Lotta28 sp auf augenhoehe

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Organisation von und für extrem rechte Frauen | Schwerpunkt

Ein Katalysator für die westdeutsche wie auch die wesentlich kleinere ostdeutsche extrem rechte Szene war 1990 die deutsch-deutsche Vereinigung. Extrem Rechte aus dem Westen sahen in Ostdeutschland ein neues Rekrutierungsfeld. Nicht zuletzt von den gesellschaftlichen Folgen des Kapitalismus enttäuscht, schlossen sich auch Mädchen und Frauen mit DDRSozialisation und somit anderen Lebenserfahrungen und politischen Vorstellungen der NPD, dem Skingirl Front Deutschland (SFD, später Skingirl Freundeskreis Deutschland) und den Freien Kameradschaften an.

Erste Organisationen von extrem rechten Frauen Von Rena Kenzo

Auf Augenhöhe? Organisationen von und für extrem rechte Frauen Als die britische Besatzungsmacht nach Ende des Zweiten Weltkriegs Internierungslager errichtete, gelangten in das Lager Staumühle bei Paderborn auch Frauen, die nach Einschätzung der Alliierten als "Hauptschuldige" bis "Minderbelastete" des NS-Regimes eingestuft waren. Unter ihnen waren Wehrmachtshelferinnen, Arbeitsmaiden, Angehörige des Bundes Deutscher Mädel (BDM) und der NS-Frauenschaft, aber auch einige politisch unbelastete Frauen. Die Zeit nach ihrer Inhaftierung in dem 1948 aufgelösten Lager ist bislang wenig erforscht. Während "prominente" NSKaderinnen wie Jutta Rüdiger (BDM-Führerin) oder Gertrud Scholtz-Klink ("Reichsfrauenführerin") mit ihren Memoiren den NS rehabilitieren wollten, hielten sich die Frauen aus den eher unteren und mittleren Hierarchien des NS-Regimes öffentlich damit zurück. In verdeckten Grüppchen trafen sie sich jedoch bis in die 90er Jahre. Dazu gehörte auch ein Kreis, der alljährlich in Hameln zusammenkam. Dort beehrten sie die

Gräber toter Nazis, u.a. das der KZAufseherin Irma Grese. Die Gräber waren ab Mitte der 80er Jahren ein Treffpunkt von Alt- und Jung-Nazis.

Erste Organisationen für extrem rechte Frauen Nicht alle (neo)nazistischen Frauen älteren Jahrgangs beließen es bei provokanten Leserinnenbriefen, Gräberdienst oder NS-Rehabilitierung. Einige beteiligten sich am Aufbau neonazistischer Strukturen, wie die bis heute aktive 74-jährige Ursula Müller, seit vielen Jahren Vorsitzende der Hilfsgemeinschaft für nationale politische Gefangene (HNG). Zu offiziellen Frauenstrukturen, wenn man vom Frauenbund der Sozialistischen Reichspartei (SRP) in den 50er Jahren und dem unbedeutenden Bund Hamburger Mädel 1977 absieht, kam es aber erst wieder in den 80er Jahren mit der Deutschen Frauenfront und der FAPFrauenschaft. Diese Organisationen wurden jedoch stark von führenden männlichen Nazikadern beeinflusst.

Die erste echte selbstständige extrem rechte Frauenorganisation war die Silvester 1990/91 gegründete SFD. Angesichts der NPD-Verbotsdebatte wurde sie – mittlerweile von NPDFrauen dominiert – ab 2000 als Gemeinschaft Deutscher Frauen (GDF) weiter geführt. Aus den Skingirls und Renees waren Mütter geworden, "Kränze" bzw. "Feathercuts" verschwunden. Vereinzelte Indizierungen ihrer Publikationen, aber auch Hausdurchsuchungen bei ihren Partnern veranlassten die Frauen, ihre eigenen Organisation immer besser zu strukturieren. Persönliches Kennenlernen, Probezeit und Aufnahmezeremonie siebten ungewollte Interessentinnen aus. Doch auch das Geschlecht "Frau" schien als Tarnung zu taugen. Die erste Berücksichtigung in einem Verfassungsschutz-Länderbericht erfolgte erst 1999. Die ältesten SFD/GDFFrauen verfügen heute über 15 bis 20 Jahre Erfahrung in der politischen Arbeit und haben inzwischen wichtige Positionen in der NPD inne, wie NPDVorstandsmitglied Stella Palau. Dennoch schienen SFD bzw. GDF nicht alle extrem rechten Mädchen und Frauen anzusprechen, auch die Festlegung auf "Mutterschaft" reichte manchen Frauen nicht. Zwischen 1991 und 2006 kam es zur Gründung von etwa 19 verhältnismäßig kleinen, kameradschaftsähnlichen FrauenorLotta #28 | Herbst 2007 | Seite 17


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