Rezensionen | Rosen auf den Weg gestreut / Der deutsche Konservatismus nach Auschwitz
Von August Lindler
Der deutsche Konservatismus nach Auschwitz
Von Johannes Lohmann
Rosen auf den Weg gestreut Veröffentlichung zum Rechtsextremismus gibt es viele. Seltener wird jedoch auf das partielle Näheverhältnis zwischen Staat, Gesellschaft und extremer Rechter verwiesen. Diese Lücke will der neue Sammelband „Rosen auf den Weg gestreut. Deutschland und seine Neonazis“ unter der Herausgeberschaft des Politikwissenschaftlers Richard Gebhardt schließen. Dietrich Kuhlbrodt beschreibt, wie Kino und Fernsehen mit ihrer knopp’schen Quantitätsorgie Hitler und seine Altnazis zu einem Normalfall werden lassen. Ulla Jelpke handelt die verschiedensten Aspekte von „Staat, Justiz, Geheimdiensten und extremer Rechter“ ab. Leider unterbleibt eine weitere Analyse, die über den Vorwurf, die Justiz sei wegen eines „vergeigten“ NPD-Verbotsverfahrens und der Unfähigkeit, das braune Treiben im Internet zu unterbinden, auf dem rechten Auge blind, hinausgeht. Eine lesenswerte Einführung in die verschiedensten Aspekte des Rechtsextremismus bieten jedoch die folgenden Artikel. Dominik Clemens stellt die Voraussetzungen für die Erfolge der NPD dar und zeigt potenzielle Konfliktfelder auf im Bestreben der Partei, sowohl die militante als auch die konservative Rechte zu gewinnen. Michael Klarmann thematisiert die Entwicklung der Freien Kameradschaften und ihre Bezugnahmen auf die SA, Gerd Wiegel analysiert die Entstehung neonazistischer Dominanzräume und beschreibt an einem anschaulichen Beispiel, die Möglichkeiten eines breiten antifaschistischen Engagements. Jörg Kronauer gibt einen Einblick in die Vertriebenenverbände, während Gerd Krauss Burschenschaften und studentische Verbindungen darstellt. Für Herbert Schui benötigt das Kapital einen völkischen Nationalismus um ein Treueverhältnis zum dekadenten Spätkapitalismus herzustellen und so Konflikte in der Bevölkerung zu Seite 56 | Lotta #28 | Herbst 2007
vermeiden. Glücklicherweise folgt diesem Ausrutscher eine profundere Analyse von Christina Kaindl, die die Hinwendung der extremen Rechten von einer neoliberalen Ausrichtung zum völkischen Sozialismus als Antwort auf die Krise der (politischen) Repräsentation versteht. Es helfe der Linken jedoch keinesfalls, dies alleine als Demagogie abzutun. Der aktuelle Rechtsextremismus beschwindele die Menschen nicht einfach, sondern thematisiere Alltagserfahrungen unter neuen Produktionsbedingungen und wende sie in Richtung der Volksgemeinschaft“. Michael Csazkoczy zeigt staatliche Repression auf und den Versuch, antifaschistische Zivilcourage zu delegitimieren, Anne Rieger stellt die Frage, ob eine faschistische Gefahr droht (kann diese jedoch nicht beantworten) ,und Konstantin Wecker macht sich erstaunlich kluge Gedanken zum Verhältnis von Pazifismus und Antifaschismus. Zwar hätte man auf ein paar der bekannteren Namen durchaus verzichten können, dennoch bleibt „Rosen auf den Weg gestreut“ eine empfehlenswerte Lektüre – nicht nur für EinsteigerInnen.
Richard Gebhardt (Hg.) Rosen auf den Weg gestreut. Deutschland und seine Neonazis PapyRossa-Verlag, Köln 2007, 202 Seiten 14,90 Euro
Ludwig Elm, früher Professor an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, beleuchtet mit dieser Neuerscheinung ein bisher weitestgehend vernachlässigtes Thema. Die Darstellung umfasst die Entwicklung des deutschen Konservatismus von 1945/46 bis heute. Der Autor zeichnet akribisch die Auseinandersetzungen bzw. die Verdrängungsleistungen in konservativen Kreisen zur NS-Diktatur und zum 2. Weltkrieg und deren Aus- und Nachwirkungen auf. Er schildert die niemals abgeschlossenen Affären um Filbinger, Globke, Kiesinger, Lübke, Maunz, Oberländer und vieler anderer ehemaliger NS-Täter sowie die Charakteristik führender konservativer Politiker. Ludwig Elm schreibt hierbei mit flüssiger Feder gegen den Zeitgeist und liefert ein materialreiches wie zugleich spannend zu lesendes Werk, das den organisierten Konservatismus historisch wie aktuell in dessen Verhältnis zur extremen Rechten analysiert. Ein wichtiges und empfehlenswertes Buch nicht nur für AntifaschistInnen!
Ludwig Elm Der deutsche Konservatismus nach Auschwitz – Von Adenauer und Strauß zu Stoiber und Merkel PapyRossa-Verlag, Köln 2007, 332 S., 18 Euro
Ökonomie der Zerstürung / Dialektik des Antikapitalismus | Rezensionen
Von Alexander Häusler
Von Pia Gomez Dialektik des Antikapitalismus
Ökonomie der Zerstörung Der englische Historiker Adam Tooze hat mit der nun in deutscher Übersetzung veröffentlichten Arbeit zur Wirtschaftsgeschichte des NS ein mit über 900 Seiten umfangreiches Quellen- und Nachschlagematerial zum Thema bereitgestellt, das zugleich mit einigen Mythen wie dem, „Hitlers Autobahnbau“ habe die Arbeitslosigkeit beseitigt, aufräumt. Tooze zeigt auf, dass nicht der Autobahnbau, sondern vielmehr die Mobilisierung zur Arbeit durch Zwang und die Kriegsmobilisierung der entscheidende Motor zur „Arbeitsplatzbeschaffung“ gewesen waren. Tooze weist nach, dass es keine Phase der „zivilen“ Arbeitsplatzbeschaffung gab, da die NSWirtschaftpolitik von Beginn an eine Art von „Blitzkriegswirtschaft“ gewesen war. Zudem rechnet er mit der „Speer-Mythologie“ ab, in der sich der frühere NS-Rüstungsminister später selbst als „unpolitischen“ Mensch inszeniert hatte. Der Autor zeigt auf, dass der Rüstungsminister alles daran gesetzt hatte, um Schritte zur Beendigung des Krieges zu unterbinden. Tooze weist zudem nach, dass in der Zeit der so genannten Friedensjahre 1933 bis 1939 die Zeichen auf Krieg gesetzt worden waren und die Wirtschaft von Anfang an eine NSKriegswirtschaft gewesen ist. Es ging nicht um Beschäftigungs-, sondern um Kriegspolitik, so Tooze, der darauf hinweist, dass der militärische Anteil am Staatshaushalt zwischen 1933 und 1938 von einem auf zwanzig Prozent gesteigert wurde. Die alte KPD-Parole „Wer Hitler wählt, wählt Krieg“ findet in Tooze’ Analyse postum Bestätigung. Im Gegensatz zu den Thesen von Götz Aly in dessen Werk „Hitlers Volksstaat“ zeigt Tooze auf, dass die NSWirtschaftspolitik weniger eine „Gefälligkeitsdiktatur“ (Aly) war als vielmehr eine nie zuvor da gewesene Umverteilung des „Sozialprodukt(es) eines kapitalistischen Staates zu Friedenszeiten“ in eine Kommando-
wirtschaft, die sich zugleich der autonomen Initiative der Unternehmer bediente. Hierbei betont Tooze, dass besonders die Unternehmerschaft der Rüstungsindustrie durchaus Einfluss auf die politischen Entscheidungen im NS-Regime hatte. Es war laut Tooze die „Allianz von Regime und Privatwirtschaft“, welche die kriegerische NS-Mordmaschine entfesselte. Mit diesem umfangreichen Werk hat der junge britische Historiker zugleich eine flüssig geschriebene Ereignisgeschichte des NS-Regimes verfasst – eine Veröffentlichung, die künftig wohl als Standardwerk zum Thema gelten wird.
Die #26 der LOTTA hatte „Antikapitalismus von Rechts“ zum Thema und stieß inhaltlich auf starkes Interesse. Die Zeitschrift Das Argument mit ihrem Schwerpunkt „Antikapitalismus“ sei hier nun wärmstens als Lektüre zur Vertiefung ins Thema empfohlen. Nicht nur, weil darin in einem Aufsatz ein guter Überblick über rechte Begriffsbesetzungen des Antikapitalismus geboten wird. Besonders deshalb, weil in dieser Ausgabe auf hohem und undogmatischem Niveau theoretische Herleitungen, Bezüge sowie Facetten eines linken Antikapitalismus im 21. Jahrhundert diskutiert werden. Hier wird Diskussionsmaterial für die dringend notwendige Frage gegeben, wofür Linke eigentlich stehen und wie eine Welt ohne Ausbeutung geschaffen werden kann.
Das Argument. Zeitschrift für Philosophie und Sozialwissenschaften, Nr. 269: Dialektik des Antikapitalismus Berlin 2007, 165 S., 11 Euro Adam Tooze Ökonomie der Zerstörung. Die Geschichte der Wirtschaft im Nationalsozialismus Siedler Verlag 2007, München 2007, 925 S., 44 Euro
Lotta #28 | Herbst 2007 | Seite 57