeme Fakten öffentlich formulieren zu können. Damals, vor knapp 20 Jahren, wurden sie von den Experten als haltlose Schwarzmalerei zerrissen. ➊ Richard Sennett. Der flexible Kapitalismus. Berlin 2005. Hier in pdf ➋ Viviane Forrester. „L’Horreur économique.“ Edition Fayard 1996.

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Abschnitt 5

Die klammheimliche Revolution „..nur kein Aufsehen erregen!“ Wie kam es zu der schleichenden Zerlegung des sozialen Arbeitsmarktes unter Ausschluss der Öffentlichkeit und mit der schweigenden Duldung der Sozialpartner und der Betroffenen? Indem man schon in den 80er Jahren begann, still und diskret das ganze Betriebssystem der Unternehmen auszuwechseln, lange bevor Peter Hartz 2003 in Deutschland den Arbeitsmarkt umkrempelte und Frits Bolkestein den EU-Arbeitsmarkt in den Transitverkehr brachte. Beide galten als Vordenker und Vorreiter der Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts. Peter Hartz wurde für seine Demontage der kontraproduktiven Verhältnisse auf dem deutschen Arbeitsmarkt mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet und Frits Bolkestein bekam für seine Freizügigkeitsdirektiven den Doctor honoris causa an mehreren europäischen Universitäten. Weniger Bürokratie, flache Hierarchien galten auch bei der Belegschaft als fortschrittlich und innovativ. Dass damit auch die Reduzierung des Mitarbeiterstamms auf einen kleinen Kern verbunden war und betriebsinterne Bereiche auf eine

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segmentierte Zulieferkette verteilt wurden, war dem Management klar. Betriebswirtschaftlich sind diese Prozesse logisch und überzeugend. So kam klammheimlich die Revolution auf dem Arbeitsmarkt in der westlichen Welt voran. Natürlich gab es auch lokale verzweifelte Protestaktionen seitens der Belegschaften, wenn wieder einmal eine größere Produktionseinheit stillgelegt oder ein Unternehmen geschlossen oder verlegt wurde. Bei diesen Gelegenheiten konnten die Beschäftigten noch als Masse auftreten und ihren Unmut und ihre Ratlosigkeit vor den Kameras ausdrücken. Aber diese momentane, mediale Aufmerksamkeit änderte nichts an den Fakten. Wenn das Unternehmen nicht mehr rentabel oder die Arbeit woanders billiger ist, muss es verschwinden. Die Konzerne sind dabei die größten Gewinner und die aktivsten Jobkiller. Die Auslaufmodelle der Massenproduktion werden weiter durch kleine Produktionsarchipele ersetzt und möglichst auf die ganze Welt verteilt, überall dort, wo die Nachfrage steigt. Die Absatzmärkte und Produktionsstätten zusammenzulegen, um somit auch den CO2-Ausstoss zu reduzieren, ist ein bestechendes umweltfreundliches Argument. Dafür gibt es sogar noch Subventionen. Außerdem sind die Auflagen für die Verwendung von Ressourcen, Humanressourcen inbegriffen, in den Schwellenländern immer unternehmensfreundlicher als in den sozialen Marktwirtschaften Europas. Den größten Vorteil hat jedoch das obere Management: „Inselketten sind von oben her viel überschaubarer als kompakte

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Silos oder Pyramiden,“ so Peter Drucker❶. Die Meilensteine dieser klammheimlichen Umkehrung aller Werte markieren nicht nur den lautlosen Übergang in den temporären Modus. Auch in den kleinen semantischen Feinheiten erkennt man die Demontage aller sozialen und legalen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts auf dem Arbeitsmarkt 21: ▪ 2002 brachte die Ich-AG böse Schlagzeilen und galt als Unwort des Jahres. ▪ Zehn Jahre später wurde daraus ein Solo-Unternehmer, ohne dass irgendjemand nachgefragt hätte, welche Konsequenzen das mittelfristig für den Einzelnen und den Sozialstaat haben könnte. ▪ Seit fünf Jahren nimmt der virtuelle Mitarbeiter einen immer größeren Platz in den Unternehmen ein❷. ▪ Die unfreiwillige Zeitarbeit betrifft inzwischen schon etwa fünf Millionen Erwerbstätige in Deutschland. Über die steigende Zahl der Freiberufler freuen sich die Regierung und der BDI. Freiberufler liegen dem Staat und den Unternehmen nicht mehr auf der Tasche. Zudem sind sie besonders kreativ, innovativ und umtriebige Leistungsträger und Lösungsfinder, um selbst zu überleben. Dass die meisten der neuen Selbstständigen nur das letzte Glied einer Kettenreaktion sind und als Mikrounternehmer ziemlich allein auf freiem Feld kämpfen, steht jenseits der guten Nachrichten.

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❶ Peter Drucker. „Managing for the Future.“1992. ❷ Mitarbeiter anleiten, die sich nie treffen. Zeit-Online 1.7.2012

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Abschnitt 6

Schlafwandler & early adopters Aufbruchzeiten In Veränderungsphasen erfassen die Zeitgenossen am wenigsten den Paradigmenwechsel, der sich vor ihren Augen vollzieht. In ihrer täglichen Enge könnten die meisten Menschen komplexe Veränderungsprozesse in Echtzeit gar nicht begreifen, weil es dafür in ihrem Gehirn weder Vorlagen noch Anknüpfungspunkte gibt. Außerdem funktionieren die traditionellen Modelle und Raster ja noch weiter und bleiben offensichtlich erfolgreich. Gerade das erschwere ein radikales Umdenken, so Thomas Kuhn. Die deutsche Automobil- und Rüstungsindustrie boomen weiter, während die Zeichen schon auf der 4. Industriellen Revolution stehen. Europa hätte das Wissen und die Möglichkeiten, um Vorreiter und Marktführer in der blue, green und orange economy sowie der 4. Industriellen Revolution (Internet der Dinge) zu werden. „Veränderungsprozesse überfordern die meisten, sodass sie sich auf Gemeinplätze fokussieren und ein hypertrophisches Bedürfnis nach Gewissheiten haben.“ So beschrieb auch der österreichische Philosoph und Schriftsteller Hermann Broch („Die Schlafwandler“,1932) die Unfähigkeit der meisten Zeitgenossen, sich von den vertrauten Denkmodellen © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 42


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loszulösen, sobald sie im Unterbewusstsein Veränderungen wahrnehmen, die sie nicht sofort begreifen. „Je größer die Ungewissheit, und die Komplexität der Zusammenhänge, desto stärker wird der Drang, sich auf kleine, überschaubare Zusammenhänge aus der Welt von gestern zu beschränken,“ so Hermann Broch in „Pasenow oder die Romantik“, 1932. Das erklärt auch, warum die Wunschunternehmen der jungen Deutschen wie BMW, Audi, VW und Daimler immer noch ganz oben stehen. (Kapitel Open End/Abschnitt 7) Paradigmenwechsel seien, so Hermann Broch und Thomas Kuhn, entweder die Sternstunde der Demagogen oder die der frühen Anwender, die in ihrem Gehirn den Quantensprung vollbringen und aus den neuen Technologien und den Umbrüchen entweder viel Macht oder viel Geld schöpfen. Manchmal beides. Steve Jobs, Bill Gates wie die frühen Anwender aller industrieller Revolutionen setzten neue Technologien und Erfindungen in lukrative Geschäftsmodelle um. Dabei profitierten sie auch von den Leerräumen, die gleichzeitig Freiräume sind, um ihre Monopole aufzubauen. Die ersten Kunden der von Adam Opel 1862 erfundenen mechanischen Nähmaschinen waren zwei kleine Stoffverkäufer in Paris, die sofort die Bedeutung dieser Erfindung erfasst und den Mut hatten, sie zu kaufen. Sie waren keine Schneider und ziemlich mittellos. Das war der Beginn der Konfektionskleidung und der großen Pariser, Wiener und Berliner Kaufhäuser, die © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 43


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viele neue Berufe, tausende von Stellen schufen und dabei die Dynamik und die Ökonomie der Städte veränderten. Die schlesischen Weber dagegen, in einer Genossenschaft vereint, hätten vielleicht rechtzeitig jene mechanischen Webstühle erwerben sollen, die wenig später ihre Arbeit wertlos machten und sie ins Lumpenproletariat von Berlin trieben. Aber dafür fehlten ihnen die Visionen und das Verständnis der Veränderungsprozesse. Beide trennen die Gewinner von den Verlierern in Paradigmenwechseln. Thomas Kuhn hatte seine Arbeiten 1962 veröffentlicht, Jahrzehnte bevor die Internet-Revolution als Massenphänomen ankam, aber im gleichen Jahr schon in einem MIT-Memorandum „Intergalactic Computer Network“ von J.C.R. Licklider in ihrer potentiellen Tragweite beschrieben wurde. Für den Philosophen Hermann Broch, den Ökonomisten Josef Schumpeter und den Wissenschaftler Thomas Kuhn führt das Unverständnis der neuen Zeit- und Raumgesetze zur Unfähigkeit, die Zukunft anders zu denken. Diese Analysen stammen aus der Zeit vor der Internet-Revolution und nach der ersten und zweiten industriellen Revolution in Europa als sich die politischen und ökonomischen Veränderungsschübe noch über mehrere Jahrzehnte hinzogen. Warum ist diese Verdrängung der neuen ökonomischen und gesellschaftlichen Umbrüche gerade im 21. Jahrhundert so heikel? Die digitale Revolution schob Raum und Zeit zusammen und verkürzte die Zwischenzeiten der Veränderungswellen, sodass die Übergangs- und Anpassungszeiten immer kürzer werden. Ob sie in den kurzen Zwischenräumen mehr Arbeit © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 44


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schafft als sie zerstört, wird seit den Arbeiten von Andrew McAfee und Erik Brynjolfsson❺ heftig diskutiert. Für Schlafwandler und Nachzügler wird die Zeit immer knapper. Die Zeit wozu? Um sich anzupassen. ➊ Thomas Kuhn. Struktur der wissenschaftlichen Revolutionen. 1962. ➋ Hermann Broch. Die Schlafwandler. 1932. 
 ➌ Joseph Schumpeter. Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. 1912. ❹ Charles Frederick Worth. ❺ „Why Workers are losing the War against Machines.“ Erik Brynjolfsson, Andrew McAfee. The Atlantic. Octobr 26, 2011.

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Abschnitt 7

Anders denken Die Webökonomie ist überall Alle Bereiche der Wirtschaft arbeiten heute direkt und indirekt mit den neuen Kommunikationstechnologien. Selbst der Landwirt arbeitet mit Geolocation Software, denn er kämpft seit Jahren mit den VUCA-Märkten und muss ständig neu aufrüsten. Ob in Unternehmensdienstleistungen, im E-Commerce, in der Logistik oder im Gesundheitswesen, überall kommen Software, Hardware und das Internet zum Einsatz, beschleunigen Prozesse und reduzieren Kosten, Arbeitszeit und Personal. Die Webökonomie betrifft also nicht nur die Business 2.0-Bereiche, sondern erfasst alle ökonomischen Transaktionen der Gegenwart, überall und gleichzeitig. In Afrika werden Transaktionen einschließlich Online-Banking über das Handy, Satelliten und verschiedene Zwischenstationen erledigt. Ganze Kohorten werden in wenigen Stunden für den europäischen Arbeitsmarkt zusammengestellt und eingeschleust. Nicht alle kommen gut an, aber aus der Masse beziehen die Mittelsmänner der Schwarzarbeit immer noch genug Arbeitskräfte für die Baustellen, Küchen und Sexfabriken der ganzen Welt. Gleichzeitig vollzieht sich der Übergang von der post-market era in die on-demand era, auch neben den © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 46


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industriellen Vorzeigemodellen, wie die deutschen Top10. Hinzukommt die schnelle Entwicklung des Internet der Dinge (IoT). Intelligente Maschinen arbeiten besser und schneller. Die Mehrheit der Erwerbstätigen wird somit mit dem Blick aus den oberen Chefetagen überflüssig und bestenfalls kurzlebiges Produktionsmaterial, mit begrenzter Verwertbarkeit. Solange sie noch kurzfristige Profite erwirtschaften, sind sie Teil der Produktionsprozesse. Sobald es jedoch kostengünstigere Lösungen gibt, werden sie ausgesondert. Das ist das Erfolgsgeheimnis der Textilbranche, der Bauunternehmer, der Nahrungsmittelindustrie und der Automobilindustrie. Sie wissen schon heute, dass sie die Arbeitnehmer von heute morgen komplett auswechseln werden. Diese Trends gehen aber noch nicht in die Richtung der Massenarbeitslosigkeit, zumindest nicht in Nordeuropa. Jobs wird es weiter geben. Im DA-CH werden auch immer wieder neue Jobs geschaffen, vor allem in der Dienstleistungsbranche. Die Arbeitslosigkeit sank in Deutschland, aber die Zahl der Festanstellungen ging ebenfalls zurück. Nach der Finanzkrise 2008 wurden in den USA massenhaft Stellen abgeschafft. Kurze Zeit später ging das Geschäft weiter, business as usual. Das Jobwunder bestand aus FreelanceJobs. Proaktive Wissensarbeiter sehen in dieser strukturell bedingten Freistellung eine Chance, endlich selbstorganisiert leben und arbeiten zu können. Die Frage, wie komme ich zu Aufträgen, ist für sie bereits geklärt. Anstatt ihre Kreativität, Innovation, ihr

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Wissen und ihre Energie in Unternehmen einzusetzen, versuchen sie sich selber dahin zu orientieren, wohin sie die VUCA-Welt spätestens in fünf Jahren bringen wird. Sie sind sich der kurzfristigen Haltbarkeit ihres Wissens bewusst und bereits in der Mehrwissensgesellschaft angekommen. Auf dem Weg dahin haben sie Worte wie sicher, Sicherheit, Versicherung oder Absicherung endgültig aus ihrem Vokabular gestrichen. Nichts ist sicher, und schon gar nicht die Arbeit, aber vieles wird wieder machbar. Es ist die Zeit der „Makers“. In der VUCA-Ökonomie sollte man deshalb mehrere Instrumente beherrschen. Galt in den letzten Jahrzehnten das Multitasking noch als potentieller Dilettantismus oder Engpassgenerator, so hat die VUCA-Welt die Debatte zwischen hochspezialisierten Experten und slashers❶ de facto entschieden. Die slashers der Generation 1,2,3 haben verschiedene Kompetenzen, üben sie oft gleichzeitig aus und finden in diesen vielfältigen Aktivitäten ihre Sicherheit in der Freiheit. Sie wissen, wo sie die Jobs finden und nutzen die Sozialen Online-Plattformen für Business professionell, d.h. suchmaschinenoptimiert. Diese kleine Minderheit hat den Paradigmenwechsel bereits für sich genutzt. Sie sind die early adopters der VUCA Arbeitswelt, die sie nicht verändern wollen und können, aber an die sie sich individuell oder in Mikrostrukturen anpassen. Den Paradigmenwechsel haben sie bereits konsequent vollzogen und ihre professionelle Zeitlinie aus Fraktalen beweist Resilienz und nicht etwa professionelle Unbeständigkeit. Das passt nicht

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mehr in das Kompetenzraster der üblichen Stellenprofile und stört. Auch das ist neu: Anders denken und handeln in Mikrostrukturen mit Mikrostrategien statt in Grossunternehmen oder Organisationen mit Best Practice Prozessmanagement. ❶ Slashers: Der Begriff kommt aus dem Englischen und kommt von (slash=/) Er bezeichnet die Erwerbstätigen, die verschiedene Kompetenzen besitzen und damit mehrere Tätigkeiten ausführen. Er ist in Deutschland noch nicht gebräuchlich, aber in Frankreich, Italien und anderen EU-Staaten schon im Umgang. ❷ Thomas Kuhn. „Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen“. Suhrkamp, Frankfurt am Main. 1967. ❸ Wie sehen die Unternehmen der Zukunft aus? Pavan Sukhdev. Heinrich Böll Stiftung.11.12.2013.

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KAPITEL 3 Auf den Schultern von Riesen

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Abschnitt 1

Im Sandkasten des Arbeitsmarketings 2.0 Die Welt ist flach Die Webökonomie➊ oder auch digitale Ökonomie hat weder Theoretiker noch Lehrmeister. Sie entwickelte sich schnell und empirisch in den letzten Jahrzehnten aus den Kommunikationstechnologien des letzten Jahrhunderts, die sich gegenseitig immer wieder neue Impulse geben. Dabei erfüllten sie den Menschheitstraum von Gleichzeitigkeit und Allgegenwärtigkeit (Simultanität und Ubiquität). Die Kommunikationen und der Handel profitierten zuerst davon, denn fortan konnten sie in ganz anderen Größenordnungen arbeiten und handeln. Simultanität und Ubiquität sind die Komponenten der Globalisierung. Die großen global players können auf den flachen Bildschirmen den weltweiten flow zwischen den globalen Finanz- und Wirtschaftsarchipelen live verfolgen, proaktiv handeln und in Echtzeit eingreifen. In der «flachen Welt der Globalisierung» wird alles sichtbar, greifbar und vor allem begreifbar, soThomas Friedman in seinem gleichnamigen

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Buch❷. Die Geschwindigkeit ist die dritte entscheidende Komponente: Das High Frequency Trading oder auch Algorithmen-Trading❸ entwickelte sich zur Wunderwaffe der Finanzwelt. Die Hochgeschwindigkeit der Datenübertragung (HFT) und der Druck des flexiblen Kapitals brachten die Weltwirtschaft in die Finanzkrise von 2008, viele Staatsfinanzen in die Insolvenz und den globalen Arbeitsmarkt endgültig in die VUCA-Wirklichkeit. Zwischen dem entgrenzten Arbeitsmarkt und dem grenzenlosen Kapital besteht eine direkte Verbindung, die bislang nur dem flexiblen Kapital und den frühen Anwendern der Webökonomie wie Google, Facebook, amazon und LinkedIn direkt profitiert: Allgegenwärtig, überall gleichzeitig und im Algorithmen-Tempo konnte es sofort im Sekundentakt aus materiellen und immateriellen Werten neue Zuwachsraten generieren: «Sie begann gestern, verändert sich heute und wird morgen schon wieder ganz woanders sein,» so beschrieb Robert Darnton die Internet Revolution und ihre Folgen. «Sie zwingt uns alle, die Perspektive zu wechseln und uns anzupassen. Es ist erst der Anfang.» Das gilt vor allem für den Arbeitsmarkt. ❶ Web economy is thriving but it‘s only the beginning. Joanna Shields. Daily Telegraph, Nov. 30, 2013. ❷ Thomas Friedman. The World is Flat. ❸ Algorithm Trading

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Abschnitt 2

Kettenaktionen Auf den Schultern der anderen Die ökonomischen Folgen der Internet-Revolution beruhen weitgehend auf den Kapazitäten der Algorithmen und ihrer potentiellen Viralität. Sie ermöglichen die Datenkonzentration, ihre virale Vernetzung und Speicherung. Google, amazon, ebay, Facebook und auch das LinkedIn-Gründerteam entwickelten daraus früh Geschäftsmodelle mit globaler Reichweite zu Monopolen, die unendlich erweiterbar und einträglich sind.❶ Dass man mit dem Long Tail und dem Netzwerkeffekt mehr Geld verdienen kann als mit Autos und Hardware, war vor knapp zehn Jahren auch den renommiertesten Ökonomisten in Europa nicht geläufig. Die Webökonomie, das Business 2.0 und die Kollateralentwicklungen des Internets der Dinge und der Industrie 4.0 sind die konsequente Weiterführung von „Capitalism and Freedom“ (1962) und „Free to Choose“ von Milton Friedman (1980) mit einer Prise „Wikinomics“ und ein paar Tropfen „Socialnomics“ im theoretischen Überbau. Dass diese neuen Kommunikationstechnologien zusammen mit den Management-Theorien der 80er und 90er Jahre, den Algorithmen und dem HFT in kürzester Zeit auch den Märkten

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und vor allem den Arbeitsmärkten einen ganz neuen Rhythmus und eine globale Reichweite geben würden, überzeugte nur eine kleine Minderheit zwischen MIT und Stanford Ende in den 90er Jahren, als Bill Gates den PC auch in alle Haushalte brachte und die Mikroprozessoren und die Webbrowser die schnelle grenzenlose Datenübertragung weltweit ermöglichten. Diese unterschwellige digitale Revolution stellt zwei pragmatische Probleme der Arbeitsvermarktung: Wie und wo kommt das Angebot zeitgerecht und marktgerecht zur Nachfrage? Dabei geht es nicht nur um die kostengünstigste Personalbeschaffung in den Agrar-, Lebensmittel-, Hotel- und Bauunternehmen, sondern um hoch qualifizierte Wissensarbeiter, die digital fit, fachlich kompetent, vielsprachlich, mobil, flexibel und agil sind und in sich schon die Ansätze der nächsten Revolutionswellen tragen. Wo und wie werden sie gefunden, wenn man sie just in time und auch nur dann kurz- oder mittelfristig braucht? Sicher nicht auf dem Arbeitsamt. Es gibt kein Arbeitsamt der Webökonomie, aber dafür inzwischen viele Online-Plattformen, die grenz- und sprachübergreifend an der Jobvermarktung mitverdienen wollen. Sie haben sich alle sehr smarte englische Marketingnamen zugelegt, die aber immer die Realität der Zielgruppen ansprechen: experteer, stepstone, freelance.com, odesk, elance usw. Die schwerfälligen nationalen Arbeitsagenturen waren noch nie © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 54


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effizient. Betriebswirtschaftlich sind sie ruinös und volkswirtschaftlich ist ihr ROI unbedeutend. Darum verlangte die FDP schon 2005 die Abschaffung dieser „nationalen Umverteilungsmaschine von Arbeitslosengeldern.“ Inzwischen sind sie von der digitalen Revolution und der Webökonomie endgültig überfordert und von den Fakten überholt worden. Die Sozialen Netzwerke für Business und Jobvermarktung jedoch stellen auf dem Jobmarkt des 21. Jahrhunderts zeitgerechte modulare Leistungen bereit, wie Suchmaschinenoptimierung, informelle Interaktion, UGC (User Generated Content) und Viralität und dazu immer neue Dienstleistungen. Hier bekommt alle ihre eigene Vitrine, in der das Personal Branding, das Firmenimage, das Alleinstellungsmerkmal vermarktet werden dürfen. Unternehmen können hier aktives Workforce Marketing und proaktives Arbeitsmarketing 2.0 einsetzen und dabei auch ständig an ihrem Arbeitgeberprofil feilen. So könnte manches Unternehmen sein lädiertes oder unprofessionelles Image aufhübschen. Warum sonst wollen so viele junge Studenten lieber für den Staat arbeiten als in die freie Wirtschaft zu gehen? Aus Angst vor der Zukunft und Unbehagen den Unternehmen gegenüber. In den Sozialen Netzwerken für Business, die sich seit 2009 gezielt im Social Media Recruiting positionieren, bekommen Jobsuchende die Gelegenheit, sich professionell als Experte oder als kreative Lösungsfinder zu vermarkten. Hier dürfen sie beweisen, wie aktiv sie in der Wissensgesellschaft des 21.

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Jahrhunderts unterwegs und wie gut sie in der globalen Webökonomie vernetzt sind. Alle dürfen auf den Sozialen Plattformen für Business mitspielen und Strategien, Software, Tipps und Tools ausprobieren. Sie können sich im SEO und Ranking versuchen, Netzwerke aufbauen und jeden Tag etwas Neues ausprobieren. Nebenbei sollen sie auch gleich zeigen, dass sie ein aktives Mitglied der Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts sind und die vier Grundkomponenten beherrschen: Digitale Fitness, immer auf den Wellen der Innovationen und neuen Ideen surfen, virale Effizienz und vor allem Content Creator, d.h. die Fertigkeiten, selber professionelle Inhalte zu erstellen und zu kommunizieren. ❶ The LinkedIn Growth Engine: The Never Ending Viral Loop. ❹ Webökonomie. in pdf zu allgemeinen Verständnis. (Englisch) und dazu die Broschüre vom BMWI 2013.

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Abschnitt 3

Bedarfserregend & bedarfsgerecht In Motion Die Webökonomie lebt im und vom permanenten Erneuerungsprozess. Für ihre schnellen Zyklen braucht sie nicht nur kreative und innovative Erfinder und agile Investoren mit viel Venture Capital, sie braucht vor allem Menschen, die digital fit, viral aktiv, lokal und global denken und selbstbestimmt weiterlernen können, und zwar im Tempo der Veränderungsprozesse: Makers & Doers, Entwickler, Erfinder, Unternehmer, grassroot innovators. Das ist auch das Fazit der Palo Alto Studie, The Re-working of „Work“: „Die Webökonomie kann nur noch mit Menschen arbeiten, die sich ständig neu positionieren.“ Dieses Fazit gehört mit zum virtuellen und informellen Ausleseverfahren der Webökonomie. Unterschwellig ist es schon auf allen Sozialen Plattformen für Business aktiv. Dort treffen sich ja die Profis, wie es so schön in der Werbung heisst. Im Englischen und Französischen werden diese digital workers als vital forces bzw. forces vitales bezeichnet. In Deutschland spricht man lieber von Leistungsträgern, was nicht unbedingt dasselbe bedeutet, auf einer ganz anderen Ebene liegt und © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 57


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einen anderen Blickwinkel bedingt. Diese „Leistungsträger“ sind etwa 20% der weltweit 4,5 Milliarden Erwerbstätigen 2020. Sie sind gut ausgebildet, agil im Kopf, mobil im Raum, flexibel in der Zeit und sind deshalb die Zielgruppe der Sozialen Netzwerke mit professionellem Hintergrund. Die Webökonomie verändert besonders ihre Arbeitsstrukturen, indem sie ● dezentrales und simultanes Zusammenarbeiten im virtuellen Raum mit glokaler Sichtbarkeit und Erreichbarkeit ermöglicht und voraussetzt; ● selber den rapiden Innovationsschüben der Internet-Technologien unterliegt❶; ● das Internet der Dinge❷ beschleunigt. Big Data und HFT vernetzen Daten, Informationen und Wissen besser, schneller und sicherer als die Menschen und sind viel effizienter als die Human Intelligence Task Force. Prekäres Arbeiten und die Vermarktungsregeln der VUCA Welt 2.0 zur Norm macht. Viele Millenials und die Nachgeborenen mit den Kompetenzen 2.1 betrachten das als ihre große Chance. Überall, wo die Webökonomie und die Globalisierung❸ jungen gut ausgebildeten Menschen die Möglichkeit bietet, vorort Veränderungsprozesse zu beschleunigen und sich selber damit in den globalen Workflow zu bringen, fangen die Sozialen Netzwerke diese Potentiale auf. Ob sie vorort wirklich etwas verändern können, hängt dann von den lokalen Machtverhältnissen und der Interessenpolitik ab. Das ist den

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Sozialen Medien aber egal. Politische oder soziale Anliegen sind für sie eher geschäftsschädigend. Wichtig für die Plattform-Betreiber wie LinkedIn oder BranchOut ist, direkt auf diese vital forces zugreifen zu können und sie in ihr Angebot aufzunehmen. Damit können sie ihre glokale Reichweite vergrößern. Je größer ihr Angebot, desto mehr zahlungskräftige Firmenkunden kommen nämlich auch auf die Plattform. Diesen Firmenkunden werden dann viele zusätzliche Dienstleistungen im Arbeitsmarketing 2.0 angeboten, wie zum Beispiel SEO, Big Data Analyse, das Workforce Marketing, elearning und noch viel mehr. Die Großkonzerne brauchen das ja alles nicht. Sie haben einerseits ihre eigenen Kompetenzcluster weltweit verteilt und sind schon länger auf den flüchtigen, unsicheren und komplexen Märkten zuhause. Dort können sie sich direkt die notwendigen Humanressourcen marktgerecht beschaffen und im Workforce Marketing lokal und global einsetzen. Grosskonzerne sind auch nicht die relevante Zielgruppe des Sozialen Netzwerke für Business. Sie brauchen Social Media nur für ihr Marketing ihre PR und HR. Doch die kleinen und mittleren Unternehmer, die als Zulieferer für die Grossunternehmen und als direkte Arbeitgeber von ca. 70-80% der Erwerbstätigen auf den globalen Marktplätzen unterwegs sind, müssen sich immer öfter und schneller „frische Humanressourcen beschaffen“.❸ Proaktives Arbeitsmarketing 2.0 wird für sie also zur Priorität. Sie benötigen es für ihr eigenes Firmenbranding und ihr CRM 2.0, wo sie auch das Workforce Marketing mit einsetzen können, vor allem wenn sie neu auf dem Markt sind und weder © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 59


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Branding noch Online-Reputation haben. Die immer kürzeren Veränderungsschübe der VUCA-Welt und der digitalen Innovationen sind somit für die kleinen und mittleren Unternehmen eine doppelte Herausforderung: Sie dürfen den Anschluss an die technologischen Entwicklungen nicht verpassen und brauchen dafür gleichzeitig eine ganz neue Personalpolitik. Darauf setzen LinkedIn, XING und Viadeo. Da dieser Kundenstamm exponentiell wachsen und zahlen wird, ist auch ihr Geschäftsmodell nachhaltig. ➊ Beyond The Information Revolution. Peter Drucker.1995.
 ➋ Unit and Ubiquitous Internet of Things. Huansheng Ning. CRC Press 2013.

❸ The Globalization of Markets. Theodore Levitt. HBR May 2000.

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Abschnitt 4

In Transition Panta rhei Die Revolution auf dem lokalen und globalen Arbeitsmarkt begann in den 80er Jahren in den USA, teils durch massive Markteinbrüche, teils durch Missmanagement wie bei IBM, Dell, GM. Gefördert wurde sie aber vor allem durch die Lean-Management-Strategie, die aus Mammuts viele kleine Leoparden machen sollte. Dabei wurden Prozesse und Daten konzentriert und beschleunigt und Großunternehmen in Insellandschaften zerlegt. Aus Silos und Pyramiden wurden Archipele, die viel besser und leichter überschaubar sind - von oben, wohlgemerkt. Die neuen Office-Technologien, die Microsoft gleichzeitig auf den Markt brachte, machten Millionen Angestellte überflüssig. Jeremy Rifkin hat 1995 eine erste Bilanz dieser ersten Zerstörungswelle gezogen und sich damit auch gleichzeitig viele Feinde gemacht, sowohl im neoliberalen Lager als auch in den Kreisen der Keynesianer. Mit der simultanen Datenübertragung im Internet befreiten sich die Unternehmen außerdem von den Zwängen der lokalen Arbeitsmärkte und den Machtkämpfe mit den Gewerkschaften.

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Streiks oder Personalknappheit waren plötzlich keine überzeugenden Verhandlungsargumente mehr. Der starke Arm der Arbeiterklasse kann vielleicht Maschinen und Roboter zerstören, ist aber kraftlos gegen die immaterielle Software einerseits und die Konkurrenz aus den Billiglohnländern andererseits. Das Internet und die neuen Kommunikationstechnologien geben dem Management den Vorteil der absoluten Ubiquität ➊. Die Manager und Entscheider bekamen auf einmal den globalen Überblick über die VUCA Welt, die für die Arbeitnehmern ganz unten immer unübersichtlicher wird. Anders als in den reichen Industrieländern der EU, wo die Bevölkerungen weiter mit Wahlparolen wie «Unsere Arbeit ist sicher» von der Realität ferngehalten wurden, haben die Amerikaner in den 80er Jahren schon den massiven Stellenabbau arbeitsintensiver Bereiche erfahren und sich schnell anpassen müssen. Der Harvard-Professor Theodore Levitt zeigte 1983 das ökonomische Ausmaß dieser globalisierten Märkte.❷ Aus der Fragmentierung der Unternehmenslandschaft in immer kleinere Einheiten entstand binnen einer Generation die Freelance- Ökonomie, die in den USA 2014 schon 53 Millionen Wissensarbeiter beschäftigt.❸ ➊ „Ubiquity. Mobility. Security. The Future of The Internet,“ Volume 3. By Harrison Rainie, Janna Quitney Anderson, Susannah Fox.2009. ❷ “The Globalization of Markets“. Theodore Levitt. HBR. May 1983. ❸ 53 mio. Americans are freelancing. Huffington Post. September 4, 2014.

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Abschnitt 5

Empathisch. Polyvalent. Open! Verlinkt sein ist alles LinkedIn ist Erfinder, Entwickler und Marktführer im Arbeitsmarketing 2.0 und entstand aus der Konvergenz technologischer Potentiale, ökonomischer Fakten und dem steigenden Netzwerkbedürfnis der Millionen Einzelkämpfer auf dem Jobmarkt. Diese Soziale Plattform kam 2003 mit dem Untertitel „for business“ auf den Markt und brauchte immerhin zehn Jahre, um von 0 auf 300 Millionen Mitglieder zu kommen. Heute ist es ein virtuelles Raumschiff mit vielen Zwischendocks und so gut konzipiert, dass es wahrscheinlich erst mit dem Big Data Recruiting, dem Web 3.0 Business und der Industrie 4.0 auf Hochtouren kommen wird. ➊ Die gewollte empathische Ambivalenz liegt schon in der Semantik: Die Arbeitswelt wird zur Businesswelt und in dieses Kofferwort passt so ziemlich alles, was mit Geld, Professionalismus und Arbeit zu tun hat: Geschäftliches, Entrepreneurship, Managertum, Jobs, Interessenpolitik, Innovation, aber bloß keine Arbeits- und Sozialgesetze oder gar Arbeitskonflikte. Auch wenn die Arbeit knapp und die Jobsuche für immer mehr Erwerbstätige eine Existenzfrage wird, die Businesswelt der © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 63


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Sozialen Netzwerke ist ein neuer Kontinent der unbegrenzten Möglichkeiten, wo jeder seine Chance hat, Neuqualifizierung inbegriffen. Versager gibt es hier nicht, auch keinen Junk, sondern nur vital forces mit optimaler manpower. For Business klingt schön knackig präzis, ist zeitgemäss unverbindlich und bleibt deshalb genau so ambivalent wie der Begriff Social Networking. Aus dieser Empathie entwickelten die Sozialen Netzwerke ihre Marketingstrategie. Allen soll hier das Gefühl der grenzenlosen Freiheit, der entgrenzten Räume, der Vielfalt und Offenheit vermittelt werden. Auf Facebook sind ja fast alle. LinkedIn interessiert jedoch nur die vital forces. Das sind die 20% der arbeitenden Menschen weltweit: Unternehmer, Manager, Wissensarbeiter mit Expertise und den Kompetenzen 2.1, haufenweise Arbeitsvermittler, Freiberufler, Startups, Hochschulabsolventen und Selbstständige. Damit aber niemand meint, es sei nur ein elitärer Verein oder ein Business-Club für Manager, steht neben der Offenheit auch das virtuelle peer2peer-Verhältnis. Alle sind herzlich willkommen, solange sie ihre Daten an der Garderobe abgeben und sich oben freimachen. Die empathische Ambivalenz soll Vertrauen schaffen, wo bisher immer noch großes Misstrauen vorherrscht, denn LinkedIn will von den Mitgliedern auch die professionellen Daten gratis und im endlosen Loop (das 12 Punkte Programm!) bekommen. Ein smartes Branding mit einem Boss in T-Shirt und Turnschuhen reicht da nicht mehr als Bedenkenkiller. Die © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 64


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Zielgruppen von Business-Netzwerken sind zudem keine egozentrischen Teens, sondern Businessmen/women, die einen zusätzlichen Mehrwert wollen und Prestige und Qualitätsansprüche stellen, wenn sie dafür zahlen sollen. Nach dem Paretoprinzip wäre eine Soziale Plattform mit so einer engen Zielgruppe ein Risiko. Warum ist LinkedIn als Soziales Netzwerk trotzdem erfolgreicher als Facebook? Weil auf einem professionellen Netzwerk für Arbeitsvermarktung viel mehr aktive Nutzer sind als auf Facebook, die professionelle Daten und Informationen kommunizieren! Durch ihr aktives Mitmachen versprechen sie sich nämlich mehr Businesskontakte, ein besseres Ranking und vielleicht Prestige. Inzwischen ist LinkedIn Liebling der Finanzmärkte und Bestandteil der i-Reputation und des Arbeitsmarketings 2.0 von Millionen Unternehmen, Startups und Freiberuflern geworden. ❷ Als Business 2.0 und Geschäftsmodell wuchs dieses Soziale Netzwerk jedoch jahrelang als kurioses Mauerblümchen im Schatten der Giganten Google und Facebook, weil die multiplen Anwendungen den meisten Nutzern gar nicht klar waren. Dieses Unverständnis erklärt auch die verhältnismässig geringe Mitgliederzahl im DA-CH, ▪ wo die Unternehmens- und Geschäftswelt regional und traditionelle Geschäftskontakte bevorzugt, ▪ die Internetpräsenz 2.0 für viele KMU eine Baustelle bleibt, ▪ Internet für die Politiker ein Neuland ist, ▪ Big Data und Datenschutz sich neutralisieren. In den USA und den Arbeitsmärkten im Umbruch erweist sich © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 65


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dieses Zusammenströmen vieler gleichzeitiger Entwicklungen in einem neuen Geschäftsmodell als Ausweg aus der Sackgasse für die Millionen Freelancer und Kleinstunternehmen, wobei sich hier die Grenzen oft verwischen. Diese Sozialen Netzwerke sind die Business-Lösung just in time der Freelance-Ökonomie. ➊ Reid Hoffman (CEO of LinkedIn) on the Future of Jobs & Social Data Revolution. Error! Hyperlink reference not valid. 26.06.2009. ❷ LinkedIn is 10 years old.Here is the story of how it changed the way we work.

Ken Yeung, 05/05/2013. TNW

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Abschnitt 6

Ideenkonfluenz Auf dem Floß der Medusa Die Social Media Online-Plattform für Business wurden auch immer notwendiger für die hoch qualifizierten Erwerbstätigen, die von den Unternehmen freigesetzt und von den traditionellen Jobagenturen gar nicht mehr vermittelbar sind. Für sie gibt es nur noch im Freelance und als Selbstunternehmer ein tätiges Weiterleben. Nur so können sie noch ihre Kompetenzen vermarkten. Viele versuchen sich als Geschäftsleute, verwirklichen ihren Traum vom Yoga-Studio, Coffeeshop mit oder ohne Buchladen. Nur wenige erreichen den break-even point und viele stocken im Freelance auf. Sie sind inzwischen Millionen und bilden das Kontingent der neuen Freelance-Ökonomie, die gleichzeitig zum Karpfenteich der kommerziellen Online-Plattformen für Freelancer wird. Bis in die 90er Jahre fehlten jedoch die technologischen Erfindungen, um das globale Überangebot an Humanressourcen einerseits mit dem lokalen Bedarf oder Mangel an Arbeitskräften andererseits zu verknüpfen. Wesentlich war dabei, alle Daten simultan von überall her in Echtzeit zugänglich zu machen. Manpower besaß zwar seit den 80er Jahren schon das Monopol © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 67


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der Vermarktung der Zeitarbeit, schaffte aber nicht den rechtzeitigen Quantensprung in die MSP-Dynamik und die schöne neue Welt der Algorithmen.➊ Außerdem ist Manpower eine Zeitagentur, die im unteren Segment des Arbeitsmarktes genormte Jobs bedarfsorientiert vermittelt. Die Sozialen Plattformen für Business sind überall gleichzeitig präsent und entgrenzen die Jobvermarktung, nicht nur geografisch oder sektoriell, sondern auch strukturell und organisatorisch. Sie können auch bedarfserregend wirken. Dank der MSP fangen sie alle und alles simultan und überall auf: Passive und aktive Stellensucher und Anbieter, Daten und Informationen. Es fehlte nur noch ein überzeugendes Marketingkonzept und der „offene“ Rahmen, um wertvolle Daten von den Mitgliedern zu bekommen, und zwar umsonst und reichlich. Das LinkedIn-Gründerteam hatte schon früh❷ erkannt, dass man aus einem Sozialen Netzwerk und Online-Portalen viel mehr machen kann als nur ein Web-Dazibao oder einen Chatroom mit Werbekanälen 2.0, wie es Facebook weltweit durchsetzte. Die Vermarktung der Arbeit wird nämlich in der VUCA-Welt des 21. Jahrhunderts zu einer viel nachhaltigeren Einkommensquelle für jene, die die komplexe Realität technologisch verarbeiten und schnell ihre Monopolstellungen sichern. LinkedIn war hier nicht nur Vorreiter, sondern hat heute mit 300 Millionen Nutzerprofilen die globale Vormacht (China ausgenommen) im Jobmarketing 2.0, bleibt aber offiziell ein Soziales Netzwerk für Business. Facebook versucht seit 2008, sich mit BranchOut auf

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diesem Markt zu positionieren. Der LinkedIn-Untertitel for business klingt unverfänglich und unverbindlich. Er benennt jedoch sofort die Zielgruppe und erklärt die Absicht: Es ist ein Soziales Netzwerk, aber for Business People Only! Teens, Spanner oder Spammer, Lurker und Surfer sollen sich woanders austoben. Außerdem wird auf Sozialen Netzwerken für Business ein klares Profil und eine professionelle Aussage verlangt. Authentizität steht auf der Hausordnung und Transparenz soll Vertrauen aufbauen. Natürlich darf jeder auch in einem Sozialen Netzwerk für Profis bleiben, sogar unter einem Pseudonym, ohne Profil und Foto. Er ist dann halt nur Staffage und outet sich als Netztrottel. Für Suchmaschinen existiert ein Profil ohne relevante Inhalte gar nicht. ➊ Multi-Sided Platforms: From Microfoundations to Design and Expansion Strategies Andrei Hagiu. hbs

edu, 2007.

❷ LinkedIn Start-up Story. Connecting the Business World. CNN Money. Fortune Small Businesses. How we started. 09.06.2011.

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Abschnitt 7

Die Lösungsfinder Augmented Workflow 2.0 Was hat diese Ideenkonfluenz aus Stanford Ende der 90er Jahre also geschaffen? ▪ Auf der ersten Ebene ein Netzwerk, das die potentiellen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auffängt, ihre Daten vernetzt und im JYMBII Messaging (Jobs you may be interested in) direkte Jobempfehlungen auf die Homepage der Jobsuchenden stellt. ▪ Auf der zweiten Ebene öffnet die virale Jobbörse ihre Türen, wo Headhunter, HR-Agenturen oder Unternehmen schnell dezentrale und projektbezogene Teams zusammenstellen, Fachkräfte anwerben und potentielle Experten näher beobachten können. ▪ Darüber schwebt die Metaebene im virtuellen Raum der Big Data der Businesswelt,❶ wo lokale Phänomene mit globalen Trends vernetzt und aus Mikrostrukturen Informationen für Makrostrukturen herausgefiltert werden. Dieses Arbeitsmarketing 2.0-Modell wurde eines der erfolgreichsten Geschäftsmodelle der entmaterialisierten

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Webökonomie. Es ist für KMU, Solounternehmer und für Manager jeder Art ein Beispiel für Design Thinking ❷ und die Durchsetzung der Idee in ein einträgliches Geschäftsmodell mit vielen Erweiterungspotentialen. Dafür wurde einer der vier Mitgründer, Reid Hoffman, 2011 mit dem Preis Entrepreneur des Jahres 2011 ausgezeichnet. Was machte sie so erfolgreich? Sie haben nur Ideen und die schon vorhandenen technologischen Möglichkeiten weitergedacht und sie auf Bereiche ausgeweitet, in die diese Technologien noch nicht vorgedrungen waren. In der Jobvermarktung gab es noch keine digitalen Mitstreiter und somit auch einen geringeren Konkurrenzdruck. In den 90er Jahren konzentrierten sich die Thinks Tanks in Silicon Valley auf andere Geschäftsmodelle wie zum Beispiel Online-Games, die viel lukrativer schienen. Es war an sich ein Risiko, aber auch ein Beispiel dafür, wie man in der entmaterialisierten Ökonomie Bedürfnisse schafft und gleichzeitig dafür die Lösungen zukunftsorientiert und unendlich erweiterbar entwickelt. Somit entstand das Portal für eine überregionale Vermarktung der Arbeit mit vielen neuen Dienstleistungen 2.0, und zwar für alle potentiellen Teilnehmer im Arbeitsmarketing 2.0. Dieses Novum schlug nicht wie eine Bombe ein, sondern begleitet Schritt für Schritt die klammheimliche Revolution auf dem globalen Arbeitsmarkt. Inzwischen gibt es viele Kopisten. Das Geschäftsmodell passt zudem genau in die Business-Welt der VUCA-Zeit und kann außerdem die neuen geopolitischen und technologischen Fakten zeitnah mit einarbeiten. © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 71


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In der Webökonomie kann so die Arbeit kostengünstig zu den Menschen kommen, sofern das Internet mit von der Partie ist und die Menschen digital fit sind und vernetzt denken. Das entspricht genau dem Profil jener Wissensarbeiter, die die Webökonomie und die Wissensgesellschaft 21 braucht.❸ Für Jeremy Rikfin sind die Wissensarbeiter und die Manager die Überlebenden der digitalen Revolution. Dazu gehören auch die Millionen gut ausgebildeter Arbeitskräfte aus den Schwellenländern, die den globalen Arbeitsmart bereichern: 600 Millionen zusätzliche Millenials❹ mit hohem ökonomischen Mehrwert strömen auf den globalen Arbeitsmarkt 2020, wo zwar die alten Gesetze von Angebot und Nachfrage weiter herrschen, doch lokale Engpässe wie in Deutschland oder Brasilien nur durch diese entgrenzten Online-Plattformen überwunden werden können.❺ Nicht alle Unternehmen können sich nämlich eine Antenne in Kairo, Tunis oder Kiew leisten, aber sicher eine Profilseite auf LinkedIn, BranchOut oder XING. Der chronische Facharbeitermangel erleichtert es so den hiesigen Unternehmen kostengünstige Wissensarbeiter aus den vielen Krisengebieten zu holen, und zwar auf die smarte Weise, nämlich Innovativ, intelligent und individuell im proaktiven Arbeitsmarketing 2.0. ✍ ❶ Big Data 2.0. The Next Generation of Big Data. Gagan Mehra. VB News. 28.12.2013. ❷ Design Thinking ist eine neuartige Methode zur Entwicklung innovativer Ideen in allen Lebensbereichen. Entwickelt von David Kelley, dem Gründer der weltweit agierenden Design-Agentur IDEO, basiert das Konzept auf der Überzeugung, dass wahre Innovation nur dann geschehen kann, wenn starke multidisziplinäre Gruppen sich zusammenschließen, eine gemeinschaftliche Kultur bilden und die Schnittstellen der unterschiedlichen Meinungen und Perspektiven erforschen. Quelle: HP Institut Potsdam. Dazu auch der Artikel in hbr

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❸„The Mysterious Art and Science of Knowledge Worker Performance.“ Thomas H.Davenport, Robert J. Thomas, Susan Cantrell. MIT Sloan Management Review, October 15, 2002. ❹ Prognose zur Entwicklung der Weltbevölkerung ❺ The New World of Work. Mark A. Lanfear.. Kelly White Papier. 2012.

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KAPITEL 4 Social & Business

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Abschnitt 1

Supernova Arbeitsmarkt

am

Phänotypen 2.0 der VUCA-Welt Alle Sozialen Netzwerke mit professionellem Hintergrund richten sich an Menschen, die neben ihren Fachkenntnissen auch professionell im Web 2.0 kommunizieren können. Nur sie erstellen Inhalte, in denen die Suchmaschinen weiter herumstöbern können und die andere vielleicht gut finden und weiterleiten. Aber alle Sozialen Netzwerke leben vom Inhalt, denn so entsteht der social loop.❶ Trotzdem sind auch auf XING, LinkedIn, Viadeo Millionen blinde Passagiere mit dabei. Sie sind der virale Beifang. Für die Profis jedoch dürfte «Think different. Think Web!» mehr als nur ein Slogan sein. Vernetztes Denken und Handeln gehört mit zum survival kit❷ der VUCA-Ökonomie, zum Selbstmarketing 2.0 und zum Workforce Marketing. Für die Wissensarbeiter der Generationen XYZ sind die Hardware und Software Teil ihres tätigen Lebens geworden. Im kollaborativen und kooperativen Social Learning❸ bekommen sie Zugang zu aktuellem Wissen im Wandel und können ihr © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 75


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eigenes regelmässig aktualisieren. Die Wissensgesellschaft 21 ist zwar großzügig, liberal, offen im Geist, aber gnadenlos in der Praxis. „Yes we can!“ ist mehr als nur ein flacher PR Slogan der Obama Kommunikation. Er ist Teil des American Way of Life and Working und ...alternativlos. Jeder kann! Jeder kann sich heute nicht nur als Profi, sondern vor allem als Experte in der digitalen Wissensgesellschaft profilieren. Wo? Auf den Sozialen Netzwerken für Business & better working life. Sie haben sich zur ersten professionellen Referenz in der globalen Business-Welt gemausert. In der VUCA-Ökonomie bekommen die Sozialen Netzwerke für Business als Informanten der Online-Jobmakler oder Personalvermittler immer mehr Zulauf❹. So wurden sie innerhalb eines Jahrzehnts zum informellen globalen Umschlagplatz der Wissensarbeiter. Die Erklärung liegt nicht nur im Social Media Hype. Auch die Fakten der VUCA-Welt fördern ihren Erfolg: ❺ ▪

Die Zahl der Arbeitssuchenden auf dem glokalen JobMarkt steigt ständig und gleichzeitig ihre Bereitschaft zu Mobilität, Flexibilität.

▪ Die Atomisierung der Unternehmenslandschaft schreitet weltweit voran. Die multinationalen Konzerne bauen in allen Regionen die Zulieferketten der Subunternehmen weiter aus. ▪ Einerseits konzentrieren sich somit die globalen Transaktionen in den Händen weniger Multis, die immer mächtiger werden und sich die Märkte jenseits der Kartellämter aufteilen. Andererseits zerbröseln sie auch ihre

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Zulieferketten nach dem Archipelsystem in immer kleinere Einheiten. ▪ Größere Unternehmen ersetzen Festangestellte durch temporäre Mitarbeiter oder lagern sie in Subunternehmen aus. ▪ Gleichzeitig steigt auch der Bedarf der Unternehmen in den Industrie- und Schwellenländern, zeitnah die passenden Teams temporärer Mitarbeiter auf dem globalen Arbeitsmarkt zusammenzustellen: Die neuen Technologien erfordern neue Kompetenzen, für die vielerorts ein systemischer Fachkräftemangel herrscht und in allgemeiner Bildungsnotstand. So wurden aus den 39 Millionen Nutzern der LinkedIn-Plattform 2003 zehn Jahre später 300 Millionen Mitglieder weltweit. Auch wenn LinkedIn in Deutschland noch immer eine schwache Resonanz hat (mehr dazu in Kapitel 9), wächst diese Supernova am Arbeitsmarkt 21 überall dort, wo Aufbruchstimmung herrscht und wo die vielen kleinen Dienstleistungen als Chance und nicht als Risiko angesehen werden, wie zum Beispiel die direkte Coursera-Verlinkung, In den Schwellenländern haben die Sozialen Netzwerke für Business den größten Zulauf, was den deutschen Unternehmen viele neue Möglichkeiten gäbe, wenn sie dabei wären. Aber auch in den EU-Ländern, wo die Unternehmen nicht an den alten traditionellen Industriemodellen festhängen, sondern in die neuen Technologien (green, blue, orange) und in das Internet der Dinge einsteigen wollen gehören die Sozialen Netzwerke für Business zum Unternehmensalltag.❻ Dort finden auch die Ideen © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 77


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von Edmund Phelps (Nobelpreis für Ökonomie 2006) ein offenes Ohr.❼ ➊ Social Loop ist der unbegrenzte Kreislauf der Daten und Informationen in den Sozialen Netzwerken über die verschiedenen Kontaktkreise, die sich in endloser Verkettung von selbst vorantreiben, sofern sie regelmässig aus allen Ecken mit Daten gespeist werden. Im User Generated Content Management und im Open Innovation Prozess ist es nicht nur interessant, möglichst viele Kanäle (pipes) zu haben, sondern auch verfolgen zu können, wie dieser informelle und immaterielle Verkehr verläuft, wann und wie und vor allem wie schnell der Inhalt zirkuliert. Dazu gibt es auch verschiedene Software wie z.B. pipes.yahoo. Yahoo wurde jüngst von Microsoft übernommen. ❷ How To Survive The VUCA World. Think. Act. October 2013. ❸ Social and Collaborative Learning in the Workplace. Jane Hart. Aug. 2012. slideshare.net ❹ LinkedIn Traffic and Unemployment Rate ❺ The Rise of Workforce Marketing through Social Media. BIZ Times, 16.9.2013. ❻ IoT in the News. China Invests Heavily in the Internet of Things. Harbor Research. 2012. ❼ „Mass Flourishing.“ How Grassroots Innovation Created Jobs, Challenge, and Change. Edmund Phelps. 2013.

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Abschnitt 2

Das Alleinstellungsmerkmal Auf Pole-Position bleiben Anhand der Big Data können die Sozialen Netzwerke für Business sofort den klaren Überblick über die globalen Talentpools und die lokalen Kompetenz-Cluster bekommen. Wo und wer sind die authentischen Vordenker und wie trennt man die Spreu vom Weizen? Wodurch unterscheiden sich die begabten copy cats von ihren Modellen, deren Ideen sie jedoch schneller und kleverer umgesetzt haben? Investoren zahlen für solche informellen und präzisen Daten viel Geld. Auch für Kleinstunternehmen (weniger als 10 Festangestellte) und die Kleinunternehmen (weniger als 50 Mitarbeiter) liegen hier hohe Alleinstellungsvorteile, wenn sie die richtigen Informationen für ihr Benchmarking, ihre Produktentwicklung, für die Beschaffung wertvoller Humanressourcen, Profis und Experten rechtzeitig suchen und kostengünstig finden können. An diese verborgenen Profis und Experten kommen die Algorithmen durch die direkten oder indirekten Netzwerke der Nutzer heran. Wie das für ein individuelles Profiling funktioniert, steht auf LinkedIn special ununi. Auch auf den vielen SEO-Foren © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 79


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gibt es genügend Informationen, um zu verstehen, warum Big Data helfen, die Zukunft zu steuern. SEO oder Data Analyst wird man darum noch lange nicht, weiss aber, wozu Big Data gut sein können und wo man sie sofort einsetzen sollte. Die neuen Datencluster auf den Sozialen Netzwerken für Business liefern auf den vielen anderen Seitenkanälen wie Posts, Kommentare, Link-Empfehlungen, Publikationen, Teilnahme an Events usw. den Stoff, aus dem sich und eine neue Lesart entwickeln. Wie viele gute Treffer durch ein optimiertes Profil, guten Inhalt und viele Empfehlungen sich dadurch wirklich ergeben, bleibt jedoch weiter unklar. Denn dazu gibt es auch bei LinkedIn, XING oder Viadeo keine eindeutigen Zahlen. Vielleicht wären die sogar am Ende kontraproduktiv. Eindeutig ist nur die steigende Zunahme der Online-Jobmakler. Sie surfen im Fahrwasser der vielen professionellen Unternehmens-Schlankmacher❶ und fischen im Aquarium der Sozialen Netzwerke für Business. In der VUCA-Welt sind sie alle drei blühende Geschäftszweige und Ableger der US Business Philosophie. ❷ Was die einen wegrationalisieren, fangen die anderen auf. Sie schaffen damit zwar keine neuen Werte, aber generieren in den neuen Zwischenräumen vor allem ihr eigenes Einkommen. Das Geschäft mit den Datenbanken aus den Sozialen Netzwerken für Arbeitsmarketing ist nämlich schon heute lukrativ. Grund dafür ist die Polarisierung der Unternehmen im globalen Business:

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● Wenige Grosskonzerne, die auf dem Weltmarkt ihre Marktanteile sichern und verbessern wollen und gern zu Monopolisten werden; ● um sie herum Millionen Kleinunternehmen, die als Zulieferer für die Großkonzernen arbeiten und von ihnen abhängig sind. Das Angebot an qualifizierten Arbeitskräften wächst global ebenso wie der lokale Bedarf daran. Beide müssen immer häufiger zeitnah und dezentral verknüpft werden. Wenn jedoch bereits im Prototyping, in der Projektentwicklung und im Marketing direkt die Potentiale des Arbeitsmarketings 2.0 erfasst und mit einbezogen werden, so können auch hier mögliche Risikofaktoren begrenzt werden, wie zum Beispiel die Personalkosten. Wie wichtig der Zugang zu den Big Data für ein effizientes Arbeitsmarketing ist, hat IBM schnell erkannt und hat selber dafür eine eigene Software für Workforce Management entwickelt, intern getestet und auf den globalen Markt gebracht. Auch in Deutschland steigt die Nachfrage nach den neuen Angeboten im Arbeitsmarketing 2.0 jenseits des bürokratischen Aufwands und außerhalb des Arbeitsrechts. Sie wird nur nicht thematisiert und vorläufig noch geschickt mit Werkverträgen und Sozialleistungen gelöst und nur in seltenen Fällen von den Personalern professionell und innovativ eingesetzt. Sie ist halt gewöhnungsbedürftig, verlangt den Abschied vom Best Practice Denken. Die 3,32 Millionen Kleinstunternehmer und 264 000 Kleinunternehmer bilden zwar das Rückgrat der Ökonomie, aber © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 81


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reisen weiter im 3. Klasse Abteil der Webökonomie. Dort wird es langsam eng und unbequem. ❶ „Wachsende Komplexität, voranschreitende Globalisierung sowie schnelle Veränderungsrhythmen prägen heute Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Die Herausforderungen sind groß. Für die notwendigen Lösungen, Veränderungen oder Anpassungen greifen Unternehmen und Organisationen zunehmend auf die Unterstützung von externen Experten zurück. Die Nachfrage nach Consultingleistungen seitens Industrie, Wirtschaft und Verwaltung ist in Deutschland seit den Anfängen in den 50er Jahren daher kontinuierlich gestiegen. Ein gesetzlich fixiertes Berufsbild mit vorgeschriebenen Bildungswegen und förmlicher Berufszulassung existiert für die Unternehmensberatung nicht.“ Quelle: Bundesverband deutscher Unternehmensberater. BDU e.V. ❷ Consulting Ranking 2013. Quelle: Lünendonk GmbH.

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Abschnitt 3

Change Agents Konfliktloser Wandel im Freiraum Was haben die Sozialen Netzwerke für Business wie LinkedIn, XING und andere auf dem globalen Arbeitsmarkt verändert➊? Sie sind Teil der VUCA-Welt, haben aber nicht den Arbeitsmarkt demontiert. Das haben die Unternehmen zusammen mit den Politikern schon vorher erledigt und die Die Online-Plattformen für Business begleiten den Veränderungsprozess jedoch, indem sie den Betroffenen, und zwar den Millionen Kleinunternehmern und freigestellten Erwerbstätigen, eine neue Metaebene zur Verfügung stellen, auf denen sie sich positionieren, profilieren, Informationen und Menschen suchen und schnell finden können. Sie sind die Change Agents. Auf dieser Metaebene sind sie theoretisch den Multis gleichgestellt, zumindest was die Informations- und Suchmöglichkeiten im Netz angeht. Die multinationalen Konzerne sind nicht mehr die einzigen, die den globalen Überblick haben können. LinkedIn, Viadeo und XING besetzen zwischen den strukturellen Veränderungsschüben der Unternehmenslandschaft Leerräume und entwickeln darin eine virtuelle Agora. Sie ist allen

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zugänglich, aber nützt vor allem den Wissensarbeitern und Unternehmen der freien Wirtschaft, wenn sie diese Business-Lösung richtig einsetzen. Das kostet sie Zeit und einen Jahresbeitrag ab 450€ (Premium). Dort können die Leistungsträger der VUCA-Ökonomie❷ all das finden, was ihnen das ständige wechselnde Umfeld ihrer Arbeit mit oder in den Unternehmen nicht mehr geben kann: ▪ Einen offenen Ort der Sozialisierung (Kontakte), Wertschätzung (Empfehlungen), Sichtbarkeit (Profil) und Austausch (Gruppenbeteiligung); ▪ die Wiederherstellung der sozialen Identität. Die kommt nämlich mit der Zerlegung der alten Arbeitsstrukturen und dem ständigen Wechsel der Kompetenzraster zu allererst abhanden. Die soziale Identität heißt jetzt i-Reputation oder Online-Reputation und wird zum QR Code im Netzverkehr. Mehr dazu in Kapitel 9, Abschnitt 3. ▪ Die Möglichkeit, nützliche Informationen zu finden, auszutauschen, zu vernetzen und sich nach dem DIWO-Prinzip❸ durch Praxiswissen und Interaktion immer auf dem Laufenden zu halten. ▪ Die Erstellung einer eigenen persönlichen und professionellen Zeitschiene, um die vielen verschiedenen Wissenskomponenten aneinanderzureihen, wobei sich beim Wissensarbeiter 21 mehrere Ebenen ständig überkreuzen können. Diese Change Agents sind

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● durch die Beschleunigung der Veränderungsprozesse sowie ● die Anhäufung der Millionen Nutzerdaten der Entwicklung auf dem globalen Arbeitsmarkt schon einige Schritte voraus. Die Sozialen Netzwerke liefern darum auch Lösungen, ins Web 3.0 ❹ und in das Big Data Recruiting mit einzusteigen, die für manche wirklich Neuland sind.❺ Was die Grosskonzerne wie Bosch❻ seit Jahren schon vorantreiben, weil sie den Überblick haben und die Chancen wahrnehmen müssen, bleibt für viele Kleinunternehmer und ihre temporären Zuarbeiter noch ziemlich unüberschaubar. Aber die Zukunft ist schon da, sie ist nur ungleich verteilt. ➊ How LinkedIn Broke Through. Bloomberg Business Week. April 9,2006. ❷ „A new World - VUCA World.“ mba skool.com. gibt hier eine klare und ausführliche Darstellung der VUCA Welt. Die MBASkool ist ein One-Stop Management Knowledge Portal und arbeitet unter dem Motto: “Study, Learn, Share”. 
 Sie stellt Business Artikel, Management Dokumente, Brand Analysen, Business Konzepte auf ihre Plattform frei ins Netz. ❸ Mehr dazu... ❹ Howstuffworks. Das Web 3.0 wird auch das Semantische Web genannt: Im Semantischen Web werden Informationen verknüpft und dabei Zusammenhänge deutlich, die vorher nicht erkennbar waren. Der sog. Serendipity-Effekt wird oft in Verbindung mit dem Web 3.0 benutzt ❺ Big Data Brings Big Changes to Recruiting. WIRED, 01.07.2014. ❻ Das Internet der Dinge. „In den kommenden Jahren werden immer mehr Geräte und Systeme so ausgestattet sein, dass sie automatisch Daten über das Internet versenden und empfangen können. Schon heute lässt sich sagen, dass wir an der Schwelle zu einer neuen Marktentwicklung mit großem Potenzial stehen. Unseren Schätzungen zufolge werden bereits 2015 mehr als sechs Milliarden Geräte und Systeme über das Internet miteinander verbunden sein und Daten austauschen. Das © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 85


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Internet der Dinge (Englisch: Internet of Things, IoT) ist aber keine Zukunftsmusik – es ist heute schon real und hat nicht nur Auswirkungen auf technologische Entwicklungen. Quelle: Bosch Connected World Blog.

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Abschnitt 4

Quality Digest First Das Gütesiegel 2.0 Den Wandel auf dem globalen Arbeitsmarkt in einem Sozialen Netzwerk aufzufangen, war als Idee ebenso spekulativ wie die Geschäftsidee von amazon oder ebay. Im Grunde wurden nur anhand der technologischen und mathematischen Möglichkeiten potentielle neue Anwendungsbereiche erdacht und weiter entwickelt.➊ Amazon oder ebay vermarkten Produkte nach dem Long Tail Prinzip, sind aber aufgrund ihres Geschäftsmodells gezwungen, die Kernaktivitäten immer weiter auszudehnen, bis sie irgendwann implodieren oder von anderen ganz neuen Geschäfsmodellen wie Ali Baba übeholt werden. Bei Online-Plattform für Business, deren Kernaktiviät die Vermarktung der Arbeit ist, aber gleichzeitig ein Soziales Netzwerk sein will, ist das Kerngeschäft viel nachhaltiger. Ihr Kerngeschäft ist zwar in seinem Wesen der VUCA-Ökonomie angepasst, unterliegt aber gerade deshalb nicht der neuen Kurzfristigkeit. Auf dem glokalen Arbeitsmarkt der VUCA Ökonomie wächst nämlich die Nachfrage nach dieser Business-Lösung von Tag zu Tag. Die VUCA-Ökonomie wird zwar von der Kurzfristigkeit bestimmt, ist aber an sich eine Verkettung von immer kürzeren

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Nanozyklen, die sich mittelfristig weiter vorantreiben werden. Darum sind Soziale Plattformen als virtuelle und informelle Arbeitsbeschaffungsagentur Art lukrativ und von Dauer. Der multiple Netzwerkeffekt MSP❷ schafft die Strukturen für diese neue Komplexität und Unklarheit. Die Algorithmen und ein klarer Programmierprozess ermöglichen es, selbst aus unübersichtlichen VUCA-Effekten im Arbeitsmarketing 2.0 klare Infografiken und eindeutige Informationslinien zu erstellen. Im Frontend arbeitet die Marketingsstrategie von XING oder LinkedIn mit den einfachen Netzwerk-Argumenten: Je zahlreicher die Nutzer, desto effizienter die Plattform. XING bleibt darum ein Business-Netzwerk mit beschränkter regionaler Reichweite. Im Backend wird auf LinkedIn in 12 Schritten das Profil erfasst. Die optimale Sichtbarkeit, Transparenz und Authentizität nutze dem individuellen Nutzer als Marketer in eigener Sache, so die Marketingbotschaft der Netzwerkbetreiber. Die aktive oder passive Selbstvermarktung, das proaktive Arbeitsmarketing 2.0 und das Workforce Marketing 2.0 sind feste Bestandteile der i-Reputation. Sie soll Vertrauen im Netz aufbauen. Vertrauen, Transparenz und Glaubwürdigkeit werden noch wichtiger, sobald die geschäftlichen Beziehungen das Terrain der realen Welt verlassen und sich in die virtuelle Netzwelt begeben. Das wird zwar bei LinkedIn und XING nicht so deutlich formuliert, ist aber Teil der Überzeugungsarbeit, die im Workforce Marketing von den Mitarbeitern vollbracht wird. Wichtig ist auch für sie, die höchstmögliche Nutzerzahl zu bekommen, die nicht nur durch ihre Menge ein Mehrwert sind,

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sondern vor allem durch ihre Eigenschaft.

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Wenn es etwas umsonst gibt, sind immer alle dabei. Das wissen auch Google, Facebook und Twitter. Darum gewähren sie den Nutzern kostenlosen Zugang, weil sie auf Quantität setzen. Die Masse bringt‘s. Die Betriebs- und Entwicklungskosten finanzieren sie dann aus anderen Einnahmequellen. Die Sozialen Netzwerke für Business hingegen (LinkedIn, XING und Viadeo) setzen auf die Qualität der Nutzerdaten und auf die Qualität der Zusatzleistungen (Suchmaschinenoptimierung). Darum haben sie einen progressiven Freemium-Zugang eingebaut. Jeder bekommt aber erst einmal freien Zutritt zu den Basisleistungen. Wer mehr Qualität, Service und die Chance auf einen ROE haben will, muss zahlen. Nebenbei arbeiten die Algorithmen für den Weiterverkauf der Daten und das Big Data Recruiting. Wieviel kosten zehn Jahre auf LinkedIn und XING im Premium Abteil? Nachrechnen lohnt sich immer. ➊ What’s a Multi-Sided Platform? ❷ Mehr dazu: Building Trust in Multisided Course.http://faculty.chicagobooth.edu/

Platforms.

Harvard

Elective

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Abschnitt 5

Social Mashup & Meetup Globale Verknüpfungen Auch auf einem globalen Arbeitsmarkt mit hoher Nachfrage und großem Angebot an Humanressourcen❶ sind Soziale Netzwerke als Arbeitsagenturen keinesfalls Selbstläufer. Ihre Überlebenschancen hängen davon ab, wie schnell und dynamisch sie den Netzwerkeffekt optimieren können. Er ist ihr immaterieller Treibstoff. Alle Online-Plattformen brauchen ihn für ihre ständige Weiterentwicklung. Sie benötigen dafür auch viel Kapital und sind deshalb von Investoren oder großzügigen Fördermitteln abhängig. Auch Soziale Netzwerke für Business sind auf das Vertrauen der Investoren angewiesen, um ihre Leistungen zu optimieren. Auf der ersten Ebene wird deshalb mit dem Netzwerkeffekt als Business Intelligence geworben. Hier öffnet sich zudem für alle Nutzer die Möglichkeit der Agora, wo Unternehmer, Manager, Angestellte, Freiberufler, Solounternehmer und Freelancer informell lokal und global zusammenkommen können. Diese potentielle Direktverbindung ist für beide Seiten ein starkes Motiv, dabei zu sein. Im Direktkontakt wäre alles einfach und unkompliziert. Das unzureichende SEO-Know-how der Personaler und Unternehmer wird jedoch zur Einkommensquelle © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 91


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der zahlreichen Jobvermittlungen, die ihnen diese Arbeit gern abnehmen und an dann an beiden Enden mitverdienen. Aus der ursprünglichen Chance zur unkomplizierten Vernetzung entsteht somit eine neue Abhängigkeit der Klein- und Kleinstunternehmer und der Freelancer. Soziale Netzwerke im Business 2.0 sind nicht nur eine informelle Business Agora, sondern auch Monopoly-Spiele. Der Netzwerkeffekt macht nämlich aus den alten Geschäftsregeln eine technologische Notwendigkeit. Nur wer schnell eine Pole-Position in diesem Marktsegment belegt, bekommt leicht das Vertrauen bzw. das Geld der Investoren und macht am Ende das Rennen. Für die Online-Plattformen auf dem Arbeitsmarkt 21 ist es nicht anders. Auch da ist das Spielfeld schon abgesteckt: LinkedIn und Facebook mit BranchOut, die beiden Spitzenreiter in der globalen Champions League der Sozialen Netzwerke, werden alles daran setzen, um in den nächsten Jahren mit unterschiedlichen Strategien die meisten Daten und Informationen aus der lokalen und globalen Businesswelt zu bekommen, sie zu speichern und dann zu verwerten. Das geschieht wohlgemerkt immer im Nutzerinteresse, denn die Sozialen Netzwerke für Business tun ja nur ihr Bestes, um den VUCA-Jobmarkt allen zugänglicher zu machen! Unbeschränktes Mitmachen auf allen Ebenen, Selbstmarketing, Workforce Marketing 2.0, Online-Reputationsmanagement im Namen der Transparenz, Sichtbarkeit und Glaubwürdigkeit sind in einer VUCA-Welt Vertrauensvektoren und Meilensteine auf dem Weg zum Erfolg. Das ist zwar ambivalent, komplex und © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 92


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flüchtig, gehört aber zu den harten Fakten der digitalen Revolutio. Aus ihnen entstehen die zettabytes und der Stoff, aus dem die Algorithmen in Sekundenschnelle eine interaktive Innen- und Außenansicht der globalen Businesswelt erstellen können. Hinter dem A in VUCA steht ambiguous und das bedeutet zweideutig, zwiespältig, doppelsinnig. Zwischen den beiden großen Netzwerken wird sich in den nächsten Jahren der globale Machtkampf um das Monopol der weltweiten Jobvermarktung abspielen: BranchOut (Facebook) wirbt mit seiner Milliarden-Community und der App im mobilen Endgerät und hat dabei die 25-35 im Visier; zu ihnen gehören die makers und slashers. LinkedIn spricht mit seinen 300 Millionen Nutzerprofilen auch die Generationen 35-55 an. Das ist das Durchschnittsalter der Manager, Firmenchefs, Kleinunternehmer und Freelancer. Dieser Zielgruppe bietet LinkedIn neben der Vernetzung viele Zusatzleistungen im Premium-Modus an. In diesem Segment sind zudem die meisten aktiven Beitragenden, die für ihr Ranking qualitative Inhalte veröffentlichen und immer wieder reichhaltige Daten spenden. Mit zunehmendem Aktionsradius für alle (globale Reichweite), steigendem VUCA-Effekt und schwindenden Vertrauensfaktoren wächst vor allem das Netzwerk-Bedürfnis des Einzelnen. Die Arbeitnehmer waren bislang nur (spärlich) in Gewerkschaften oder Berufsgenossenschaften mit begrenzter Reichweite organisiert. Sie müssen sich irgendwo schnell vernetzen, denn niemand überlebt lange allein in der

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VUCA-Welt. Und was wäre die Motivation auf Unternehmerseite? Wie stellt ein Unternehmen seine Forschungs- und Entwicklungsteams zusammen? Woher kommen seine Mitarbeiter? Mit welcher Frequenz werden die Mitarbeiter intern ausgetauscht? Big Data-Analysten können sofort erkennen, ob die Führungskräfte wirklich interaktiv kommunizieren. Auch das ist eine Form der neuen Transparenz. Welche Gruppenaktivität fördert den internen Wissenstransfer? Wer sind die Beitragenden? Wie viel eigenes und aktives Humankapital besitzt ein Unternehmen wirklich? Lohnt es sich, mit ihm zusammenzuarbeiten? Auf all diese Fragen geben die Sozialen Netzwerke für Business präzise Antworten, die sie aus den zettabytes an Daten generieren können. ❶ 20% der ca. 4,5 Millionen Erwerbstätigen weltweit sind als Wissensarbeiter auf dem globalen Arbeitsmarkt verfügbar, lokal und dezentral einsetzbar.

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Abschnitt 6

Workforce Marketing inside, outside.. Die beidseitige Front Workforce Marketing ist die eigentliche Umkehrung aller Werte im Arbeitsmarketing 2.0. Hier werden die Mitarbeiter des Unternehmens direkt in die Vermarktung der Dienstleistung bzw. des Produkts mit einbezogen, und zwar nicht nur innerhalb des Arbeitsprozesses, sondern auch ausserhalb des Unternehmens. Sie treten in den Sozialen Medien auf ihrer eigenen Homepage und unter ihrem Namen auf. Ihre Kompetenzen und ihr Know-how stehen für das Firmenbranding und ihr eigenes Image. In den Sozialen Medien werden sie als glaubwürdige Privatperson und effizienter Mitarbeiter oder Partner des Unternehmens zur sichtbaren Qualität des Produkts. Als Teil ihres eigenen Netzwerkes sind sie authentisch und das Logo sowie das immaterielle Branding leben durch sie! Die Commerzbank versucht das ebenfalls seit kurzem mit aufwendigen TV-Werbespots. Das Workforce Marketing greift viel tiefer und weiter als die Werbespots für das Unternehmen der Mitarbeiterwerbung. Die

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Mitarbeiter sollten ja nicht offen für das Unternehmen in den Sozialen Medien trommeln. Das verstößt in Ländern wie Deutschland nicht nur gegen das Wettbewerbsrecht. Es kann leicht in eine ganz andere Richtung gehen. Auch die inzwischen alltägliche Facebook Firmenseite, die als Hub und Interface möglichst viele Sympathisanten und Mitarbeiter au und mitnehmen will, ist nichts als platte Werbung 2.0, seitdem Großkonzerne, Sportclubs, Politiker und Fernsehsender Dutzende solcher Seiten unterhalten und aus Social Media einen neuen Werbekanal gemacht haben. Das Workforce Marketing, das vom Startup Unternehmen Ajax für LinkedIn mit ausgetestet und vermarktet wird, unterstützt das Firmenbranding durch die Mitarbeitererfahrung im PR 2.0 Einsatz. Das Produkt oder die Dienstleistung können so professionell und persönlich an beiden Enden vermarktet werden. Hier kommen nicht mehr die Social Media oder Kommunikationsprofis zum Einsatz, sondern die Menschen, die das Produkt entwickelten und kennen. Der Mitarbeiter bekommt ein Gesicht, und eine Stimme. In Videos oder Tutorials teilt er sein Wissen und zeigt dabei das Produkt oder die Dienstleistung im Einsatz. Wenn nicht er, wer sonst? Auch das ist Wissenstransfer und creative commons als Bindeglied zwischen Mitarbeiter und Kunden. Dafür bedarf es vieler neuer Kompetenzen. Für Startups und kleine Unternehmen, die ihren Marktwert zuerst durch ein gutes Branding aufbauen und pflegen müssen, bietet sich das Workforce Marketing als innovative und

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dynamische Business Lösung geradezu an. Es ist speziell auf die Bedürfnisse der Millionen Kleinunternehmen zugeschnitten und macht in seiner Logik und Umsetzung nicht nur ganze PR- und Marketingabteilungen bzw. Agenturen überflüssig. Es wirft auch die herkömmlichen organisatorischen Raster der Arbeitswelt über den Haufen: ▪ Indem sich ein Mitarbeiter in den Sozialen Medien als Teil eines Unternehmens darstellt, wird er indirekt eine Komponente des Firmenbrandings, in guten und schlechten Zeiten. ▪ Für den Mitarbeiter verwischt sich dabei die Trennlinie zwischen Privat- und Arbeitsleben. Seine Fachkenntnisse sind nur vermarktbar, wenn sie nach außen hin vermittelbar sind, und zwar suchmaschinenoptimiert und benutzerfreundlich. Unternehmen dürften also nur noch Mitarbeiter einstellen, die inside/outside im Workforce Marketing mit verwertbar sind, die bereits eine Identität 2.0 haben und wissen, wie man damit umgeht. Mitarbeiter wiederum sollten sich gut überlegen, welche Bausteine sie in ihrem Personal Branding und ihrem professionellen Profil auf LinkedIN oder XING auch wirklich weiter verwerten können. Rubik‘s Cube könnte gut die Komplexität des Workforce Marketings darstellen aber vielleicht auch ein Perpetuum Mobile.

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Abschnitt 7

Das philantropische Opfer … in eigener Sache? Im Vergleich zu den großen Soft- und Hardware Entwicklern der Webökonomie wie Microsoft (80.000 Mitarbeiter), Apple (100.000) und Samsung (250.000) sind die Sozialen Netzwerke für Business beispielhaft für ihre schlanke und dezentrale Unternehmensstruktur und für ihr Workforce Marketing, das sie in eigener Sache einsetzen. Als Geschäftsmodell und als Labor für das Arbeitsmarketing 2.0 liefern sie allen aufmerksamen Nutzern die Gebrauchsanweisung frei Haus und zeigen in unzähligen Tutorials, wie jeder mit wenig Mitteln seine Sichtbarkeit, sein Ranking und sein Online-Reputationsmanagement 2.0 optimieren könnte. Wenn man das lukrative Geschäftsmodell dahinter❶ kurz vergißt, geben sie aber auch den Millionen freigesetzter Wissensarbeitern die Möglichkeit, sich auf dem globalen Arbeitsmarkt ganz neu aufzustellen, sich zu verbinden und vielleicht sogar jenseits des kannibalen Kapitals neue Freiräume für „a better working life“ zu vermessen. Sie bieten den Elementarpartikeln der Freelance-Ökonomie den virtuellen Raum, um sich selbst zu organisieren. Das wäre die soziale und

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philanthropische Leistung der Sozialen Netzwerke für Business. ▪ Diese Leistung betrifft die Generation 1,2,3, die slashers. Sie versuchen, sich in der VUCA-Ökonomie durch Multikompetenzen und professionelle Vielseitigkeit abzusichern. ▪ Sie nutzt den Makers, die die digitalen Technologien mit den Fertigkeiten der Handwerker und Tüftlern verbinden wollen. ▪ Sie richtet sich an die Generationen XY, die von den Unternehmen nach und nach aussortiert werden, weil sie zu alt, zu teuer oder nicht mehr verwendbar sind, um ihr Wissen und ihre Erfahrungswerte schnell in die neu entstehenden Nischen einzuordnen. Darunter sind auch viele Frauen. „Wir werden nie wieder so arbeiten wie früher,“ steht auf der Titelseite des französischen Wirtschaftsmagazins AlterEco, Mai 2014❷: „Der Arbeitsmarkt des 21. Jahrhunderts wird von Coworking, Nomadismus, kollaborativem Management und Selbstentrepreneur ship bestimmt werden, egal in welchen Bereichen. „Für 80% der Beschäftigten heute wird das zur existentiellen Bewährungsprobe.“so AlterEco. ❷ ❶ How LinkedIn Makes Money Off Your Resume.TIME. July 20, 2012 ❷ Socialalter. Mai 2014: „Travail l‘Eclate Totale.“

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Abschnitt 8

Auf dem Monopol

Weg

zum

Der Netzwerkeffekt Die Sozialen Netzwerke für Business wurden so zur Metabene des Arbeitsmarktes des 21. Jahrhunderts, auf der sich künftig die Transaktionen zwischen den Wissensarbeitern und ihren Arbeitgebern abspielen werden, entweder direkt im p2p oder durch Jobvermittler wie odesk, elance und viele andere. Wie wächst aber die Metaebene des Arbeitsmarketings 2.0 von innen, bevor sie zu einem Monopol wird? Dank der guten alten Mundpropaganda! Die macht aus dem Einzelnen einen Verteiler, dessen Reichweite von dem eigenen Netzwerk abhängt. Die neuen Technologien und das Internet geben der Mundpropaganda die virale Effizienz und die empathische Interaktion. Wenn dabei noch Spaß und Spielelemente mit eingebaut werden können, wie bei Facebook, geht alles noch viel leichter und schneller. Deshalb haben webbasierte Soziale Netzwerke, die für alle etwas dabei haben, auch den höchsten viralen Effekt. Je mehr Nutzer auf der Metaebene des Arbeitsmarkts unterwegs sind, desto optimaler ist der Netzwerkeffekt für den einzelnen Nutzer➊ und desto lukrativer wird auch das

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Geschäftsmodell für den Betreiber. Ausschlaggebend für die Viralität und Vitalität des Netzwerkeffektes➋ ist das Überzeugungspotential des neuen Produktes und die Reaktivität der Zielgruppe. Es soll bei jedem neuen Nutzer drei Reaktionen erzielen: ▪ Neugier und eine Erwartung, ▪ persönliches Interesse ▪ das Bedürfnis, es mit anderen zu teilen. Der Nutzen dieses Netzwerk-Effektes im Arbeitsmarketing ist für den Betreiber (in diesem Fall LinkedIn) eindeutig: $1,52 Milliarden 2013. Wo ist jedoch der effektive ROI für den individuellen Nutzer und wo ist der volkswirtschaftliche Nutzen für die Gemeinschaft? Die Millionen Nutzer sind nicht nur Humanressourcen, sondern ein Stoff, der jenseits des Arbeitsmarktes weiterverwertet wird. Nicht nur für die Werbekampagnen der Konzerne. Mehr dazu in Kapitel 10. ➊ Theodore Vail, Präsident von Bell Telephone benutzte 1908 diesen Begriff, um seine Investoren von der Notwendigkeit der Monopolstellung im Telefongeschäft zu überzeugen: Je mehr Telefonanschlüsse, desto größer ist der Wert und der Nutzen des Telefons für jeden einzelnen Nutzer und somit auch der Mehrwert für die Gemeinschaft aller Nutzer. ➋ Platform Competition in Two-Sided Markets . Hbr.org. October 2006.

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Abschnitt 9

Die intelligentere Arbeitsagentur Netzwerkeffekt und Datenspende Die Sozialen Netzwerke für Business sind effektive Workforce Social Intelligence Agencies und benutzen alle neuen Technologien und Erfindungen, um das globale Business zu vermessen. Dazu verwenden sie nicht etwa die Finanzdaten, sondern die Daten und Informationen der menschlichen Interaktionen. Das ist strategisch viel klüger, einträglicher und nachhaltiger. Diese Daten kommen nämlich von den aktiven Insidern und sind authentischer als die frisierten und gestylten Finanzdaten. Außerdem bieten sie einen viel tieferen Einblick und Ausblick in die Unternehmenswelt, die nicht nur von den Aktivitäten der großen börsennotierten Konzerne, sondern vielmehr von den Millionen Kleinunternehmen bestimmt wird. Es ist viel wichtiger, deren Zustand und deren Kapazitäten in Echtzeit zu erfassen und das gab es bislang noch nicht. Diese Daten, Ressourcen und Potentiale wurden nämlich bislang nirgendwo global festgehalten. Über die globale Vernetzung der lokalen Betriebe gibt es noch keine verwertbaren Daten und diese Marktlücke wollen sie abdecken.

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Die Netzwerkeffekte wurden zu den Grundkomponenten des Business 2.0. und der Sozialen Netzwerke. Die Algorithmen ermöglichen und optimieren den MSP Effekt. Dank der intensiven Weiterentwicklung konnte sich Google seinen weltweiten Wettbewerbsvorteil und sein Monopol in den westlichen Industrieländern sichern. Aus den Milliarden Datenschnitzeln, die sich in den Sozialen Netzwerken für Business zusammenhanglos anhäufen, entwickeln die Algorithmen der Suchmaschinen präzise Informationen, die ständig wieder erweitert werden. Netzwerkeffekte und freiwillige Datenspenden von 300 Millionen Nutzern geben einem Sozialen Netzwerk für Business wie LinkedIn die Substanz einer Workforce Social Intelligence Agency. Ihre Daten werden zu „social data“ und die sind viel wertvoller als alle Daten, die von den institutionellen Nachrichtendiensten gespeichert werden. Soziale Netzwerke als Workforce Social Intelligence Agencies (in diesem Fall LinkedIn und BranchOut) stoßen jedoch an ihre Grenzen, sobald geopolitische Gegenkräfte die Potentiale dieser Mechanismen begriffen haben. China entwickelte in kurzer Zeit mächtige eigene Netzwerke. Die europäischen Netzwerke wie XING und Viadeo werden aufgrund des Netzwerkeffekts entweder ausgehöhlt oder einverleibt.❶ ❶ Wie lange besteht XING gegen LinkedIn? Alex Hofmann.16.5.2013.Gründerszene.

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Abschnitt 10

Sei sichtbar und zeige (fast) alles! Transparenz und Sichtbarkeit Wie bekommt ein Soziales Netzwerk mit einer virtuellen Workforce Intelligence Agency im Dachgeschoss kostenlos und freiwillig die Daten von Millionen Nutzern? Indem es sie überzeugen kann, dass es hier all das gibt, was sie unbedingt brauchen und woanders nicht so leicht bekommen. Dafür wird ein ganz neues Marketingkonzept eingesetzt, das sowohl die Suchmaschinendynamik als auch die Bedürfnisse der Zielgruppen verknüpft: «Bei optimaler Sichtbarkeit bekommst Du professionell relevante Informationen für Deine Aktivitäten und dazu vielfältige Businesskontakte. Ohne die bist du nicht viel wert!» Diese Forderung und das Versprechen dazu bringen den Nutzer sofort auf die Web 2.0, 3.0 und 4.0 Ebene und überrumpeln alle herkömmlichen Gepflogenheiten des professionellen Netzwerkbetriebes. Dort hinterlässt man zwar gern die Kontaktdaten, einen Flyer oder sogar eine Werbebroschüre, aber ist doch sonst sehr zurückhaltend in anderen Bereichen wie Kompetenzen, Netzwerke, Projekte oder ehrenamtliches Engagement. Was bedeutet das konkret für den Einzelnen und

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das Kleinunternehmen, um die Potentiale dieser Plattform effektiv zu nutzen? Die bedingungslose Akzeptanz des 1. Gebotes der Internet-Ökonomie: «Sei sichtbar und zeige alles, Dir ein Bild zu machen. professionell schädlich. Nur und Kriminelle meiden die Glaubwürdigkeit!»

was den anderen erlaubt, sich von Anonymität ist verdächtig und Bänker, Mafia-Bosse, Oligarchen Sichtbarkeit und verzichten auf

Alle anderen sind im globalen Business nur durch absolute Transparenz und Sichtbarkeit glaubwürdig und somit in der Internet-Galaxy auffindbar. Das beginnt mit dem Internet-Auftritt und zieht sich wie ein roter Faden durch die SEO und Sozialen Medien. Abgesehen davon, dass so ein optimales Selbstprofiling des individuellen Nutzers auch einem virtuellen Nacktscanner gleichkommt und einen Quantensprung in den Mentalitäten voraussetzt, erhält jeder im Gegenzug die Möglichkeit, das eigene professionelle Netzwerk lokal und global aufzubauen, sorgfältig zu pflegen, ein Business of Kindness❶ zu entwickeln, ständig am Profil zu werkeln und im glokalen Informationsfluss zu bleiben. Der Zeit- und Kostenaufwand bleiben überschaubar. Für den Erfolg oder Misserfolg jedoch ist jeder selbst zuständig. Die Webökonomie nimmt uns alle in die Pflicht und Selbstverantwortung. Sie setzt dabei auch eine unbegrenzte Selbstbeteiligung voraus. Wenn aber der Jobsucher nach ein paar Monaten trotzdem weder eine JIMBII❷ Meldung noch ein direktes Angebot bekommen hat, so hat er entweder nicht die richtigen Fragen © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 105


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gestellt, die falschen Suchbegriffe eingegeben oder er hat einfach nicht professionell genug an dem AIDA❸ Modell gearbeitet! Das gleiche gilt für den Kleinunternehmer. Wenn bei der google-Suche im Netz, das Unternehmen nicht mit seinem LinkedIn oder XING-Profil schnell (auf den ersten Seiten) gefunden wird, dann hat es es nicht gut seine Hausaufgaben gemacht. Für die Millionen Startups, Selbst- oder Mikrounternehmer (etwa 9 Millionen im DA-CH-Raum) ist diese neue doppelte Dienstleistung, und zwar ▪

kostenloser Speicherplatz für den eigenen Showcase,❹

professionell optimierte Nachrichtenkanäle,

ein unschätzbarer immaterieller Mehrwert. In einem virtuellen Schaufenster und auf einem Nachrichtenkanal 2.0 sollten jedoch nur frische und einmalige Produkte gezeigt oder verbreitet werden. Alles andere ist kontraproduktiv. Wie schwer das vielen Freiberuflern und Kleinunternehmern fällt, ist schon an den unzähligen mangelhaften Internet-Auftritten und LinkedIn- oder XING-Profilseiten gerade in dieser Kategorie zu erkennen, ganz zu schweigen vom unzureichenden Workforce Marketing der meisten Unternehmen auf den Sozialen Plattformen für Business. ❶ Business of Kindness ist die Schnittstelle zwischen User Generated Content (UGC) und Kundenbeziehungsmanagement 2.0 (CRM 2.0) und zwar nach dem Prinzip: Kleine Aufmerksamkeiten erhalten die Freundschaft. Diese Aufmerksamkeit soll aber weder ein Werbegeschenk noch ein Coupon sein, sondern eine einfache menschliche Geste zu bestimmten persönlichen und individuellen Anlässen. Dafür © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 106


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bedarf es ein sehr gutes Community Management, um die Kunden zu kennen, nicht nur als Kunde und Konsumenten, sondern als Menschen. Mehr dazu: http://www.bbc.co.uk/programmes/p0121845. ❷ Jobs you might be interested In: LinkedIn sortiert die entsprechenden Jobangebote nach den Suchbegriffen des Nutzers aus und stellt sie ihm auf die Profilseite. ❸ AIDA: Attention, Interest, Desire, Action: Der amerikanische Marketing-Spezialist Elmo Lewis entwickelte im Jahr 1898 das vierstufige Modell AIDA, welches sich aus den Anfangsbuchstaben der vier Werbeziele zusammensetzt. Das AIDA-Prinzip beschreibt die vier Phasen, die ein potentieller Abnehmer eines Produktes oder einer Dienstleistung durchlaufen muss, damit es zur Transaktion kommt.

❹ showcase bzw.eportfolio: LinkedIn bietet den Nutzern nicht nur das virtuelle Schaufenster, wo der individuelle Freelancer sein eportfolio ausbreiten kann (was er aber lieber nicht tun sollte!), oder aber kurze Teaser seiner Leistungen einstellen kann. Dazu gibt es auch spezielle Anleitungen: Einfach weiterklicken. Und sich bei anderen durchfragen oder auf das LinkedIn Tutorial klicken: showcase

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Abschnitt 11

Das Potlatch-Prinzip

Biete etwas Wertvolles umsonst! Alle Software Produkte sind hochwertig, denn dahinter stecken viele Entwicklerstunden, Ideen und viel Geld. Was bieten also die Sozialen Netzwerke für Business ihren Nutzern umsonst, damit die ihnen im Gegenzug ihre Daten schenken? Sie stellen ihnen ihre Online-Plattform frei zur Verfügung. Dort finden die Nutzer all das, was sie woanders nicht kostenlos bekommen: ▪ Freien Eintritt in die permanente virtuelle Business-Messe, wo sich Anbieter, Kunden und Schaulustige und Suchmaschinen begegnen können. Sie müssen nur wissen, wo, was und wie sie suchen. Grundkenntnisse in SEO gehören zu den Kompetenzen der Wissensgesellschaft 21. ▪ Außerdem kann hier jeder seinen virtuellen Stand aufmachen, um diskret zu akquirieren. Hier bekommt er auch viele nützliche Anleitungen, wie man ihn richtig aufbaut und betreut. ▪ Als Zuschlag bekommen alle noch eine URL und Widgets, um die Profilseite zur eigenen Website zu verlinken. ▪ Eine kleine Mini-Plattform, auf der sie ihre Kontakte und Informationen vernetzen, und das alles umsonst.

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Was bekommen die Betreiber als Gegenleistung? Viele wertvolle Informationen: Zunächst einmal den User Generated Content, mit anderen Worten, das Feedback der Zielgruppe, dass das Produkt auch gut ankommt. Dazu dienen die Indikatoren wie die Freemium Version. Ob sich dann der Nutzer für die Premium-Pauschale entscheidet oder bei der Basisnutzung bleibt, in beiden Fällen bekommt der Entwickler und Betreiber ein wertvolles Feedback: ▪ Die neue Dienstleistung wird vom Nutzer akzeptiert und von ihm in den täglichen Gebrauch integriert. ▪ Der Kunde ist bereit, für diese Dienstleistung zu zahlen, weil er sich davon einen Mehrwert verspricht. ▪ Das Produkt ist gut und für die Weiterentwicklung können somit leichter Investoren überzeugt werden. ▪ und vor allem Millionen wertvolle Nutzerdaten umsonst! Je mehr Nutzer von der kostenlosen Basisanwendung ins Premium übergehen und je schneller sich dieser Prozess vollzieht, desto besser stehen die Chancen, die Online-Plattform zu kapitalisieren und ständig zu verbessern. Potlatch enthält auch immer eine verschlüsselte Botschaft und die lautet im Falle der Sozialen Netzwerke für Business: Beim professionellen Netzwerken wird jeder Nutzer zum Zensor und Mentor in eigener Sache. Er allein bestimmt die Qualität des eigenen Netzwerkes und seines Profils. Darum sollte sein Netzwerk nur aus Kontakten bestehen, die ihm nützen und nicht schaden. Die Qualität und nicht die Menge der Kontaktpersonen ist entscheidend für das eigene Ranking. Welche Kriterien sind

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dabei ausschlaggebend? ▪ Das Profil der ausgewählten Kontaktperson ist vollständig und kein Gravatar.❷ Erst so wird es von den Suchmaschinen gerankt und gibt dem eigenen Profil einen Mehrwert. ▪ Die Kontaktpersonen sind bereit und auch in der Lage, die Kenntnisse und Kompetenzen mit SEO Schlüsselbegriffen zu bestätigen. ▪ Die Kontaktpersonen geben authentische Empfehlungen. ▪ Die Kontaktpersonen spammen nicht mit persönlichen Werbebotschaften (Workshop-Angebote, Publikationen) und beachten die Netiquette. Und was bringt das im Backend dem Plattform-Betreiber? Er erhält dadurch weitere wichtige Daten unbegrenzt verwertbar und die Kreise werden immer größer und zahlreicher. Hier ist genau die Schnittstelle, wo informelles Netzwerken, die Business-Kontaktbörse und das Arbeitsmarketing 2.0 ineinandergreifen und sich zu einem nachhaltigen Milliardengeschäft entwickeln. Dass man mit der kostenlosen Dateneintreibung Milliardengewinne machen kann, gehört mit zur neuen immateriellen Ökonomie. Daraus entstanden in den letzten zehn Jahren die größten Vermögen weltweit mit einem minimalen Einsatz von Humanressourcen und ohne dabei die natürlichen Ressourcen zu verschleudern, die Umwelt zu zerstören und den Mensch als Arbeitstier auszubeuten.

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LinkedIn beschäftigt etwa 3300 Mitarbeiter und realisiert dabei mit wenig Betriebskosten Gewinne, die viele deutsche Grossunternehmen vor Neid erblassen lässt. Facebook hat ca. 4500 Beschäftigte weltweit und Google zählt über 50.000 Festangestellte. Alle drei sind Champions in der Erwirtschaftung eines Riesenvermögens mit immateriellen Ressourcen. Google macht Millionengewinne, stellt aber auch massenweise hochqualifizierte Mitarbeiter ein, während Siemens bei hohen Gewinnen lieber massenweise Stellen abbaut. ❶ Potlatch. Etwas ausführlicher in der Encyclopedia Britannica: Potlatch ❷ ein Gravatar ist eine Grafik, die anstelle des persönlichen Fotos als Platzhalter steht und dem professionellen Besucher zwei Dinge mitteilt: Dieser Nutzer will nicht mit seinem Foto unterwegs sein, d.h. er will sich nicht zeigen, oder aber er hat gerade kein passendes Foto, mit dem er sich präsentieren möchte. Und das ist nicht professionell. Bei verbreiteten Familiennamen kann das außerdem zu Verwechslungen führen. In internationalen Businessnetzwerken ist das fehlende Foto oder ein unprofessionelles Foto geschäftsschädigend.

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Abschnitt 12

Qualität lohnt sich „but the winner takes it all...!“ LinkedIn ist weder ein Social Business noch eine NGO für creative commons, auch wenn es sich Social Network nennt. Es ging von Anfang an darum, ein Netzwerk zu schaffen, das die Millionen freier Moleküle auf dem globalen Arbeitsmarkt einfängt und an deren steigendem Netzwerkbedarf in der VUCA-Ökonomie Milliarden mitverdient. Darum ist LinkedIn heute ein absoluter Wall Street-Favorit. Trotz dieser harten Fakten wirken LinkedIn und seine kleinen regionalen Konkurrenten XING und Viadeo fast wie eine List der Vernunft in der VUCA-Ökonomie. Ohne sie hätten es die Millionen Klein- und Selbstunternehmer noch schwerer, auf den komplexen und schwankenden globalen Märkten erreichbar zu sein. Aber alle Sozialen Netzwerke haben auch die vielfältige Verwertung der Nutzerdaten in ihrem Geschäftsmodell. Es sind ihre Einkommensquellen. Die Nutzerdaten der Sozialen Netzwerke für Business aber sind systemisch qualitätsorientiert, weil sich Qualität immer lohnt. Reid Hoffman wusste jedenfalls schon vor dem Socia Data Hype, dass die Zukunft der Jobs und die Social Data Revolution verknüpft sind. Der hohe Qualitätsindiz hängt nicht nur von der Software und

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den Algorithmen ab, sondern vor allem von den Nutzerdaten selbst. Dieser wertvolle Rohstoff kommt direkt vom Erzeuger und wird dann gleich vielfach aufbereitet. Dafür braucht es die kritische Masse, die richtigen Filter❶ und die technologischen Kapazitäten, um die Algorithmen immer weiter zu entwickeln. „Big Data brings Changes for Recruiting“, meint Wired.❷ Die Qualität der Nutzerdaten, die LinkedIn durch das komplexe Profilraster bekommt, sind entscheidend für das Big Data Recruiting, das den Arbeitmarkt des 21. Jahrhunderts vollständig verändern wird. Diese authentischen Nutzerdaten zusammen mit den Datenschnitzeln, die jeder Nutzer im Alltag mit seinem Smartphone unterwegs auf den vielen Sensoren hinterlässt, werden zu social data, so Professor Alex Pentland vom MIT. Erst sie geben die Innen- und Aussenansicht der Strömungen auf dem globalen Arbeitsmarkt und seiner Turbulenzen in . Die Qualität der Daten lohnt sich aber auch für den Nutzer, denn nur so interessieren sich die Suchmaschinen für sein Profil. Ob es sich für ihn eines Tages rechnet, ist eine andere Frage. Die Qualität der Nutzerdaten lohnt sich schon heute für die Plattformbetreiber. ❶ Profilerstellung ❷ Future of Jobs & Social Data Revolution. Reid Hoffmann. Techaffair. 26.06.2009.

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KAPITEL 5 Die Workforce Marketers

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Abschnitt 1

Das besondere Angebot JYMBII als Goodie Die Canvas Grafik zeigt die Außenansicht des Geschäftsmodells eines Business Netzwerks 2.0. LinkedIn war hier der Vorreiter und sein Business Model hat alle Nachahmer schnell von seiner Effizienz überzeugt. Zwei wesentliche Punkte (Einnahmequelle und Wertangebote) betreffen direkt den einzelnen Nutzer. Er ist ja stiller Teilhaber an einem Milliardengeschäft! Auch wenn er dafür oft noch zuzahlt. Als Profi hat er das ganze 12-Punkte-Programm aufgearbeitet und pflegt sogar regelmäßig professionell aufbereitete Inhalte ein, sofern er die Suchmaschinen-Dynamik kennt. Er beteiligt sich somit am Wertangebot und am Einkommen des Plattform-Betreibers. Als Jobsucher sollte er seine Arbeit richtig gut machen, wenn er ernst genommen werden will. Für viele ist es auch die einzige Form, sich als Teil eines Netzwerkes zu fühlen. Diese virale und virtuelle Vernetzung wird zum Ersatz für ein effektives Netzwerken im realen Leben, das oft zeitlich und räumlich immer komplizierter wird. Auf dem atomisierten Arbeitsmarkt gibt es aber vorläufig keine Alternativen, um aus dem lokalen Kontext heraus Zugang zum globalen Business zu bekommen und sich mit anderen in

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entfernten Gegenden auszutauschen. Welche konkreten Leistungen bieten Soziale Netzwerke für Business wie LinkedIn jedoch neben dem empathischen Netzwerkgefühl, dem freien Zugang zur Online-Business Agora, dem Schaufenster und der Url? ▪ Recruiting in Echtzeit ist das Flaggschiff (bei LinkedIn) mit einer optimierten Suchfunktion für 100 000 Agenturen und Online-Jobbörsen. Sie zahlen viel Geld dafür, dass sie hier die passenden Kompetenzen finden und ihre Zielgruppen direkt erreichen (über InMail). ▪ Mit dem Self-Service Posting können Personaler, Jobagenturen oder Headhunter Angebote ausschreiben, die suchmaschinenoptimiert den potentiellen Kandidaten zweifach zugestellt werden. ▪ Bestätigungen von Kompetenzen und Empfehlungen sind für Unternehmen die Möglichkeit, innerhalb der eigenen Mitarbeiter und deren Kontakte ein intern/externes Netzwerk aufzubauen, um die passenden Kandidaten und Teams intern ausfindig zu machen. ▪ Das JYMBII (Jobs you may be interested in) ist die Business of Kindness-Variante auf LinkedIn.

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Abschnitt 2

Business 2.0 Das One-Stop Shop System Die drei Einnahmequellen im aktuellen Arbeitsmarketing 2.0 eines Sozialen Netzwerkes wie LinkedIn sind Jobsuche, Marketing und Premium-Nutzerbeiträge.❶ Über die Hälfte der Einnahmen kommt aus der Arbeitsvermarktung mit dem doppelten Netzwerkeffekt. Die Basisteilnahme ist zwar frei und zeitlich unbegrenzt. Sobald der Nutzer aber etwas braucht und sucht, muss er kräftig zuzahlen. Wie viel, das hängt von seinen Bedürfnissen und Erwartungen ab. Das gleiche gilt für XING und Viadeo. ▪ Jobsuchende zahlen ab $19,95/monatlich aufwärts für bessere Erfolgschancen. ▪ Jobagenturen und Personaler bekommen ab $ 690/pro Monat Zugriff auf die LinkedIn Datenbank und deren Suchmaschinenoptimierung. Die Jobvermittlung entwickelt sich immer mehr zum Kerngeschäft des Portals und zeigt, wie gross die Nachfrage inzwischen geworden ist. Damit das Wertangebot überzeugt und alle Beteiligten die Premiumkosten auch langfristig zahlen, verspricht LinkedIn Qualität und Benutzernähe, Support für Systemfragen und

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Workforce Marketing zur Optimierung des Firmenrankings. Die zahlenden Unternehmen können sich für ihr Social Media Recruiting auf die Qualität der „Produkte“ (die Nutzerdaten) verlassen: Sie sind authentisch und im social loop. Hinter dem Profil von Martina Meier, 35, z.B. steht wirklich eine Frau mit ihrem realen Netzwerk und kein Second Life Avatar. Zusätzlich bekommen sie auch die Talent Solutions❷ direkt von LinkedIn und zahlreiche Tutorials, die die Funktionalitäten optimieren. Eigentlich finden die Unternehmen auf diesen Online-Plattformen alles, was sie immer mehr im Marketing, Personalmanagement, CRM und in der Produktentwicklung brauchen: LinkedIn, XING und Viadeo entwickeln nämlich ganz nebenbei das One-Stop Shop Plattform Modell für den Jobmarkt 21.❸ Künftig sind sie nicht mehr auf zusätzliche externe Berater angewiesen, denn alles wird ja an ein und derselben Adresse erledigt. Irgendwie lebt das gute alte Drugstore als Socializer und One-Stop Shop hier weiter. ❶ LinkedIn Einnahmequellen 2011 ➋ http://business.linkedin.com/talent-solutions ❸ One-Stop Plattformen bieten zahlreiche Lösungen an. Mehr im Glossar. ❹ http://www.ere.net/2013/10/29/linkedin-has-strong-quarter-but-forecast-disappoints /

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Abschnitt 3

Kraft der Hybridmodelle Im Wendemantel Als Jobvermittler auf dem globalen Markt sind die Social Media Plattformen Hybridmodelle und werden sowohl vom Netzwerkeffekt als auch von der Algorithmen-Logik angetrieben. Sie sind kreative Tycoons und gleichzeitig professionelle Socializer. Wo liegt die feine semantische Trennlinie zwischen einem Sozialen Netzwerk für Profis, einer Plattform für besseres Leben und Arbeiten wie XING, LinkedIn, Viadeo und den vielenTrittbrettfahrern der Arbeitsvermarktung 2.0: Monster+HotJobs, Careerbuilder, Taleo, Freelance.com, odesk, elance, Recruiter.com. usw? Sie stellen sich alle schon auf das Überangebot an Freelancern und Kleinstunternehmern ein, auf die neuen Mikrostrukturen 21 und entwickeln im Arbeitsmarketing 2.0. viele neue Mikromodelle. Für einen Newbie ist die Vielfalt verwirrend, denn alle wollen das Gleiche: Angebot und Nachfrage auf dem VUCA-Arbeitsmarkt vermarkten und dafür ihre Vermittlungsgebühren kassieren. Der Unterschied ergibt sich jedoch ganz einfach aus dem MSP, dem One-Stop Modell und der Big Data Power. Die einen besitzen die neuen Produktionsmittel und die anderen sind ihre Abnehmer.

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Die Sozialen Netzwerke für Business entwickeln sich aufgrund ihrer vielseitigen Potentiale zu effektiven One-Stop Plattformen, erweitern immer mehr ihre Dienstleistungen nach allen drei Seiten (Big Data Recruiting, Workforce Marketing und Personal Branding). Sie sind Hybridmodelle im dehnbaren Wendemantel. Die vielen Jobmakler-Plattformen dagegen beschränken sich auf das Kerngeschäft der aktiven Jobvermarktung, indem sie die Projektangebote der Unternehmen sowie die Dienstleistungsangebote der Freelancer bündeln, sortieren,vermitteln und vermarkten. Sie entwickeln dabei aber nicht die gleichen Social Big Data Power wie die Sozialen Netzwerke für Business und sind deshalb nur deren Kunden. Beide bieten sich jedoch als Lösungsfinder auf dem glokalen Arbeitsmarkt an, indem sie den Workflow erleichtern und genaue jene Verteilerfunktion erfüllen, die die McKinsey Studie 2006 als Alternative zum vorprogrammierten Engpässen und Staus auf dem entgrenzten und atomisierten Arbeitsmarkt 21 ausmachte. Josef Schumpeter hätte seine Freude daran, müsste aber auch seine These von der schöpferischen Zerstörung durch neue Technologien der Dritten Industriellen Revolution und den Sozialen Netzwerke für Business anpassen und erweitern! ❶ What is the Green Economy. UNEP. ❷ The Blue Economy. 10 Years. 100 Innovations. 100 Million Jobs. ❸ The Orange Economy. An Infinite Opportunity.

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Abschnitt 4

Die Neuvermessung der VUCA Arbeitswelt 2.0 Wieder mal zeitgerecht? Ausgerechnet die Söhne des amerikanischen Neoliberalismus lieferten die Strukturen, um die entgrenzte VUCA-Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts zu vernetzen und um die Millionen freigesetzter Elementarpartikel auf dem globalen Arbeitsmarkt wieder in einem Sozialen Netzwerk einzufangen. ▪ An Jobvermittler aller Art liefern sie den Stoff, aus dem jeder sein Geschäftsmodell entwickeln kann und dazu noch viele neue Dienstleistungen anbieten kann, wie Onboarding, interkulturelles Personalmanagement, elearning-Module u.a. ▪ Den Unternehmen geben sie die Mittel, ihr eigenes Humankapital zu optimieren und präventiv nach neuen Ressourcen zu suchen. Das ist das proaktive Arbeitsmarketing 2.0. ▪ Die Millionen Startups und Selbstunternehmer bekommen gratis ein globales Schaufenster, in dem sie ihr Produkt und sich selbst auf dem globalen Markt präsentieren und

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ihr Firmenbranding entwickeln können.

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▪ Alle Seiten werden zu freien Netzpartnern mit unbegrenzten Möglicheiten. ▪ Alle Menschen werden zu Unternehmern: liberté, égalité, entrepreneurship! Der Mensch als Firma ist die Business-Lösung des 21. Jahrhunderts, aus der Sicht der Entscheider und Konzerne wohlgemerkt. Auf der Strecke bleiben all jene, deren Kompetenzen und Potentiale nicht in die Raster der Webökonomie und der Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts passen. Auf der Strecke bleiben auch all jene, die sich nicht immer wieder ganz neu aufstellen können oder keine alternativen Kompetenzen und Geschäfts- bzw. Arbeitsmodelle haben und die sich nicht für die beruflichen Fertigkeiten der Zukunft interessieren.❶ Welche reellen Vorteile haben aber ▪ das individuelle Selbstmarketing, ▪ das kollaborative Workforce Marketing, ▪ das systemische Arbeitsmarketing 2.0? Im Vergleich zu den Zeitagenturen, Online-Jobbörsen und Jobmaklern, besteht auf dem Sozialen Netzwerk für Business die Möglichkeit, auch passiv mitzumachen. Man ist einfach dabei, unverbindlich, ohne Engagement, und versucht, sich von seiner besten Seite zu zeigen, Interesse zu wecken, ohne sich zur Schau zu stellen. Auf das Arbeitsmarketing 2.0 angewandt bedeutet das für die Unternehmer: Ein klares Profil zeigen,

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Beiträge leisten, in Gruppen mitmachen. So wird man sichtbar, ohne dabei verbindliche Ansagen bzw. Aussagen zu machen und ohne sich gleich als Jobsucher oder Headhunter zu outen. Freelancer sind übrigens auch Mikrounternehmer. Das ist der Vorteil dieser neuen virtuellen und informellen Geselligkeit in den Sozialen Netzwerken für Business im Gegensatz zu Online-Jobplattformen. Sie verpflichtet zu nichts, ermöglicht aber vieles. Jeder ist für sich selbst verantwortlich. ▪ Festangestellte im Change & Switch Modus (im Glossar) können sich durch eine passive Präsenz auf diesen Sozialen Online-Plattformen umschauen, sich mit anderen messen und die Risiken eines Statuswechsels ausloten. Sie können die Chancen und Risiken eines Statuswechsels oder eines kompletten Berufswechsels besser bewerten. ▪ Ihre passiven Profile sind sogar manchmal begehrter als die aktiven Profile der Jobsuchenden. XING bewirbt gerade sie als künftige Freiberufler im Freelance und hat auch hier schon inzwischen viele Mitstreiter. ▪ Unternehmer jeder Grösse dürfen am Arbeitsmarketing 2.0 teilnehmen und ihre Mitarbeiter für das Workforce Marketing fit machen. Hier liegen die grössten Herausforderungen für das andere Personalmanagement.❷ und hier ist auch der grösste Nachholbedarf für die deutschen Kleinunternehmen. Selbstmarketing, Workforce Marketing und Arbeitsmarketing 2.0 bilden das magische Dreieck in der glokalen Vermarktung der Arbeit im 21. Jahrhundert. Die VUCA-Ära hat gestern gerade erst © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 124


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begonnen. Auch die Vermarktung der Arbeit kommt erst allmählich in Fahrt. Die Sozialen Netzwerke für Business sind jedenfalls heute schon voll einsatzbereit. ➊ „How the Makers Will Create a New Industrial Revolution.“ Chris Anderson. Forbes. 10.04.2012 ❷ „How a Connected Workforce Innovates.“ Enterprise 2.0. hbr. December 2009.

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Abschnitt 5

Trust Agents Marketing durch Know-how im Einsatz „The Trust Agents“ nannte Chris Brogan❶ 2006 die Einbeziehung der neuen „Sozialpartner“ in das Marketing, das Branding der Unternehmen durch die Sozialen Medien. Sobald die Geschäftsbeziehungen den direkten und lokalen Kontext verlassen, brauche es andere Vertrauensagenten und Vektoren als die örtlich begrenzte Mundpropaganda, den guten Ruf und ein gutes CRM. Auch die klassische PR und Werbung decke die digitale Welt nicht mehr ab. In der vernetzten Businesswelt mit überregionalen und internationalen Kontakten und Transaktionen sei der Aufbau eines dauerhaften Vertrauens die neue Herausforderung für alle, die von dem globalen Business profitieren wollen, so Chris Brogan. Für die Großunternehmen ist das kein Problem. Die Top 100 größten Unternehmen brauchen keine trust agents, um sich auf dem entgrenzten Weltmarkt zu behaupten. Doch die Millionen Kleinunternehmen, die mit ihren Produkten, Ideen und Dienstleistungen kleine Marktanteile im global business erkämpfen müssen, sind auf diese trust agents angewiesen. Was motiviert ein mittelständisches Unternehmen in der Provence, mit einem Kleinunternehmen in Eberswalde © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 126


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zusammenarbeiten, um gemeinsam ihre Produktideen auf dem künftigen Markt der green economy besser zu vermarkten? Die Identität 2.0, das Profil und der Zusammenhang, in dem sich das Unternehmen und seine Mitarbeiter im Netz oder in den Sozialen Netzwerken präsentieren, werden zu den neuen Vertrauensvektoren, zu trust agents. Das Netzwerk dahinter bürgt indirekt und direkt für die Informationen, das Image und das Branding. Vertrauen sei nicht nur das Wachstumshormon der Wirtschaft und Finanzwelt, sondern auch Bestandteil der Webökonomie, vor allem im unteren Bereich, wo Kleinunternehmen sich vernetzen sollten und Startups überregionale Cluster bilden können. Soweit die Theorie. Die Funktion der trust agents, die Chris Brogan 2006 den Sozialen Netzwerken und den Nutzern als Kunden oder Partnern noch ganz allgemein zusprach, hat LinkedIn schnell aus den Sozialen Medien und Bewertungsportalen herausgeholt und den Bedürfnissen seiner Hauptzielgruppen auf dem VUCA-Arbeitsmarkt des 21. Jahrhunderts angepasst. Statt likes und Kommentare, von denen die meisten nicht viel wert sind, wurdn authentische Mitarbeiter in Interaktion mit den Kunden. Daraus entstand das Workforce Marketing❷, ▪ das die Sozialen Medien, ▪ die Mitarbeiter (workforce) ▪ mit dem Qualitätsmanagement Reputationsmanagement

2.0, und

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Kundenbeziehungsmanagement (CRM) 2.0 verknüpft, und ein neues Marketingkonzept entwickelt: Der Mitarbeiter wird Teil eines neuen kollaborativen MarketingManagements und zum aktiven trust agent. Dabei baut er viel effizienter als die follower auf Facebook oder Twitter Vertrauen in das Produkt und Unternehmen und dessen Glaubwürdigkeit auf. Er kann auch noch viel mehr als die Kommunikationsprofis: Er kann nämlich von Dingen reden und schreiben, die er genau kennt. Ob er sie auch gut kommuniziren kann, ist dann eine Frage der Kompetenzen 2.1 oder der Lernbereitschaft des Einzelnen. Nicht alle Mitarbeiter sind nämlich in der Lage, ein Tutorial oder eine Gebrauchsanweisung mit sketchnotes, common craft, powerpoint, prezi oder screencasting professionell zu produzieren. Diese inside/outside Publikationen sollen ja in erster Linie dem Unternehmen nutzen, dem Mitarbeiter nicht schaden und außerdem zielorientiert sein: Interesse, Feedback, Interaktion mit den Kunden erzeugen und das Ranking verbessern. Nicht alle Unternehmer können neben dem Alltagsgeschäft und den Kernaktivitäten noch ein Corporate Design, eine Corporate Identity, SEO-Richtlinien und inhaltliche Grenzen bestimmen. Ganz zu schweigen von dem Vertrauen in die Mitarbeiter, wenn sie nur temporär mit von der Partie sind. Hier sind wieder Mittler und Dienstleister gefragt, die diese Kompetenzen begleiten und unterstützen. Die Kommunikations- und Werbeagenturen werden durch permanente Weiterbildung ersetzt.

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Nicht alle Unternehmen sind bereit, Entscheidungsfreiheiten an Mitarbeiter zu geben, die direkt mit den Kunden in Kontakt sind. Je mehr Unternehmen hier mitmachen, je eifriger die Mitarbeiter ihr Wissen und professionelle Informationen ins Netz stellen und dabei einen Open Innovation Process ankurbeln, desto dichter werden die Daten, desto feinkörniger wird die Innen- und Aussenansicht der glokalen Unternehmenslandschaft und das 3D Bild ihres verfügbaren Humankapitals. Nebenbei kann der Netzwerkbetreiber noch die vielen neuen Bedürfnisse auf der One-Stop Plattform befriedigen. Das und noch viel mehr gibt es im Überbau dieser intelligenten Workforce Agency. ❶ „Trust Agents‘. Chris Brogan 2009. ❷ Workforce Marketing bindet die Mitarbeiter des Unternehmens direkt in das Firmenbranding, das Qualitätsmanagment 2.0, das Reputationsmanagement und die Vermarktung des Produktes mit ein. Mehr dazu im Glossar.

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Abschnitt 6

Die entgrenzte Arbeit „Das europäische Sozialmodell ist tot!” Mario Draghi. 2012. ❶

Das neue Workforce Marketing wie es LinkedIn als innovative Business-Lösung anbietet, stellt neben den vielen komplexen und zwiespältigen Herausforderungen an die Mitarbeiter nicht mehr die Gretchenfrage: Wie hältst Du es mit dem Mitarbeiterstatus? Permanenter oder temporärer Mitarbeiter? Experte und Multitasker? Privat- oder Arbeitsleben? Arbeitszeit und Freizeit? 24/7 oder geregelte Arbeitszeiten? Kurzfristig oder mittelfristig? Die traditionellen Rahmenbedingungen eines Arbeitsverhältnisses wie Arbeitszeiten, Sicherheit und Versicherung stehen inden Sozialen Netzwerken für Business nicht zur Debatte. Ganz zu schweigen von irgendwelchen Vergütungen nach Tarif oder Mindestlöhnen. In der VUCA-Welt der Arbeitsvermarktung sind das Überbleibsel des 19. und 20. Jahrhunderts, die nur noch in den Köpfen vieler renitenter Zeitgenossen in Europa stecken. Letztere fühlen sich vielleicht nicht von dem Fazit 2012 des Chefs der Europäischen Zentralbank Mario Draghi betroffen: «Das europäische Sozialmodell ist tot,“ meinte nämlich der EZB-Chef im Februar 2012 in einem Wall Street Journal © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 130


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Interview ❶. Bislang hat ihm noch kein europäischer Politiker widersprochen. Wie sollten sie auch! Doch wenn der europäische Sozialstaat dahingegangen ist, so ist die Verknüpfung von Arbeit und Sozialstaat ebenfalls tot. Beide bildeten bislang eine Einheit. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist dafür emblematisch, doch an sich schon längt antiquiert. Zum europäischen Sozialmodell gehören das Arbeitsrecht und unzählige unterschiedliche Sozialgesetze der EU-Länder. Arbeitsrechte und Sozialgesetze sind an einen geografischen Kontext gebunden, national, europäisch oder international. „Das Arbeitsrecht unterliegt wie kein zweites Rechtsgebiet einem stetigen Wandel. Ständige Gesetzesänderungen und internationale Bezüge, etwa bei der Vertretung weltweit tätiger Unternehmen, erfordern Flexibilität und Kreativität.“ (Staufenbiel.de) Das Arbeitsrecht wird also künftig den Bedürfnissen der Unternehmen angepasst. Das wissen die Zeitarbeiter auf den Berliner Großbaustellen ebenso gut wie die agilen Projektmanager unterwegs für deutsche Firmen irgendwo in Afrika oder in Kasachstan. Im Vordergrund der VUCA-Arbeit stehen für alle Unternehmen die schon bekannten Business-Prioritäten❷: ▪ Aus der globalen Daten- und Informationsflut neue Produktideen generieren. ▪ Die Ideen schnell umsetzen sie auf den Markt bringen. ▪ Die damit verbundenen Prozesse optimieren, ▪ das Kerngeschäft und die Kernaktivität stärken,

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▪ Zulieferketten fragmentieren. ▪ alle unproduktiven Betriebskosten reduzieren; ▪ Weiterbildung, betriebsinterne R&D streichen und dafür innovative Startups und Freiberufler als Partner oder in Clustern mit ins Boot holen, die sogenannte just in time workforce. Wie organisiert diese „just in time workforce“❷ aber ihr Leben, ihre Arbeit, ihren Marktwert. Sie muss die neuen Trends als early adopters schon vorwegnehmen, um zeitgerecht wertvoll zu sein. Wachsamkeit, intuitive Wahrnehmung der Veränderungen wird zu einer Schlüsselkompetenz. Übrigens: VUCA heisst in der Sprache der Zulus: „Wach auf!“ ❶ „The European Social Model has already gone. WSJ, Feb. 23, 2012. ❷ Just in Time Workforce. wsws.org. July 2013.
 „...und raus bist Du.“ ZEIT Online. 16.8.2013.

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KAPITEL 6 Im Casino Global

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Abschnitt 1

Faîtes vos jeux! Die Würfel sind gefallen Wie hieß 2008 der grösste Arbeitgeber der USA? Manpower! Manpower aber rutschte inzwischen im Ranking der global players bei Forbes von Platz 23 auf Platz 140. In wenigen Jahren hat sich die Vermarktung der Zeitarbeit weltweit auf die Sozialen Netzwerke für Business und die unzähligen Online-Jobbörsen für Freelancer verlagert. Die neuen Generationen am Arbeitsmarkt sind digital natives und auf ganz anderen Netzwerken unterwegs: Facebook‘s Business Netzwerk BranchOut und LinkedIn. Auch die Wissensarbeiter des 21. Jahrhunderts passen nicht mehr in die Raster von Manpower oder Adecco, selbst wenn letztere alles tun, um im Geschäft der Arbeitsvermarktng zu bleiben, und das floriert. Der Arbeitsmarkt der Zukunft verlagert sich zunehmend in das Social Media Recruiting, wo in Echtzeit Daten und Informationen verarbeitet werden können. Hier sind auch die komplexen Jobprofile der Wissensgesellschaft 21 erfassbar. Alle anderen Jobprofile bleiben im Sortiment der Zeitagenturen, die überall kräftig wachsen und gedeihen. Hier kaufen die Unternehmer preiswert nach dem gleichen Prinzip wie bei Saturn ein. Wie viele Menschen arbeiten eigentlich in Europa schon in © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 134


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prekären Zeitarbeitsverhältnissen? Es gibt keine verlässlichen Zahlen und wird sie wahrscheinlich auch nie geben, denn Statistiker bräuchten dafür zuerst europaweit präzise und einheitliche Anweisungen, die aber niemand geben wird. Der Wandel vollzieht sich innerhalb des Arbeitsmarktes, innerhalb der Unternehmen und innerhalb des individuellen Arbeitslebens: Langfristig wird zu kurzfristig, ein sicherer Arbeitsplatz zu einem prekären Job❷. Nach außen hin bleibt alles unverändert und im DA-CH herrscht weiter Vollbeschäftigung. Dass es bei den großen Automobilherstellern seit Jahren vier oder fünf verschiedene Modi für die gleiche Arbeit gibt, schlägt nicht auf die Erwerbstätigenzahlen nieder, sondern nur auf die Gehaltszettel der Beschäftigten. Das Bruttoinlandprodukt steigt und das durchschnittliche Bruttoeinkommen sinkt. Wie reagieren die Entscheider aus Politik und Wirtschaft darauf? Sie versprechen mehr Jobs, wissen aber, dass weder der Staat noch die Unternehmen sie schaffen werden. Bei gesättigten Märkten und stagnierenden Ökonomien ist das bestenfalls Augenwischerei. Darum empfehlen sie mehr Entrepreneurship, Selbstständigkeit und freuen sich über den Anstieg der Firmengründungen und Freiberufler. Die aber schaffen sich meist nur Nischen in den schon existierenden Marktsegmenten. Die Dritte Industrielle Revolution und die Industrie 4.0 sind noch nicht in Deutschland heimisch. Wer sind eigentlich die Arbeit- bzw. Auftraggeber und Kunden der wachsenden Zahl der Millionen Selbstunternehmer, Startups, Firmengründer? Die Kleinunternehmer, sagt die © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 135


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Regierung. Wie kommen sie in einer Unternehmenslandschaft zusammen, die von den VUCA-Impulsen bestimmt wird? Damit hat sich die McKinsey-Studie «The Future of the Global Workplace» schon 2006 beschäftigt und kommt zu dem Schluss, dass es angesichts der 4,5 Milliarden potentieller Arbeitskräfte auf Jobsuche im Jahre 2020 keine lokalen Engpässe mehr geben dürfte, wenn die Verteiler effizient arbeiten. Und wer sind die Verteiler? Es sind heute in erster Linie die Sozialen Netzwerke für Business mit ihrer lokalen, regionalen und globalen Zulieferkette an Jobvermarktern, die wieder die Verbindung zur analogen Welt herstellen. ➊ Die Zahl der Freiberufler in Deutschland auf Rekordhoch. Bundesverband der freien Berufe. Juni 2012. ❷ «...und raus bist du!» Die Zeit Online. 16.8.2013.
 ❸ Deutsche Post Konzerne lagern immer mehr Arbeit aus. Focus. 14/4/14 ❹ «The Future of the Global Workplace». McKinsey 2006.

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Abschnitt 2

Dabeisein ist alles Jeder ist seines Glückes Schmied!“ Die Sozialen Netzwerke für Business entwickelten sich nicht nur zu immateriellen Raumstationen mit unbekannter Reichweite. Sie schufen auch die sieben kleinen Dienstleistungen, die dem Nutzer zu Dienste stehen, wenn er weiß, wie, wo und wann er sie einsetzen kann. ▪ Die Direktverbindung als Wunschpartnerschaft aller Arbeitund Jobsuchenden und vielleicht auch einiger Unternehmer. ▪ Die informelle Vernetzung von Menschen und Unternehmen mit gleichen Interessen. Startups und Talentpools der blue, green, orange economy können sich in vernetzen. ▪ Das globale Schaufenster: Jeder darf sich professionell so darstellen, wie er will. Hauptsache er bleibt authentisch und glaubwürdig; sichtbar, findbar und verfügbar; ▪ eine marktgerechte Bedarfsdeckung mit optimaler Qualität; ▪ das Benchmarking, um Märkte, Trends und Menschen im gleichen Segment zu beobachten; ▪ die Visualisierung der eigenen Mehrwertigkeit. Dazu zählen

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auch gegebenenfalls die Kompetenzen der Mitarbeiter und das Feedback der Kunden und Partner; ▪ neue Zwischenräume für Mittler und Vermittler. Die Spielregeln sind für alle einsehbar: Für den Unternehmer sind sie eindeutig: Er muss sich mit kurzfristigen Verträgen die besten Ressourcen einkaufen, die dann mit ihrer Leistung sein Firmenbranding sowie sein Ranking verbessern und ihm mittelfristig einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz geben. Die Jobsuchenden der Webökonomie sollten sehr kompetent in ihrem Bereich bleiben, eine sehr seltene und gefragte Expertise haben und sie als hohen Mehrwert für den Kunden vermarkten. Wie sie das kommunizieren und vermarkten, wird dann das Erfolgsgeheimnis, das sie in Workshops, Seminaren, Blogs und Büchern weiter verkaufen können.➊ ➊ Kleine und mittelgroße Unternehmen im globalen Wettbewerb. Technikgestaltung, Internationalisierungsstrategien. Beschäftigungsbeschaffung. Roland Abel, Hans H. Bass. Robert Ernst Siebert (Hrsgb.) Rainer Hamp Verlag.

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Abschnitt 3

Rolle rückwärts Zurück zu den Anfängen Wie verband man um 1900 den starken Bedarf am urbanen Arbeitsmarkt in den entstehenden Ballungszentren, Paris, London, Wien mit dem Überangebot an willigen und billigen Arbeitskräften in den Provinzen und auf dem Land? Bis zum 1. Weltkrieg reisten tausende von Vermittlern über die Dörfer und warben dort junge Menschen für gut bezahlte Arbeit in der Stadt an. Ihr Geschäftsmodell war ebenso einfach wie das von Manpower oder der heutigen Online-Jobbörsen für Freiberufler oder Jobsucher. Nur machten sie alles händisch und zu Fuß. Für ihre Mühe und ihren Erfolg bekamen sie nicht nur eine einmalige Vermittlungsgebühr, sondern ein Zehntel des Lohnes von beiden Seiten. Nach und nach ersetzten die Unternehmer die externen Dienstleister durch eigene Personalbüros. So sparten sie Zeit und Kosten und hatten alles unter Kontrolle. Die Arbeitsuchenden dagegen mussten fortan in die Städte wandern, um dort selbst auf Arbeitsuche zu gehen. Das konnte Monate dauern. In der Zwischenzeit waren sie obdachlos, denn für einen Wohnsitz brauchten sie auch eine feste Arbeit. Wie lautete das Fazit der McKinsey-Studie zur Zukunft des

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Arbeitsmarktes? ❶ „...angesichts der 4,5 Milliarden potentiellen Arbeitskräfte auf Jobsuche im Jahre 2020 sollte es keine lokalen Engpässe mehr geben, wenn die Verteiler effizient arbeiten.“ Die Verteiler sind schon bekannt und auf dem entgrenzten Arbeitsmarkt können sie aus dem Vollen schöpfen und sich über riesigen Nachschub freuen: 2013 waren offiziell über 200 Millionen❷ Menschen auf dem globalen Arbeitsmarkt unterwegs, von einem kurzfristigen Job zum anderen. Landarbeiter, Hilfsarbeiter, Bauarbeiter, Wissensarbeiter und über 200 Millionen ❸gelten offiziell als arbeitslos. Das sind die offiziellen Zahlen. Für die Regierungen der wirtschaftsschwachen Länder mit starker Arbeitsmigration (über die Hälfte der EU-Länder und fast alle afrikanischen Staaten) sind die Arbeitsmigranten kurzfristig eine Chance, denn sie sind erst einmal von der Straße. Wenn die arbeitslosen jungen Menschen im Ausland Geld verdienen, das teilweise wieder zurück ins Land fließt, so bringt das nicht nur Devisen, sondern ersetzt auch die fehlende Sozialhilfe vorort und fördert die lokalen Mikroökonomien. Mittelfristig verlieren diese Länder jedoch ihre potentiellen Leistungsträger. Den Unternehmen in den Industrieländern bringt der Zustrom preisgünstiger Humanressourcen kurzfristig nur Vorteile. Leiharbeiter gibt es wie Sand am Meer und auch die hoch qualifizierten Wissensarbeiter strömen seit 2008 zu tausenden nach Nordeuropa.

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Von den 7 Millionen❹ in Deutschland lebenden Ausländern arbeitet die überwiegende Mehrheit legal oder illegal. Die italienischen, portugiesischen, spanischen, französischen griechischen und polnischen Arbeitsmigranten kommen nicht nach Deutschland, um von Sozialhilfe zu leben, sondern um zu arbeiten, meist unter ihrem eigentlichen Niveau.❺ Auch die Afrikaner nehmen nicht die Gefahren einer „Seefahrt“ in Kauf, um sich auf einer deutschen Parkbank eine Auszeit zu gönnen. Die Masse der gering qualifizierten Arbeitskräfte ebenso wie die zahlreichen ausländischen Ingenieure oder Akademiker drücken jedoch die Löhne hierzulande nach unten und treiben die Gewinnspannen der Unternehmen nach oben. Für die Volkswirtschaften der reichen Industrieländer Nordeuropas wie Deutschland ist das eine einmalige win-win Situation: Sie brauchen auch nicht mehr in Bildung und Ausbildung zu investieren, denn die qualifizierten Fachkräfte❻ kommen ihnen aus europäischen Landen oder vom Weltmarkt frisch auf den Tisch und sind dazu noch hoch motiviert und unbegrenzt belastbar. Wenn man sie eines Tages nicht mehr brauchen sollte, weil auch die deutsche Wirtschaft die strukturelle Krise zu spüren bekommt, können sie einfach wieder zurück in ihre Heimat geschickt werden. Inzwischen treiben sie auch die Beschäftigungsrate nach oben und dafür gibt es noch EU-Fördergelder.❼ Statt vorwärts zu schauen, macht Europa eine Rolle rückwärts. Statt den versprochenen Millionen Jobs in den Zukunftsindustrien, wie sie im 2007 Vertrag von Lissabon den

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EU-Bürgern versprochen wurden, arbeiten viele junge Europäer im Jahr 2014 wieder unter Bedingungen, die ihre Vorfahren motivierten, sich zu organisieren und auf die Straße zu gehen. ❶ The Future of the Global Workplace. Forbes. 01/02/2006. ❷ International Labor Standards on Migrant Workes. Ilo.org ❸ More than 200 million people were unemployed in the world 2013. International Labor Organizaiton. Janiuar 2014. ❹ Deutschland erlebt grössten Ausländerzuwachs seit 15 Jahren. SZ. 04.04.2012. ❺ Grosse Chance für ausländische Mittelbayrische. 08.01.2012.

Akademiker.

Kellnern

trotz Diplome.

❻ Junge Spanier in Deutschland. Hauptsache Zukunft. Spiegel Online. 22.02.2012. ❼ Finanzielle Förderung für Fachkräfte. SGA. 12.07.2012.

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Abschnitt 4

Flexiworker Die verpassten Anschlüsse Die Webökonomie schafft in immer kürzeren Zyklen eine größere Reichweite. Für Jeremy Rifkin➊ wird dieser Trend durch den Übergang von der Industriegesellschaft zur Dienstleistungsgesellschaft noch weiter beschleunigt. In der Dienstleistungsgesellschaft entstehen mehrheitlich nur noch Jobs mit begrenzter Haltbarkeit und die digitale Ökonomie steht ganz unter dem Zeichen der „free labor“, was eine hehre Umschreibung für Netzsklaverei ist. Und wie steht‘s um die deutschen Industrieexporte? Sie werden spätestens in fünf Jahren entweder in den Schwellenländern hergestellt oder dort direkt durch bessere und billigere Produkte verdrängt werden. Für den europäischen Arbeitsmarkt sind sie nur noch kurzfristige Arbeitsbeschaffungsmodelle, denn die Gesetze des flexiblen Kapitalismus, der Globalisierung und der Webökonomie diktieren auch den deutschen Unternehmen ihre Strategien auf. Den Grossunternehmen steht eine ganze Palette neuer Business Lösungen zur Verfügung und unter dem Strich sind sie die eigentlichen Nutzniesser der globalisierten Märkte, der digitalen Ökonomie und der Freizügigkeitsregeln. Sie agieren meist nur noch projektbezogen und im Verborgenen hinter einer Kette von Subunternehmern, Jobagenturen, © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 143


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Online-Plattformen, Zeitagenturen, die für sie bringen die Menschen in kurzfristige Arbeitsverhältnisse und Projektsegmente zusammensuchen. Auf dem Arbeitsmarkt 21 sind die Arbeitnehmer als Masse, egal wie sie sich benennen und egal wie „frei“ ihre Arbeit ist, die eindeutigen Verlierer. Das Arbeitsvolumen schrumpft und damit auch das Einkommen der Masse. Das betrifft in Deutschland zwar offiziell knapp eine Million Zeitarbeiter, etwa 3,7 Millionen Unterbeschäftigte und über eine Million temporärer Mitarbeiter. Aber 7,4 Millionen Menschen würden gerne mehr arbeiten und vor allem mehr verdienen. Der Anstieg der Freiberufler und Kleinstunternehmen ist somit auch ein Indikator der VUCA-Arbeitswelt. Dahinter stehen aber selten Berufseinsteiger, sondern meist nur die „aussortierten Festangestellten“ der Unternehmen oder die Serial Startups, die mit ihrer Idee oder Produkt nicht schnell genug den Durchbruch schafften. Wie lauten die Prognosen? Die klassische Festanstellung stirbt aus und jeder zweite Angestellte wird in den nächsten Jahren in den Fleximodus überwechseln. Damit ist nicht nur die temporäre Kurzarbeit gemeint, sondern auch die temporäre Mitarbeit. Die allgemeine Wirtschaftslage verschlechtert sich und die Unternehmen können so die Betriebskosten senken und Ballast loswerden. Für die temporären Mitarbeiter dagegen steigen die Produktivitätsauflagen. Das Workforce Marketing mit seinen vielen neuen Zusatzleistungen ist hier nur die Spitze des Eisbergs. Auf den Freelancer kommen ständig neue © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 144


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unternehmerische Auflagen zu, denen er nur entkommen kann, wenn er sich als crowdguru auf einer Online-Plattform vermarkten lässt. Deutschland schien bislang noch im Abseits dieses Trends zu liegen, denn im Vergleich zu den meisten Nachbarn, ging es der Wirtschaft bislang noch verhältnismäßig gut, den deutschen Exporten ebenfalls. Der deutsche Staatshaushalt ist endlich wieder im Gleichgewicht. Aber was zeigt der Blick hinter die stolzen Zahlen? 41,9% der deutschen Exporte entfallen auf Autos, Maschinenbau und Chemie. Die deutsche Industrie rangiert auf Platz 3 der weltweit grössten Rüstungsexporteure und ist weiter Chemie-Exportweltmeister. Rüstungsexporte, Chemieprodukte und Automobile sind zweifellos kurzfristig immer noch profitabler als Investitionen für erneuerbare Ressourcen. Sie beschäftigen in ihren Zulieferketten auch noch viele Menschen hierzulande. Aber es sind kurzsichtige und kurzfristige Modelle. Spätestens in fünf Jahren werden die in den Schwellenländern besser, billiger und schneller produziert werden, wahrscheinlich sogar in Joint Venture mit den deutschen Unternehmern, aber nicht mehr mit deren Beschäftigten.❸ Rüstungsexporte, Chemieprodukte und teure Automobile gehen nicht in die Richtung der Dritten Industriellen Revolution, die neue und andere Arbeitsmodelle schaffen könnte. Makers, kreative Tüftler und Frugal Innovators❹ haben hier nicht ihren Platz und für die Grassroot Theorien von Edmund Phelps❺

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gibt es hierzulande wenig Empathie, dafür aber viel Interesse für die Industrie 4.0, die lernenden Maschinen und das Internet der Dinge. Die aber machen den homo laborans ebenso überflüssig, wie einst die Maschinen die Weber, Schneider, Tischler und Arbeiter. Aber dazu mehr in Kapitel 11. ➊ Jeremy Rifkin. „The End of Work: The decline of the global labor force and the dawn of the post-market era.“ 1995. Hier in scribd. ❷ New Business Models in Emerging Countries. HBR Januar 2011. ❸ “Why optimism may be bad news.“The Economist, January 4, 2014 ❹ „Frist Break all the Rules. The Economist, 15.04.2010 ❺ Mass Flourishing: How Grassroots Innovation Created Jobs, Challengeand Change.“ Edmund Phelps. 2013.

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Abschnitt 5

Die Zeit der Talentpools „Die blühende Masse“ „..wie plötzlich viele kleine erfinderische und tätige Menschen alles aus dem Nichts schufen und dann nach und nach ihre Kompetenzen vernachlässigten!“ Edmund Phelps. ❶

Die „Dritte industrielle Revolution»❷ ist schon fest in den Köpfen der Wissenschaftler und Entwickler, in Nordfrankreich, Italien, Indien und China in der Testphase und wartet in Deutschland draußen vor der Tür. „Anders als ihre Vorgängerinnen, wird sie nicht mehr durch eine hierarchische Arbeitswelt und die zentralistische Struktur großer Konzerne gekennzeichnet sein, sondern durch dezentrale Beziehungen und horizontale Netze, die mittels Kollaboration miteinander in Verbindung treten,“ wiederholt Jeremy Rifkin immer wieder. „So werden nicht mehr Arbeitsplätze zerstört, sondern durch Vernetzungen des vorhandenen Wissens neue Energien, neue Produkte und neue Dienstleistungen entwickelt.“ Das klingt für viele Entscheider nach einer positiven Utopie❸aus der Ideenkiste der Vordenker und Träumer, die sie ebensowenig überzeugt wie die negativen Prognosen der Klimaforscher. nd so bleiben Jeremy Rifkin, Chris Anderson und Gunter Pauli❸ weiter auf der Wartebank der verpassten Gelegenheiten. Für Europa ist

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das fatal.

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Was ist so revolutionär an ihren positiven Prognosen? Die Dritte Industrielle Revolution, so hoffen ihre Protagonisten allen voran Jeremy Rifkin und Gunter Pauli, wird Lösungen schaffen, um intelligenter und nachhaltiger mit den natürlichen Ressourcen umzugehen. Nur die Ressourcen-Knappheit kann das Kapital und die Wirtschaft zwingen, die alten Industriemodelle endgültig zu entsorgen, meint auch Al Gore,❹ der 2007 mit dem Friedensnobelpreis für sein Engagement für den Klimaschutz ausgezeichnet wurde. Das Überangebot an Humanressourcen macht den Arbeitsmarkt zum Schlaraffenland. Die Dritte Revolution könnte die positiven Seiten der Internet Revolution der Masse zugänglicher machen, wie zum Beispiel die dezentrale Projektarbeit, die digitale Vernetzung der Erfinder mit den Herstellern. Wichtig sei es, die global vorhandenen Talente zu verknüpfen, und zwar nicht durch die Grosskonzerne, sondern in kleinen lokalen Mikrostrukturen mit überregionaler oder globaler Vernetzung, so Chris Anderson.❺ Zwischen Mailand und Florenz arbeiten schon über 2000 dieser kleinen neuen Produktionseinheiten,❻ die das Fachwissen der Handwerker und Erfinder vorort dank des digitalen Know-hows mit den Prosumern vernetzen, verarbeiten und vermarkten, kostensparend, energiesparend und ressourcensparend. Das sind aber weder Autos noch Waffen aus Bayern und schon gar keine Chemieprodukte, sondern Qualitätsprodukte, die die billigen Konsumprodukte ersetzen sollen, nach dem Motto: Weniger ist mehr. Auch die Frugal Innovation, wie sie von den indischen © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 149


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Entwicklern und Erfindern jenseits der Grosskonzerne vorangetrieben wird, verspricht konkrete Lösungen, bedarf jedoch nur moderater Fördermittel und ist für die Mehrheit der 9 Milliarden Menschen 2020 erschwinglich. Der Erfinder braucht kein Maschinenbauer mehr zu sein, denn die Software gibt ihm die Proportionen in 3D und er kann sie sofort umsetzen. Vile der künftigen Produkte werden jedoch so hochentwickelt und anspruchsvoll sein, dass die Produktentwickler und Produktdesigner sie den Kollegen in der Herstellung erklären und beide in Interaktion mit den Kunden bleiben müssen. An dieser Schnittstelle wird das künftige Workforce Marketing und das Crowdworking der Talentpools seinen Platz haben. Die Sozialen Plattformen für Business haben schon die Strukturen dafür geschaffen, nicht nur für die Vernetzbarkeit der Talentpools, sondern vor allem für die Erstellung globaler Konvergenzen. ➊ Mass Flourishing: How Grassroots Innovation Created Jobs, Challenge, and Change.“ Princeton University Press. August 2013. ❷ Jeremy Rifkin: „Die Dritte industrielle Revolution“. Die Zukunft der Wirtschaft nach dem Atomzeitalter. Aus dem Englischen von Bernhard Schmid. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2011. ❸ Gunter Pauli. The Blue Economy. A New Report. Club of Rome. 2013. ❹„An Inconvenient Truth.“ Al Gore. 2006. ❺ Makers: The New Industrial Revolution.Chris Anderson. 2012. ❻ Cosi torneremo ricci. Un future a costo zero. L’Espresso. 04.0.2014. S. 32-34

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Abschnitt 6

Slim.Fit.Smart Die andere Personalpolitik Der Innovationsdruck steigt für die Unternehmen. Ob sie lokal oder global unterwegs sind, sie haben immer Konkurrenten, die kreativer, effizienter und preiswerter arbeiten werden, vielleicht gleich nebenan oder irgendwo am anderen Ende der Welt. Im Zeitalter des Algorithmen-Traffics macht das keinen Unterschied mehr, denn Big Data und SEO-Analyse ermöglichen auch Marktforschungen und Vergleichsstudien in Echtzeit. Das gilt für alle, auch für die Klein- und Kleinstunternehmen, die 93% der deutschen Unternehmen vertreten.❶ In der VUCA- Welt kommen auf diese kleinen Unternehmen die größten Herausforderungen zu. Wenn sie in den Innovationswellen der kommenden industriellen Revolution 4.0 nicht untergehen wollen, brauchen sie mit knappen Mitteln und beschränkter Mitarbeiterzahl nicht nur viel Kreativität, sondern auch eine sehr agile Personalpolitik. Dafür gibt es keine Vorlagen, sondern nur best thinking! Denkt man hier konsequent weiter, so bedeutet diese agile und flexible Personalpolitik nicht nur das Ende der Festanstellungen. Sie bedeutet auch das Ende der betriebsinternen Umschulungen und Fortbildungen. Um die Stammbelegschaft zu schulen, fehlt es den Kleinunternehmen meist an Zeit, Geld,

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Humanressourcen und vor allem an verbindlichen Vorlagen. Nur Großunternehmen können Millionen in Weiterbildungen investieren und das Risiko eines ungewissen ROI verkraften. Fünf Jahre nach der großen Krise boomt die US Ökonomie wieder, aber dahinter steht eine dynamische Freelance-Ökonomie, die an sich eine Revolution ist. Was bedeutet diese „Revolution auf dem Arbeitsmarkt?“❷ Die Millionen Freelancer tragen zum kreativen Prozess der Wissensgesellschaft aus eigenen Kräften mit bei und versuchen nie den Anschluss zu verlieren und wenn möglich immer eine Runde Vorsprung zu haben! Die gefragten Skills von morgen müssen heute erlernt werden. Wie sie das machen und welche Konsequenzen das mittelfristig hat, erklärt Sara Horowitz, Gründerin der Freelancer Union, regelmäßig auf ihrem Blog. Die Hälfte der Deutschen hat sich zwar schon damit abgefunden, dass die Belegschaft vieler Unternehmen in Zukunft zum Großteil aus temporären Mitarbeitern bestehen wird und hofft, dass es die andere Hälfte betreffen wird. Sie hat sicher noch nicht die Konsequenzen für die eigene Lebensplanung erwogen. Die Erwerbstätigen der USA sind ihnen da wieder um einiges voraus. Die Sozialen Netzwerke für Business ebenfalls. ❶ Land der Kleinunternehmen. Markt und Mittelstand Nachrichten. ❷ The Freelance Surge is the Industrial Revolution of Our Time. Sara Horowitz. The Atlantic. September 1, 2011.

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Abschnitt 7

Mass Customized Learning Weiterbildung in Eigenregie Weiterbildung am Arbeitsplatz hatte bislang das Ziel, die Kapazitäten der Stammbelegschaft zu verbessern. Die betriebsinterne Weiterbildung oder die komplette Umschulung fester Mitarbeiter sind aber den kurzen Zyklen der VUCA-Ökonomie nicht mehr angepasst❶ und haben einen ungewissen Mehrwert für alle. Oft entspricht das Schulungsangebot nicht wirklich den Bedürfnissen. Experten für mass customized learning am Arbeitsplatz gibt es in Europa noch kaum. Für die Unternehmen der Webökonomie ist somit die Antwort einfach: Stell keinen über 25 ein, wenn überhaupt, und arbeite, wenn möglich, mit Fachkräften im Freelance. Die bringen das benötigte Know-how gleich mit zur Arbeit. Einen Blick über den Atlantik reicht, um zu sehen, welche Vorteile das für die Unternehmen hat. Viele Wissensarbeiter im Freelance dort haben diesen bedarfsgerechten und individuellen Lernprozess schon in ihr Arbeitsumfeld integriert. Er passt sich wie die Produkte oder Dienstleistungen der individuellen Fertigung dem aktuellen Bedürfnis des Abnehmers an.❷ Das ist nicht immer umsonst, geht aber auf Kosten des Freelancers. Doch nicht nur die Kleinanleger müssen ständig sehen, wie und wo sie ihr Geld

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richtig investieren. Auch die Wissensarbeiter sollten ihr immaterielles Kapital nicht mehr auf einem Sparbuch zusammenschrumpfen lassen. Manche deutsche (aufrichtige) Universitäten warnen schon ihre Studenten, die erworbenen Kenntnisse nicht als endgültige Kapitalanlage zu betrachten. Der beschleunigte Paradigmenwechsel am Arbeitsmarkt fordere, so der Career-Service der Universität München “Selbstständigkeit zum Denken in Zusammenhängen und zur Kreativität; diese Schlüsselkompetenzen werden beruflich an Bedeutung gewinnen, denn der Arbeitsmarkt verändert sich schnell und oft nicht vorhersehbar. Die Entwicklung der Hard-und Software in den letzten zwei Jahrzehnten hat gezeigt, wie kurzlebig die mühsam angeeigneten Kenntnisse und wie wichtig sie im persönlichen Wissensmanagement sind.“ Was bedeutet das konkret für den Einzelnen? Den Prototyp seines lebenslangen Lernens erstellt er selbst und passt ihn immer wieder an. Selbstständigkeit zum Denken in Zusammenhängen ist auch Weiter-bildung in Eigenregie.❸ ❶ Immer weniger Mitarbeiter werden weitergebildet. FAZ. 26.07.2005. ❷ Mass Customized Learning. Learning in the age of empowerment. Chuck Schwahn. 2011. ❸ Paradigmenwechsel am Arbeitsmarkt. Vom Arbeitnehmer zum Unternehmer. Dr. Heinrich P. Stampfli. Zürich. pdf

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Abschnitt 8

Personalpolitik 2.0 Proaktiv statt reaktiv Arbeitsmarketing 2.0 ist im 21. Jahrhundert fester Bestandteil des Personalmanagements. Dabei werden im Social Media Recruiting die Dienstleistungen der drei❶ Online-Plattformen mit hinzugezogen. Sie betreffen die VUCA-Bereiche der Webökonomie und bestimmen die Dynamik der Unternehmen in den kommen Jahrzehnten. Diese unbequeme Realität gibt den Unternehmern zwar die verlorenen Freiheiten von einst zurück, zwingt sie aber zum Umdenken im Personalmanagement. In den Sozialen Netzwerken, wo sich die Profis treffen, wird die Arbeit vom Sozialen (im europäischen Verständnis!) entkoppelt und auf die reine Wertschöpfung reduziert. In ihrem Wesen und Wirken sind diese Online-Plattformen neoliberal. Das proaktive Arbeitsmarketing 2.0 versachlicht ohne viel Aufsehen das Individuum und seine Fertigkeiten zu einem Produkt, das nach dem AIDA Modell vermarktet wird. Dieser Prozess vollzieht sich ganz natürlich, sobald alle Beteiligten auf der gleichen Ebene angekommen sind und die Verbindungen nicht mehr hierarchisch und vertikal, sondern horizontal, unter Gleichgestellten verlaufen. Das ist auch der community spirit der Sozialen Netzwerke; darum heißen sie ja

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auch so und nicht Social Media Recruiting. In der Freelance-Ökonomie sind alle Menschen Unternehmer, egal wie gross oder klein. Sie sind frei und nur durch einen kurzfristigen Vertrag gebunden, dessen Inhalt künftig dem Handelsrecht überregionaler Schiedgerichte und nicht mehr dem jeweiligen Arbeits- und Sozialrecht unterliegt. Auch das enthält TTIP Wundertüte. Das Social Media Recruiting, auf deutsch Personalbeschaffung 2.0, arbeitet schon heute mit Big Data und zwar binär: Proaktives Profiling und Monitoring 2.0. Big Data ist zwar nicht Big Brother 1984 mit seinen eindeutig totalitären Zielen, aber dafür genauso effizient und effektiv. Es ist alles nur eine Frage der Zweck- und Zielsetzung seitens des Recruiters. Alle anderen ethischen und juristischen Einwände wie Datenschutz und Respekt der Privatsphäre passen nicht mehr in das Raster des Arbeitsmarketings 2.0 der VUCA-Welt und werden einfach umgangen. Aus der Datenmasse eines Nutzers kann heute ein ziemlich präzises Profil❷ von jedem Einzelnen und jedem Unternehmen erstellt werden. Es konzentriert sich nicht auf die Fakten der Vergangenheit, sondern auf alle Potentiale, die womöglich noch freigesetzt werden könnten. Die Big Data Analytik ermöglicht Wahrscheinlichkeitsprofile der Partner oder Mitarbeiter zu erstellen. Das ist zwar nicht umsonst, aber effizienter als alle herkömmlichen Methoden der Personalbeschaffung oder des Audits. Anhand der vorhandenen Daten optimieren die Algorithmen

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das Profil der person of interest. Das LinkedIn, Viadeo oder XING Profil und die dazugehörigen Informationen wie Freunde, Kontakte, Projekte, Orte, Interessen, ehrenamtliches Engagement usw. werden dann mit den Social Data vernetzt und abgeglichen. Honi soit qui mal y pense. Die breite Öffentlichkeit kennt dieses Profiling aus den US Fernsehserien, wo die Geheimdienste es für die Auswahl ihrer Agenten einsetzen. Die Fiktion ist aber schon längst in der Business-Welt der Konzerne angekommen und stört bislang keinen.❸ Das proaktive Profiling in der Personalbeschaffung 2.0 steht aber auch den kleinen und mittleren Unternehmen zur Verfügung, die innovativ, kreativ planen und handeln wollen. Dafür brauchen sie sich nicht unbedingt gleich mit der anspruchsvollen IBM Kenexa Talent Suite anzufreunden. Es gibt viele alternative kostengünstige Lösungen, die das Social Media Recruiting und Monitoring 2.0 den Kleinunternehmen erleichtern und sie aus dem Fahrwasser der grossen Softwareanbieter befreien. Die sichern zwar ihren Wettbewerbsvorteil, indem sie Rundumpakete einschliesslich Service anbieten.Bequemlichkeit macht jedoch abhängig und schwach. ❹ Das Monitoring 2.0 in den Sozialen Netzwerken für Business gehört neben dem Social Media Recruiting nämlich auch mit zum Tagesgeschäft der Kleinunternehmen und Kleinstunternehmen. Es gibt sofort Antwort auf die sieben Fragen des proaktiven Arbeitsmarketings 2.0: ▪ Wer sind die Mitarbeiter der Konkurrenz oder Partner?

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▪ Wie vermarkten sie ihre Aktivitäten nach außen hin? ▪ Welche Kommunikationskanäle benutzen sie? Gruppendiskussionen oder Workforce Marketing? ▪ Welche Leute kamen in der letzten Zeit hinzu und mit welchen Kompetenzen? ▪ Von welchen Leuten haben sie sich getrennt und was hat sich dadurch für das Unternehmen verändert? ▪ Wie hoch ist das Innovationspotential der Mitarbeiter? ▪ Wie bleibt es in Kontakt mit den temporären Mitarbeitern? Das ist der Rahmen eines kostensparenden und effizienten Arbeitsmarketings 2.0, proaktiv und reaktiv. Aus der Notwendigkeit der Personalpolitik 2.0 werden Millionen Freelancer gemeinsam mit Millionen Kleinunternehmern zu treuen Stammkunden der Sozialen Netzwerke for a better working life. ❶ LinkedIn 300 Mio, Viadeo 35 Mio, 2012, XING14 Mio. ❷ Dazu mehr auf: LinkedIn Special, ununiTV, 2014. ❸ Paradigmenwechsel am Arbeitsmarkt. Vom Arbeitnehmer zum Unternehmer in Sachen Arbeit. Dr. Heinrich P. Stampfli. Zürich. Hier in pdf. ❹ Entelo.com

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KAPITEL 7 Der neue Modus

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Abschnitt 1

Just in Time? Im Regionalzug unterwegs ! “The Internet of everything changes everything.”John Chambers, CEO of Cisco.

Europa arbeitet seit zwei Jahrzehnten an sich selbst, erweitert sich ständig und damit auch seinen Arbeitsmarkt. Dabei generiert es einerseits die Massenarbeitslosigkeit der jungen Generationen und andererseits die zunehmende Prekarisierung❶ der Erwerbstätigen in fast allen EU-Ländern. Eigentlich versprach der Lissabonner Vertrag 2007 den Europäern Millionen Jobs für 2014, vor allem in den neuen Bereichen der Umwelttechnologien und der Dienstleistungen und vergaß dabei sein strukturelles Defizit. Es verdrängte auch die unbequeme Tatsache, dass der Paradigmenwechsel in der EU im Regionalzug vorankommt und dass „das Internet für uns noch Neuland ist “. (Angela Merkel, 19.6.2013) Hard- und Software werden von den Unternehmen zwar gerne übernommen, wenn sie kurzfristig die Produktivität fördern und die Betriebskosten senken. Doch außer SAP, hat Europa bislang noch kein europäisches Unternehmen der digitalen Technologien auf die Beine gebracht. Unter den Top 100 der Digital Content Industrie läuft das Berliner Unternehmen Acrolinx ein einsames Rennen als Outsider. Aber europäische Alternative zu Google, Microsoft, Apple, amazon oder Facebook gibt es

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nicht. China aber hat es geschafft, trotz seines Rückstands. Daran ändern auch der mediale Aktionismus der EU-Kommissare für die Digitale Agenda nichts. Die ruht künftig in den Händen eines ehemaligen CDU Regionalpolitikers. Die durchschnittliche Jugendarbeitslosenquote pendelt in der EU zwischen 8,1 (Deutschland) und 56% (Frankreich, Italien, Griechenland, Spanien, Portugal). Das hat für Deutschland gleich zwei Vorteile: Seinem demographischen Defizits verdankt es heute eine geringe Jugendarbeitslosigkeit. Für die Weiterführung seiner traditionellen Industriemodelle stehen die verwertbaren Humanressourcen der Nachbarn zur Verfügung, die kostengünstiger als die eigenen sind. Politiker und Gewerkschafter haben sich bislang noch nicht ernsthaft mit alternativen Lösungen für den Paradigmenwechsel auf dem Arbeitsmarkt befasst, auch wenn immer mehr Studien die Kluft zwischen Wirtschafts-wachstum und prekären Arbeitsverhältnissen belegen und 9,6 Millionen oft unfreiwillige Zeitarbeit machen.❷ ❶ „Was ist Prekarisierung?“ Arbeitskreis Gewerkschafter/Innen Aachen. ❷ „Immer mehr 13.09.2014.

Deutsche

arbeiten

in

Teilzeitarbeit.

Handelsblatt,

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Abschnitt 2

Parallelverbindungen Die Weichensteller am Werk Spätestens ab 2003 war jedoch der Strukturwandel am Arbeitsmarkt in Europa erkennbar. Zu dieser Zeit wollte Peter Hartz, Personalmanager bei VW, dauerhaft die Millionen Arbeitslosen aus den Arbeitslosensta-tistiken und aus der finanziellen Abhängigkeit von Staatsgeldern holen. Die Hartz II und IV Reformen brachten den deutschen Unternehmen Millionen Billiglöhner, verhalfen ihnen zu ungeahnten Wettbewerbsvor-teilen und führten zu einer Schieflage innerhab der EU. Aus segmentierten Ganztagsstellen entstanden somit Millionen Minijobs und viele neue Kategorien wie Teilzeitarbeit, Zeitarbeit, Leiharbeit, temporärer Mitarbeit, Kurzarbeit mit vielen oft undurchsichtigen Zahlen und das Aufstockermodell bemäntelt die Kehrseiten des Jobwunders. Die Ich-AG galt zwar als das Unwort des Jahres 2003, war aber keine Schnapsidee des Personalmanagers von Volkwagen und seinem politischen Auftraggeber, sondern eine Zukunftsvision vieler Unter-nehmer und damals ein Versuchsballon, um die Reaktivität der Gewerkschaften und der Erwerbstätigen zu testen.

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Schon 2003 entließen die Großunternehmen nicht nur massenhaft Mitarbeiter, weil die Produktionskosten woanders billiger waren, sondern weil sie den Personalballast loswerden wollten. 2014 sind sie immer noch dabei, abzuspecken. Im gleichen Jahr 2003, brachte das LinkedIn-Team aus Stanford sein Soziales Netzwerk für Business, Lars Hinrichs in Hamburg seinen Open Business Club (XING) und Dan Serfaty in Paris seine Plattform Viadeo auf den Markt. Damit stellten sie die Weichen der Freelance-Ökonomie, die es zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal im Ansatz gab und auch heute als Begriff in Europa noch nicht geläufig ist. Sie ist die konsequente Durchführung der neoliberalen Forderungen nach absoluter Handlungsfreiheit und entwickelte sich aber ganz natürlich aus den ▪ idealen Unternehmensstrukturen: klein, fit, schlank, ▪ flexiblen Kapitalmassen mit kurzfristigen Renditestrategien, ▪ entgrenzten Märkten, ▪ immer kürzeren Zyklen der VUCA Ökonomie, ▪ globalisierten Wettbewerbsbedingungen. Spätestens 2020 wird sich die europäische Automobilindustrie endgültig in die Schwellenländer oder in die Billiglohnländer verabschiedet haben und damit auch ihre Zulieferer ❷ Stellenabbau bei Siemens. Kaesers Kommunikationschaos. Spiegel Online, 30.5.2014. ❸ Automobil-Zulieferer: Zukunftsstandort China.

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Abschnitt 3

Ziemlich unzertrennlich Homo davosiensis & homo laborans Was ist die Welt des homo davosiensis? Er hat den Blick auf die flache Welt von oben in Davos, wo er sich alle Jahre wieder mit Gleichgesinnten über die Zukunft der globalen Wirtschaft Gedanken macht. Der homo davosiensis, wie Samuel Huntington in „The Clash of Civilization“❶ diese kleine Minderheit der globalen Entscheider bezeichnete, gehört mit zum inneren Kern der Finanz- und Wirtschaftswelt, die sich auch als global governance versteht. Der Weltwirtschaftsgipfel in Davos, vom deutschen Unternehmer Klaus Schwab 1987 ins Leben gerufen, wurde seitdem zum erlesenen Forum der einflussreichsten Männer der Welt. Politiker und Altpräsidenten sind dort immer willkommene Festredner. Der Begriff des homo laborans stammt von Hannah Arendt. In ihrem Werk „Vom tätigen Leben“❷ unterscheidet sie den kreativen Handwerker und Entwickler, den homo faber, vom animal laborans. Das Arbeitstier beschränkt sein Dasein auf die erste Ebene der drei menschlichen Grundtätigkeiten, das Arbeiten, während der homo faber alle drei Ebenen, Arbeiten,

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Herstellen und Handeln in sich vereint. Der Wissensarbeiter des 21. Jahrhunderts ist weder homo faber noch animal laborans. Er ist ein homo laborans. Als Teil eines kleinen Segments weiss nicht immer ganz genau, für wen er arbeitet, erstellt meist nur Fragmente eines Ganzen und handelt in der Kurzfristigkeit. Der Archetyp wäre der agile und mobile Projektmanager oder der freiberufliche Ingenieur. Der homo davosiensis blickt von oben herab auf die Märkte, vor allem auf die Finanz- und Ressourcenmärkte. Vom globalen Arbeitsmarkt fühlt er sich nicht betroffen und die VUCA-Märkte sind sein Casino Global. Der homo davosiensis braucht jedoch den homo laborans, den Wissensarbeiter, als Lösungsfinder. Er will seinen Kopf, sofern er kreativ, innovativ und erfinderisch ist, oder genau gesagt, er will Köpfe in Fusion, denn da wird vielleicht eine neue Energiequelle freigesetzt. Darum folgen seine headhunter weltweit den Startup-Events. Für innovative und lukrative Produkte und Ideen gibt es immer Venture Capital. Der homo davosiensis weiss, dass die Zukunftslösungen nicht mehr die Ressourcen fressenden Industrien oder standardisierten Massenprodukte sind, sondern intelligente Technologien, die bedarfserzeugend entwickelt und produziert werden. Die aber kommen nicht aus den Köpfen flach denkender Manager, sondern aus kreativen Köpfen, die vernetzt und quer denken, wenn möglich 24/7. Der homo davosiensis weiß, dass die Wirtschaft in ihrer

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Wertschöpfungskette weiter diese Humanressourcen mit den menschlichen Kompetenzen braucht, weil gerade sie noch nicht durch lernende Maschinen ersetzbar sind. (Kapitel 11) Wo sind diese Phänotypen 21 sonst noch unterwegs? In den Sozialen Netzwerken, wo sich die Profis kreuzen. Aus der Masse der 4,5 Milliarden Erwerbsstätigen 2020 werden dort dank Big Data treffsicher Talentpools zusammengestellt. Der homo laborans der Generationen YZ braucht nämlich den kollektiven und kollaborativen Schwarm. Im Zusammenspiel entfaltet sich seine Kreativität und Reaktivität. Der homo davosiensis verfolgt darum nicht nur aufmerksam die Startup Hubs und Labs. Er fördert auch direkt und indirekt die Sozialen Netzwerke für Business. Sie vernetzen nämlich nicht nur Menschen, sie verknüpfen vor allem ihre Daten, Informationen und ihr aktuelles Wissen. Der homo laborans des 21. Jahrhunderts, der tätige Mensch im ständigen Wissensfluss, ist wiederum auf den homo davosiensis angewiesen, so wie der Künstler der Renaissance die Gunst der Fürsten brauchte, um seine Kreativität und Innovation zu materialisieren. Auch sie waren nicht die besten Freunde, aber Pragmatiker mit unterschiedlichen Strategien. Wie schließt sich der Kreis zwischen den wenigen hominis davosiensis, den Millionen Wissensarbeitern im globalen Wissenstransfer und den Sozialen Netzwerken für Business wie LinkedIn? Wenn seit 2012 der Wissenstransfer aus den Eliteschmieden heraus auf dem globalen Markt und über den O3Way (Open

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Innovation, Open Source, Open Data) von großen amerikanischen Universitäten über Coursera, edX, skillshare, Udacity, Udemy oder Wharton College gefördert wird, so stehen dahinter spendable grosse Investoren, die Millionensummen in die Köpfe Millionen unbekannter Wissensarbeiter von morgen investieren, aus Überzeugung und Pragmatismus. Der Zugang zum Wissen soll öffentlich und allen zugänglich sein, so Bill Gates, weil das mit einem sehr hohen Arbeitsmarktwert❸ verbunden sei. Darum unterstützt der homo davosiensis auch direkt edX und LinkedIn fördert die Querverbindung zu Coursera. Reid Hofmann, LinkedIn Co-Founder, ist selbst Mitglied der feinen Gesellschaft der hominis davosiensis. Die Eingangstüren zum globalen Wissen stehen seit einigen Jahren weit offen. Jeder darf am globalen Open OnlineWissenstransfer teilnehmen, sofern er neugierig, offen und aktiv denkt, handelt und arbeitet und einige Grundkompetenzen mitbringt. Für Unwissenheit gibt es künftig keine Ausreden mehr. Coursera, edX, Udemy, Udacity bekommen darum viele Millionen Dollar, um das aktuelle, nützliche Wissen weltweit zu verteilen. Im MOOC fallen alle gängigen Ausleseverfahren der Elite- und Kaderschmieden (Notendurchschnitt, Finanzierung des Studiums, Zeit und soziale Kriterien) weg, auch wenn letztere daneben weiter existieren. Binäre Zeiten haben auch binäre Systeme. Sie nähren sich aus ihnen. Die Sozialen Medien für Business, allen voran LinkedIn in seiner Vorreiterrolle, liefern den Rahmen für die neue informelle Zertifizierung der Wissensarbeiter. Ein aufmerksamer

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Headhunter 2.0 schaut sich nicht mehr die Diplome an. Er will herausfinden, welches Wissen die Person in der letzten Zeit aufgenommen und wie sie es verarbeitet hat. So entsteht das unsichtbare Band zwischen dem homo davosiensis und dem Wissensarbeiter an der Basis, an dem die Sozialen Medien für Business fleissig mitknüpfen. ➊ Samuel Huntington „The Clash of Civilizations“1992 prägte diesen Begriff. ❷ Hannah Arendt: „The Human Condition.“ 1962. ❸ „New investments aim to provide more students with an affordable opportunity to receive a high-quality postsecondary credential with labor market value.This place is going to get more and more high-end talent and less and less commodity-type folks. The real question is, What's the next big thing, and what's going to be the big moneymaker?" Bill Gates. 2012.

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Abschnitt 4

Von Werten und Unwerten VUCA: Die flüchtige Zeiteinheit Der homo davosiensis ist einmal im Jahr in Davos sichtbar und sonst unerreichbar in den oberen Etagen der Wolkenkratzer in New York, Frankfurt, London oder Dubai. Der homo laborans arbeitet mit seinem Laptop in einem Coworking Büro oder zuhause irgendwo in der Welt, allein, aber vernetzt, im virtuellen Team oder Online. Ob am oberen oder unteren Ende, sie sind die Polaritäten, die der vernetzten Ökonomie der digitalen Wissensgesellschaften die Impulse geben. Zwischen diesen Polaritäten setzen sich die Millionen Kleinunternehmen täglich neu mit den volatilen Märkten und ihrer komplexen Dynamik auseinander. Auf diesen entgrenzten Märkten werden spätestens in fünf Jahren 70% der Güter anders und woanders hergestellt werden als in den herkömmlichen Produktionseinheiten. Auf den globalen VUCA-Märkten werden alle Rohstoffe knapper, mit einer Ausnahme: Die Ressource Mensch vermehrt sich schneller als erwartet und wird damit als Arbeitskraft immer billiger. Die Ressource Mensch muss jetzt aber auch den Wettlauf mit den intelligenteren und leistungsfähigeren Maschinen

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aufnehmen❶, den der Mensch in vielen Bereichen verlieren wird. Das sind keine Spekulationen, sondern technologische Fakten, die die Wissenschaftler und Unternehmer kennen, die Betroffenen aber gerne verdrängen. Die Unternehmen beschäftigen weltweit etwa 2,5 Milliarden Menschen, davon sind 42 Millionen in Deutschland erwerbstätig. Auch hier wird in den nächsten Jahren jeder zweite seinen Arbeitsrhythmus wechseln. Dahin geht der globale Trend, der in den USA vor zwei Jahrzehnten begonnen hat, sich seit 2008 schnell in den angeschlagenen EU-Ländern ausbreitet und von den Nachbarländern allmählich im Namen der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen übernommen wird. „Freelance ist die Zukunft der Arbeit!“ ❷ Die Arbeit wird frei: Free Labor! Die Freizügigkeit kennt keine Grenzen und die Unternehmen wissen, warum sie das TTIP hinter verschlossenen Türen aushandeln. Selbst wenn die Vertreter des Sozialismus in Deutschland oder Frankreich sich noch demonstrativ dagegen wehren, die Würfel sind gefallen. Der europäische Sozialstaat ist tot und damit auch das europäischer Arbeitsmodell der sozialen Sicherheit. Der Rest ist nur eine Frage der Zeit. Selbst wenn in den nächsten fünf Jahren von 50% aller Unternehmen in Deutschland nur die Hälfte ihrer Mitarbeiter von langfristige in kurzfristige Arbeitsverhältnisse verschieben, arbeiten innerhalb kurzer Zeit 10 Millionen Erwerbstätige in prekären Verhältnissen. 2013 wurden in Deutschland etwa 1,5 Millionen Freiberufler und 3 Millionen als Solounternehmer in die Statistiken aufgenommen und 9,6 Millionen arbeiten heute

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schon mit Teilzeitverträgen. Es sind „offizielle“ Zahlen, die vielleicht nicht alle Parameter mit einbeziehen. Die Verschiebung von Fest- auf Zeitarbeit oder auf freie, temporäre Mitarbeit ändert in den Industrieländern vorläufig nicht viel an der Gesamtsumme der Erwerbstätigen. Der Ausweg in die Selbständigkeit wird seit 2003 staatlich gefördert und von den Unternehmern, Politikern und Medien medienintensiv begrüßt. Dass bei einer rückläufigen Demographie und stagnierenden Arbeitslosenzahlen die Zahl der Erwerbstätigen weiter steigt, freut alle, aber wundert niemanden. Nach außen hin bleiben die alten Werte zumindest im DA-CH weiter bestehen: Vollbeschäftigung, Wirtschaftswachstum, ein stolzes Bruttoinlandsprodukt. Ob diese Werte überhaupt noch einen Sinn machen, ist eine andere Frage. Dass sich innerhalb dieser Zahlen der Arbeitsmodus❸ ändern kann, ohne dass es groß auffällt, erklärt sich ganz einfach durch die Verschiebung der Verantwortungsebenen: Nicht mehr der Staat oder die Gesellschaft ist für den Arbeitsmarkt verantwortlich, sondern jeder Einzelne muss aus seinen Kompetenzen das Beste machen.❹ Die Mittel dafür stehen stehen frei zur Verfügung: Vom Arbeitsamt gibt es Bildungsgutscheine und im Internet kann sich jeder Wissensarbeiter fortbilden. Das ist nicht immer kostenlos, denn dahinter steht ja viel Arbeit und Zeit. Besonders im Wissenstransfer ist Mass Customization, das heisst die individuell formatierte Leistung, zeitaufwendig und Zeit ist Geld. Wer nicht permanent sein Wissen und seine Kompetenzen auf den letzten Stand bringen will, wird Klempner, Elektriker, © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 171


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Schweisser, Mechaniker, Gemüsegärtner.

Heizungsmonteur

oder

Diese Fachkenntnisse werden weiter gebraucht und erfreuen sich einer konstanten Nachfrage.❺ Diesen Rat gibt übrigens auch Michael Bloomberg. Es ist der Blick eines homo davosiensis von oben her auf die flache Welt. Die VUCA-Welt der Arbeit ist für ihn kein Scoop mehr und die Zukunft der Wissenarbeiter schon längst abgehakt. Nun aber kommen 99% der Menschen nicht diesen Abstand zur Arbeitswelt wie Michael Bloomberg. Sie kommen um die Arbeit nicht mehr herum. Ob sie ihnen Wohlstand und Sicherheit gibt, ist eine andere Frage. Übrigens, Klempner sind meist selbstständige Handwerker. Der europäische Sozialstaat entlässt seine Kinder in die Selbstverantwortung und Selbstständigkeit. Auch das sind die Merkmale der Freelance-Ökonomie. ❶ The Race Against The Machine. Erik Brianjolfsson. Andrew McAfee. MIT Center for Digital Business, 2012. ❷ Future of Work: How the freelance revolution is changing the meaning of a day job“. BRW, 08 May 2014. ❸ Mehr befristete Arbeitsverträge in Deutschland. DIE WELT, 06.04.2014. ❹ How America became a Nation of Freelancers. The Guardian, 2/712, ❺ Soloselbstständig in Deutschland. Friedrich Ebert Stiftung. pdf.

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Abschnitt 5

Im Labor des Arbeitsmarketings 2.0 Mobile Opportunisten In den großen Transition Towns❶ Europas wie Berlin, Barcelona, Amsterdam und London ist der Übergang vom alten Arbeitsmarkt zur Vermarktung der Humanressourcen im virtuellen Raum der Social Media schon sichtbar. Dort sammeln sich die hoch qualifizierten Arbeitsmigranten aus aller Welt. Sie arbeiten in Coworking-Räumen, Betahäusern, Cafés, denn dort bleibt man in in der crowd und der Wissensarbeiter 21 entfaltet ja seine im Kreativität am schnellsten im Schwarm. Sie sind teils die Kollateralschäden der neuen ökonomischen Unübersichtlichkeit und Zeitzeugen des Shifts❷, teils aber die slashers und makers, die mobil, agil und kompetent genug sind, um auf den Wellen VUCA-Ökonomie zu surfen. Sie sind nur im Transit und immer auf der Suche nach neuen Möglichkeiten. Viele von ihnen gehen zurück in ihre Heimat, sobald sie ein Geschäftsmodell gefunden haben, das sie in ihrem Heimatland erfolgreich umsetzen können. Auch so entsteht ein interaktiver Wissenstransfer. In den ehemaligen Fabrikgebäuden des Berliner Osthafens, in Paris oder London werden ganze Etagen von großen Agenturen © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 173


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kurzfristig für intensive Projektarbeiten angemietet. Designer, Programmierer, Software-Entwickler, 3D Prototyper, Texter, Kameraleute aus der ganzen Welt arbeiten im 24/7 Rhythmus an einem oder mehreren Projekten gleichzeitig. Kurzfristig, und immer unter Zeitdruck (das ist Teil des Systems) werden hier alle Produkte der Webökonomie entwickelt: Online-Plattformen für Events, e-commerce, Firmenportale, Kataloge, komplette Design-Kollektionen und 3D-Prototypen. Selbst Maschinenbauingenieure werden als temporäre Mitarbeiter händeringend gesucht. Hier ist der homo laborans im Einsatz. Die Agenturen, die diese komplexen kurzfristigen Projekte für größere Unternehmen als Zulieferer durchziehen, schöpfen auch aus den Sozialen Netzwerken die brauchbaren Humanressourcen. Die arbeiten für Unternehmen, mit denen sie nie direkt in Kontakt kommen. Das Recruiting läuft über die Online-Arbeitsmakler, die auch das Coaching, das begleitende Onboarding oder gar die Sprachkurse organisieren. All diese Bereiche der Personalpolitik gehören ja nicht mehr zu den «Kernaktivitäten», sondern sind Arbeitsmarketing 2.0 auf Zeit. ❶ Transition Town. “Stadt im Wandel.” ❷ Lynda Gratton.“The Shift. The future of work is already here.“. Collins 2013.

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KAPITEL 8 Die schöne, neue Freelance-Ökonomie

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Abschnitt 1

Die unbenannte Größe

Unsichtbar in der Unübersichtlichkeit Die Freelance-Ökonomie besteht heute aus Millionen Mikro- und Solounternehmern, die sich selbst Arbeit schaffen und beschaffen, anstatt noch nach einer „sicheren“ Festanstellung zu suchen. In den USA ist schon jeder dritte, in den EU-Krisenländern schon jeder zweite Selbstunternehmer. In den Schwellenländern gelten Festangestellte entweder als priviligierte Parasiten oder gehören mit zum Hauspersonal und selbst für die FAZ sind Festangestellte Auslaufmodelle. (FAZ, 18/10/2014). Der Weg in die Selbstständigkeit wird aber für viele gut ausgebildete Menschen die bessere Alternative zu Zeit- und Leiharbeit. Jobwunder, wie sie immer medienwirksam der Öffentlichkeit präsentiert werden, schaffen übrigens keine Festanstellungen, sondern einfach nur Jobs, insbesondere bei Startups, denn gerade die arbeiten im VUCA-Rhythmus. In der Freelance-Ökonomie➊ bilden auch Freelancer und kleine Unternehmen eine unzertrennliche Seilschaft. Wie sieht das im Geschäftsalltag aus? Der Selbstentrepreneur oder Freelancer arbeitet zu 95% für Kleinunternehmen und die arbeiten als Zulieferer für größere Unternehmen. Um dem Kostendruck standzuhalten, beschäftigen sie temporäre Mitarbeiter. Alle sind © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 176


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aber aufeinander angewiesen➋. Ein Freelancer ist ohne feste Anstellung und immer auf Arbeitsuche, die jetzt Auftragssuche heißt. Darum verschwindet er auch als Arbeitsuchender aus den Arbeitslosenzahlen. Sitzen Freelancer und Selbstunternehmer im gleichen Boot? Ja. Sie sind die kleinsten Legosteine, die nach der Zerlegung der alten Unternehmenskomplexe übrig bleiben. Sie sind auch gleichzeitig die Materie, aus der sich Neues entwickeln soll. Ein Freelancer heißt zwar noch offiziell Freiberufler, muss aber nach den gleichen Regeln arbeiten wie ein Entrepreneur: kurzfristig reaktiv, mittelfristig interaktiv im Team und langfristig proaktiv für sich selbst und immer selbstständig sein, seine Kompetenzen vorausdenken und sich ständig weiterbilden. Das ist der Stoff, aus dem die Freelance-Ökonomie besteht, die eine Mikroökonomie und die Steigerung der neuen Unübersichtlichkeit ist. ➊ „Die Unbenannten". AkademikerInnen und KünstlerInnen im Prekariat, in einem Staat, der den Euro, nicht aber die Menschen retten will. Literaturfestival in Margareten. 25. Juni 2013. Karin Geyer (Roman in Arbeit) 
 ➋ The Collaborative Marketplace Helps Businesses Find The Perfect Fit. 18/12/ 2013. Business News Daily. ➌ Jürgen Habermas. „Die neue Unübersichtlichkeit.“ 1986.

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Abschnitt 2

Zwischen den Zahlen ... und Fakten Vertraut man den offiziellen Zahlen der Statistiken,❶ so ist die Freelance-Ökonomie in Deutschland eine kleine aber feine Nischengesellschaft Priviligierter mit überdurchschnittlichem Einkommen und Freiräumen im Gegensatz zu Großbritannien, wo es bereits einen National Freelancer Day❷ gibt oder Italien. Dort stieg die Zahl der Freelancer 2013 um 50% und wurde inzwischen zu einem Politikum.❸ Hierzulande wird die steigende Zahl der „Freiberufler“ als Zeichen des Wohlbefindens der deutschen Volkswirtschaft interpretiert.❹ Es gibt aber auch noch eine andere Lesart. 13,1% der 41,6 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland und zwar über 5,4 Millionen, sind heute im Unternehmensdienstleistungsbereich beschäftigt.Die Zahl der Unternehmensdienstleister hat sich in den letzten 20 Jahren bei sinkender Gesamtbevölkerungszahl mehr als verdoppelt. Wer sind diese vielen neuen Unternehmensdienstleister?❺ In dieses Kofferwort passt so ziemlich alles, angefangen mit dem Facility-Management bis zur kompletten Unternehmensberatungspalette einschließlich IT SaaS, SAP und Internetkommunikation.

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Dieser Unternehmensbereich explodiert und neue Unternehmen gründen bereits nach diesem Komponentenprinzip. Auch die älteren Unternehmen lassen sich immer mehr von den Vorteilen des Out- sourcings überzeugen. Oft werden langjährige Mitarbeiter zu Subunter- nehmern oder Honorarkräften. Die Verschlankung der größeren Unternehmen führt somit zuerst zur Gründerwelle bei den Kleinstunternehmen. 99% dieser neuen Unternehmensdienstleister bleiben Kleinstunternehmen❻ mit Praktikanten, Zeitarbeitern und temporären Mitarbeitern im Tross. Der Freelancer ist hier das letzte Fragment. Die neue Freelance-Ökonomie besteht somit im Wesentlichen aus den kurzfristigen Partnerschaften zwischen etwa 3,32 Millionen Kleinstunternehmern und einer Dunkelziffer von 1 bis 7 Millionen Selbstunternehmern, die im Freelance für sie arbeiten. Ihre Zahl wird in den nächsten Jahren weiter steigen: Hochschulabsolventen mit einem unzeitgemäßen Studium, die nach sechs oder sieben Jahren Pratikantenerfahrung zu Solounternehmern werden, freigesetzte Festangestellte, die in ihrem Alter oder in ihrer Region nicht mehr gefragt sind, hochqualifizierte Arbeitsmigranten, die das Taxifahren und Kellnern leid sind und die slashers. Hinter positiven Schlagzeilen stehen oft auch harte Fakten...!❼ ❶ „So viele Freiberufler wie noch nie.” Handelsblatt, 9.4. 2013
 Institut für Mittelstandsforschung. Unternehmensbestand Deutschland. Bonn 2012. ❷ Freelancers in the UK http://www.freelancersintheuk.co.uk/ ❸ Lavoro: Italia terra di freelance, in un anno aumento del 50%, uno degli effetti della riforma Fornero. Huffington Post. Grupo Espresso. 05.04.2013.

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❹ „Mehr selbstständige Freiberufler. FAZ 08.07.2013. ❺ „Unternehmensorientierte Dienstleistungen sind Dienstleistungen, die nicht für den privaten Konsum produziert werden, sondern von Unternehmen oder öffentlichen Institutionen nachgefragt werden. Diese Dienstleistungen fließen in den Produktionsprozess ein, oder sie übernehmen vermittelnde Aufgaben, z.B. zwischen Produzenten, zu staatlichen Institutionen oder zu Konsumenten. Üblich ist eine qualitative Unterscheidung in einfache und höherwertige unternehmensorientierte Dienstleistungen“ http://www.ibim.de/wigeo/4-4.htm ❻ Kleinstunternehmen in Deutschland 2012: 3.32 Millionen.Quelle Statista ❼ Arbeitsverhältnisse im Dienstleistungssektor. Viele Jobs. Wenig Geld. Wirtschaft Süd-West.de 10.12.2011.

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Abschnitt 3

Partner auf Zeit Impulsgeneratoren Am unteren Ende der VUCA-Märkte, wo der Druck am stärksten und es zeitlich und finanziell immer enger wird➊, vollbringen Freelancer und Kleinunternehmen das pas-de-deux im Arbeitsmarketing 2.0. Der passende Partner just in time auf Zeit wird zum Wettbewerbsvorteil, aber weder der eine noch der andere sollten sich langfristig binden. Je größer die Auswahl und das Netzwerk, desto größer sind die Chancen, neue Ideen und kreative Köpfe zu finden. Oft kommen die besten Impulse von weit her oder aus der interkulturellen Verschiedenheit. Nicht alle brauchen diese permanente Partnersuche im Kopf und im Geschäftsalltag. Aber all jene, deren Wettbewerbsfähigkeit vom eigenen Innovationspotential abhängt, müssen mit den Gesetzen der VUCA-Märkte arbeiten und sich mit dem Arbeitsmarketing 2.0 vertraut machen. Wo und wie kommen die Impulsgeneratoren virtuell zueinander und optimieren ihre Chancen? In den Sozialen Netzwerken für Business. Wo sonst! Beide, sowohl der Kleinunternehmer als auch der Freelancer als Selbstunternehmer, haben dabei nur Vorteile➋. Der Auftraggeber erspart sich die Projektausschreibungen auf

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den Online-Jobbörsen, denn da kann die Konkurrenz immer mitlesen. Freelancer vermeiden dagegen den Stress der Kaltakquise, wenn sie sich auf den Sozialen Plattformen für Business und den vielen Jobbörsen als Jobsucher klar profilieren. Der durchschnittliche Freelancer (IT-, Big Data und SEO-Analysten, Produkt Designer und MINT-Spezialisten unter 45 ausgenommen) ist auf einer der beiden Sozialen Plattformen für Business präsent und auf drei Jobbörsen und möglichst allen lokalen Netzwerken unterwegs. Das kostet Zeit und Geld, ist jedoch Teil des Selbstmarketings 2.0. Dafür reicht jedoch das Basiskonto auf LinkedIn, XING oder Viadeo nicht mehr. Die permanente Partnersuche im Arbeitsmarketing 2.0 ist zeit- und kostenintensiv für alle Seiten und eine der größten Einkommensquellen der Sozialen Netzwerke. Darum bewerben sie diese Zielgruppen immer intensiver. ➊ Insolvenzen steigen. Kleinstunternehmer stärker betroffen. 2013 ❷ Four Ways Small Business Can Recruite Top Talents ❸ „Obama‘s „just-in-time“ workforce. wsws.org. July 15, 2013

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Abschnitt 4

Die Ninjas✍ Auf freiem Feld Wer sind diese Freelancer und Mikrounternehmer der Webökonomie eigentlich? Sie sind in Deutschland wahrscheinlich ebenso zahlreich wie die Angestellten des öffentlichen Dienstes❶, auch wenn die offiziellen Statistiken für das Jahr nur 1,2 Mio. Freiberufler ausweisen. Darunter sind Ärzte, Apotheker, Wirtschaftsprüfer, doch die vielen neuen Bereiche der digitalen und kreativen Ökonomie bleiben außen vor. Freelancer sind Grenzgänger und für größere Unternehmen oder gar Konzerne noch ein absolutes Tabu. Sie gelten dort als unprofessionelle Querdenker oder gar widerspenstige Sonderlinge, die sich nicht in klare Prozesse einordnen lassen. Dass sie nicht oder nicht mehr fest angestellt sind, erscheint den Managern und Unternehmern verdächtig und meist passen die neuen Kompetenzen so gar nicht in die herkömmlichen Raster und QM-Normen. Wie soll man z.B. die Kompetenzen einen Community Managers bewerten? Dafür reicht nicht immer seine Followerzahl auf Twitter und Facebook. Das Klischee des Freiberuflers mit PC am Strand betrifft nur eine

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winzige Minderheit von etwa weltweit 500 000 gefragten Produktdesignern, SEO Analysten, IT- und Finanzexperten. Es ist jedoch ebenso hartnäckig wie das Bild der am Küchentisch arbeitenden FreelancerIn zwischen Kind und Kochtopf. Beiden Klischees ist die Geringschätzung dieser neuen Akteure auf dem europäischen Arbeitsmarkt zu verdanken. Die meisten Freelancer sind wie Ninjas. Sie sind schweigsam, mysteriös, unsichtbare Einzelkämpfer und werden von der breiten Öffentlichkeit und den Statistiken gar nicht wahrgenommen. Nur wenige wissen um ihre Existenz und noch weniger können erklären, was so ein Freelancer eigentlich macht. Oft können es die Freelancer selbst nicht. Viele verfügen nämlich über wuchernde Kernkompetenzen und ihre Profilerstellung wird zu einer Gratwanderung, ganz zu schweigen von ihrem Personal Branding, der i-Reputation und dem persönlichen Qualitätsmanagement 2.0. Das Durchschnittsalter des „freiberuflich Arbeitenden“ liegt zwischen 35-65. Etwa 40% sind in den neuen Kommunikationsbereichen der Webökonomie tätig, in denen mit Text, Ton und Bildern Inhalte erstellt und vermittelt werden. 30% beraten, coachen, unterrichten außerdem. Der Rest verteilt sich auf alle Geschäftsfelder, die nicht zu den Kernaktivitäten der Unternehmen gehören und ausgelagert werden. Sie bilden die Hälfte der Ressourcen des Arbeitsmarketings 2.0. Startupper, mittleres Management und hoch qualifizierte MINT machen die andere Hälfte der temporären Mitarbeiter im Freelance aus. Soziologisch, kulturell und ökonomisch haben sie all die Qualitäten, die bei den großen Unternehmer-Events als

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Schlüsselkompetenzen gepriesen werden.

und

wertvolle

Humanressourcen

Solange Freelancer als Einzelpersonen auftreten, werden sie von größeren Unternehmen nicht für voll genommen. Sobald sie jedoch zusammen mit anderen eine Firma in der richtigen Nische gründen, in der sie sich nicht nur als Fachleute, sondern als Experten positionieren, bekommen sie vielleicht einen direkteren Zugang zu den grösseren Auftraggebern. Aber bis dahin bleiben Freelancer in den Augen der Auftraggeber die zweite Garnitur. Nur die Kleinunternehmen arbeiten notgedrungen mit ihnen, aus lokaler Bequemlichkeit, aus Kostengründen und weil sie vielleicht inzwischen begriffen haben, dass auch die renommierteren Dienstleister immer öfter die Arbeit von Freelancern machen lassen. ✍ Ninja im alten Japan. ❶ Die soziale Situation in Deutschland 2013. http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschla nd/617 14/oeffentlicher-dienst.

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Abschnitt 5

Anonymous „Ach wie gut, dass niemand weiß...,“ Anders als in den USA und den Schwellenländern, wo schon über die Hälfte der Erwerbstätigen im VUCA-Rhythmus lebt und arbeitet, weiss die breite Öffentlichkeit hierzulande mit diesen Wörtern Webökonomie, Freelance-Ökonomie, Arbeitsmarketing 2.0 nichts anzufangen. Wie sollte sie auch! Diese Begriffe stehen in keinem Wörterbuch und selbst die Medien, Politiker und Institutionen umgehen diese unbekannte Themenwelt. Dazu gibt es in Deutschland und in Europa (außer England) nur unhandliche Fakten, fast keine verbindlichen Zahlen, keine Vordenker und somit auch keine Theoretiker und keine Talk Shows. Die Veränderungen kommen zu schnell, als dass noch Zeit für Theorien und Thesen bliebe. In Deutschland verhindert noch der Erfolg der auslaufenden Produktionsmodelle des 20. Jahrhunderts eine Auseinandersetzung mit den neuen Fakten der digitalen Ökonomie, den VUCA-Märkten und mit dem flexiblen Kapital. Die deutschen Waren behaupten sich weiter am Weltmarkt, auch wenn sie weder ökologisch noch ökonomisch nachhaltig sind, aber sie tun der Wirtschaft, dem BIP und dem Staat gut. Und was sagen die Fakten?

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Die Top 20 deutschen Großunternehmen haben zwar insgesamt 4,53 Millionen Mitarbeiter weltweit, aber davon sind nur ein kleiner Teil in Deutschland beschäftigt, das heisst ca. 11% der Gesamterwerbstätigenzahl. VW gilt mit 500 000 Mitarbeitern als einer der grössten Arbeitgeber Deutschlands, doch nur noch jeder vierte VW wird hierzulande produziert. 55% der VW Mitarbeiter arbeiten im Ausland und VW macht seine Zukunftsinvestitionen in den Schwellenländern, denn da sind die Märkte und die Abnehmer. Siemens belegt den zweiten Platz, machte 2013 einen Rekordumsatz von 73 Milliarden Euro, setzt aber im gleichen Zeitraum 15.000 Mitarbeiter frei. Die deutschen Großunternehmen werden als Zugpferde der deutschen Wirtschaft gepriesen und beschäftigen insgesamt viel weniger Menschen als die informelle und komplexe Freelance-Ökonomie. Ihre Zulieferer kämpfen jedoch schon mit dem VUCA-Syndrom und kommen nur noch mit temporären Mitarbeitern und Zeitarbeitern über die Runden. Welches Bild haben wir von der Freelance-Ökonomie in Europa im Jahre 2014? Dazu sollte die offizielle Wahrnehmung zu Worte kommen: «Das Berufsbild der freien Berufe ist nicht statisch, sondern entwickelt sich kontinuierlich», die freien Berufe sind gekennzeichnet durch eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Dynamik, aus der immer wieder neue Berufe und Berufsbilder entstehen»,

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heisst es in dem Bericht des Bundesministeriums für Wirtschaft ➊, wo die klassischen Freiberufler (Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater, Architekten) mit den neuen «nicht qualifizierbaren Tätigkeiten» vermischt werden. „Sie arbeiten fast ausschließlich für kleine und mittlere Unternehmen,“ heisst es weiter. Sozialpolitisch hat das für die Bundesregierung nur Vorteile. So werden nämlich die prekären Aufstocker und hybriden Freelancer in einen Topf mit den gutverdienenden Freiberuflern geworfen. Beim Zählen nimmt man es dann nicht mehr so genau. ➊ Bericht der Bundesregierung zur Lage der freien Berufe. April 2013. pdf.

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Abschnitt 6

Der Dynamo-Effekt Die Galaxie Arbeitsmarketing 2.0 Die neue Metaebene des Arbeitsmarketings 2.0 bekommt aus beiden Ecken der Unternehmenslandschaften im Umbruch Zulauf: ▪ Aus dem wachsenden Schattenheer der Unbenannten➊ ▪ von der ebenfalls Mikrounternehmen.

exponentiellen

Zahl

der

Nachdem die Großunternehmen sich spätestens 2020 konsequent in Archipele mit Zulieferketten restrukturiert haben werden, wird auch die neue Unternehmenslandschaft 21 der blue, green, orange economy nur noch aus Mikrostrukturen bestehen. Diese Mikrostrukturen gehören zur Dynamik der Dritten Industriellen Revolution, die in kleinen Einheiten zeit-und marktgerechte Produkte dezentral entwickelt und lokal vermarkten will. Es sind Mikrostrukturen aus neuen Unternehmen, mit neuen innovativen Produkten, die wie alle Unternehmensgründungen klein anfangen und aufgrund ihrer Produkte (keine Masssenprodukte, sondern Mass Customization) nie wachsen sollten. Diese kleinen Einheiten werden grundsätzlich mit temporären © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 189


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Mitarbeitern zusammenarbeiten, denn auch die drei ökonomischen Imperative des Neokapitalismus werden nicht mit der blue, green, orange economy verschwinden: Kapitalisierung der Investitionen, VUCA , das Fluss-und Pull Prinzip sind mit von der Partie. Konkret heißt das: Produktion und Lieferung nur bei Bedarf und dann in Hochgeschwindigkeit, denn der Markt und die Kunden sind VUCA. Volle Auftragsbücher, die es erlauben drei oder vier Jahre vorauszuplanen, werden in dieser neuen Unternehmenslandschaft eher die Ausnahmen sein. Ob sie den Sprung vom Kleinst- zum Kleinunternehmen (50 Mitarbeiter) schaffen werden ist eher unwahrscheinlich. Das setzt Netzwerkdenken und vernetztes Arbeiten voraus❷ und katapultiert alle herkömmlichen Vorstellungen von Arbeit und Sozialisierung gleichzeitig auf den kleinstmöglichen Nenner der SOHO (Small Office Home Office) und auf die Metaebene der Arbeitsvermarktung 2.0. Welcher Kleinunternehmer hätte sich jedoch vor noch knapp zehn Jahren vorgestellt, dass er seine agilen Projektmanager je nach Bedarfslage, suchmaschinenoptimiert und zu marktgerechten Preisen kurzfristig über die sozialen Netzwerke findet? Beide Seiten, Freelancer und Kleinunternehmer, sind darum permanent im Arbeitsmarketing 2.0 unterwegs. Die einen optimieren regelmässig ihre Selbstvermarktung als Experte und Lösungsfinder. Die anderen, und dazu gehören auch die Startups als Kleinstunternehmen, sind mit einem proaktiven Arbeitsmarketing 2.0 auf permanenter Suche nach

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preisgünstigen und kompetenten Humanressourcen auf Zeit.❸ Zwischen der neuen Metaebene der Arbeitsvermarktung und der Fragmentierung der Unternehmenswelt vollzieht sich somit der Dynamo-Effekt, und zwar eine ständige Wechselwirkung, die erneuerbaren Energien freisetzen soll und alle Grenzen von Zeit und Raum verwischt. Die IT-Revolution ist aber auch nicht an der Wall Street oder in Frankfurt entstanden und die Buchdruckerei nicht am Spanischen Hof 1492, dem reichsten und mächtigsten der damaligen Zeit. Die innovativen, kreativen und erfinderischen Kräfte arbeiten nicht in den Chefetagen, sondern ganz unten, wo die Not erfinderisch macht. Das soll sie ja auch.❹ ➊ Karin Gayer. «Die Unbenannten.» 2013. ❷ „Die neue Welt der Mikrounternehmen“. Autorenkollektiv. Springer Verlag 2004. Kapitel 6, 7. ISBN 978-3-663-09742-6 ❸ „Why the New Freelance Economie is Great for Your Business“ ❹ John Gray. “The Two Faces of Liberalism.”1986.

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KAPITEL 9 Im Backend 2.0

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Abschnitt 1

New Working Life Im Maschinenraum LinkedIn bleibt die Vorlage für alle Online Plattformen, die aus der Vermarktung der Arbeit ihr Business Modell gemacht haben. „For a better working life“ ist der Untertitel, mit dem XING seine Dienstleistungen im DA-CH vermarktet. XING ist das kleinste Open-Business Netzwerk und Made in Germany. Aber auch hier schafft der englische Slogan „for a better working life“ den angenehmen Verfremdungseffekt, nicht auf der Suche nach einer besseren Arbeit oder einem leichteren Leben, sondern im Coworking-Space einer Open Community zu sein. XING brauchte ebenso wenig wie Viadeo, der Vetter aus Paris, oder LinkedIn, der reiche Onkel aus Amerika, komplizierte Marktanalysen, um die Trends des Arbeitsmarkts 21 zu erkennen: Entgrenzte Wirtschafts- und Finanzmärkte verlangen Arbeitsmärkte ohne Grenzen. Die haben sie bekommen und über das nächste Freihandelsabkommen zwischen den USA, Kanada und Europa freut sich nicht nur amazon, sondern auch die deutschen Unternehmen. Entgrenzte Märkte geben den einen mehr Freiund Spielräume und den anderen mehr Unsicherheiten. Das ist

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die VUCA-Welt. ● Die gleichzeitige Atomisierung sowie Konzentration der Unternehmenslandschaft: Eine Handvoll Großunternehmen in einem Marktsegment konzentrieren die Macht und die Märkte und teilen sie sich untereinander auf, jenseits der veralteten Kartellkontrollen. ● Die Autoindustrie, Chemieunternehmen, Nahrungsmittelketten, die Pharma- und Luxusindustrie sind beispielhaft dafür. Gleichzeitig umgeben sie sich mit Satelliten, um die wiederum unzählige freie Elektronen kreisen: Dienstleister aller Art bevölkern die Freelance-Ökonomie und an ihrem letzten Zipfel hängt der MTurk in seinem SOHO, small office, home office als HIT: Human Intelligence Task. ● „...eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Dynamik, aus der immer neue nicht qualifizierbare Tätigkeiten entstehen, für die es weder Vorlagen noch Qualitätsraster gibt.“ Die bringt wiederum viele Kleinunternehmer in die Abhängigkeit der neuen Jobvermittler, egal ob es branchenspezifische Online-Plattformen oder Soziale Netzwerke sind, und der Unternehmensberater. XING bleibt jedoch wie Viadeo, das andere Soziale Netzwerk für Profis, eine Nische und konzentriert sich auf das Kerngeschäft mit den beiden grössten Einkommensquellen: Die Kleinst- und Kleinunternehmen und die künftigen Selbstständigen, aus denen vielleicht wieder Kleinst- und Kleinunternehmer werden. Die einen müssen davon überzeugt werden, dass der Absprung © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 194


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eigentlich nur ein Katzensprung ist, und dass sie dann in diesem Netzwerk nie mehr allein sein werden. Die anderen werden sicher schnell Bedarf an neuen Dienstleistungen haben. Falls der noch nicht klar formuliert ist, können sie durch viele Anregungen und das Beispiel der anderen motiviert werden. Die Webökonomie arbeitet bedarfserregend. Von den ca. 2 Millionen Kleinunternehmen und etwa 5,5 Millionen Selbstständigen und Freiberuflern sind heute schon viele dabei: XING hat 2013 in Deutschland 11 Millionen Mitglieder. Dazu werden sich im nächsten Jahrzehnt noch Millionen Festangestellte im Change&Switch Modus sowie die Startups der Zukunft gesellen. Im Kampf um Marktanteile kann jedoch ein regionales Soziales Netzwerk wie XING und Viadeo besser die lokalen Netzwerke als Multiplikatoren benutzen. Außerdem profitiert es von dem kulturellen Vertrauensbonus. Die USA sind nicht Europa, heisst es oft. Doch die Entwicklung auf dem US-Arbeitsmarkt ist ein Labor für Selfentrepreneurship mit globaler Reichweite. In den letzten Jahrzehnten fuhr Europa immer im Fahrwasser der amerikanischen Wirtschafts-, Gesellschafts- und Unternehmensmodelle und hat mit Ausnahme der Sozialen Marktwirtschaft noch keine eigenen Wirtschaftsmodelle mehr entwickelt. Die Internet-Revolution und die Webökonomie ändern nichts daran und das europäische Sozialmodell ist tot. Damit sind auch

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alle Verknüpfungen von Arbeitsmarkt und Sozialstaat hinfällig. Für die deutschen Unternehmen ist eine Businesspartnerschaft günstiger als eine Sozialpartnerschaft und das bodenständige deutsche Familienunternehmen mit seiner Stammbelegschaft mit Lebensstellung und Tradition ist nur noch ein Mythos.❶ Die deutschen Unternehmen lagern ebenfalls zügig aus, specken ab, investieren lieber in Schwellenländern als in Europa oder werden von ausländischen Firmen übernommen. Die Grosskonzerne sind schon woanders. Ihre Zukunft liegt jenseits Europas und die Freelance-Ökonomie hat für sie nur Vorteile. Was bleibt, oder genauer gesagt, wer bleibt? Millionen Kleinunternehmen, Millionen Kleinstunternehmer und Millionen Selbstständige, ob sie Freiberufler, Freelancer oder Solounternehmer heißen. Aus diesen drei Kreisen entsteht die Freelance-Ökonomie, die durch Mikrostrukturen und Mikrostrategien neue Jobs für Menschen schaffen sollen, die anders arbeiten sollen als ihre Väter.❷ Auch für die Social Media Plattformen sind diese drei Gruppen die Leistungsträger. Je intensiver die flüchtigen, komplexen, ungewissen und schwankenden Strömungen auf den globalen Märkten werden, desto größer wird das Bedürfnis dieser drei anfälligen Gruppen nach einem Netzwerk, einer Agora, einer Plattform, wo sie sich wieder andocken können. XING, LinkedIn und Viadeo erfüllen dieses Bedürfnis im Dreierpack und begleiten alle im Übergang von einem Modus in den anderen. Viele leiden schon an Unzufriedenheit, Stress, Ungewißheit : „Der Job sichert den Lebensunterhalt nicht mehr und nicht

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weniger. So sehen viele Beschäftigte in Deutschland ihren Arbeitsplatz, ein Viertel hat sogar innerlich schon gekündigt“.❸ Viele ahnen schon, dass sie den Zeitpunkt zum Absprung lieber selbst bestimmen sollten, anstatt die Entscheidung anderen zu überlassen. Selbst wenn nach dem Pareto-Prinzip nur eine Minderheit rechtzeitig den Absprung wagt, so ist auch das schon ein sicheres Ausleseverfahren. Die Vermarktung der Arbeit ist dann nur noch eine Frage der eigenen Professionalität in der Selbstvermarktung und der Überwindung, den Sprung ins kalte, fliessende Wasser der Selbstständigkeit zu wagen. ❶ „Der entzauberte Mythos Familienunternehmen.“ Deutschland Radio Kultur. 23.09.2014. ❷ Freelance Economy: How the Freelance Economy is Changing the Meaning of a ,Day Job‘ BRW, May 14, 2014. ❸ Warum Mitarbeiter innerlich kündigen. SZ. 16.4.2012.

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Abschnitt 2

Vermarkte Dich oder ...☹ Moderne Zeiten 2.0 Soziale Netzwerke ernähren sich aus den Nutzerdaten und die kommen zu 90% aus den Profilinformationen. Aus der Notwendigkeit der Nutzer, in der atomisierten Arbeitswelt noch irgendwo präsent und findbar zu sein, machen sie ihr Kerngeschäft. Vermarkte Dich! bleibt auch hier das erste Gebot der Businesswelt. Für den homo faber wie für den homo laborans gibt es keine Alternativen mehr. Darum soll jeder Nutzer zunächst sein Profil optimieren als Teil seines Personal Brandings. Damit alle Nutzer möglichst viele Informationen geben, braucht es gute Argumente, vor allem wenn sie noch einen Zuschlag für die Premium-Lounge zahlen sollen. Ab 400€/pro Jahr gibt es auch einen besseren Service! Ein LinkedIn oder XING-Nutzerkonto haben trotzdem nicht den gleichen sozialen Prestigewert wie eine Mitgliedschaft im Rotary, Lions‘ Club oder in einem lokalen Business-Netzwerk. Aber Marketing ist Überzeugungsarbeit. Dafür genügt ein Griff in die Requisitenkiste des Persönlichkeits-Coachings: „Du bist großartig, musst es aber zeigen und beweisen!“ ▪ Sichtbarkeit, Findbarkeit und Aussagekraft gehören zum Selbstmarketing und zum Arbeitsmarketing 2.0.

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▪ Ein suchmaschinenoptimiertes Profil wird gefunden. Die Suchmaschinen schauen nur regelmäßig vorbei, wenn es immer wieder etwas Interessantes und Neues zu finden gibt. ▪ Nur komplette Profile werden schnell im Web befördert. ▪ Regelmäßige und professionell relevante Inhalte gehören dazu. Je häufiger sie im eigenen Netzwerk weitergereicht werden, desto besser ist es für das eigene Ranking. ▪ Kenntnisse und Kompetenzen interessieren nur, wenn sie von möglichst vielen anderen bestätigt werden. Erst das macht sie glaubwürdig und für Suchmaschinen interessant. Erfolgszahlen und Fakten zum ROI der ROE der Selbstvermarktung gibt es jedoch nicht, dafür aber viele Blogbeiträge, die die Vorteile dieser Selbstvermarktungsstrategie 2.0 preisen. Selbst wenn nur 20% der 300 Millionen LinkedIn-Nutzer mit einem kompletten Profil unterwegs sind, so ergibt das einen prächtigen Fundus für das e-recruiting, die Headhunter und für all jene, die wissen, wozu man Big Data im Personalmanagement 2.0 und im Marketing ganz allgemein verwenden kann.

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Abschnitt 3

i-Reputation, ach..! Online-Reputationsmanagement 2.0 Der gute Ruf im Internet ist heute in der Businesswelt wichtiger als der Ruf in der realen Welt. Seine Reichweite ist nämlich unbegrenzt in Zeit und Raum. Für Dienstleistungen und Produkte gibt es Bewertungsportale. In der Freelance-Ökonomie ist das Profil und das Ranking in den Sozialen Netzwerken fester Bestandteil des Reputationsmanagements 2.0. Der gute Ruf eines Unternehmens oder Produkts kommt, wenn die Qualität der Leistungen oder des Produkts die Kunden überzeugt, dass er für sein Geld einen preisgerechten Gegenwert bekommen hat und dass er dem Dienstleister vertrauen kann. Die gleichen Regeln gelten für den Freelancer. Nur wie heißt es im Bericht der Bundesregierung: „Ihr Berufsbild und ihre Kompetenzen unterliegen dem permanenten Wandel und sind oft schwer einschätzbar.“❶ Für einen traditionellen Freiberufler reicht die Berufsbezeichnung „Facharzt für HNO“ und das Wartezimmer ist voll. Wirtschaftsprüfer und Anwälte dagegen arbeiten eher in

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Netzwerken und mit der Mundpropaganda und Empfehlungen. Alle haben jedoch irgendwo an der Wand ein Diplom, eine Zertifizierung oder einen Titel hängen, die offiziell die Kompetenzen bestätigen. Sie sollen somit Vertrauen im Vorfeld aufbauen. In der globalen Wissensgesellschaft 21 kommt es jedoch nicht mehr auf Diplome oder Titel, sondern auf aktuelles und aktualisiertes Wissen an. Für die neuen Kompetenzen gibt es weder Diplome noch staatlich anerkannte Ausbildungen. Wichtig ist darum, wie gut und überzeugend das aktuelle Wissen begreifbar dargestellt wird, und ob und wie es von anderen bestätigt und empfohlen wird. Die neuen Freiberufler im Arbeitsmarketing 2.0 müssen ständig parallel zu ihrer Selbstvermarktung ihren Ruf und ihre Glaubwürdigkeit im Internet aufbauen und beweisen. Die i-Reputation wird zum Bestandteil des virtuellen Qualitätsmanagement 2.0. Wie beweist sich immaterielle Qualität in Vorleistung? Indem man im virtuellen Schaufenster der Sozialen Medien für Business zeigt, dass man immer auf dem letzten Stand ist, entweder mit eigenen Produktionen und Publikationen oder durch die aktive Beteiligung im lebenslangen Lernprozess. Projekte und neue Kompetenzen haben in diesem virtuellen Schaufenster den gleichen hohen Stellenwert wie die Bestätigungen der Kompetenzen durch Kunden, Kollegen, Dozenten oder glaubwürdige Empfehlungen. Sie ergänzen einander und sind Bausteine der i-Reputation. Dahinter steht auch eine neue Überzeugungsarbeit:

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Warum sollte ein Unternehmen, abgesehen vom Kostenfaktor und dem betriebswirtschaftlichen Aufwand einer Stammbelegschaft, eher mit unbekannten Freelancern❷ oder temporären Mitarbeitern zusammen arbeiten, anstatt einen festen Mitarbeiterstamm zu unterhalten oder eine renommierte Agentur zu beauftragen, die sich dann um alles kümmert? ▪ Weil Freelancer billiger sind. ▪ Weil ihr Wissen aktueller als das der Festangestellten ist? ▪ Weil das Unternehmen genau das im Workforce Marketing als Mehrwert für sein eigenes Firmenbranding und sein Qualitätsmanagement 2.0 einsetzen kann! Wissen bleibt ein Machtfaktor. Sein Wert hat durch die digitale Revolution und das Internet seine unbegrenzte Haltbarkeit verloren. Wettbewerbsvorteile erlangt der Wissensarbeiter jedoch nur noch, wenn er weiß, was die anderen noch nicht wissen und wenn er es besonders gut beherrscht. ➊ Bericht der Bundesregierung zur Lage der freien Berufe. 2013.
 ❷ The Digital Economy Workforce: Challenges & Opportunities. Jeff Molander.

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Abschnitt 4

Perlenfischer Auf der Suche nach der seltenen Perle Freelancer und Kleinunternehmer sind die Protagonisten der Webökonomie und gelten als die hidden champions ➊ des 21. Jahrhunderts. Startups und Serial Entrepreneurs arbeiten immer in einem offenen Innovationsprozess, tauschen sich regelmäßig aus, arbeiten in Innovation Hubs, Fab_Labs und ihre Vernetzungen sind intensiver, ihr Wissensaustausch ist zugänglicher als die geschlossenen Abteilungen der Forschungs- und Entwicklungslabors der Großkonzerne. Das macht sie so produktiv und kreativ, auch wenn ihre Organisations- formen den traditionellen Management-Modellen widerstehen. Auch Freiberufler unterliegen nicht den flachen Management Prozessen und internen Leistungsrastern. Sie können frei und quer denken, lernen, arbeiten, schaffen, sofern sie nicht im Hamsterrad feststecken. Darum ist es so wichtig, gerade diese vielen kleinen Schnipsel weltweit einzusammeln und zu vernetzen, die sich sie bislang jeder globalen Übersicht entziehen. Die Sozialen Netzwerke für Business sind nicht nur motivierte Change Agents. Sie sind auf diesen flüchtigen, ungewissen,

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komplexen Märkten Workforce Intelligency Agencies, die allen ihre Dienstleistungen gegen Bezahlung anbieten. Ihre Algorithmen suchen vor allem in den Sekundärdaten nach diesen seltenen Perlen. Darum werden auch für alle Beteiligten die Profil-Verlinkungen zu Projekten, die Links zu den Coursera oder edX Lernmodulen immer wichtiger. Sie zeigen, was und wo der Wissensarbeiter im permanenten Lernprozess gerade steht, mit wem er dabei vernetzt ist, wie und wo er das Wissen umsetzt. Wer schon mal ein komplettes Coursera Seminar belegt hat, weiß, dass nicht nur Online zugehört und mitgedöst wird, sondern auch eine aktive Beteiligung über Hangout, Posts und Beiträgen gefordert wird. Die Teilnehmer aus aller Welt können ihre sprachlichen und intellektuellen Kommunikationsfähigkeiten live und im Austausch mit anderen beweisen und ihre Beiträge im Netz veröffentlichen. Die stehen dann mit auf der Profilseite. Welches Wissen und welche Fertigkeiten (skills) sind heute gefragt? Der Wissensbedarf konzentriert sich immer mehr auf MINT, denn Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technologien bilden die Grundlage aller vergangenen und künftigen technologischen Erfindungen. Die neuen Technologien beschleunigen diesen Prozess und setzen dabei wieder neues Wissen frei. Auch hier kommen die Big Data zum Einsatz.❷ Wie zertifiziert man seine Fertigkeiten? Indem man sie im LinkedIn oder XINGProfil und damit im Netz visualisiert. Suchmaschinen bündeln alles, was suchmaschinenoptimiert ist und LinkedIn hat als early adopter vorzeitig die direkte

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Verbindung zu Coursera hergestellt. Die hidden champions sind nicht nur die genialen Erfinder und Entwickler, die alle als Freelancer angefangen haben, sondern auch wissenshungrige Opportunisten, die gezielt Wissensfragmente im Netz herausfischen, um sie als Bausteine ihres eigenen Wissens- und Innovationspuzzles weiter zu verwenden. Bei etwa 700 Millionen Wissensarbeitern der Generationen XYZ (10% der aktuellen Weltbevölkerung) können nur Big Data, Algorithmen und das Web 3.0 direkten Zugang zu den verborgenen Talenten und Experten schaffen, vor allem zu jenen, die weiter im Verborgenen bleiben wollen. Auch Google konzentriert sich inzwischen immer mehr auf den Business-Bereich. ➊ The Hidden Champions of the 21st Century. Herman Simon. Springer 2009. ISBN 978-0-387-98147-5. ❷ Skilled for Life. OECD_skills, 2013.

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KAPITEL 10 Big Data is not only watching You

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Abschnitt 1

Big Data Providers Algorithmen im Einsatz Big Data heißt die Datenflut, die jeden Augenblick durch das Internet rollt. 90% der heute weltweit vorhandenen Daten wurden erst innerhalb der letzten zwei Jahre generiert. Sie stammen nicht nur von Google, Facebook oder YouTube. Sie kommen auch von den digitalen Bildern und Videos, Datensätzen zu Kauftransaktionen, GPS-Signalen der Handys, die dann mit den Nutzerprofilen in den Sozialen Netzwerken verknüpft werden und immer wieder neue Informationen liefern. Die Big Data werden von Milliarden Internetnutzern freiwillig und unfreiwillig eingegeben. Sie nutzen jenen, die sie speichern, analysieren und auswerten können und sind die immaterielle Ressource der Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts, unbegrenzt haltbar, verwertbar, vermarktbar und erweiterbar. Zudem können sie in ihrem inneren Zusammenhang und ihren internen Verknüpfungen permanent visualisiert und aktualisiert werden. Auch Soziale Netzwerke für Business wie LinkedIn sind Big Data Generatoren, nicht nur Google, der NSA oder der BND. Das Raster ist auch bei ihnen im Einsatz und erprobt, denn die Mathematiker haben bereits im Jahre 2000 der Finanzwelt ein hoch kompliziertes System zur Verfügung gestellt, das nur wenige verstehen und kontrollieren, aber die Einkommensquelle

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aller Big Data Komponenten:

Provider

sind. Wichtig sind dabei drei

Frühe und rasche Wahrnehmung von Zusammenhängen, schneller als die anderen handeln zu können; dazu gehören vor allem extrem schnelle Rechner und Internetverbindungen und viel menschliche Intuition und Intelligenz. Die sind den Tradern im Wall Street Crash 2008 leider abhanden gekommen. Die gleichen Regeln gelten für alle Märkte und besonders für die Vermarktung der Arbeit. Den Entscheidern im global business wie aber auch den Kräften der Makers‘ Generation geben Big Data unverhoffte Möglichkeiten, an verschiedenen Enden und mit anderen Optionen zu schrauben. Was geht das aber die Freelancer und Kleinunternehmer an? Viel. Denn hier könnten auch sie mitmachen.❸ ❶ The Big Data Boom is the Innovation Story of Our Time. Erik Brynjolfsson, Andrew McAfee. The Atlantic.Nov. 2011. ➋ The Four V’s of Big Data. IBM Infographic ❸ How Small Business Can Embrace Big Data. Entrepreneur. 08/01/2014

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Abschnitt 2

Arbeitsmarketing im Big Data Flow By The Numbers... Die Sozialen Netzwerke machen es möglich. Durch die MSP❶, die Algorithmen❷ und die viralen Effekte des Web 2.0 wurden in wenigen Jahren Milliarden Daten gespeichert, die direkt wieder mit Personen, Unternehmen und Kontexten vernetzen. Sowohl das Google Team als auch die LinkedIn-Entwickler kannten 1998 bereits die Möglichkeiten der Algorithmen. Larry Page machte daraus die Google USP, Reid Hoffman hat zum Social Data Recruiting 2009 Stellung bezogen und IBM arbeitet schon seit Jahren an der SaaS (Software as a Service) für das globale Big Data-Recruiting. Google wurde zum globalen Datensammler und Verteiler mit vielen Zusatzleistungen wie Analytics, Adwords, G+ und treibt die Entwicklung der Algorithmen immer weiter voran, weil Big Data viel mehr viel können, als nur die Menschen zu beobachten. LinkedIn begann die Vermessung der Welt aus der Ecke der Sozialen Netzwerke ebenso wie Facebook, hat aber gezielt den kleineren Nenner der Businesswelt gewählt. Deshalb wurde das Soziale Netzwerk für Professionals lange Zeit von der breiten

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Öffentlichkeit auch nicht wahrgenommen und in seiner Bedeutung als Metaebene des globalen Arbeitsmarktes verkannt. Dank dieser komplexen Zwiespältigkeit zwischen Sozialem Netzwerk, Businessbörse und Jobvermarktung konnten dann im Backend jahrelang viele Anwendungen ausgetestet werden. Dass sich Max Mustermann mit seinen Kollegen oder alten Schulfreunden vernetzt, seine Marke Ich oder sein Firmenbranding im Netz vertreibt, ist den Netzwerkbetreibern egal. Wichtig sind nur die Daten, die er dabei direkt und indirekt liefert und wie sie verwertbar sind. Die Nutzerdaten der Freelancer, Klein- und Kleinstunternehmern als Leistungsträger im Business-Netzwerk haben eine ganz andere Reichweite als auf Facebook, denn sie bilden ja die aktive crowd. Sie ermöglichen den Big Data-Katalysatoren die Live-Übertragung der VUCA Märkte in 3D. Sie zeigen auch die internen und verborgenen Vernetzungen der Firmen und vor allem das Netzwerk ihrer Mitarbeiter, die möglichen Innovationsansätze und ihre Entwicklungschancen. Vielleicht können sich gerade deshalb die deutschen KMU so schwer mit Google und Big Data anfreunden und sind für die nächste industrielle Revolution, die Big Data basiert ist, nicht die idealen Ansprechpartner. ☹ Nach welchen Kriterien werden tausende von petabytes gefiltert und weiterverwertet? IBM hat dafür die 4V Regel➌ (Velocity, Veracity, Volume, Variety) aufgestellt. Durch diese 4V bekommen Big Data unendliche Möglichkeiten, und zwar in allen Bereichen. Darum setzte

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LinkedIn ja gezielt auf die Qualität der Nutzerprofile und deren Authentizität. Mit der passenden Analyse-Software, viel menschlicher Intuition und kritischem Denken geben diese Daten einen tiefen Einblick in die Mikro- und Makroökonomien, lokal, überregional und global. Erst sie zeigen das wahre immaterielle Kapital und die authentische Wissensbilanz aller Beteiligten. Big Data, richtig ausgewertet, sind inside-outside sofort verwendbar und vermarktbar. Die Welt ist flach➍ und von oben aus der Perspektive der Satelliten und der Big Data wird alles übersichtlich. Menschen werden zu Strömungen, Konzentrationen, Netzwerken und Knotenpunkten. Im vorhersehbaren Überangebot an Humanressourcen auf dem globalen Arbeitsmarkt einerseits und dem spezifischen Fachkräftemangel der 4. industriellen Revolution andererseits, wird die sofortige Überschaubarkeit zu einem klaren Wettbewerbsvorteil.❺ Wer profitiert eigentlich langfristig von dieser globalen Übersichtlichkeit? ➊ Multi-sided Plattforms. From Microfoundations to Design and Expansions. Andrei Hagui Harvard. 2007. ➋ Algorithm Models for Social Networks. Cornell University. 2008. ➌ IBM. The Four V’s of Big Data. 2012.
 ➍ Thomas Friedman. Die Welt ist flach. 2007.

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Abschnitt 3

Der Mitmach-Faktor User Generated Content Die Vermarktung der Nutzerdaten an Unternehmen und Jobbörsen ist die größte Einnahmequelle der Sozialen Netzwerke für Business. Es sind hochpreisige Qualitätsprodukte mit einer USP im Hintergrund. Diese Daten liefern strategische Informationen im offenen Loop➊. Wie wichtig die auf dem globalen Arbeitsmarkt für Talentsucher und kreative Hubs sind, leuchtet vielen schon ein❷. Der Nutzer, sofern er wirklich professionell unterwegs ist und einen Job, Geschäftspartner oder Lösungsfinder sucht, speist freiwillig und freizügig die Datenbank des Netzwerkes mit allen wichtigen Informationen: Arbeitgeber, Ausbildung, Kompetenzen, Projekte, Kollegen, Partner, ehrenamtliches Engagement, Freizeit. Er pflegt ja seine i-Reputation, aber jeder Bereich wird schnell wieder zu einem kleinen Netzwerk, das die Algorithmen weiter ausdehnen können. Die höchstmögliche Menge an qualitativ einwandfreien Daten (das V4 Prinzip!) ermöglicht ihre optimale (teure) Vermarktung und einen hohen Ertrag. Mit seinen 300 Millionen Nutzern erzielte LinkedIn im dritten Quartal 2013 einen Umsatz von über $ 360 Millionen.

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Die Social Media Netzwerke für Business sind hier alle Big Data-Anbieter in einer Win-Win Strategie und ihre Nutzer werden zu Prosumenten. Für ihren kompletten Datensatz bekommen sie das Ticket zur unbegrenzten Sicht- und Findbarkeit im Netz. Das ist zwar ein völlig immaterieller Wert und an sich unschätzbar, aber in der Webökonomie können die ganz kleinen Leistungsträger am allerwenigsten darauf verzichten. Je mehr Inhalte die Prosumenten produzieren, desto öfter werden sie von den Suchmaschinen besucht, gerankt und landen bei Google vielleicht sogar auf der ersten Seite, ohne dafür bezahlt zu haben. Je besser die Inhalte sind, desto mehr Besucher kommen auf das Profil. Das mögen die SEO, denn auch diese Besucher und deren Daten werden dann gleich mit eingefangen. Wer es dennoch nicht zu professionellem Erfolg bringt, hat entweder das falsche Produkt, eine schlechte Strategie, ist unzeitgemäß, nicht gut genug oder liefert nicht genug Inhalte. ➊ Big Data. Fluch, Segen oder einfach viel Arbeit? Computerwoche 20.11. 2012. ❷ Talent Management. HR Can‘t Ignore Big Data. June 28,2013. ❸ Lifelong Learning. ❹ How to turn big data into engaging infographics with a single app.

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Abschnitt 4

Neue Sichtbarkeiten Big Data als Scheibenwischer Jürgen Habermas machte die ,Neue Unübersichtlichkeit‘➊ der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse dafür verantwortlich, dass der Einzelne die komplizierten Zusammenhänge seiner Gegenwart weder durchschauen noch verstehen könne. Seine Kritik an der Neuen Unübersichtlichkeit (1986) beschreibt die Verdichtung der Informationen und die überlagerten Zeitebenen. Tatsachen werden als unwahrscheinlich aus dem Alltag verdrängt, denn für den Einzelnen bleiben es nur Zufälligkeiten, die er nicht begreift und die ihn hilflos, passiv und manipulierbar machen. In Wirklichkeit handle es sich jedoch um programmierte Kettenreaktionen, hinter denen andere Interessen und Drahtzieher agieren, so Jürgen Habermas (1986). Je unüberschaubarer die Wirklichkeit ist, desto mehr Menschen ziehen sich aus ihr in eine vereinfachte Scheinwelt zurück und desto grosser wird die Macht der wenigen Entscheider. Der Arbeitsmarkt des 21. Jahrhunderts drängt den Einzelnen in diese neue Unübersichtlichkeit hinein, die durch die digitale Revolution, die Gleichzeitigkeit und Allgegenwärtigkeit der Daten und Informationen zur VUCA-Welt geworden ist. Selbst der Gemüsebauer in der Provence oder in Brandenburg kann sich © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 214


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nicht mehr den komplexen und vielschichtigen Märkten entziehen und die Handwerker aus Perugia kämpfen seit Jahren gegen die Konkurrenz aus China, Indien, Tunesien und Marokko und den ständigen Weiterverkauf ihrer Betriebe. Warum sollte der Wissensarbeiter diesem Phänomen entgehen? Wenn alles flüchtig, zusammenhanglos, komplex und ungewiss wird, allem voran die Werte, die in und um die Arbeit entstehen Wissen, Fertigkeiten, sozialer Nutzen - dann bleibt nur noch der materielle Wert, und zwar das Geld. Das kann aber nicht mehr gespart werden, weil sein monetärer Wert verfällt und muss deshalb schnell wieder ausgegeben werden. Richard Sennett macht das flexible Kapital➋ (1998) für die neue Unübersichtlichkeit verantwortlich, indem es gezielt die Strukturen der Arbeit und damit die der individuellen und kollektiven Zeitlinien zerstöre. Im Namen der absoluten Produktivität, die nicht die Produktivität der Maschinen und Menschen sei, sondern nur die des Kapitals, werden Millionen Erwerbstätige zu Arbeitsnomaden. Das zersetze, so Richard Sennett, Gemeinschaften und Gesellschaften. Seine Analyse erschien 1998. Heute ist die freelance economy in den USA zur Banalität des Arbeitsalltags geworden, das Wissen wurde ein prekärer Mehrwert und seine Umwertung in Kapital ist ebenso selten wie ein Lottogewinn. Diese endgütlige Atomisierung der Arbeitsmarktstrukturen mag für manche ein neuer Lebensstil und eine Befreiung aus dem langweiligen Berufsalltag sein. Sie ist jedenfalls Teil der Marketingstrategie der Sozialen Netzwerke für Business, denn © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 215


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Großkonzerne sind für sie nur als Kunden interessant, die Daten kaufen, aber keine liefern. Die Atomisierung der Arbeitsmarktstrukturen treibt den Sozialen Plattformen for a better working life die freigesetzten Moleküle geradezu in die Arme und verschafft ihnen wieder zettabytes an Daten.❸ Der flexible Mensch, der sich aus den festen Unternehmensstrukturen frei auf dem Arbeitsmarkt bewege, folge dabei nur den Interessen des flexiblen Kapitals, so Richard Bennett, das die Arbeitswelt erst in Milliarden Elementarpartikel zersprenge, nach Bedarf kurzfristig zusammentreibe, um sie ebenso schnell wieder zu zerstäuben. ➊ Jürgen Habermas. Die neue Unübersichtlichkeit. 1985.
 ➋ Richard Sennett.»Die wa(h)re Arbeit im Krisenkapitalismus.“ Linzer Beiträge 2009. Mehr dazu im Interview Deutschlandfunk: http://www.deutschlandfunk.de/ueber-die-moderne-oekonomie-des-kapitalismus.73 0.de.html?dram:article_id=102508 ❸ XING startet Marktplatz für Freiberufler. (Anzeige) golem.de, 28.1.2013.

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Abschnitt 5

Die Zukunft steuern Teilchenbeschleuniger Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien wirken als Teilchenbeschleuniger in dem Zerstörungsprozess der Arbeitswelt. Für Alex Pentland vom MIT liegen jedoch gerade hier die Potentiale, die „Gesellschaften neu zu erfinden.“ Big Data helfen den Menschen, so Alex Pentland, aus der wachsenden Unübersichtlichkeit herauszukommen. Gegenwärtig stehen Big Data zwar nur im Dienste der Großkonzerne und der staatlichen Überwachungsorgane, doch auch der Einzelne verfüge über die Mittel, die unübersichtliche Gegenwart zu verstehen, sofern er gezielt nach Informationen und Daten sucht, wie es die Suchmaschinenoptimierer tun. Freelancer und Kleinstunternehmer unbegrenzten Handlungsfreiraum.

hätten

hier

einen

Auch für die Wikinomics❶ wäre das endlich die Gelegenheit, um aus der schönen Theorie in die Praxis überzugehen. Erst jetzt habe der Einzelne die Möglichkeit, sich in kollaborativen Zusammenhängen zu betätigen und sich nicht in Informationsschnitzeln zu verlieren. Das gleiche gilt für die Socialnomics❷, eine Makro-und Mikroökonomie, die von Sozialen Netzwerken und dem User Generated Content mit bestimmt wird. Sie wäre somit mehr als nur eine © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 217


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Marketingschleuder. Big Data, so Alex Pentland❸, und die damit verbundenen Anwendungen, machen unübersichtliche Zusammenhänge klar verständlich und geben jedem die Möglichkeit, seine eigene Zukunft zu steuern und nicht darauf zu warten, dass es andere für ihn tun. Das betrifft vor allem die Arbeitswelt und die Beschäftigten zu einem Zeitpunkt, wo die lernenden Maschinen nicht mehr C-3PO und R2-D2 heißen und zur Science Fiction gehören, sondern Watson und zusammen mit Big Data und Suchmaschinenoptimierung die Arbeitswelt in kürzester Zeit vollkommen verändern werden. Was bedeutet das konkret? Aus dem weltweiten Überangebot werden die besten und fähigsten schnell herausgefiltert. Angesichts des weltweiten Überangebotes wird es künftig keine lokalen Engpässe mehr geben. Dank des Big Data Recruiting können sich die Unternehmen überregional ihre Teams zusammenstellen. So konnte zum Beispiel ein Hotelkomplex in Rostock sein altes Team aus heimischen Mitarbeitern komplett mit besser qualifizierten Mitarbeitern aus der ganzen Welt austauschen. Die wichtigste Big Data Komponente bleibe jedoch die menschliche Intelligenz, ihre Wachsamkeit und die Fähigkeit, immer wieder nachzufragen. Selbst bei hochentwickelten lernenden Maschinen (IoT) sei dieses menschliche allzumenschliche Potential nicht steuerbar. Die Zukunft gehöre somit nicht den Flachdenkern, sondern den Tiefdenkern. Das gilt auch für die Akteure im Arbeitsmarketing 2.0. Zu einem ähnlichen Fazit kommen auch die Forscher der jüngsten Oxford Studie: The Future of Employment.

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❶ Wikinomics. Don Tapscott. ❷ Socialnomics.Erik Qualman. 2009
 . ❸ Alex Pentland. Reinventing The Society in the Wake of Big Data. August 30, 2012.

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Abschnitt 6

Social Loop und Profiling Im Brotkrumensystem des Profils Wenn Big Data erlauben, „die Gegenwart zu verstehen und die Zukunft zu steuern», so liegt es an deren absoluter Vernetzbarkeit. Sie gehört heute zum Alltag der Milliarden Menschen, die sozial vernetzt und von den Sensoren weltweit erfasst werden, sobald sie mit ihren mobilen Endgeräten unterwegs sind. Big Data liefern vor allem wichtige Informationen darüber, wie sich die Menschen in der realen Welt verhalten. Sie zeigen auch die kleinen unsichtbaren Bruchstellen zwischen der realen und der virtuellen Welt der Sozialen Medien. Dabei sei nicht so entscheidend, was der Einzelne auf Facebook, Twitter oder G+ poste, so Alex Pentland. Selbst seine Google-Suchen seien für die Big Data-Analytiker nicht so relevant wie die vielen Spuren, die jeder mit dem Handy oder der Kreditkarte beim Einkaufen, auf Reisen oder ganz einfach unterwegs im Netz hinterlässt. Wesentlich sei nicht, was der Mensch von selbst sich gebe, sondern was sich aus seiner Sozialität erkennen lasse. Der Abgleich der vielfältigen Daten eines individuellen Profils unterwegs im täglichen Alltag mit der Summe seines Netzwerks sagt viel mehr über die einzelne Person aus als sie selbst. Hier

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setzt wieder die Strategie der Sozialen Netzwerke für Business oder „ein besseres Arbeitsleben“ ein. Sie haben bereits ihre eigenen Sensoren 2.0 in ihre Datenerfassung eingebaut. Der Schlüsselstein dafür ist die Profilerstellung im erprobten Brotkrumensystem der Algorithmen. Als Teil seines Netzwerks zeigt der Einzelne, wie sehr er wirklich von seinem Umfeld (Ausbildung, ehrenamtliches Engagement, Projekte) geprägt und bestimmt ist, wo und wie er sich von seinen Studienfreunden, Kollegen, Partnern unterscheidet und inwiefern er wirklich etwas Besonders ist. Durch die Netzwerke entsteht nicht nur die Viralität, sondern gleichzeitig auch der Datenloop. Bei Leistungsträgern, vital forces oder persons of interest, ist nicht das Vergangene wichtig (Diplome, Ausbildung, Titel), sondern was darin vielleicht an individuellen und kollektiven Potentialen erkennbar ist. Investoren zeigt die Big Data Analyse, ob es in bestimmten Regionen die notwendigen menschlichen Ressourcen gibt und grosse Einzelhandelsketten eröffnen ihre Filialen datengerecht. Die kommen zwar nicht von den Sozialen Netzwerken für Business, sondern von anderen Datenverkäufern, sind gang und gäbe und beunruhigen die Zeitgenossen weniger als Google, das sie alle jedoch gerne benutzen. Die intelligente Big Data-Nutzung für Personalmanagement und Innovationspotentiale ist in den Kleinunternehmen jedoch Neuland. In Zeiten des akuten Fachkräftemangels, Bildungsnotstands und chronischen Weiterbildungsbedarfs ist das einfach ärgerlich. Wo konzentrieren sich die innovativsten Köpfe und wie

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vernetzen sie sich untereinander? Inwieweit ist jemand richtig kreativ oder einfach nur eine gute Kopiermaschine? Diese neue Sichtbarkeit betrifft nicht nur die Einzelnen, sondern auch die Unternehmen. Sind das Unternehmen und seine Mitarbeiter in Europa wirklich zukunftsfähig? Welche Unternehmen verfügen effektiv über ein hohes immaterielles Vermögen (Netzwerk, Mitarbeiter, Innovationen) und sind somit als Partner oder Filetstück interessant? Die Big Data der Sozialen Netzwerke für Business können darauf schnell präzise Informationen geben, und zwar jenseits der traditionellen Informationskanäle. Sie verarbeiten nämlich den wichtigsten Rohstoff der Webökonomie: Die Social Big Data. Darum sind sie als neue Metaebene der Arbeits- und Unternehmenswelt auch so wichtig. Was hat das aber alles mit dem Arbeitsmarketing 2.0 zu tun? Anhand bereits existierender Daten können eindeutig die Entwicklungen in der Arbeitswelt erkannt werden, nicht nur von den Entscheidern oben in den Chefetagen in Frankfurt, New York oder Zürich, sondern auch vor allem von allen Beteiligten an der Basis. Sie sind davon am meisten betroffen. Big Data zeigen in der Arbeitsmarktanalyse, wann und wo es zwischen Nachfrage und Angebot in Zukunft personelle Engpässe geben wird, im Gesundheits- und im Bildungswesen❷ sowie in den vielen neuen MINT-Berufen. ● Welche Fragen beantworten die Big Data auch dem Einzelnen? ● Wie lange werden meine Kompetenzen noch gebraucht?

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● Wohin sollte ich mich schleunigst orientieren? Diese Fragen sind heute genauso wichtig wie die Existenzfragen des Unternehmens: ▪ Wie lange ist mein Produkt noch gefragt? ▪ Wie lange kann ich es so noch produzieren? ▪ Welche Mitarbeiter brauche ich morgen und welche sollte ich schnell freistellen? Ganz zu schweigen von der permanenten Markt – und SWOT-Analyse. ❶ Big Data. Die grosse Herausforderung. ❷ Where Is the Top City to Spot Tech Talents? WSJ, June 24, 2014.

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Abschnitt 7

Big Data für kleinere Bandbreiten Große Veränderungen im Kleinen Warum interessieren sich die kleinen und mittleren Unternehmen nicht für Big Data? Weil sie selbst keine Big Data haben und auch nicht wissen, wie sie dazu kommen und was sie damit anfangen können! ➊ Auch viele internationale Konzerne haben keine Big Data. Die meisten kleinen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland sind eh der Meinung, dass das Big Data-Analysieren nichts bringe und nur Zeitverschwendung sei. Manager sind notorische Flachdenker. Alle haben Angst vor Google, aber kaufen bei amazon, reservieren ihre Hotelzimmer im Internet, viele sind auf LinkedIn, Facebook, Xing und Twitter. Vielleicht machen sie sogar noch Online-Banking oder pokern Online. Diese Fehleinschätzung wird zu einer zusätzlichen und lukrativen Einkommensquelle der Sozialen Netzwerke für Business werden. Die besitzen nämlich diese besonders wertvollen Big Data, die Social Big Data, die Auskunft über Trends, Wissen und Potentiale der Menschen geben. Sie erfassen die Menschen in allen Bereichen des Lebens, als © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 224


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Verbraucher oder Mitarbeiter. Außerdem sind sie die Komponenten des Web 3.0 und die Bausteine des Web 4.0. Wie sollen ein KMU und ein Kleinunternehmer Big Data einsetzen und wenn ja, auf welchen Bereichen? Indem es einfach von den ganz Großen abschaut. Große Unternehmen wie KLM setzen sie erfolgreich im Business of Kindness❷ ein, das intelligentere B2C 2.0. Andere integrieren sie in ihr CRM 2.0 und in ihren Open Innovation Prozess oder im Social Media Recruiting. Oft aber brauchen die kleinen und mittelständischen Unternehmen gar kein Business of Kindness oder ein CRM 2.0, weil ihre Kunden größere Unternehmen sind und sie von ihnen die Auflagen ihrer betriebswirtschaftlichen Vorlagen bekommen. Kleinunternehmen der Webökonomie kommen jedoch nicht daran vorbei❸: Social Big Data reduzieren Zeit und Energie im Arbeitsmarketing 2.0 und gehören mit zum Produktmarketing 2.0. Die Zukunft zu steuern, ist nicht nur ein Wettbewerbsvorteil der Großkonzerne, sondern auch der Freelance Economy. Big Data macht’s möglich. ➊ Big Data Doesn’t Work if You Ignore the Small Things That matter. HBR, October 5, 2012. ❷ Business of Kindness, BBC global business. Peter Gray. December 24, 2012. .
 
 ❸ What can Big Data for a Small Business? Tim Davaney, Tom Smith. Forbes, 30.5.2013.

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Abschnitt 8

Kettenreaktionen voraussehen Das perfekte Team Big Data und menschliche Intuition wären ein perfektes Team. Märkte werden nämlich nicht nur von Algorithmen gemacht, sondern von Menschen und Algorithmen gemeinsam. Big Data interessieren sich jedoch zudem für die Vernetzungen der Menschen untereinander. Die interaktiven menschlichen Zwischenräume werden zum Stoff, aus dem Big Data Kettenreaktionen voraussagen können. Dieses Verständnis gehört zum Marketing im allgemeinen und auch zum Arbeitsmarketing 2.0. Was dann die Menschen daraus machen, hängt von ihrer Wachsamkeit ab. Proaktives Arbeitsmarketing 2.0 gehört zu den neuen Kompetenzen der Personaler und Kleinunternehmer. Big Data sind verlässlicher als Wettervorhersagen, doch auch Algorithmen reihen vorläufig nur Daten und Informationen auf. Was dabei herauskommen kann, wenn man nicht sofort hinterfragt, haben schon einige Investmentbanker erfahren. Selbst wenn Watson im Jeopardy die Menschen ausgespielt hat, die Entscheidungen müssen vorläufig immer noch die Menschen treffen. ▪ Wenn die Meteorologen heiße Sommertage voraussagen, so müssen sich nicht nur die Eisdielen auf höheren © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 226


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Andrang vorbereiten und mehr Personal einplanen. Auch die Zuckerindustrie sollte gleich mehr Leute und LKW einplanen, bevor Engpässe auftreten. ▪ Wenn Big Data-Analysen für 2020 jetzt schon eindeutige Trends auf dem Arbeitsmarkt vorhersagen, könnten verantwortliche Politiker und Unternehmer sofort die Konsequenzen daraus ziehen. ▪ Wenn aus den Big Data-Prognosen hervorgeht, dass ganz bestimmte Berufe in fünf Jahre nicht mehr gebraucht werden, sollte das bei allen Betroffenen keine Panik oder Fatalismus hervorrufen, sondern sie sofort mobilisieren. Wie gut ein proaktives Arbeitsmarketing 2.0 mit Hilfe von Big Data funktionieren kann, machen die Großkonzerne wie IBM vor. Was zeigen die Big Data schon heute unmissverständlich? Der Arbeitsmarkt der Zukunft wird nicht mehr von Arbeit oder Berufen, sondern von kurzfristig verwertbaren Kompetenzen und Kettenreaktionen“ bestimmt werden. Bei genauem Hinschauen sind beide schon erkennbar. ➊ Future Skills. Future Works Tracey Wilen-Daugenty. 2013. Hier in pdf.

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KAPITEL 11 Jobapocalypse Now?

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Abschnitt 1

Intelligente Texter Am Anfang war das Wort „Am Dienstag, den 30. Januar 2011 wird das Unternehmen Harman International Industries die Ergebnisse des zweiten Quartals vorlegen. Analysten rechnen mit einem höheren Gewinn als im Vorjahr. Nach Konsensschätzungen soll das Ergebnis pro Aktie 98 Cent betragen.» Interessant an dieser Börsennachricht ist nicht der Inhalt, sondern die Tatsache, dass eine denkende Maschine sich hier eigenständig Inhalt erstellt hat, und zwar ein schreibender Roboter-Journalist. Der Text oben (Original in Englisch) stammt von Narrative Science. Dieses Unternehmen aus Chicago vermarktet eine Software, die auf Knopfdruck nackte Daten in lesbare Geschichten schön verpackt und alle gängigen Vorurteile über Computerautoren zerstört. Für Texter von Firmenwebseiten, Broschüren, Blogposts, Whitepaper, Gebrauchsanweisungen, Storyboards für elearning, Online-Kurse und Jahresberichten bedeutet diese Nachricht: Umschulen, und zwar sofort nach neuen Aufgaben suchen. Wozu braucht es bald noch einen Pressedienst, wenn die Informationen aus den Big Data generiert und dann von einer Maschine in lesbare Texte verarbeitet werden? Mitarbeiter in Unternehmen, die Medien beobachten und daraus für die

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Firmen, Parteien und Politiker Pressemappen erstellen, könnten schnell ihre Existenzbasis verlieren. Redakteure, die für Groupon die Tagesdeals im Akkord schreiben, ist es vielleicht eine Erlösung, doch das Ende ihrer Arbeit. Das Computerprogramm, zur Zeit eines der modernsten der Welt, funktioniert ungefähr so: Der Algorithmus wird mit allen vorhandenen Zahlen und Namen gefüttert, durchsucht dann das Internet nach passenden sprachlichen Mustern und produziert ein paar Sekunden später einen fertigen Text, einschliesslich Layout und Korrekturlesen. Unvorstellbar? Das ist schon Big Data im täglichen Arbeitseinsatz.❶ In Nischenbereichen wie etwa für Immobilienmeldungen, Börsennotizen oder Sportnachrichten, wo nur Fakten wiedergegeben werden, klappt das gut. In Zukunft können auch die Tagesnachrichten so verfasst werden und so manche Nachrichtenredaktion in den USA hat schon die Texte über Spiele im Sport in der zweiten oder dritten Liga an solche schreibende Maschine delegiert. Sie arbeitet zum Beispiel für das Internetportal Wirtschaftsmagazins Forbes und versorgt es Börsenprognosen.

des mit

❶ Die Vierte Industrielle Revolution. Industrie 4.0. Henning Kagermann. pdf

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Abschnitt 2

HFT im globalen Business Lauf, kleiner Mann, lauf..! An den Börsen werden seit Jahren 70% der Umsätze im Hochfrequenzhandel➊ erwirtschaftet. Im High Frequency Trading können globale Transaktionen in 0,3 Millisekunden vollzogen werden. Dahinter stehen ebenfalls Big Data und die Software-Algorithmen. Sie vernetzen Zahlen mit Zahlen, ermöglichen komplizierte Finanzgebilde, die niemand mehr versteht und erst recht keiner mehr kontrollieren kann➋. Das brachte Bernard Madoff zwar ins Gefängnis, Lehman Brothers in die Pleite und Millionen Amerikaner in die Privatinsolvenz, aber das Geschäft geht weiter. „Der US-Aktienmarkt wurde nun ein Klassensystem aus Habenden und Habenichtsen, nur dass die Habenden nicht Geld hatten, sondern Geschwindigkeit,die zum Geld führte.Sie kauften sich Nanosekunden; die Habenichtse wussten nicht einmal, dass Nanosekunden einen Wert hatten. Die Habenden genossen den perfekten Marktüberblick, während die Habenichtse nie den wirklichen Markt sahen. Michael Lewis: The Wolf Hunters of Wall Street. In: New York Times,3/31 2014“➋. Was hat das Arbeitsmarketing 2.0 mit Hochfrequenzhandel und den Zockergeschäften der Trader zu tun? Die Transaktionen der Finanzwelt in der absoluten Beschleunigung sind lediglich die © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 231


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letzte Steigerung der Kurzfristigkeit, die jetzt auch die Arbeitswelt bestimmt. Profite werden durch permanentes Hochfrequenztempo aus Ressourcen jeder Art gemacht. Der Erfolg oder Misserfolg in der Manipulation dieser neuen Technologien hängt von den erforderlichen Komponenten ab: Viel Intuition, eine gute Analyse-Software, extrem schnelle Rechner und vor allem der passende Kopf dazu, um die Nischen, Potentiale und Lücken im Markt zu erkennen und ausnutzen zu können. Profit wird durch Schnelligkeit und Beschleunigung erzeugt. Was bedeutet das für den Einzelnen am atomisierten Arbeitsmarkt 2.0? Er steht im freien Raum und im globalen Konkurrenzkampf mit einigen Milliarden anderer um kurzfristige Jobs, für die ständig neue Fertigkeiten und neues Wissen gebraucht werden. Goldman Sachs investiert in Google driveless cars und Uber und damit haben die protestierenden Taxifahrer in Europa den Kampf gegen die Investoren der Webökonomie verloren. Ihre Kunden könnten mit ihnen solidarisch sein, aber die meisten werden sicher zu freudigen Benutzer der driveless cars von morgen. Ausserdem entspricht Uber ebenso wie airbnb der Low Margin Cost Society, dem Mobilitätszwang bei ungewissem Einkommen und der sinkenden Kaufkraft in der Freelance-Ökonomie. Die Angebote sind also bedarfsgerecht und bedarfsbefriedigend. ➊ Hochfrequenzhandel. Millionen in Millisekunden. FAZ. 16.02.2014
 ➋ Flash Boys. A Wall Street Revolt. Michael Lewis. W.& W. Norton.2014.

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Abschnitt 3

Watson ist perfekt (er)! Von HAL9000 zu Mr. Watson Big Data liefern den Maschinen den Stoff, aus dem schreibende Computer Texte verfassen: Handelsergebnisse, Produktbeschrei-bungen, Gebrauchsanweisungen oder Vergleichsanalysen. Diese wiederum dienen den Handelsmaschinen als Grundlage für zukünftige Kauf- und Verkaufsorder und beide geben sich dann gegenseitig den Quellennachweis. Der Mensch spielt in dieser neuen vollautomatisierten Umgebung nur noch eine Nebenrolle, weil seine Neurone von der Masse der Informationen und ihrer Geschwindigkeit überfordert sind. Theoretisch könnten alle wissenschaftlichen Berichte und Studien künftig von den lernenden Maschinen verfasst werden, sobald die Informationen dafür bereit stehen. Auch Online-Kurse könnten in vielen Bereichen von Maschinen vom Inhalt bis zu Common Craft Videos in Sketchnotes oder visualiertem Storytelling produziert werden. Es ist alles nur noch eine Frage der Zeit und des return on invested capital bei der Vermarktung. Sind Maschinen die besseren Arbeitskräfte? Diese Frage ist nicht neu. Sie entspringt einer Sorge, die die Menschen seit

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jeher umtreibt. In "2001: Odyssee im Weltraum“ kämpfen intelligente Astronauten mit HAL9000, dem Computer. Bislang war diese Frage rein rhetorisch und wurde auf irgendeinen Tag in der Zukunft verschoben. Heute lautet sie eher: Welche Aufgaben können künftig noch besser von Menschen gemacht werden? Welche Kompetenzen sind absolutes Alleinstellungs-merkmal der Menschen und geben ihm noch einen Wettbewerbsvorteil am Arbeitsmarkt? Diese Fragen betreffen alle Wissensarbeiter und dazu gehören alle, die mit ihren Händen oder ihrem Handwerk ihr Geld verdienen. Die jüngsten Entwicklungen der Software- oder Robotik schaffen es, menschliches Denken, Verhalten und Schaffen zu simulieren. Das besagt nicht, dass denkende Geräte demnächst in den Krieg gegen ihre Schöpfer ziehen. Das ist Science Fiction und verfremdet die Tatbestände. Die Front verläuft in Wirklichkeit schon ganz woanders: nämlich in der Vermarktung der noch bleibenden Jobs. Der eigentliche Durchbruch war nicht HAL 9000, sondern der reale IBM-Computer «Watson», der Anfang 2011 erstmals zwei menschliche Konkurrenten im Quizspiel Jeopardy hinter sich ließ. Watson verrichtet jetzt schon in einigen Krankenhäusern in den USA seinen Dienst, etwa indem er den jeweiligen Patienten speziell auf sie zugeschnittene Behandlungspläne vorschlägt. Ausserdem bietet er sich als Lösung für viele Pflegebedürftige an, sofern sie diese hochpreisigen Dienstleister bezahlen können. Alle fünf Jahre verdoppelt sich derzeit die in der Medizin verfügbare Datenbasis und alle fünf Jahre verdoppelt sich auch die Zahl der Pflegebedürftigen in Europa.

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Die EU fördert darum seit einigen Jahren einen empathischen Roboter-Pfleger❶ für alte und behinderte Menschen. GiraffPlus, so heisst dieser Computer nach seinem Aussehen benannt, soll soziale Interaktion, langfristiges Monitoring und Gesprächspartner für alleinlebende alte Menschen sein. Er wacht 24/7, reagiert beim kleinsten Zwischenfall, kontrolliert die Medikamenteneinnahme. Er passt auf, dass der Patient genug trinkt und dass er seine Medikamente auch wirklich einnimmt. Damit will die EU nicht nur die Kostenexplosion im Gesundheitswesen auffangen, sondern den alten Menschen auch die Möglichkeit geben, so lange wie möglich in ihren vier Wänden zu bleiben. GiraffPlus kann sogar Kaffee kochen, die Klospülung bei Bedarf bedienen, den Wasserhahn wieder zudrehen und im Notfall den Alarm auslösen. Für die Krankenkassen und die vielen älteren Menschen, die noch gerne in ihrer Wohnung bleiben würden, ist das eine gute Nachricht. Für die etwa 1,5 Millionen festangestellten und freiberuflichen AlterspflegerInnen (87% davon sind weiblich) ist das eine Konkurrenz. Sie verlieren vielleicht nicht sofort ihren Job, bekommen aber sicher nicht mehr Geld für ihre Arbeit, denn GiraffPlus und ihre Artgenossen sind billiger, rund um die Uhr im Einsatz und haben sogar noch Zeit, mit den alleinlebenden Menschen Kreuzworträtsel zu lösen, mit ihnen Karten oder Schach zu spielen und Fremdsprachen zu lernen. Das hält nämlich das Gehirn fit und ist für gebrechliche Menschen unmöglich. Da gerade in diesem Bereich ein akuter Personalmangel herrscht und in den nächsten Jahren noch zunehmen wird, brauchen künftig keine Krankenpfleger mehr aus Serbien oder den Philippinen oder China angeworben © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 235


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werben. Auch das ist proaktives Arbeitsmarketing 2.0. Ihre japanischen intelligenten Maschinen sind noch vielseitiger: Sie kümmern sich sowohl um einsame alte Menschen als auch um die Kleinkinder. Pepper und Paro sind da, wenn alle anderen weg sind, lesen Geschichten vor, spielen mit den Kleinen und sind gleichzeitig in Interaktion mit den Eltern. Samsung und Siemens Healthcare sind schon in der nächsten Runde der Internet-Revolution, die Kosten und Personal einsparen soll, ohne dabei neue Jobs zu schaffen. Siemens weiß, warum es bestimmte Geschäftsbereiche wie z.B.die Haushaltsgeräte abgestossen hat. Die Industrie 4.0 ist einfach lukrativer, personalsparender und gewinnträchtiger, für alle Beteiligten, ausser den Arbeitnehmern. ❶ GiraffPlus. GiraffPlus is funded by the European Community's Framework Programme Seven (FP7) under contract #288173. FP7 - ICT - Challenge 5: ICT for Health, Ageing Well, Inclusion and Governance. Duration: 01.01.2012 to 31.12.2014.

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Abschnitt 4

Auf leisen Sohlen Allgegenwärtig Auf leisen Füßen und schnellen Schrittes verändert die digitale Technik seit Jahren fast alle Bereiche unseres Alltags. Erst waren es die Bankomaten oder Check-In Terminals, wie beim Autoverleih oder in Hotels. Später kamen die automatischen Kassen in Supermärkten und die Apps auf dem Handy, die uns durch fremde Städte schnell ans Ziel bringen. Was wäre heute so mancher ohne sein Navy! Und was wurde aus den vielen Fremdenführern, denen heute die Apps auf dem Handy oder ipad die Arbeit abnehmen? Es ist nur Software, die einen Teil der Bank-oder Flughafenbeschäftigten überflüssig macht, den Taxifahrern in den europäischen Großtädten die Monopole nimmt - und die Menschen mit der Maschine oft allein lassen. Jeder, der in einem low-cost Hotel schon mal seine Zimmerkarte verloren oder seinen Digitcode vergessen hat, weiß wozu ein Nachportier gut sein kann. Heute verfassen Roboter Firmenberichte, Programmvorschauen, Webseiten einschließlich Suchmaschinenoptimierung, Gebrauchsanweisungen und Handbücher, benutzerfreundlich verfasst, in plain language oder Amtsdeutsch. Sie brauchen dafür nur den Zugang zu den entspre-chenden Datenbanken, © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 237


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um ganz eigenständig den Inhalt zu verfassen. Anschließend hübschen sie ihn mit Bildern auf und veröffentlichen ihn mit dem Unternehmenslogo und Design. Alles ist klar, lesbar, schön, schnell und kostensparend. Diese lernenden Maschinen können die Inhalte sogar cross medial auf alle Sozialen Netzwerke streuen und dazu relevante Posts veröffentlichen mit anschließender Auswertung. Social Media-Manager sind spätestens übermorgen überflüssig, Texter und Content Creators ohnehin, während Community Manager vielleicht noch weiter gebraucht werden, denn die schaffen Empathie. Die US-Online-Unternehmen wie amazon, ebay, Google und die vielen Business 2.0 Varianten, haben in wenigen Jahren ganze Branchen niedergewalzt und bringen viele kleine Fachgeschäfte und Einzelhändler in die Insolvenz. Niemand fragt sich, was aus den Spielwarenhändlern oder Buchhändlern geworden ist. Sie sind einfach nicht mehr da. Nun übernehmen Software-Algorithmen und Roboter nach und nach auch noch die Arbeit von Menschen, die lange Ausbildungszeiten hinter sich haben und deren Jobs bislang als sicher galten. Um die Tragweite zu erkennen, muss man einen Blick über den europäischen Horizont werfen.❶ "Die USA sind ein paar Jahre weiter“, sagt der Berliner Technik-Vordenker Johannes Kleske,❷ "wie in einem Labor kann man dort studieren, was auch auf uns in Europa zukommen wird.» ❶ Martin Ford. To the Jobless Economy.Nov. 7, 2011

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❷ Johannes Kleske: „Das Ende der Arbeit.“ 2013.

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Abschnitt 5

Jurist von gestern Das Ende der Gewissheiten Juristen gehören zu den traditionellen angesehenen Freiberuflern. Wenn sie nicht doch lieber die Staatsknete vorzogen, blieb ihnen bislang noch eine gut bezahlte Festanstellung bei einer Bank, Versicherung oder einem großen Dienstleister. Die sichere Lösung wäre das schon, denn als Freiberufler oder ortsansässiger Anwalt mit Kanzlei stehen sie ganz oben auf der Liste der gefährdeten Berufe. In den USA etwa gilt die Software Clearwell ➊ als Jobkiller für Juristen. Ein Rechtsanwalt verbringt 70% seiner Arbeitszeit mit Suchen und systematischer Kombination von passenden juristischen Argumenten anhand ähnlicher Fälle. Seine Effizienz und seine Pertinenz hängen von seiner hohen Professionalität und seiner Belesenheit ab. Er muss nicht nur die Gesetzbücher und die Präzedenzfälle im Kopf oder bei der Hand haben. Das alles muss auch stichhaltig zusammengetragen und ausgearbeitet werden. Dabei sollte ein guter Anwalt gleichzeitig das strafrechtlich relevante Verhalten der Gegenseite erkennen und weiter verwerten. eDiscovery-Programme wie Clearwell können beides und kostengünstiger und in kürzester Zeit. Angesichts der ungeheuren Datenmasse, die im Enron-Prozess auf die Rechtsanwälte zurollte, setzte die Wirtschaftskanzlei DLA © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 240


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Piper erstmalig die Software Clearwell ein und konnte so aus einer halben Million Dokumente binnen fünf Tagen die 3000 entscheidenden herausfiltern - Kosten knapp $10.000. Der Gründer der britischen Sofware-Firma Autonomy (inzwischen an HP verkauft) schätzt, dass seine eDiscovery-Software die Rechtsanwälte bis zu tausendmal produktiver arbeiten lässt. Hinter dieser Produktivität steht wirtschaftlicher Pragmatismus. Viele Anwaltskanzleien werden sich somit in den nächsten Jahren einer Schlankheitskur unterziehen müssen. Das gleiche gilt für die Rechtsabteilungen großer Unternehmen. Big Data und die Algorithmen finden sofort die entsprechenden Fälle, Urteile, Paragraphen heraus, nach denen ein Anwalt tagelang suchen muss. Sie suchen vielsprachig und verarbeiten die verschiedenen Sprachen zu einem einheitlichen Dokument. Maschinen lernen voneinander (ML) und vernetzen sich von selbst mit der Big Data-Bank. Unterdessen bilden die Universitäten weiter tausende von Juristen ohne Zukunft aus. Schützt Unwissenheit hier vor Strafe? ➊ Clearwell Armies of Expensive Lawyers, Replaces by Cheaper Software. NYT, March 4, 2011. ➋ Autonomy

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Abschnitt 6

Sprachlehrer Online Im Club der Joblosen Die Tatsache, dass man Sprachen nicht wirklich in der Schule lernt, sondern am besten im Ausland, veranlasst jährlich 6 Millionen Eltern weltweit, ihren Kindern einen Sprachaufenthalt im Ausland zu finanzieren. Dafür geben sie im Schnitt gern zwischen 1000€ und 2000€/pro Aufenthalt aus. Der return on investment ist nicht immer eindeutig. In den klassischen Strukturen wie das Goethe Institut oder Cervantes sind zwar noch tausende von Sprachlehrern beschäftigt, aber nur noch wenige arbeiten in Festanstellungen und die meisten für einen Mindestlohn. Trotzdem bleibt dieser Bereich noch das Zubrot vieler Freiberufler, Sprachwissenschaftler ohne Staatsexamen oder Muttersprachler im Transit. Inzwischen werden jedoch hunderte von Online-Plattformen für Sprachkurse, Apps und interaktive Sprachmodule angeboten. Viele funktionieren wie ein Serious Game; jeder kann in seinem Tempo überall lernen und sich über Hangout oder Skype mit anderen austauschen: Language Socializing als interkultureller Zugewinn ist aktives Lernen und lehrt noch viel mehr...!

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Für Kinder und Jugendliche in Regionen, wo Fremdsprachenkurse das Privileg der Oberschicht bleiben, ist das eine gute Nachricht. Für Sprachlehrer und Sprachschulen ist das noch nicht das Aus, aber eine ernste Konkurrenz. Maschinen machen den Job besser und billiger. Selbstorganisiertes Lernen durch Software unterstützt, steht auf der Agenda des lebenslangen Lernprozesses und Sprachlehrer ganz oben auf der Liste der gefährdeten Wissensvermittler. In Hochschulen werden immer zuerst die Sprachkurse gestrichen. Auch die neuartige Übersetzungssoftware könnten für Dolmetscher und Sprachlehrer zur echten Bedrohung werden. Die Business-Software "GeoFluent“ etwa verbindet Kunden und fremdsprachige Servicemitarbeiter mittels Chat und der eingegebene Text wird sofort übersetzt. Auch wenn die Software noch verbessert werden kann, so werden schon jetzt unterschiedliche Sprachen wie Chinesisch und Spanisch zu 90% verstanden. Der japanische Telekomkonzern NTT Docomo hat kürzlich den Prototypen einer Datenbrille präsentiert, die fremdsprachige Schriftzeichen erkennt und in der Muttersprache aufs Display zaubert. Was in den 80erJahren in der Bestsellerreihe "Per Anhalter durch die Galaxis“ noch pure Utopie war - der Babelfisch, der alle Arten von Sprachen übersetzt, ist jetzt Realität.

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Abschnitt 7

Datengesteuert: Arbeitsmarkt 2.0

Unvorstellbares

verarbeiten können Noch 2008 hielt man es für völlig ausgeschlossen, dass Computer schon bald eine komplexe Aufgabe wie das Steuern eines Fahrzeugs bewältigen würden. Wenigstens am Steuer seines Autos schien der Mensch einzigartig und unersetzbar zu sein. Erst seitdem die Entwickler 3D-Karten und andere Umweltdaten in das Navigationssystem des Fahrzeugs mit einbauen, ist autonomes Fahren möglich, auch wenn 99% der Autofahrer noch immer vom Gegenteil überzeugt sind und sich weiter fest ans eigene Lenkrad klammern. Niemand möchte fremdgesteuert durch die Stadt fahren! Eigentlich geht es auch nicht darum, dem freien Bürger die freie Fahrt am Steuer seines PKW‘s zu nehmen, sondern den Reisenden unterwegs in Berlin, Hamburg, Paris, oder Brüssel immer ein Fahrzeug zur Verfügung zu stellen, das sie per Handy vorher bestellen können, ein Fahrzeug, das ganz sicher auf sie wartet, sie auf dem kürzesten und schnellsten Weg ans Ziel bringt und das sie am Ende per Handy bezahlen können. Das will der City-Hopper oder der Kurzzeittourist, der mit Easy Jet © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 244


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fliegt, bei airbnb schläft und bei eatwithfriends einkehrt. An den selbstfahrenden Autos von Google lässt sich erkennen, wie die Kombination aus Robotik, Software-Algorithmen und Big Data zu neuen technischen Durchbrüchen führt und wie schwer der Paradigmenwechsel in der Praxis für alle ist. Doch das Google-Auto ist nur die Visualisierung des Internets der Dinge (IoT). Viele Aufgaben können kostengünstiger, zeitintensiver und wirtschaftlicher ausgeführt werden, in der Logistik und in vielen anderen Bereichen, jenseits der gängigen Klischees von Robotern und Menschen: 47% aller Jobs werden in den nächsten Jahren durch intelligente, lernende Maschinen ersetzt werden können. Das sind fast ausschliesslich die Jobs der Wissensarbeiter, denn die Handwerker, Bauern und Arbeiter wurden ja schon in den vorigen Jahrzehnten entsorgt. Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie heute jenseits des Wohlstands für alle. In den kommenden Jahren wird die Mittelklasse der alten Arbeitswelt, die sich im 20. Jahrhundert durch die Office Technologien gebildet hat, bis auf wenige Bereiche verschwinden. Zu dieser Feststellung kommt die jüngste Oxford Studie zur Zukunft des globalen Arbeitsmarkts von Carl Benedikt Frey und Michael Osborne❶. Die Studie ist keine Science Fiction oder ein Katastrophenszenario, sondern eine wissenschaftliche Arbeit von zwei Oxford Professoren. Sie beschreibt einfach die Gegenwart, um die Trends der Zukunft zu erkennen.❷ Die lernenden Maschinen führen nicht nur Tätigkeiten aus, für

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die sie programmiert wurden. Sie sind auch lernfähig und können sich neue Skills genauso aneignen wie wir es auch machen sollten: Einfach gut aufpassen, lernen, nachmachen, immer wieder Verbesserungen hinzufügen, voneinander lernen und sich gegenseitig korrigieren. HAL9000 ist nicht mehr allein an Bord und wir müssen lernen, Unvorstellbares präventiv zu verarbeiten. Dabei sollten auch die Vorurteile und Roboterklischees gelöscht werden. Die Fehlerquote der lernenden Maschinen ist extrem gering. Im Gegensatz zu den Menschen sind sie nach 12 Stunden Einsatz noch genauso fit wie in der ersten Minute. Außerdem kommen sie nie zu spät, sind nie krank, immer bei der Sache, nie überfordert oder stressgeschädigt, stets in Interaktion und sogar freundlich bei der Arbeit. Das IoT (Internet of Things) schafft vor allem für die Kleinunternehmen ganz neue Möglichkeiten. Die US-Wirtschaft will zum Beispiel den Weltmarkt mit Mass Customization zurückerobern und den Wettbewerbsvorteil der digitalen Revolution 1.0 und 2.0 auch in den nächsten technologischen Revolutionen behalten.❶ Dafür gibt es in den USA schon viele konkrete Ideen, Think Tanks und Theoretiker wie Jeremy Rifkin oder Chris Anderson, während Europa weiter vor sich hin dümpelt und die Vorschläge des Club of Rome beiseite legt. Die kundenindividuelle Massenproduktion ist eine der vielen verborgenen Seiten des aktuellen Freihandelsabkommens, TTIP, das auch angeblich dem deutschen Arbeitsmarkt ein Jobwunder bescheren soll. Dieses Wunder wird aber nicht von den deutschen Grossunternehmen beschert werden. Die bauen

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hierzulande und in Europa eher massen weise Stellen ab. Mit Big Data, lernenden und mobilen Maschinen können auch ganz neue Lösungen gefunden werden, um Ressourcen zu sparen, die Umwelt zu schützen, neue Energiequellen zu entwickeln und die Fehlbarkeit der Menschen bei der Arbeit zu verbessern. Damit kommen auch ausgelagerte Produktionseinheiten wieder zurück aus den Billiglohnländern. Die On-demand Produktion, die in kleinen flexiblen Einheiten entwickelt und gleich vorort hergestellt wird, reduziert auch die Transportkosten. Lernende Maschinen können sprach- und zeitübegreifend Trends, Muster und Raster erkennen. Die werden verknüpft und abgeglichen und gleichzeitig wieder neue Datensätze generiert und mit anderen vernetzt. Im IoT kommunizieren die lernenden Maschinen untereinander, was Menschen oft schwer fällt, vor allem bei interkulturellen Transaktionen. Da die digitalen Innovationsschübe in immer kürzeren Abständen kommen, bleibt den Menschen auch immer weniger Zeit, sich umzustellen und anzupassen. Konkret bedeutet das für uns alle: Alle fünf Jahre eine komplette Kernsanierung des Wissens. Alle fünf Jahre neue technologische und ökonomische Vorgaben in die Lern- und Arbeitsprozesse integrieren. Arbeit wird eine Frage der «Skills» und lebenslanges Lernen ist keine Floskel mehr, sondern eine Überlebensstrategie für alle, die sich nicht von den Renditen ihres Kapitals oder der Politik können, sondern sich von dem Wert ihres Wissens und ihrer Arbeit ernähren müssen. Das sind 99% der Menschheit. Auch

die

so

sicheren

Jobs

der

Software-Entwickler,

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Programmierer, Lehrer und Ingenieure können, so die jüngste Oxford-Studie, bald durch lernende Maschinen ersetzt werden. Sobald für den Arbeitgeber die Kostenfrage dringender wird als das bereits verfügbare Humankapital, werden sie sicher zu den intelligenteren Maschinen greifen. Unternehmerisches Denken und Handeln ist zielorientiertes. Für Bäcker, Klempner, Elektriker, Gärtner und Köche, gibt es weiterhin einen großen Bedarf. Auch kreative, intuitive Köpfe mit hohem Empathie-Potential sind weiter gefragt und kluge Eltern schicken ihre Töchter erst einmal in eine Klempner-Lehre. Diese allzu menschlichen Eigenschaften sind noch nicht durch intelligentere Maschinen ersetzbar. Finanzbeamte, Steuerprüfer und Bankberater dagegen sind nicht nur komplett austauschbar, sondern auch effektiv ersetzbar: Die RD-D2 von morgen machen ihre Arbeit viel besser, billiger, schneller und effizienter. Außerdem sind sie sympathischer als die gestressten oder gleichgültigen Sachbearbeiter im Finanzamt oder im Bürgeramt. Sie sind halt programmierbarer. Es wird nicht lange dauern bis eine neue Software die eDiscovery und Clearwell mit Narrative Science oder Watson verknüpft. Aus der Vernetzung verschiedener Software entsteht ein neues innovatives Produkt. Auch das ist das Innovationspotential der Internet Revolutionen und der Zukunftsträger der Industrie 4.0. Sofern das finanzielle Interesse groß genug ist, werden binnen kürzester Zeit nicht mehr hoch dotierte Experten hieb- und stichfeste Gutachten oder Berichte ausarbeiten und

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präsentieren, sondern diese zeitintensive Arbeit im Vorfeld den Algorithmen übergeben. So wie sie die Wahrscheinlichkeitsquote eines positiven oder negativen Entscheids oder Urteils berechnen können, vermögen sie auch die Fehlbarkeitsquote eines Experten, Gutachters oder Verantwortlichen zu evaluieren. In Städten wie Philadelphia und Baltimore mussten sich die Bewährungshelfer bis vor kurzem auf ihre Intuition verlassen, um die Wahrscheinlichkeitsquote einer Rückfälligkeit der Sträflinge zu bemessen. Seit einiger Zeit unterstützt sie eine entsprechende Software bei ihrer Arbeit und jetzt rechnet der Algorithmus diese Wahrscheinlichkeitsquote aus. Natürlich wird es auch hier wieder Kritiker und Zweifler geben. Aber wie hoch ist die Erfolgsquote eines forensischen Psychologen oder Psychiaters und wie zuverlässig ist der Bericht eines Gutachters, anhand dessen Urteile gefällt und Entscheidungen getroffen werden? Diese Software geht jedoch weit über diese forensische Anwendung hinaus. Mit ihr können sich auch Unternehmen mit wenig Aufwand die Erfolgspotentiale der zukünftigen Teams errechnen oder sie danach zusammenstellen lassen. Auf die Personaler in deutschen Unternehmen kommen noch gewaltige Veränderungswellen zu. Darum umwerben global players wie IBM gerade diese Zielgruppe mit ihrer Big Data Recruiting Lösung. Irgendwann werden auch sie den datengesteuerten Arbeitsmarkt 2.0 in ihre Prozesse integrieren müssen und gern auf Software-Programme zurückgreifen, die

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proaktiv für diesen Bedarf entwickelt wurden. , ❶ Next step for U.S.„Manufacturing is ‘Mass Customization,“ Siemens CEO says. Charlotte Busines Journal. Mar 12, 2014. ❷ Future of Employment. 2014. Oxford St. Martin School. ❸ Software predicts criminal behavior. Abc news. August 2010.

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KAPITEL 12 Weiter so…?

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Abschnitt 1

Zwiegespalten Die Unbeweglichkeitsfalle Nach einer Studie des Instituts zur Zukunft der Arbeit befanden sich in Deutschland im Jahr 2012 nur noch 55 Prozent der Beschäftigten im Alter zwischen 25 und 64 Jahren in einem Normalarbeitsverhältnis, das heißt in einer unbefristeten Anstellung mit geregeltem Lohn. Immer mehr Deutsche arbeiten in Teilzeit, meldet sogar das Handelsblatt vom 13.9.2014. Im deutschen Dienstleistungssektor ist sogar nur noch jeder zweite unbefristet und in Vollzeit beschäftigt. Die Arbeitswelt driftet also auch hier auseinander, und zwar in einem Bereich, der in den letzten zehn Jahren die meisten Stellen geschaffen hat. Neue Parallelwelten entstehen nach dem gleichen Prinzip wie die Atomisierung des Arbeitsmarkts, oft sogar innerhalb der Unternehmen, am gleichen Arbeitsplatz, aber immer jenseits der öffentlichen Aufmerksamkeit. Leiharbeit und hohe Gewinne sind kein Widerspruch. Deutschland hat neben den USA, Russland und China die größte Milliardärskonzentration im obersten Zehntel der Reichen in Deutschland. Das deutsche Wirtschaftswunder lebt und 80% der Deutschen sind mit ihrer Wirtschaft zufrieden, denn es geht ihr ja gut. Wirtschaftsexperten sprechen sogar von einem zweiten deutschen Wirtschaftswunder.❶

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„Das Wirtschaftswachstum in Deutschland verdoppelt sich,“ berichten die Medien. Es gibt also keinen Grund zu Klagen. Die VUCA-Ökonomie, die Atomisierung des Arbeitsmarktes, die programmierte Überflüssigkeit der Arbeit sind den meisten Zeitgenossen vollkommen egal, weil es Deutschland ja noch gut geht, meint Jürgen Schupp, der Leiter des „Sozioökonomischen Panels“ am Deutschen Institut für Wirtschafts-forschung. Daneben verzerren immer wieder Informationen über Billiglöhner, schlecht bezahlte Praktika, unbezahlte Probezeiten, unfreiwillige Zeitarbeit, 400€ Jobs das schöne Bild der heilen Arbeitswelt. Die schöne heile Arbeitswelt ist jedoch immer noch von Auslaufmodellen bestimmt und die beliebtesten Arbeitgeber bleiben weiterhin die grossen Automobilkonzerne, Siemens und die Deutsche Bank. Aber gerade die bauen seit Jahren massiv Stellen ab❷ oder verlagern ihre Schwerpunkte nach China. Auch das ist ein Symptom der VUCA-Welt. Die schnellen Veränderungen werden von den Zeitgenossen gar nicht wahrgenommen ebenso wie alles verdrängt wird, was nicht zum heilen Bild der Welt von gestern passt. VW und Mercedes bleiben halt noch Traumunternehmen, auch wenn die Jobs der Zukunft woanders entstehen. Doch jenseits der offiziellen Freudenkundgebungen über den deutschen Musterschüler und seine guten Erfolgszahlen hat das Rote Kreuz sich den Wohlstand der europäischen Nationen von innen angeschaut. In seiner Studie „Think Differently“ macht es die Wirtschafts- und Finanzwelt direkt für die Zerlegung des Arbeitsmarktes verantwortlich.❸ Auch die Bertelsmannstiftung❹sieht schon dringenden Handlungsbedarf, © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 254


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denn «Beschäftigungsmisere, Sozialstaatskrise und mangelnde Wettbewerbsfähigkeit zeugen von Verkrustungen unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Um einen Ausweg aus dieser Unbeweglichkeitsfalle zu finden, müssen bestehende Denk- und Handlungsblockaden aufgelöst werden.» Aber diese Informationen machen keine Schlagzeilen. Die Medien zensieren sich selbst, weil sie wissen, dass die breite Öffentlichkeit so etwas nicht hören und lesen will. Vielleicht werden sich die Ökonomen eines Tages mit dem deutschen Paradox befassen. Deutschland könnte gerade jetzt extrem mobil, agil und innovativ sein, verharrt aber in den konservativen Wirtschaftsmodellen, eben weil sie so gewinnträchtig und lukrativ sind. Den Preis könnten die künftigen Generationen zahlen. Aber Deutschland stirbt aus, erklärte Bundespräsident Joachim Gauck im April 2014. In diesem Sinne sind auch die sinkenden Geburtenzahlen seit vielen Generationen eine List der Vernunft. Deutschland braucht gar nicht mehr für die Zukunft planen und ist endgültig in Sicherheit vor möglichen zornigen Protesten der empörten Jugendlichen. ❶ „Das zweite deutsche Wirtschaftswunder;“ Die Welt. 27.09.2014. ❷ Jetzt beginnt der grosse Stellenabbau. Handelsblatt. 27.3.2009. ❸ «Think Differently“. International Federation of Red Cross.10/2013. 
 ❹ Bertelsmann Stiftung. Menschen bewegen. Zukunft gestalten.

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Abschnitt 2

Verdrängungskünstler am Werk Störende Wahrheiten❶ Die ökonomischen, technologischen und demografischen Fakten sind ebenso wie die Prognosen der Klimaveränderungen störende Wahrheiten❷. Beide werden in den Raum der Unbestimmtheit abgeschoben. Anders aber als die Warnung vor den Auswirkungen des kommenden Klimawandels, die alle hören, aber niemand ernst nimmt, gibt es für die VUCA-Welt keine kontroversen Expertenberichte. Unbestimmt und konfus wird der VUCA-Markt durch scheinbar widersprüchliche Nachrichten, wie der Fachkräftemangel,❸ die Jobschwemme im Mittelstand❹ und hohe Beschäftigungsraten. Die Entscheider der Wirtschaft- und Finanzwelt verneinen und verdrängen ja auch gar nicht diese neuen ökonomischen, technologischen und demografischen Fakten. Sie leben und arbeiten mit ihnen und kennen ihre Vor- und Nachteile. Der Nachteil ist die Unplanbarkeit der Zukunft, die Vorteile sind aber kurzfristig für sie mannigfaltig: Den Unternehmen verheißen die technologischen, ökonomischen und demografischen Fakten bessere und schnellere Renditen und ein vereinfachtes Personalmanagement. © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 257


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In der Freelance-Ökonomie fallen das alte Korsett der Arbeitsund Sozialgesetze. Die selbstorganisierte Arbeitszeit ist dabei nur ein Aspekt. Mit dem Workforce Marketing à la LinkedIn bekommen sie zudem ein dynamischeres CRM 2.0, ein Reputationsmanagement 2.0 und vor allem ein transparenteres Qualitätsmanagement 2.0. Sie müssen nur noch ihr Personalmanagement auf das proaktive Arbeitsmarketing 2.0 und das Big Data Recruiting trimmen. Für die Großunternehmen ist das Internet der Dinge eine reelle Wachstumschance. Sie führt direkt zur vierten industriellen Revolution, die aus Maschinen noch mehr Produktivität und Mehrwert holen kann. Hier sehen alle Industrieunternehmen den Ausweg aus dem chronischen Fachkräftemangel und den gravierenden Bildungsnotstand in Deutschland. Vielleicht wird deshalb auch immer weniger in Bildung und Ausbildung investiert. Die für Innovationen, Erfindung und Entwicklung benötigten MINT-Fachkräfte der Industrie 4.0 gibt es im globalen Überangebot. Die Großunternehmen werden sie erst einmal in den weltweit verstreuten Fab_Labs für Startups und Talentpools austesten. Parallel dazu stehen auch schon alle anderen Strukturen bereit: ▪ Die Subunternehmerschaft liefert die preisgünstigen Zeitarbeiter für die materielle Ausführung der Projekte, zeitgerecht und an die entlegendsten Orte der Welt. ▪ Im unteren Segment der Dienstleistungen, wo Knochenarbeit nicht durch viele kleine R2-D2 ersetzbar ist,

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können zeitnah Millionen Arbeitskräfte durch die ganze Welt befördert werden, von einer Grossbaustelle zu anderen, von Werkhalle zu Werkhalle, von einem Ernteeinsatz zum nächsten. ▪ Im mittleren Segment, wo die Wissensarbeiter mit Zeichen ihr Wissen vermitteln, beherrscht schon die Maklerkaste der Online-Jobbörsen die Vermarktung der Arbeit 2.0 und wird die Erzeugerpreise drücken. Vielleicht wird bald auch Groupon Arbeitsmarketing 2.0 Wissensarbeiter im Daily Deal vermarkten. Abnehmer dafür gibt es sicher genug. Jobanzeigen auf ebay sind schon alltäglich. ▪ Im oberen Segment jedoch gilt es im Frühstadium die Erfinder, die Kreativen herauszufiltern, solange sie noch hungrig produktiv und preisgünstig sind. Die Großkonzerne sind auch Sponsoren der Gründermessen, Startup-Events und Fab_Labs in eigener Sache und schicken ihre talent scouts und headhunter rund um den Globus. Da für die meisten kleinen Unternehmen nicht nur die Begriffe, sondern auch der Einsatz von Big Data-Recruiting, proaktivem Arbeitsmarketing 2.0 oder Workforce Marketing neu sind, werden ihnen die Social Media für Business sicher noch dauerhaften und zahlungspflichtigen Support vermarkten können. Sie müssen einerseits auf dem letzten Stand der Technologien und Innovationen sein und wissen, was sich in ihrem Segment auf dem globalen Markt entwickelt. Andererseits unterliegen auch sie dem Druck der Kurzfristigkeit. Die Kurzlebigkeit der Kleinunternehmer und das Prekariat vieler © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 259


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Unternehmer❹ ist für die breite Öffentlichkeit wie für die Verantwortlichen der Politik und der Wirtschaft ebenso belanglos wie die Zukunft der Millionen Selbstständigen, Freelancer, Freiberufler mit Honorarverträgen. Sie sind nur noch Millionen winziger Einzelteilchen, die lautlos und unsichtbar im grenzenlosen Raum herumschwirren und eines Tages verschwinden. Staub der Gestirne in der Freelance-Ökonomie mit kurzer Überlebensdauer. Wen kümmert es schon! Der Paradigmenwechsel vollzieht sich ja klammheimlich, zwar nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit, doch mit grosser Apathie und Gleichgültigkeit. ❶ Die Wahrheit hinter dem deutschen Jobwunder. Die Welt. 7.1.2014 ❷ Al Gore. An Inconvenient Truth. 2006. Hier in pdf. ❸ SAP-Chef: Deutschland muss mehr Fachkräfte ausbilden. Industrie 4.0. Heise Newsticker. Meldungen. 29.04.2013. ❹ Im Mittelstand bleiben viele Stellen unbesetzt. Jobware. ❺ Hunderttausende Chefs verdienen nicht einmal Mindestlohn. Die Welt. 05.01.2014.

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Abschnitt 3

Das Prinzip Ungewissheit Störsender am Arbeitsmarkt Wer weiß heute, welche Jobs in einem Jahrzehnt aus den neuen Technologien und Bedürfnissen entstehen werden? Die OECD Studie Future Work Skills 2020 zeigt anhand der gegenwärtigen Daten, wohin sich der Arbeitsmarkt 2020 entwickeln wird. Die Studie konzentriert sich aber ausschließlich auf die Beschäftigungsfähigkeiten (employability) der Erwerbstätigen in nächster Zukunft. Die gehen mit wenigen Ausnahmen wie im Gesundheitswesen, wo der Ärzteberuf immer noch ganz oben rangiert, in eine ganz andere Richtung als die aktuellen Wunschberufe und Wunschunternehmen in Deutschland. Um diese künftige Beschäftigungsfähigkeit geht es auch in der Oxford-Studie „Die Zukunft der Beschäftigungsfähigkeit“, 2013. Sie gilt als Geheimtipp in den Chefetagen, wird aber von den Medien und Politikern weiter ignoriert. Das Institute for the Future in Palo Alto veröffentlichte ebenfalls klare Prognosen. „The Re-Working of Work“, 2013 und zeigt, welche Kompetenzen morgen dringend notwendig sind, damit der Einzelne in der Beschleunigung des VUCA-Arbeitsmarktes

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nicht ewig auf der Verliererseite bleibt. Die tiefe Kluft zwischen diesen beiden Prognosen und den aktuellen Berufsbildern der Zukunft, die aus ganz unterschiedlichen Richtungen kommen, wäre schon eine öffentliche Debatte wert. Während ganz oben auf der Wunschliste der Arbeitgeber immer noch BMW, VW, Daimler und Siemens stehen, warnen die jüngsten MIT-und Oxford-Studien anhand der Daten auf den globalen Bildschirmen davor, in diesen Berufen den schier aussichtslosen Wettlauf mit den intelligenteren Maschinen aufzunehmen. Die Unternehmen gehen dabei als eindeutige Gewinner hervor, wenn sie den Wettlauf mit ihren Konkurrenten im Internet der Dinge gewinnen. Darum wird gerade in diesen Bereichen intensiv investiert.❶ Ihre Mitarbeiter jedoch sind die vorprogrammierten Bauernopfer. Den Erwerbstätigen, so die MIT-Studie, bleibe jedoch noch die Zeit, sich schleunigst die Fertigkeiten anzueignen, die jenseits der intelligenteren Maschinen liegen. Alle Studien stehen frei im Netz und hier in pdf. Jetzt komme wieder die Zeit des homo faber, das meint auch der amerikanische Ökonomist Richard B. Freeman, die Renaissance des tätigen Menschen, der in Cloud Computing, Internet der Dinge, Big Data, Nanotechnologien, erneuerbare Energien, Frugal Innovation, Gentechnologien neue Produkte und Dienstleistungen erfindet und sie dann im crowd working umsetze. Alle digitalen Technologien des 21. Jahrhunderts seien insgesamt auch die List der Vernunft, die dem Kopf erlaube, das Kapital zu überwinden. In der rapiden Atomisierung der

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Gemeinschaften und Gesellschaften müsse der Einzelne schnell aus der Vereinzelung herauskommen. Als freie Radikale jedoch haben die Millionen individueller Freelancer, Mikrounternehmer und Freiberufler keine Überlebenschance: Schwarmintelligenz und Crowd working statt Segmentierung der Prozesse wäre die kollaborative Kreativiät, die den Einzelnen aus seiner Verkapselung wieder heraushole und creative commons schaffen könnte. Wo die Chancen und Risiken dieser crowd work sind, ist Gegenstand einer Stanford-Studie aus dem Jahr 2013, die die möglichen Arbeitsmodelle der Webökonomie untersucht. Dazu gehört auch die erneuerbare Entrepreneurship, und zwar das Konzept eines Serial Entrepreneurs in crowd working Projekten. Das passt so gar nicht in die Wunschliste der Traumberufe und Traumkarrieren vieler Millenials. Gerade für die neuen innovativen Arbeitsmodelle müssten viele Gesetze und Bestimmungen umgeschrieben werden. Sie sind weder der Webökonomie noch der VUCA-Welt angepasst und werden zu Fallstricken und bürokratischen Hürden, wenn es um crowdsourcing, crowdfunding und crowdworking geht. Je niedriger und informeller die Hürden für Entrepreneurs, desto besser sei das für die Zukunft der Jobs. Jeder ist sein eigener Job Creator, denn die Jobs der Zukunft kommen weder von den Großunternehmen noch vom Staat. Sie kommen von den Betroffenen selbst. Das Zeitalter der Festangestellten, ob sie Blaumann oder Anzug tragen, sei endgültig vorbei❷. Sie waren zudem weder innovativ noch kreativ, sondern nur Vollstrecker von Anordnungen und Prozessen. Der Arbeitsmarkt © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 263


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des 21. Jahrhunderts brauche aber diese Arbeitskräfte nach Plan nicht mehr, so Richard B. Freeman. Diese harten Fakten würde man in den ehemaligen Sozialen Marktwirtschaften Europas als politisch unkorrekt abmahnen. Die Ablösung der alten Arbeitsmodelle durch neue Arbeitsraster steht zwischen den Schlagzeilen über die neue Jobschwemme wie z.B. in den USA. Niemand fragt nach dem Status dieser Jobs, nach der Entlohnung und den gesellschaftlichen Folgen. Dass die überwiegende Zahl Freelance- Jobs sind, wird von den hiesigen Medien einfach nicht wahrgenommen. Wozu auch! Den Begriff und die ökonomischen Hintergründe begreift die breite Öffentlichkeit ja doch nicht, und das ist auch gut so. Solange die traditionellen Unternehmen noch Gewinne machen, werden sie auch weiter die traditionellen Berufsbilder fördern, die ihnen ja noch diese Gewinne ermöglichen. ❶ Wie das Internet der Dinge alles verändert. Harvard Business Manager. Januar/Februar 2014. ❷ „White-collar workers to become 'new poor’ as computers take over“. Matthew Holchouse. Daily Telegraph, November.13, 2013.

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Abschnitt 4

Crowd Work Zwischen Freiheit und Ungewissheit Der Mensch als Firma muss sich die Arbeit selbst beschaffen und deren Wert ständig neu bestimmen. Das ist die geniale Business-Lösung des Neo-Liberalismus, die die Unternehmen wettbewerbsfähig und rentabel macht, sofern sie sich im richtigen Marktsegment aufgestellt haben. Der Mensch als Mikrounternehmen ist aber simultan auf Dauerakquise, er arbeitet am eigenen Qualitätsmanagement und bringt seinen individuellen Forschungsund Entwicklungsprozess auf Vordermann. Es bleibt ihm noch die Freiheit, dieses Räderwerk zu verweigern und sich doch lieber von verschiedenen Online-Jobbörsen vermarkten zu lassen. Das ist zwar bequemer, aber er akzeptiert dann auch den Wertverfall seiner Arbeit und damit die prekären Verhältnisse. Die Freelance-Ökonomie wurde von langer Hand geplant und die digitale Revolution machte sie technologisch global möglich. Der Mensch als Firma ist das Arbeitsmodell 21. Es ist die Freiheit in der Ungewissheit und dieses Modell ist vorläufig alternativlos.

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Eventuelle Aussteiger 21 haben nicht mehr den Sozialstaat hinter sich, denn das europäische Sozialmodell wird weiter abgebaut. Sie können auch nicht mehr auswandern, wie ihre Vorfahren oder sich auf einen Ökohof in Brandenburg zurückziehen, denn auch da haben inzwischen entweder Vattenfall oder die internationalen Investmentholdings für Landgrabbing ihre Claims mit Billigung der Politiker abgesteckt. In der VUCA-Ökonomie wird vor allem der Wert der Arbeit flüchtig, ungewiss und ambivalent und damit alle Strukturen, die dem homo laborans einen Wert geben. Darüberhinaus sinkt bei wachsendem Angebot an Humanressourcen weltweit der Wert der Arbeit und steigert dabei den Wert und die Macht des Kapitals. Der Dominoeffekt der digitalen Revolution erzeugt zudem immer neue Lösungen, Produkte, Technologien, die die Arbeitsbereiche des Menschen reduzieren. Was sind also die Arbeitsbeschaffungs-Lösungen 2.0 auf dem globalen Schattenmarkt der prekären Arbeit? ▪ Selbstmarketing 2.0 in den Sozialen Netzwerken für Business wie LinkedIn, XING, Viadeo oder in den vielen anderen branchenspezifischen analogen und digital Netzwerken ist zeitaufwendig und läuft oft ins Leere, wenn der Freiberufler nicht hochspezialisiert mit aktuellen IT-Kompetenzen, englischsprachig, männlich und unter 40 ist, oder aber bereits sein eigenes Netzwerk in seinem Adressbüchlein parat hat. ▪ Profilausschreibung und Projektbewerbung bei odesk oder Freelancer.com, stepstone, experteer, elance usw.

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enthalten die Anpassung der Honorare auf das globale Niveau: Indische, chinesische oder bulgarische Big Data-Analysten, Webdeveloper, Webdesigner oder Software-Entwickler z.B. arbeiten für $10/Tag, statt $15/Stunde. ▪ Die Crowdsourcing oder Crowdworking-Plattformen wie sie amazon als early adaptor der MSP schon 2005 entwickelte, segmentieren die Arbeit noch weiter: Die Arbeitsprozesse werden dabei in kleinste Einheiten zerlegt und an viele crowd workers weltweit verteilt. Ein Geisterheer und eine digitale Maschine arbeiten an einem Projekt, wissen nichts voneinander und haben auch keine klare Vorstellung von dem Projekt als komplette Einheit. Sie kennen vielleicht ihren direkten Auftraggeber, der aber auch nur ein Verteiler ist. Der „Nebenjob als Crowd Guru“, den das Berliner Startup Unternehmen als Chance vermarktet, ist lediglich eine Rückkehr zum Arbeitsmodell der Heimarbeit, der Zweit- oder Drittjobs, die lebensnotwendig werden. Nicht alle Nachrichten über die Arbeitsvermarktung über digitale Plattformen sind so zwielichtig wie die vom „Mechanical Turk“❶ aus dem Hause amazon. Letztere zeigen nur, dass sich das Business 2.0 und die dafür benötigte Arbeit in der VUCA-Welt von der schönen neuen Welt der Socialnomics oder Wikinomics immer weiter entfernt.❷ Crowdsourcing in der Arbeitswelt bleibt den Online-Plattformbesitzern vorbehalten. Sie besitzen die Maschinen und das Kapital und somit die immateriellen Produktionsmittel der Webökonomie. Die globale Entgrenzung, © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 267


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die digitalen Technologien und das Überangebot an Wissensarbeitern geben ihnen die gleiche Macht, wie die Fabrikbesitzer des 19. Jahrhunderts. Nur eine kleine Minderheit der Wissensarbeiter 21 ist kurzfristig so begehrt, dass sie die Konditionen bestimmen kann. Die crowd✍ war zudem in der Neuorganisierung der Arbeit bislang weder weise noch proaktiv, auch wenn James Surowiecki hoffte, dass die neuen digitalen Kommunikationstechnologien der crowd die Mittel geben würden, um sich smart und schnell zu organisieren, teils aus Einsicht, teils aus Überlebensinstinkt. Delphine und Bienen schaffen es seit jeher. Aber Menschen sind Stachelschweine, meinte Arthur Schopenhauer in seiner Parabel aus dem Jahre1851.❸ Ihr grösstes Problem sei, ihre objektiven Bedürfnisse und subjektiven Neigungen auf einen Nenner zu bringen und darum sei es ihnen fast unmöglich, sich intelligent zu organisieren. Im gleichen Jahr begann, Karl Marx die Vorherrschaft des Kapitals zu analysieren und von der Zukunft sozialisierten Arbeitswelt zu träumen. Es brauchte fast hundert Jahre, bis sich die Arbeitenden mehr schlecht als recht organisierte und meist nur lokal und mit kurzfristigen und kurzsichtigen Zielen. Das Kapital schlägt zurück und der Kopf siegt nicht immer, auch nicht in der crowd. Crowdworking, so wie es gegenwärtig auch in Deutschland von vielen Online-Plattformen umgesetzt wird, ist einfach monetarisiertes Crowd-sourcing, das Millionen Crowdworker in den globalen Wettbewerb bringt und somit die konsequente und knallharte Vermarktung der letzten erneurbaren Ressource: Die

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Arbeit. ❶ How Crowdworkers became the Ghosts in the Digital Machine. Moshe Z. Marvit. The Nation. February 4, 2014. ❷ Crowdwork. Vom Entstehen der digitalen Arbeiterklasse. Eine Sendung von Sebastian Strube. Bayrischer Rundfunk. 14.03.2014. BR ✍ crowd = klingt lockerer und ist auch nicht so negativ belastet wie Masse. Zudem hat es sich auch in crowd sourcing, crowd funding behauptet.

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Abschnitt 5

Kreative Mikroökonomie Durch Spargelbeete laufen✍ „Wie könnte der Arbeitsplatz der Zukunft aussehen, den wir unseren Kindern wünschen würden?“ so beginnt die jüngste Standford-Studie „The Future of Crowd Work“❶ 2013 ihre Arbeiten zum Thema „Crowdworking“. „Wie entsteht diese neue Milchstraße, auf der sich Millionen Menschen in Millionen Projekten zusammenfinden, ohne dass sich wieder nur eine kleine Minderheit an der Arbeit der Masse bereichert, weil sie über die Produktionsmittel verfügt und sie kontrollieren kann?“ Es geht hier nicht mehr um das freiwillige und ehrenamtliche Crowdsourcing, das schnell eine Vielzahl von Menschen um ein Projekt, meist kurzfristig, zusammenbringt wie Wikipedia, ehow, die vielen lokalen Bürgerinitiativen oder gar das Crowdfunding, bei dem viele gemeinsam ein Projekt finanzieren und ermöglichen. Hier geht es um lokale oder dezentrale Netzwerke, die gemeinsam an Projekten arbeiten und dabei auch Geld verdienen. „Kreative Mikroökonomie mit glokalem Impakt“, so lautet der Zaubertrank der gallischen Dörfer auf dem entgrenzten Arbeitsmarkt und ist die Förderung einer Parallelwirtschaft auf

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lokaler Ebene.

TxtEagle (heute Jana) war eine der wenigen innovativen globalen Crowdworking Plattformen, ehrgeizig, aber kurzfristig, denn alle Crowdsourcing und Crowdworking Projekte kommen nicht an den finanziellen Tatsachen vorbei: Multiple Side Plattformen sind extrem kostenintensiv. Sie kommen auch nicht an den allzu menschlichen Realitäten vorbei: Jeder ist sich selbst der Nächste. Bei zunehmendem Druck von außen zieht sich der Mensch immer mehr auf seine eigene Enge zurück. Dieses Beispiel zeigt wie viele andere Crowdworking-Plattformen, die in den letzten Jahren entstanden sind, dass dafür zuerst neue Business Modelle und vor allem neue Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen. Darum sind gerade die innovastiven Crowdsourcing-Plattformen schnell wieder verschwunden, denn Crowd work ist eigentlich bezahlte Mitarbeit an komplexen Projekten, für die verschiedenste Kompetenzen zusammengebracht werden. Anders als der „Mechanical Turk“ AMT oder der crowdgurus könnten Selbstunternehmer oder Freelancer an einem crowd work Projekt ihre individuellen Kompetenzen in ein lokales Projekt mit globalen Ressourcen einbringen❷ oder eine überzeugende eigene Idee haben, die andere zum Mitmachen und Unterstützen motiviert, indem sie es gemeinsam finanzieren. Crowd work (hier sogar als MOOC bei Udemy) wäre eine schöne Alternative zum sehr erfolgreichen Geschäftsmodell „Arbeitsvermarktung, Jobmakler oder Heimarbeit“, muss es

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aber sofort mit den harten Fakten aufnehmen:❸ ▪ Damit diese Mikroeinheiten nicht in sich selbst verkümmern und sich im globalen Ideentransfer nicht gegenseitig vernichten, sondern bereichern, müssen sie sich untereinander schnell vernetzen, ihr Wissen teilen und erweitern. ▪ Dazu wäre auch eine neue Arbeitsethik gefragt.❹ ▪ Damit sie nicht sofort wieder als Zulieferer unter dem Druck der Grosskonzerne arbeiten, sind Kollaboration und Selbstorganisation notwendig. ▪ Dazu bräuchten sie alle Kompetenzen 2.1 ▪ Wie entsteht die „Augenhöhe“ zwischen den unzähligen kleinen und vereinzelten Produktionseinheiten, der Zwischenebene der Makler, Mittler und Agenten und dem weltweitem Überangebot an freien Arbeitern?❺ Crowd Work ist Arbeit in Mikrostrukturen und geht außerdem mit einer „Zero Marginal Cost Society” einher, wie sie Jeremy Rifkin❻ in seinem jüngsten Werk vorstellt. Diese „Null Marginalkosten Gesellschaft“ ist zwar der Abschied von der Produktivitätsspirale und dem stetig steigenden Wohlstand für alle, es ist aber auch die Realität des Arbeitsmarkts 21. Die andere Gefahr kommt ausgerechnet von den alten Instanzen der Bürokratie, die schauten der Zerlegung des Arbeitsmarktes und der Entwicklung der Freelance-Ökonomie tatenlos zuschauten, aber dauerhafte und greifbare crowdworking,

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crowdsourcing oder gar crowdfunding Projekte auf lokaler Ebene sofort durch überholte Gesetze und veraltete Regeln kontrollieren wollen. Nicht nur in den USA, sondern auch in Europa. Die alten Strukturen stehen den neuen Wirtschaftsmodellen verständnislos gegenüber. Wenn sie sich jedoch im realen Leben begegnen, bekämpft das Alte das Neue und versucht es als Fremdkörper auszuscheiden. Die Vermarktung der Arbeit dagegen bewegt sich weiter im entgrenzten virtuellen Raum und und der wurde ja vom Gesetzgeber entgrenzt.❼. Die Sozialen Plattformen für Business, die Online-Jobbörsen und die grenzübergreifenden Zeitagenturen ziehen vorbei an den Institutionen und sind nicht unbedingt die potentiellen Partner im crowd working. Aber auch hier haben sich schon längst spezifische Online-Plattformen auf die steigende Nachfrage am Crowdworker- Markt eingerichtet.❽ Ihre Aussage ist jedoch ebenso unklar, komplex und ambivalent wie die der grossen „Business orientierten“ Sozialen Netzwerke. So besteht die Online-Plattform ourcrowdwork.com auf einer professionellen Präsenz in den grossen Sozialen Netzwerken wie Twitter, LinkedIn, G+, Facebook, denn die wird Bestandteil des Social Media Recruitings, des Workforce Marketings und des Personal Brandings: „98% of employers will look at your social media profiles before they invite you to interview. We invite you to use your social media profiles to demonstrate your competencies and

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passions.” Wenn die dann alle schon bei der Anmeldung im Backend der Online-Plattform ourcrowdwork.com verlinkt werden, haben die Algorithmen im Maschinenraum wieder etwas zu tun. Man sollte schon genauer hinschauen, um schnell herauszufinden, in welchem Zug und in welchem Abteil des Arbeitsmarketings 2.0 man sich gerade befindet. Was nach kollaborativem und innovativem Crowdworking aussieht, ist bislang nur eine Rückkehr zur schlecht bezahlten Heimarbeit und Heimarbeiter bleiben wehrlose Opfer. Das haben sie übrigens mit den Freelancern, Mikrounternehmen, dem Mensch als Firma und den Millionen Honorararbeitern gemein. Die atomisierte Arbeitswelt, Mikrostrukturen statt Makrounternehmen, fragmentierte Supply Chains und die segmentierte Arbeit als crowd guru oder Human Intelligence Taskforce im Self Office-Home Office verblistern die Millionen freigesetzten Elementarpartikel in kleinen Zeiteinheiten und engen Räumen. Die kreative Mikroökonomie, die Millionen neue Arbeitsplätze schaffen könnte, glaubt man den Prognosen des Club of Rome und Jeremy Rifkin, generiert aber kein schöpferisches Gemeingut, sondern nur noch Kapitalmassen für die Besitzer der neuen Produktionsmittel. Die Sozialen Netzwerke für Business wie LinkedIn und XING und die Online-Jobbörsen wie elance und freelance.com oder gar Amazon beweisen das jedes Quartal erneut, wenn sie ihre Zuwachsraten veröffentlichen.

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✍ Spargelbeete“ hiessen die unzähligen Pflöcke im Todesstreifen der Berliner Mauer, durch die die Republikflüchtigen laufen mussten, wenn sie auf die andere Seite wollten. ❶ The Future of Crowd Work. Stanford University. 2013, pdf.

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Abschnitt 6

Shareconomy Geteilter Wert ist doppelter Wert? Crowd und Share gehören inzwischen zum Vokabular der digitalen Ökonomie, die erst die unbegrenzte Vernetzung der Menschen, deren Wissen und deren Potentiale möglich machte. Durch das Teilen und Verteilen des kollektiven Vermögens, ob es immateriell wie das Wissen oder materiell wie bei airbnb oder carsharing ist, kann Mehrwert entstehen, menschlich und materiell. Oft entsteht der Gewinn aber einfach nur dadurch, dass man durch Teilen weniger ausgibt, weniger verschwendet und vielleicht noch immaterielle Werte wie Solidarität, Wissenstransfer, menschliche Nähe bekommt. Gerade die werden seltener und somit kostbarer. Für den unermüdlichen Wanderprediger der Wikinomics❶, Don Tapscott, sind die digitalen Technologien und das Internet die Wegbereiter einer offenen Welt. Freiwillige Zusammenarbeit, Offenheit, die Kultur des Teilens und globales Handeln, kurz die Zusammenarbeit der Masse, könnte alles verändern, so lautet die frohe Botschaft, die bei TED Events immer auf offene Ohren bei den Generationen XYZ stößt. Wer könnte ihm in Zeiten der Ressourcenknappheit, schwindender Kaufkraft der Masse widersprechen! In „Socialnomics“❷ beschreibt Erik Qualman die Sozialen © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 276


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Medien als globale Drehscheiben, auf denen sich Business und Kommunikation ganz neu orten und ordnen. Die Sozialen Medien fordern und fördern Transparenz, Vertrauen und Interaktion und könnten somit zu einer Gegenmacht werden, sofern die Nutzer diese immaterielle Macht der Masse wirklich ernst nehmen. In seinem Bestseller „The Wisdom of Crowds“ skizzierte James Surowiecki eine Wissensgesellschaft, die ihre ständige Renaissance aus dem gemeinsamen Wissen erzeugt: Wikis, kollaboratives Arbeiten, immaterielles Crowdsourcing wie How Stuff Works oder Wikihow werden zu professionellen Ratgebern nach dem Prinzip: „Frage die Menge. Irgendwer weiß sicher Rat.“ So wird dem Einzelnen geholfen und nützliches Wissen allen zugänglich gemacht und der vernetzte Einsiedler wird dabei zu einem Verteiler, sofern er den Sinn und Wert des Teilens und Verteilen begreift und weitergeben will. Nun aber machen die Sozialen Netzwerke aus der neoliberalen Wirtschaftsordnung weder einen YMCA-Club noch nutzerfreundliche Neuauflagen des oft zitierten community spirit. Alle gemeinnützigen Online-Plattformen des kollektiven Wissenstransfers werden in der Realität nur von einer Minderheit aktiver Teiler und Verteiler unterhalten, auch wenn Millionen Menschen gern von ihrer Arbeit profitieren, als wäre es selbstverständlich. Wikipedia, Wikihow, eHow sind hierfür die besten Beispiele und schwächeln an diesem meist uneigennützigen Crowdsourcing und Crowdworking, das nur von einer geringen Anzahl von Altruisten und Idealisten betrieben wird. Sie teilen ihre Zeit und

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ihr Wissen mit der crowd und sind die Missionare der Wissensgesellschaft 21, können aber davon nicht leben. Wikipedia hat Mühe, sich durch Crowdfunding über Wasser zu halten. Wer will denn schon Geld für Wissen und Bildung ausgeben, solange man es doch umsonst bekommen kann? Man ist doch nicht blöd! Materielles Crowdsourcing und Crowdfunding sind angewandte Wikinomics und versuchen aus der Kultur des Teilens ❸und der kollaborativen Dynamik eine neue Mikroökonomie zu schaffen. Nach jahrhundertelangem Individualismus und dem allzumenschlichen Bedürfnis, sich immer zuerst und reichlich zu bedienen, ist dieser Wechsel noch lange nicht vollbracht. Doch die neuen Plattformen der Shareconomy ❹ bieten die mikro-öko- nomischen Lösungen makroökonomischer Probleme: Die Kaufkraft sinkt, 80% der arbeitenden Menschen in allen Industrieländern sind von dem stetigen Einkommensverlust betroffen, das Bargeld wird knapper und die Kundschaft der Vintage und Second Hand Läden immer zahlreicher. Teilen soll ökonomisch interessant und lukrativ werden. Nicht nur für die Plattformbetreiber (airbnb, Uber, Taskrabbit), sondern vor allem für jeden Einzelnen, der seinen Besitz teilt. Das Auto, die Wohnung, den Rasenmäher, seine Zeit oder sein Know-how. Das Teilen der eigenen Werte mit anderen ist doppelt mehrwertig: Der eine verdient etwas dazu, der andere gibt weniger aus. „The Marginal Low Cost Society“ wird für die 20:80 Gesellschaft auch auf diesem Weg zur ökonomischen Notwendigkeit. Denn

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alternative (legale!) Einkommensquellen zur Arbeit gibt es in Zukunft nicht mehr und die Ressourcen werden immer knapper. Das Konzept eines neuen kollaborativen Konsums dringt langsamer in den Alltag der Sozialen Netzwerke vor als Facebook, Twitter oder Google, weil es aus der virtuellen Welt hinaus in die Wirklichkeit geht und von dem Einzelnen etwas verlangt, wozu er eigentlich nicht spontan bereit ist, wenn da nicht der finanzielle Anreiz und die ökonomische Notwendigkeit wären. Die Vertreter der Sharing Economy versuchen schon seit 2004 nachhaltige und ökonomische Modelle in den Umlauf zu bringen. Global arbeitende Online-Plattformen entstanden jedoch erst nach der globalen Finanzkrise 2008 und mit der schnell wachsenden Freelance-Ökonomie. Freelancer werden notgedrungen zu den frühzeitigen Anwendern der shareconomy. airbnb, Uber, car2share, TaskRabbit bieten sich ihnen nicht nur als Business Lösungen, sondern auch als Netzwerke an. Die Online-Plattform Taskrabbit ist zwar keine Jobbörse für Wissensarbeiter, zeigt aber, dass peer2peer-Transaktionen nicht nur digital, sondern auch analog möglich sind, wenn dafür die beiden Grundbedingungen da sind: Vertrauen und Effizienz. Beide Seiten haben einen sofortigen Gewinn. Die Shareconomy versteht sich nicht als Alternative zur Konsumgesellschaft und den VUCA-Märkten. Durch sie sollen jedoch wieder dynamische Knotenpunkte geschaffen werden. Bei Erfolg werden sie zu aktiven Teilnehmern im Crowdsourcing oder Crowdfunding und Crowdworking. 2012 rückte die CeBIT die "Shareconomy" in den Mittelpunkt der neuen

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Geschäftsmodelle. Es ist eine Umerziehung der Masse und des Einzelnen Die Idee des Teilens fand bei den europäischen Startups❺ schnell sehr kreative und umtriebige Weiterentwickler❻, aber sie beschränken sich vorläufig noch auf die vier Bereiche: Mobilität, Finance & Funds, Carsharing. Tauschbörsen. Hier entstehen zwar auch nicht massenweise die Jobs der Zukunft, aber schon Ansätze für ein Umdenken an der Peripherie des flexiblen Kapitals❼. In Italien und Frankreich, wo die ökonomische Notwendigkeit und die kollektive Bereitschaft schon weiter sind, entstanden allein im letzten Jahr über 200 shareconomy Plattformen. Italien hat nicht nur die höchste Zahl der airbnb-Anbieter in Europa, sondern auch die kreativsten Plattformen des kollaborativen Konsums.❽ Auch in Spanien und Frankreich findet dieser kollaborative Konsum immer mehr Interesse, vor allem bei den Generationen X, Y, Z und den Babyboomern. Sie verstehen die ökonomische Notwendigkeit und haben das ideologische Verständnis dafür: Geteilter Wert ist mehr wert. Der kurzfristige Konsumgenuss macht abhängig und schadet langfristig der eigenen ökonomischen Gesundheit. Anders denken beginnt hier. Ob die Minderheit der early adopters die Mehrheit der crowd überzeugen kann, liegt dann an ihrer viralen Effizienz. ❶ „Wikinomics. How Mass Collaboration Changes Everything.“ Don Tapscott & Anthony D. Williams. 2006. ❷ „Socialnomics“. Erik Qualman. 2009. Hier im pdf. ❸ Share or Die“. Voices of the Get Lost Generation in the Age of Crisis .June 19, 2012. By Malcolm Harris (Editor), Neal Gorenflo (Editor).

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❹ Shareconomy. Der Terror des Teilens. Harald Staun. FAZ. 22.12.2013. ❺ European Sharing Economy Coalition. The Rise of Sharing Economy. ❻ German Sharing Economy Startups You Should Know About_it. Infografik: https://www.friendsurance.de/blog/a/infografik-shareconomy-landschaft/ ❼ Joseph Stiglitz. We have to change Capitalism. The Telegraph. 1/1/2010. ❽ «What’s mine is Yours“. Rachel Botsman. 2013.

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KAPITEL 13 OPEN END

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Abschnitt 1

Von Fall zu Fall Wohin? «Wenn die Planbarkeit der Zukunft eine Utopie ist, so bleibt nur noch die Fähigkeit, die Gegenwart zu verstehen, um die Zukunft zu steuern», so Professor Alex Pentland in Human Dynamics.

Auch

den

deutschen

Unternehmenschefs

machen

die

VUCA-Märkte schwer zu schaffen: „Ich weiß nicht, wie die Zukunft aussieht. In einer Zeit der Extreme sind Vorhersagen unmöglich geworden,“ so BMW-Vorstandschef Norbert Reithofer.❶ Während jedoch Anleger, Manager und Unternehmer öffentlich eingestehen, dass auch sie nicht mehr wissen, wie und wohin sich die Wirtschaft entwickelt, erstellen die Wirtschaftsforscher eifrig weiter ihre Prognosen, als besäßen sie allein die mathematische Formel zur Berechnung der Zukunft. Dass ihre Vorhersagen in der Vergangenheit meist daneben lagen, macht sie weder demütig noch arbeitslos. Die deutschen Großunternehmen kennen jedoch die Turbulenzen auf den globalen VUCA-Märkten. Sie betreffen alle Zukunftsinvestitionen und verlangen viel Wachsamkeit und Intuition. Die brauchen auch Millionen Erwerbstätige. Sie werden öfter kurzarbeiten, mehrere Jobs gleichzeitig haben, wie es in

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vielen Ländern schon alltäglich geworden ist. Die klassische Festanstellung stirbt jedoch aus und damit die berufliche Sicherheit. Darum sollten gerade sie die Daten und Informationen der Gegenwart noch viel aufmerksamer lesen, um zu begreifen, warum die lernenden Maschinen ihnen in vielen Bereichen überlegen sind.❷ Diese intelligenteren Maschinen sind neben den VUCA-Märkten die nächste unkalkulierbare Herausforderung für die Hälfte der Erwerbstätigen weltweit. Wie werden sich die Vernetzungen zwischen Big Data, dem Internet der Dinge und der 4. Industriellen Revolution auf die Arbeitsbedingungen der 9 Milliarden Menschen in den nächsten Jahrzehnten auswirken? Die Trends für den globalen Arbeitsmarkt sind heute klar erkennbar. Darin unterscheidet er sich grundsätzlich vom Kapitalmarkt, wo das Zusammenspiel des HFT auf den weltweiten Börsen Outsidern den Durchblick erschwert. Das soll es ja auch. ❶ Generation Unsicherheit. Der Spiegel 31.12.2012. ❷ Better Than Humans. Why Robots Will And Must Take Our Jobs. WIRED 12/24/12. ⚑The Future of Employment. How susceptible are jobs to computerisation? Carl Benedikt Frey and Michael A.Osborne. September 17, 2013. pdf.

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Abschnitt 2

Proaktive Wissensarbeiter Husaren an der Wissensfront? Im Übergang von der Industriegesellschaft des 19. und 20. Jahrhunderts in die Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts haben die Unternehmen zwei Prioritäten: 1. Die Optimierung der Produktivität: Schneller, besser, billiger. Hier setzen sie immer mehr auf die 4. Industrielle Revolution, das IoT, die lernenden Maschinen, die nicht nur in der Produktion, sondern auch in den Dienstleistungen die Arbeit besser machen. 2. Die Erforschung und Entwicklung neuer Energieressourcen, die den 10 Milliarden Menschen das Überleben auf dem blauen Planeten ermöglichen. Dazu gehören sowohl die blue economy wie sie der Club of Rome empfiehlt als auch die „Zero Marginal Cost Society“, die für Jeremy Rifkin❶ der einzige Ausweg aus der selbstverschuldeten Sackgasse ist. Aus dem global vernetzten Wissen soll jetzt die Quintessenz der Zukunft gewonnen werden. Dafür braucht es aber vor allem innovative und kreative Wissensarbeiter, keine Schreibtischtäter, sondern Husaren an der Wissensfront. Peter Drucker erklärt in „The Age of Discontinuity“ (1969) © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 285


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ausführlich, warum künftig nur noch Wissensarbeiter mehrwertig seien. Das war noch in den besten Jahren der Dienstleistungsgesellschaft, die jahrzehntelang immer wieder neue Berufsbilder erfand. Doch die Dienstleistungsgesellschaft geht ihrem Ende zu und ist dabei noch kurzlebiger als die Industriegesellschaft. Das behauptet auch Gunter Dueck. “Wir müssen uns auf den Weg der Mehrwissensgesellschaft begeben” so Professor Dueck. Schließlich bieten das Internet und die fortschreitende Vernetzung eine immer höhere Transparenz, die so manches erfolgreiche Geschäft ins Wanken bringe. „Das Wissen, welches sich innerhalb von zwei Stunden über das Internet aneignen lässt, taugt kaum als Mehrwert für ein Geschäftsmodell!“ Es taugt noch viel weniger als Lebensversicherung für Menschen ohne nachhaltiges Eigenkapital! Wissen ist im Zeitalter der lernenden Maschinen nicht mehr Macht, sondern nur noch ein flüchtiger, komplexer, unsicherer und schwankender Marktwert. Die Wissensarbeiter, so wie sie Peter Drucker einst definierte, stehen also vor einem doppelten Problem: Wozu also noch Zeit, Geld und Energie in Wissen investieren, das am Ende zwar geistig bereichert, aber ins Prekariat treibt, sofern es nicht ständig angepasst, erneuert oder ausgewechselt wird? Kredite für ein Studium ohne langfristigen Mehrwert sind Fehlinvestitionen mit schweren Folgen. Zumindest Studenten aus ärmeren Familien sollten nicht mehr in diese Schuldenfalle aus der Welt von gestern tappen.❷ Ein Wissen, das sich über das Internet aneignen lässt, braucht

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auch keine institutionellen Vermittler mehr, die eh aus Inhalte möglichst viele Zeiteinheiten. Am Ende wird die investierte Zeit (Präsenzpflicht!) aufWas die massiven Open Online Kurse im Bildungssektor bewirken, erfahren viele Bildungsträger weltweit gerade in vivo. Welche Elemente der Gegenwart ermöglichen überhaupt noch, die eigene Zukunft selbst zu steuern? Die Mehrwissensgesellschaft erfordert eine ganz neue binäre Strategie. Die bisherigen langfristigen Ausbildungsraster (mit Ausnahme der MINT) sind grösstenteils nur noch begrenzt haltbar, selten erneuerbar und meist nur noch wertloser Ballast. Die sicherste individuelle Mischung wäre Elektriker mit einer Ausbildung als IT-System-Kaufmann, Koch mit Marketing Management im Rucksack, Trader mit Klempnerausbildung, Schneidermeister mit einer Kompetenz im 3D-Prototyping, Bauer mit einem Food Nanotechnologie Studium, Lehrer mit Big Data Skills. Denn all diese binären Berufsbilder gehören zu den 55 Jobs mit Zukunft. ❶ The Zero Marginal Cost Society. Jeremy Rifkin. Auch in WIWO. 29.8.2014. ❷ Is College Worth It? The Economist, April 5, 2014.

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Abschnitt 3

Die Wohlgesinnten am Werk Kollaboration und Kollaborateure Das Internet 4.0 ist die Chance der Ingenieure und Software-Entwickler. Sie können gemeinsam mit dem Potential der lernenden Maschinen die Produktivität und Prozesse weiter optimieren und Humanressourcen einsparen. Für deutsche Unternehmen, die schon heute an Fachkräftemangel leiden, ist das die Möglichkeit, weiter im globalen Geschäft mit hoch entwickelten Produkten zu bleiben. Die Entwicklung der lernenden Maschinen, das Internet der Dinge, wird darum von den Großunternehmen überall intensiv vorangetrieben. Für Bosch,Siemens oder Krauss-Maffei sind sie kein Neuland mehr. Diese Technologien, die damit verbundenen Arbeitsmethoden werden sehr schnell den Alltag und das Arbeitsleben noch tiefer verändern als die Internet-Revolution und alle vorigen Revolutionen zusammen.❶ Smarte Produkte werden in smarten Fabriken der 4. Industriellen Revolution hergestellt, die aber auch von smarten Mitarbeitern entwickelt werden müssen. Das sind in erster Linie die IT-Fachkräfte, die die dritten und vierten digitalen Revolutionsschübe entwickeln und begleiten: IT-System-Manager, Software und Solution-Developer, ProduktEntwickler, SaaS und SAP-Experten.

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Sie bilden die kleine feine Minderheit der Wohlgesinnten, die zusammen mit den Managern die Arbeit der anderen überflüssig machen. Beide sind die freiwilligen und gut dotierten Helfer des flexiblen Kapitals und schaffen neue Zukunftslösungen, die die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen stärken und ihnen eine komfortable Personalunabhängigkeit ermöglichen.❷ Das Kapital braucht diese guten Köpfe noch solange, wie sie durch ihr Wissen und ihre Kompetenzen zusätzliche Marktanteile, Profite und Zuwachsraten erbringen. Diese Entwickler der Industrie 4.0 werden aber auch zu den Teilchenbeschleuniger im Wettlauf gegen die Maschinen, bei dem Hälfte der Menschen als Arbeitskräfte ausgesondert werden. Am Ende mache sich der Mensch durch seine Erfindungen selbst überflüssig, meinte schon der Philosoph Gunter Anders vor einem halben Jahrhundert in seinem Werk „Die Antiquiertheit des Menschen“. Fakt ist aber auch, dass somit viele neue Jobs entstehen könnten, für die in Europa die erforderlichen Fachkräfte fehlen❸ Die Mehrheit der Erwerbstätigen orientiert sich nämlich immer noch an veralteten Berufsbildern, träumt von Geborgenheit am Arbeitsplatz. So entsteht eine fatale Schieflage: Jobs ohne Bewerber und Bewerber ohne die entsprechenden Kompetenzen. ❶ „Wie das Internet der Dinge alles verändert.“ hbr. July 2014. ❷ The Internet of Things. McKinsey, März 2010. ❸ Mit smarten Fabriken zur industriellen Revolution. Niederrhein Manager. 2014/1

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Abschnitt 4

Ausschussware en masse Wer sind die Ladenhüter auf dem Arbeitsmarkt der Wissensgesellschaft 21? Mit aller Wahrscheinlichkeit die Mehrheit der erwerbstätigen Frauen in den westlichen Industrieländern.❶ Sie sind nur noch begrenzt und selten als Mehrwert vermarktbar. Dass sie bei den früheren technologischen Revolutionen nicht dabei waren, lag an den verkrusteten Bildungs- und Gesellschaftssystemen des 18. und 19. Jahrhunderts, die die Frauen in die 3K-Sphäre oder Boudoir-Welt einordneten. Frauen in Ingenieurberufen galten schon damals als technisch unmöglich.❷ Die emanzipierten Frauen der westlichen Industrieländer haben jedoch insgesamt die Internet-Revolution des 20. Jahrhunderts verpasst. Sie sind zwar eifrige Nutzer der Sozialen Medien und des Internets. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass sie in der innovativen IT-Welt Randfiguren bleiben, meist ausgiebig konsumieren und nur ganz selten eigene Inhalte oder Lösungen produzieren. Schuld daran ist ihre falsch verstandene Emanzipation auf dem Arbeitsmarkt. Frauen begrenzten sich selbst gern. Entweder © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 290


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wählen sie lieber weiblich geprägte Berufsbilder mit geringem Wissensaufwand oder sie motivieren sich selbst zum beruflichen Ausstieg im Namen des harmonischen Familienlebens. Ein Viertel der ca. 400.000 Ärzte in Deutschland üben nicht ihren Beruf aus, 80% davon sind Frauen. Auch die Umsteigerquote der MaschinenbauingenieurInnen in Beraterund Bürotätigkeiten gäbe Stoff für soziologische Studien. Diese selbstbestimmte Begrenztheit oder/und das Unverständnis der technologischen und wissenschaftlichen Revolutionen erklärt, dass trotz unzähliger MINT-Förderprogramme seit drei Jahrzehnten der Frauenanteil insgesamt für alle MINT-Berufe (einschließlich der Laborassistentinnen) bei 13% stagniert. Für eine Volkswirtschaft, der es gerade in diesen Bereichen an Nachwuchs mangelt, ist das ein Debakel, für die Frauenemanzipation ein Armutszeugnis und für den männlichen MINT-Nachwuchs ein klarer Wettbewerbsvorteil. Wären die jungen Frauen vor zwei Jahrzehnten ebenso wissbegierig auf den Internet-Zug aufgesprungen wie die männlichen Altersgenossen, gäbe es heute keinen Fachkräftemangel in den MINT-Berufen. Auch Ausnahmen ändern nichts an den Zahlen. Denn welche Berufe stehen 2013 unverändert ganz oben auf der Wunschliste der Frauen?

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Ein kurzer Blick erspart die Polemik: ❸

Die Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts steht ganz unter dem Zeichen der MINT-Welt und bleibt somit in fester Männerhand, auch wenn über die Hälfte der Studierenden in Deutschland Frauen sind. Dass die meisten davon in den falschen Zug einsteigen, stört weder die verantwortlichen Bildungsträger, noch die Betroffenen selbst.❹ Diese „zweite Wahl“ der Frauen aller Altersklassen wird in den nächsten Jahrzehnten zu ihrer strukturellen und chronischen Prekarisierung auf dem glokalen Arbeitsmarkt führen: Auch der Anteil der überqualifizierten Frauen im Handel und im Dienstleistungsbereich ist heute schon kontraproduktiv: ▪ 95% der Frauen werden sich weiter in schlecht bezahlten Frauenberufen verkaufen, ▪ atypische Jobs machen,

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▪ Teilzeit arbeiten (meist unfreiwillig), und sich damit am Ende abfinden. Es gibt ja im Leben noch wichtigere Dinge als den Job, heist es und so werden am Ende aus Germanistinnen Kommunikations- oder Betriebswirtinnen Mechanical Turks in Heimarbeit. Die künftige Altersarmut der berufstätigen Frauen ist jedoch weitgehend selbstbestimmt, und nicht mehr gesellschaftsbedingt. Theoretisch und praktisch haben sie ja in den westlichen Industrieländern noch die freie Wahl und Entscheidung❸ und irgend jemand profitiert am Ende immer von dieser freiwilligen Selbstbegrenzung. Was ware jedoch die frauenspezifische Variante zu Klempner oder Elektriker? ❶ In den Entwicklungs- und Schwellenländern bleibt den meisten Frauen der Zugang zur Wissensgesellschaft immer noch versperrt, auch wenn die offiziellen Zahlen die Tatsachen verschönern. ❷ Frauen in Ingenieurberufen. Technisch unmöglich. SPIEGEL ONLINE, 08.08.2013. ❸ Traumberufe Mädchen. und etwas ausführlichere Informationen vom BMFSFS, 2005: „Mädchen und Jungen in Deutschland.“ ❹ Die 10 beliebtesten Studiengänge. Studieren im Netz. org.

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Abschnitt 5

Geisterfahrer auf dem Superhighway 2.1 „Societies in decline have no use for visionaries“ Anaïs Nin.

Lernen und arbeiten jenseits der MINT Bemisst man den Wert eines Menschen nach der Vermarktbarkeit seines Wissens und seiner Fertigkeiten, so sind auf dem Superhighway der Wissensgesellschaft 21 noch viele andere Geisterfahrer unterwegs: Menschen, die sich in Bereichen jenseits der MINT fortbewegen, wie zum Beispiel in den unzähligen Human- und Geisteswissenschaften und sieben Künsten an den Universitäten Europas. Sie bilden den Pool, in dem die Kultur- und Kreativwirtschaft immer aus dem Vollen schöpfen kann und sich dabei selbst regeneriert. Dafür erlernen sie jahrelang kostbares Wissen, ertragen überfüllte Klausuren und bürokratische Willkür, weil es sie persönlich bereichert. Es lohnt sich aber nur noch selten. Die meisten von ihnen werden es damit auf dem Arbeitsmarkt der Wissensgesellschaft 21 schwerer haben als die Generation ihrer

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Lehrer oder Eltern. Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist zwar einer der am schnellsten wachsenden Wirtschaftszweige. Doch gerade hier ist der Anteil der Selbstunternehmer und „freiberuflich schaffenden Kreativen“ am höchsten und das Prekariat am nächsten.❶ Wie profiliert sich ein Germanist, Soziologe oder Ethnologe in der Selbstvermarktung 2.0? Wo verbleibt ein Kommunikationswirt nach vier oder acht Semestern? Wahrscheinlich erst einmal in der Praktikanten-Klappe der Kommunikationsagenturen oder in den Social Media-Abteilungen der Großunternehmen. Vielleicht wird er sogar Akkord-Texter bei Groupon, einer Werbeagentur oder Crowdguru. Wahrscheinlich haben sie die Notiz auf der Website des Stifterverbandes überlesen: „Die Nachfrage nach Hochqualifizierten auf dem Arbeitsmarkt wird in Zukunft zunehmen insbesondere von naturwissenschaftlich und technisch ausgebildeten Akademikern. Das hat strukturelle und demographische Gründe. Global gibt es einen Strukturwandel hin zu einer forschungs- und wissensintensiveren Wirtschaft“. Darum bleiben viele trotz Abschluss arbeitslos. Es sei denn, sie legen sich ganz neue professionelle Kompetenzen zu, was wiederum mit Zeit- und Kosten verbunden und der Jakobsweg der lebenslangen Weiterbildung ist, auf dem einem nichts geschenkt wird. Die Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts, die von den © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 295


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VUCA-Märkten und dem flexiblen Kapital formatiert wird, ist nicht nur eine Mehrwissensgesellschaft. Nicht das Volumen zählt. Das wird jetzt von der kollektiven Intelligenz viel besser erfasst und verarbeitet und die Qualität der Inhalte wird im Zeitalter der permanenten Wissensvervielfältigung VUCA. Die Mehrwissensgesellschaft will das Wissen nicht archivieren und in virtuellen Weltarchiven den künftigen Generationen erhalten. Was noch zählt, ist das hochaktuelle Wissen des Augenblicks, das sich aus unzähligen Schnipseln ergibt und zusammen mit vielen anderen eine kurzfristige Einheit und einen neuen Wert erzeugt. Die akute Vergleichsanalyse mit dem kollektiven Wissen bringt nicht nur die Säulen der Weisheit des traditionellen Bildungssystems in Wanken. Es macht aus jeder Expertise nur noch eine Momentaufnahme, ein Instagram. Somit wäre ein Hochschulstudium jenseits der MINT ohne Marktwert. Es wird lediglich wieder zu einem schöngeistiges Luxusprodukt, das sich nur noch hochvermögende Menschen oder Gesellschaften leisten können, so wie sie sich noch Museen, Kunstwerke und künstlerische Darbietungen wie Konzerte, Opern, Theater oder Studienreisen als Ausdruck ihres Wohlstands gönnen. Was einst in früheren Jahrhunderten in Europa die Regel war, ist es noch heute in den meisten Ländern jenseits von Europa und wird wird es auch morgen wieder sein. Auch die reiche deutsche Volkswirtschaft wird nämlich künftig nicht mehr die Organe schaffen wollen, um ihren unproduktiven Elementen eine Funktion und einen Broterwerb zu geben. Die Kreativszene in Berlin, Paris und Rom zeugt von dieser neuen Ambivalenz.

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Was aus dem Kontingent gelehrter Humanwissenschaftler wird, wenn dem Staat eines Tages die Gelder für Institutionen, Institute, Akademien und Universitäten ausgehen, ist schon heute in Frankreich, Italien, Spanien, Portugal und Griechenland zu beoabachten. In Deutschland verschwinden sie klammheimlich in den Nischen des Prekariats und in den Karteien der neuen Sklavenhalter.❷ Auf dem globalen Arbeitsmarkt 2.0 sind sie lediglich in einer Superstar-Logik und in der „funktionalen Vereinzelung“ vermarktbar. Konkret heisst das: Ein einziger Sascha Lobo verdeckt den Dschungel der arbeitslosen Akademiker.❸ ❶ Kreative in Berlin. Eine Expertise zum Thema „GeisteswissenschaftlerInnen“. Alexandra Manske, Janet Merkel. Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten (RatSWD). 2008 pdf ❷ Stützen der Gesellschaft. „So hatte ich mir die berufliche Zukunft nicht vorgestellt.“ FAZ Blogs. 23.06.2013. ❸ Topfschlagen im Niemandsland. Arbeitslose Akademiker. Matthias Kaufmannn. DER SPIEGEL. 19.09.2013.

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Abschnitt 6

Unter den Rettungsschirm Heim zu Väterchen Staat Nicht nur die Millenials sind geprägt von der permanenten Absturzangst, Aber auch sie erleben die brüchigen Verhältnisse in der Familie, die Patchwork-Familien, das Zerbröckeln Gemeinschaften, die Schwierigkeiten im Berufsleben der Elterngeneration. Sie spüren intuitiv, dass die Zukunft nicht besser als die Gegenwart sein wird.❶ Die Welt in ihren Zusammenhängen erscheint komplex und unverständlich. „Die neue Unübersichtlichkeit“ (Jürgen Habermas, 1986) wird durch den täglichen Informationsüberfluss und die zunehmende Überschichtung der Realität verdichtet. Seit der Finanzkrise 2008 hat die Jugend Europas den Glauben an die Politik, die freie Wirtschaft, an Wirtschaftsprognosen und an die Unternehmerwelt insgesamt verloren. Vorbilder gibt es da keine mehr. Europa konnte in zwei Jahrzehnten keine Bill Gates, Steve Jobs, Jeff Bezos, Larry Page, Matt Mullenweg, Reid Hoffman, Mark Zuckerberg oder Tim Berner-Lee bieten. Es lebte sich bislang gut im europäischen Sozialstaat, wo alles unbegrenzt sicher war: Das Wachstum, der Wohlstand die Arbeit und die Rente. Das Ende ist näher als wir denken. Ein Blick nach Griechenland, Spanien, Italien oder Portugal genügt, um zu erkennen, dass es mit Wohlstandsträumen © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 298


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schnell vorbei sein kann. „Viele entwickeln eine fast manische Suche nach festen, Halt gebenden Ordnungen und Regelwerken“, schreibt der Soziologe Stefan Grünewald ❶. Und wo kann man die heute noch finden, wenn nicht im Staatsdienst? Die Flucht in die sicheren Arme des Staates ist jedoch ein verkehrtes Verständnis des Paradigmenwechsels, denn auch Väterchen Staat muss neoliberal wirtschaften. Eine Reihe von Bundesländern sind ziemlich knapp bei Kasse und sparen erst einmal am Personal. Die leidigen langfristigen Personalnebenkosten können ja so leicht durch kurzfristige Arbeitsverträge oder Werkverträge ersetzt werden! Zudem ist der Beamtenstatus in der VUCA-Welt eine volkswirtschaftliche Zeitbombe. Die Lust, ein Risiko einzugehen und sich selbständig zu machen, hat einen Tiefpunkt erreicht, schreibt die staatliche Bank KfW in ihrem jüngsten Gründungsmonitor. Hier bricht nicht nur der Nachwuchs aus demographischen Gründen weg, sondern aus Existenzangst und Unlust, die Zukunft anders zu denken. ❶ Generation Unsicherheit. Der Spiegel 31.12.2012. pdf. ❷ Stefan Grünewald. „Die erschöpfte Gesellschaft“. Campus. 2013. ❸ Deutscher Wirtschaft fehlen 117.000 Fachkräfte. ARD meta Tagesschau, 26.5.2014. ❹ Generation Y unter Druck. Die Zeit. 12/2013.

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Abschnitt 7

Unvorstellbares denken Der individuelle Quantensprung Die VUCA-Arbeitswelt in ihrer Sprunghaftigkeit und eine wuchernde Freelance-Ökonomie im Prekariat passen nicht mehr in die Lern- und Arbeitsmodelle, auf die die Beschäftigten von heute mit den Visionen von gestern vorbereitet wurden. In der Freelance-Ökonomie ist jeder für sich selbst zuständig: Was und wie er lernt, was, wie und wo er arbeitet ist in den westlichen Industrieländern seine freie Entscheidung. Das ist sein grosser Wettbewerbsvorteil gegenüber den anderen sieben Milliarden Zeitgenossen, für die meisten aber eine unzumutbare Herausforderung: Allein den individuellen Quantensprung zu vollziehen und Unvorstellbares denken zu können. Ein Vierteljahrhundert proaktives Lernen (0-25) mit Leistungsdruck und Stress (spätestens ab der 5. Klasse) waren bislang die Voraussetzung für einen zukunftssicheren Beruf. Dazu schuf man verbindliche Werte wie Diplome, Zertifikate, Qualifizierungen und Titel, unbegrenzt gültig. Irgendwann sollte sich das erlernte Wissen von selbst auszahlen, entweder durch den gesellschaftlichen Status oder die persönliche Wertschöpfung. Aber nicht alle mögen MINT, nur 1% werden Ärzte, Zahnärzte, Apotheker und knapp 4% schaffen es lediglich, im sicheren © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 300


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Hafen des Beamtentums einen Ankerplatz zu finden. Die Welt der freien Wirtschaft ist nicht mehr planbar, verkünden die Firmenchefs, wenn ihnen mangelnde Zukunftsvisionen vorgeworfen werden und sie nur noch ihre Strukturen verschlanken. Sie wissen, dass die Abstände zwischen den Veränderungsschüben immer kürzer werden. Die Zeit zieht sich zusammen und der Abstand zum Neuen immer kleiner. Zwischen der Erfindung der Dampfmaschine von Thomas Newcomen 1712 und ihrem Einsatz als Transportmittel in Deutschland 1835 hatten die Menschen viel Zeit, um sich mit dieser neuen Energie vertraut zu machen. Die Gründer-Cluster der Internet-Revolution in Silicon Valley, Stanford oder Harvard brauchten jedoch nur knapp drei Jahrzehnte, um ihre Erfindungen global zu streuen und auf allen Ebenen benutzerfreundlich zu verbreiten. Die Technologien des 19. Jahrhunderts verkürzten den Raum; die Technologien des 20. Jahrhunderts beschleunigten die Zeit. Diese Beschleunigung der Zeit überholt alle Prognosen in Echtzeit. Sie ermutigt daher auch die Wirtschaftswissenschaftler, keine verbindlichen Theorien mehr zu erstellen und nur noch die Fakten zu kommentieren: Die Internet-Revolution und die Webökonomie entwickeln sich parallel zu dem flexiblen Kapital, das dem Liberalismus wieder eine uneingeschränkte Handlungsfreiheit gibt.❶ Die weltweite Polemik, die „Das Kapital im 21. Jahrhundert“, von Thomas Piketty, ausgelöst hat, beweist, wie der Mainstream auf unbequeme Wahrheiten reagiert.

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Unvorstellbares denken und schnell verarbeiten zu können, wird jedoch künftig ein Wettbewerbsvorteil für all jene, die nicht im traditionellen Dienstleistungssektor oder im öffentlichen Dienst tätig sind: Die Wirtschaft und die Großunternehmen bleiben pragmatisch. Sie setzen auf Suchmaschinenoptimierung, Big Data Analyse und die lernenden Maschinen der 4. Industriellen Revolution❷. Die 4,1 Millionen Beschäftigten, die im Verkauf und der Reparatur von KfZ tätig sind, brauchen sich kaum Sorgen um ihre Jobs zu machen. Auch für die ca. 3,7 Millionen Erwerbstätigen im Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen und die 1,1 Millionen Angestellten in Erziehung und Unterricht besteht weiter Bedarf. Elektriker, Klempner, Dachdecker werden immer gebraucht. Wozu also die Aufregung? Für die Hälfte der 42 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland gibt es weiter Arbeit. Doch was wird aber aus der anderen Hälfte auf dem VUCAArbeitsmarkt?❸ Ein Blick über den Atlantik gäbe schon einige Antworten darauf. ❶ „Das Kapital im 21. Jahrhundert. Thomas Piketty. 2014. Mehr... http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/kapitalismus-und-reichtum-pikettys-das-k apital-im-21-jahrhundert-a-965664.html ❷ Die Vierte Industrielle Revolution.Henning Kagermann. http://www.entrepreneur4point0.com/showroom/Kagermann_industrie_40. pdf ❸ Armut trotz Erwerbstätigkeit. Analyse und sozialpolitische Konsequenzen. Wolfgang Strengmann-Kuhn. Campus 2003.

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Statt einer Bibliographie Die Top 10 zum Weiterlesen 1. Arendt, Hannah. Ihr Gesamtwerk und hier: „The Human Condition.“ 1958, erschienen mit dem deutschen Titel: „Vita Activa oder vom Tätigen Leben.“ Der englische Titel spricht einen ganz anderen Hintergrund an, der im deutschen Sprachraum nicht geläufig ist, wurde aber selbst von Hannah Arendt bestimmt. 2. Sennett, Richard. Sein Gesamtwerk und als roter Faden:„ The Corrosion of Character, The Personal Consequences Of Work In the New Capitalism, Norton (1998), ISBN 0-393-31987-3 und „The Culture of the New Capitalism, Yale (2006), ISBN 0-300-11992-5. 3. Rifkin Jeremy: Sein Gesamtwerk und zum Thema: „The End of Work. The Decline of the global labor force and the dawn of the postmarket era.1995. „The Third Industrial Revolution.How Lateral Power is Transforming Energy, the Economy, and the World. 2011.“The Zero Marginal Cost Society.The Internet of Things, the Collaborative Commons, and the Eclipse of Capitalism 2014. 4. Kay, John. „The Business of Economics. 1995. „The Truth about Markets. 2003. „Obliquity“.Wie man über Umwege ans Ziel kommt.

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5. Gray, John. „False Dawn“. The Delusion of Global Capitalism.1998. 6. Stiglitz, Joseph. Sein Gesamtwerk. Hier: „Globalization and its Discontents. 2002. 7. Kuhn, Thomas.S. Revolutions.“1962.

„The

Structure

of

Scientific

8. Edmund Phelps: „Mass Flourishing:
 How Grassroots Innovation Created Jobs, Challenge, and Change. Edmund Phelps. „Rewarding Work“. 1997. 9. Chris Anderson: Revolution.“ 2012.

„Makers“.

The

New

Industrial

10. Schumpeter, Josef, Alois. „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie.“ 1942. Hier nahm er von Karl Marx den Begriff der „schöpferischen Zerstörung“ auf und entwickelte ihn weiter. Zuschlag: Piketty, Thomas. „The Capital in the 21st Century. 2014. Polemisch, in den USA und Grossbritannien kritisiert. George, Susan: Les Usurpateurs. Comment les entreprises transnationales prennent le pouvoir. 2014. Editions du Seuil.

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AutorIn Dr. Angelica Laurençon lebt und arbeitet in Berlin und Clermont-Ferrand als Mentorin und Unternehmensberaterin und war jahrelang ehrenamtlich als Assessorin im Qualitätspreis QBB für die Unternehmen in Berlin und Brandenburg und als Beobachterin des EU-Projekts “Femme digitale” europaweit tätig. Sie ist seit über 25 Jahren Dozentin für internationale Masterstudiengänge im interkulturellen Management und begleitet ihre Studentin für Community Management, Learning Management Systems und Workforce Marketing während ihrer Praktikumszeit der ersten und zweiten Start-up Phase als Mentorin. Aus diesen Praxiserfahrungen heraus entstand „Arbeit in der VUCA-Welt.” Zuletzt realisierte Projekte: ● LinkedIn Special ununi.tv ● ESA swarmcampaign 2013 als Pilotprojekt für interkulturelles Social Media Management und Wissenstransfer. ● Design Thinking for Multicultural Decentralized Workforce. France Business School 2013 ● Visual Thinking in Cross Cultural Communication. 2013. France Business School, 2014.

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Inhaltsübersicht 1. Der stille Paradigmenwechsel 2. Vom Mythos Arbeit 3. Auf den Schultern von Riesen 4. Social & Business 5. Die Workforce Marketers 6. Im Casino Global 7. Der Neue Modus 8. Die schöne neue Freelance-Ökonomie 9. Im Backend der Social Media4Business 10. Big Data is not only watching You 11. Jobapocalypse Now 12. Weiter so? 13. Open End…

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Kapitel 1. Der stille Paradigmenwechsel Abschnitt 1: Die binäre Zeit.

Abschnitt 2: Die neue (Un)Ordnung.

Abschnitt 3: VUCA 21

Abschnitt 4: Arbeitsmarketing 2.0

Abschnitt 5: Zeitraffer

Kapitel 2. Vom Mythos Arbeit Abschnitt 1: Das Ende aller Werte

Abschnitt 2: Überholt

Abschnitt 3: Der atomisierte Arbeitsmarkt

Abschnitt 4: Arbeitsnomaden To Go

Abschnitt 5: Klammheimliche Revolutionen © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 307


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Abschnitt 6: Schlafwandler & early adaptors Abschnitt 7: Anders Denken

Kapitel 3. Auf den Schultern von Riesen Abschnitt 1: Im Sandkasten des Arbeitsmarketings

Abschnitt 2: Kettenreaktion

Abschnitt 3: Bedarfserregend=bedarfsbefriedigend

Abschnitt 4: In Transition

Abschnitt 5: Empathisch. Polyvalent. Offen.

Abschnitt 6: Ideenkonfluenz Abschnitt 7: Die Lösungsfinder

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Kapitel 4. Social & Business Abschnitt 1: Supernova am Arbeitsmarkt

Abschnitt 2: Das Alleinstellungsmerkmal

Abschnitt 3: Change Agents

Abschnitt 4: Quality Digest

Abschnitt 5: Social Mashup & Meetup

Abschnitt 6: Workforce Marketing

Abschnitt 7: Das philantropische Opfer

Abschnitt 8: Auf demWeg zum Monopol

Abschnitt 9: Die intelligentere Arbeitsagentur

Abschnitt 10: Sei Sichtbar

Abschnitt 11: Das Potlatchprinzip

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Abschnitt 12: Qualität lohnt sich

Kapitel 5. Die Workforce Marketers Abschnitt 1: Das besondere Angebot

Abschnitt 2: Business 2.0

Abschnitt 3: Die Kraft der Hybridmodelle

Abschnitt 4: Die Neuvermessung der Arbeit

Abschnitt 5: Trust Agents

Abschnitt 6: Die entgrenzte Arbeit

Kapitel 6. Im Casino Global Abschnitt 1: Faites vos jeux

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Abschnitt 2: Dabeisein ist alles

Abschnitt 3: Rolle rückwärts

Abschnitt 4: Flexiworker

Abschnitt 5: Die Zeit der Talentpools

Abschnitt 6: Slim. Fit. Small

Abschnitt 7: Mass Customized Learning

Abschnitt 8: Personalpolitik 2.0

Kapitel 7. Der Neue Modus Abschnitt 1: Just in Time?

Abschnitt 2: Parallelverbindungen

Abschnitt 3: Ziemlich unzertrennlich

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Abschnitt 4: Von Werten und Unwerten

Abschnitt 5: Im Labor des Arbeitsmarketings 2.0

Kapitel 8. Die schöne neue Freelance-Ökonomie Abschnitt 1: Die unbenannte Grösse Abschnitt 2: Zwischen den Zeiten Abschnitt 3: Partner auf Zeit Abschnitt 4: Die Ninjas Abschnitt 5: Anonymous Abschnitt 6: Der Dynamo Effekt

Kapitel 9. Im Backend 2.0 Abschnitt 1: New Working Life Abschnitt 2: Vermarkte Dich oder Abschnitt 3: i-Reputation, ach! Abschnitt 4: Perlenfischer

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Kapitel 10. Big Data is not only watching You Abschnitt 1: Big Data Providers Abschnitt 2: Arbeitsmarketing im Big Data Flow Abschnitt 3: Der Wert des Prosumenten Abschnitt 4: Neue Sichtweisen Abschnitt 5: Die Zukunft steuern Abschnitt 6: Social Loop Abschnitt 7: Big Data für kleine Bandbreiten Abschnitt 8: Kettenreaktionen

Kapitel 11. Jobapocalypse Now? Abschnitt 1: Intelligentere Texter Abschnitt 2: HFT im globalen Business Abschnitt 3: Watson ist perfekter Abschnitt 4: Auf leisen Sohlen Abschnitt 5: Jurist. Von gestern! Abschnitt 6: Sprachlehrer in Online-Zeiten

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Abschnitt 7: Datengesteuert. Arbeitsmarkt 2.0

Kapitel 12. Weiter so...? Abschnitt 1: Zwiegespalten

Abschnitt 2: Verdrängungskünstler an der Arbeit

Abschnitt 3: Das Prinzip Ungewissheit

Abschnitt 4: Crowd Work

Abschnitt 5: Kreative Mikroökonomie

Abschnitt 6: Shareconomy

Kapitel 13. Open End Abschnitt 1: Von Fall zu Fall

Abschnitt 2: Proaktive Wissensarbeiter? © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 314


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Abschnitt 3: Die Wohlgesinnten am Werk

Abschnitt 4: Ausschussware: Weiblich

Abschnitt 5: Geisterfahrer Abschnitt 6: Unter den Rettungsschirm

Abschnitt 7: Unvorstellbares denken können

Abschnitt 8: Statt einer langen Bibliographie

Abschnitt 9: Weiterführende Links Abschnitt 10: Glossar Abschnitt 11: Author‘s Corner

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Glossar Von Arbeitsmarketing 2.0 bis Webökonomie… alle Wortschöpfungen sind hier im Glossar erklärt und open end. Die meisten Begriffe der Webökonomie wurden nicht eingedeutscht. Sie gehören einfach zur digitalen Revolution und ihrer Welt. Ihre Übersetzung wäre viel zu unbestimmt, komplex und zweideutig... und flüchtig, denn auch die Sprache passt sich der VUCA Welt an. Business of Kindness, crowdworking, crowdsourcing, crowdfunding, workforce marketing, mass customized learning und freelance economy übernehmen wir am besten und verkürzen Wege und Zeit. Sie werden schnell ebenso geläufig werden wie software, hardware, reset, update und viele andere. Selbst Social Media ist inzwischen im Alltag angekommen und wird nicht mehr mit Sozialwesen verwechselt. …

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A Affiliate blogger ...bloggen für eine Marke oder ein Unternehmen unter ihrem eigenen Namen, wobei sie regelmässig die Vorteile, Ereignisse, Neuigkeiten, Insider-Wissen im Netz auf den verschiedenen Plattformen verstreuen oder ihre Meinung dazu geben. Sie gelten auch als Meinungsmacher und einige englischsprachige Blogger verdienen damit auch richtig Geld. Grosse Kommunikationsagenturen beschäftigen gerne affiliate bloggers under cover. So bekommen sie User Generated Content, Feedback oder den viralen Effekt. Ein guter Blogger-IM macht das geschickt, indem er sich einen Bereich aussucht, in den er seine Posts, Folien oder Videos einfügen kann. Die beliebteste Variante sind hierbei Tutorials oder Ratschläge. Es kann also auch für das Workforce Marketing eingesetzt werden.

Arbeitsmarketing 2.0 ist die Vermarktung der Arbeit mithilfe der Sozialen Medien. Dazu gehört das Social Media Recruiting vor allem in den Sozialen Netzwerken für Business. Sie entwickeln sich zur

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globalen Arbeitsbörse, wo die Transaktionen durch den Netzwerkeffet (MSP) und die Algorithmen der Suchmaschinen unterstützt werden. Das Arbeitsmarketing 2.0 hat drei Sphären:

1. Proaktives Arbeitsmarketing 2.0 (Social Media Recruiting) der Unternehmen 2. Selbstvermarktung 2.0 der Einzelnen und der Kleinunternehmer 3. Workforce Marketing 2.0: Die Mitarbeiter vermarkten das Produkt bzw. die Dienstleistung des Unternehmens als Experte und Teil eines Sozialen Netzwerkes.

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B

Business 2.0

war zunächst ein US Nachrichtenmagazin, das sich auf das Business der digitalen Revolution konzentrierte. http://en.wikipedia.org/wiki/Business_2.0 Business 2.0 beruht aber vor allem auf den o Potentialen der MSP (Multiple Side Platform) und dem viralen Streueffekt der Sozialen Medien. Das Business 2.0 Geschäftsmodell ist Online-Plattform basiert, und wickelt die Transaktionen über Internet ab. Es generiert vor allem immaterielles Vermögen wie Datenverkauf, Softwarezugang, Nutzerspace. o stützt sich auf den Streueffekt des Web 2.0 und wird meist mit dem e-commerce oder Online-Handel verwechselt, z.B. ▪ Google: Verkauf von API Zugang, ▪ Salesforces: Verkauf von Dienstleistungen an eine bestimmte Zielgruppe: KMU, ▪ Facebook: Verkauf von Daten, ▪ ebay: einen Anteil am Verkauf ▪ amazon: Verkauf von mehrwertigen Plattformen (amazon web service) ▪ LinkedIn, XING, Viadeo: Freemium: Verkauf der Premium © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 321


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Mitgliedschaft

Business of Kindness Die Unternehmen unterhalten entweder direkt in der realen Welt oder virtuell in den Sozialen Medien den Kontakt zu ihren Kunden, indem sie sie sich nicht mit Werbung und frohen Botschaft zumüllen, sondern ihnen von Zeit zu Zeit (Geburtstagen, Ereignissen) kleine Aufmerksamkeiten ohne Kaufzwang lassen. Bekannt wurde der Begriff vor allem in der BBC global business Reihe. Peter Gray berichtete dort von Henrietta Lovell, einer kleinen Unternehmerin, die sich im Teegeschäft selbstständig gemacht hatte und von ihren dabei Kunden direkt unterstützt wurde, nicht durch crowdfunding, sondern durch aktive Werbung und crowdsourcing. Für kleine Unternehmen mit lokaler Reichweite ist das Business of Kindness die beste Art, einen festen Kundenstamm zu bekommen und eine Vertrauensbasis auszubauen. Gute Kaufleute machten das in früheren Zeiten nicht anders. http://www.theguardian.com/money/2012/apr/13/better-busines s-acts-of-kindness http://www.bbc.co.uk/programmes/p0121845

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C Changer & Switcher sind Festangestellte, die aus ihrer Festanstellung oder aktuellem Beruf in die Selbstständigkeit überwechseln möchten. Sie sind auf dem Sprung, aber wägen noch den Zeitpunkt und die Gelegenheit ab. ▪ Changer wollen ihre Kompetenzen beibehalten und nur den Status und Modus ändern: Manager wird Unternehmensberater, Journalist wird Content-Creator bei Werbeagenturen, Bankkaufmann wird Insolvenz- oder Investmentberater, Ingenieur wird freiberuflicher Projektmanager, Lehrer entwickelt eine elearning-Plattform und macht sich selbstständig. ▪ Switcher sind Berufsumsteiger: Banker wird Klempner. Lehrer wird Komiker, Schauspielerin wird Imagecoach, Koch wird Ernährungsberater. Slashers machen oft beides gleichzeitig oder abwechselnd.

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Content Creators sind Wissensarbeiter, die kreative und interessante Inhalte erstellen können, teils aus ihren eigenen Fachkenntnissen oder ihrer Expertise heraus, teils aus vernetztem Wissen. Das umfasst die PR 2.0 aber auch alle publishing tools (Blogposts, Videos, Slides, Podcasts, Tutorials, screencasts usw.) Dazu gehört auch die permanente Aufbereitung und Vernetzung des kollektiven Wissens in Unternehmen oder in Institutionen. Sie sind begehrt, sofern sie intuitiv und empathisch vorgehen und all das können, was die Software der lernenden Maschinen nicht kann. Affiliate bloggers sind content creators, Filmemacher, Texter und immer mehr ebook-Autoren.

Crawlen, Crawler ist ein Oberbegriff für ein Programm wie "Robot" oder "Spider". Diese durchsuchen Websites automatisch, indem sie Links von einer Webseite zur nächsten folgen verlinken. Der meist verwendete Crawler ist der Googlebot. Aus ihnen ergibt sich das Google Produkt: Page Rank, das den Wert einer Website nach ständig wechselenden Algorithmen-Formeln erstellt. Genaueres: https://support.google.com/webmasters/answer/1061943?hl=d e

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Crowd economy ist ein Wirtschaftssystem, in dem die Produkte künftig in kleinen, dezentralen Produktionseinheiten hergestellt werden. Die innovativen Produkte, mass customized, entstehen dank des globalen Wissenstransfers in der Vernetzung von Ideen Erfindern, Entwicklern und Herstellern. Makers, Tinkers und Entwickler vernetzen altes Wissen mit neuen Technologien. Die crowd economy ist Teil der Dritten Industriellen Revolution wie sie Jeremy Rifkin in seinem gleichnamigen Buch beschreibt. Hier soll die crowd das creative Gemeinwohl schaffen und nutzen. Das intellektuelle Eigentum wird creative commons, was dazu führt, die traditionellen Konzepte wie Urheberrechts, Besitz, ROI neu zu definieren. Solange Patente, Urheberrechte und Datenschutz und der Investorenschutz (TTIP) diesen Prozess verhindern, wird auch die crowd economy nur eine schöne Utopie bleiben. Mehr hier: http://crowdsourcingweek.com/what-is-the-potential-of-the-cro wd-economy/

Crowdfunding setzt aus den englischen Wörtern crowd, Menge, Menschenmasse‘ und funding ‚Finanzierung‘ zusammen. Dafür wird gelegentlich auch noch der Begriff der Schwarmfinanzierung verwendet. Crowdfunding und Crowdinvesting gelten als alternatives Finanzierungsmodell für Projekte, Kleinstunternehmern der organge, green & blue

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economy. Mehr dazu im Deutschlandfunk: Crowdfunding & Crowdinvestment. Das kleine Geld der Massen. 23.6.2014: http://www.deutschlandfunk.de/crowdfunding-und-crowdinvesti ng-das-kleine-geld-der-massen.724.de.html?dram:article_id=28 9918 Und ein kritischer Beitrag DIE WELT, 15.09.2013: “Wie sich mit Crowdinvesting Geld verdienen lässt. http://www.welt.de/finanzen/geldanlage/article120025327/Wie-s ich-mit-Crowdinvesting-Geld-verdienen-laesst.html

Crowdsourcing ist die Strategie der Auslagerung einer üblicherweise von Erwerbstätigen entgeltlich erbrachten Leistung durch eine Organisation oder Privatperson mittels eines offenen Aufrufes an eine Masse von unbekannten Akteuren, bei dem der Crowdsourcer und/oder die Crowdsourcees frei verwertbare und direkte wirtschaftliche Vorteile erlangen.“ Quelle: Christian Papsdorf. „Wie Surfen zu Arbeit wird.“Crowdsourcing im Web 2.0“. 2009, S. 69. Crowdsourcing wird in verschiedenen Bereichen eingesetzt: Wikipedia, Foren, Online-Plattformen, One-Shop Plattformen der US Universitäten.

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Crowdworking Der Begriff ist neu und gehört zur Familie des crowdfunding (die Menge der Nutzer oder Unterstützer eines Projektes finanziert es aus Überzeugung oder Sympathie, meist ohne Gegenleistung. Crowd Work wird oft mit crowdsourcing verwechselt, weil beide Begriffe sehr nahe liegen. Ein Projekt wird von einer gemeinsam über eine Plattform konzipiert und verwirklicht. Die Zahl der Beteiligten ist theoretisch offen, solange das crowdworking ebenso wie crowdsourcing eine freiwillige und selbstlose Beteiligung ist. Wikipedia und andere Online-Plattformen, wie ehow. sind freiwilliges ohne monetäre Gegenleistung crowdsourcing (hier mehr dazu in pdf:) http://link.springer.com/chapter/10.1007%2F978-3-642-02767-3_50#page-1)

Mechanical Turk ist ein anderes Wort für “crowdworking,” auf Online-Plattformen. Es ist die digitale Form der Heimarbeit, die es allen erlaubt, noch nebenbei ein paar Groschen zuzuverdienen: Schreibarbeiten, Stückarbeiten, Telefonservice usw. amazon schuf diese Online Plattform 2005, die noch heute eine zentrale Stelle dieser Online-Plattformen der Heimarbeit einnimmt. Die Mechanical Turk Maschine zählt inzwischen über 500 000 freiberufliche crowd workers. Millionen crowd workers (die Zahlen sind ungenau, weil es keine klare Aussagen seitens der Plattformbetreiber gibt) arbeiten für ähnliche Geschäftsmodelle wie z.B. CrowdFlower, Clickworker, CloudCrowd und unzählige kleinere Online Plattformen, die vor

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allem in Latein-Amerika, Indien, Südost-Asien, Australien und Osteuropa crowd workers anwerben. Diese Millionen Online-Heimarbeiter vollbringen tagtäglich Millionen kleiner Aufgaben für grosse (Twitter) und kleine Unternehmen. Die meisten von ihnen machen nur kleine begrenzte Aufgaben und haben keine Vorstellung von dem Fertigprodukt. Die meisten von ihnen arbeiten im virtuellen Backoffice des Internets und der grossen Sozialen Netzwerke. Ein aktuelles Online-Portal für Crowd Work: Hier werden Lösungsfinder für viele Bereiche gesucht. innocentive.com. http://www.innocentive.com/

Mehr dazu in der Stanford Studie: „The Future of Crowd Work.“ Februar 2013 http://hci.stanford.edu/publications/2013/CrowdWork/futureofcrowdwork-cscw 2013.pdf

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D Design Thinking ist eine neuartige Methode zur Entwicklung innovativer Ideen in allen Lebensbereichen. Sie wurde von David Kelley, dem Gründer der weltweit agierenden Design-Agentur IDEO entwickelt. Das Konzept beruht auf der Überzeugung, dass wahre Innovation nur dann geschehen kann, wenn starke multidisziplinäre Gruppen sich zusammenschließen, eine gemeinschaftliche Kultur bilden und die Schnittstellen der unterschiedlichen Meinungen und Perspektiven erforschen. In der Infografik dargestellt: http://visual.ly/what-design-thinking Der akademischere Blickwinkel dazu: http://8149.website.snafu.de/wordpress/wp-content/uploads/20 11/07/2011_EKLAT.pdf

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E Early Adopters Der Begriff wurde vom schwedischen Geografen Torsten Hägerstrand in seiner Studie „The Propagation of Innovation Waves“ 1952 benutzt, als er die Verbreitung einer Neuerung (z.B. Fernseher, Mobiltelefone, Faxgeräte, Mode) beschrieb. Early Adopters gehören – nach den eigentlichen Innovatoren – zu den ersten, die neue Ideen übernehmen. Der Begriff hat viele Soziologen und Ökonomisten inspiriert, wie zum Beispiel Everett M. Rogers in seiner Analyse: „Diffusion of Innovations, 1962, wo er die early adaptors mit Leuchttürmen vergleicht; .http://en.wikipedia.org/wiki/Early_adopter Dabei wird die Innovation von einem Menschen, der sie bereits übernommen hat (der frühe Anwender) an einen/mehrere Menschen weitergegeben. Diese Verbreitung geschieht nicht gleichförmig und gleichzeitig, sondern wird von den early adopters gefördert. Wichtig ist es dabei für einen Erfinder, sofort die grösstmögliche Zahl an diesen potentiellen Verteilern anzusprechen, d.h. seine Erfindung oder Entdeckung am richtigen Ort auf den Markt zu bringen. Die vielen Startup-Events, Gründermessen und Innovations-Foren weltweit dienen dazu als Auffangbecken. Early adopters werden auch als opinion leaders bezeichnet, weil sie durch ihre frühe Wahrnehmung zu Trendsettern werden. Mehr über die verschiedenen Kategorien in „Early Adaptors of Technical Innovations“. http://www.zonalatina.com/Zldata99.htm © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 331


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F Freelancer “Als Freelancer (engl. freelance Freiberufler, Freischaffender) bezeichnet man Personen, die freiberuflich und zum größten Teil projektbezogen für ein oder unterschiedliche Unternehmen arbeiten. Der Freelancer (Söldner, die im Mittelalter das Recht hatten, mit einer Lanze, aber zu Fuss zu kämpfen) kann entweder zeitbezogen (Tagespauschale) oder ergebnisbezogen bezahlt werden. Im allgemeinen erhält der Freelancer einen Werkvertrag, der ihn zur Abgabe eines bestimmten Ergebnisses innerhalb einer Frist verpflichtet. “ Quelle: Wikipedia Die Vorteile: Für den Freelancer: freie Zeiteinteilung, freier Arbeitsort, bei geschickter Verhandlung eine gute Marge. Sein eigener Chef sein und seine Arbeit und Freizeit verbinden zu können. Das ist die Hochglanzversion. Für den Unternehmer: Keine Sozialkosten, keine arbeitsrechtlichen Verpflichtungen, keine Weiterbildungsauflagen, keine Räumlichkeiten. Die Nachteile: Für den Freelancer: Die gleichen wie für einen Unternehmer, Bauern, Handwerker, Geschäftsmann, Künstler, kurz wie für alle, die nicht festangestellt sind und damit auch größere Verpflichtungen, Kalt- und Warmakquise, gutes

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Zeitmanagement, alle beruflichen Nebenkosten, Sozialkosten, Weiterbildung in Eigenregie.

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Freelance-Ökonomie Die Freelance Ökonomie entsteht aus der Fragmentierung der Unternehmenslandschaft in immer kleinere Einheiten und die Vollendung des schlanken Managements, der Zerlegung des Sozialstaats (Milton Friedman). In der Freelance Ökonomie vollzieht sich die endgültige Atomisierung der Arbeitswelt und der Humanressourcen. Der Festangestellte wird zum Selbstunternehmer mit allen unternehmerischen Auflagen. Zeit- und Raumraster verschwinden. Dezentrales Arbeiten,Coworking-Räume, SOHO, (self organized home office) und die Arbeitseinheit ist nicht mehr die Zeit (40 Stunden-Woche, Vollzeit, Halbzeit, ganztags), sondern das Arbeitsvolumen: der Auftrag, das Projekt. Mehr dazu in der amerikanischen Presse: http://www.brw.com.au/p/business/mid-market/future_meaning_work_how_the_free lance_FGQVDKEqfh1tkbyR5hKovJ

Future of work: „How the freelance revolution is changing the meaning of a day job“. Brad Howarth. Published on 08 May 2014 12:20 BRW.

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G Generationen XYZ Generation X 1960-1980 wurde nach Douglas Coupland’s Roman: „Generation X“ benannt. Er erzählt Geschichten einer Generation, die von den digitalen Technologien umgeben aufwuchs. Es sind Vertreter aus einem kulturell anspruchsvollen Umfeld, Studenten der US Elite-Universitäten, manche mit Universitätssabschluss wie Lawrence Page, der aus seiner Doktorarbeit das Kerngeschäft von Google entwickelt hat, manche als dropouts, wie Steve Jobs. Es sind insgesamt hoch ausgebildeten jungen Menschen, die dazu noch ihr kulturelles Grundwissen mit den neuen Kommunikationstechnologien beschleunigen und vertiefen konnte, hat im kulturellen und kreativen Bereich ihre Leitfiguren: Steven Soderbergh, Quentin Tarantino, Kevin Smith. Die GenX wuchsen versuchten mit diesen neuen technologischen Kommunikationstools die Gesellschaft von innen her zu verändern, anstatt sich ihr frontal zu widersetzen, wie z.B. die 68er Generation. Generation Y 1977-2004 wird auch als die Millennial Generation bezeichnet. Ihr Merkmal ist die Interaktion. Sie leben innerhalb von Gruppen oder communities, sind ständig unterwegs und immer dabei, © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 336


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Informationen, egal welchen Inhalts, zu verteilen. Sharing, streaming, updaten, sind ihre drei Hauptvektoren. Typische Vertreter der GenY: Oprah Winfrey, Michael Jordan. Einer ihrer Vertreter ist auch Bill Gates, der mit seiner Stiftung versucht, weltweit Veränderungsprozesse zu unterstützen, besonders in Afrika, Bono von u2. Generation X 2005 ... wird die Generation der Mehrwissensgesellschaft, der Pluralisten genannt, die in einer fragmentierten Welt aufgewachsen ist und ständig mit dem Internet verbunden ist. Sie leben vernetzt, haben keine keine andere Welt als die der Smartphones, Computer und des Web. Gen X Vertreter sind durch und durch digital natives, Einheimische im Netz. Quelle: http://gen.xyz/genxyz

Global Player Ein Unternehmen oder eine Organisation mit weltweiter Präsenz, entweder durch die Produkte, die Marke, das Firmenbranding oder ganz einfach, weil es Marktführer in dem spezifischen Segment ist und die grösstmöglich Zahl an Konsumenten oder Benutzern hat. Die Wikipedia Definition dazu: http://de.wikipedia.org/wiki/Global_Player

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I i-Reputation oder Online-Reputation ist der Ruf, den sich jeder selbst im Internet aufbauen sollte. Was gehört dazu? 1. Eine klare Identität 2.0, ein Profil, eine klare Aussage für Unternehmen, egal wie gross oder klein. Wer steht hinter dem Logo, Firmenbranding? Ein Alleinunternehmer, ein Produkt, eine Dienstleistung ein Team? Die Sichtbarkeit des Produkts: Was bietet der Unternehmer an? die visualisierte Dienstleistung. In Unternehmen ist die i-Reputation Teil des Reputationsmanagements. http://de.wikipedia.org/wiki/Online-Reputationsmanagement 2. Wie präsentiert sich das Unternehmen/ oder der Mensch als Firma im Internet? Wie reagieren die Kunden und wie reagiert das Unternehmen darauf? (shit storm, negative Bewertungen, Beschwerden, Verleumdungen seitens der Konkurrenz usw.) Was gehört nicht dazu? ▪ Persönliche Fotos und Posts auf Facebook, Spamming in eigener Sache auf XING und LinkedIn, Selfies und Tweets in the mood. ▪ Ein leeres Profil auf LinkedIn, Xing, Viadeo oder ein Avatar © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 338


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ohne Kompetenzraster. Dafür gibt es inzwischen ausgeklügelte Strategien, die mit dem richtigen Webauftritt (Website, Blog, Präsenz auf Foren und Sozialen Netzwerken) beginnt, im CRM 2.0 und Workforce Marketing und im Business of Kindness weitergeht. Für Freelancer und Mikrounternehmen ist die i-Reputation Teil der Visitenkarte und der Beweis, dass die Professionalität und Expertise nicht nur leere Worte sind. Was sagen die anderen über mich und meine Kompetenzen? LinkedIn Empfehlungen oder Kommentare auf Blogposts, YouTube Videos usw. Mehr dazu im in Englisch: „Building Web Reputation Systems“: http://www.safaribooksonline.com/library/view/building-web-rep utation/9781449382193/ch01.html

J JYMBII

Job You Might Be Interested IN:

Dahinter steckt eine LinkedIn Dienstleistung (die andere Online Plattformen auch bieten), dem Nutzer direkt Jobs auf seine Homepage zu bringen, die seinen Suchmaschinenbegriffen und seinem Profil entsprechen. Die Voraussetzungen dafür: Ein suchmaschinenoptimiertes Profil, die klare Ansage: Ich suche! und dafür die entsprechenden Schlüsselbegriffen eingeben. Für Neugierige mehr auf dem offiziellen LinkedIn Blog:

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http://blog.linkedin.com/2012/08/24/6-steps-to-shipping-a-product/

L Lean Management bedeutet „Werte ohne Verschwendung schaffen“. Auf deutsch: Schlankes Management. Es wurde zuerst in den Automobilwerken (Toyota) angewandt und entwickelte sich zur genialen Business-Lösung der Webökonomie: Die Auslagerung aller Arbeiten, die nicht zur Kernaktivität und zum Kerngeschäft gehören. Das Einschrumpfen der Stammbeleg- schaft auf den möglichst kleinsten Nenner. Ziel ist es Verschwendung, japanisch „muda“ zu vermeiden, indem sie entweder komprimiert oder als Komponenten ausgelagert und von externen Dienstleistern erledigt werden. Dadurch befreit sich das Unternehmen gleichzeitig von allen Sozialabgaben, festen Arbeitsverhältnissen, die schnelle Veränderungs-prozesse behindern. Schlanke Unternehmensführung ist ein sehr umfassender Ansatz und wirkt sich daher auch auf die meisten Tätigkeiten in einem Unternehmen aus. •

schlanke strategische Führung

schlanke Entwicklung (Lean Development)

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schlanke Produktion (Lean Production)

schlankes Personalstrukturen

schlanke Verwaltung

schlankes Projektmanagement

schlanke Informationslogistik

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Lurker ist ein passiver Social Media Nutzer, der sich ein (oft unfertiges oder Fake ) Profil anlegt, um zu schauen, was auf der Plattform passiert. Seine Erkennungsmerkmale: Avatar oder keine Angaben zur Person, wenig Kontakte, keine Teilnahme, keine Aussagen, und trotzdem ein Webtrottel, denn Big Data erfassen auch passive Mitgliedschaften, und die ganz besonders. Mehr dazu auf Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Lurker

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M Marketing 2.0 verbindet die alten Marketingstrategien mit der viralen Effizienz der Sozialen Medien. Auf den Sozialen Plattformen werden Inhalte gestellt, die interaktiv (Blog+ Kommentare) und endlos von jedem Nutzer in seinem Netzwerk weitergereicht werden: Facebook, Twitter, G+, YouTube. Dadurch entsteht auch der Social Loop. Durch die Viralität soll einerseits der Streueffekt erhöht und andererseits von den Kunden ein Feedback oder eine Teilnahme (Like, Kommentar, Teilen) eingeholt werden, oder im besten Fall ein User Generated Content: Die Kunden empfehlen das Produkt nicht nur weiter, sie geben ihre Meinung und vielleicht Bewertungen und Korrekturen. Marketing 2.0 setzt eine perfekte Social Media, Content und Community Management Strategie einschliesslich User Generated Content Management voraus, Mehr dazu auch hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Marketing_2.0.

Mashup bedeutet so viel wie Vermischung verschiedenster Elemente. Es wird immer häufig im Sinne von Verschmelzung, Schmelztiegel und informelles Vermengen von Inhalten und Menschen benutzt. Mehr dazu http://de.wikipedia.org/wiki/Mashup

Mass Customized Learning

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bezeichnet Lernprozesse, die auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten des Lernenden angepasst sind. Das bedeutet das Ende der Schulbücher, der Lernmethoden, der Programme und der Zertifizierung. Die Idee ist nicht neu, wurde von Goethe schon in der Pädagogischen Provinz (Wilhelm Meister Wanderjahre) beschrieben: http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Meisters_Wanderjahreund in den 70er Jahren in Summerhill, in Robert Steiner und Waldorf Schulen weitergeführt. http://de.wikipedia.org/wiki/Summerhill Auch die MOOC sind eine Variante des MCL, da sich jeder die Lerninhalte selber aussuchen und in seinem Rhythmus lernen kann. Im Gegensatz zur traditionellen Lehrdidaktik, die sich an Lernzielen orientiert und dafür Programme aufsetzt, sollen die Bedürfnisse und Kompetenzen und die Zeit des Lernenden die Lernziele festsetzen. In den USA wird das MCL bereits ab der 5. Klasse experimentiert. Die Schule oder Universität ist nur noch eine Agora zur Sozialisierung (socialize!), wo sich die crowd begegnet und Wissen austauschen kann. Das MCL ist die konsequente Weiterführung des permanenten Social Learning Prozesses, wo sich der Lernende das notwendige Wissen im analogen oder digitalen Umfeld selber oder mit anderen zusammenstellt. ▪ Das MCL vollzieht einerseits den Bruch mit den herkömmlichen schulischen Lernen, dessen Inhalte zu 80% überholt und veraltet sind und ausserdem in ihrer © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 344


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Durchführung den Einzelnen zum Herdentier erziehen. ▪ Der Lerner des 21. Jahrhunderts soll gleich von Anfang an zu Autonomie, selbstorganisiertem Lernen erzogen werden und nicht wie bislang (so die Autoren) nur als Versuchskaninchen unzeitgemässer Didaktik oder passiver Konsument von Lerninhalten sein, deren Sinn und Zusammenhang er nicht mehr begreift. Die Initiatoren dieses MCL, Charles Schwahn and Bea McGarvey, sind sehr aktiv im Netz, organisieren regelmässig MCL Summits und haben dafür auch schon eine Plattform erstellt: http://masscustomizedlearning.com/, und Bücher und Videos zu dem Thema veröffentlicht: http://www.amazon.com/Inevitable-Customized-Learning-Empo werment-Edition/dp/1470059053

Mechanical Turk (AMT) Mechanical Turk ist ein anderes Wort für crowdworking auf Online-Plattformen und wird auch HIT (Human Intelligence Task) genannt. amazon schuf diese Online Plattform 2005, die noch heute eine zentrale Stelle dieser Online-Plattformen der Heimarbeit einnimmt und viele Nachahmer hat. Auch in Deutschland. Diese Millionen Online-Heimarbeiter vollbringen tagtäglich Millionen kleiner Aufgaben für grosse (Twitter, ebay, amazon, Online-Versandhandel) und kleine Unternehmen. Die meisten von ihnen machen nur kleine begrenzte Aufgaben, haben keine Vorstellung von dem Fertigprodukt und arbeiten im

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SOHO (self office, home office vernetzt mit dem virtuellen Backoffice des Internets und der grossen Online-Plattformen. Viele von ihnen gehören zur Social Media Crowd, twittern, posten, kommentieren und liken für einige Cents bei Event-Kampagnen oder Social Media Aktionen. Es ist die digitale Form der Heimarbeit, die es allen erlaubt, noch nebenbei ein paar Groschen zu verdienen: Schreibarbeiten, Stückarbeiten, Telefonservice, Übersetzen, SEO, Kodieren, Logos erstellen usw. Die Mechanical Turk Maschine bei amazon zählt inzwischen über 500 000 freiberufliche crowd workers. Weltweit sind es über die unzähligen Online-Plattformen verteilt mehrere Millionen crowdworker. Die Zahlen und Angaben bleiben imDunkeln, weil es keine klare Aussagen seitens der Plattformbetreiber gibt. CrowdFlower, Clickworker, CloudCrowd und viele kleinere Online Plattformen werben vor allem in Latein-Amerika, Indien, Südost-Asien, Australien und Osteuropa crowd workers an. In Deutschland versucht crowdguru ins lukrative crowdworking Geschäft einzusteigen und beschäftigt offiziell 13.000 crowdgurus. ist ein Social

Meetup ist ein Networking Portal, wo Gruppen und Meetings in unterschiedlichen Städten weltweit zusammenkommen können. Die gleichnamige Online Plattform Meetup erlaubt ihren Nutzern, über diese Plattform weltweit Gruppen und communities mit gleichen Interessen zu finden, und zwar in allen möglichen Bereichen. Die Dienstleistungen dieser Online Plattform sind

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kostenpflichtig und auch ihr Geschäftsmodell fällt in den Business 2.0 Bereich. Der Begriff “Meetup” wird in diesem Sinne weiter benutzt und bezeichnet ▪ das informelle themenspezifische Zusammentreffen von Gruppen, die sich untereinander austauschen. Mehr dazu auf der Meetup Website http://en.wikipedia.org/wiki/Meetup_

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O One Stop Shop System ist eine Plattform, die im Prinzip einem Kolonialwarengeschäft oder einem Kaufhaus der 50er Jahre gleicht. Es gibt dort alles an einem Platz und macht es dem Käufer und dem Anbieter einfach. amazon entwickelt sich zunehmend zur One-Stop Plattform, aber auch die offenen Business Netzwerke wie LinkedIn und XING haben das One-Stop Shop im Business Konzept. https://plus.google.com/+LinkedIn/posts/4w9CH8KSSq5

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P Paradigmenwechsel Der Begriff wurde 1962 von Thomas S. Kuhn geprägt: „Struktur der wissenschaftlichen Revolutionen.“ Und bezeichnet den „Wandel der grundlegenden Rahmenbedingungen für Beobachtung und Apparaturen“, die Thomas Kuhn als Paradigma bezeichnet. In der Umgangssprache ist damit ein Wechsel der Lebenseinstellung (etwa grundlegende Werte betreffend) gemeint oder auch die Umbrüche in anderen lebensweltlichen oder fachlichen Zusammenhängen. Mehr dazu hier: http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Paradigmenwechsel.html

Peer2peer wurde vor mehr als zehn Jahren erstmals in DatenTauschbörsen wie BitTorrent, Kazaa oder Gnutella angewendet und heisst auf deutsch auch „direkte Querverbindung“ : Die Nutzer können auf Online-Plattformen direkt in Verbindung treten und kommunizieren. Im Gegensatz zu Online-Jobbörsen entstehen hier keine zusätzlichen Vermittlungsgebühren. Die

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Entwickler gehörten damals noch zur Open Access, Open Source und Open Internet Szene und wollten daraus kein börsenträchtiges Business-Modell entwickeln.Das unterscheidet die erste Generation der digitalen Revolution von ihren Epigonen wie alle Open Business Netzwerke und Social Media Plattformen. Selbst Tauschbörsen wie airbnb sind nur smarte Geschäftsmodell. . Die zugehörigen Programme sind in der Regel Open-Source-Software, gewissermaßen also digitales Gemeineigentum: Jeder kann den Code einsehen und weiterentwickeln. Im Idealfall könnten so »neue globale Wissensnetzwerke« entstehen, in denen das Teilen im Vordergrund stehe, sagt Bauwens – und nicht etwa Kommerzialisierung oder Überwachung. Da diese Wissensnetzwerke aus der Gesamtheit aller teilnehmenden Rechner entstehen, ist es kaum möglich, sie abzuschalten oder zu übernehmen. p2p Verbindungen sind das rote Tuch der Medienindustrie (Musik -Videotauschbörsen), der nationalen und transnationalen Überwachungsdienste und sind in vielen Ländern illegal. Netzwerke wie shareable.net versuchen das p2p in der shareconomy weiterzuführen. http://www.zeit.de/zeit-wissen/2012/05/Das-alternative-Netz http://de.wikipedia.org/wiki/Peer-to-Peer

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Post Market Era to On-Demand Era Jeremy Rifkin prägte den Begriff von der post market era in seiner Analyse: „Das Ende der Arbeit“. Die digitale Revolution habe wie alle technolgischen Revolutionen einen unkalkulierbaren Dominoeffekt: ● Sie treibe die Automatisierung der Produktion und der Dienstleistungen immer schneller voran. ● Sie ermöglicht die Beschaffung von Produkten und Dienstleistungen on-demand, verkürzt die Zeit, die Wege und die Arbeitsprozesse. Die Märkte der digitalisierten Gesellschaft müssen sich den schnellen Innovationsschüben und der flüchtigen Nachfrage auf allen Ebenen anpassen. Soft- und Hardware, immer schnellere Internet-Verbindungen und die simultane Vernetzung der Daten profitierten der Automatisierung und würden nicht nur Millionen Stellen in der Produktion (die Blaumann-Stellen). Sie machen vor allem die vielen Büroberufe des 20. Jahrhunderts in Handel und Dienstleistung überflüssig, so Rifkin. Am Ende teile sich der globale Arbeitsmarkt in zwei ungleiche Lager auf: ▪ Die Manager und die Wissensarbeiter, die im Dienste des flexiblen Kapitals den Profit aus einer High-Tech und digitalisierten Ökonomie erwirtschaften. ▪ Die anderen, die aufgrund ihrer Masse zu wertlosen Handlangern werden: beliebig austauschbar, ersetzbar, erneuerbar. Mehr dazu: © ununi.TV | Angelica Laurençon Seite 351


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http://www.mckinsey.com/insights/marketing_sales/the_coming_era_of_on-demand_marketing

http://www.bernerzeitung.ch/region/thun/Handwerk-gibt-Menschen-einen-guten-Boden-fuer-ihre-Leben sgestaltung/story/21423804

Proaktives Arbeitsmarketing 2.0 ist die proaktive, d.h. vorsorgliche Suche nach potentiellen künftigen Mitarbeitern, deren Expertise dem Unternehmen einen direkten Mehrwert gibt. Das proactive Arbeitsmarketing 2.0 fokussiert sich auf die Sozialen Plattformen wie LinkedIn, Xing, Viadeo oder BranchOut. Es enthält ▪ die gezielte SEO Rundschau auf die Trends in der eigenen Branche, ▪ Monitoring 2.0 ▪ die eigene Vermarktung als Arbeitgeber oder Geschäftspartner, ▪ das aktive Workforce Marketing der Mitarbeiter

▪ das Ranking und User Generated Content.

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Q Qualitätsmanagement 2.0 Für die Experten des Qualitätsmanagements in Deutschland (Ludwig Erhard-Preis http://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig-Erhard-Preis_(ILEP) oder regionale Qualitätspreise (QBB) betrifft das QM 2.0 nur das betriebsinterne Wiki, auf dem das immaterielle Kapital der Organisation (Informationen, Mitarbeiterwissen, Projekterfahrungen, Kunden-Feedback und Lernprozesse) lesbar, findbar und nachvollziehbar sein sollten. Aber ein zeitgerechtes QM 2.0 arbeitet vielmehr mit der viralen Effizienz der Sozialen Medien, die bislang nicht in den Bewertungkriterien der verschiedenen Qualitäsmanagements enthalten sind. Das Workforce Marketing, das Arbeitsmarketing 2.0 und Open Innovation Prozesse sollten schon mit dazugehören.

S Shareconomy bezeichnet eine Mikroökonomie, die drei Ziele hat: 1. Weniger Konsum und dadurch weniger Verschwendung und Umweltzerstörung, 2. Durch Teilen, Tausch und Verteilen wieder einen neuen Kreislauf zu schaffen, in dem die Interaktion der Menschen auch einen

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dauerhaften Mehrwert schafft. 3. Bei sinkendem Einkommen den Zugang zu wichtigen Dienstleistungen zu gewähren:

Am Anfang stand die shareable.net Bewegung (2004), die von Noel Gorenflo mit iniziiert wurde: Share or Die: Voices of the Get Lost Generation in the Age of Crisis“. http://www.shareable.net/ Mehr dazu in: „Smart nation, sharing city.“ The Sunday Times. Singapur. September 14, 2014. http://www.straitstimes.com/news/opinion/more-opinion-stories /story/smart-nation-sharing-city-20140907 In Deutschland wird der Begriff immer stärker mit crowdeconomy in Verbindung gemacht. Es gibt dafür auch schon Online Plattformen, wie z.B.: http://crowdcommunity.de/shareconomy/ und Plattformen, die den kollaborativen Konsum durch Teilen, Tauschen, Mieten und Schenken von materiellen und immateriellen Ressourcen ermöglichen: http://kokonsum.org/. Mehr zur shareconomy: http://de.wikipedia.org/wiki/Share_Economy

Showcase oder Schaufenster, ist das digitale Schaufenster ▪ auf einer LinkedIn oder XING Profilseite, ▪ oder einer Landing Page (about.me, flavor.me oder Wordpress)

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in das jeder sein Portfolio, seine Projekte oder Arbeiten einstellen kann, um sie allen sichtbar zu machen. Es funktioniert nach den gleichen Gesetzen wie die klassische Schaufensterwerbung, d.h. ständig etwas Neues für die Besucher, interessante Inhalte, ein Alleinstellungsmerkmal und ein Personal Branding. Es verlangt zusätzlich den Einsatz von Schlüsselwörter für die Suchmaschinenoptimierung. Das LinkedIn Tutorial dazu: http://blog.linkedin.com/2013/05/01/visually-enhance-your-prof essional-story-on-your-linkedin-profile/ Und viele Seiten, sobald man Suchbegriffe wie “showcase, portfolio, personal branding, selfmarketing” eingibt.

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Slasher,s sind typische Vertreter der Mehrwissengesellschaft und haben zwei oder gleich mehrere Kompetenzen, die sie nacheinander oder gleichzeitig erworben haben und die sie ausüben. Sie gelten auch als professionelle Zwitter oder Hybride und sind oft serial multitaskers. Diese Vielfältigkeit erlaubt es ihnen, immer im workflow zu bleiben, sich nicht durch Notaufträge selber zu entwerten und gleichzeitig vielleicht noch Arbeiten zu machen, die ihnen wirklich Freude machen. In Frankreich, England, den USA und auch in vielen Schwellenländern gilt slashing nicht als Dilettantismus, sondern als Überlebenskunst und Resilienz. Dazu mehr im französischen Wirtschaftsjournal: les echos, wo slashers auch als Mutanten bezeichnet werden. http://www.lesechos.fr/idees-debats/cercle/cercle-91256-slashe rs-et-autres-mutants-sociaux-1003238.php

Smart, smarter, smartest … wird hier im Sinne von intelligent, zeitgemäss & digital fit benutzt. ▪ Smarter Planet: http://en.wikipedia.org/wiki/Smarter_Planet ▪ Smart Cities: http://www.fastcoexist.com/1679127/the-top-10-smart-citi es-on-the-planet und gehört zum Ausleseverfahren aller Wissensarbeiter. Hier ein saurer Bonbon: „2 reasons why smart people don‘t get hired“. http://www.businessinsider.com/reasons-smart-people-dont-get-hired-2014-6

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Social Data Social Data sind all die Daten, die ein Internet-Benutzer tagtäglich im Netz hinterlässt, wenn er mit seinem smartphone, tablet oder PC unterwegs ist. Die werden von den intelligenteren Sensoren, die überall auf ihn warten, aufgefangen und mit seinem Social Media Profil oder all den Daten verclustert, die es über ihn im Netz gibt. Aus diesen Daten ergibt sich ein anderer Blickwinkel, der erlaubt, die persons of interest, die Trends, die Differenz zwischen den verschiedenen Darstellungen (Facebook, G+, LinkedIn) und der Realität zu zeigen. „Nicht was die Person in den Sozialen Medien von sich gibt, ist wichtig, sondern die Social Data.“ Mehr dazu im Hbr Blog: The Social Data Revolution http://blogs.hbr.org/2009/05/the-social-data-revolution/ Und der Artikel des LinkedIn Gründers Reid Hoffman: „The future of jobs social data revolution“ 2009. http://www.techaffair.com/2009/06/reid-hoffman-ceo-of-linkedi n-on-the-future-of-jobs-social-data-revolution/ und im Direktlink: https://www.youtube.com/watch?v=wPhmKasTiAg

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Social Loop ist der unbegrenzte Kreislauf der Daten und Informationen in den Sozialen Netzwerken über die verschiedenen Kontaktkreise, die sich in endloser Verkettung von selbst vorantreiben, sofern sie regelmässig aus allen Ecken mit Daten gespeist werden. Die Sozialen Plattformen leben von Inhalten und von dem endlosen Verkehr der Inhalte, der sich über die verschiedensten Online-Plattformen verteilt und möglichst auch bereichert wird, durch Kommentare oder zusätzliche Informationen. Es wird auch Im User Generated Content Management und im Open Innovation Prozess eingesetzt, um möglichst viele Kanäle (pipes) zu haben und verfolgen zu können, wie dieser informelle und immaterielle Verkehr verläuft, wann und wie und vor allem wie schnell der Inhalt zirkuliert. Dazu gibt es auch verschiedene Software wie z.B. http://pipes.yahoo.com/pipes/pipe.info?_id=XgRo96h13BGtJWv S8SvLAg

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Socializer kommt vom Verb to socialize und beschreibt den Sozialisierungsprozess, bei dem jemand in eine Gruppe oder in eine Gemeinschaft integriert wird und ihn sozial kompatibel machen, aber im amerikanischen Sinn, und nicht nur im Sinn von „gesellschaftsfähig“. Ein socializer besitzt diese Fähigkeit, andere mit in eine Gemeinschaft zu fügen und wird gleichzeitig eine Bezugsperson. Das deutsche Wort sozialisieren ist außerdem geschichtlich belastet und somit begrenzt. Es hat somit eine ganz andere Dimension und darum Hier ist crowdsourcing willkommen. http://dictionary.reference.com/browse/socializer

Sozialbilität: sociability ist in erster Linie, die Fähigkeit, sich sozial zu verhalten, d.h. den gesellschaftlichen Anforderungen und Normen entsprechend. Es gibt eine direkte Verbindung zum Englischen: sociability und betrifft die Fähigkeit, mit anderen zu interagieren, zu kommunizieren und sich auszutauschen, sowohl in den digitalen als auch analogen Netzwerken und Gemeinschaften.

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Soziales Profil/ Social Media Profil Social Media Profile, kurz Social Profile entstehen aus der Social Graph http://en.wikipedia.org/wiki/Social_graph. Sie stellen den einzelnen Nutzer in seinem Netzwerk dar: Hobbies, Meinungen, Interessen, soziales Engagement. Aus einem XING oder LinkedIn Profil, zusammen mit den social data ergibt sich das soziale Profil. http://en.wikipedia.org/wiki/Social_data_revolution. Für alle, die noch daran arbeiten wollen, sollten oder dürfen, hier gibt‘s ein paar Tipps: http://www.socialmediaexaminer.com/freshen-up-your-social-pr ofiles/

U User Generated Content User Generated Content oder nutzergenerierte Inhalte umfasst alle Inhalte, die nicht von dem Betreiber einer Plattform, einer Website oder eines Forums generiert werden, sondern von den Nutzern. UGC gehört mit zum Crowdsourcing. Die OECD hat dafür drei Kategorien erstellt: Publizierte Inhalte - Kreative Eigenleistung- Kreation außerhalb von professionellen Routinen. Dabei bleibt das Problem, wie dieser nutzergenerierte Inhalt beiderseitig verwendet werden kann: als Beitrag zur Open Innovation und als Interaktion mit den Nutzern. das UGCM wird immer mehr vom Community Manager mit übernommen. Dazu ein interessanter Beitrag:

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https://faculty.fuqua.duke.edu/~mela/bio/papers/Ahn_Duan_Mela_2012.pdf

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V

Venture Capital auch Risikokapital. bezeichnet die Investoren gemeint, die weltweiten mit ihrem flexiblen Kapital unterwegs sind. ▪ die Finanzierungen des Risikokapitals sind meist kurzfristig. Ziel: ▪ im Exit (Verkauf der Beteiligung) einen hohen Mehrwert zu erzielen. Die Beteiligung bei Startups ist immer mit einem Risiko verbunden, das bis zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals führen kann und hohen Renditen bei Erfolg. ▪ •Den Startups oder Firmengründern wird sowohl Kapital als auch betriebswirtschaftliches Know-how bereit gestellt, das sogenannte smart capital. Dadurch kann der Kapitalgeber direkt das Management mit lenken und sein Netzwerk beim Aufbau von Geschäftsbeziehungen zur Verfügung zu stellen oder sich im Recruiting zu beteiligen. ▪ •Dafür bekommt der Venture Capitalist weitgehende Informations-, Kontroll- und Mitspracherechte. Wo trifft man sie? Auf Gründermessen, Startup Events, Coworking Räume in den ca. 100 weltweiten Transition Towns, wo neue Business-Ideen zusammenkommen und nach Geld suchen.

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Vital forces, forces vitales Deutsch: die Lebenskräfte, doch dieser Begriff bezeichnet die ökonomischen und intellektuellen Leistungsträger innerhalb einer Organisation oder Gemeinschaft, Menschen, die tätig und aktiv sind, die Lösungen und Auswege suchen und finden. Der Ausdruck verliert im Deutschen seine „Kraft“.

VUCA ist die Abkürzung für

V = volatile

: flüchtig

U = uncertain : ungewiss C = complexe :

komplex

A = ambiguous :

ambivalent, zweideutig, zwiespältig,

doppeldeutig wurde in den 90er Jahren von den US Militärkräften geschaffen und wird jetzt für die Businesswelt 21 benutzt. Mehr dazu hier: http://hbr.org/2014/01/what-vuca-really-means-for-you/ar/1

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W Webökonomie aus dem Englischen web economy eingedeutscht. Die Webökonomie ➊ oder auch digitale Ökonomie hat weder Theoretiker noch Lehrmeister. Sie entwickelte sich schnell und empirisch in den letzten Jahrzehnten aus den Kommunikationstechnologien, die sich gegenseitig immer wieder neue Impulse geben. Sie erfüllten den Menschheitstraum von Gleichzeitigkeit und Allgegenwärtigkeit (Simultanität und Ubiquität). Die Kommunikationen und der Handel profitierten davon zuerst, weil sie fortan in ganz anderen Grössenordnungen arbeiten und...schneller an unendlich vielen Orten gleichzeitig handeln können. Dahinter steht die digitale Revolution, die neuen Geschäftsmodelle (Business 2.0) und die neuen Methoden, Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln und zu vermarkten. BMWI Boschüre im pdf zur digitalen Ökonomie: http://www.bmwi.de/English/Redaktion/Pdf/monitoring-report-di gitale-wirtschaft-2013,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache =en,rwb=true.pdf

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Workforce Marketing bindet die Mitarbeiter des Unternehmens direkt in das Firmenbranding, ▪ das Qualitätsmanagment 2.0, ▪ das Reputationsmanagement und ▪ die Vermarktung des Produktes mit ein. Die Mitarbeiter werden zur Interface von Open Innovation, stimulieren User Generated Content und die permanente Interaktion. Über die verschiedenen Sozialen Media Kanäle (Text, Bild, Ton) veröffentlichen die Mitarbeiter professionelle Inhalte wie Tutorials, Produkterklärungen, Prozessdarstellungen, um dem Kunden die Arbeit zu erleichtern. Workforce Marketing erfordert neue digitale und virale Kompetenzen voraus. ▪

digitale Kompetenzen für die Kommunikation und das Publizieren im Web,

▪ die Grundbedingungen des elearnings (für Tutorials, Workshops und Webinars) ▪

SEO für die virale Effizienz und

im Vorfeld eine Identität 2.0 auf den Sozialen Netzwerken. Dazu gehört auch ein Personal Branding, eine Identität 2.0, ein persönliches Qualitätsmanagement und vieles mehr.

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Z

für Beta endlos Die Internet-Revolution entwickelt sich ständig weiter und damit auch die Webökonomie und nichts wird wirklich fertig sind. Somit ist ein immer währender Entwicklungszustand eingetreten, die „Perpetual Beta“. Entstanden als Schlagwort innerhalb des Web-2.0-Konzeptes, das dem Extreme-Programming-Konzept der „Continuous Integration“ Rechnung trägt. Warum sollte es für eine VUCA Welt anders sein?

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Thanks To The Creative Heads and Minds …

Special thanks to Frits Ahlefeldt, the HikingArtist who is publishing and spreading his creative flow on the world wide web since many years. His visual ideas are creative commons for all of us.

A colorful bouquet of thanks to Anja C. Wagner,

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founder of ununi.TV crowd university. She gave me the inspiration, the input and the feedback for this book.

Thanks to ununi.TV crowd as a new creative entity and to the people inside the crowd.

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