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Umschau A N T I FA

2004k

L A I Z E SP

Infos aus dem linken Spektrum FĂźr alle und zwar umsonst

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Das war’s ... A utonome A ntifa I nfernal


Inhaltsverzeichnis

Guten Tag, und herzlich Willkommen im Jahr 2005! In den letzten Wochen konnte man sich in diversen Fernsehsendungen und Printmedien informieren lassen, was denn eigentlich im Jahr 2004 so los war. Es ist nicht zu bestreiten, Jahresrückblicke sind en vogue, und wir sind auf den Zug aufgesprungen. In euren Händen haltet ihr unseren persönlichen Jahresrückblick, die “Antifa Umschau Spezial”. Wir haben die aus unserer Sicht wichtigen Vorkommnisse sowohl von antifaschistischer, als auch neonazistischer Seite zusammengetragen. Mit dieser Broschüre wollen wir Gelegenheit bieten, zu resümieren, welche Projekte und Aktionen im Jahr 2004 von der antifaschistischen Bewegung verwirklicht wurden. Inwiefern ist es gelungen, konsequent und langfristig gegen eine neonazistische/ rassistische Hegemonie vorzugehen? An welche Aktionen gilt es anzudocken, was lief weniger gut? Als gelungene antifaschistische Aktionen können sicher die nach einer langen Durststrecke effektiv gestoppten oder zumindest an die Peripherie gedrängten Naziaufmärsche geltend gemacht werden. Wir denken hierbei an den 1. Mai in Berlin, den 3.Oktober. in Leipzig und den 30. Oktober in Potsdam. Konsequente Interventionen gegen Naziaufmärsche und auch die über Monate andauernde Kampagne gegen die NPD – Zentrale in Berlin Köpenick, konnten aber keinen Einfluss darauf nehmen, dass 9,2 Prozent der sächsischen WählerInnen die neonazistische NPD erstmals seit 34 Jahren wieder in einen Landtag katapultierten. Inwiefern die antifaschistische Bewegung effektiv gegen Nazis im Parlament vorgehen kann, wird noch zu ermitteln sein. Neben der NPD haben sich auch die freien Kameradschaften im Jahr 2004, zumindest intern etabliert und fallen durch teilweise dreisten Aktionismus auf. Zu erwähnen ist hier der von der Nazigruppe BASO angemeldete Aufmarsch auf der geplanten Route der alljährlich stattfindenden Demo in Gedenken an den von Neonazis getöteten Antifaschisten Silvio Meier. Dem Motto “Know your enemy” folgend dokumentieren wir deshalb die wichtigen von NPD und freien Kameradschaften durchgeführten Aktionen.

Januar

Hamburg Berlin

“Opa halt´s Maul!”-Demo Nazidemo wegen “Landser” Verbot

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Februar

Berlin

Horst Wessel

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März

Berlin

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Hamburg

“Warm Up”-Demo zur “Endlich weg damit”-Kampagne “Opa halt´s Maul!”- Demo 2

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April

Berlin

“Maisteine”-Kampagne

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Interview

FelS von ACT!: “Wir wollen es uns nicht leicht machen”

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Mai

Berlin Berlin

Gestoppte Nazidemo in Lichtenberg Revolutionäre 1. Mai Demo

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Juni

Berlin

“Endlich weg damit”-Demo

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Juli

Oranienburg Berlin

Erich-Mühsam-Gedenkdemo Neonazikundgebung gegen das Holocaustmahnmal

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Interview

AA 1040:

“Wir sind natürlich autonom und antifaschistisch sowieso”

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August

Wunsiedel

“Rudolf Heß”-Gedenkmarsch

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September

Berlin

“Keine Ruhe den Rassisten und Faschisten Die antifaschistische Selbsthilfe organisieren” Verbotene NPD-Demo in Wedding

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NPD und DVU ziehen in die Landtage ein

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Berlin Sachsen / Brandenburg

Viel Spaß beim Lesen wünscht euch die Autonome Antifa Infernal [AAI]. Erkärungs- und Abkürzungssverzeichnis Linke Gruppierungen und Parteien ACT! Linksradikales Aktionsbündnis Berlin ALB Antifaschistische Linke Berlin FelS Für eine linke Strömung [´solid] Sozialistischer Jugendverband PDS Partei des demokratischen Sozialismus T.A.G. Treptower Antifa Gruppe Rechte Gruppierungen BASO Berliner Alternative Südost MHS Märkischer Heimatschutz DVU Deutsche Volksunion NPD Nationaldemokratische Partei Deutschlands KS-Tor Kameradschaft Tor ANB Autonome Nationalisten Berlin Vandalen Rechte Rockergruppe aus Berlin FAF Fränkische Aktionsfront

Andere Abkürzungen SEK Spezialeinsatzkommandos der Polizei USK Unterstützungskommando der Polizei aus Bayern Impressum Herausgebende: Autonome Antifa Infernal [AAI] c/o M99-Infoladen Manteuffelstr. 99; 10997 Berlin Internet: www.antifa-infernal.de.vu mail: sommerpause @gmx.net Die VerteilerInnen der Antifa Umschau Spezial sind nicht identisch mit den HerausgeberInnen. V.i.S.d.P.: Max März // Lerchenweg 15 // 19876 Berlin Recherche und Fotos, siehe Seite 38 unten

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Interview

Antifa F´hain:

“Anstatt immer in Teilbereichen linker Politik zu arbeiten, begreifen wir uns eher als Linke und Linksradikale mit antifaschistischem Ansatz.”

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Oktober

Potsdam

Demonstration Freier Kameradschaften

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November

Berlin Halbe

Zehnjährige Hammerskinjubiläumsfeier “Heldengedenken” von Alt- und Neonazis

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Dezember

Berlin Berlin Berlin

Auseinandersetzung Verbot von Naziaufmarsch in Heiligensee Urteil zum 1. Mai: 3 Jahre Knast für Antifa

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Antifa Umschau Cover 2004/05 Kalender 2005

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Januar Verbot der seit Mai 2001 aktiven Fränkischen Aktionsfront (FAF) in Bayern durch den Innenminister Beckstein wegen ihrer “Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus”. Gründung des linksradikalen Aktionsnetzwerks ACT!, bestehend aus ALB, FelS, Si (Subversion International) und autopool. _11.01. Berlin Auf der alljährlichen LL-Demo demonstrierten mehrere tausend Menschen durch Lichtenberg um den von reaktionären Freikorps im Januar 1919 ermordeten Revolutionären Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zu gedenken. Unter dem Motto “Der Kapitalismus klaut – Klau zurück!” mobilisierte die ALB zu einem antifaschistischen und antikapitalistischen Block. _19.01. Berlin Zwei 23-jährige Kameruner wurden in der Werneuchener Straße von einen 51-jährigen Hohenschönhausener beleidigt. Bei einem anschließenden Gerangel wurde der Pöbler leicht am Auge verletzt. Sein 21-jähriger Sohn ging daraufhin auf die beiden

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31.01.04 // Hamburg // Naziaufmarsch gegen Wanderausstellung // Mehrere tausend Antifas beteiligten sich an Gegendemonstration Für den 31. Januar hatten Neonazis, die sich selbst als Freie Nationalisten bezeichnen, einen Aufmarsch durch Hamburg geplant. Anlass war die letzte Station der Wanderausstellung “Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941-1944”, die von Januar bis März 2004 in der Kampnagelfabrik in Hamburg-Winterhude gezeigt wurde. Wo immer diese Ausstellung gastierte, wurde sie von neonazistischen Provokationen überschattet. Neonazis versuchten in der Öffentlichkeit Wehrmacht und Waffen-SS zu verharmlosen und bemühten sich, die Verbrechen der Wehrmacht als ruhm- und verdienstvolle Großtaten darzustellen. Hierfür nahmen sie (und nehmen weiterhin) Bezug auf ihre Großväter, die in der Wehrmacht “tapfer” kämpften und bis zur totalen Niederlage Nazideutschlands für Volk und Reich einstanden. Bezeichnender Weise trugen Neonazis, wenn es ihnen gelang ihr nazistisches Weltbild nahe der Wanderausstellung öffentlich zu artikulieren, Transparente mit sinnfreien Parolen wie “Opa kämpfte tapfer” und “Unsere Großväter waren keine Verbrecher”. Die Verharmlosung und Huldigung des deutschen Faschismus wollten Antifa-Gruppen aus Norddeutschland nicht hinnehmen. Den Nazis sollte die Straße nicht überlassen werden. Für die bundesweit anreisenden Nazis sollte der 31. Januar zum Desaster gemacht werden. Unterstützung erfuhren die norddeutschen Antifas aus dem gesamten Bundesgebiet. In vielen Städten wurden Infoveranstaltungen durchgeführt und Mitfahrgelegenheiten nach Hamburg organisiert. Um dem Kult der Heldenverehrung deutscher Wehrmachtangehöriger entgegenzutreten mobilisierten Berliner Antifas unter dem Motto “Opa halt´s Maul - Deutsche Täter sind keine Opfer!” nach Hamburg. Die antifaschistische Demonstration wurde von mehreren tausend Menschen besucht. Trotz dieser hohen TeilnehmerInnenzahl konnte der Naziaufmarsch nicht gestoppt werden. Bedauernswerter Weise wurde der

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Beginn der Antifa-Demo von internen Querelen überschattet, die auch zu körperlichen Attacken zwischen den TeilnehmerInnen führten. Anlass hierfür bildete die Positionierung einiger DemonstrantInnen zum Nah-OstKonflikt, der sie mit dem Zeigen von Nationalfahnen Ausdruck verliehen. Die Hamburger Polizei war während der gesamten antifaschistischen Demo zahlreich und mit schwerem Gerät vertreten. Viele Leute mussten bei winterlichen Temperaturen Bekanntschaft mit einer Dusche aus dem Wasserwerfer machen. Auch wenn die neonazistische Provokation nicht gestoppt wurde, ist mit der zahlreich besuchten antifaschistischen Demo ein klares Zeichen gegen die Verharmlosung der Verbrechen des deutschen Faschismus gesetzt worden.

10.01.04 // Berlin // 200 Neonazis demonstrierten durch Lichtenberg // Solidaritätsbekundung für Naziband “Landser” Für Samstag, den 10. Januar 2004, hatte der Hamburger Neonazi Christian Worch einen Aufmarsch durch Berlin-Lichtenberg angemeldet. An diesem Naziaufmarsch nahmen ca. 200 Neonazis aus dem Spektrum der Freien Kameradschaften teil. Auch die Berliner Nazigruppe BASO beteiligte sich. Die Neonazis wollten Solidarität mit der Naziband “Landser” bekunden. Gegen den Sänger und Texter der im neonazistischen Spektrum äußerst beliebten Band, Michael Regener, sowie gegen die anderen Bandmitglieder wurde 2003 prozessiert. Vom Berliner Kammergericht wurden Bewährungsstrafen und gegen den Sänger sogar eine Haftstrafe verhängt. Die Neonazidemo begann am Bahnhof Lichtenberg, führte über die Frankfurter Allee zum Rathaus Lichtenberg und endete an ihrem Ausgangspunkt. Aufgrund der hohen Polizeidichte gelang es nur wenigen AntifaschistInnen in unmittelbare Nähe der Nazis zu gelangen und ihren Protest zu artikulieren. Nach Beendigung des Naziaufmarsches kam es am S-Bhf. Baumschulenweg ausgehend von einer größeren Gruppe Neonazis zu einem Überfall auf drei Punks, die schwere Verletzungen davontrugen. Die Berliner Polizei stellte später 22 Nazis in einer Straßenbahn. A n t i f a

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Kameruner mit einem Teleskopschlagstock los und verletzte beide am Kopf. Vater und Sohn waren bereits polizeilich bekannt. _23.01. Berlin 20 Nazis trafen sich in der Brückenstraße und zogen nach Oberschönweide wo sie FAF-Propaganda verklebten. _26.01. Berlin Vor der Einweihung der Gedenktafel für den ehemaligen jüdischen Friedhof in der Gehsener Straße in Köpenick malten Nazis ein zwei mal zwei Meter großes Hakenkreuz in den Schnee. Die Polizei war nicht gewillt dies zu melden und verwischte das Symbol. _29.01. Berlin Jugendliche, die die “Uns Reichts Schon Lange” [U.R.S.L.] von der T.A.G. an der Hans-GradeRealschule in Johannisthal verteilten, wurden von Schülern als “Antifa-Neger” beschimpft. _30.01. Berlin Mitglieder der KS-Tor hängten in Friedrichshain ein Transparent mit “Hitler was ‘33 right” auf.


Februar

23.02.04 // “Horst Wessel” Todestag Gedenken von Neonazis

_01.02. Berlin Die Wohnung eines Jugendlichen in Johannisthal wurde von mehreren Nazis mit Flaschen beworfen. Die Täter konnten flüchten. In der selben Nacht tauchten am Kino „Astra“ (Sterndamm) Hakenkreuze und andere Nazischmierereien auf.

In den letzten Jahren setzen sich Neonazis verstärkt auch öffentlich mit NS-Größen aus dem 3. Reich auseinander, um historische Daten für Aufmärsche, Demonstrationen und Aktions-Wochen zu nutzen. Es werden Persönlichkeiten aus dem Nationalsozialismus in einen positiven historischen Kontext gesetzt, um zum einen die Brücke zwischen Alt- und Neonazis zu schlagen, und zum anderen für die aktionsinteressierten jüngeren unter ihnen einen gemeinsamen interessanten "Event" zu organisieren. Neben Rudolf Heß, zu dessen Todestag Rechtsextreme aus ganz Europa zum Grab nach Wunsiedel pilgern, ist Horst Wessel eine der Figuren die schon zu Zeiten des Nationalsozialismus als integrative Märtyrerfigur hochstilisiert wurde.

_02.02. Potsdam Demonstration von ca. 40 AntifaschistInnen auf dem Potsdamer Bassinplatz unter dem Motto “Was wir vergessen, verraten wir” zum 61. Jahrestag des Sieges bei Stalingrad. _02.02. Berlin Rechter Übergriff am U-Bhf. Tierpark durch ein Dutzend Neonazis auf eine Gruppe von ca. neun alternativen Jugendlichen. Nach dem Eintreffen der Polizei wurden die Personalien der Rechten aufgenommen. Die Linken kamen mit leichten Verletzungen davon. _06.02. Berlin Am Frankfurter Tor bedrohten und verprügelten vier Neonazis zwei linke Jugendliche und wurden später von der Polizei aufgegriffen, aber nur kontrolliert. _08.02. Berlin Nazis beschmierten ein italienisches Restaurant im Treptower Ortsteil Altglienicke mit Hakenkreuzen. An einem Fester entdeckte die Polizei auch einen SS-Schriftzug.

Am 23. Februar, dem Todestag von Horst Wessel, versuchen Neonazis ganz in alter Tradition ihrem "Idol" zu gedenken. Der Grabstein wurde zwar nach dem 2. Weltkrieg von den Alliierten geschliffen und unkenntlich gemacht, aber Neonazis versuchten immer an diesem Tag Demonstrationen oder genehmigte Mahnwachen auf dem Friedhof anzumelden. Diese wurden in den 90er Jahren verboten, bis 1999 Innensenator Werthebach (CDU) einen Aufmarsch mit Fackeln, Fahnen und Trommeln zur Grabstätte zuliess. Neben den Aktionen in Berlin, wurde immer wieder versucht den Todestag auch bundesweit mit Aktionen zu etablieren; z.B. wurde 2000 in Potsdam auf dem jüdischen Friedhof ein Holzkreuz mit dem Namen von H. Wessel aufgestellt. 2002 wurden in Nordwestmecklenburg Handzettel verteilt und Plakate zum Gedenken "der Toten Heldenruhm" verklebt. Und in den 90ern gab es sogar die bundesweit auftretende "Freie Kameradschaft Horst-Wessel-Saarlautern". Auch 2004 wollten ein Dutzend Neonazis, vor allem aus dem Umfeld der KS-Tor, den Friedhof in der Mollstraße aufsuchen, aber 70 Antifas blockierten in Anwesenheit von 10 Polizisten den Friedhof. Alternativ zogen die KameradInnen vor das Krankenhaus Friedrichshain, welches 1934 nach "Horst Wessel" benannt wurde. Am Eingang wurde sich hübsch postiert, ein paar Fotos geschossen, und anschliessend im Umkreis noch ein paar Aufkleber angebracht.

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Neben dem eigentlichen Gedenken verklebten Neonazis auch noch massiv Plakate in Lichtenberg. Diese wurden aber schon kurze Zeit später umweltgerecht beseitigt. Um die Fortsetzung des Gedenkens an Horst Wessel vom Nationalsozialismus bis heute zu verstehen, muss man sich seine Geschichte betrachten, in der er es vom lebenden Straßenkämpfer zum toten Nationalheiligen schaffte und über den der Reichspropagandaminister dichtete: Er sei eine Art "brauner Christus", der rufe "Kommt zu mir, ich will Euch erlösen". Geboren 1907 in Bielefeld trat Horst Wessel nach einer politisch kämpferischen Jugend (Mitglied der Bismarck-Jugend, später auch Wiking-Jugend) 1926 der NSDAP bei. Im selben Jahr begann er auch sein Jurastudium. Ab 1929 war er SA-Sturmführer in Berlin. Hier tat er sich vor allem im "roten Bezirk" Friedrichshain hervor, der von den Nationalsozialisten später den Namen "Horst-Wessel-Stadt" erhielt. Hatte er anfangs nur ein Trupp von knapp 30 Untergebenen, so waren es bei seinem Tod knapp 250 Mitglieder in seinem Trupp "SA-Sturm 5" (darunter auch übergelaufene Rotfront-Kämpfer!). Am 14.1.1930 wurde Wessel von dem angeblichen früheren Zuhälter seiner Freundin Albrecht "Ali" Höhler angeschossen und verstarb an den Folgen der Verletzungen am 23.2.1930 an einer Blutvergiftung. Das ganze sollte erst eine Abreibung von einem kommunistischen Stoßtrupp für H. Wessel werden, eskalierte aber mit den Schüssen von A. Höhler. Da der Gelegenheitskriminelle A. Höhler Kommunist war (was die KPD aus Repressionsgründen bestritt) ergriff Joseph Goebbels, ein guter Freund Wessels, die Chance und erschuf einen "Volkshelden". Seine Beisetzung wurde pompös begangen und das "Horst Wessel"-Lied (von ihm selbst umgedichtetes Lied, welches eigentlich dem Rotfrontkämpferbund gewidmet war) wurde Parteihymne der NSDAP. Die Stilisierung zum Märtyrer führte zu verschiedenen Umbenennungen. Neben dem Bezirk Friedrichshain wurde das KarlLiebknecht-Haus, der heutige Rosa Luxemburg Platz und das Krankenhaus Friedrichshain nach ihm benannt. Aus dem Organisator faschistischen Straßenterrors wurde eine Art Nationalheiliger geschaffen.

_13.02. Rheinsberg Mehrere rassistische Anschläge auf Imbisswagen und Restaurants, brachte 400 Menschen aus einem breiten Bündnis von Antifa bis CDU unter dem Motto “Demonstration gegen Rassismus und rechte Gewalt” auf die Strasse. _14.02. Berlin Etwa 25 Neonazis, die vom Naziaufmarsch aus Dresden kamen, griffen 13 Antifas, die ebenfalls im Zug saßen, am Ostbahnhof an und jagten sie auf die Straße hinaus. _18.02. Berlin Beginn des Prozesses in BerlinMoabit gegen Horst Mahler (Rechtsanwalt), Reinhold Oberlercher (Referent/ Publizist) und Uwe Meenen (Kreisvorsitzender der NPD Würzburg) wegen Volksverhetzung und Leugnung des Holocaust. _18.02. Berlin Am S-Bhf. Warschauer Straße griffen drei Neonazis einen 39jährigen Kolumbianer an. Während der Großteil der Anwesenden zuguckt, bemühten sich vier Jugendliche zu helfen. Die flüchtenden Neonazis wurden dann auf der Warschauer Brücke von der Polizei in “Empfang” genommen. _19.02. Berlin Am U-Bhf. Frankfurter Tor wurden SS-Runen, der Schriftzug “Arbeit macht frei!” und ein Hakenkreuz geschmiert.


März

13.03.04 // Berlin // Demo gegen den “rassistischen Alltag in Köpenick”

_06.03. Berlin Anlässlich des Internationalen Frauentages am 8.3.2004 fand in Köpenick eine Frauen - Lesben Transgender - Demo unter dem Motto “Gegen Rassismus, Sexismus und Arbeit” statt. Bei schlechtem Wetter sammelten sich ca. 150 Frauen am S-Bhf. Köpenick und demonstrierten Richtung Abschiebeknast Grünau, wo die Abschlusskundgebung stattfand.

Am 13.03.2004 fand die “Warm up”-Demo der Kampagne “Endlich weg damit! NPD-Zentrale abreißen. Abschiebeknäste abschaffen!” unter dem Motto “Gegen den rassistischen Alltag in Köpenick!” statt. Mit diesem Motto wurden sowohl Nazischläger als auch die sich in der Seelenbinderstraße 42 befindende Bundeszentrale der NPD thematisiert, die als Hort eines neonazistischen Programms gilt. Aber auch der Abschiebeknast Grünau, in dem Flüchtlinge zwangsweise auf ihre Abschiebung warten müssen, wurde unter „rassistischen Alltag“ subsumiert.

_07.03. Berlin S-Bhf. Köpenick. Gegen 4 Uhr morgens wurden vier linke Jugendliche von drei Rechten getreten und geschlagen. Im Anschluss daran zeigten sie den Hitlergruß. _08.03. Berlin In der Nacht wurden wieder Plakate im Gedenken an den Faschisten Horst Wessel in Altglienicke geklebt. _13.03. Bochum Die Polizei verbot eine Demonstration der Nazis gegen den Bau einer Synagoge. Das Verbot wurde von den Gerichten bestätigt. Die angemeldete Gegendemonstration fand trotzdem statt, ca. 1000 Personen nahmen daran Teil. _17.03. Berlin Die Demo gegen den Beschluss des Berliner Doppelhaushaltes startete an der Eberswalder Straße. Die Abschlusskundgebung wurde vor dem Roten

Die Demo startete am SBhf. Köpenick, wo sich ca. 900 Personen eingefunden hatten. Vor der Anfang des Jahres 2000 von Stuttgart nach BerlinKöpenick gezogenen Bundeszentrale der NPD wurde eine Zwischenkund-gebung abgehalten. Die NPD-Zentrale wurde mit Wasserwerfern, Räumpanzern und mindestens einer Hundertschaft Polizisten geschützt. Neben der Berliner Polizei waren auch sich in der Zentrale befindende Neonazis eifrig dabei, möglichst alle TeilnehmerInnen abzufilmen. Auf dem Weg zum Abschiebeknast Grünau kam es mehrmals zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, mindestens eine Festnahme war zu verzeichnen. Der Abschiebeknast wurde mit Gittern abgeschirmt und es standen ebenfalls Wasserwerfer und Räumpanzer bereit. Da aber der Fahnenmast ungeschützt blieb, dauerte es nicht lange, bis die BRD-Fahne entwendet wurde. Vor dem Abschiebeknast wurde die Abschlusskundgebung abgehalten; es wurden Redebeiträge über das System Abschiebeknast als Prinzip der Ausschließung in Deutschland unerwünschter Personen und den miserablen Haftbedingungen für Flüchtlinge verlesen, anschliessend wurden die Gefangenen in mehreren Sprachen gegrüßt. Dann zogen die DemoteilnehmerInnen Richtung S-Bhf.

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Spindlersfeld. Auf dem Weg wurden einzelne DemonstrantInnen aus dem Fenster eines Hauses mit Eiern beworfen. Einige Leute versuchten in das Haus zu gelangen, wurden aber von der Polizei, die bereits Stellung bezogen hatte daran gehindert. Bei den hierauf einsetzenden verbalen Auseinandersetzungen wurden einige stadtbekannte Zivilpolizisten entlarvt.

31.03.04 // Hamburg // Naziaufmarsch gegen Wanderausstellung // 2000 Antifas beteiligten sich an Gegendemo Nachdem Neonazis schon am 31.01.2004 in Hamburg gegen die Wanderausstellung “Verbrechen der Wehrmacht - Dimensionen eines Vernichtungskrieges 1941-1944” demonstrierten, wollten sie dies an diesem Tag wiederholen. Aus diesem Grund versammelten sich ca. 2000 Antifas ab 10 Uhr in Hamburg. Die Antifa-Demo verlief größtenteils friedlich; sie wurde nur einmal gestoppt, da gegen dass Vermummungsverbot verstoßen worden sein soll. Auf der Kreuzung Herderstr./ Weidestraße wurde die Abschlusskundgebung abgehalten und um 12.40 Uhr wurde die Demo für beendet erklärt. Wenig später wurden die letzten auf der Kreuzung verbliebenen DemonstrantInnen von der Polizei zurückgedrängt. Der geplante Startzeitpunkt der Nazidemo war auf 13 Uhr gesetzt. Aufgrund eines Staus auf der A1 wurde der Beginn des Naziaufmarsches vom Organisator, dem Neonazi Christian Worch auf 15.30 Uhr verschoben. Auf ihrem Weg zur Wanderausstellung mussten die Nazis Protest von BürgerInnen und autonomem Antifas hinnehmen. Auch die Zwischenkundgebung, welche die Ehrung der Angehörigen der Waffen-SS beinhaltete, wurde von lautstarkem Protest begleitet. Nach dieser Kundgebung ließ der Protest dann aber deutlich nach.

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Rathaus abgehalten. An der Demo beteiligten sich bis zu 1000 Menschen. _19.03. Berlin Vor der NPD-Zentrale in Köpenick bedrohten gegen 21 Uhr zwei Nazis zwei Jugendliche mit einem Schäferhund. Sie schlugen die Jugendlichen ins Gesicht und beschuldigten sie die NPD-Zentrale mit Flaschen beworfen zu haben. _20.03. München Ca. 100 Nazis marschierten “Gegen den US-Imperialismus” in München zum US-Generalkonsulat, wo sie auch ihre Abschlusskundgebung abhielten. Sie wurden von ca. 1200 USK-Polizisten beschützt. Die 500 Gegendemonstranten wurden von der Polizei auf Ent-fernung gehalten.14 Menschen wurden in Gewahrsam genommen, darunter ein Nazi. _20.03. Oranienburg In Oranienburg nahmen unter dem Motto “Gleiche Würde Gleiches Recht” ca. 100 Personen an einer antirassistischen Demonstration teil. Die Demo begann an der Gedenkstätte Sachsenhausen und endete am Gedenkstein der Reichspogromnacht. Sie wurde von einem großen Polizeiaufgebot begleitet, es kam zu einer Festnahme.


April _01.04. Berlin Acht Neonazis mit Thor-Steinar Sachen sowie KS-Tor T-Shirts bewegten sich pöbelnd von der Frankfurter Allee durch die Mainzer Straße zur Tram 23 und verschwanden dann in Richtung Lichtenberg. _03.04. Berlin Auf der Demo gegen Sozialabbau wurde der “Wir wollen Alles”Block gleich von Anfang an im Wanderkessel begleitet. Es flogen Farbbeutel gegen ausgesuchte Ziele, was die Polizei mit Angriffen auf den Block beantwortete. Zur gleichen Zeit wurde ein Gebäude in der Oranienburger Straße besetzt. Die Polizei ging brutal gegen die Besetzer vor. _03.04. Neubrandenburg Etwa 350 Nazis, größtenteils aus Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Berlin, wollten an diesem Tag gegen die Agenda 2010 marschieren. Ca. 700 Antifas hatten sich eingefunden um sie mit einer Sitzblockade daran zu hindern. Diese wurde von der Polizei nicht aufgelöst und so konnten die Nazis schon 500 Meter hinterm Bahnhof nicht weitermarschieren. Nach ca. einer Stunde Stillstand entschieden sie die Route ihres Aufmarsches zu kürzen. Eine weitere Sitzblockade stoppte auch diese noch einmal kurz vor der Abschlusskundgebung am Rathaus.

14. - 20.04.04 // Berlin // Maisteine “Sag Ja zum Nein” , unter diesem Motto fanden ca. drei Wochen vor dem 1. Mai die Maisteine statt, die im Zeichen des sozialen Widerstandes und einer grundsätzlichen Kritik des kapitalistischen Verwertungs-systems standen. Die VeranstalterInnen suchten ausgewählte Örtlichkeiten Berlins auf, um mit kreativen Aktionen deren repressiven Charakter aufzuzeigen. Aufmerksam gemacht wurde aber auch auf jene Institutionen, die duchaus Annehmlichkeiten zu bieten haben - nur eben nicht für den Großteil der Bevölkerung. An den Maisteinen beteiligten sich zahlreiche Gruppierungen; maßgeblicher Initiator war das zu Beginn des Jahres 2004 gegründete Netzwerk ACT!. Neben einer adäquaten Antwort auf den neoliberalen Sozialraub, sollten die Maisteine auch für die Revolutionäre 1. Mai Demo mobilisierend wirken. Im folgenden werden alle Aktionen der Kampagne dargestellt.

die viel zu teuren Fahrscheine, die sich viele Menschen nicht leisten können. Dies führt zur Einschränkung ihrer Mobilität und im Ergebnis ist ihre Teilnahme am gesellschaftlichen Leben nicht gesichert. Vor der BVG-Zentrale endete die Demo die nun ca. 1000 TeilnehmerInnen zählte. Es gab keine Festnahmen. 19.04. BVG zum Nulltarif Vor der BVG-Zentrale wurde eine Kundgebung abgehalten, um gegen die Abschaffung des Sozialtickets und die hohen Ticketpreise zu protestieren. UmsonstfahrerInnen wurden mit Sekt und Schnittchen empfangen. Es wurden Redebeträge gehalten und Flyer an PassantInnen verteilt. Etwa 250 Menschen beteiligten sich an dieser Aktion. 21.04. Hausdurchsuchung der PDS-Zentrale Als Polizisten verkleidete Mitglieder von ACT! und [‘solid] “durchsuchten” die Zentrale der PDS, um die Partei an ihr Wahlversprechen zu erinnern, eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten einzuführen.

14.04. Festbankett auf dem Hermannplatz Ca. 200 Leute bedienten sich an Speisen und Getränken die für “alle und zwar umsonst” auf der Festtafel bereit standen. 17.04. MOMA für alle Vor der Neuen Nationalgalerie sammelten sich ca. 350 Leute um “das MOMA umsonst” zu besuchen. Die Polizei wollte das Bedürfnis der kostenfreien Teilhabe am kulturellen Geschehen unterbinden: Sie verteilte Platzverweise und nahm mehrere Kunstinteressierte fest. Nachdem die Ausstellung an diesem Tag vorzeitig geschlossen wurde, zogen die Leute gemeinsam mit den TeilnehmerInnen der “BVG-Demo” Richtung BVG-Zentrale. 17.04. BVG und Senat die Zähnezeigen Die Demo startete am Breitscheidplatz mit ca. 350 Leuten. Gefordert wurde die Wiedereinführung des Sozialtickets; kritisiert wurden

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21.04. Risikoabschirmung Protestaktion gegen die private Selbstbereicherung auf Kosten der Allgemeinheit auf dem Alexanderplatz. Thematisiert wurde der Berliner Bankenskandal und die Kostenabwälzung mit dem “RisikoabschirmungsGesetz” auf die Berliner Bevölkerung. Redebeiträge wurden unter anderem von dem Politologen Prof. Dr. Peter Grottian (FU) gehalten. Danach wurde Fußball gespielt und gemeinsam gespeist. Es beteiligten sich ca. 150 Menschen daran. 22.04. Orte des sozialen Grauens Auf dem Leopoldplatz sammelten sich ca. 100 Leute und lauschten zunächst Redebeiträgen bis sie sich zu

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_06.04. Berlin Drei Neonazis misshandelten einen vietnamesischen Imbissbetreiber Glienicker/ Rudower Straße in Köpenick. Da er kein Bier für sie anschreiben wollte, prügelten sie ihn mit Holzlatten und traten ihn. _09.04. Berlin Elf Neonazis in Thor-Steinar und “Ultima Thule” (schwedische Rechtsrockband) Sachen zogen aggressiv pöbelnd die Frankfurter Allee entlang. Auf dem Weg zum S-Bhf. Warschauer Straße provozierten sie Rangeleien mit vermeintlichen Linken. _10.04. Berlin Ca. 150 Leute sammelten sich im Zuge der Autoorg-Wochen vor dem Roten Rathaus in Mitte und demonstrierten dann in Richtung Kreuzberg. Zwei Hundertschaften der Polizei begleiteten sie dabei in Manndeckung. Am Ende gab es zwei Festnahmen. _14.04. Berlin Am S-Bhf. Treptower Park pöbelten drei BFC-Hooligans zwei Passanten an und schlugen sie mehrfach. _18.04. Brandenburg Ein bekannter Friedrichshainer Neonazi wurde bei einer Wehrsportübung im Wald bei Finowfurt mit anderen Neonazis zusammen vom SEK festgenommen.


_24.04. Berlin Die linke Party "Le Monde est á nous" in der Feuerwache Schöneweide wurde erfolgreich vor Naziangriffen geschützt. Hausbesetzungen im Zuge der Autoorganisation (Kongressund Aktionswoche selbstorganisierter Strukturen): 07.04. - Reclaim the streets in Friedrichshain und Kreuzberg 08.04. - Besetzung in der Hausburgstraße 09.04. - Besetzungen in der Libauer Str., Colbestr., Scharnweberstr., Döringstraße 10.04. - Besetzung Corinthstr. 10.04. - Besetzung Edisonstr., Wilhelminenstraße _21.04. Bernau Etwa 100 Neonazis, unter anderen von der BASO, KS- Tor und MHS demonstrierten gegen eine von ca. 30 Personen besuchte Infoveranstaltung über den MHS im Bernauer Jugendclub “Dosto”. Da Antifas eine eigene Demo schneller anmeldeten, musste die Nazidemo verlegt werden. Außerdem gelang es Antifas trotz verstärkten Polizeiaufgebots das Fronttransparent der KameradInnen zu entwenden.

einer Spontandemo formierten und Richtung Arbeitsamt-Wedding liefen. Dort angekommen wurden Flyer an wartende Arbeits(un)willige verteilt und eine Umfrage durchgeführt, um den “Weddinger Amtstyrann 2004” zu küren. Das gesamte Amt wurde als “tyrannische Institution zur Unterwerfung von Menschen unter das Diktat des Marktes” ernannt. Anschliessend wurde der undotierte Preis an einen Mitarbeiter des Amtes übergeben. 24.04. Tour de Luxe Die Tour mit 150 Leuten führte joggend und radelnd im schnellem Tempo an verschiedenen Berliner Luxushotels vorbei. Die “weltoffenen” Hotels und die Polizei gestatten aber keinen Einlass. Stattdessen beteiligten sich die DemonstrantInnen vor den Hotels an sportlichen Aktivitäten. Krönenender Abschluss war eine Wasserbombenschlacht vor dem Hilton - als Einstimmung auf den 1. Mai ... 24.04. Antikolonialer Spaziergang Es fanden sich ca. 50 Leute im Weddinger Afrikanischen Viertel ein, um Richtung Kleingartensiedlung “Dauerkolonie Togo” zu demonstrieren. Unterwegs wurden Redebeiträge zu den Straßennamen des Viertels, zur Geschichte der Kleingartenkolonie, der politischen Lage in Togo und zu Abschiebungen aus der BRD verlesen. 25.04. Wedding Contest Es sammelten sich ca. 100 Leute um dem Blutmai 1929 (blutig niedergeschlagene Arbeiterunruhen in Neukölln Wedding) zu gedenken. Zudem wurde sich wiederum auf den 1. Mai vorbereitet; unter anderem wurde der Barrikadenbau und dessen Verteigung trainiert. 26.04. BVG Aktion “Fährst du noch oder lebst du schon?” Die zweite Protestkundgebung gegen die Preistreiberei der BVG fand vor deren Zentrale statt. Wieder wurden diverse Redebeiträge gehalten und Flyer unter PassantInnen gebracht. Es beteiligten sich diesmal ca. 100 Leute.

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Interview mit FelS "Wir wollen es uns nicht leicht machen" Köpenick-Kampagne, ACT!, 1.Mai sind einige der Stichworte im folgenden Interview, das wir Ende November mit Mitgliedern der FelS-AG Antifaschismus/ Antirassismus geführt haben. FelS - Für eine linke Strömung - arbeitet bereits seit 1992 in Berlin und gibt vierteljährlich die Zeitschrift "Arranca!" heraus. Zusammengesetzt ist FelS aus mehreren Arbeitsgruppen (AG), die sich vorrangig den Themen sozialer Widerstand, internationale Politik und Antifaschismus/Antirassismus widmen. Die Gruppe ist Teil des ACT!-Bündnisses. Das Jahr 2004 ist vorbei. Zufrieden? Eher nicht unzufrieden. FelS ist aktiver geworden, wahrnehmbarer, größer. Wir haben in einigen Bündnissen und Kampagnen mitgearbeitet bzw. diese ins Leben gerufen. Und es gibt mit dem Projekt ACT! seit Jahren erstmalig einen ernsthaften Versuch, den Kleingruppen-Isolationismus zu überwinden. Für uns als AG Antifaschismus/Antirassismus stand die KöpenickKampagne im Mittelpunkt der praktischen Arbeit. Knüpfen wir hier an. Die Köpenick-Kampagne richtete sich zum einen gegen den Bau eines sogenannten Nationalen Schulungszentrums auf dem Gelände der NPD-Bundeszentrale und zum anderen gegen den Abschiebeknast in Köpenick. Beide existieren noch - trotz Eurer Forderung, diese Einrichtungen abzureißen. Der Erfolg einer Kampagne misst sich nicht an der Erfüllung einer Maximalforderung. Unser Motto "NPD-Zentrale abreißen Abschiebeknäste abschaffen" sollte mehr ausdrücken als diffuse Unzufriedenheit mit den Zuständen im Abschiebeknast oder eine allgemeine Abneigung gegen Nazis. Aber insgesamt werten auch wir die Kampagne nicht als Erfolg. A n t i f a

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Warum? Immerhin hatte die Demonstration im Juni etwa 2000 TeilnehmerInnen. Vielleicht sogar noch ein paar mehr. Aber das ist egal: Eine Demonstration ist keine Kampagne. Wir hatten gehofft, durch Veranstaltungen, Straßenaktionen, Ausstellungen etc. und die Zusammenarbeit mit Initiativen, Parteien und Organisationen außerhalb des Antifa-Spektrums auch KöpenickerInnen für das Thema zu sensibilisieren - und eine öffentliche Diskussion um NPD und Abschiebknast anzustoßen.

Nach dem erfolgreichen Start der "Mai-Steine" geriet die "Revolutionäre 1.Mai-Demo" ja geradezu zum Fiasko. Nur drei- bis viertausend TeilnehmerInnen, schlechte Stimmung... ...was ja auch an der guten Stimmung in Friedrichshain lag! Klar, die laue Mobilisierung, der Auftaktort Potsdamer Platz, vielleicht auch das Bündnis mit manchen Politsekten sind ebenfalls schuld. Außerdem war der Kampf gegen den Nazi-Aufmarsch in Friedrichshain eine deutlich klarere Sache als eine Demo für die ziemlich abstrakte "Revolution". Da müssen wir uns für 2005 einiges überlegen.

Eine große Demo ist doch nicht schlecht. Aber der Arbeitsaufwand ist, gemessen an der geringen öffentlichen Wirkung, riesig. Und wir lehnen eine vor allem auf die linksradikale subkulturelle Szene bezogene Event-Politik ab. Statt bestimmte Aktionsformen ewig und vor allem unreflektiert zu wiederholen, sollten antifaschistische Gruppen ihre Ziele, Zielgruppen und entsprechende Praxis bewusster bestimmen. Man beschmutzt sich als Linksradikaler nicht, wenn man ein Flug-blatt für BürgerInnen schreibt und verteilt und Politik nicht nur für Anfang 20-Jährige macht.

Was habt ihr 2005 sonst noch vor? Als FelS-AG werden wir unter anderem die Aktionen gegen den Nazi-Aufmarsch in Magdeburg am 15. Januar durch eine Mobilisierung in Berlin unterstützen. Ansonsten werden wir weiterhin zu Köpenick arbeiten. FelS bereitet innerhalb von ACT! Proteste gegen "Hartz IV" vor. Eine der nächsten größeren Aktionen ist der "Agenturschluss" am 3. Januar. Auch im Vorfeld des 1. Mai und am 1. Mai selbst wird es wieder Aktionen geben. Und der 8. Mai ist natürlich von Bedeutung, nicht nur weil die NPD einen Aufmarsch plant. Eine letzte Frage: FelS ist, trotz seiner langen Existenz, nicht so bekannt wie andere linksradikale Gruppen in Berlin. Hängt ihr nur herum?

"BürgerInnen ansprechen" klingt für viele nach Verzicht auf revolutionäre bzw. militante Politik. Das ist Unsinn. Revolutionäre Politik kann keine elitäre Politik sein. Und Militanz an sich ist nicht revolutionärer als andere Politikformen. Die Mai-Steine-Kampagne hat gezeigt, dass ein bewusster, manchmal spielerisch-ironischer Umgang mit Militanz sinnvoller ist, als der Auftritt als grimmiger "Schwarzer Block".

Nein, bestimmt nicht. Aber unsere Arbeitsschwerpunkte stimmen nicht immer mit der Konjunktur in der Linken überein. Wir halten es für besser, kontinuierlich zu unseren AGThemen zu arbeiten, uns an Bündnissen zu beteiligen, die bisherige Praxis zu hinterfragen, Austausch und Diskussionen zu fördern. Unser Anspruch ist es, Politik längerfristig anzulegen und wirksam werden zu lassen, also tatsächlich Menschen zu politisieren, statt nur mitzureißen. Dass wir diesem Anspruch kaum gerecht werden, ändert nichts daran, dass wir ihn für richtig halten. Wir wollen es uns nicht leicht machen.

Die "Mai-Steine" waren die ersten öffentlichen Aktivitäten des neuen ACT!-Bündnisses. Einige Aktionen wie z.B. das luxuriöse Büffett auf dem Hermann-Platz machten sogar Schlagzeilen. Innerhalb der undogmatischen Linken stieß das Bündnis auf Interesse und Sympathie. Was ist ACT! ? Welche Gruppen arbeiten in diesem Projekt mit? Neben FelS und der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB) sind die Gruppen "autopool" und "SI" am ACT!-Projekt beteiligt, also insgesamt fast 100 Menschen. Trotz früherer Streitigkeiten und zum Teil bis heute unterschiedlicher Politikauffassungen arbeiten die Gruppen im Bündnis eng zusammen. Gemeinsames Ziel ist es, die Wahrnehmbarkeit linksradikaler Positionen in der Öffentlichkeit zu erhöhen, Widerstand zu bündeln.

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FelS - für eine linke Strömung Postanschrift: FelS; c/o Schwarze Risse Gneisenaustrasse 2; 10961 Berlin Internet: www.nadir.org/nadir/initiativ/fels kontakt: fels@nadir.org, arranca@lists.nadir.org

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Mai _08.05. Berlin Etwa 30 Neonazis störten eine Veranstaltung des Bund der Antifaschisten zum “Tag der Befreiung” am Treptower Ehrendenkmal. Neben Reichskriegsflaggen entrollten sie ein Transparent mit einem Zitat des russischen Propagandisten Ilja Ehrenburg aus dem 2.Weltkrieg mit der Aufschrift “Tötet alle Deutschen”. Das Zitat wird öfter von Neonazis benutzt, um die Verbrechen des Nationalsozialismus zu relativieren und anderen Staaten ähnliche rassistische Absichten vorzuwerfen. Bewusst verschwiegen wird, dass dieses Zitat unter dem Eindruck des deutschen Überfalls auf Russland und der Massenmorde an sowjetischen Juden entstanden ist. Fast alle Neonazis wurden nach ihrer Provokation festgenommen. _14.05. Berlin In der Nacht zum 15. Mai wurde ein Jugendlicher vor dem “Video Inn” in der Egon-Erwin-KischStraße (Falkenberg) von einer Gruppe Neonazis angepöbelt und unvermittelt ins Gesicht geschlagen. Er wurde dabei an der Nase verletzt, konnte sich aber verteidigen und fliehen. _20.05. Berlin Die Aktion auf dem Petersburger Platz “Angsträume beseitigen! Rassisten und Sexisten die Hegemonie nehmen!” am Vatertag wurde nicht von Rechten

01.05.04 // Berlin // Antifaschistische Demo gegen Naziaufmarsch // Blockaden und brennende Barrikaden stoppen Nazis

über Stunden an einer Tankstelle festgehalten. Mehr Infos zum Naziaufmarsch, den Gegenaktivitäten und der folgenden staatlichen Repression: www.mai-berlin.de.vu // www.antifa-fh.de.vu

Am 1. Mai wollten ca. 3000 Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet unter dem Motto “Volksgemeinschaft statt Globalisierungswahn”durch Friedrichshain und Lichtenberg marschieren. Sind NPD und neonazistische Kameradschaften in den letzten Jahren getrennt voneinander am 1. Mai aufmarschiert, so wollten sie in diesem Jahr anscheinend Einigkeit demonstrieren, denn beide Nazifraktionen mobilisierten zu einem gemeinsamen Aufmarsch nach Berlin. Ihr Versuch, den 1. Mai für ihre rassistische Hetze zu vereinnahmen, gelang ihnen aufgrund des starken antifaschistischen Widerstandes aber nicht. Nachdem eine von mehreren tausend TeilnehmerInnen besuchte antifaschistische Demonstration am Boxhagener Platz in BerlinFriedrichshain aufgelöst wurde, blockierten Antifas die Frankfurter Allee um den Nazis ihre Aufmarschstrecke streitig zu machen. Auch die Lichtenberger Brücke, die zum Startpunkt des Naziaufmarsches gehörte, wurde blockiert. Die Polizei wollte die DemonstrantInnen zum Aufbruch bewegen; da dies nicht gelang setzte sie Wasserwerfer ein. Hierauf wurden von den DemonstrantInnen Barrikaden errichtet und angezündet. Aufgrund dieser Proteste war es den Nazis nicht mehr möglich ihren Aufmarsch durchzuführen. Sie wurden nach gerade mal 500 Metern Wegstrecke von der Polizei an ihren ursprünglichen Sammelpunkt, den Bahnhof Lichtenberg zurückgeleitet. Auf antifaschistischer Seite kam es zu zahlreichen Festnahmen, mehrere hundert Menschen wurden von der Berliner Polizei

01.05.04 // Berlin // Revolutionäre 1. Mai Demo // Abends Spontandemo

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Während in Friedrichshain noch der Widerstand gegen den Naziaufmarsch auf die Straße getragen wurde, versammelten sich am Potsdamer Platz einige tausend Menschen zur Teilnahme an der Revolutionären 1. Mai Demo. Neben anderen Gruppierungen hatte auch das zu Beginn des Jahres 2004 gegründete Netzwerk ACT! unter dem Motto “Sag Ja zum Nein” – “Unsere Agenda heißt Widerstand” zur Teilnahme aufgerufen. Die VeranstalterInnen äußerten sich positiv zu den antifaschistischen Aktivitäten gegen den Naziaufmarsch und warteten einige Zeit auf die mögliche Teilnahme der antifaschistischen AktivistInnen. Diese hielten sich aber größtenteils weiterhin in Friedrichshain auf. So startete der Demozug mit einer im Gegensatz zu den Vorjahren eher geringen TeilnehmerInnenzahl von ca. 3000 – 4000 Leuten. Am U-Bhf. Kottbusser Tor, wo ein immenses Polizeiaufgebot auf die DemonstrantInnen wartete, wurde die Demo aufgelöst. In den frühen Abendstunden kam es noch zu einer Spontandemonstration von ca. 500, teilweise vermummten TeilnehmerInnen. Die Demo führte durch die Oranienstraße und damit auch unmittelbar durch das sogenannte MyFest. Die Revolutionäre 1. Mai Demo sollte nach dem Willen der Polizei und wohl auch der OrganisatorInnen des Straßenfestes, aber gegen das Anliegen des Demobündnisses in keinem Fall direkt durch das MyFest führen. Die Spontandemo drückte damit Protest gegen diese Entscheidung aus. Zu Ausschreitungen kam es am späten Abend auch in diesem Jahr, allerdings erreichten diese gleich der Anzahl der DemonstrantInnen nicht die Größenordnung der vergangenen Jahre.

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gestört. Diese hielten sich lieber in der Kneipe “Happy Station“ auf. Am Abend kam es am Bersarinplatz zu Auseinandersetzungen zwischen Neonazis und Passanten die sie anpöbelten. Außerdem wurde vor der „Green Bar“ am Wismarplatz eine Gruppe von augenscheinlich Nicht-Deutschen von Neonazis rassistisch angepöbelt. _21.05. Berlin Gegen 21 Uhr wurde auf dem S-Bhf. Hohenschönhausen eine Gruppe alternativer Jugendlicher von zwei Neonazis angegriffen. Einer der beiden Neonazis trat mit seinen Springerstiefeln zwei der Jugendlichen auf Arme, Beine und ins Gesicht. Drei andere Neonazis standen auf dem Bahnhof und zeigten den Hitlergruß. Im Anschluss warfen die Neonazis die Rucksäcke und Skateboards der Jugendlichen auf die Gleise. Bei Eintreffen der Polizei waren die Täter schon verschwunden. _28.05. Berlin An diesem Tag wurden die Köpenicker BürgerInnen von Antifas mit Flyern und Infotischen über die Pläne der NPD bezüglich der Eröffnung ihres sogenannten Nationalen Bildungszentrums (NBZ) informiert. Neben dem NBZ wurden auch die unerträglichen Zustände im Abschiebeknast Grünau thematisiert.


Juni _05.06. Berlin Das inzwischen 6. KulturschockFestival in Berlin-Hellersdorf fand bei regnerischem Wetter mit über 4000 Menschen statt. _05.06. Berlin In der Josef-Orlopp-Straße fand auf dem Gelände des ehemaligen Berliner NPD-Vorsitzenden Albrecht Reither eine NeonaziVeranstaltung mit den Rednern Thorsten Heise und Eckardt Bräuninger statt. Danach spielte die Band „Spreegeschwader“. Der „Landser“-Sänger Michael Regener war ebenfalls vor Ort. Die Veranstaltung wurde von der Polizei aufgelöst. Die 60 anwesenden Personen wurden kontrolliert. Es gab zwei Festnahmen. _05.06. Berlin In der Weserstr. in Friedrichshain wird in der Nacht eine Frau aus einer Kneipe heraus von Neonazis angegriffen und verletzt. Sie wird verfolgt und in einem Hauseingang weiter geschlagen und getreten. Die Polizei erteilt herbeigeeilten Passanten und den Neonazis Platzverweise. _07.06. Berlin Drei Nazis greifen einen linken Jugendlichen am S-Bhf. Treptow an. Er hatte einen von ihnen verbal darauf aufmerksam gemacht eine Frau in Ruhe zu lassen, die der Nazi angepöbelt hatte.

6.06.04 // Bundesweite Großdemo in Berlin Köpenick gegen Abschiebeknast und NPD-Zentrale // Rangeleien mit der Polizei am Abschiebeknast

Über 2000 Menschen demonstrierten am 6. Juni 2004 unter dem Motto “Endlich weg damit! NPD-Zentrale abreißen – Abschiebeknäste abschaffen!” gegen die NPD-Zentrale in Berlin Köpenick und den Abschiebeknast in Berlin Grünau Aufgerufen hatten zahlreiche antifaschistische und antirassistische Gruppen, die sich in der Köpenick-Kampagne zusammengeschlossen hatten. Neben der Durchführung von Infoveranstaltungen, dem Erstellen einer Broschüre und weiteren Aktionen war diese Demonstration der Höhepunkt der seit mehreren Monaten laufenden Kampagne. Bei bestem Wetter setzte sich die Demo gegen 14:30 Uhr am S-Bahnhof Köpenick in Bewegung. Erste Station war die NPD-Zentrale in der Seelenbinderstraße 42. Neben der NPD-Zentrale befindet sich hier das sogenannte Nationale Bildungszentrum (NBZ). Auf einer Zwischenkundgebung vor der Zentrale wurde die Forderung nach dessen konsequenten Rückbau bekräftigt. An der Ecke Puchan / Friedrichshagener Straße wurden für den Hip-Hopper Maxim Blumen niedergelegt. Dieser wurde am 13. Juni 2003 von dem 76-jährigen Werner P. erstochen. Er hatte den Rentner zur Rede stellen wollen, weil der Maxims Frau des Ladendiebstahls beschuldigt hatte. Auch am Platz des

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23. April, am Mahnmal für die Opfer der Köpenicker Blutwoche, die sich in diesem Juni zum 71. Mal jährt, wurden Blumen niedergelegt. Obwohl die allgemeine Situation bisher entspannt war, wurde die Demo hier über längere Zeit von der Polizei aufgehalten. Es wurde vor der Demospitze ein Wasserwerfer postiert. Als Grund für diese Maßnahme mussten zusammengeknotete Seitentransparente herhalten. Es kam zu Rangeleien, aber nach einiger Zeit ging es dann doch noch weiter Richtung Abschiebeknast Grünau. Dort angekommen, versuchten DemonstrantInnen die aufgestellten Absperrgitter zu durchbrechen. Das große Polizeiaufgebot drängte daraufhin die DemonstrantInnen zurück. Zum Abschluss sollte auf dem großen Lauti noch ein Konzert mit mehreren Bands stattfinden. Wegen der Verzögerung und der ständigen Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht, musste das Konzert allerdings abgesagt werden. In Redebeiträgen wurden die Gefangenen im Abschiebeknast gegrüßt und ihre sofortige Freilassung gefordert. Die “feierliche” Eröffnung des NBZ fand bis heute noch nicht statt. Es gilt deshalb weiterhin: Wenn Eröffnung des NBZ (Tag X) dann Antifa- Demo. Treffpunkt: Tag X // 17 Uhr // S-Bhf. Köpenick Infos zur Kampagne: www.koepenick-kampagne.de

_12.06. Berlin Gegen 22 Uhr wurde ein 18-jähriger auf der Straße Alt Friedrichsfelde, in der Nähe der Diskothek “Kalinka” von zwei Angreifern zu Boden gebracht. Er wurde mit Schlägen und Tritten traktiert, sowie ausländerfeindlich beschimpft. Dabei wurden ihm mehrere Rippen gebrochen. Anschliessend schleppte er sich in einen Hausflur und brach bewusstlos zusammen. Er musste ambulant behandelt werden. _12.06. Berlin “Antifaschistischer und sozialer Widerstand lässt sich nicht verbieten!”. Solidaritäts-Demonstration und Konzert vor der JVA Moabit für alle in Zusammenhang mit den Aktionen am diesjährigen ersten Mai in Berlin Inhaftierten. _19.06. - 22.06. Berlin Über 70 Flüchtlinge protestierten mit einem Hungerstreik auf dem Berliner Gendarmenmarkt gegen die Abschiebepraxis durch den deutschen Staat. _23.06. Berlin Mehrere hundert Menschen demonstrierten für die Freilassung der noch Inhaftierten von den Aktionen vom 1. Mai in Kreuzberg. Derzeit saßen noch ca. 70 Personen im Knast.

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_25. - 26.06. Berlin Das 5. Fußballturnier der Antifaschistischen Fußballfan Initiative unter dem Motto „Let`s kick racism out of football!“ fand mit 24 Teams in Friedrichshain statt.


Juli

10.07.04 // Oranienburg // Antifa-Demo im Gedenken an Erich Mühsam

_20.07. Berlin Am Nachmittag trafen sich ca. 30 Menschen am S-Bhf. PankowHeinersdorf um in den umliegenden Straßenzügen Nazi-Aufkleber zu entfernen. Für ihre Haltestellen schickte die BVG sogar ein Reinigungsteam mit.

Etwa 200 Leute haben am 10. Juli in Oranienburg unter dem Motto “Sich fügen heißt Lügen! Game over, Oranienburg!“ demonstriert. Die Demo erinnerte an den vor 70 Jahren ermordeten linken Schriftsteller und Anarchisten Erich Mühsam. Des Weiteren wurde auf die lokalen rechten Strukturen aufmerksam gemacht. Diese setzen sich in Oranienburg hauptsächlich aus dem Spektrum der freien Kameradschaften zusammen. Dass diese Strukturen gern auf Aktionismus, musste unter anderem am 28. Januar 2004 festgestellt werden. An diesem Tag fand im Gebäude des “Forums gegen Rassismus und rechte Gewalt in Oranienburg” eine Infoveranstaltung zur Neonazigruppierung statt, der auch in Oranienburg sein Unwesen treibt. Diese Veranstaltung unterlag Störversuchen von ca. 30 Neonazis. Neben dem den freien Kameradschaften sind auch Mitglieder der NPD in Oranienburg aktiv. Sie stellten schon öfter Infostände auf und verklebten Plakate und Aufkleber ihrer Partei.

_20.07. Berlin Etwa 600 Menschen haben sich an diesem sonnigen Tag zusammen gefunden, um auch dieses Jahr wieder das feierliche Bundeswehrgelöbnis am Bendlerblock in Berlin zu stören. _23.07. Berlin Am S-Bhf. Schöneweide veranstaltete die Neonazigruppe BASO eine Kundgebung um ihre altbekannte Forderung nach einem „Nationalen Zentrum“ kundzutun. Etwa 50 Neonazis verteilten von der Polizei geschützt Flugblätter an Passanten. _24.07. Berlin Antirassistische Fußballturnier „Left Kick“ in Weißensee/ Höhenschönhausen. _31.07. Berlin Die BASO und KS-Tor sicherten einen Infostand der NPD am SBhf. Schönhauser Allee ab, an dem auch der NPD-Kreisvorsitzende Treptow/ Köpenick Eckhart Bräuniger gesehen wurde. Ein Jugendlicher zerriss ein Flugblatt, warf es weg und wurde daraufhin von dem NPDler Andrew Hanisch verletzt.

Interview mit der AA 1040 „Wir sind natürlich autonom und antifaschistisch sowieso“ Mit der Autonomen Antifa 1040 (AA1040) haben wir uns im Oktober 2004 unterhalten. Uns interessierten die Arbeitsschwerpunkte der im Jahr 2004 gegründeten Gruppe; und vor allem eines wollten wir unbedingt mal geklärt wissen: Wofür zum Geier steht die 1040? Hallo, zunächst die frage mit der ihr sicher schon rechnet: Was hat es mit Eurem Namen auf sich, wofür steht das Kürzel AA 10 40? Das Gebiet in dem wir bei unserer Gründung ursprünglich agieren wollten, waren zu Zeiten der DDR die Gebiete mit 1040er Postleitzahlen ( heute Mitte), daher 1040. Natürlich war abzusehen, dass sich dieser kleine Radius bald ausweiten würde. Heute arbeiten wir hauptsächlich in Mitte, Prenzelberg, Friedrichshain und Teilen von Kreuzberg. Das AA in unserem Namen erklärt sich schon fast von selbst. Wir sind natürlich autonom und antifaschistisch sowieso.

12.07.2004 // Berlin // Neonazis veranstalten Kundgebung gegen Polizeiwillkür auf dem Alexanderplatz Die rechtsextreme BASO veranstaltet zusammen mit anderen Nazigruppen (KS-Tor, MHS, NPD), nach dem gescheiterten Versuch beim Richtfest des Holocaustmahnmal zu stören, auf dem Alexanderplatz eine Kundgebung gegen Polizeiwillkür. Nach einer Stunde packten die Nazis dann auch ihre Sachen, da immer mehr Antifas eintrafen.

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Wann und warum habt ihr Euch gegründet? Gegründet haben wir uns an einem Tag im Mai diesen Jahres. Wir hatten alle schon mit antifaschistischer Arbeit zu tun, manche kamen aus organisierten Kreisen und manch andere waren unorganisiert aktiv. Von daher war antifaschistische Arbeit A n t i f a

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nicht unbedingt Neuland für uns. Dies und die Tatsache, dass wir alle gute Freunde waren und sind, erleichterte uns den Start. Aber wie kam es nun dazu, dass sich ein paar neunmalkluge Jugendliche zusammensetzten und nun eine Arbeitsgemeinschaft gründeten? Wie schon erwähnt, waren wir alle schon in linken Kreisen aktiv, jedoch waren wir bis Dato mit unseren Tätigkeiten recht unzufrieden. Uns allen ist Engagement in politisch-kultureller Hinsicht sehr wichtig, da wir der Überzeugung sind, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse absolut nicht hinnehmbar sind. Es darf nicht sein, dass rechte Strukturen gerade in Deutschland immer noch vorhanden sind, dass Profite über der Moral und Menschlichkeit stehen, dass das Bildungssystem auf unterstem Niveau vegetiert und die Migranten als Produkte die gut oder schlecht für die Wirtschaft sind, angesehen und dementsprechend behandelt werden. Die Schuld an vielen Missständen und der ungerechten Lage ist unserer Ansicht nach im System zu suchen. Um es kurz zu halten: Es entwickelte sich die Idee eine eigene Gruppe zu gründen, welche sich für uns alle als interessante Lösung unseres übersprudelnden Tatendrangs darlegte und eine Woche später saßen wir auf unserem ersten gemeinsamen Plenum. Soviel zu unserer kleinen Gründungsgeschichte.

und Sexismus, und versuchen diesem entgegen zu wirken. Menschen, die so etwas in unserem Umfeld propagieren stellen wir zur Rede. Zu unserer Arbeit gehört natürlich auch der Spaß, der meistens mit am Start ist. An welchen Projekten habt ihr euch in diesem Jahr beteiligt? Teilgenommen haben wir bis jetzt an so einigen Aktionen und Bündnissen. Da wäre zum einemdas Left-Kick-Turnier und Bündnisse wie Finsterwalde, “Erich Mühsam”, Pirna, Potsdam, “Organisiert die antifaschistische Selbsthilfe”, “Silvio Meier”, Halbe und diverse Schutz und Unterstützeraktionen zu erwähnen. Was habt Ihr Euch für das Jahr 2005 vorgenommen und wo wollt ihr Eure Gruppenschwerpunkte setzen?

Könnt ihr etwas zur Situation in Mitte sagen bzw. wie sieht die Situation dort derzeitig aus?

Für das nächste Jahr stehen voraussichtlich am 14.01.05 ein Solikonzi, diverse Infoveranstaltungen, Seminare und natürlich gaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaanz viele Aktionen und Demos auf dem Programm.

Mitte ist nach unseren Infos recht dünn mit Nazis besiedelt. Es gibt zwar ein paar zwielichtige Läden, wie z.B. den East-Side-Laden (Almstadtstr./Ecke Münzstr.) und viele Yuppies am Hackeschen Markt, jedoch wenig nennenswerte Vorkommnisse, Personen oder Locations, was keineswegs die Gründung einer antifaschistischen Gruppe negiert.

Autonome Antifa [AA1040] Kontakt:

aa1040@gmx.net

Erzählt uns doch mal etwas über eure politische Arbeit! Natürlich wollen auch wir unseren kleinen, aber feinen Beitrag zur Veränderung der temporären Verhältnissen beitragen. Wichtig für unsere Arbeit ist auf jeden Fall das öffentliche Interesse zu wecken und vor allem Jugendliche zu politisieren, z.B. über Infoveranstaltungen, Demos, Flyer oder Seminare. Außerdem positionieren wir uns entschieden gegen alle Arten von Rassismus, Antisemitismus

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21.08.04 // Wunsiedel // Tausende Neonazis nehmen am “Rudolf Heß”-Gedenkmarsch teil // 1000 AntifaschistInnen proAn Demonstrationen gegen Hartz testieren

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IV beteiligten sich auch Nazis u.a. von KS-Tor, MHS, BASO, um den Protesten ihren völkisch antikapitalistischen Anstrich zu verpassen. Während sie in Berlin mit diesen Versuchen größtenteils scheiterten, hatten sie in anderen Städten teilweise Erfolg. _06.-08.08. Berlin Zur jährlich stattfindenden Biermeile auf der Frankfurter Allee gab es erstmalig eine Alternativkundgebung unter dem Motto “Alltagsrassismus, Saufgelage und Chauvinismus -Unser Spaß sieht anders aus!” am Frankfurter Tor. Auf der Biermeile selbst traten Neonazis offen in Erscheinung. _07.08. Berlin Die “Antifaschistische Initiative Reinickendorf” veranstaltet das Open-Air-Festival “Inselrock für selbstbestimmte Freiräume“. _07.08. Mücka In der sächsischen Kleinstadt ging das NPD-Pressefest mit 4000 - 6000 TeilnehmerInnen ohne größeren antifaschistischen Widerstand über die Bühne. _13.08. Frankfurt/ Oder Antifa-Demo mit ca. 300 TeilnehmerInnen unter dem Motto “Dem Grauen ein Ende bereiten”.

Das bayerische Dorf Wunsiedel wird seit 1987 von Altund Neonazis heimgesucht. Grund hierfür ist der Todestag und die in Wunsiedel gelegene Grabstätte des Hitlerstellvertreters Rudolf Heß. Mit mehreren tausend aus der BRD und Europa anreisenden Neonazis ist der “Rudolf Hess”-Gedenkmarsch eine der größten kontinuierlich stattfindenden neonazistischen Veranstaltungen. Geschichtliches dazu: Rudolf Heß überflog 1941 den Ärmelkanal , um einen Friedensschluss mit England zu verhandeln. Bei diesem Versuch geriet er in Schottland in Kriegsgefangenschaft und wurde später im Rahmen der Nürnberger Kriegprozessen wegen “Planung eines Angriffskrieges” und “Verschwörung gegen den Frieden” zu lebenslanger Festungshaft verurteilt. Im Kriegsverbrechergefängnis Berlin-Spandau, nahm Rudolf Heß sich 1987 das Leben. Die Selbstmordversion wird von den Neonazis bis heute angezweifelt und sie stilisierten ihn nach seinem Tod zum Märtyrer. Schon 1987 gedachten rund 150 “Heß-SympathisantInnen” ihrem Idol. Die TeilnehmerInnenzahl stieg bis 1990 auf bis zu 1000 Neonazis an. In den 90er Jahren unterlagen die “Rudolf Heß” Aufmärsche staatlicher Verbote. Im Zuge dessen wurden von der neonazistischen Szene bundesweit und dezentral die sogenannten “Heß-Wochen” organisiert, die das Gedenken dennoch ermöglichen sollten. Diese wurden ebenfalls verboten. Seit 2001 dürfen Nazis in Wunsiedel wieder marschieren, was sich mindestens 800 Nazis im Jahr 2001 nicht nehmen ließen. Dieser für die neonazistische Szene nach den Verboten der 90er Jahre erfolgreiche Aufmarsch führte in den nächsten Jahren zu einer stetig wachsenden TeilnehmerInnenzahl. So marschierten schon 2002 und 2003 mehrere tausend Neonazis in Wunsiedel. Auch 2004 versammelten sich wieder mehrere tausend Nazis aus ganz Europa zum Gedenken an ihren “Friedensflieger”.

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Vor der Ankunft in Wunsiedel gab es größere und ausgiebige Vorkontrollen, durch die Polizei, denen sich AntifaschistInnen und Nazis unterziehen mussten. Bei Vorkontrollen kam es zu Festnahmen bei den rechten „Trauergästen“ wegen Verwendens von Abzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen und Waffenbesitzes. Ausserdem kam es zu einem Zwischenfall in den langen Warteschlangen: Ein Bus mit antifaschistischen DemonstrantInnen wurde von Neonazis mit Steinen angegriffen. In Wunsiedel formierte sich über den Tag verteilt ein breites Protestbündnis von ortsansässigen BürgerInnen bis hin zu angereisten autonomen Antifas. Die Protestformen waren vielfältig. Wunsiedels Bürgermeister hatte frühzeitig versucht den Sammelplatz der Nazis durch landwirtschaftliche Fahrzeuge blockieren zu lassen und über der Marschstrecke wurden mit Konfetti gefüllten Transparente angebracht, die im passenden Moment über den “trauernden” Neonazis entleert werden sollten. Leider mussten die gefüllten Transparente vorzeitig entfernt werden. Vor Beginn der Demonstrationen versuchten knapp 200 Nazis den Marktplatz voller Gegendemonstranten zu stürmen, konnten aber von anwesenden Antifas erfolgreich zurückgeschlagen werden. Der Heß-Trauermarsch selbst startete erst verzögert am späten Nachmittag und wurde durch Gitter und Polizeispalier umfangreich geschützt. So blieb den Demonstranten von den Gegenkundgebungsplätzen nur Sprechchöre und Musik um ihren Unmut kund zutun. Während des gesamten Tages gab es insgesamt 120 Festnahmen, darunter 74 Neonazis. Im Gegensatz zu den Vorjahren hat sich die Teilnahme antifaschistischer DemonstrantInnen gegen einen der größten neonazistischen Aufmärsche deutlich erhöht. Auch wenn der Naziaufmarsch nicht gestoppt werden konnte, wurde ein deutliches Zeichen gegen die widerliche Huldigung Rudolf Heß gesetzt. Nachdem Berliner Neonazis aus Wunsiedel in Berlin Lichtenberg ankamen, führten sie einen Spontanaufmarsch gegen Polizeigewalt in Richtung Karlshorst durch. Grund dafür war das Verbot einer Feier der rechten Rockergruppe Vandalen in Lichtenberg durch die Polizei. A n t i f a

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_14.08. Finsterwalde Unter dem Motto “Keine schweigenden Provinzen – Linke Freiräume schaffen” nahmen ca. 400 Antifas an einer Demonstration teil. _17.08. Berlin Punx-Picknick in Spandau zum 17. Todestag des Hitlerstellvertreters Rudolf Heß. _25.08. Berlin Nach einer Kundgebung vor der britischen Botschaft, marschierten ca. 50 Neonazis mit HeßTransparenten durch das Brandenburger Tor. _27.08. Potsdam Antifa-Demo mit 450 Antifas unter dem Motto „You are not alone“ gegen die Anti-Antifa Sektion Potsdam und für eine emanzipierte Jugendkultur. _28.08. Berlin Köpenicker Kontrollverluste Festival mit Musik und politisch kulturellen Angeboten. Zur Veranstaltung führte eine Antifa-Demo mit ca. 300 TeilnehmerInnen unter dem Motto “Freiräume erkämpfen! Nazis stoppen!”. _28.08. Berlin Mahnwache für R. Heß mit 20 Neonazis in Spandau. Am Ostkreuz bauten 10 Herthafans “eine U-Bahn von St. Pauli nach Auschwitz” und bedrohten einen alternativen Jugendlichen, was eine Anzeige wegen Volksverhetzung und Beleidigung nach sich zog.


September

24.09.04 // Berlin // Antifa-Demo gegen rechtes Kneipenpublikum

01.09. Berlin Der bundesweit wegen der Beteiligung an der Entführung und Folterung an einem Antifaschisten gesuchte Neonazi Ronny B. wurde von der Polizei in einer Sparkasse in Treptow festgenommen.

Bei schönem Wetter versammelten sich an diesem Tag rund 450 Antifaschist-Innen am UBhf. Frankfurter Tor um unter dem Motto “Keine Ruhe den Rassisten und Faschisten - Organisiert die antifaschistische Selbsthilfe” gegen Kneipen in F’hain in denen rechte Schläger verkehren zu demonstrieren. Den Antifas waren und sind diese Kneipen wie die “Green Bar”, “Frankies Relaxbar”, das “Jessner Eck”, die “Happy Station”, die “Kietz Kneipe” und das “Blup 2” ein Dorn im Auge, da diese vermehrt als Ausgangspunkt für gewalttätige Übergriffe auf MigrantInnen sowie als “Zecken” eingestufte Personen auffielen. Die Demoroute führte durch den Südkiez F’hains und teilweise an den besagten Kneipen vorbei. Vor jeder wurde ein kurzer Redebeitrag gehalten. Wirte, Gäste und auch die AnwohnerInnen Friedrichshains wurden ermuntert, sich bei rechten Übergriffen zu verhalten und diese zu unterbinden. Um effektiv und offensiv gegen rechte Schläger vorzugehen wurde darüber hinaus die Etablierung eines antifaschistischen Selbstschutzes gefordert.

_02.09. Berlin Die Anti-Lager-Action-Tour machte Halt in Berlin-Mitte und veranstaltete mit ca. 700 anderen Menschen eine Demonstration vom Alexanderplatz zur SPD-Zentrale. _04.09. Berlin Im Rahmen des “Tag der Heimat” fand eine Kundgebung des “Bund der Vertriebenen” statt, welche von mehreren AntifaschistInnen gestört wurde. _12.09. Berlin Am “Tag der Mahnung”, einem Aktionstag gegen Rassismus und Neonazismus, wurden auf dem Marx-Engels-Forum an Infoständen die Arbeit von linkspolitischen Gruppen präsentiert. Auf einer Bühne gab es Musik und eine Diskussion mit Vertretern aus der Politik (Grüne, PDS).

25.09.04 // Berlin // Nazi-Demo verboten // Antifa-Demo mit durch Wedding Trotz der durch alle Instanzen verbotenen NPD-Demo trafen sich an diesem Samstag ca. 1000 antifaschistische DemonstrantInnen am U-Bhf. Pankstraße um sich möglichen Aufmarschversuchen einzelner Neonazis trotz des Verbots, entgegenzustellen. Ihre rassistische und menschenverachtende Einstellung demonstrierte die NPD schon mit dem Motto ihrer letzendlich verbotenen Demo: “Keine islamistische Zentren” und “Berlin bleibt deutsch”. Mit dem Aufruf “Berlin bleibt deutsch” endete der Tagesbefehl Adolf Hitlers vom 16. April 1945.

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Die antifaschistische Demo war gut besucht, die Demonstrantinnen liefen schnell und entschlossen. Aufgrund der kurzen Demoroute konnten Antifas sich im Anschluss nach verirrten Nazigrüppchen umschauen und diese erfolgreich verjagen. Viele Antifas fuhren auch nach Köpenick um sich an einer Spontandemonstration gegen die NPD-Zentrale zu beteiligen.

13.-17.09 Berlin Aktionswoche gegen die “Legalisierung” linker Kneipen in F'hain. Nachdem sich auch das Ordnungsamt und die Polizei in den Vereinsräumen des SamaCafés nach dem Rechten umgesehen und diverse Materialien mitgenommen hatte, beschloss ein Bündnis um den PiRat eine Aktionswoche zu starten. Linke F'hainer Kneipen wurden für eine Woche geschlossen und das Kneipenleben auf die Straßen um den Simon-DachKiez mit Bier und Kicker verlegt.

19.09.04 // Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg - NPD und DVU kriegen den Hals zu voll // NPD-Parteitag in Thüringen _17.09. Berlin Bei den Landtagswahlen in Sachsen erreichte die NPD 9,2% und die DVU in Brandenburg 6,1% der Stimmen. Beide Parteien konnten damit ungehindert in die jeweiligen Landesparlamente einziehen. In Sachsen wurde der seit Jahren in der NPD engagierte Holger Apfel Fraktionsvorsitzender. Im sächsischen Landtag sitzen nun 12 NPD-Abgeordnete, die jeweils mit monatlich 8.500 Euro parlamae n t a r i s c h e n Zuschusses begünstigt werden. Die nunmehr eine Fraktion bildende Neonazipartei erhält im Monat gar 90.000 Euro. Mit diesem monatlichen Obulus wird die NPD bemüht sein, ihr rassistisches Programm munter weiter zu verbreiten. Weitreichender sind aber die politischen Handlungsspielräume die der NPD zugestanden werden müssen. Neben der Arbeit in parlamentarischen Ausschüssen ist der sächsischen NPD ein Sitz im Kuratorium der Landeszentrale für Politische Bildung garantiert. Zudem forderte Holger Apfel gleich nach seinem triumphalen Wahlsieg einen Sitz in der parlamentarischen Kontrollkommission für den A n t i f a

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Die AK Wedding brachte sich auf der Antiquitätendemo, eine der Demos gegen Hartz IV, ein und ihre Sicht unter die BürgerInnen: Gegen Arbeitswahn, Volk und Vaterland. _18.09. Berlin Bernd Eichingers Film “Der Untergang” wurde von einigen Antifas mit dem Besprühen von Kinos begleitet: “Deutsche sind Täter, keine Opfer. ...” 19.09. Berlin Am Abend fand in Lichtenberg eine Spontandemonstration der NPD statt, um den Einzug in den sächsischen Landtag zu feiern. Insgesamt nahmen etwa 70 Personen aus dem rechtsextremen Spektrum teil, darunter auch Mitglieder der KS-Tor und der BASO.


_25.09. Chemnitz

Die Eröffnungsdemo der Kampagne: “Schöner Leben ohne Naziläden” widmet sich mit ca. 350 Antifas den Nazi-Plattenund Klamottenläden “Backstreetnoise” und “PC-Records”. Trotz der Angriffe von Neonazis auf die Demo, konnte sie wie geplant zu Ende gebracht werden.

_25.09. Berlin In der Nähe des Biesdorfer Parks werden drei Antifas von sieben Nazis angegriffen. Nachdem die Nazis kurz von der Polizei festgehalten wurden, trafen die Antifas sie am S-Bhf Biesdorf wieder und wurden mit Fäusten und Bierflaschen attackiert. 25.09. Berlin Nach dem verbotenen Naziaufmarsch in Wedding ziehen ca. 20 Nazis zum S-Bhf. Schöneweide und provozieren Passanten. Später ziehen sie sich in die Kneipe “Johannisthaler Stüb´l” zurück.

Landesverfassungsschutz. Diesen will er, falls ihm dies verweigert werden sollte, auch mit allen zur Verfügung stehenden juristischen Mittel einfordern. Die Intention seiner Forderung versteht sich von selbst: Schließlich kann es für Apfel nicht ganz uninteressant sein, zu erfahren, welche Spitzel des Verfassungsschutzes sich in seiner Partei befinden. Ein für die NPD, die ein rassistisches und antisemitisches Programm vertritt, äußerst bedeutender Punkt ist der, dass die NPDAbgeordneten strafrechtliche Immunität genießen. So können sie ihre Abgeordnetenbüros im sächsischen Landtag ungestört nutzen; ihre Räume können nicht ohne weiteres eingesehen oder abgehört werden. Mit ihrem seit 34 Jahren erstmals wieder relevanten parlamentarischen Erfolg schaut die NPD optimistisch in die Zukunft. So plant sie allen ernstes im Jahr 2006 den Einzug in den Bundestag. Am 30. Oktober wurde der seit 1996 Parteivorsitzende Udo Voigt auf dem NPD-Bundesparteitag im thüringischen Leinefelde mit 86,8% wiedergewählt. Einer seiner Stellvertreter wurde Holger Apfel. In ihren Ämtern bestätigt legten Udo Voigt und Gerhard Frey, der Vorsitzende der DVU auch gleich eine Strategie für die nächsten Jahre fest. So verständigten sie sich darauf, die Parteien getrennt voneinander bestehen zu lassen, aber künftig bei Wahlen gemeinsame Listen anzustreben. Vom Schultterschluss mit der DVU erhofft sich die NPD bei der Bundestagswahl 2006 den Einzug in den Bundestag und ein akzeptables Ergebnis bei der Europawahl 2009. Der Vorsitzende der Republikaner, Dr. Rolf Schlierer, lehnte solch eine strategische Allianz zunächst ab. Unter dem Motto “Volksfront statt Gruppenegoismus” bemüht sich die NPD auch um die Einbindung von freien Kameradschaften und anderer Nazi-Gruppen zu einer "Volksfront von rechts". Damit scheinen sich die jahrzehntelangen Streitigkeiten der rechtsextremen Parteien teilweise zu glätten. Die antifaschistische Bewegung wird die sich formierende “rechtsextreme Volksfront” und das Bündnis der rechtsextremen Parteien in den nächten Jahren beobachten und bekämpfen müssen - auf Schily und Co. wird sich jedenfalls nicht verlassen.

Interview mit der Antifa Friedrichshain „Anstatt immer in Teilbereichen linker Politik zu arbeiten, begreifen wir uns eher als Linke und Linksradikale mit antifaschistischem Ansatz.“ Die Antifa Friedrichshain arbeitet kontinuierlich in ihrem Bezirk. Ihre umfangreiche Chronologie faschistischer Übergriffe und ihre Kiez-kenntnisse waren nur ein paar der Gründe im November dieses Interview zu führen. Ihr seid besonders im Bezirk Friedrichshain aktiv. Wie schätzt ihr momentan das rechtsextreme Potential in Friedrichshain ein; was ist aus dem sonst so alternativen Bezirk geworden und wo seht ihr die Notwendig - bzw. Möglichkeit antifaschistischer Arbeit? Friedrichshain gilt gemeinhin als alternativer Stadtbezirk, was vor allem auf die Häuserkämpfe Anfang der 90er Jahren zurückzuführen ist. Diese Etablierung einer ernstzunehmenden linken Alternative zu herkömmlichen Lebenswelten hat in Friedrichshain dazu geführt, dass viele, die sich hier bewegen Neonazis, rechte Anmachen und Übergriffe lediglich als Einzelfälle wahrnehmen. Die scheinbare Häufung rechter Angriffe in den letzten zwei Jahren, führen wir auf die Tatsache zurück, dass wir als Bezirksantifa angefangen haben diese zu protokollieren und öffentlich zu machen. Denn nur wenn die Situation allen bekannt ist, können auch Konsequenzen erfolgen, die Angriffe für die Zukunft verhindern und eine aufkommende rechte Dominanzkultur zurückdrängen. Mit Dominanzkultur meinen wir ein politisches Milieu was sich zwischen mitte-rechts und rechtsextrem einordnet, in vielen Kneipen rumhängt und offen auf den Straßen wahrnehmbar ist. Das sind meist Leute, die sich selbst wahrscheinlich nie als „Nazi“ bezeichnen würden, aber dennoch die gleiche rassistische Polemik an ihren Stammtischen austauschen wie die klassischen Neonazis. Wenn Angriffe auf Linke und MigrantInnen aus diesem Milieu heraus begangen werden, nimmt die Öffentlichkeit A n t i f a

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diese nie als rechts motiviert war, da das Bild des gewalttätigen, kahlgeschorenen Neonazis oder rechten Hooligans nicht erfüllt ist. Dadurch ist diese Szene schwerer greifbar und die Aufgabe der Antifa ist es jetzt die Öffentlichkeit eben mehr gegen rechte Denk- und Verhaltensweisen zu sensibilisieren, also ideologisch Aufklärungsarbeit zu leisten. Organisierte Neonazis hat Friedrichshain eher weniger, was nicht heißt, dass diese hier nicht ungestört wohnen können. Wie habt ihr das praktisch thematisiert? Was habt ihr bisher gegen diese rechte Alltagskultur unternommen? Öffentlich thematisieren, andere Gruppen im Kiez ansprechen, mit ihnen zusammen Aktionen vorbereiten und vor allem nicht-rechte Bürger auf die Situation aufmerksam machen. Daher arbeiten wir immer mehr mit Gruppen zusammen, die sonst keine klassische Antifaarbeit machen. Anstatt immer in Teilbereichen linker Politik zu arbeiten, begreifen wir uns eher als Linke und Linksradikale mit antifaschistischem Ansatz. In diesem Rahmen haben wir im August mit der Gruppe „Schöner Friedrichshain“ eine Kundgebung am Frankfurter Tor nahe der alljährlich stattfindenden Biermeile organisiert, um auf rechte Übergriffe und den dort herrschenden bierseligen Alltagsrassismus hinzuweisen. Die Aggressivität mit der einige Biermeilen-Besucher auf uns reagierten, hat uns dann aber doch echt schockiert, und uns in unserem Vorhaben bestärkt. Die Neonazis haben sich allerdings an diesem Tag aufgrund unserer Anwesenheit zurückgehalten. Knapp zwei Monate später haben wir mit anderen Antifa Grupen und dem Projekt – und Initiativenrat Berlin [PiRat] eine Demonstration durch Friedrichshain organisiert, die unter dem Motto „Keine Ruhe den Faschisten und Rassisten – organisiert die antifaschistische Selbsthilfe“ stand. Wir sind an zahlreichen Lokalitäten vorbeigekommen, die in letzter Zeit immer wieder in die Schlagzeilen geraten sind, weil dort rechte Übergriffe und Pöbeleien stattgefunden haben. Im Vorfeld der Demo haben wir die Nachbarschaft durch massenhaft Postwurfsendungen darauf aufmerksam gemacht, was sich für ein rechtes Klientel unbemerkt in einigen Kneipen festsetzt. Natürlich wurden die Kneipiers auch direkt angesprochen und aufgefordert sich gegen rechts zu positionieren – das hat aber leider nicht den gewünschten Effekt erzielt. Wir wollten mit dieser Demo die potentiellen Opfer ermutigen sich gegen Angriffe zu wehren und sich zu organisieren bzw. an die zahlreichen linken Projekte zu wenden, damit die Bedrohung durch eine rechte Dominanz auf den Straßen nicht kommentarlos hingenommen wird. Zum 12. Mal findet in diesem Jahr die Demonstration zum Gedenken an den Antifaschisten und Hausbesetzer Silvio Meier statt. Dieses Jahr soll die Demonstration in Friedrichshain starten und dann nach Lichtenberg führen. Generell finden wir es wichtig an den Mord eines Antifaschisten durch Neonazis jedes Jahr zu gedenken, aber der Fokus muss auf die Zurückdrängung der aktuellen Neonaziszene gerichtet sein. Dieses Jahr sind das die äußerst aktive Kameradschaft Tor und die Autonomen Nationalisten Berlin, die Lichtenberg als ihren Kiez ansehen, in dem sie machen können was sie wollen. Diese Sicherheit wollen wir ihnen nehmen und die

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Zustände für alle transparent machen. Die Demonstration fordert auch die Schaffung linker, alternativer Freiräume, um den rechten Freizeitangeboten im Bezirk den Boden zu entziehen. Dabei kann diese Demonstration natürlich nur ein Teil einer breiteren Kampagne sein, um weitreichende Veränderungen zu erzielen. Wir hoffen, dass sich viele Jugendliche für diese Themen interessieren und sich in konkrete antifaschistische Arbeit mit einklinken. Schließlich geht es um ihren Alltag, ihre Freizeit und die Durchsetzung linker, alternativer Kultur und Politik in Lichtenberg. Was wird die Antifa-Bewegung in Zukunft beschäftigen? Steigt die Gefahr durch die NPD und den Zusammenschluss mit anderen Rechtsextremen in einer „Volksfront“ an oder sind Neonazis eher im gesellschaftlichen Abseits, da sie für die bürgerliche Gesellschaft keine Bündnispartner darstellen? Rechte und rechtsextreme Ideologien finden sich vielfach in der breiten Gesellschaft wieder. Autoritätshörigkeit, Ordnungszwang, nationalistische Tendenzen, rassistische Ressentiments und die Einordnung von Menschen anhand ihrer Verwertbarkeit für die Nation sind überall zu finden. Antifaschistische Arbeit muss gerade diese Verhältnisse in die Kritik gegen rechte Denkmuster und Verhaltensweisen mit einbeziehen. Neonazis sind nur die extreme Ausformulierung dessen, was ohnehin der rechte bürgerliche Bodensatz dieser Gesellschaft vertritt. Um wirksam gegen die Bedrohung von Neonazis auf der Straße und den Parlamenten vorzugehen reicht es also nicht Demonstrationen gegen sie zu veranstalten. Wir müssen auch kritisch auf die Gesellschaft einwirken, die Neonazis produziert. Praktisch heißt das, dass da wo rechte Ideologie offen vertreten wird, antifaschistische Intervention gefragt ist. Das gilt, um nur einige zu nennen für die rassistische Kampagne der CDU gegen den EU-Beitritt der Türkei, für die mörderische Abschiebepraxis von Asylbewerbern durch die Rot/Grüne Bundesregierung und genauso für den Bund der Vertriebenen, der von Polen Entschädigung für den 2. Weltkrieg fordert. Ob nun Burschenschaften oder neonazistische Organisationen fordern dass Deutschland wieder die Gebiete von 1933 wiedererlangt - rechte Ideologie ist immer bekämpfenswert, egal von wem sie vertreten wird. Denn genau die scheinbar gesellschaftskonformen Organisationen sind es, die rechte Meinungen erst salonfähig machen und breiten Teilen der Bevölkerung die Angst nehmen sich als rechts oder rechtsextrem zu fühlen. Das wird in Zukunft für die Antifabewegung eine immer größere Rolle spielen. Natürlich bleibt der Kampf gegen Neonazis ein wichtiger Bestandteil antifaschistischer Arbeit, da von ihnen eine nicht unerhebliche Bedrohung für sehr viele Menschen ausgeht. Antifa Friedrichshain [AFH] Postanschrift: AFH; c/o Infoladen Daneben Liebigstr. 34; 10247 Berlin Telefon: 0178-8642323 Internet: www.antifa-fh.de.vu E-Mail: antifa-fh@systemli.org


Oktober

_02.10. Berlin Auf einer Demo gegen den Sozialabbau mit ca. 70.000 Menschen wird der linksradikale Block und auch Passanten nach Farbeier-Würfen auf das VWAutohaus in der Friedrichstraße massiv von der 23. Einsatzhundertschaft angegriffen. _02.10. Berlin Als eine Gruppe alternativer Jugendlicher auf dem Boxhagener Platz von mehreren Neonazis verbal und körperlich angegriffen wurde, konnte sie sich erfolgreich verteidigen. _02.10. Berlin Nach einem Streit mit einem Nazi in Treptow starb ein 59Jähriger an einem Herzinfarkt. _03.10. Berlin In Hohenschönhausen fand das dritte “Livin’n Concrete” mit ca. 200 jungen Leuten statt. _03.10. Leipzig Um den Nazi Christian Worch versammelten sich mehrere hundert Nazis und wollten eine Demo veranstalten. Ca. 1000 Antifas vereitelten dies mit Barrikadenbau und lautstarken Protesten.

30.10.04 // Potsdam // Worchs zweite Niederlage: Nazi-Demo an die Peripherie gedrängt // bürgerliche Gegendemonstration mit 2500 Menschen // 1000 Antifas legten Demoroute lahm Nachdem der Hamburger Nazi Christian Worch schon am 3.10.04 in Leipzig eine herbe Niederlage einstecken musste, (AntifaschistInnen verhinderten einen von ihm angemeldeten Aufmarsch durch den alternativen Leipziger Stadtteil Connewitz), erging es ihm und seinen ca. 250 AnhängerInnen am 30.10. in Potsdam nicht viel besser. Unter dem Motto “Gegen Hetze und Terror von links” wollten Worch und seine Getreuen, darunter auch AnhängerInnen des MHS, der BASO und der KSTor durch Potsdams Innenstadt marschieren. Bereits am Vormittag hatten in der Innenstadt rund 300 Menschen gegen die Neonazis protestiert. Im Laufe des Tages wurden sie von einer Gegendemonstration unterstützt. Zu der Gegendemo hatte unter dem Motto “Potsdam bekennt Farbe” ein breites Bündnis aus Parteien, Gewerkschaften und Bürgerinitiativen mobilisiert. Der Naziaufmarsch wurde verbal verurteilt unter anderem von Ministerpräsident Matthias Platzeck, und sogar Innenmister Jörg Schönbohm riskierte es, sich öffentlich gegen rechts zu positionieren... Währenddessen waren autonome Antifas dabei die sogenannte Lange Brücke zu blockieren, die einen wichtigen Punkt auf der Route des Naziaufmarsches bildete. Die anrückenden Polizeieinheiten versuchten die Antifas zu verjagen, in dem sie Pfefferspray und Wasserwerfer einsetzten. Hierauf kam es seitens der AntifaschistInnen zu einem Stein- und Flaschenhagel auf die Polizei, während Bauzäune zu Barrikaden umfunktioniert wurden. Durch diese Aktionen kam es zu einem kurzen Rückzug der Staatsmacht.

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Einge Zeit später verstärkte die Polizei ihr Aufgebot, ging weiterhin mit Schlagstöcken und Pfefferspray gegen die DemonstrantInnen vor und versuchte sie einzukesseln. Hierauf verstreuten sich die DemonstrantInnen in die Potsdamer Innenstadt. In der City Potsdams wurden Barrikaden errichtet, Müllcontainer angezündet und Polizeiautos beschädigt. Die Blockade der Langen Brücke und die späteren Vorkommnisse in der Innenstadt, zwangen die Nazis auf ihre Route zu verzichten. So blieb ihnen nichts weiter übrig, als die Ausweichroute der Polizei zu akzeptieren und durch Potsdam Babelsberg, einer vergleichsweise menschenleeren Gegend zu marschieren. Aber auch hier sahen sie sich verbalen bürgerlichen Protests ausgesetzt. Am 30.10. waren ca. 1500 PolizistInnen aus Berlin, Brandenburg, Sachsen und SachsenAnhalt im Einsatz; auch einige Bundeswehrsoldaten waren vor Ort. Von den ca. 1000 antifaschistischen DemonstrantInnen nahm die Polizei während der militanten Auseinandersetzungen mindestens 17 fest, wovon acht von erheblicher Repression bedroht sind.

Global Resistance Broschüre der ALB [www. antifa.de] A n t i f a

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_23.10. Hannover Ca. 3700 DemonstrantInnen gelang es unter dem Motto

“Gegen NPD & Sozialabbau! Nazis wegRocken!” die von ca. 150 Teilnehmer-Innen besuchte Nazidemo in die Schranken zu weisen. _29.10. Berlin Drei Passanten griffen ein, als ein 22-jähriger Friedrichshainer mehrfach “Sieg Heil” rief und einen Mosambikaner zu schlagen versuchte. Sie übergaben ihn später der Polizei.


November

06.11.2004 // Berlin // polizeiliche Razzia gegen Neonazis in Friedrichshainer Kneipe

_09.11. Berlin Bei verschiedenen Gedenkkundgebungen zum 66. Jahrestag gedachten Antifaschisten in Köpenick, Hohenschönhausen und Moabit den Opfern der Reichspogromnacht und des Holocausts. Zynischer Weise konnten die rechtsextremen Republikaner ebenfalls der Reichspogromnacht gedenken.

Anlässlich eines Treffens von Personen der “rechten Szene” kam es ab 19 Uhr zu polizeilichen Maßnahmen von rund 270 Polizeibeamten verschiedener Dienststellen in einem Lokal in der Petersburger Straße in Friedrichshain. (Auszug des Einsatzberichts der Polizei vom 6.11.04 ) Rund hundert Neonazis wurden am Abend des 06.11.04 kurzzeitig in der Friedrichshainer Kneipe Happy Station festgesetzt. Die Gruppe setzte sich vor allem aus Hammerskins und Vandalen zusammen, die nach eigenen Angaben ihr zehnjähriges Hammerskinbestehen feiern wollten. Nach kurzen Rangeleien mit der Polizei, bei der einige Nazis leicht verletzt wurden, erfolgte eine EDBehandlung und das Abfilmen aller anwesenden Personen. Unter den Gästen der Happy Station wurden schon in der Vergangenheit NPD’ler und Kameradschaftsmitglieder identifiziert. Diesmal befand sich unter ihnen das neue Berliner NPD Mitglied Michael Regener. Der als Rädelsführer einer kriminellen Vereinigung verurteilte Regener ist ein führendes Mitglied der “Vandalen” und kann als Paradebeispie für die bundesweite Zusammenarbeit und Integration von radikalen Neonazis in die NPD gelten. Damit steht die “Happy Station” in einer Reihe mit Kneipen wie “Frankies Relaxbar”, der “Greenbar” oder dem “Jessner Eck”. In diesen Lokalitäten wurden in der Vergangenheit immer wieder die Anwesenheit respektive die Duldung rechten Klientels registriert, das auch vor körperlichen Angriffen auf vermeintliche Linke und MigrantInnen nicht zurückschreckt. Thematisiert wurde dieses Problem im September auf einer vom Projektund Initiativenrat Berlin (PiRat) und einigen AntifaGruppen organisierten Demo, die unter dem Motto “Keine Ruhe den Faschisten und Rassisten - Organisiert die antifaschistischen Selbsthilfe” in Friedrichshain stattfand und deren Route direkt an den betreffenden Kneipen vorbei führte

_20.11. Berlin 1000 – 1500 Menschen nahmen unter dem Motto “Keine Homezone für Faschisten - Antifa heißt Angriff” an der Silvio Meier Demo in Friedrichshain teil. Thematisiert wurde unter anderem der Bezirk Lichtenberg, wo

viele bekannte Neonazis wohnen, wie beispielsweise der seit Jahren aktive Nazikader Oliver Schweigert. Aber auch die Neonazis aus dem Umfeld der KS-Tor fühlen sich in Lichtenberg offensichtlich wohl. Die ursprünglich geplante Route konnte nicht verfolgt werden, da im Lichtenberger Weitlingkietz ein von der BASO organisierter Naziaufmarsch stattfand, um die antifaschistische Demo in ihrem Anliegen zu behindern. Ein Großaufgebot der Berliner

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13.11.04 // Halbe // neonazistisches Heldengedenken // Polizei machte im voraus Hausbesuche bei Antifas Im November 2003 konnten zum ersten Mal seit Jahren, im brandenburgischem Halbe rund 600 Nazis geschützt von 1000 Polizisten ihr sogenanntes “Heldengedenken” abhalten. Gedacht wird den 22.000 deutschen toten “Helden” der Wehrmacht und der SS, die gegen Ende des 2. Weltkrieges in einer Kesselschlacht die Einnahme Berlins durch die Rote Armee verhindern sollten. In diesem Jahr fanden sich mehr als 1000 Nazis und 1800 Polizisten in Halbe ein. Eine Gegendemonstration in Frankfurt/ Oder an der sich etwa 1000 BürgerInnen beteiligten verlief nach Angaben der Polizei friedlich. Verantwortlich für den diesjährig ungestört verlaufenden neonazistischen Aufmarsch, war unter anderem der Urteilsspruch des Jahres 2003, wonach die Richter grundsätzlich “keine Gefahr der öffentlichen Sicherheit” durch diese Veranstaltung erkennen konnten. Es gäbe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass aus dem neonazistischen Demonstrationszug heraus Straftaten begangen werden würden. Als mitverantwortlich für den ungestört verlaufenden neonazistischen Aufmarsch können die repressiven polizeilichen Maßnahmen gegen antifaschistische DemonstrantInnen gemacht werden. So wurden schon vor dem 13. November mehrere Antifas ungebeten von der Polizei besucht, die ihnen nahe legte lieber auf dem heimischen Sofa zu bleiben, statt gegen einen widerlichen neonazistischen Aufmarsch zu protestieren. Die anreisenden Antifas wurden dann von der Polizei massiv behindert. So wurden zum Beispiel unter fadenscheinigen Begründungen die Busse aus Berlin über Stunden aufgehalten, so dass bei deren Ankunft in Halbe in den Nachrichten schon vom Ende der Demonstration die Rede war. Dem Motto “Kampf dem Faschismus an jedem Ort” praktische Ausdruck verleihend , entschlossen sich die Berliner Antifas gemeinsam mit den antifaschistischen InsassInnen von Bussen aus anderen Städten, noch eine spontane Protestdemonstration in Königswusterhausen durchzuführen. A n t i f a

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Polizei sorgte dafür, dass BASO, MHS und KS-Tor ungestört, aber durch einen hermetisch abgeriegelten Bezirk mit einer TeilnehmerInnenzahl von maximal 200 Leuten marschieren konnten. _21.11. Berlin Zwischen 80 und 100 Menschen gedachten dem von Neonazis ermordeten Hausbesetzer und Antifaschisten Silvio Meier. Im Anschluss wurde in BerlinLichtenberg eine Spontandemo durchgeführt. _27.11. Pirna Unter dem Motto “Wir hören mit der Scheiße nicht auf, bis die Scheiße auf hört” sollte die 1000 TeilnehmerInnen zählende Demo im Rahmen der von sächsischen Antifa-Gruppen initiierten Kampagne ”Schöner leben ohne Naziläden” nach mehren Wochen Planung stattfinden. Die Demo wurde aber nach nur wenigen Metern aufgelöst. Da ein

Abbruch der Demo nach nur ca. 10 Minuten öffentlicher Meinungsbekundung weder im Sinne der VeranstalterInnen noch der TeilnehmerInnen war fuhren, mehrere hundert enttäuschte Antifas mit dem Zug nach Dresden und besahen sich die Innenstadt. Hierbei gingen einige Schaufensterscheiben zu Bruch.


Dezember _02.12.2004 Entlang der Route des geplanten Aufmarsches der BASO am 04.12.04 zerstören Nazis linke Plakate. Stattdessen verkleben sie rassistische Propaganda. _04.12. Berlin Mit ca. 700 Menschen fand die Kundgebungen gegen den stattfindenden Aufmarsch der BASO

vom S-Bhf. Adlershof zum S-Bhf. Köpenik statt. Mehrere Gegendemonstranten im Umfeld der Aktionen wurden von Nazis angegriffen. Die Nazis wurden freizügig von der Kneipe “J.@M.one”' mit Freibier versorgt. _04.12. Berlin Am Abend wird ein Lokalpolitiker

der PDS von aus der Kneipe 'Haltestelle' in der Brückenstraße kommenden Nazis am S-Bhf. Schöneweide zusammengeschlagen und schwer verletzt.

11.12. 04. // Berlin // Scheiben einer Bar gehen zu Bruch // Auseinandersetzung zwischen autonomen Antifas und Gästen einer “Betriebsweihnachtsfeier”?! Der an der Frankfurter Allee / Ecke Proskauer Straße gelegenen Bar wurde in den Abendstunden des 11. Dezember von ca. 60 vermummten autonomen Antifas die Scheiben eingeworfen. Die Gäste der Bar kamen hierauf auf die Straße und sahen sich mehreren Wurfgeschossen ausgesetzt. Vom Alkoholgenuss sichtlich enthemmt warfen sie teilweise Steine auf die Antifas und sollen auch „Sieg Heil“ gerufen haben. Die Auseinandersetzungen dauerten einige Zeit an, wobei wohl nur die Gäste der Bar Verletzungen davontrugen. Beim Eintreffen der Berliner Polizei waren die Antifas bereits vollständig verschwunden. Während in einschlägigen linken Internetforen auf die Präsenz von Neonazis in der Bar hingewiesen und der Angriff legitimiert wurde, interpretierte die Berliner Polizei und auch die Berliner Tagespresse den Angriff auf die Bar als “Irrtum Linksautonomer”. Denn in der Bar hätten sich keine Neonazis sondern lediglich die Mitarbeiter einer Baufirma versammelt, die ihre innerbetriebliche Weihnachtsfeier abhalten wollten.

Meinungsäußerung handeln sollte, sondern weil es de facto darum ginge persönlichen Druck auf Knape auszuüben, wurde der Naziaufmarsch seit Mittwoch den 15.12. von der Berliner Polizei verboten. Bethage wollte sich nicht auf eine Routenänderung in andere Bezirke einlassen; sein Gang vor das Bundesverfassungsgericht blieb folgenlos.

Das Urteil gegen den beim 1. Mai 2004 im Rahmen der Aktionen gegen den Naziaufmarsch verhafteten Antifaschisten Christian S. wurde am 16.12. 2004 im Amtsgericht Tiergarten gefällt. Christian S., der schon vom 1. Mai bis Ende Oktober 2004 in Untersuchungshaft saß, wurde wegen Landfriedensbruchs, versuchter Brandstiftung und Widerstandes schuldig gesprochen und zu drei Jahren Haft verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er brennende Mülltonnen zusammengeschoben und Papier in einem Mercedes angezündet habe. Seine Anwälte die das Delikt des schweren Landfriedensbruchs nicht erfüllt sehen und unter anderem deshalb eine Bewährungsstrafe forderten, kündigten an, in Berufung zu gehen.

Unter dem Motto “Polizeiwillkür stoppen – Jugend braucht Perspektiven – Für ein neues Jugendzentrum” wollten am 19.12.04 Neonazis der BASO durch Berlin Heiligensee demonstrieren. Ihr Aufmarsch sollte sich gegen den Polizeidirektor Prof. Michael Knape richten. Der Anmelder des Naziaufzuges Rene Bethage wählte für die Route bewusst den Wohnort Knapes aus, von dem sich die BASO offensichtlich bedrängt führt. Gegen Knape und seine Familie, die sogar einige Zeit unter Polizeischutz stand, wurden von neonazistischer Seite aus schon seit Anfang Dezember 2004 Drohungen ausgesprochen. Knape wird nachgesagt sich massiv gegen Rechtsextremisten zu engagieren. Da es sich bei dem Naziaufmarsch nicht um eine gemeinschaftliche A n t i f a

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_11.12.04 Berlin

16.12.04 // Berlin // Drei Jahre Knast für Eine Neonaziparty wurde von der Polizei in Berlin Köpenick aufgeAntifaschisten // Berufung wird eingelegt

19.12.04 // Berlin // Neonaziaufmarsch durch Heiligensee verboten

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_04.12. Berlin Mehrere Nazis werfen in der Nacht die Scheiben des Jugendclubs “JuJo” in Johannisthal ein und beschmieren ihn mit der Parole “Antifa angreifen”.

löst. Unter Ihnen befanden sich auch zahlreiche bekannte Neonazis, wie zum Beispiel der Begründer der Nazigruppe BASO, Rene Bethage. Die Berliner Polizei leitete 13 Strafverfahren wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ein. So trugen mehrer Neonazis Textilien mit dem Logo der Marke “Thor Steinar”.

_14.12.04 In Berlin und Brandenburg wurden von Polizei und LKA mehrere Neonaziwohnungen durchsucht. Auch der Proberaum der Berliner Naziband “Spreegeschwader”, der sich im Wedding befand musste sich der Durchsuchung unterziehen. _31.12.04 Berlin Vor der JVA-Moabit fand die alljährliche Knastdemo zur Silvesternacht statt. 150 Leute feierten mit den Gefangenen. Es wurde vor dem Knast getanzt, gesungen und Botschaften in mehreren Sprachen für die Häftlinge verlesen.

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Kalender für 2005

Recherche und Fotos: Bei der Erstellung der Chronik (rechter und linker Rand in dem Monaten) haben wir von der umfangreichen Recherche der Antifa Friedrichshain (www.antifa-fh.de.vu) der Treptower Antifa Gruppe (www.treptowerantifa.de) und der Antifa Hohenschönhausen (http://ah.antifa.de) partizipiert. Vielen Dank dafür und weiter so! Fotos sind teilweise von www.de.indymedia.org; wir hoffen gegen kein Copyright verstoßen zu haben.


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... noch lange nicht! 0 0 5

fight fascism - smash capitalism Autonome Antifa Infernal [AAI] www.antifa-infernal.de.vu


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