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Jahrestage

Jahrestage

... Josef Knapp, ehemaliger Dekan von Sterzing (2006 – 2018) und Leiter der Seelsorge- einheit Wipptal

(2010 – 2018)

Erker: Herr Knapp, wie geht es Ihnen?

Josef Knapp: Sehr gut, danke.

Ihre Stimme klingt voller Energie.

An Energie fehlt es mir Gott sei Dank nicht. Die Arbeit in der Seelsorge ist vielfältig und spannend. Seit dem 1. September 2021 bin ich Dekan und Pfarrer in Bruneck und Pfarrseelsorger von Reischach und Stegen.

Von 2018 bis 2021 waren Sie Assistent des Generalvikars, Beauftragter für Berufungspastoral am Bischöflichen Ordinariat, Kanonikus an der Kathedrale in Brixen sowie Spiritual am Priesterseminar und am Vinzentinum. Gefiel Ihnen diese Herausforderung?

Ja, sehr. Diese Aufgaben waren sehr herausfordernd, aber auch sehr kreativ. Ich war viel in Südtirol unterwegs, um Menschen vor Ort auf ihrem Weg zum Priestertum zu begleiten und zu bestärken. Auch die Arbeit mit Jugendlichen empfand ich als großes Privileg. Da der Bedarf an Pfarrern vor Ort groß ist, wurde ich gebeten, die Aufgabe als Dekan und Pfarrer zu übernehmen.

Denken Sie oft an Sterzing zurück?

Das ist für mich selbstverständlich, denn es waren zwölf Jahre, die mich geprägt haben. Immer wieder sehe ich Parallelen zum jetzigen Arbeitsplatz, etwa bei der Bildung der Seelsorgeeinheit. In Erinnerung habe ich die lieben Menschen und Freundschaften, alle, die sich im Aufbau von Kirche engagieren. Auch beim Blick auf die Todesanzeigen verbinde ich mich im Gebet.

Besuchen Sie manchmal das Wipptal?

Leider ist es mir nur selten möglich. An freien Tagen besuche ich vorwiegend meine Familie in Taufers. Aber die Verbundenheit mit dem Wipptal wird bleiben – und die Dankbarkeit.

Wipptal

Entspannung in Sicht

Nach dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie im März 2020 sind auch im Wipptal die Arbeitslosenzahlen wegen zahlreicher Restriktionen und Beschneidungen des wirtschaftlichen Lebens stark angestiegen. Auch im vergangenen Jahr gab es im Bezirk monatlich noch durchschnittlich 620 arbeitslos gemeldete Personen. Und damit nur unwesentlich weniger als 2020, weiterhin aber rund ein Drittel mehr als im Vor-Corona-Jahr 2019. Besonders hoch waren die Arbeitslosenzahlen in den ersten Monaten des Jahres 2021, in denen zahlreiche Personen in Kurzarbeit überstellt waren, während sich seit dem Frühsommer die wirtschaftliche Situation deutlich entspannt hat. Weiterhin gab es im Bezirk wesentlich mehr arbeitslos gemeldete Frauen (387) als Männer (232). Die letzthin stark boomende Wirtschaftslage hat vielerorts nun aber sogar zu einem Arbeitskräftemangel geführt und sollte deshalb in diesem Jahr zu einem Abflauen der angespannten Lage führen. ARBEITSLOSE NACH GEMEINDEN Die weitaus meisten Arbeitslosen vermeldete weiterhin die Tourismusbranche. Zurückzuführen ist das auf die noch weitgehend anhaltenden Beschneidungen in der ersten Jahreshälfte 2021. 2019 2020 2021 Brenner 51 83 70 Franzensfeste 30 41 43 Freienfeld 45 72 70 Pfitsch 49 76 72 Ratschings 97 180 171 Sterzing 129 201 194 Wipptal 401 653 620 * Quelle: Landesabteilung Arbeit - Arbeitsservice ---------Im Gastgewerbe haben sich die Erwerbslosenzahlen seit dem März 2020 mehr als verdoppelt und sind von 159 Personen im Jahr 2019 auf 321 im vergangenen Jahr angestiegen. Auch hier kam es aber letzthin wieder zu einer deutlichen Entspannung. lg

ARBEITSLOSE IM WIPPTAL

700

600

500

400

300

200

100

331 353 375 401 653 620

Prognose per Bluttest

Ein Forschungsteam in Deutschland und Österreich hat eine Methode entwickelt, die schon in einem relativ frühen Stadium erkennen kann, welche Patienten schwer an Covid erkranken und daran sterben werden. Maß-

geblich an der Studie beteiligt ist auch Markus Ralser aus Mauls. Markus Ralser ist Direktor des Institutes für Biochemie an der Universitätsklinik Charité in Berlin und arbeitet auch am Francis Crick Insitute in London. In Zusammenarbeit u. a. mit der Universitätsklinik Innsbruck hat sein Team ein Verfahren entwickelt, das bei fast 90 Prozent der schwerkranken Patienten vorhersagen konnte, ob sie den Krankheitsverlauf überleben werden. Gemessen wird bei der Methode nicht das Virus selbst, sondern die Immunantwort, die der Organismus gegen das Virus hat. Immunsystem und zelleigenes Abwehrsystem springen unterschiedlich stark an, je nachdem wie stark das Virus ist. Identifiziert und analysiert werden vor allem bestimmte Eiweiße, die Covid-Kranke bilden. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Auswertung der Blutprobe, die mit Einsatz von künstlicher Intelligenz durchgeführt wird, noch sehr aufwendig, kompliziert und teuer. Trotzdem macht die Studie Hoffnung, schwer erkrankte Patienten heilen zu können, wenn möglichst früh die richtige Therapie angewandt wird. Wichtige Erkenntnisse kann die Studie auch bei der Überprüfung von neuen Therapien und Arzneimitteln liefern, nicht nur zur Behandlung von Covid-19, sondern auch von weiteren Infektionskrankheiten. Die Studie wurde am 18. Jänner im Fachblatt „PLOS Digital Health“ veröffentlicht. Wirr slnd für Sie di!A

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95 Personen betreut

In der Familienberatungsstelle Sterzing wurden im vergangenen Jahr 95 Personen betreut und damit pandemiebedingt etwas weniger als im Jahr zuvor. Mehr als die Hälfte der Beratungsgespräche von Einzelpersonen betrafen Trennung, Ängste und Phobien. Diese Themenbereiche haben während des gesundheitlichen Notstands stark zugenommen.

Stumme Zeugen

Videoüberwachung ist seit Jahren ein Dauerbrenner in Südtirol, auch unter Bezirkspräsidenten, Gemeinden und Vertretern des Landes. Im Wipptal gibt es derzeit Überlegungen, an Ein- und Ausfahrten von Ortschaften bezirksweit Videokameras zu installieren. Beschlossen ist noch nichts. Aber es wird darüber gesprochen.

I Von Renate Breitenberger

Ins Rollen kamen die Gespräche nach einem Beschlussantrag, den Gemeinderat Erwin Astenwald für die Bürgerliste Gemeinsam für Wiesen-Pfitsch im November 2021 in den Gemeinderat eingebracht hat. An der Unterführung in der Bahnhofstraße, „einem strategisch günstigen Ort“, soll eine Überwachungskamera installiert werden, die alle Kenntafeln von ein- und ausfahrenden Fahrzeugen erfassen und den Ordnungshütern bei Einbrüchen oder Diebstählen im Gemeindegebiet die Suche nach den Tätern erleichtern sollen. Der Gemeinderat beschloss, zunächst eine Bezirkslösung anzustreben, sich aber in jedem Fall um eine gemeindeinterne Lösung zu bemühen, sollten die anderen Gemeinden kein Interesse zeigen. Eine Erker-Nachfrage im Dezember ergab, dass die Gemeinden einem Überwachungskonzept nicht abgeneigt sind. „Es würde die Sicherheit der Bürger erhöhen“, so Thomas Klapfer, Bürgermeister von Franzensfeste. Die Gemeinde Brenner hat nach einigen Einbrüchen im Sommer 2021 daran gedacht, vor allem an neuralgischen Punkten im Pflerschtal Kameras anzubringen. Auch in Freienfeld wurde vor einigen Jahren darüber diskutiert. „Da der Bezirk damals die Überlegung anstrebte, an Standorten wie Autobahnausfahrt und Pässen Kameras anzubringen, wurde vereinbart, zunächst damit zu starten“, so Verena Überegger, Bürgermeisterin von Freienfeld. In Sterzing empfand man die Anbringung von Videokameras bisher als ziemlich schwierig, weil es doch einige Zufahrten gibt. Auch seien laut Bürgermeister Peter Volgger im Vorfeld grundsätzliche Fragen abzuklären wie Privacy und der technische, kostenmäßige, zeitliche und personelle Aufwand, das Material auszuwerten. Stark auseinander gehen die Meinungen in der Gemeinde Ratschings. „Eine klare Mehrheit für die eine oder andere Position wurde bisher nicht gefunden“, so Bürgermeister Sebastian Helfer. Nachdem die Carabinieri ihn des Öfteren darauf angesprochen und ihm die Vorteile einer Videoüberwachung erklärt haben, will er das Thema demnächst in den Gemeinderat bringen. Bei der Bürgermeisterkonferenz Anfang Dezember zeigte sich jedenfalls, dass vor allem die Gemeinden Brenner, Freienfeld, Franzensfeste und Pfitsch an einem Überwachungskonzept interessiert sind.

Pilotprojekt im Bezirk Überetsch-Unterland

Das Wipptal ist nicht der einzige Bezirk, der an eine Videoüberwachung denkt. Vor über vier Jahren hat die Bezirksgemeinschaft Überetsch-Unterland mit finanzieller Unterstützung des Landes ein territoriendeckendes Pilotprojekt – das bisher einzige italienweit – gestartet. Als erster Bezirk Südtirols wurden in den

18 Gemeinden insgesamt 100 Kameras installiert, um die Kleinkriminalität einzudämmen und die Sicherheit der Bevölkerung zu erhöhen. 75 Kameras dienen der Kennzeichenlesung, um u. a. verdächtige Fahrzeuge zu erfassen. Weitere 25 Videokameras sollen dazu beitragen, Straftaten wie Wohnungseinbrüche oder Autodiebstähle aufzuklären. „Das Projekt ist Wegbereiter für das restliche Land“, so Hansjörg Zelger, Bürgermeister von Terlan und Präsident der Bezirksgemeinschaft Überetsch-Unterland (siehe eigenes Interview). Die anderen Bezirksgemeinschaften brauchen ihr Projekt nicht mehr autonom umsetzen, sondern können es in Zusammenarbeit mit dem Land durchführen, „da man gesehen hat, dass es doch einige Schwierigkeiten gibt, ein solches Projekt auf die Füße zu stellen“.

250 neue Kameras für Südtirols Straßen

Dabei hatten Bezirksgemeinschaften wie der Vinschgau bereits Konzepte nach dem Beispiel Überetsch-Unterland fertig ausgearbeitet, Beschlüsse in den Gemeinden eingeholt und sich mit dem Regierungskommissariat abgestimmt. „Wir standen kurz vor der Ausschreibung. Nach dem Regierungswechsel stellte das Land aber fest, dass ihm Echtzeitinformationen zum Thema Verkehrsmanagement fehlen. So hat es uns gebeten abzuwarten, da es ein landesweites Monitoring erarbeiten möchte, um dann beide Projekte zu fusionieren und Synergien zu nutzen“, so Dieter Pinggera, Präsident der Bezirksgemeinschaft Vinschgau. Der Plan des Landes ist folgender: Innerhalb 2025 wird der Straßendienst auf mehreren Staats- und Landesstraßen in Südtirol insgesamt rund 250 Kameras zur Kennzeichenerfassung installieren. Die ersten stehen bereits seit einigen Jahren auf den Dolomitenpässen rund um den Sellastock, auf dem Stilfser Joch und in Prags. Dieses Jahr haben die Hauptachsen – die Nord-Süd-Verbindung Brenner-Salurn sowie die Ost-West-Verbindung Burggrafenamt-Vinschgau-Pustertal – Priorität. Innerhalb Frühjahr sollen laut Abteilungsdirektor Philipp Sicher am Brennerkorridor rund 20 Kameras montiert sein: immer vor und nach den Ortschaften, u. a. in Brenner und Sterzing sowie im Bereich von Brixen, Klausen und Bozen. Jedes vorbeifahrende Autokennzeichen wird von diesen Kameras erfasst und verschlüsselt in einer Datenbank gespeichert. Ziel ist es, durch die Kennzeichenerfassung landesweit den Verkehrsfluss sowie den Ziel- und Quellverkehr zu erheben, zudem sollen die Daten statistisch ausgewertet und kategorisiert werden. So lässt sich u. a. nachvollziehen, aus welchem Land oder aus welcher Provinz ein Fahrzeug stammt und welchen Weg es durch Südtirol genommen hat. Fährt ein Fahrzeug montags bis freitags von Gossensaß nach Sterzing an der Kamera vorbei, kann man davon ausgehen, dass der Autolenker ein Pendler ist. Wird ein Autokennzeichen aus Deutschland fünf Tage lang in Sterzing registriert und dann ein Jahr lang nicht mehr, könnte es sich um einen Touristen handeln. Das

Innerhalb Frühjahr werden an der Brennerroute (Staats- und Landesstraße) 20 Kameras zur Autokenntafelerfassung installiert, u. a. in Sterzing und Brenner. An der Autobahn bei Sterzing entsteht eine fixe Kontrollstelle, die LKW u. a. auf Überlastungen und den Zustand von Reifen, Licht- und Bremsanlage und weiterer Fahrzeugbestandteile überprüft. In Planung ist auch eine LKW-Kenntafelerfassung.

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„Mehr Vorteile als Nachteile“

Nachgefragt bei Hansjörg Zelger, Präsident der Bezirksgemeinschaft Überetsch-Unterland und Bürgermeister der Gemeinde Terlan

Erker: Herr Zelger, vor vier Jahren ist in Überetsch-Unterland das Pilotprojekt gestartet. Welche Erfahrungen konnten bisher gesammelt werden?

Hansjörg Zelger: Alle Kameras sind installiert. Ursprünglich war vorgesehen, die Daten, zu denen die Ordnungskräfte Zugang haben, in der Bezirksgemeinschaft zu sammeln und auszuwerten. Da sich die Normen geändert haben, müssen die Daten nun einer zertifizierten Serverzentrale des Landes (SIAG – Südtiroler Informatik AG) weitergeleitet werden, welche die Daten verarbeiten kann. Wir gehen davon aus, dass dies im März möglich sein wird.

Die Kameras sind also noch nicht in

Betrieb?

Derzeit speichern die Kameras für drei Tage die Aufnahmen, aber sie können noch nicht an den Server weitergeleitet und ausgewertet werden. Noch ist es ein Testlauf.

Parallel zum Pilotprojekt haben Sie im Ortszentrum ein gemeindeeigenes

Projekt umgesetzt.

Wir haben im Ortszentrum mehrere Videokameras montiert, um die wichtigsten Infrastrukturen zu überwachen. Für die Ordnungskräfte ist eine Kamera wie ein drittes Auge, das 24 Stunden am Tag im Einsatz ist. Schon öfter war es notwendig, auf die Daten zuzugreifen, um Vorfälle nachzuzeichnen und aufklären zu können.

Im landes- bzw. staatsweiten „Überwachungssystem“ erfasst zu sein, ist nicht jedem Bürger recht.

Der Sinn hinter der Kennzeichenerfassung ist ein völlig anderer als der, Gemeindebürger auf Schritt und Tritt zu verfolgen. Jedes Auto, das in den Orten erfasst wird, wird in ein System eingespeist. Autos, die nicht in der Provinz Bozen zugelassen sind, fallen sofort auf. So kann zum Beispiel herausgefiltert werden, ob es sich bei den Fahrzeugen um Arbeits- oder LKW-Bewegungen handelt. Kann man ein großes Territorium abdecken und Unregelmäßigkeiten herausfiltern, steigt die Chance, abschreckend zu wirken und/oder illegale Aktivitäten von der Gemeinde fernzuhalten. Das funktioniert aber nur, wenn sich alle an diesem Projekt beteiligen.

Viele befürchten durch die Installation von Kameras einen Eingriff in ihre

Privatsphäre.

Im Alltagsleben werden wir schon seit Jahren aufgezeichnet: Vor jeder Bank und in fast jedem Geschäft steht eine Kamera. Wird jemand Opfer eines Überfalls oder Unfalls, ist die erste Frage: Hier wird wohl irgendwo eine Kamera sein? In solchen Situationen soll eine verfügbar sein, ansonsten sollte sie aber möglichst wegschauen ... Eine Kamera bringt weit mehr Vorteile als Nachteile mit sich. Außerdem werte nicht ich als Bürgermeister die Aufzeichnungen aus, sondern die Ordnungskräfte.

Warum haben Sie sich damals für dieses Pilotprojekt entschieden?

Im Bezirk haben wir eine ungute Zeit erlebt. Es gab viele Einbrüche und wir wussten uns nicht recht zu helfen. Wir waren froh über diese Möglichkeit und haben uns als Gemeinderat mit der öffentlichen Meinung im Hintergrund für dieses Projekt entschieden. Mittlerweile hat sich die Einbruchsituation verbessert. Es gibt zwar einzelne Episoden, es sind aber nicht mehr so viele wie vor einigen Jahren. Natürlich gibt es Leute, die skeptisch und nicht glücklich über unsere Entscheidung sind. Wenn wir ihnen aber erklären, weshalb wir den Beschluss damals gefasst haben, ist der Einwand meistens schnell geklärt. Interview: rb

© BZG Überetsch-Unterland

System kann auch für die Verkehrsplanung in und außerhalb von Ortschaften sowie für Gemeinden nützlich sein, die ihrerseits Mobilitätspläne erstellen. Es gibt bereits Anfragen von Südtiroler Gemeinden, die auf ihren Straßen zusätzliche Kameras installieren möchten. Diese können dann in das System des Landes einfließen. Land und Gemeinde können so gegenseitig Daten austauschen. Durch die Verkehrsflussanalyse kann auch erhoben werden, wie viele Autos die Brennerautobahn meiden und stattdessen auf die Staatsstraße ausweichen, was den Verkehr und den Stau in die Städte und Dörfer des Landes verlagert und Anrainer noch stärker mit Abgasen und Lärm belastet. „Durch ein systematisches Monitoring der Verkehrsflüsse entlang aller Hauptachsen in Südtirol werden wir effektiv beweisen können, wie viel Transitverkehr und – vor allem wichtig für das Wipp- und Eisacktal – wie viel Ausweichverkehr auf der Staatsstraße existiert. Mit diesen Daten können wir – sofern sie die ‚gefühlte Einschätzung‘ bestätigen – in Rom Druck machen, um eine gesetzliche Änderung zu erreichen“, so Mobilitätslandesrat Daniel Alfreider. Im Bedarfsfall kann das System der Autokennzeichenerfassung auch von Ordnungshütern genutzt werden, die auch auf die Eigentümer der Fahrzeuge rückschließen können. Der „Garante della privacy“ legt al-

100 Kameras sind in den 18 Gemeinden des Bezirks Überetsch-Unterland installiert, um die Kleinkriminalität einzudämmen und die Sicherheit der Bevölkerung zu erhöhen. Im Bild (l.) die Kamera in Andrian und die Kamera am Bahnhof von Margreid (u.).

lerdings genau fest, wie mit den erfassten Daten umzugehen ist, damit das Recht auf Privacy eines jeden Fahrzeuglenkers garantiert ist. Jede Behörde benötigt einen eigenen Zugang. Jedes Einloggen in das System ist aktenkundig und muss gut begründet sein.

Schwierige Entscheidung in Gemeinden und Bezirk

Frei steht es jeder Gemeinde, in Absprache mit dem Regierungskommissariat auf ihrem Gebiet ein eigenes Überwachungssystem umzusetzen. Für viele ist diese Idee Neuland. Andere, darunter Brixen, verfolgen diesen Weg schon seit einiger Zeit. Derzeit überwachen 21 Videokameras die Stadt. Weitere 20 Überwachungsapparate werden in den kommenden beiden Jahren montiert, um vor allem in sensiblen Zonen wie Bahnhof, Schulzonen oder Parks Delikten vorzubeugen. Im Dezember 2021 hat der Stadtrat ein Projekt in Höhe von 3,13 Millionen Euro genehmigt. Dieses sieht ein Monitoring der Einfahrten in die Altstadt, Kameras, u. a. in Albeins und St. Andrä, sowie Überwachungssysteme an den Stadteingängen vor. Diese können Kenntafeln der Fahrzeuge erfassen und auch kontrollieren, ob das Fahrzeug gestohlen ist, mit Delikten in Verbindung steht, versichert ist und die Revision durchlaufen hat. Am Sitz der Ortspolizei wird ein eigener Raum mit Monitoren eingerichtet, welche die Bilder aller Kameras zeigen.

Schwierige Diskussion in Bezirksgemeinschaften

Ein ausgeklügeltes Überwachungskonzept auf die Beine zu stellen, das der gesamte Bezirk mitträgt, ist eine Herausforderung. Auch die Bezirksgemeinschaft Eisacktal wollte schon einmal ein bezirksweites Projekt starten, fand aber bisher keinen eindeutigen Rückhalt; „also haben wir es liegen, halb fallen lassen“, so Bezirkspräsident Walter Baumgartner. Schon oft wurde das Thema durchdiskutiert, mehrmals, „jedes Mal mit sehr unterschiedlichen Ansichten“. Einige Gemeinden wollen die Kameras lieber heute als morgen installiert haben, andere sind sehr skeptisch oder lehnen sie ganz ab. Insbesondere nach Einbruchserien oder gesprengten Bankomatschaltern ist die Forderung nach mehr Überwachung am lautesten – und flacht dann wieder ab, wenn es wieder ruhiger zugeht. Diskutiert wird oft darüber, welche Art von Kameras angebracht werden sollen. Soll an Ortseinfahrten und -ausfahrten jedes einzelne Autokennzeichen erfasst und mit dem gesamtstaatlichen Register abgeglichen werden? Oder reichen die gezielt platzierten Videokameras der Gemeinden auf öffentlichen Plätzen aus, etwa um Vandalenakte, illegale Müllablagerungen und andere Vergehen zu vermeiden bzw. aufzuklären? „Die Frage ist, was gesellschaftlich vertretbar ist“, so Baumgartner. Vieles spreche für eine Zentralisierung, vieles aber auch dafür, es nicht zu tun. „Manche Situationen löst man nicht, indem man sich an das landes- und staatsweite Datensystem hängt“, findet er. Jede Gemeinde sei verschieden und habe andere Bedürfnisse. Er findet generell ein gemeindeeigenes Überwachungssystem vertretbarer als eines, das mit anderen nationalen Datenbanken in Italien abgeglichen wird, zumal auch die Kriminalitätsrate in den Gemeinden sehr niedrig sei. „Beschädigen Jugendliche in ihrem Leichtsinn auf einem Spielplatz eine Lampe, sucht die Gemeinde zunächst das Gespräch mit ihnen und hängt ihnen nicht sofort ein Strafverfahren

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an“, so Baumgartner. Ein schwieriger Diskurs, der in diesem Zusammenhang oft emotional geführt wird, ist das Thema Privacy. „Viele fühlen sich in ihrer Freiheit eingeschränkt. Den Polizeikräften und dem Staat unsere Bewegungsprofile zu geben, ist für den einen oder anderen nicht nur autonomiepolitisch ein Problem.“ So seien schon oft Argumente gefallen wie „Wir bauen uns selber unser Überwachungssystem auf“ und „Was würden unsere Vorfahren wohl dazu sagen?“. Beginnen solche Diskussionen, lasse sich nur sehr schwer sachlich weiterdiskutieren. Andererseits: Wenn sich ein Bürger korrekt verhält, was hat er dann zu befürchten? „Das ist eine Prinzipien-Frage“, so Baumgartner. „Viele wollen grundsätzlich nicht, dass sie von lokalen Behörden oder sogar vom Staat kontrolliert werden. Zu Missbrauch oder Fehlern könnte es immer kommen. Es gibt zwar Schutzmechanismen, hohe Sicherheitsauflagen und nur bestimmte Leute haben Zugriff auf die Datenbanken, aber Missbrauch kann nie ausgeschlossen werden.“ Was die Erfassung der Autokennzeichen betrifft, hat Amtsdirektor Philipp Sicher eine klare Meinung: „Eine Videoüberwachung in Gemeinden, wo jeder jeden kennt, ist privacymäßig viel bedenklicher als eine anonyme Kennzeichenerfassung von Fahrzeugen.“

Wo beginnt Privacy, wo endet sie?

Unweigerlich stellt sich in diesem Diskurs die grundsätzliche Frage: Wo beginnt Privacy und wo hört sie auf? Und: Sind wir nicht schon längst gläserne Bürger? Unser Handy weiß, wann wir mit wem worüber telefonieren, ob wir rauchen oder zittern, wann wir schlafen, ob wir erhöhte Temperatur haben oder wo wir gerade Urlaub machen. Da jeder jederzeit sein Handy griffbereit hat, kann uns auch jeder, der es darauf anlegt, unbemerkt zuhören, Gespräche aufzeichnen und uns filmen. Wir wissen auch, dass wir Spuren hinterlassen, wenn wir uns ins weltweite Netz begeben. Google weiß, welche Videos, Musik und Bücher wir mögen, woran wir arbeiten, wer unsere Freunde sind, welche Webseiten wir lesen und welche wir meiden. Selten lesen wir die Nutzungsbedingungen bis zum Ende durch und erlauben Anbietern den Zugriff auf unsere persönlichsten Daten – Geheimnisse, die vielleicht nicht einmal unser bester Freund kennt. Weil aber die Vorteile überwiegen und uns das gesellschaftliche Leben schier dazu zwingt, uns im Netz sichtbar zu machen, nehmen wir es in Kauf, einen Teil unserer Privatsphäre aus der Hand zu geben. Auch die vielen Kameras, die im Alltag auf uns gerichtet sind, sind uns kaum bewusst. Wir werden beobachtet, wenn wir am Bankomatschalter Geld beheben, auf der Autobahn nach Innsbruck fahren, im Einkaufszentrum shoppen, in der Tiefgarage parken, im Zug sitzen oder mit dem Nachbarn vor seiner Garage plaudern. Zahlreiche Private haben mittlerweile selbst eine Kamera an und in ihren Häusern installiert. Auch hier ist die Handhabung vom Gesetz her genau geregelt. Nur der eigene private Bereich darf aufgezeichnet werden, nicht aber der öffentliche Weg wie eine Straße oder ein Gehsteig.

Die Gemeinde Pfitsch will an der Bahnunterführung in Wiesen eine Kamera montieren, welche die Kenntafeln aller ein- und ausfahrenden Fahrzeuge aufzeichnet.

Aus dem Alltag der Polizei

Für die Ordnungskräfte sind Überwachungssysteme natürlich wie eine zusätzliche Polizeistaffel, die rund um die Uhr im Einsatz ist. Egon Bernabè, seit zwei Jahren Kommandant der Stadtpolizei Sterzing, hat viele Jahre lang in Brixen gearbeitet. „Die Videoüberwachung hat gezeigt, dass sie abschreckend wirken kann, weil jeder weiß, dass er aufgezeichnet wird.“ Der Vorteil: Das Gebiet ist täglich 24 Stunden unter Kontrolle und nicht nur in dem Augenblick, in dem die Streife vorbeifährt. Dank Videoüberwachung konnten in Sterzing in den vergangenen Monaten innerhalb kurzer Zeit drei Vergehen aufgeklärt werden, was ohne Kameras wohl nur schwer möglich gewesen wäre, darunter zwei Diebstähle von Sonnenfängern in der Innenstadt (Sommer 2021) und ein Unfall am Untertorplatz (Jänner 2022). „Auch die Kenntafelerfassung macht für die öffentliche Sicherheit Sinn“, so Bernabè. Die Brennerachse ist eine internationale Route für legale, aber auch illegale Waren und Geschäfte. Die Kenntafelerfassung erleichtert den Ordnungskräften die Verfolgung von Drogenkurieren, Menschenhändlern, Bankräubern, Sexualstraftätern, Schmugglern, Mördern und anderen Straftätern sehr. Wird in einem europäischen Land das Autokennzeichen eines Straftäters in die sogenannte „Blacklist“ eingegeben, wird die Polizei auf all ihren Portalen gewarnt, sobald das verdächtige Fahrzeug in ihrem Gebiet erfasst wird. Aber auch Kameras haben ihre Grenzen. Für die Ordnungskräfte sind Überwachungssysteme wie diese zwar ein wertvolles Hilfsmittel, aber kein Allheilmittel. Das weiß Bernabè aus eigener Erfahrung. „Videokameras können nicht jedes Problem und jeden Fall lösen.“ Mal sind auf den Aufzeichnungen nicht alle Personen klar erkennbar oder sichtbar. Stammt der Täter nicht aus dem Ort, ist es schwierig herauszufinden, um wen es sich handelt. Sind Täter minderjährig, dürfen ihre Fotos nicht in den Medien veröffentlicht werden. Und, so Bernabè, will man wirklich Jugend-

liche öffentlich an den Pranger stellen? Oft fragt die Polizei im Meldeamt nach, wo jeder Gemeindebürger bei der Erstellung bzw. Verlängerung des Identitätsausweises registriert wird. Auch die Auswertung von Videoaufzeichnungen ist oft zeitaufwendig und dauert Stunden, wenn nicht feststeht, zu welcher Tageszeit die Straftat begangen worden ist. Die Zugangs- und Sicherheitsbestimmungen, die bei der Nutzung der Datenbanken gelten, seien durchaus im Sinne der Privacy und der Bürger gemacht, so Bernabè. Dass manche Gemeinden zögern, ihr Überwachungssystem weiter auszubauen, kann er trotzdem nachvollziehen. „Die Bürger werden überwacht, das ist nicht abzustreiten.“ Eine 100-prozentige Überwachung sei auch nicht im Sinne der Stadtpolizei. Vor einigen Jahren hat eine Firma vorgeschlagen, an der Kreuzungsampel in Sterzing ein 40.000 Euro teures Kamerasystem anzubringen, das jeden Autofahrer blitzt, sobald er bei Rot über die Ampel fährt. Die Stadtpolizei überzeugte das System nicht. „Wir sind nicht nur Strafen-Kassierer, sondern in erster Linie Vermittler zwischen Behörde und Bürger“, so Bernabè, der Fahrzeuglenker bei Verkehrskontrollen öfters darauf aufmerksam macht, welchen Gefahren sie sich und anderen aussetzen, wenn sie sich nicht an die Regeln halten. „Ein erzieherischer Faktor, der bei Überwachungssystemen oft wegfällt“, so Bernabè. Ein Jugendlicher, der im Sommer einen Sonnenfänger entwendet hat, hat sich nach einem Gespräch mit ihm beim Tourismusverein entschuldigt, den Sonnenfänger zurückgegeben und als Wiedergutmachung einige Stunden Sozialarbeit geleistet. „Das ist viel mehr wert als ein unpersönlicher Strafzettel in einem Einschreibebrief mit Rückantwort.“

Wie geht es nun im Wipptal weiter?

In den nächsten Wochen ist ein Lokalaugenschein im Bezirk Überetsch-Unterland geplant. Die Bürgermeister der Wipptaler Gemeinden wollen sich das Pilotprojekt vor Ort ansehen. Danach wird es wohl an jeder einzelnen Gemeinde selbst liegen, ob sie Kameras montieren und – falls ja – wie viele und vor allem mit welchen Mitteln sie diese finanzieren wird. Vom Land ist aus heutiger Sicht nämlich nicht mit einer Geldspritze zu rechnen. Auf die Frage, welche Voraussetzungen eine Bezirksgemeinschaft bzw. Gemeinde erfüllen muss, um eine Finanzierung des Landes zu erhalten, heißt es aus dem Ressort von Landeshauptmann Arno Kompatscher: „Zurzeit gibt es keine offene Finanzierungsschiene in diesem Bereich, es war nur ein einmaliges Pilotprojekt der Bezirksgemeinschaft Überetsch-Unterland. Dieses wurde anhand eines Gesuches der Bezirksgemeinschaft mittels Vereinbarung über die Gemeindenfinanzierung bezuschusst.“ Gut tut es allemal, über Überwachungssysteme zu sprechen. Auch um sich klar zu werden, wie viel Kontrolle sich die Bürger bzw. ihre Vertreter in Zukunft wünschen. Ob Überwachung mehr Vorteile bringt oder Nachteile. Und welchen Preis sie bereit sind, für ihre Entscheidung zu bezahlen.

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