Organisation von und für extrem rechte Frauen | Schwerpunkt
Ein Katalysator für die westdeutsche wie auch die wesentlich kleinere ostdeutsche extrem rechte Szene war 1990 die deutsch-deutsche Vereinigung. Extrem Rechte aus dem Westen sahen in Ostdeutschland ein neues Rekrutierungsfeld. Nicht zuletzt von den gesellschaftlichen Folgen des Kapitalismus enttäuscht, schlossen sich auch Mädchen und Frauen mit DDRSozialisation und somit anderen Lebenserfahrungen und politischen Vorstellungen der NPD, dem Skingirl Front Deutschland (SFD, später Skingirl Freundeskreis Deutschland) und den Freien Kameradschaften an.
Erste Organisationen von extrem rechten Frauen Von Rena Kenzo
Auf Augenhöhe? Organisationen von und für extrem rechte Frauen Als die britische Besatzungsmacht nach Ende des Zweiten Weltkriegs Internierungslager errichtete, gelangten in das Lager Staumühle bei Paderborn auch Frauen, die nach Einschätzung der Alliierten als "Hauptschuldige" bis "Minderbelastete" des NS-Regimes eingestuft waren. Unter ihnen waren Wehrmachtshelferinnen, Arbeitsmaiden, Angehörige des Bundes Deutscher Mädel (BDM) und der NS-Frauenschaft, aber auch einige politisch unbelastete Frauen. Die Zeit nach ihrer Inhaftierung in dem 1948 aufgelösten Lager ist bislang wenig erforscht. Während "prominente" NSKaderinnen wie Jutta Rüdiger (BDM-Führerin) oder Gertrud Scholtz-Klink ("Reichsfrauenführerin") mit ihren Memoiren den NS rehabilitieren wollten, hielten sich die Frauen aus den eher unteren und mittleren Hierarchien des NS-Regimes öffentlich damit zurück. In verdeckten Grüppchen trafen sie sich jedoch bis in die 90er Jahre. Dazu gehörte auch ein Kreis, der alljährlich in Hameln zusammenkam. Dort beehrten sie die
Gräber toter Nazis, u.a. das der KZAufseherin Irma Grese. Die Gräber waren ab Mitte der 80er Jahren ein Treffpunkt von Alt- und Jung-Nazis.
Erste Organisationen für extrem rechte Frauen Nicht alle (neo)nazistischen Frauen älteren Jahrgangs beließen es bei provokanten Leserinnenbriefen, Gräberdienst oder NS-Rehabilitierung. Einige beteiligten sich am Aufbau neonazistischer Strukturen, wie die bis heute aktive 74-jährige Ursula Müller, seit vielen Jahren Vorsitzende der Hilfsgemeinschaft für nationale politische Gefangene (HNG). Zu offiziellen Frauenstrukturen, wenn man vom Frauenbund der Sozialistischen Reichspartei (SRP) in den 50er Jahren und dem unbedeutenden Bund Hamburger Mädel 1977 absieht, kam es aber erst wieder in den 80er Jahren mit der Deutschen Frauenfront und der FAPFrauenschaft. Diese Organisationen wurden jedoch stark von führenden männlichen Nazikadern beeinflusst.
Die erste echte selbstständige extrem rechte Frauenorganisation war die Silvester 1990/91 gegründete SFD. Angesichts der NPD-Verbotsdebatte wurde sie – mittlerweile von NPDFrauen dominiert – ab 2000 als Gemeinschaft Deutscher Frauen (GDF) weiter geführt. Aus den Skingirls und Renees waren Mütter geworden, "Kränze" bzw. "Feathercuts" verschwunden. Vereinzelte Indizierungen ihrer Publikationen, aber auch Hausdurchsuchungen bei ihren Partnern veranlassten die Frauen, ihre eigenen Organisation immer besser zu strukturieren. Persönliches Kennenlernen, Probezeit und Aufnahmezeremonie siebten ungewollte Interessentinnen aus. Doch auch das Geschlecht "Frau" schien als Tarnung zu taugen. Die erste Berücksichtigung in einem Verfassungsschutz-Länderbericht erfolgte erst 1999. Die ältesten SFD/GDFFrauen verfügen heute über 15 bis 20 Jahre Erfahrung in der politischen Arbeit und haben inzwischen wichtige Positionen in der NPD inne, wie NPDVorstandsmitglied Stella Palau. Dennoch schienen SFD bzw. GDF nicht alle extrem rechten Mädchen und Frauen anzusprechen, auch die Festlegung auf "Mutterschaft" reichte manchen Frauen nicht. Zwischen 1991 und 2006 kam es zur Gründung von etwa 19 verhältnismäßig kleinen, kameradschaftsähnlichen FrauenorLotta #28 | Herbst 2007 | Seite 17
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ganisationen. Zwei von ihnen wurden verboten: 2004 die Frauen in der Fränkischen Aktionsfront und 2005 die Mädelgruppe der Kameradschaft Tor Berlin. Um andere Organisationen ist es ruhiger geworden. Ihre Akteurinnen sind aber nach wie vor in extrem rechten Frauen- und Kameradschaftsstrukturen aktiv. Inge Nottelmann von der Mädelschar Deutschland; später umbenannt in Arbeitskreis Mädelschar, hetzt in Hamburg gegen den Bau einer Moschee. Yvonne Mädel (Mädelring Thüringen) betätigt sich u.a. als Demo-Rednerin.
Frauen in der NPD Seit der NPD-Gründung 1964 sind in der Partei auch Frauen aktiv. Obwohl in der Anfangsphase die Parteifrauen in erster Linie ihre (Ehe)Männer bei deren Aktivitäten unterstützten, erwarben zwischen 1966 und 1968 drei Frauen NPD-Landtagsmandate. Seitdem erlebte die NPD zwei "Erfolgswellen" der Frauen. Die erste in den 70er Jahren: NPD-Frauen übernahmen Ämter in Kreis- und Landesverbänden oder als Geschäftsführerinnen. Im März 1976 leitete die Gründung der ersten NPD-Frauengruppe eine Reihe von weiteren Aktivitäten ein: Kongresse, Referate, Frauengruppen und Arbeitskreise. Die Partei-Frauen waren der Überzeugung, dass sie als Frauen „eine politi-
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sche Idee – eben die Nationaldemokratie – besser an den Mann (an die Frau)“ bringen könnten. In den 80er Jahren brachen diese Frauenstrukturen der NPD weg. Erst in den 90er Jahren näherte sich eine neue Generation von Frauen, die aus der rechten Skinheadszene und aus eigenen Strukturen, wie dem SFD, stammten, der NPD wieder an. Ab etwa 2001 gründeten sich kleine regionale Frauen- und Familiennetzwerke in NPD und JN.
Der Ring Nationaler Frauen Die zweite "Erfolgswelle" der NPDFrauen fand im September 2006 in der Gründung des Rings Nationaler Frauen (RNF) ihren vorläufigen Höhepunkt. Durch den vom NPD-Bundesvorstand anerkannten, aber nicht sonderlich geförderten RNF erhielten die NPD-Frauen einen zweiten Sitz in der Parteiführung. Innerhalb eines Jahres haben sich mehrere regionale RNF-Gruppen gegründet. In Ostdeutschland fanden vereinzelte Veranstaltungen statt, bei denen sich die RNFFrauen mit Frauen der Kameradschaftsszene und anderer extrem rechter Parteien, z.B. der DVU, austauschten. Wichtigste RNF-Funktionärinnen ist die sächsische Landtagsabgeordnete Gitta Schüßler. Schüßler und Co. wollen durch die Arbeit im RNF extrem rechte Frauen stärken und aus ihren Reihen Frauen in Funktionen bringen. Bis 2007 gab es in den neun Landesparlamenten, in denen die NPD vertreten war, 74 männliche Landtagsabgeordnete. Schüßler – die vierte weibliche Landtagsabgeordnete der NPD – konstatierte: „Es gibt genug intelligente und gut ausgebildete Frauen […], die national denken und sich unserer Partei verbunden fühlen. Wie kann es dann sein, dass der Großteil unserer Mandatsträger Männer sind?“ Gerade einmal zwei Sekretärinnen, eine Bürgerbeauftragte und eine Sachbearbeiterin wirken für die NPD-Fraktion in Sachsen, während 15 Männer als Parlamentarische Berater, Geschäftsführer, Pressesprecher,
technische Mitarbeiter und Sachbearbeiter in deutlich besser dotierten Positionen fungieren. Die NPD-Frauen beziehen sich auch auf den schlechten Ruf der NPD als "Männerpartei", um ihre Ansprüche zu formulieren. Offiziell stellen sich die Männer ihnen nicht in den Weg. Doch Äußerungen von Funktionären machen deutlich, wo manche den Platz von Parteikameradinnen sehen. 2007 mutmaßte die ehemalige Aachenerin Anja Zysk, bis zu ihrem Rücktritt Landesvorsitzende in Hamburg, ob ihre „Demontage nicht auch geschlechtliche Hintergründe hat. Vielleicht haben einige Leute in der NPD ja ein Problem damit, einer Frau auf gleicher Augenhöhe gegenüberzutreten oder sogar unter ihr zu arbeiten“. Ihr Nachfolger Jürgen Rieger soll ihr gegenüber geäußert haben, dass Frauen sich besser „aus der Politik heraushalten und Kinder kriegen“ sollten. Dennoch gibt es weibliche und männliche NPD-Mitglieder und auch in der Kameradschaftsszene Frauen und Männer, die einen Vorteil darin sehen, Frauen bei der Besetzung von sozialen Themen, zur Verbesserung der Außenwirkung und zur Demonstration einer vermeintlich gewaltfreien NPD einzusetzen. Rückblickend haben extrem rechte Frauenorganisationen in den meisten Fällen dazu geführt, dass dort organisierte Frauen ihre Überzeugungen aufrechterhalten haben. Der "Frauenraum" schützt sie vor allzu plumpen sexistischen und diskriminierenden Anfeindungen aus dem eigenen Lager. Bis auf SFD/GDF war ihre Existenzdauer jedoch bisher nur gering. Konkurrenzverhalten oder allzu unterschiedliche Inhalte ließen ein Miteinander nicht zu. Dies will der RNF in Zukunft ändern. Ob die NPDMänner ihre Parteikameradinnen auch bei Kandidaturen häufiger berücksichtigen und ihre Macht teilen werden, bleibt abzuwarten. Und was sich durch mehr Präsenz von Frauen in „Spitzenpositionen“ der extremen Rechten tatsächlich ändern würde, ebenfalls.