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Repression goes G8 – Polizei entdeckt kreatives Potenzial in unterster Schublade ie Vertreter/innen der Teilnehmerstaaten des G8-Gipfels haben sich wieder verabschiedet. Sie verlassen mit stolz geschwellter Brust Heiligendamm. Der bedürftigen Welt haben sie Großartiges hinterlassen: Absichtserklärungen zum Thema Klimaschutz, Entwicklungshilfe und einen Plan um aufstrebende Schwellenländer vor Finanzkrisen zu schützen.

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Auf den ersten Blick nichts Schlechtes, allerdings auch nichts Neues und schon gar nichts auf das man sich verlassen kann. Schwellenländer vor dem finanziellen Kollaps zu bewahren liegt im Interesse der Industriestaaten, welche langfristig in sichere Märkte investieren wollen. Bereits existierende Richtlinien zum Klimaschutz werden ihre weltweite Gültigkeit erst erlangen, wenn umweltbewusstes Handeln für alle relevanten Staaten profitabel verwertbar ist, sei es im wirtschaftlichen oder innenpolitischen Sinn. Die Aufstockung der Entwicklungshilfe auf 50 Milliarden Dollar ist schon vor einem Jahr beim G8-Gipfel in Schottland anvisiert worden, also auch kein nennenswertes Verhandlungsergebnis. Die Politik feiert dennoch ihre Erfolge und es gibt nicht wenige, die hier wieder einmal einen Schritt in die richtige Richtung sehen.

Skandal! Was vor der Weltöffentlichkeit lautstark propagiert wird, scheint vor dem Hinter-

grund der Diskussion über in Deutschland das eingeschränkte Demonstrationsund Versammlungsrecht eher zweitrangig. Im medialen Brennpunkt stehen die Folgen des G8-Sicherheitswahns für die bürgerlichen Freiheiten einerseits und andererseits die Rechtfertigung des massiven Polizeiaufgebots zur Gefahrenabwehr, der im Einsatz von TornadoKampfjets zur Aufklärung von feindlichen Campingplätzen gipfelte. Kurz nach den ersten gewalttätigen Auseinandersetzungen in Rostock schienen die Maßnahmen des Innenministeriums im Sinne der Öffentlichkeit ihre Berechtigung zu haben. Die offizielle Zahl der Polizei bezüglich verletzter Beamter und Demonstranten war mit mehr als 1000, darunter 400 Polizisten, beträchtlich. Zu den angegebenen Verletzungen gehören unter anderem offene Knochenbrüche und Verätzungen mit säureähnlicher Flüssigkeit. Vom zuständigen Polizeisprecher propagiert und von bürgerlichen Medien bereitwillig verbreitet, könnte man meinen hier ist von Genua oder Seattle die Rede. In diesem Kontext ist es nicht verwunderlich, wenn der Einsatz von Gummigeschossen zum Selbstschutz der Polizisten gefordert wird. Festzuhalten ist allerdings, dass diese Opferzahlen bloße Propaganda und eindeutige Lügen sind. In den Rostocker Krankenhäusern wurden ca. 500 Personen behandelt und am selben Tag wieder entlassen. Statt 400 verletzter Polizisten gab es nur 158 und nur einer wurde wegen einer Gehirnerschütterung länger-

fristig stationär behandelt. Die Säureattacken stellten sich als nichtig heraus, bei der Flüssigkeit handelte es sich wohl um Wasser. Die Gründe für diese maßlose Übertreibung liegen auf der Hand. Das Innenministerium brauchte eine Rechtfertigungsgrundlage für das Demonstrationsverbot in und um Heiligendamm, sowie für das übertriebene Polizeiaufgebot. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Urteilsbegründung eindeutig auf die Ausschreitungen am 2. Juni in Rostock und die Vielzahl von Verletzten Bezug genommen. Die manipulierten Zahlen und aufgebauschten Krawalle haben also direkten Einfluss auf den höchstrichterlichen Urteilsspruch, der auf der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit basiert. Man kann nur hoffen das dieser Vorgang als Präzedenzfall zukünftige Demonstrationsverbote verhindert.

Legal Team Obwohl sich die Protestbewegung erstmalig in der Geschichte des G8-Gipfels auf ein gut organisiertes Team von Anwälten aus verschiedensten Ländern stützen konnte, war es im Vorfeld nicht möglich den großen Wurf zu landen. Allerdings ist beispielsweise den Initiatoren des Legal Teams, dem Republikanischen Anwaltsverein (RAV), eine interessante Dokumentation des Verhaltens der Polizei zu verdanken. Als Paradebeispiel kann folgende Situation vom 2. Juni in Rostock gelten: "Ausfallstraße im Südosten der Stadt. Eine Ampel, eine Autofahrerin, den Blinker nach rechts gesetzt. Am linken Straßenrand ein PKW der Polizei,

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:: Repression goes G8 – Polizei entdeckt kreatives Potenzial in unterster Schublade ::

davor auf dem Bürgersteig ein Beamter, der die Kreuzung überblickt. Im Gegenverkehr ein Konvoi mit Einsatzfahrzeugen der Polizei auf ihrem Weg stadteinwärts. Die Autofahrerin ist vom Anblick des Konvois offenbar völlig in den Bann gezogen. Sie wartet ihn ab, gibt, sobald die Straße frei ist, Gas und biegt rechts ab. Dabei übersieht sie die grüne Fußgängerampel und den Radfahrer von links, es kommt zum Unfall. Der Radler bleibt zunächst auf der Straße liegen, hebt sein verbogenes Rad und spricht mit der Frau. Die beiden Unfallparteien trennen sich ohne größeres Aufheben voneinander. Die Hauptrolle in dieser Szene ist aber mit dem Polizisten auf der gegenüberliegenden Straßenseite besetzt. Er beobachtet und bleibt wie angewurzelt stehen. Nicht einmal sein Funkgerät kommt zum Einsatz. Was erzählt diese vergleichsweise unspektakuläre Szene am Rand der Stadt über das spektakuläre Gewaltgeschehen in ihrem Inneren? Die erklärte Ignoranz des Polizisten gegenüber einem zivilgesellschaftlichen Alltagsgeschehen markiert den Ausnahmezustand. Das Aufnehmen von Personalien, die Protokollierung des Unfallhergangs, Erstattung einer Anzeige, Einleitung medizinischer Versorgung – also die erwartungsgemäßen Aufgaben des Ordnungshüters in dieser Situation – sind hier suspendiert. Heute befindet sich die Polizei in einem unerklärten Krieg. Sie verkörpert die eine Seite einer Doppelmasse, deren anderer Teil schwarzer Block heißt. Dieser Ausnahmezustand betrifft das komplette Verhalten der Polizei und spiegelt sich wieder im Umgang mit Demonstranten, Anwälten und Gefangenen."

Der Rechtsstaat außer Kraft ... ... und Gefangene gab es jede Menge. 1057 Verhaftete zählte die Polizei, zwischen 1100 und 1200 der anwaltliche Notdienst. Überwiegend handelte es ich um Gewahrsamnahmen nach dem Polizeigesetz. Danach dürfen Personen, von denen zu erwarten ist, dass sie in unmittelbarer Zukunft Straftaten begehen, für einen bestimmten Zeitraum, in dem die Polizei die Begehung der Straftaten zum Beispiel aus Anlass einer Demonstration erwartet, in Haft gehalten werden. Bis zu zehn Tage ist dies in Mecklenburg-Vorpommern möglich (in Berlin sind es nur bis zu zwei Tage). Der Grund für eine Festnahme konnte lapidar sein. So genügte bereits das Mitführen eines Tuchs oder einer Sonnenbrille aus, um in den Verdacht des Begehens von Straf-taten zu kommen. In anderen Fällen wurden ganze Reisebusse oder aber Fahrgäste der Deutschen Bahn, die mutmaßlich zu einer verbotenen Demonstration unterwegs waren, verhaftet. Solch diffus anmutenden Vorwürfe genügen selbst nach dem geänderten Polizeigesetz von Mecklenburg-Vorpommern nicht den tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Gewahrsamnahme, weswegen die Gerichte bei angemessener Prüfung der Haftgründe die Gefangenen oftmals wieder auf freien Fuß setzten. Die Gefangenen duften in der Regel allerdings sieben Stunden darauf warten, überhaupt einem Richter vorgeführt zu werden, nicht selten waren es jedoch zwölf Stunden. Wurden sie endlich vor-

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geführt, unterzeichneten die Richter oft ohne genauere Prüfung die formalisierten Haftbeschlüsse. Daher wurden viele Beschlüsse erst im Zuge einer Haftbeschwerde vom Landgericht Rostock kassiert, welches den größten Teil der Inhaftierten nach mehreren Tagen Haft mangels Rechtmäßigkeit der Gewahrsamnahme entließ. Die "Rechtswidrigkeitsquote" bei Festnahmen während des G8-Gipfels wird auf über 90% geschätzt.

Kontakt Kontakt Autonome Antifa Infernal [AAI] www.antifa-infernal.de.vu e-mail: sommerpause@gmx.net

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