…DA FING ER AN ZU BLÜHEN BÄUME SPIELEN IN DE HEILIGEN SCHRIFT EINE WICHTIGE ROLLE. DORT LOBEN SIE GOTT UND NÄHREN DEN MENSCHEN. Ihre kräftigen Wurzeln, Stämme und Kronen erzählen Bände. Im Bieler Stadtpark sind besonders eindrückliche Bäume zu sehen und zu erspüren. Gerade jetzt im Sommer werden sie uns an heissen Tagen wieder ihren wohltuenden Schatten spenden und uns erahnen lassen wie viele Generationen von Menschen und Tieren sie schon erlebten. Es ist kein Zufall, dass Bäume für viele Menschen ein kraftvolles Symbol für das Leben, die Liebe und den Glauben sind. Vielleicht haben wir sogar einen Lieblingsbaum… Der heilige Franziskus von Assisi sagte einmal zu einem Baum: «Erzähl mir von Gott.» Da fing der Baum an zu blühen. Diese Kurzgeschichte berührt mich. Und sie begleitet mich. Jedes Mal, wenn ich einen blühenden Kastanienbaum oder einen blühenden Rosenstock sehe, kommt mir Gott in den Sinn. Und jedes Mal, wenn ich einem Menschen begegne, kommt mir Gott in den Sinn. Denn auch Menschen blühen und erzählen blühend von Gott. Und jeder ist darin einzigartig. Aber nicht der Grösste ist auch der eindrücklichste. Grosse Liebe verleiht auch kleinen Leuten grosse Kraft. Ich kenne viele kleine blühende Menschen. Wenn ich ihnen begegne, geht die Sonne auf. Sie blühen, weil sie wurzeln. Viele von ihnen wurzeln in einer starken, guten Erinnerung. Sie erzählen gerne aus ihrer
Kindheit und Jugend. Sie erzählen vom langen Schulweg und dem seltenen Sonntagsbraten, von den Geschwistern und Tieren auf dem Hof. Und sie erzählen von der Liebe, welche Mutter und Vater ihnen geschenkt haben. Manchmal unterstreicht ein vergilbtes, kleines Schwarzweissbild die kraftvolle, bunte Erinnerung. Gute Erinnerungen sind nichts Selbstverständliches. Nicht alle erinnern sich gern. Ein Schatten breitet sich über ihre Kindheit und Jugend. Deshalb ist es wichtig, dass wir miteinander heute die Gegenwart gut gestalten. Was wir heute für unsere Kinder und uns tun, ist die Erinnerung von morgen.
Blühender Kastanienbaum. Foto: shutterstock
Die Kurzgesichte von Franziskus geht übrigens noch weiter: Franziskus traf einen alten Mann, und auch ihn bat er: «Erzähle mir von Gott.» Der alte Mann nahm ihn mit durch eine Stadt zum Quartier der Armen, wo die Frauen die Wäsche wuschen, wo ihre Kinder spielten und wo die Ärmsten um Brot bettelten. Der alte Mann öffnete seinen Sack und verteilte Brot an die Armen, und die Armen verteilten es untereinander. Und je mehr sie untereinander teilten, desto reichhaltiger wurde das Brot. Da sprach der Alte: «Unser Vater!» Und nach einer Weile wiederum: «Unser Brot!» Dr. theol. Jean-Marc Chanton, Kaplan
MEDITATION 03